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1 VORWORT Die Diskussion um die medizinische Betreuungsverfügung, fälschlicherweise oft 'Patiententestament' genannt, ist auch in der Bundesrepublik konkreter und differenzierter geworden. Standen bisher theoretische rechtliche und ethische Probleme und eine zumeist ablehnende Haltung ärztlicher Standesorganisationen im Vordergrund, so werden zunehmend praktische und klinische Fragen der Differenzierung, der Akzeptanz und Validierung von Betreuungsverfügungen und stellvertretenden Entscheidungen in Arbeitskreisen von Ärztekammern, Kirchenleitungen und Laienorganisationen diskutiert. Unser Beitrag stellt ein wertanamnestisches Modell zur Diskussion, das Ärzte und ihre Mitarbeiter primär über individuelle Werte, Wünsche, Ängste und Hoffnungen von Patienten informiert und erst sekundär - basierend auf diesen Werten und Wünschen - Hinweise gibt und Verfügungen trifft, an denen stellvertretende Entscheidungen sich orientieren können. Für die stellvertretende Entscheidung geben wir dem Modell der Bevollmächtigung gemäß § 1896 II 2 BGB in Verbindung mit § 1904 II und § 1906 V BGB durch den Vollmachtgeber den Vorzug vor der Bestellung eines Betreuers gemäß § 1897 BGB durch das Vormundschaftsgericht. Der Inhalt dieser Broschüre wendet sich an Laien und Experten. Ein erster Teil präsentiert narratives Material für die individuelle Selbstverständigung und Selbstbewertung in der Auseinandersetzung mit weitgehend tabuisierten Fragen von Leiden, Abhängigkeit, Sterben und Tod und kann als Vorbereitung auf die Abfassung einer individuellen und mit dem Arzt des Vertrauens zu beratenden medizinischen Betreuungsverfügung dienen. In einem zweiten Teil stellen wir für Diskussionszwecke das Modell einer integrierten wertanamnestischen Betreuungsverfügung vor; der Anhang enthält eine modifizierte Form in religiöser Sprache. Wir haben uns bemüht, Überlegungen und Hinweise laienverständlich zu formulieren. Details der ethischen, medizinischen und rechtlichen Problematik und die Fachliteratur diskutieren wir in einem dritten Teil in Hinweisen für Ärzte und Pfleger, Bevollmächtigte, Geistliche und Anwälte. Diese sechste Auflage berücksichtigt die Änderungen des BtÄndG vom 25.6.98 mit Inkrafttreten zum 1.1.1999. Bochum und Magdeburg, im August 2000 Hans-Martin Sass, Rita Kielstein 1. VORBEREITUNGSMATERIAL FÜR DEN PATIENTEN

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VORWORT

Die Diskussion um die medizinische Betreuungsverfügung, fälschlicherweise oft

'Patiententestament' genannt, ist auch in der Bundesrepublik konkreter und differenzierter

geworden. Standen bisher theoretische rechtliche und ethische Probleme und eine zumeist

ablehnende Haltung ärztlicher Standesorganisationen im Vordergrund, so werden zunehmend

praktische und klinische Fragen der Differenzierung, der Akzeptanz und Validierung von

Betreuungsverfügungen und stellvertretenden Entscheidungen in Arbeitskreisen von

Ärztekammern, Kirchenleitungen und Laienorganisationen diskutiert.

Unser Beitrag stellt ein wertanamnestisches Modell zur Diskussion, das Ärzte und ihre

Mitarbeiter primär über individuelle Werte, Wünsche, Ängste und Hoffnungen von Patienten

informiert und erst sekundär - basierend auf diesen Werten und Wünschen - Hinweise gibt

und Verfügungen trifft, an denen stellvertretende Entscheidungen sich orientieren können.

Für die stellvertretende Entscheidung geben wir dem Modell der Bevollmächtigung gemäß §

1896 II 2 BGB in Verbindung mit § 1904 II und § 1906 V BGB durch den Vollmachtgeber

den Vorzug vor der Bestellung eines Betreuers gemäß § 1897 BGB durch das

Vormundschaftsgericht.

Der Inhalt dieser Broschüre wendet sich an Laien und Experten. Ein erster Teil

präsentiert narratives Material für die individuelle Selbstverständigung und Selbstbewertung

in der Auseinandersetzung mit weitgehend tabuisierten Fragen von Leiden, Abhängigkeit,

Sterben und Tod und kann als Vorbereitung auf die Abfassung einer individuellen und mit

dem Arzt des Vertrauens zu beratenden medizinischen Betreuungsverfügung dienen. In einem

zweiten Teil stellen wir für Diskussionszwecke das Modell einer integrierten

wertanamnestischen Betreuungsverfügung vor; der Anhang enthält eine modifizierte Form in

religiöser Sprache. Wir haben uns bemüht, Überlegungen und Hinweise laienverständlich zu

formulieren. Details der ethischen, medizinischen und rechtlichen Problematik und die

Fachliteratur diskutieren wir in einem dritten Teil in Hinweisen für Ärzte und Pfleger,

Bevollmächtigte, Geistliche und Anwälte.

Diese sechste Auflage berücksichtigt die Änderungen des BtÄndG vom 25.6.98 mit

Inkrafttreten zum 1.1.1999.

Bochum und Magdeburg, im August 2000

Hans-Martin Sass, Rita Kielstein

1. VORBEREITUNGSMATERIAL FÜR DEN PATIENTEN

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KRANKENGESCHICHTEN ZUR SELBSTBEWERTUNG UND SELBST-

BESTIMMUNG

Sie finden hier vier Geschichten von Patienten am Ende ihres Lebens. Diese

Krankengeschichten vom Leiden und Sterben sind ebenso unterschiedlich wie es die

Lebensgeschichten dieser Patienten waren. Für jeden von uns wird die Geschichte vom

Kranksein und schließlich auch vom Sterben einmal Teil unserer eigenen Lebensgeschichte.

Mit der noch ausstehenden Geschichte des Endes unseres eigenen Lebens beschäftigen wir

uns jedoch nur ungern und selten ohne einen besonderen Anlaß. Wir sollten es dennoch tun,

denn die frühzeitige Beschäftigung mit künftigen Herausforderungen gehört zu den wirk-

samsten Mitteln vorsorglicher Sicherung von Lebensqualität und Selbstbestimmung. Nicht

nur für die schönen und starken Stunden im Leben oder für die Gesundheitsvorsorge, sondern

auch für die dunklen und schwachen Stunden, bei schwerer Krankheit und in der Nähe des

Todes, müssen wir unsere eigenen Vorstellungen formulieren, damit nicht andere, Ärzte,

Angehörige oder Freunde, später einmal technisch mögliche, aber für uns persönlich

unerwünschte und damit falsche medizinische Entscheidungen treffen. Eine Auseinander-

setzung mit diesen Geschichten kann dazu beitragen, daß wir uns über Lebenswerte und

Lebensqualität und den Sinn medizinischer Intervention klarer werden und eigene Wertungen

vornehmen für die Gesundheitsvorsorge und die Betreuung im Alter. In jedem Fall sollten Sie

mit einem Arzt Ihres Vertrauens Ihre Wünsche, Hoffnungen, Ängste und

Behandlungsverfügungen, beispielsweise im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung, bespre-

chen.

Sie können sich mit diesen Geschichten vom Kranksein und Sterben auf verschiedene

Weise auseinandersetzen: (1) Denken Sie in Ruhe über die Geschichten nach und diskutieren

Sie diese mit Ihrer Familie und Ihren Freunden. Das wird Ihnen helfen, sich über diejenigen

Werte und Wünsche klar zu werden, die in einer Betreuungssituation Ihre Behandlung leiten

sollen. (2) Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie die Geschichten einfach umschreiben und dabei

davon ausgehen, daß Sie selbst der Kranke sind und Ihren Wünschen und Werten

entsprechend behandelt werden. (3) Besprechen Sie Ihre Wünsche, Wertungen und

Verfügungen mit einem Arzt Ihres Vertrauens, beispielsweise aus Anlaß einer Vor-

sorgeuntersuchung. (4) Vor allem soll Ihnen aber die Auseinandersetzung mit diesen Ge-

schichten als eine Vorbereitung auf den Entwurf einer Betreuungsverfügung dienen.

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EIGENE ERFAHRUNGEN MIT KRANKENGESCHICHTEN

Für die meisten von uns ist die Beschäftigung mit den nachfolgenden fünf Geschichten

von Krankheit und Sterben nur ein äußerer Anlaß, über unsere eigene Zukunft nachzudenken.

Jeder hat seine eigene Geschichte zu erzählen, die bereits Teil seiner Lebenserfahrung ist und

die in die Bewertung einfließen wird. Eigene Erlebnisse prägen unsere Hoffnungen und

Ängste, Werte und Wünsche für die Zukunft. Was haben Sie bisher erlebt? Was ist heute

schon ein Teil Ihrer Lebensgeschichte?

Waren Sie schon einmal schwer krank? Wie hat das Ihre Einstellung zu Krankheit, zu

Schmerzen, zu Abhängigkeit, zur Qualität des Lebens und zur Medizin beeinflußt?

Haben Sie schwere Krankheit oder Sterben von Familienangehörigen oder Freunden aus der

Nähe erlebt und begleitet? Wie hat das Ihre Einstellung zu Krankheit und Sterben geprägt?

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1. WER SOLL JETZT ENTSCHEIDEN, UND WIE?

Herr B. ist 79 Jahre alt und benötigt für alle Verrichtungen des täglichen Lebens die Hilfe

anderer. Er kann zunehmend schlechter hören und sehen, er hat keine Interessen mehr und ist

häufig geistig verwirrt. Weil er früher starker Raucher war, ist die Durchblutung seiner Beine

gestört; er kann nur wenige Meter ohne Schmerzen laufen. Durch eine größere Ge-

fäßoperation könnten die Schmerzen beim Gehen behoben werden, seine Bewegungsfähigkeit

verbessert und seine Hilfsbedürftigkeit reduziert werden. Herr B. ist aber nicht in der Lage,

sich zu den Vorteilen und Risiken des Eingriffs sinnvoll zu äußern. Seine Kinder halten den

geplanten Eingriff für problematisch und neigen dazu, ihrem Vater die Risiken einer

Operation zu ersparen, da sie meinen, daß seine Lebensqualität dadurch nur unwesentlich

verbessert werden würde. Herr B. selbst hat sich früher, als er noch Situationen klar verstehen

und auch in ihnen entscheiden konnte, nie zu problematischen Fragen medizinischer

Behandlungen geäußert.

1. Wenn Sie einmal in einer vergleichbaren Situation nicht mehr entscheidungsfähig sein sollten, wer sollte stellvertretend für Sie entscheiden, der Arzt, Ihre Kinder, Ihr Partner, oder eine andere Person?

