Nichtträumen,tun! - Circumnavigation us/MM46... · 2013. 11. 12. · | MIGROS-MAGAZIN |...
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Bild:G
erryNitsch
NR. 46 | 11. NOVEMBER 2013www.migrosmagazin.ch
Familieninitiative i 16
Kinderabzug:Zwei Familien,zwei Ansichten
vimentis-UmFrage i 25
Armee,Verkehr,AHV: Sagen Sieuns IhreMeinung!
zUmselBermachen i 62
Grosis besteBasteltipps fürdieAdventszeit
Nicht träumen, tun!Sie habengewagt,wovonviele träumen: Paul Böhlenundseine FrauBrigitta sind sieben Jahre umdieWelt gereist undhaben63 Länderbesucht. I 30
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MENSCHEN | WELTENBUMMLER | Nr. 46, 11. November 2013 | MIGROS-MAGAZIN |
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In 2573 Tagenum die WeltAbenteuer pur: Sieben Jahre lang sind Paul Böhlen und Brigitta Jüni Böhlen rundumdenGlobus gereist. Erst kürzlich sind die beiden heimgekehrt. Reisemüde sindsie nicht – siewürden jederzeit wieder losziehen.
280 000 Kilometer haben Brigitta Jüni Böhlen und Paul Böhlen zurückgelegt. Ihr Auto wurde speziell für die Reise in unwegsame
Gebiete ausgerüstet – verstärktes Fahrwerk, grössere Tanks, und auf dem Dach sind Solarkollektoren montiert.
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| MIGROS-MAGAZIN | NR. 46, 11. NOVEMBER 2013 | MENSCHEN | WELTENBUMMLER
1 Traumhafte
Strände und
Maya-Kultur in
Mexiko.
2Wunderschöne
Wanderung zum
Mount Cook in
Neuseeland.
3 Begegnung
mit einem
Silberrücken in
Ruanda.
4 Schmackhaf-
tes Fladenbrot
in Kirgistan.
Höhepunkte der Reise rund umdieWeltDie beiden Globetrotterhaben unterwegs unzähligeunvergessliche Erfahrungengemacht. Zu ihren eindrück-lichsten Erlebnissen zählen: Schönster Strand: aufder mexikanischen Halb-insel Yucatán in der Nähevon Tulum. SchönsteWanderung:zum Mount Cook auf derSüdinsel Neuseelands. Schönste Insel: SanBlas Island zwischen Kolum-bien und Panama. Robin-son-Crusoe-Gefühl mitHängematten.
SchönsteWüste: dieNamib in Namibia. Eindrücklichstes Tier-erlebnis: Auge in Auge mitden Gorillas im Parc natio-nal des Volcans in Ruanda,Gnu-Migration am Mara-Fluss in Kenia und Tauchenmit Walhaien in Dschibuti. Bestes Brot: Fladenbrotin Pakistan und Kirgistan. Bester Fisch: Sushi undSashimi in Japan. Exotischstes Gericht:frittierte Heuschrecken inKambodscha und Engerlin-ge im Urwald Brasiliens – sie
schmeckten nach Kokos-nuss.
Kulturelle Höhepunkte:Ballettvorführung imOpernhaus von Nowosi-birsk, in Sibirien. DasGoldmuseum in Bogotásowie das Museum of Oldand New Art in der tas-manischen HauptstadtHobart. BeeindruckendsterTempel: der GoldeneTempel in Amritsar, Indien. SchönsterWasserfall:Iguazu an der GrenzeArgentinien/Brasilien.
Einzig die tibetische Gebetsfahne
an der Haustüre deutet darauf hin,
dass in dem Einfamilienhaus in
Illnau ZH Weltenbummler wohnen.
Paul Böhlen (68) und Brigitta Jüni Böh-
len (50) leben erst seit ein paar Wochen
wieder im Zürcher Oberland: Am
3. September 2006 brachen sie mit ih-
rem Toyota Land Cruiser zu einer Welt-
reise auf, die über sieben Jahre dauern
sollte. Mit dem Fahrzeug, das sie «Ma-
hangu» tauften,bereisten sie 63Länder
und legten dabei 280000 Kilometer
zurück. Mahangu heisst im südlichen
Afrika «Nahrung der Einheimischen».
Und das Reisen sei, so Pensionär Paul
Böhlen, Nahrung gegen das Fernweh.
Das Ehepaar ist schon immer leiden-
schaftlich gerne gereist.«Reisen ist ein
Virus. Bei uns hat sich dieses festge-
setzt. Wir haben keine Kinder, wenig
Verpflichtungen, und das hat uns be-
wogen, auf diese Weltreise zu gehen»,
erklärt Paul Böhlen, der früher eine
Werbeagentur leitete. Wie stark die
Passion fürs Reisen ist, zeigt die Le-
bensgeschichte der beiden: Kennen-
gelernthabensie sichbeimTauchenauf
der Karibikinsel Carriacou. Ihre Bezie-
hung festigten sie auf einer Reise durch
Australien, bevor sie 2001 in Namibias
Hauptstadt Windhoek heirateten. Die
Hochzeitsreise führte nach Argentinien
und von dort auf einen russischen Eis-
brecher in die Antarktis.
