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Hart: Franke Werkzeugbau ag
3,8 km
Hart: triatHlon
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Zur Vorspeise 3,8 Kilometer schwimmen, zum Hauptgang 180 Kilometer Rad fahren und zum Dessert 42,2
Kilometer laufen: Das ist das Wettkampfmenü des Triathleten Luca Della Giacoma aus Kappel bei Olten.
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Hart: Franke Werkzeugbau ag
180 km
Hart: triatHlon
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Langdistanz-Triathleten, die sich dieses Menü einverleiben, nennt man Iron-
men – Eisenmänner. Harte Kerle also – denkt der Laie. Doch der Fachmann sieht es anders. Zumindest differenzierter. Zum Beispiel Luca Della Giacoma, der sich diesem masochistisch anmutenden Genuss hingibt. «Ein ‹harter Siech› bin ich nicht», sagt er, «aber sehr diszi-pliniert.» Wie diszipliniert, zeigt sich am Tag unseres Interviews.
Wir treffen uns um 7.30 Uhr in einem Oltner Kaffee. Die meisten Gäste trinken hier ihren Frühstückskaffee. Um wach zu werden, bevor sie zur Arbeit gehen. Nicht so Luca Della Giacoma. Zwar trinkt auch er Kaffee und isst dazu Gipfeli, doch für den 28-Jähri-gen ist der Pressetermin bereits die erste Pause in einem vollgestopften Tagespro-gramm.
Wie jeden Morgen von Dienstag bis Freitag klingelte sein Wecker in dieser Trainingsphase um 5.15 Uhr. Eine halbe Stunde später war er im Hallenbad, machte Kraft- und Dehnungs-übungen und schwamm während der folgen-den Stunde gut und gern drei Kilometer. «Für mich ist dies die bequemste Art, mein Schwimmtraining in den Alltag zu integrie-ren», sagt der Vollblutsportler.
Vollblutsportler bedeutet in seinem Fall nicht Vollprofisportler. Denn neben seinem Training, für das er in Spitzenzeiten bis zu
24 Stunden pro Woche aufwendet, arbeitet Luca Della Giacoma als Immobilienbewirt-schafter in der Firma seines Vaters. «Mindes-tens 100 Prozent», sagt er. Deshalb ist er normalerweise nach der Schwimmeinheit um 7.30 Uhr im Büro und arbeitet bis Viertel vor zwölf. Die Mittagspause nützt er für eine 60- bis 75-minütige Laufeinheit. Spätestens um 13.45 Uhr ist er wieder im Büro und arbeitet, «bis alles erledigt ist». Dies sei zwischen 18 und 19 Uhr der Fall. Dann steigt er, wenn es der Trainingsplan verlangt, noch für zwei Stunden in den Velosattel. Die langen Velo-einheiten absolviert er am Wochenende. «Dabei kommt mir zugute, dass ich im Rad fahren relativ stark bin.» Wobei: «Relativ stark» ist relativ untertrieben, wie ein Blick auf die Rangliste des Ironman Hawaii von 2010 zeigt. Dort erreichte Della Giacoma mit 4:41 Stunden die drittschnellste Radzeit aller 1700 Altersgruppen-Athleten. Dies entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 38,4 Stundenkilometern. Enorm, zumal Wind-schatten fahren nicht erlaubt ist.
Um ein solches Arbeits- und Trainingspen-sum durchzuziehen, bedarf es grosser Diszi-plin – und eines starken Willens. Und es ist nur möglich, wenn man den Triathlon nicht nur als Sportart betrachtet. «Triathlon ist für mich eine Lebenseinstellung», sagt Luca, «Triath-lon ist ein Lifestyle.» Dank dieser Einstellung
fällt es ihm auch leichter, um Mitternacht nach Hause zu gehen, wenn er mit seinen Kollegen im Ausgang ist. Oder ab einem be-stimmten Zeitpunkt vor einem Wettkampf keinen Kaffee und keinen Alkohol mehr zu trinken. «Klar kommen da manchmal Sprü-che», sagt er, «aber wir wissen alle, wie die gemeint sind.»
Die ersten Triathlon-Viren infizierten Luca Della Giacoma 1999 im Alter von 16 Jahren. Im Rahmen des Sommertrainings der Junio-ren des Eishockeyclubs Olten fuhren die jun-gen Sportler die Radstrecke des Powerman-Duathlon in Zofingen ab. «Das machte mir unheimlich Spass.» Im Dezember des gleichen Jahres warf er nach neun Jahren von einem Tag auf den andern den Eishockey-Bettel hin. Dafür trainierte er in den folgenden Jahren auf Plauschniveau Duathlon. Vor sechs Jahren erlag er dem Virus Ironman-Triathlon. «Seit-her erlebte ich Hochs und Tiefs», blickt Della Giacoma zurück, «doch ich glaubte immer an mich – und ich behielt recht.»