2. Wie hätten Sie gewünscht, daß entschieden worden wäre, wenn Sie in Herrn B.s

Situation gewesen wären? 3. Wenn jemand 'in gesunden Tagen' erklärt, daß er bestimmte Behandlungen in be-

stimmten Situationen ablehnen oder vorziehen würde, sollten Ärzte und Familie sich nach Ihrer Meinung auch in ‘schlechten Tagen’ daran halten?

4. Versetzen Sie sich in die Geschichte von Herrn B. und schreiben Sie diese Geschichte

so um, daß die Behandlung Ihren Wünschen und Vorstellungen entspricht.

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2. DIESE KREBSERKRANKUNG IST NICHT HEILBAR

Vor fünf Jahren wurde Frau M., 46 Jahre alt, wegen einer Krebserkrankung die linke Brust

abgenommen; außerdem erhielt sie eine Strahlentherapie. Als plötzlich Rückenschmerzen und

eine Gehbehinderung auftreten, werden Tochtergeschwülste in der Wirbelsäule festgestellt.

Frau M. stimmt einer Chemotherapie zu, obwohl ihr die Begleiterscheinungen wie Übelkeit,

Erbrechen, Leistungsverlust und Haarausfall bekannt sind. Diese Behandlung könnte die

Schmerzen vorübergehend lindern, aber nicht den Knochenkrebs heilen. Frau M. kann nach

einiger Zeit das Bett nicht mehr verlassen, da der Knochenkrebs sich trotz der Behandlung

weiter ausbreitet. Sie stirbt nach sechs Monaten im Krankenhaus und nicht, wie gewünscht zu

Hause. Ohne die chemotherapeutische Behandlung wäre sie vermutlich eher verstorben.

1. Würden Sie wünschen, daß die Ärzte Sie über Ihren Zustand voll aufklären, auch darüber, daß eine Heilung nicht mehr möglich ist?

2. Würden Sie wünschen durch eine intensive Schmerztherapie völlig beschwerdefrei

gestellt zu werden, auch wenn dadurch Ihre geistige Wachheit beeinträchtigt wird? 3. Würden Sie intensive medizinische Behandlungen fortsetzen wollen, um ein be-

stimmtes Ereignis noch zu erleben oder selbst noch etwas zu erledigen? Was wäre Ihnen so wichtig?

4. Versetzen Sie sich in die Geschichte von Frau M. und schreiben Sie diese Geschichte

so um, daß die Behandlung Ihren Wünschen und Vorstellungen entspricht.

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3. EIN PLÖTZLICHER HIRNSCHADEN

Frau D., 55 Jahre alt, bricht im Büro bewußtlos zusammen. Im Krankenhaus wird ein

Schlaganfall festgestellt, vermutlich die Folge eines seit Jahren bestehenden und nicht

konsequent behandelten Bluthochdrucks. Die Ursache des Schlaganfalls kann ohne das Risiko

zusätzlicher Hirnschädigung nicht operativ beseitigt werden, könnte über einen längeren

Zeitraum ganz oder teilweise abgebaut werden. In diesem Krankheitsstadium ist nicht mit

Sicherheit vorauszusagen, welche Dauerschäden zurückbleiben werden. Diese können von

einer leichten bis zu einer völligen Lähmung reichen und/oder den Verlust des Sprach-,

Wahrnehmungs-, Erkennungs- und Denkvermögens einschließen.

1. Mit welchen Dauerschäden könnten Sie sich vorstellen, weiterzuleben? 2. Welche Dauerschäden wären für Sie so schwerwiegend, daß Sie mit diesen nicht

weiterleben möchten und deshalb die medizinische Versorgung von zusätzlich auf-tretenden und durchaus behandelbaren Krankheiten wie zum Beispiel Infektionen ablehnen, solange Schmerzen, Durst und Hunger, Angst, Unruhe und Luftnot ange-messen behoben werden.

3. Welche Situation wäre für Sie so unerträglich, daß Sie auch nicht mehr künstlich

ernährt werden wollen und nur wünschen, daß Schmerzen und Unruhe, Durstgefühl, Angst und Atemnot behandelt werden.

4. Versetzen Sie sich in die Geschichte von Frau D. und schreiben Sie diese Geschichte

so um, daß die Behandlung Ihren Wünschen und Vorstellungen entspricht.

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4. DEN ZEITPUNKT DES STERBENS WÄHLEN?

Frau S., 80 Jahre alt, geistig aktiv und urteilsfähig. Sie ist stark gehbehindert, herzkrank und

leidet seit Jahren unter einer schmerzhaften, aber gutartigen Darmerkrankung. Seit sie vor

zwei Jahren ihren Mann verlor, hat sie der Lebensmut verlassen; ihrem Hausarzt hat sie

seitdem des öfteren gesagt, daß er sie in Ruhe sterben lassen möge, wenn sie einmal ihrem

Leben selbst ein Ende setzen würde. Jetzt ruft die Nachbarin den Arzt an und informiert ihn,

daß Frau S. eine Überdosis Schlaftabletten genommen habe. Der Arzt findet sie bewußtlos auf

dem Sofa, neben ihr ein Zettel mit dem Hinweis, daß sie keiner Einweisung ins Krankenhaus

und auch keiner lebenserhaltenden Maßnahme zustimme, sie wolle sterben. Der Arzt folgt

ihren Wünschen.

1. Können Sie sich vorstellen, daß Sie in einer vergleichbaren Situation ähnlich wie Frau S. handeln würden?

2. Würden Sie wünschen, daß Ihnen für einen solchen Fall Ihr Arzt Hinweise auf

Medikamente und ihre Dosierung geben würde? 3. Wie beurteilen Sie das Verhalten des Arztes? 4. Versetzen Sie sich in die Geschichte von Frau S. und schreiben Sie diese Geschichte

so um, daß die Behandlung Ihren Wünschen und Vorstellungen entspricht.

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FRAGELISTE FÜR MEDIZINISCHE GRENZSITUATIONEN FÜR DIE AKTUELLE

SELBSTBEWERTUNG UND DIE KÜNFTIGE SELBSTBESTIMMUNG

Wir alle wissen, daß sich unser Wert- und Weltbild ändern kann, vor allem auch unter

dem Einfluß künftiger Erfahrungen und Erlebnisse. Einige von uns möchten sich deshalb

nicht allzu genau festlegen und schwierige Entscheidungen erst dann treffen, wenn sie fällig

sind, oder sie Personen ihres Vertrauens überlassen. Andere wiederum sind sich der

wichtigsten Werte und Wünsche, auch was die Zukunft und die Situationen von Schwäche,

Krankheit und Unfähigkeit zu eigener Entscheidung betrifft, sehr sicher und wollen, daß diese

Werte und Wünsche handlungsleitend und bindend für andere sind. Die folgenden Fragen

sollen Ihnen helfen, sich über Ihre Werte und Wünsche klar zu werden, die im Falle einer

möglichen künftigen Unfähigkeit zur eigenen Entscheidung handlungsleitend sein sollen und

dem von Ihnen Bevollmächtigten und den Ärzten stellvertretende Entscheidungen erleichtern

sollen.

Streichen Sie die von Ihnen gewünschte Bewertung an nach (a) der jetzigen Wichtig-

keit (Zahlen 1 bis 5) und (b) nach der künftigen Verbindlichkeit für andere im Betreuungsfall

(Buchstaben A bis E). Wägen Sie sorgfältig ab und diskutieren Sie auch diese Abwägungen

mit einem Arzt Ihres Vertrauens.

Aktuell wichtig: 1 = sehr wichtig; 2 = wichtig; 3 = je nach Situation; 4 = kann ich

nicht entscheiden; 5 = nein. Verbindlich für die Zukunft: A = unbedingt wichtig; B = wichtig;

C= je nach Situation; D = kann ich nicht entscheiden; E = nein.

jetzt wichtig Verbindlich für die Zukunft

1. Ich möchte solange leben wie möglich, 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

solange ich einigermaßen gesund bin 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

solange eine Aussicht auf Besserung besteht 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

auch wenn ich für immer bewußtlos bin 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

auch wenn ich geistig unzurechnungsfähig bin 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

auch wenn ich dem Tode nahe bin 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

auch wenn ich ständig die Hilfe anderer benötige 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

2. Ich möchte ohne Leiden und Schmerzen sein 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

auch wenn die Behandlung die Klarheit des Denkens beeinträchtigt

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1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

auch wenn die Behandlung mich müde und schläfrig macht

1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

auch wenn die Behandlung unbeabsichtigt meine Lebensspanne verkürzt

1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

3. Ich wünsche menschlichen und medizinischen Beistand im Sterben

1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

auch wenn die Medikamente mich müde und schläfrig machen

1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

auch wenn die Medikamente meine Lebensspanne verkürzen

1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

auch wenn die Medikamente direkt meinen Tod herbeiführen

1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

4. Bei unheilbarer Krankheit und Erwartung stark eingeschränkter Lebens-

qualität,

wünsche ich umfassende Aufklärung 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

sollen meine Betreuer umfassend aufgeklärt werden 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

soll meine Familie informiert werden 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

5. Wenn meine letzte Stunde gekommen ist möchte ich,

in vertrauter Umgebung sein 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

im Kreis meiner Lieben sein 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

dort sein, wo medizinische und menschliche Betreuung gesichert ist

1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

6. Ich bitte, sich an meinen Wertungen zu orientieren

1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

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MEDIZINISCHE BEGRIFFE UND IHRE BEDEUTUNG

Medizinische Begriffe werden vom Laien oft nicht zutreffend oder gar falsch ver-

standen. Für die Selbstvergewisserung über eigene Werte und Wünsche und vor allem für

eventuelle definitive Hinweise und Verfügungen ist es aber unerläßlich, daß über Begriffe

und ihre Bedeutung keine Unklarheit herrscht. Das gilt im Zusammenhang mit Betreuungs-

verfügungen vor allem für Begriffe wie Aufklärung, Betreuer, Betreuungsverfügung, Be-

vollmächtigter, Chemotherapie, Demenz, Finalstadium, Hirntod, Koma, Künstliche

Beatmung, Künstliche Ernährung, Kreislaufstillstand, Künstliche Flüssigkeitszufuhr,

Lebensqualität, Palliativmedizin, Prognose, menschliche und medizinische Sterbebegleitung,

aktive und passive Sterbehilfe, Übertherapie, Vorsorgevollmacht, Wiederbelebung.

Sprechen Sie wichtige Begriffe mit einem Arzt Ihres Vertrauens durch, auch solche,

die Sie zu kennen meinen.

(A) Diese Begriffe sind mir bekannt:

(B) Diese Begriffe sind mir nicht vertraut:

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EIGENE FRAGEN UND GEDANKEN

Wenn Ihnen sonst noch etwas wichtig erscheint für Ihre Selbstklärung über Ziele und

Grenzen medizinischer Behandlung und Lebensqualität oder medizinischer Fragen, die Sie

mit Ihrem Arzt, Ihrem Bevollmächtigten, einem Juristen Ihres Vertrauens, einem guten

Freund oder einem Geistlichen besprechen möchten, so können Sie das auf dem hier noch

verbleibenden freien Raum eintragen.