DieVorbereitung auf die Reisedauerte drei Jahre
«Wir waren bereits einmal 18 Monate
auf Achse und haben damals gespürt,
dass wir lange unterwegs sein können,
ohne müde zu werden und uns auf den
Wecker zu gehen», sagt Brigitta Jüni.
«AufdieseWeltreisenunbereitetenwir
uns drei Jahre lang vor.» Sie kündigte
ihre Stelle in der Finanzabteilung von
Swiss Life, gemeinsamen suchten sie
einen Mieter für das Haus und planten
eine grobe Route, die auf meteorologi-
sche und politische Gegebenheiten
Rücksichtnahm.BeiderWahldesFahr-
zeugs stand die Funktionalität im Vor-
dergrund.Der Land Cruiser ist für Rei-
sen in unwegsame Gebiete ausgerüstet,
hat ein verstärktes Fahrwerk, einen
Tankinhalt von 180 Litern und einen
Schnorchel,mit dem Flüsse bis 70 Zen-
timeter Tiefe befahren werden können.
Die Bordküche ist mit einem Zwei-
flammen-Gasherd ausgerüstet, auf
dem Dach hat es zwei Solarkollektoren.
Das Budget der beiden Weltreisen-
den betrug 45000 Schweizer Franken
Mexiko
Neuseeland
1
2Ruanda
3
Kirgistan
4
2.12.2006
29.5.2009
5.8.2008
18.7.2009
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rum planten sie, in Abbottabad zu blei-
ben, entschieden dann jedoch, ein paar
Kilometer ausserhalbderStadt zuüber-
nachten. Am nächsten Morgen sah Paul
Böhlen,dassdieEinheimischengebannt
auf den TV-Bildschirm in einer Hotel-
lobbystarrten.Auf seineFrage,waspas-
siert sei, bekam er die Antwort: «Letzte
Nacht haben US-Soldaten Osama Bin
Laden in Abbotabad getötet.»
Oft werden die Weltenbummler ge-
fragt,wie sie es auf so engemRaumaus-
gehalten haben.Das Rezept von Brigitta
Jüni: «Gegenseitiger Respekt, und man
mussdemanderenFreiraumeinräumen.
Wenn Paul lesen oder schreiben wollte,
dann habe ich ihm Zeit dazu gelassen.
Under liessmir alleZeit,die ichbrauch-
te, um gute Aufnahmen zu schiessen.»
Bei Meinungsverschiedenheiten haben
siediskutiert undsichdabeinochbesser
mitWalhaien inDschibuti.Dochebenso
wichtig waren die Begegnungen mit
Menschen; ganz gleich, ob es ein kirgi-
sischer Schafhirte, ein pakistanischer
Politikeroder ein indischerGuruwar.All
diese Erlebnisse haben die beiden in
ihren Reiseberichten festgehalten. Paul
Böhlen übernahm das Schreiben, seine
Frau steuerte die Bilder bei. «Mit den
Reiseberichten haben wir diese lange
Reise und die vielen Erlebnisse über-
haupt erst verarbeiten können», sagt
Paul Böhlen.
Wenige Kilometer entferntwurdeOsamaBin Laden getötet
In die brenzligste Situation kamen sie,
ohne es zu ahnen:Umauf demLandweg
nach Indien zu gelangen, mussten sie
mitBegleitschutzdurchPakistan reisen.
Auf dem Weg zurück aus dem Karako-
pro Jahr. Darin inbegriffen waren Auto-
Service, Ersatzteile und Treibstoff, Es-
sen, Flüge, Verschiffungen, Visa und
Eintritte – der Besuch der Gorillas in
Ruanda allein kostete 1000 Franken.
280000Kilometer legtendieWelten-
bummler zurück – das bedeutete fünf-
maligen Reifenwechsel, viermaligen
Wechsel der Autobatterien und etwa
20 Services. Zwischen den Kontinenten
wurde das Fahrzeug im Container ver-
schifft.WährendMahanguaufdenOze-
anen unterwegswar– vonBuenosAires
nachWalfischbai inNamibiadauerteder
Transport fünfWochen–, flogenBrigit-
ta Jüni und Paul Böhlen in die Schweiz,
umFamilie und Freunde zu besuchen.
«Wenn uns unsere Freunde bitten,
über unsere Reiseerlebnisse zu berich-
ten,dannsindwir glattwegüberfordert.
Wir haben so viel erlebt und wissen gar
nicht, wo wir beginnen sollen», meint
Brigitta Jüni. Zu den eindrücklichsten
Begegnungen gehören sicher jene mit
denGorillas inUgandaoderdasTauchen
Kanada6
Costa Rica7 Brasilien
Marokko
Sudan
Südafrika
Argentinien
Peru
Chile
3
4
1
10
2
8
9
Kanada5
USA
12
Bilder 1–10:1Neue Bekannt-
schaften in der
Wüste.