In der Tat: Im letzten Jahr schaffte er die Qualifikation für die offizielle Weltmeister-schaft auf Hawaii, für das Rennen der Crème de la Crème der Ironman-Bewegung welt-weit, das bei Langdistanz-Triathleten noch den grösseren Stellenwert besitzt als Olympi-sche Spiele. Und er bestand die Prüfung mit Bravour. In seiner Altersgruppe erreichte er
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Ironman Hawaii
Der Ironman Hawaii ist der älteste und auch
gleichzeitig der bekannteste und spektaku-
lärste Ironman und wird seit 1978 jährlich auf
der Inselgruppe Hawaii im Pazifischen Ozean
ausgetragen (seit 1981 auf Big Island, davor
auf Oahu). Er ist das höchste Ziel der meisten
Triathleten. Für diesen Wettkampf muss man
sich seit 1988 bei einem der weltweit statt-
findenden und als Ironman lizenzierten Wett-
bewerbe durch eine schnelle Gesamtzeit in
seiner Altersklasse qualifizieren.
Der Triathlon findet jedes Jahr im Oktober
statt und gilt als einer der schwierigsten Aus-
dauerwettkämpfe der Welt. Neben der extre-
men Länge der Wettkampfstrecke kommen
auf Hawaii die erschwerenden Wettkampf-
bedingungen, denen die Athleten während
des Rennens ausgesetzt sind, hinzu. Neben der
Hitze von zum Teil über 40 Grad Celsius können
die aufkommenden Mumuku-Winde vor allem
auf der 180,2 km (112 Meilen) langen Rad-
strecke das Rennen stark beeinflussen, zumal
dort – wie bei allen Ironmanrennen – das
Windschattenfahren strikt untersagt ist.
Der Wettkampf startet morgens gegen
sieben Uhr in Kailua-Kona mit der 3,86 km
(2,4 Meilen) langen Schwimmstrecke aufs
offene Meer und zurück. Darauf folgt die Rad-
strecke durch die Lavafelder Richtung Norden
auf dem Queen K Highway mit dem Wende-
punkt in Hawi. Nach 180,2 km (112 Meilen)
wird das Rad wieder in Kailua-Kona gegen
die Laufschuhe getauscht. Der Marathon führt
bis zum Natural Energy Lab, einer Forschungs-
station zur Nutzung von Meeresenergie, und
endet mit dem Zieleinlauf auf dem Alii Drive
in Kona.
mit einer Gesamtzeit von 9:38:48 Stunden Rang 24, in der Gesamtrangliste landete er auf Platz 221 von 1927 Teilnehmenden. Seine Splits: 1:08:06 Stunden im Schwimmen, 4:41:49 im Rad fahren und 3:39:15 für den Marathon.
«Eigentlich habe ich mein Karriereziel in Sachen Ironman-Triathlon mit der Qualifika-tion für Hawaii erreicht», sagt Luca Della Giacoma, «doch ich bin überzeugt, dass ich mein Potenzial noch nicht ausgeschöpft habe.» Die Statistik gibt ihm Recht: Das beste Triathlon-Alter kommt erst. Seine bisher bes-te Ironman-Zeit erreichte er 2010 auf Lanza-rote mit 9:23:58. Was liegt noch drin? «Eine Zeit unter neun Stunden sollte bei einem optimalen Wettkampf drinliegen.»
Also trainiert Luca Della Giacoma weiter. Seine Lebenseinstellung, seinen Lifestyle än-
dert man ja schliesslich nicht ohne Grund von einem Tag auf den andern. 2011 ist für ihn ein Zwischenjahr. «Selbst wenn ich mich Ende Juni in Nizza für Hawaii qualifizieren sollte – ich würde das Ticket nicht einlösen.» Nächstes Jahr dagegen schon. «Idealerweise möchte ich mich 2012 möglichst früh für Hawaii qua-lifizieren, um mich dann in aller Ruhe auf das Rennen vorbereiten zu können.» Im letzten Jahr sei dies mit der Qualifikation Ende Mai auf Lanzarote nicht optimal gewesen. «Das Rennen war mit 2500 Höhenmetern auf der Velostrecke und auch psychisch sehr hart, und ich brauchte einen Monat, um mich davon zu erholen.»
Früh in der Saison bedeutet, beim Ironman in Südafrika Anfang April oder in Neuseeland Anfang März. Beide Rennen liegen nicht wirklich am Weg. Und die Reise dorthin kostet
Geld. «Dabei helfen mir, was ja überhaupt keine Selbstverständlichkeit ist, verschiedene Sponsoren, und dafür bin ich ihnen sehr dank-bar», freut sich der Kappeler. «Und ich ver-suche immer, solche Wettkämpfe mit einer Reise zu verbinden.»
Triathlon hier, Lifestyle da – Luca Della Giacoma hat den Bodenkontakt trotz seiner Erfolge nicht verloren. «Mein Beruf hat Priori-tät», sagt er. «Die Zeit als Spitzensportler geht irgendwann zu Ende», sagt er, «wann, weiss ich noch nicht. Und auch wenn es dann soweit ist: Sportler werde ich mein Leben lang blei-ben.» Das Menü wird dannzumal etwas we-niger üppig ausfallen. Aber gegessen wird immer. mmm