(A) Wertfragen

(B) Medizinische Fragen

(C) Sonstiges und Fragen an mich selbst

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2. MODELL EINER MEDIZINISCHEN BETREUUNGSVERFÜGUNG

HINWEISE UND ERLÄUTERUNGEN FÜR

DAS ABFASSEN VON BETREUUNGSVERFÜGUNGEN

Die moderne Medizin verfügt über viele Möglichkeiten zur Heilung und Linderung

von Krankheiten, zur Begleitung chronischen Krankseins und zur Lebensverlängerung.

Umfang und Zielsetzung der Behandlung müssen sich am Wohl und Heil, vor allem aber am

Wunsch des Patienten orientieren. Nicht selten werden bei schweren Erkrankungen und in der

Nähe des Todes alle Möglichkeiten der Lebens- und damit oft auch Leidensverlängerung

eingesetzt. Hiervor haben viele Mitbürger Angst. Ärzte tendieren häufig dahin, der

'Apparatemedizin' eine Entscheidung zu überlassen, die sie nicht treffen wollen oder können,

weil sie wenig über das Wert- und Weltbild des Patienten wissen.

Deshalb ist es wichtig, wenn Ärzte, Betreuer und Ihre Familie darüber informiert sind,

wie Sie entsprechend Ihren Werten und Wünschen behandelt werden möchten oder wer für

Sie entscheiden soll, wenn Sie einmal nicht mehr selbst entscheiden können. Medizinische

Betreuungsverfügungen sind dazu da, daß Sie andere über Ihre Werte und Wünsche für die

Behandlung und Betreuung informieren und eine Person Ihres Vertrauens für Entscheidungen

in Ihrem Sinne benennen können. Ärzte und ihre Mitarbeiter, Krankenhäuser, Alten- und

Pflegeheime sind nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes verpflichtet, sich bei

medizinischen und pflegerischen Entscheidungen an diesen Werten, Wünschen und

Verfügungen zu orientieren.

Nicht immer sind intensive lebensverlängernde Maßnahmen im Interesse des

Patienten. Viele Mitbürger wünschen sich einen Sterbeprozeß, der nicht durch intensive

medizinische Maßnahmen verlängert wird. Aber jeder wünscht sich eine menschliche und

medizinische Betreuung in den letzten Tagen und Stunden des Lebens, die Schmerzen, Angst,

Unruhe und andere unangenehme und quälende Symptome wie Atemnot, Übelkeit, Erbrechen

und Durst beheben. Und wenn Ärzte erfolglos in der wirkungsvollen Behandlung von

Schmerzen und quälenden oder unangenehmen Symptomen bleiben, dann sind sie rechtlich

verpflichtet, Kollegen mit Spezialkenntnissen in der Palliativmedizin zu Rate zu ziehen. Bei

jedem Patienten muß also auf der Grundlage individueller klinischer Daten und entsprechend

den individuellen Werten, Wünschen und den vorsorglich festgelegten Verfügungen Umfang

und Inhalt der medizinischen Behandlung und Betreuung neu festgelegt werden. Das verlangt

das ärztliche Hilfsgebot.

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Diese Betreuungsverfügung besteht aus vier Teilen. Der Teil I gibt Ihnen Gelegenheit,

sich über grundlegende weltanschauliche oder religiöse Werte und Überzeugungen und über

Hoffnungen und Wünsche zu äußern. Dabei müssen Sie nicht unsere Formulierungen

übernehmen und sollten möglichst in eigenen Worten ausdrücken, welche Werte und

Wünsche Ihnen so wichtig sind, daß die medizinische Betreuung sich daran orientieren soll.

Im Anhang schlagen wir eine Formulierung vor, die dem Glaubensverständnis eines religiös

gebundenen Menschen eher entspricht, als die mehr allgemein formulierte Version. Der Teil

II behandelt einige Situationen, in denen Ärzte nicht nur von den klinischen Befunden,

sondern auch von Ihrer persönlichen Situation her Entscheidungen abwägen müssen. Im

Normalfall würden die Ärzte Alternativen der Behandlung mit Ihnen durchsprechen und Ihre

Einwilligung einholen. Sie können diese Einwilligung aber nur geben, solange Sie bei

Bewußtsein und entscheidungsfähig sind. Damit Ärzte auch für den Fall Ihrer Bewußtlosig-

keit oder Entscheidungsunfähigkeit sich an Ihren Werten und Wünschen orientieren können,

ist es wichtig, daß die Ärzte Informationen von Ihnen haben, wie Sie behandelt werden

wollen. Sie sollten gerade diesen zweiten Teil sehr sorgfältig mit einem Arzt Ihres Vertrauens

durchsprechen und überall dort auf Festlegungen verzichten, wo Sie sich nicht ganz sicher

sind. Der Teil III gibt Ihnen Gelegenheit, eine Person Ihres Vertrauens zu benennen, die

stellvertretend für Sie Entscheidungen in Ihrem Interesse und entsprechend Ihrem Wert- und

Wunschbild fällen kann. Im Teil IV bekräftigen Sie Ihre Aussagen und Festlegungen aus den

Teilen I bis III.

DIE EIGENEN WERTE UND DIE VORSORGLICHE ERKLÄRUNG DES EIGENEN

WILLENS

Solange Sie selbst in der Lage sind, medizinischen Maßnahmen zuzustimmen oder

solche abzulehnen, sind Ärzte verpflichtet, sich nach Ihren Entscheidungen richten. Das gilt

auch, wenn Ärzte für andere Patienten oder für sich selbst in einer vergleichbaren Situation

anders entscheiden würden. Falls Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt jedoch keine eigene

Willenserklärung abgeben können, etwa weil Sie bewußtlos oder geistig verwirrt sind,

müssen Ärzte sich an Ihrem mutmaßlichen Willen in dieser Situation orientieren. Als

Ausdruck dieses Willens können Sie für bestimmte klar beschriebene medizinische

Situationen Wünsche äußern oder Verfügungen treffen.

Wünsche, Forderungen, Ängste und Hoffnungen haben ihre Wurzel in individuellen

Werten und Erfahrungen. Deshalb informiert die Betreuungsverfügung vor allem und in erster

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Linie über individuelle Werte, Hoffnungen und Ängste und äußert erst danach für bestimmte

klinische Entscheidungen, die immer nur individuell und nicht nach einem festen Schema

getroffen werden können, Wünsche oder Verfügungen.

Erfolg und Nebenwirkungen von medizinischen Maßnahmen sind selten mit Sicher-

heit im voraus zu bestimmen. Es gibt einige besonders schwierige Konflikte bei der Abwä-

gung von medizinischen Maßnahmen, die sich leichter entscheiden lassen, wenn eine

vorausschauende Erklärung Ihres Willens vorliegt. Hierzu gehören vor allem: (a)

langanhaltende Bewußtlosigkeit, (b) schwere geistige Verwirrtheit, (c) unheilbare, zum Tode

führende Krankheit, im Endstadium und (d) unerträgliche Schmerzen. Viele von uns werden

für solche Situationen klare Wünsche haben. Andere möchten die Entscheidung lieber

dem/der von ihnen benannten Bevollmächtigten oder den Ärzten überlassen. Das vorgelegte

Modell erlaubt eine individuelle Wahl der Schwerpunktsetzung zwischen den Festlegungen

im Teil II und dem Entscheidungsspielraum, den Sie Ihrem Bevollmächtigten im Teil III

geben. Natürlich ist der Bevollmächtigte in jedem Fall an die von Ihnen im Teil I und II

genannten Werte, Wünschen und Verfügungen gebunden. Wenn Sie sich im einzelnen nicht

festlegen wollen, dann streichen Sie einfach die entsprechenden Sätze in dem vorliegenden

Entwurf.

Sie werden feststellen, daß sich die beiden Entwürfe in ihrem ersten Teil, der über

allgemeine weltanschauliche und religiöse Fragen und die individuelle Einstellung zu Leben

und Tod Auskunft gibt, deutlich unterscheiden. Das eine Modell orientiert sich in einem

Glaubenskontext, der von der Unterscheidbarkeit zwischen dem sterblichen Körper und der

unsterblichen Seele und einem Gottesglauben lebt, den Christen, Juden und Mohammedaner

teilen. Das andere Modell bezieht sich in nichtreligiöser Sprache auf die Natürlichkeit des

Vergehens und Entstehens in der Natur, von welchem die menschliche Natur und mensch-

liches Leben ein Teil ist. Trotz dieser unterschiedlichen weltanschaulichen Referenzsysteme

sind jedoch, das haben wir in vielen Gesprächen erfahren und in der medizinischen und

medizinethischen Literatur bestätigt gefunden, die Wünsche, Hoffnungen und Ängste in

bezug auf medizinische Behandlung und Betreuung bei schwerer Krankheit und am Lebens-

ende im wesentlichen individuell geprägt. Dabei kann es auch unter Angehörigen derselben

Glaubensrichtung zu individuell sehr unterschiedlichen Wünschen und Verfügungen

kommen.

Vor allem die aktive Sterbehilfe, bei der Patienten auf ihren eigenen Wunsch getötet

und damit von Leiden befreit werden wollen, wird kontrovers diskutiert. Einige von uns, vor

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allem Christen, werden eine aktive Sterbehilfe ablehnen. Andere werden sie fordern. Ärzte

werden in der Regel den Wunsch nach einer aktiven Sterbehilfe unter Berufung auf die

ärztliche Ethik und das Standesrecht und Strafrecht nicht erfüllen. Aber sie werden eine

Verkürzung der Lebensspanne akzeptieren können, die zwar medizinisch nicht gewollt ist,

aber durch die Unterlassung einer medizinischen Maßnahme oder durch eine wirksame Be-

handlung von Schmerzen oder Leiden auch nicht ausgeschlossen werden kann. Die

medizinische Fachliteratur bestätigt, daß der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe der Angst oder

Erfahrung quälender, nicht optimal behandelter Schmerzen entspringt. Eine sachgemäß

durchgeführte Schmerztherapie entzieht dem Wunsch nach aktiver Sterbehilfe durch Ärzte

oder Freunde den Boden.

DIE ERTEILUNG EINER VORSORGEVOLLMACHT FÜR EINE PERSON DES

VERTRAUENS

Sich lange im voraus in bezug auf alle möglichen künftigen Behandlungen festzu-

legen, ist nicht möglich und auch nicht sehr klug, weil solche Festlegungen dann

möglicherweise mehr schaden als nutzen. Deshalb empfehlen wir Informationen über

individuelle Werte und Wünsche und gegebenenfalls einige wenige Festlegungen. In den

Teilen I und II und schlagen vor, für die vielen einzelnen Entscheidungen, die in einer

Betreuungssituation anfallen, eine Person des Vertrauens im Teil III zu bevollmächtigen. Ein

solchermaßen Bevollmächtigter hat entsprechend dem Paragraphen 1896 II des Bürgerlichen

Gesetzbuches weitreichende Befugnisse und sollte deshalb sorgfältig ausgewählt werden.