2Die Iguazu-
Fälle sind bis zu
80Meter hoch.
3Kaffeeplantage
in Brasilien.
4DasHobby-
Eberly-Teleskop
amMcDonald-
Observatorium.
5Gute Tat des Ta-
ges: einer Schild-
kröte über die
Strasse geholfen.
6 Blick vomMont
Royal aufMontreal.
7 Typisch bunt: ein
Tukan.
8Drachentempel
in der Nähe von
Trujillo.
9Die Panamerica-
na in Chile.
10Kaffernbüffel
imKrüger-Natio-
nalpark.
3.12.2010
9.8.2013
15.6.2011
12.4.2012
12.9.2012
1.5.2012
15.11.2012
19.2.2013
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MENSCHEN | WELTENBUMMLER
nommen hat. Ausserdem haben sie aufihrer Reise, die sie oft mit Armut undElend konfrontierte, mehr Abstand zumateriellen Werten bekommen. Jetzt,beim Auspacken von Möbeln und Klei-dern, realisieren die beiden, wie vielÜberflüssiges sie besitzen.Sie sind dar-an, Kleider undMöbel auszusortieren –im Reisefahrzeug hatte jeder ein kleinesFach für Kleider zur Verfügung.
Das Fernweh derGlobetrotterist nie gestillt
AuchderEinkauf vonLebensmitteln istin der Heimat einiges einfacher als aufder Reise: «In der Mongolei waren wirschon froh, wenn wir ein paar schrum-pelige Tomaten kaufen konnten.» AmmeistenvermissthabendiebeidennebstFamilie und Freunden Käse, Brot undSchokolade – «Letzteres gilt vor allemfür Paul», meint Brigitta Jüni schmun-zelnd.Für die Globetrotterin geht Anfang
DezemberderArbeitsalltag los.Siewird
kennengelernt. Und jeder hatte seineAufgabe: Paul Böhlen war Fahrer undBerichterstatter, seine Ehefrau Naviga-torin,Fotografinundverantwortlich fürdie Homepage. Brigitta Jüni warzudem «Bordingenieurin», denn PaulBöhlen,dasgibt erunumwundenzu,hatzwei linkeHände.Hilfreichwar,dassdieGlobetrotter Deutsch, Französisch,Englisch,SpanischundeinpaarBrockenArabisch und Portugiesisch sprechen.Am meisten jedoch, so meint BrigittaJüni, hätten sie die Zeichensprache ge-braucht.Seit Ende September sind sie wieder
inderSchweiz.Schritt fürSchritt tretensie in denAlltag ein.«Ich bin glücklich,dasswir gesund zuHause angekommensind», sagt Brigitta Jüni. Ihr Mann fügtan: «Eigentlich sind wir noch gar nichtrichtig angekommen. Irgendwie kannichkaumglauben,dass sieben Jahrevor-bei und wir schon wieder hier sind.»Aufgefallen ist den beiden bereits, dassderVerkehr inderSchweiz extremzuge-
China
Kambodscha
Japan
KasachstanKirgistan
Madagaskar
Bali
Australien
Malaysia
11
13
14
15
16
17
18
2019
Bilder 11–20:11 Bambus-Lemur
aufMadagaskar.
12Allein aufweiter
Flur.
13 Spaghetti-
plausch imNie-
mandsland.
14 Zauberwelt aus
Stein: die Tempel
vonAngkorWat.
15Kuala Lumpur,
Hauptstadt von
Malaysia.
16Reisterrassen
auf Bali.
17DerAyers Rock
oder Uluru,
heiliger Berg der
Aborigines.
18Die schönste
Zeit, in Japan zu
sein: Kirschblüte.
19Semei: hier
schrieb Dostojew-
ski im Exil.
20 Eine Schaf-
herde – 4WD trifft
aufVierbeiner.
wieder für Swiss Life arbeiten und hatdies mit einem Konferenzgespräch vonKirgistan aus organisiert. Paul Böhlenwird sich den Reiseberichten widmenund später vielleicht auch ein Buchschreiben. Ob nach der langen Reise ihrFernwehgestillt sei?«Nein»,antwortetdas Ehepaar. Neugierde und Lust aufsReisen könne man nie stillen. «Aberjetzt sind wir erst einmal zu Hause undfreuen uns auf den Winter, auf gutesBrot, Fondue und das Langlaufen imZürcherOberland.UndaufunsereBesu-cher aus aller Welt», fügt er an. «2014erhalten wir Besuch aus Südkorea, Ja-pan, Australien und Russland. Dannkommt dieWelt quasi zu uns.»
Text: Reto E.Wild
Bild: GerryNitsch
www.circumnavigation.ch
Im September
2006 fuhr das Paar
in Illnau ZH los.
280 000Kilometer
haben die beiden
auf ihrer Reise zu-
rückgelegt.
Bild
er:
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