Paul Herrmann NORDISCHE MYTHOLOGIE - Anaconda Verlag · Die Erstausgabe des vorliegenden Werkes...

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Paul Herrmann NORDISCHE MYTHOLOGIE Neu herausgegeben von Thomas Jung Anaconda

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Paul Herrmann

NORDISCHEMYTHOLOGIE

Neu herausgegebenvon Thomas Jung

Anaconda

Herrmann Mythologie 3

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Die Erstausgabe des vorliegenden Werkes erschien unter dem Titel Nordische Mythologie in gemeinverständlicher Darstellung 1903

im Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig. Der vorliegende Text ist eine modernisierte und gekürzte Fassung und erschien erstmals 1991

im Aufbau Taschenbuch, einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung© 1991, 2008 Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin© dieser Ausgabe 2011 Anaconda Verlag GmbH, KölnUmschlagmotiv: John Charles Dollman (1851–1934),

»Chariot of the Sun« (1909), Private Collection / Photo © Peter Nahum at The Leicester Galleries, London / bridgemanart.com

Umschlaggestaltung: Druckfrei. Dagmar Herrmann, KölnPrinted in Czech Republic 2011

ISBN [email protected]

Herrmann Mythologie 4

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INHALT

VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7

I DER SEELENGLAUBE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

1. Bedeutung des Todes für die Entstehung mythologischer Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2. Bedeutung des Traumes für die Entstehung mythologischer Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

3. Hexen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474. Werwolf und Berserker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525. Disen, Hamingja und Fylgja . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546. Nornen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567. Walküren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618. Schwanjungfrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

II ÜBERGANG VOM SEELENGLAUBEN ZUR NATURVEREHRUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

1. Elfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 662. Zwerge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 783. Hausgeister und Landgeister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 814. Wassergeister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885. Waldgeister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 926. Feldgeister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 977. Die Riesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 988. Gestirnmythen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

III DER GÖTTERGLAUBE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

Die Wanen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

1. Nerthus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

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2. Njörd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1323. Frey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1344. Freyja . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1445. Gefjon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

Die Asen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

1. Ty . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1522. Forseti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1573. Heimdall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1594. Höni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1655. Odin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1686. Thor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2047. Baldr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2368. Loki . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2509. Ull . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

10. Widar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26911. Bragi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

Die Göttinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

1. Frigg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2752. Hel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2783. Skadi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2814. Idun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

IV DER GÖTTERDIENST . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

Gebet, Gottesdienst und Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

V VORSTELLUNGEN VOM ANFANG UND ENDE DER WELT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309

1. Die Schöpfung der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3092. Die Schöpfung der Zwerge und Menschen . . . . . . . . . . . . 3203. Die Einrichtung der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3234. Der Weltenbaum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3315. Untergang und Erneuerung der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . 340

ABKÜRZUNGEN UND ERLÄUTERUNGEN . . . . . . 358

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I DER SEELENGLAUBE

1. Bedeutung des Todes für die Entstehungmythologischer Vorstellungen

Aus den reichen archäologischen Funden Skandinaviens kanndie Wissenschaft eine Entwicklung der Vorstellungen vondem Leben nach dem Tode geben und die verzweifelten Ver-suche aufdecken, die man gemacht hat zur Lösung des erstenund letzten großen Problems, den Tod zu verstehen und sichmit dem Beweise seiner Herrschaft abzufinden, dem leblosenKörper. So verschieden wie die Begräbnisbräuche, so mannig-fach sind die Anschauungen vom Jenseits. Erklärend und er-gänzend treten für die spätere Zeit die literarischen Zeugnissehinzu.

Das älteste germanische Grab der jüngeren Steinzeit, etwaim Beginn des 3. vorchristlichen Jahrtausends, ist eine kleineStube, aus wenigen Tragsteinen errichtet, auf denen ein ein-zelner Deckstein ruht; an der Seite befindet sich eine Öff-nung. In diesem Raume behielt der Abgeschiedene sitzendoder liegend den bescheidenen Hausrat seiner Wohnung zurVerfügung: irdenes Geschirr, Waffen und Schmucksachen derprimitivsten Form. Neben den kleinen Stuben repräsentierendie großen, die sogenannten Riesenstuben die reinen Formendes Grabes in der Steinzeit; es sind Massengräber, die nichtselten 20–30, 70 und selbst 100 Leichen beherbergen, sehrgeräumige Bauwerke, mehr einer Hausanlage als einer Stubevergleichbar, bald ärmlich wie die kleinen Stuben, bald wohl-habend und reich ausgestattet. Der Ruheort der Toten ist eineNachbildung des Hauses der Lebenden. Der Grabbau soll

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den Toten schützen, damit er dadurch sein Leben gewisser-maßen fortsetzen kann. Wenn der Leib erhalten blieb, gingdie Seele nicht zugrunde; sie konnte sich für kürzere Zeitzwar entfernen, aber kehrte doch beständig zurück, und dasGrab war ein Haus, in dem sie ihr Dasein fortsetzte. Die Bei-gaben, mit denen man den Toten für das Jenseits ausstattete,die primitiven Symbole, die die Grabsteine bedecken, bezeu-gen einen ausgebildeten Seelenglauben; ihn beweisen auch dieSpuren von Feuer: an dem Lebenselemente, an Licht undWärme sollte sich der Tote erfreuen.