Der/Die Bevollmächtigte ist verpflichtet, sich an den von Ihnen genannten Werten, Wünschen

und Verfügungen zu orientieren. Ein entsprechend den Regelungen des Bürgerlichen

Gesetzbuches benannter Bevollmächtigter benötigt bei schwierigen medizinischen

Entscheidungen, auch bei solchen um Tod und Leben, gemäß § 1904 II BGB die Einwilligung

des Vormundschaftsgerichts.

Zusätzlich zu den Entscheidungen, die es für Ihre Gesundheitsfürsorge und bei der

Zustimmung oder Verweigerung bestimmter medizinischer Behandlungen zu fällen gilt,

können Sie Bevollmächtigten auch das Recht geben, (a) über Ihre Konten zu verfügen, (b)

Verträge für Sie abzuschließen und, sofern die Betreuungsverfügung von einem Notar

beurkundet wird, auch (c) Grundstücksgeschäfte in Ihrem Namen zu tätigen. In unserem

Modell haben wir vorgesehen, daß Sie die Vollmacht auf Gesundheitsfürsorge und

Einwilligung oder Verweigerung medizinischer Maßnahmen einschränken oder auch auf den

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vermögensrechtlichen Bereich ausdehnen können. Diskutieren Sie deshalb diesen Teil der

Betreuungsverfügung nicht nur mit einem Arzt Ihres Vertrauens, sondern auch mit einem

Anwalt und im Kreis Ihrer Familie, bevor Sie sich festlegen. Sollten Sie in bezug auf diese

zusätzlichen Fragen unsicher sein, so sollten Sie nur eine Vollmacht für Entscheidungen zur

medizinischen Behandlung und Betreuung erteilen und die anderen Teile unseres Entwurfes

durchstreichen.

Bevollmächtigte müssen über die Werte und Hoffnungen derer informiert sein, für die

sie stellvertretend zu entscheiden haben. Sie sollten daher mit dem von Ihnen Be-

vollmächtigten ausführlich über ihre Wünsche, Werte und Verfügungen sprechen.

DAS RISIKO DER VORAUSSCHAUENDEN FESTLEGUNG

Keine Vorausplanung und keine Festlegung ist ohne Risiko. Bevor Sie sich festlegen,

müssen Sie sich über diejenigen Werte, Hoffnungen und Ängste klar werden, die Sie ver-

anlassen, sich im Rahmen einer medizinischen Betreuungsverfügung festzulegen. Die Aus-

einandersetzung mit den Krankengeschichten und der Frageliste im Vorbereitungsteil dieser

Broschüre kann Ihnen bei diesen schwierigen Fragen der Selbstfindung und Selbstbe-

stimmung helfen.

Bitte vergessen Sie nicht, daß sich Ihr Wert- und Weltbild oder Ihre Einstellung zu

medizinischen Maßnahmen ändern können. Deshalb müssen Sie von Zeit zu Zeit Ihre

Betreuungsverfügung daraufhin überprüfen, ob sie auch tatsächlich noch als Ausdruck Ihres

mutmaßlichen Willens gelten kann. Auch bei einer solchen Überprüfung und bei Behand-

lungshinweisen zu bereits bestehenden Krankheiten, sollten Sie einen Arzt Ihres Vertrauens

um Information und Rat bitten. Andererseits sollten aber auch Bevollmächtigte und Ärzte

davon ausgehen dürfen, daß eine von Ihnen nicht geänderte Betreuungsverfügung nach wie

vor Ihren Werten und Wünschen entspricht, solange sie nicht geändert ist.

Nicht nur Alte und Kranke, auch Junge und Gesunde können jederzeit in die Situation

kommen, daß jemand anders für sie medizinische Entscheidungen treffen muß. Deshalb

sollten auch junge und gesunde Menschen eine Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht

haben und diese regelmäßig darauf überprüfen, ob sie noch angemessener Ausdruck eigener

Werte und Wünsche ist.

Sich in eine unbestimmte Zukunft hinein festzulegen, ist immer ein Risiko. Es

erscheint uns aber ein größeres Risiko zu sein, wenn man sich überhaupt nicht festlegt. Denn

dann ist es für Ärzte sehr schwer zu entscheiden, wie im Falle Ihrer Unfähigkeit zur eigenen

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Entscheidung eine individuelle medizinische Behandlung und Betreuung erfolgen soll. Wenn

Sie weder eine Betreuungsverfügung noch eine Vorsorge-Vollmacht erteilt haben, dann ist

das Vormundschaftsgericht gesetzlich verpflichtet im Falle Ihrer Unfähigkeit zur

Entscheidung, für Sie einen Betreuer einzusetzen. Auch dieser Betreuer muß sich an Ihren

Wünschen und Werten orientieren, sofern ihm/ihr diese bekannt sind. Er/sie kann aber nicht

über schwerwiegende medizinische Eingriffe oder deren Verweigerung entscheiden. Das

kann in solchen Fällen immer nur das Vormundschaftsgericht. Und dieses folgt häufig dem

Urteil der Sie behandelnden Ärzte.

Es ist nicht zwingend vorgeschrieben, daß die Freiwilligkeit und ihre Unterschrift von

Zeugen bestätigt wird. Wenn Sie aber vor Zeugen, vorzugsweise vor dem Arzt Ihres

Vertrauens, einem Freund, Familienangehörigen, Geistlichen oder einem Notar unter-

schreiben, dann kann diese Unterschrift später nicht mit dem Hinweis, Sie seien zum

Zeitpunkt der Abfassung nicht entscheidungsfähig gewesen, angefochten werden. Und

natürlich sollte der/die von Ihnen Bevollmächtigte durch Unterschrift die Kenntnis des Inhalts

Ihrer Betreuungsverfügung und die Bereitschaft zur Annahme der Bevollmächtigung

bestätigen.

WAS MACHE ICH MIT MEINER BETREUUNGSVERFÜGUNG

Es ist sehr wichtig, daß diejenigen, die künftig einmal für Sie stellvertretende Ent-

scheidungen fällen müssen, auch von der Existenz Ihrer Betreuungsverfügung wissen.

Deshalb müssen Sie selbst oder der/die von Ihnen benannte Bevollmächtigte dafür sorgen,

daß Ihre Ärzte und Familienangehörigen und, sofern Sie in einem Alten- oder Pflegeheim

wohnen, auch der Leitung des Hauses, eine Kopie Ihrer Betreuungsverfügung haben und mit

dem Inhalt vertraut sind.

Sie oder der/die Bevollmächtigte müssen auch darauf bestehen, daß bei einer

stationären Behandlung diese Unterlagen in Ihre Akten auf der Krankenstation eingelegt

werden. Sie oder der/die Bevollmächtigte sollten außerdem auf allen Einwilligungs-

formularen schriftlich auf die Betreuungsverfügung hinweisen. Nur so kann gesichert werden,

daß Sie nach Ihren Wünschen und Werten und nicht nach allgemeinen objektiven Kriterien

oder gar nach der Leistungsfähigkeit der gerade verfügbaren technischen Medizin behandelt

werden.

Die Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung präzisieren

die arztethischen Pflichten in der Abwägung eines Verzichts auf intensive und kausale

18

Behandlung und der Konzentration auf Schmerzbehandlung und pflegerische und

menschliche Betreuung wie folgt: "Aufgabe des Arztes ist es, unter Beachtung des

Selbstbestimmungsrechtes des Patienten Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und

wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden bis zum Tod beizustehen. Die

ärztliche Verpflichtung zur Lebenserhaltung besteht jedoch nicht unter allen Umständen. Es

gibt Situationen, in denen sonst angemessene Diagnostik und Therapieverfahren nicht mehr

indiziert sind, sondern Begrenzung geboten sein kann. Dann tritt palliativ-medizinische

Versorgung in den Vordergrund. Die Entscheidung hierzu darf nicht von wirtschaftlichen

Erwägungen abhängig gemacht werden. Unabhängig von dem Ziel der medizinischen

Behandlung hat der Arzt in jedem Fall für eine Basisbetreuung zu sorgen. Dazu gehören u.a.:

Menschenwürdige Unterbringung, Zuwendung, Körperpflege, Lindern von Schmerzen,

Atemnot und Übelkeit sowie Stillen von Hunger und Durst. Art und Ausmaß einer

Behandlung sind vom Arzt zu verantworten. Er muß dabei den Willen des Patienten beachten.

Bei seiner Entscheidungsfindung soll der Arzt mit ärztlichen und pflegenden Mitarbeitern

einen Konsens suchen. Aktive Sterbehilfe ist unzulässig und mit Strafe bedroht, auch dann,

wenn sie auf Verlangen des Patienten geschieht. Die Mitwirkung des Arztes bei der

Selbsttötung widerspricht dem ärztlichen Ethos und kann strafbar sein. Diese Grundsätze

können dem Arzt die eigene Verantwortung in der konkreten Situation nicht abnehmen." [8]

Die menschlichen und medizinischen Probleme von unheilbarer zum Tode führender

Krankheit und des Sterbeprozesses sind nicht leicht zu lösen, auch nicht mit einer noch so

wohlabgewogenen Betreuungsverfügung, auch nicht durch eine noch so gute Auswahl von

Bevollmächtigten. Aber die Abfassung einer Betreuungsverfügung kann dazu beitragen, sich

selbst über eigene Werte und Wünsche klar zu werden und sie anderen mitzuteilen. Wenn

Ärzte und Bevollmächtigte diese Wünsche und Verfügungen kennen, dann werden sie besser

in der Lage sein, schwierige künftige Entscheidungen in Ihrem Sinne zu treffen.

19

VORSORGLICHE VERFÜGUNG FÜR DIE MEDIZINISCHE BETREUUNG 1, 6

Wünsche und Forderungen an Bevollmächtigte und Ärzte, an Familie und Freunde

für den Fall meiner Entscheidungsunfähigkeit

___________________________________________________ Vorname und Name, Geburtsdatum und Geburtsort

I. Meine Werte, Wünsche und Hoffnungen 2

Alles Leben, auch mein Leben, hat einen Anfang und ein Ende. Wenn mein Leben sich dem Ende nähert und wenn ich nicht in der Lage sein sollte, medizinischen Maßnahmen zuzustimmen oder solche abzulehnen, so sollen der/die hier benannte Bevollmächtigte, die mich betreuenden Ärzte, Pflegenden und nächste Angehörige meine Wünsche, Werte, Hoffnungen und Verfügungen zur Grundlage ihrer Entscheidungen machen. Sie sollen sich an diesen Werten und Verfügungen orientieren und nicht an dem, was medizinisch und technisch machbar ist. Sie sollen sich auch nicht daran orientieren, was andere Menschen oder was sie selbst für sich in vergleichbaren Situationen wünschen würden. Vor allem wünsche ich, dass natürliche Vorgänge von Sterbeprozessen und unheilbare zum Tode führende Krankheiten im Endstadium akzeptiert und höher gewertet werden als die technischen Möglichkeiten einer zeitlichen Verlängerung meines Lebens.

II. Verfügungen für medizinische Versorgung und Beistand 3

1. Ich bitte um ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung aller ange-messenen medizinischen Möglichkeiten, solange eine Aussicht auf Heilung besteht oder eine Behandlung chronischer oder schwerer Krankheiten möglich ist, die mir Lebensfreude und Lebensqualität erhält. Ich wünsche auch mit neuen Methoden und Medikamenten behandelt zu werden, die sich noch in der klinischen Erprobung befinden (ja / nein), ich akzeptiere auch fremde Gewebe und Organe (ja / nein). 2. Wenn ich mich aber (a) im Endstadium einer unheilbaren tödlich verlaufenden Krankheit befinde, (b) wenn ich geistig so verwirrt bin, dass ich nicht mehr weiß, wer ich bin, wo ich bin und Familie und Freunde nicht mehr erkenne, oder (c) wenn ich längere Zeit bewußtlos bin, oder (d) wenn ich an unerträglichen Schmerzen leide, dann verlange ich, dass alle medizinischen Maßnahmen unterbleiben, die mich am Sterben hindern. Sollte eine dieser Situationen eintreten, so bitte ich um mitmenschlichen und pflegerischen Beistand und darum, dass nichts gegen den Lauf der Natur des Sterbeprozesses und das Verlöschen meines Lebens unternommen wird. Gleichzeitig bitte ich aber, alle Möglichkeiten der modernen Schmerztherapie auszuschöpfen und dafür zu sorgen, dass ich ohne körperliche und seelische Schmerzen und Leiden bin. Wenn möglich, möchte ich in einer mir vertrauten Umgebung meine letzten Tage und Stunden verbringen. 2

3. Insbesondere treffe ich folgende Verfügungen: 3

(A) Schmerztherapie3: Ich wünsche eine wirksame Behandlung quälender Zustände wie Atemnot, Schmerzen, Angst, Unruhe, Übelkeit und Erbrechen (ja / nein), (a) auch wenn ich durch die Behandlung müde und schläfrig werde (ja / nein), (b) auch wenn starke Betäubungsmittel erforderlich sind, durch die ich vergleichbar einer Narkose, auch das

Bewußtsein verliere (ja / nein), (c) auch wenn durch die Behandlung unbeabsichtigt die mir noch verbleibende Lebensspanne verkürzt wird

(ja / nein). 3 (B) Künstliche Beatmung und Ernährung3: Ich wünsche, dass künstliche Beatmung, Ernährung und Flüssigkeitszufuhr begonnen oder fortgesetzt werden (ja / nein), auch wenn ich (a) wegen unwirksamer Schmerztherapie an unerträglichen Schmerzen leide (ja / nein), (b) geistig so verwirrt bin, dass ich nicht mehr weiß, wer ich bin, wo ich bin und Freunde und Familie nicht

mehr erkenne (ja / nein), (c) länger als ein halbes Jahr bewußtlos bin (ja / nein).

20

(C) Wiederbelebung3: Wenn mein Herz zum Stillstand kommt, dann wünsche ich Maßnahmen zur Wiederbelebung (ja / nein),

(a) auch wenn ich an einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit im Endstadium leide (ja / nein), (b) auch wenn ich geistig so sehr verwirrt bin, dass ich nicht mehr weiß, wer ich bin, wo ich bin und Freunde

und Familie nicht mehr erkenne (ja / nein), (c) auch wenn mit großer Wahrscheinlichkeit durch dauerhafte Schädigungen des Gehirns völlige Hilflosigkeit

und Unfähigkeit zur Kommunikation zu befürchten sind (ja / nein).

(D) Sonstige Verfügungen und Hinweise: 4

III. Vorsorgevollmacht 1. Hiermit bevollmächtige ich gemäß den Paragraphen 1896 II 2; 185; 164ff; 1904 II; 1906 V des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hiermit als meine(n) rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter _______________________________________________________________________ (Vorname, Name, Geburtsdatum) (Anschrift, Telefon, Fax) 2. Ich erwarte, dass der/die Bevollmächtigte im Fall, dass ich aufgrund körperlicher oder geistiger Krankheit oder Behinderung meine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen kann, als Bevollmächtigte(r) meine Interessen wahrnimmt und sich an meinen Werten, Wünschen und Verfügungen orientiert. Ich entbinde Ärzte gegenüber meinem(r) Bevollmächtigten von der Schweigepflicht.

3. Diese Vollmacht umfaßt Einwilligungen und Verweigerungen medizinischer Untersuchungen, Behandlungen und ärztlicher Eingriffe5, sowie Entscheidungen über den Aufenthaltsort und die Unterbringung in einem Alten- oder Pflegeheim und damit verbundene Maßnahmen 5.

4. Diese Vollmacht gilt auch für meine Vertretung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten und schließt beispielsweise die Befugnis ein, über meine Konten zu verfügen, Krankenhaus- und Pflegeheimkosten zu bezahlen, Verträge in meinem Namen abzuschließen und Grundstücksangelegenheiten zu regeln (ja / nein) 7.

5. Sollte der/die von mir oben benannte Bevollmächtigte nicht in der Lage oder nicht mehr willens sein, die Vollmacht zu übernehmen, so benenne ich in der folgenden Reihenfolge als Bevollmächtigte

1.___________________________________________________________________

(Vorname, Name, Geburtsdatum) (Anschrift, Telefon, Fax)

2.___________________________________________________________________ .

(Vorname, Name, Geburtsdatum) (Anschrift, Telefon, Fax)

Der Bevollmächtigte hat das Recht, im Einzelfall Untervollmacht zu erteilen.

6. Wenn es schwierig sein sollte, meine hier geäußerten Wünsche, Werte und Verfügungen zu verstehen und wenn es deshalb zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Medizinern, Pflegenden, Betreuern oder Familienangehörigen kommt, dann soll die letzte Entscheidung bei dem/der von mir in dieser Vorsorgevollmacht Bevollmächtigten liegen.

7. Sollte diese Vollmacht ganz oder teilweise von einem Gericht als rechtsungültig erklärt werden, so verlange ich, dass das Vormundschaftsgericht die hier von mir benannte(n) Person(en) als meine(n) Betreuer bestellt. Ich verlange auch, dass Vormundschaftsgericht und Betreuer sich bei allen Entscheidungen an meinen Wünschen, Werten und Verfügungen orientieren.

21

IV. Bestätigung und Unterschrift Ich bestätige die hier geäußerten Wünsche, Werte und Verfügungen und die ausge-sprochene Bevollmächtigung. Ich habe die Absicht, diese Festlegungen von Zeit zu Zeit zu überprüfen und, falls sie nicht mehr meinen Wünschen und Werten entsprechen, auch zu ändern. Solange ich jedoch keine Änderungen vorgenommen habe, ist dies der letzte und endgültige Ausdruck meines Willens. 6 _______________________________________________________________________ Datum Unterschrift der Verfasserin/des Verfassers

Zustimmung der/ des Bevollmächtigten Ich kenne den Inhalt dieser Betreuungsverfügung und bin bereit, die Bevollmächtigung anzunehmen _______________________________________________________________________ Datum Unterschrift Anschrift des Bevollmächtigten

Bestätigung durch einen Zeugen 7

Ich bestätige, dass _____________________, Verfasser(in) dieser Betreuungsverfügung, diese heute in meiner Gegenwart eigenhändig unterschrieben hat und dass ich an ihrer/seiner freien und selbstbestimmten Entscheidung keinen Zweifel habe.

_______________________________________________________________________

Datum Unterschrift Anschrift des Zeugen

Überprüfung und Bestätigung der Betreuungsverfügung 8

1. Datum der Überprüfung __________, Änderungen: ____________________________

_______________________________________________________________________ Unterschrift der Verfasserin/des Verfassers

2. Datum der Überprüfung __________, Änderungen: ____________________________

_______________________________________________________________________ Unterschrift der Verfasserin/des Verfassers 3. Datum der Überprüfung __________, Änderungen: ____________________________

_______________________________________________________________________ Unterschrift der Verfasserin/des Verfassers

Ärzte, Bevollmächtigte und Betreuer müssen sich am Patientenwillen orientieren (Bundesgerichtshof NJW 1995:204ff; Kutzer NStZ 1994:110ff; Uhlenbruck NJW 1996:1583ff; OLG Frankfurt/Main 15.7.98: Az: 20 W 224/98; LG München 18.02.1999: Az. 13 T 478/99); Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung, DtÄBl 1998, A-2366-2367; Handreichungen für Ärzte zum Umgang mit Patientenverfügungen, DtÄBl 1999, A-2720-2721.

-------------- bitte ausschneiden und mit den Ausweispapieren bei sich tragen ---------------

Kopien meiner Betreuungsverfügung und -vollmacht sind hinterlegt bei: Name: ___________________________ Anschrift: _________________________

Mein für die medizinische Betreuung Bevollmächtigter gem. § 1896 II BGB ist: Name: ___________________________ Anschrift: _________________________ Tel:

22

Anmerkungen: 1) Diese Vorsorgliche Verfügung für die medizinische Betreuung besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil informieren Sie Ihren künftigen Betreuer über Ihre allgemeine Einstellung zu Leben und Tod, Werden und Vergehen. Im zweiten Teil äußern Sie sich zu medizinischer Versorgung und Pflege für den Betreuungsfall, insbesondere auch zu Schmerzbehandlung, Wiederbelebung, künstlicher Ernährung und Beatmung sowie der Behandlung chronischer Krankheiten im Endstadium. Im dritten Teil bevollmächtigen Sie eine Person Ihres Vertrauens, die Ihre Wünsche und Verfügungen kennt, bestimmten medizinischen Behandlungen zuzustimmen oder solche abzulehnen. Die drei Teile binden den Bevollmächtigten an Ihre Erwartungen und Verfügungen und geben ihm Entscheidungsspielraum für sonstige Entscheidungen. Streichen Sie in diesem Formular alle Sätze oder Abschnitte, die Sie nicht verstehen oder die Sie zu kompliziert finden; unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht verstehen. 2) Wenn Sie es für erforderlich halten, sollten Sie handschriftlich hier, auf der letzten Seite oder auf einem angefügten und ebenfalls unterschriebenen Blatt weitere Werte, Erwartungen und Forderungen nennen, die bei Ihrer medizinischen Betreuung und Versorgung handlungsleitend sein sollen. 3) Sie sollten diesen Teil Ihrer Betreuungsverfügung nur ausfüllen, wenn Sie ihn vorher mit einem Arzt Ihres Vertrauens ausführlich diskutiert haben. Wenn Sie sich über den möglichen Nutzen oder Schaden von Fest-legungen bei den Einzelbestimmungen im Abschnitt 3 dieses Teils nicht ganz sicher sind, so streichen Sie diesen Abschnitt einfach. 4) An dieser Stelle sollten Sie Hinweise und Verfügungen eintragen, die Ihnen sonst noch wichtig sind, beispielsweise bestehende Krankheiten betreffend. Viele Mitbürger haben gelernt, mit einer chronischen Erkrankung zu leben. Sie kennen deren typischen Verlauf (z.B. unheilbare und metastasierende Krebserkrankung, schwere Herz- und Lungenerkrankung, Multiple Sklerose, Diabetes mellitus, chronisches Nierenversagen mit Dialysepflicht, Amyotrophe Lateralsklerose) und können davon ausgehen, dass diese auch im Endstadium und bei zusätzlichen Komplikationen wie bisher behandelt wird. Wenn Sie davon überzeugt sind, dass eine solche routinemäßige Fortsetzung der Behandlung nicht Ihren Werten, Wünschen und Hoffnungen entspricht, dann sollten Sie hier den Abbruch dieser Behandlung verfügen. 5) Die Vollmacht zu ärztlichen Untersuchungen und Eingriffen umfaßt sowohl die Einwilligung als auch die Ablehnung invasiver Diagnostik, intensivmedizinischer und chirurgischer Behandlung, auch in Fällen, in denen eine Behandlung das Lebensende verzögern würde. Die Vollmacht für die Aufenthaltsbestimmung umfaßt, soweit erforderlich, die Zustimmung zu freiheitsbeschränkenden Maßnahmen. Bei bestimmten Maßnahmen muss das zuständige Amtsgericht entsprechend § 1904 II, § 1906 V BGB entscheiden. 6) Damit im Notfall Existenz und Inhalt dieser Betreuungsverfügung bekannt sind, geben Sie Kopien an Ihren Bevollmächtigten, an Ärzte und Geistliche Ihres Vertrauens und, sofern Sie betreut wohnen, auch der Leitung des Hauses. Tragen Sie eine Karte mit dem Hinweis auf diese Betreuungsverfügung zusammen mit Ihren Ausweispapieren stets mit sich. 7) Die Wirksamkeit einer Betreuungsverfügung hängt nicht von der Unterschrift von Zeugen ab. Sollte aber Ihre Entscheidungsfähigkeit im Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Betreuungsverfügung bestritten werden, ist es wichtig, dass ein unabhängiger Zeuge Ihre Unterschrift und Ihre freie Entscheidung bestätigt hat. Dieser Zeuge wäre vorzugsweise der Arzt, mit dem Sie die medizinischen Einzelheiten Ihrer Verfügung beraten haben, oder ein Notar. Wenn die Vollmacht auch für Grundstücksgeschäfte gelten soll, ist eine notarielle Beurkundung erforderlich. 8) Machen Sie es sich zur Gewohnheit, Ihre Betreuungsverfügung jährlich zu überprüfen und neu zu unterzeichnen. Von jedem neu bestätigten und abermals unterschriebenen Exemplar sollten Sie Ihrem Bevollmächtigten und, sofern Sie betreut wohnen, der Leitung des Hauses eine Kopie geben. Bitte beraten Sie den Inhalt dieser Betreuungsverfügung ausführlich mit dem von Ihnen Bevollmächtigten. Vorbereitungsmaterial zum Abfassen einer Betreuungsverfügung finden Sie in der Broschüre Die Medizinische Betreuungsverfügung in der Praxis (6. Auflage August 2000). Diese Broschüre kann gegen eine Schutzgebühr von 10,00 DM beim Zentrum für Medizinische Ethik, Ruhr-Universität Bochum, Gebäude GA 3/53, 44780 Bochum, Tel. 0234 32 22750, FAX +49 234 3214 598 bestellt werden. Prof. Dr. phil. Hans-Martin Sass, Bochum, und Prof. Dr. med. Rita Kielstein, Magdeburg -------------- bitte ausschneiden und mit den Ausweispapieren bei sich tragen ---------------

Kopien meiner Betreuungsverfügung und -vollmacht sind hinterlegt bei: Name: ___________________________ Anschrift: _________________________ Tel:

Mein für die medizinische Betreuung Bevollmächtigter gem. § 1896 II BGB ist: Name: ___________________________ Anschrift: _________________________ Tel:

23

3. HINWEISE FÜR ÄRZTE, BEVOLLMÄCHTIGTE, GEISTLICHE UND ANWÄLTE

PATIENTENWOHL UND ÄRZTLICHE VERANTWORTUNG

Leiden und Sterben sind existentielle Herausforderungen, die sich einer abschließen-

den ethischen Analyse, einer erfolgreichen klinischen Intervention und einer umfangreichen

juristischen Regelung entziehen. Sie sind Teil menschlicher Endlichkeit wie auch der

Grenzen, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Es ist verständlich, daß die Auseinandersetzung

um Aufgaben und Grenzen medizinischer Behandlung und Betreuung am Lebensende

kontrovers geführt wird, denn es gibt ernstzunehmende Befürchtungen und Ängste in der

Bevölkerung, daß die 'Apparatemedizin' die Sterbe- und Leidensphase unnötig verlängert. In

letzter Zeit ist der interdisziplinäre Dialog unter Medizinern, Theologen, Ethikern und

Juristen über die medizinische und menschliche Behandlung und Betreuung schwerkranker

oder sterbender einwilligungsunfähiger Patienten auch in der Bundesrepublik Deutschland

intensiver und differenzierter geworden [3;12;17;30;31;32;52].

Diese aktuelle Diskussion berücksichtigt zunehmend die Ergebnisse klinisch-

ethischer Forschungen zur Verbesserung von Betreuungsverfügungen und die rechtlichen und

ärztlichen Erfahrungen mit Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen in anderen

Ländern [1;5;15;33;39;42].

Weder die technischen Möglichkeiten der Verlängerung der präfinalen oder finalen

Phase des Lebens, noch rechtliche Vorschriften oder ökonomische Zwänge erlauben be-

handelnden Ärzten, eigenen Gewissensentscheidungen bei der Behandlung ihrer Patienten

auszuweichen und den Maschinen, den Paragraphen oder den Kassen genuin ärztliche Ent-

scheidungen zu überlassen. Das klassische arztethische Prinzip des salus aegroti suprema lex

bindet die ärztliche Entscheidung und das ärztliche Gewissen, sich in jedem einzelnen Fall am

Heil des individuellen Patienten zu orientieren. Ohne Zustimmung des Patienten sind

ärztliche Maßnahmen schon rechtlich nicht erlaubt, außer in akuten Notsituationen und in der

Unfallmedizin. Was jedoch dem Heil und Wohl eines Patienten dient, im Endstadium einer

unheilbaren Krankheit, bei dauernder und starker Verwirrtheit und Urteilsunfähigkeit, bei

sehr lange anhaltender Bewußtlosigkeit, im unbeeinflußbaren Koma oder Schock, bei

Hirnblutung, Herzinfarkt oder Multiorganversagen, ist keine Frage der unfallmedizinischen

Vitalindikation. Das sind vielmehr Fragen, die differentialethisch nur in der Rückbindung an

Werte und Wünsche des Patienten entschieden werden können und dürfen. Gerade bei diesen

und vergleichbaren klinischen Situationen ist jedoch die Einholung der Zustimmung oder die

Feststellung des mutmaßlichen Willens bei entscheidungsunfähigen Patienten nicht möglich.

24

Deshalb sind Betreuungsverfügungen, fälschlicherweise Patiententestament genannt, als

Ersatzinstrumente entwickelt worden, die (a) dem potentiellen Patienten für solche

Situationen die vorsorgliche Äußerung von Behandlungswünschen und (b) dem behandelnden

Arzt die Feststellung des Willens im aktuellen Zeitpunkt erlauben. [15;30]. Sollte ein Arzt im

individuellen Fall keine Informationen darüber haben, ob ein aktuell zustimmungsunfähiger

Patient in einer bestimmten Situation den natürlichen Vorgang des Sterbens eher akzeptiert

als technische Möglichkeiten der Verlängerung des Lebens, dann ist der Arzt aufgrund der

ihm fehlenden wertanamnestischen Informationen nicht in der Lage, eine Intervention zu

verantworten. Und aus diesem Grunde hängen die Beantwortung der schwierigen Fragen von

Modifikation, Intensivierung, Abbruch oder Verzicht auf lebensverlängernde medizinische

Maßnahmen und die nach einer patientenorientierten Betreuung in der Nähe des Todes davon

ab, was Ärzte und ihre Mitarbeiter über Werte, Hoffnungen, Ängste und Erwartungen ihrer

Patienten wissen.

In der angloamerikanischen Literatur wird die Forderung nach Akzeptanz von

Betreuungsverfügungen mit dem Recht des mündigen Bürgers auf Selbstbestimmung

begründet; das amerikanische Bundesrahmengesetz nennt sich Patient Self-Determination Act

[1;5;37;45]. Wir bestreiten nicht das Recht auf Selbstbestimmung des Patienten oder

potentiellen Patienten auch in der Nähe des Todes. Aber ebenso schwerwiegend und dringlich

scheint uns das arztethische Problem des Entscheidungskonflikts bei fehlenden Informationen

über die individuellen Werte und Wünsche des Patienten zu sein. Wie soll ein Arzt sich am

Heil und Wohl des Patienten orientieren, wenn er dessen Werte und Wünsche nicht kennt.

Der vielbeschworene Unterschied des amerikanischen Ansatzes vom Prinzip der autonomy

des Patienten (Selbstbestimmung) und des europäischen Ansatzes von der beneficence des

Arztes (ärztliche Verantwortung in Orientierung am Wohl des Patienten), dürfte also für die

Diskussion der Akzeptanz, Struktur und Validierung von Behandlungsverfügungen irrelevant

sein, weil beide Ansätze vorsorgliche Informationen und Verfügungen unentbehrlich machen.

Nicht nur die am Prinzip der Selbstbestimmung des Patienten sich orientierende

angloamerikanische Bioethik, sondern auch die europäische und deutsche, sich eher an

hippokratischen verantwortungsethischen Prinzipien orientierende Medizinethik, kann nicht

darauf verzichten, prospektiv Instrumente zur indirekten Feststellung von Werten, Wünschen

und Willen von Patienten zu entwickeln, als handlungsleitend zu akzeptieren und Patienten

oder potentielle Patienten bei Entwurf und Überprüfung von Betreuungsverfügungen zu

begleiten und zu beraten [28;29;31;40;41].