Neben der Beerdigung war Verbrennung der Leichen üb-lich, namentlich in der nordischen Bronzezeit. Diese reichtmit ihren Anfängen bis in das 2. Jahrtausend v.Chr. zurück,und ihr Abschluß fällt etwa in das 4. Jahrhundert v.Chr. DieSprache zeigt, daß Leib (Leben) das »Dauernde« ist, währendaltgermanisch lik-hamo nur die Umhüllung bedeutet, die fürdie Existenz des »Dauernden« nicht wesentlich ist. DieserGegensatz zwischen dem Leben und der Leiche lehrt, daß derGlaube an die Unsterblichkeit der Seele wandellos derselbeblieb, ob die »Hülle« verfaulte oder verbrannt wurde. Mit derSitte, die Leiche zu verbrennen, ändert sich das Grab: es wirdin der jüngeren Bronzezeit klein und kleiner, wird zu einemviereckigen Behälter, der gerade zur Aufnahme verbrannterGebeine ausreicht, oder diese werden in einem Tongefäßeniedergelegt. Schließlich sind die Überbleibsel in einemHolzkistchen oder ohne jede Umhüllung der Erde anver-traut. Darum ist das Grab jetzt nicht mehr wie das Wohnhausausgestattet, denn es war als solches nicht mehr gedacht undgebaut; darum kommen Arbeitsgerät und Werkzeug in denGräbern fast gar nicht vor. Man hat den Glauben verloren,daß der eigentliche Körper fortlebt, dafür ist die edlere Vor-stellung aufgekommen, daß nur die Seele nach dem Todefortdauert. Nach der Verbrennung des Leibes und Vernich-tung der liebsten Besitztümer des Verstorbenen im Feuer

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hielt keine Haft die Seele mehr im Diesseits fest: so sorgteman für die Toten, die nun nicht mehr ratlos umherschwei-fen, aber noch mehr für die Lebenden, denen die Seelen niemehr begegnen konnten. Trotzdem hielt man an dem altehr-würdigen Brauche fest, auch nachdem er sinnlos gewordenwar, die Seelen mit Speise und Trank zu laben: aber was früherzum wirklichen Gebrauche des Toten bestimmt war, wardjetzt mehr als Andenken und Liebeszeichen aufgefaßt. Eineneue Stufe des Glaubens bezeichnet dann die Vorstellung,daß die Totengaben, zusammen mit dem Toten verbrannt,diesem ins bessere Jenseits folgten und dort ihm nützlichwären. Diese Behandlung der Grabbeilagen ist im Norden biszum Ende der heidnischen Zeit festgehalten: ein jeder wird inWalhall besitzen, was auf seinen Scheiterhaufen gelegt wird.

In der Eisenzeit (die ältere reicht vom 4. Jahrhundert v. Chr.bis zum 5. Jahrhundert n.Chr., die jüngere von da bis zum 10. Jahrhundert n. Chr.) verbreitet sich zugleich mit den römi-schen Einflüssen die Sitte der Bestattung unverbrannter Lei-chen. Obwohl die Leichenverbrennung keineswegs aufhört,nehmen die Begräbnisse doch mehr und mehr überhand. Aberes handelt sich in diesem Falle nur um Aufnahme ausländi-scher Mode. Neben der Hügelbestattung finden sich unterir-dische Begräbnisstätten. Die Gräber liegen meist einzeln, dieLeiche ruht in einem Holzsarge, der mit Winkelbändern undEisennägeln verbunden und mit Tragringen versehen ist. Zu-weilen liegen die Leichen in stattlich gezimmerten Holzkam-mern teils auf gestopften Kissen, teils sitzen sie auf Stühlen.Der Tote wurde bekleidet und geschmückt beigesetzt, umge-ben von Speise und Trank, Spielsteinen und Würfeln, wie beieinem Festmahle. Man dachte sich also das Dasein im Jenseitsals ein Leben in bloßem Genusse. Von kriegerischem Lebenund Siegen, Taten und Ehren war nicht die Rede. Darum legteman dem Toten auch keine Waffen bei.

Erst vom 5. Jahrhundert an bis in die Wikingerzeit hinein

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