25

Aus christlicher Perspektive äußern sich die Evangelische Kirche in Deutschland und

die Katholische Bischofskonferenz in einer gemeinsamen Erklärung zur ärztlichen Verant-

wortung im Respekt vor der Selbstbestimmung des Patienten: 'Es darf nicht verhindert

werden, daß der Sterbende auch am Ende seines Lebens selbst über sich bestimmt. Das

schließt ein, daß man des anderen Weise, sterben zu wollen, selbst dann achtet, wenn man an

sich sein Vorgehen nicht billigt. Wenn ein Sterbenskranker äußerungsfähig ist und bewußt

weitere Maßnahmen ablehnt, so ist ihm zu folgen. Und wenn er nicht mehr äußerungsfähig

ist, dann soll der Arzt, wie ein guter Anwalt im wohlverstandenen Interesse des Sterbenden

und zu dessen individuellem Wohl handeln. Dieser Grundsatz kann im Einzelfall sehr wohl

das Unterlassen oder Einstellen von (weiteren) medizinischen Eingriffen zur Folge haben,

wenn diese - statt das Leben dieses Menschen zu verlängern - nur dessen Sterben verlängern'

[15:106].

Die von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie vorgelegte Leitlinie 'Therapie-

begrenzung, Therapieverzicht und Sterbehilfe' führt aus: 'Der Wille des Patienten ist

Grundlage jeder Behandlung, so auch der Grenzen einer Behandlung. Für die hier zur Dis-

kussion stehenden Fragen der Therapiebegrenzung ergibt sich häufig die Situation der

erkrankungsbedingt eingeschränkten oder fehlenden Urteilsfähigkeit des Patienten, zum Teil

auch psychologische Problematik einer detaillierten Aufklärung in schwerkranker Situation.

Es kommt dann darauf an, wenn möglich den Willen, sonst den mutmaßlichen Willen des

Patienten bezüglich der aktuellen und spezifischen Behandlungssituation zu eruieren'[13].

Uhlenbruck hat in den Entwurf eines Patiententestaments, das die 'privatautonome

Gestaltung des Rechts auf einen menschenwürdigen Tod' sichern soll, aus juristischer Sicht

den folgenden Absatz aufgenommen: 'Für den Fall, daß die Ärzte vorstehend geäußerten

Willen nicht respektieren oder hiergegen verstoßen, ermächtige ich meine Angehörigen sowie

jeden Dritten, bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Anzeige wegen Körperverletzung zu

erstatten. Für diesen Fall bin ich mit der Obduktion nach meinem Tode zwecks Feststellung

des Befundes einverstanden' [48].

Neue rechtliche Regelungen oder Verordnungen scheinen aber nach unseren

Erfahrungen der falsche Weg zu sein, paternalistische Berufskulturen und individuelle wie

kollektive Tabus in der intellektuellen und ethischen Auseinandersetzung und im faktischen

Umgang mit Tod und Sterben zu ändern [25;30;41]. Es geht vielmehr um die Entwicklung

eines besseren Verständnisses und Schutzes der Menschenwürde auch des schwerkranken und

des sterbenden Mitbürgers, - mit den Worten von Bundesrichter Kutzer: 'Die Ermöglichung

26

eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechts des

Patienten ist ein höherwertiges Rechtsgut als die Aussicht, unter schwersten Schmerzen noch

einige Tage länger leben zu müssen' [31:26].

DAS INSTRUMENT DER BETREUUNGSVERFÜGUNG

Der Volksmund und ein Teil der Literatur sprechen vom 'Patiententestament'. Die

vorsorgliche Äußerung von Werten, Wünschen und Verfügungen, die im Fall eigener Ent-

scheidungs- oder Zustimmungsunfähigkeit bei der medizinischen Behandlung und Betreuung

handlungsleitend sein sollen, ist aber etwas anderes als ein Testament. Der Begriff 'Testament'

bezeichnet traditionell Verfügungen, die erst nach dem Tode Wirkungen entfalten sollen; die

Betreuungsverfügung enthält Informationen über Werte, Wünsche und Erwartungen von

Lebenden für das Leben und das Lebensende. Deshalb sollte man den Begriff

'Patiententestament' vermeiden und die vorsorgliche medizinische Verfügung für die

stellvertretende Entscheidung BETREUUNGSVERFÜGUNG nennen. Da auch das

Betreuungsgesetz [10] den Begriff 'Betreuungsverfügung' benutzt, und zwar in der von den

Regelungen des Betreuungsgesetzes bestimmten Form, bedarf die Benutzung des Begriffs mit

einem erweiterten Inhalt, wie wir ihn benutzen, einer näheren Bestimmung. Wir stellen ein

Modell einer Betreuungsverfügung zur Diskussion, das die Ergebnisse der neueren Literatur

verwertet und das in Gesprächen mit Patienten und Kollegen beraten und erprobt wurde.

Es gibt unterschiedliche Modelle von medizinischen Verfügungen für den

Betreuungsfall [15;29;30;41]. Drei unterschiedliche Konzeptionen lassen sich unterscheiden

[41], die wir in unserem Integrationsmodell zu verbinden suchen: (1) mehr oder weniger

definitive Verfügungen für die Durchführung oder den Verzicht auf bestimmte medizinische

Interventionen im engeren Sinne; (2) die Verfügung, die vorsorglich eine Person des Ver-

trauens für stellvertretende Entscheidungen und Einwilligungen benennt; (3) die Verfügung,

daß bestimmte vom Patienten beschriebene individuelle weltanschauliche oder religiöse

Werte, Wünsche und Hoffnungen bei stellvertretenden Entscheidungen handlungsleitend sein

sollen. Alle drei Modelle haben jeweils ihre eigenen Vorzüge und Risiken.

(1) Patiententestament: Sogenannte Patiententestamente enthalten üblicherweise eine

Liste von Interventionen, die vom Unterzeichner abgelehnt werden [13]. Diese in der Regel in

juristischer Sprache definitiv formulierten Rejektionen lassen sich jedoch sehr selten konkret

in die klinische Praxis übersetzen. Einerseits sind Formulierungen wie 'zum Tode führende

Krankheit' und 'erträgliches Leben' zu wenig präzise und bedürfen im ersten Fall einer

27

medizinischen Differenzierung und im zweiten Fall einer subjektiven Interpretation, die sich

zudem im Verlaufe des Lebens oder von Krankheitserfahrungen ändern kann. Andererseits ist

eine große Zahl von rigorosen definitiven Festlegungen nicht ohne Risiko, weil sie zu einem

Behandlungsverzicht führen können in Situationen, für die sie der Patient nicht gewollt hat

[15:169-171;27;28]. Aus diesem Grunde werden solche rejektionistischen Forderungen nach

Behandlungsverzicht weitgehend von Ärzten nicht zur Kenntnis genommen. Nach den

aktuellen Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung [8] sind

Patientenverfügungen für konkrete Behandlungssituationen verbindlich und nicht nur wie

bisher ein Indiz, welches bei der Ermittlung des mutmaßlichen aktuellen Willens, in die

Entscheidung einfließen muß [7].

(2) Vollmacht für stellvertretende Entscheidungen: Die Benennung einer Person des

Vertrauens, die im Falle eigener Unfähigkeit zur Entscheidung oder Zustimmung diese

stellvertretend abgeben soll, ist demgegenüber ein flexibleres Instrument, in einer aktuellen

Situation zum Wohl und im Interesse des Patienten zu entscheiden. Unter der Voraussetzung,

daß dieser 'gewillkürte Stellvertreter' [48] Wert- und Wunschbild des Patienten sehr gut

kennt, differenzierte klinische und menschliche Sachverhalte verstehen kann, sowie

entscheidungskompetent und in schwierigen Situationen belastbar ist, ist dies das Modell der

Wahl für eine optimale Entscheidungssituation. Aber mangelnde Information über Wünsche,

Ängste und Erwartungen des Patienten, Interessenkonflikte, unzureichende Belastbarkeit oder

Entscheidungsschwäche von Bevollmächtigten, auch die Unfähigkeit zum Abwägen der

menschlichen und medizinischen Konsequenzen klinischer Entscheidungen, sind nicht zu

unterschätzende Risiken dieses Modells [40]. Das Betreuungsgesetz sieht daher vor, daß

Entscheidungen über den Abbruch von lebensverlängernden Maßnahmen und andere

schwerwiegende klinische Entscheidungen nicht vom Betreuer, sondern vom Vor-

mundschaftsgericht zu fällen sind [10;33;45], das sich häufig an dem Votum der

behandelnden Ärzte orientiert [33:42], deren Entscheidungen das Vormundschaftsgericht

doch im Interesse des Patienten infrage stellen sollte.

(3) Wertanamnese: Wertanamnese ist die aktuelle kritische und selbstkritische

Selbstanalyse und Selbstbewertung. Sie orientiert sich individuell unterschiedlich an

religiösen oder weltanschaulichen Traditionen. Sie spielt aber auch prospektiv eine wichtige

Rolle zur Reduzierung von Entscheidungskonflikten in der Gestaltung des Selbstentwurfs in

die Zukunft. Wertanamnese ist in der Regel Selbstanamnese. Individuelle Wertanamnesen

unterscheiden sich voneinander, sowohl durch Klarheit und Differenzierung, als auch durch

28

Konsistenz, natürlich auch durch unterschiedliche Schwerpunktsetzungen bei Werten,

Wünschen, Zielen, Ängsten und Hoffnungen. Ihre Inhalte und Präferenzen ändern sich im

Zusammenhang mit der Persönlichkeitsentwicklung, erfreulichen und leidvollen Erfahrungen

und in der Interaktion mit der kulturellen und sozialen Umwelt. Die medizinische

Wertanamnese konzentriert sich auf diejenigen individuellen Werte und Erwartungen, die in

einem engeren Zusammenhang mit individuellen Konzeptionen von Gesundheit und

Krankheit, Gesundheitsrisiken und Lebensqualität, Leiden, Sterben und Tod zu tun haben. In

der klassischen, oft Generationen umgreifenden menschlich-medizinischen Interaktion des

Hausarztes mit dem ihm gut bekannten Patienten bildete der 'Wert- und Wunschstatus' des

Patienten selbstverständlich gemeinsam mit dem 'Blut- und klinischen Status' die Grundlage

für Differentialdiagnose und Prognose und den Entwurf einer individualisierten Therapie.

Diese ideale Situation ist unter den Bedingungen der modernen Medizin nur selten gesichert.

Deshalb sind unterschiedliche Modelle für die Erhebung von wertanamnestischen

Informationen entwickelt worden, die vor allem für die Ermittlung des Wert- und

Wunschbildes eines aktuell nicht kommunikations- und einwilligungsfähigen Patienten im

Interesse einer individuellen Behandlungsentscheidung unerläßlich ist [21;27;29]. Wir selbst

haben ein narratives Modell der allgemeinen und der medizinischen Wertanamnese

entwickelt und getestet. Für den Regelfall einer Betreuungsverfügung ist dieses Modell

jedoch zeitaufwendig, sowohl in Entwurf und Überprüfung, wie in Interpretation. Wir halten

es jedoch als Material für die individuelle Vorbereitung auf die Abfassung einer

Betreuungsverfügung, so wie wir es in dieser Broschüre vorgestellt haben, nach wie vor für

unerläßlich und sehr effizient. Auch für die Lösung der besonderen Schwierigkeiten bei der

Ermittlung eines individuellen Wert- und Wunschprofils altersdementer Patienten ist der

narrative Ansatz ein unverzichtbares Instrument in der Hand der betreuenden Ärzte [29]. Das

entscheidende Risiko einer zu allgemein bleibenden Bestimmung des Wert- und

Wunschbildes ist, wie wir in vielen hundert Gesprächen erfahren haben, die Interpretation des

individuellen Wert- und Wunschbildes in eine erst zukünftig klar und differenziert erkennbare

klinische Situation hinein [28].

(4) Integrationsmodell: Die von uns hier zur Diskussion gestellte Betreuungs-

verfügung ist ein Integrationsmodell, das Vor- und Nachteile der drei anderen Modelle aus-

zugleichen sucht. Es integriert Wertanamnese, generelle und spezielle Verfügungen für

bestimmte Szenarien und die Bevollmächtigung einer Person des Vertrauens für stellver-

tretende Entscheidungen und die Interpretation des Willens des Patienten anhand der Wert-

29

anamnese und der geäußerten Wünsche und Verfügungen. Priorität in unserem Modell hat die

Information über Werte, Hoffnungen und Ängste, aus denen Wünsche und Verfügungen

erwachsen und an die Bevollmächtigte und Ärzte sich im Interesse einer individuellen und

patientenorientierten Behandlung und Betreuung halten müssen. Nur für eine begrenzte Zahl

von Konfliktsituationen werden Vorschläge gemacht oder Verfügungen getroffen. Das sind

solche Situationen, in denen auch und vor allem Ärzte selbst für sich sehr unterschiedlich

entscheiden würden [9;24] und sich deshalb auch dem Patientenwunsch verpflichtet fühlen

sollten. In allen diesen Fällen sollte einer individuellen Lösung der Vorrang vor generellen

Entscheidungen gegeben werden. Das Modell einer Integration von Verfügungen und

Bevollmächtigungen reduziert die Risiken einer definitiven Festlegung und bindet

andererseits die Person des Vertrauens als des gewillkürten Stellvertreters innerhalb der

Grenzen, die von Wertanamnese, Wünschen und Verfügungen gesetzt worden sind. In der

individuellen Möglichkeit der Ausgestaltung des Gewichtungsverhältnisses zwischen der

Autorität des Bevollmächtigten, definitiven Verfügungen oder Wünschen und der Autorität

der Werte, die handlungsleitend sein sollen, sehen wir die beste Garantie dafür, daß dem Heil

des Patienten, basierend auf den klassischen arztethischen Prinzipien des primum nil nocere

(Schadensverbot) und des bonum facere (Hilfsgebot) am wirksamsten Rechnung getragen

werden kann.

Als Beispiel für eine wertanamnestische Betreuungsverfügung, die generelle

Behandlungswünsche äußert und die Benennung eines Betreuers nach den Regelungen des

Betreuungsgesetzes vorsieht, sei auf die Christliche Patientenverfügung im Kirchen-

gesangbuch der Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen hingewiesen:

'Ich glaube, daß meine Zeit in Gottes Händen steht. Solange eine realistische Aussicht auf

Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht, erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Bei-

stand unter Ausschöpfung aller angemessenen Möglichkeiten.- Auf jeden Fall erwarte ich

ausreichende Schmerzbehandlung. Nach Möglichkeit möchte ich in meiner vertrauten Um-

gebung bleiben können. Für den Fall, daß ich durch Krankheit, Unfall oder sonstige

Umstände zur Bildung oder Äußerung meines Willens nicht mehr in der Lage bin, erkläre ich

hiermit: 'Ich lehne aktive Sterbehilfe ab, aber ich will auch nicht, daß mein Leben um jeden

Preis verlängert wird. Deshalb bitte ich, vom Einsatz lebensverlängernder Maßnahmen

abzusehen, die mich nur daran hindern, in Ruhe zu sterben.- Ich bitte in dieser Situation um

christlichen Beistand. Sollte die gerichtliche Bestellung eines Betreuers oder einer Betreuerin

als gesetzlicher Vertreter notwendig werden, so bitte ich darum, (Name) mit dieser Aufgabe

30

zu betrauen. Auch vor einer gerichtlichen Bestellung sind meine behandelnden Ärzte ihm

gegenüber von der Schweigepflicht entbunden und gebeten, die erforderlichen Maßnahmen

mit ihm an meiner Stelle abzusprechen.' [Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die

Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen, oJ (1994):1487]

Dieses Integrationsmodell erfüllt entscheidende Forderungen für eine Betreuungs-

verfügung: (1) Die Wertanamnese: Ein Mensch gibt sich als Christ zu erkennen, der weiß,

daß sein Leben in Gottes Hand steht und der aus christlichen Gewissen die aktive Euthanasie

als das Töten eines Menschen ebenso ablehnt, wie die sinnlose Verlängerung des

biologischen, oft schmerzgeplagten Lebens. Aus diesen Informationen - und zusammen mit

dem benannten Betreuer, falls einer benannt wird - kann der Arzt Schlüsse auf das Wertbild

des Patienten ziehen. Es wäre für christliche, wie für nichtchristliche Ärzte unverantwortlich,

sich nicht an diesen Informationen zu orientieren.- (2) Die Benennung eines Betreuers: Nicht

alle Situationen sind voraussehbar und auch für die voraussehbaren kann man wohl kaum

Handlungsanweisungen im Detail festlegen. Deshalb ist es wichtig, daß eine Person des

Vertrauens stellvertretend für den Patienten spricht. (3) Die Festlegung bestimmter

medizinischer Interventionen: Diese christliche Patientenverfügung legt sich nur an zwei

Stellen fest: Forderung nach ausreichender Schmerzbehandlung und Ablehnung jeder Form

von Euthanasie. Nur die zweite Forderung ist direkt aus dem christlichen Wertbild ableitbar;

die erste Forderung bedarf keiner ausdrücklichen weltanschaulichen Begründung.

WERTANAMNESE UND INDIVIDUELLES WUNSCHBILD

Wünsche, auch solche für medizinische Behandlung und solche für die präfinale und

finale Phase des Lebens, beruhen auf individuellen Werten, Hoffnungen, Ängsten und Zielen.

Um diese Hoffnungen und Ängste verstehen und in bezug auf eine Vielzahl klinischer

Entscheidungen einordnen zu können, ist es hilfreich und wichtig, den weltanschaulichen und

religiösen Rahmen zu kennen, der diese individuellen Erwartungen geprägt hat. In der von

uns vorgestellten kombinierten Behandlungsverfügung lassen sich einzelne Verfügungen und

Wünsche aus einer häufig anzutreffenden weltanschaulich wenig differenzierten und relativ

neutralen Haltung ableiten, welche für sich selbst den natürlichen Vorgang des Sterbens

höher bewertet als die technischen Möglichkeiten der Lebensverlängerung. Diese generische

Form kann und muß im individuellen Fall modifiziert werden. Im Anhang haben wir sie für

das Glaubensverständnis eines Christen modifiziert und Werte und Wünsche so formuliert,

31

daß Christen unterschiedlicher Konfessionen, aber auch Anhänger der islamischen oder

alttestamentlichen Religion sich in diesem Referenzsystem erkennen können. Andere

weltanschauliche oder religiöse Positionen prädisponieren ihre Anhänger zu sehr

differenzierten Forderungen oder Verfügungen, beispielsweise in Fragen der Blut- oder

Organspende, der Akzeptanz von Spenderorganen und selbst Spenderblut für sich und ihre

Familienangehörigen. Das sind individuell wichtige Werthaltungen, aus denen sich Wünsche

und Forderungen für die medizinische Behandlung ableiten. Bei der Behandlung von

kommunikationsfähigen Patienten wird der Arzt sich an diesen Werten orientieren und sie im

Gespräch ermitteln können. In der Betreuungssituation ist es deshalb wichtig, auf solche

schriftlichen Niederlegungen individueller Wertorientierung und Glaubenshaltung

zurückgreifen zu können. Entscheidend ist jedoch nicht der weltanschauliche oder religiöse

Gehalt einer Position als solcher, sondern das sich daraus individuell unterschiedlich

ergebende Wunschbild für die eigene medizinische Behandlung und Betreuung. Es gibt

beispielsweise religiöse Argumente für und gegen bestimmte intensivmedizinische

Maßnahmen innerhalb einer und derselben Konfession; deshalb ist eine patientenorientierte

Behandlung und Betreuung auf Informationen der individuellen Interpretation des jeweiligen

Orientierungskontextes angewiesen und kann sich nicht auf offizielle Äußerungen oder

Publikationen verlassen.

BEHANDLUNGSWÜNSCHE UND VERFÜGUNGEN

Es wird häufig die Ansicht vertreten, daß medizinische Laien sich nicht sinnvoll zu

Fragen von Interventionsalternativen und Interventionsverzicht äußern könnten. Die

medizinethische und medizinische Literatur sieht das anders. Medizinische Laien wissen sehr

wohl, was sie wollen und beurteilen Behandlungsalternativen von ihrem Wert- und

Wunschbild her. Mit technischen Details der Behandlung wollen sie jedoch nicht konfrontiert

werden [17]. Es wird berichtet von empirischen Ergebnissen zu Umfragen, welche

medizinischen Situationen von Patienten oder potentielle Patienten mehr gefürchtet werden

als der Tod [38]. Die Antworten sind individuell sehr unterschiedlich; es gehören hierzu aber

Situationen mit starken Schmerzen, Verzweiflung, Abhängigkeit von anderen Menschen und

Zustände schwerer geistiger Verwirrung oder körperlicher Immobilität. Wenn sie die Wahl

hätten, würden diese Patienten eher sterben, als in solchen Situationen leben zu wollen. Auch

Mediziner, Schwestern und Pfleger haben individuell sehr bestimmte Vorstellungen darüber,

32

welche intensivmedizinischen Maßnahmen sie selbst für sich am Lebensende ablehnen

würden [22;24]. Selbst angesichts der Tatsache, daß nicht alle medizinischen Laien wissen,

was beispielsweise eine Reanimation ist, stellt die Literatur jedoch eine erstaunliche Stabilität

bei individuell vorhandenen Behandlungspräferenzen fest [18]. Ambulante Patienten wurden

in einem Abstand von zwei Jahren nach Behandlungspräferenzen für Maximal-

beziehungsweise Minimaltherapie gefragt; dabei bleiben 85% bei ihrer zuvor geäußerten

Meinung [11].

Wir haben eine eigene Umfrage bei 642 Patienten, Studierenden und Kollegen

gemacht zu der Frage, wie sie aktuell Präferenzen festlegen würden und wie sie prospektiv in

der Zukunft eine stellvertretende Entscheidung in ihrem Interesse wünschen würden [34]. Bei

dieser Umfrage haben wir eine frühere Fassung der in dieser Broschüre als

Vorbereitungsmaterial enthaltenen wertanamnestischen Frageliste benutzt und konnten

feststellen, daß weit über 98% aller Befragten zwischen aktueller Präferenz und ihrem

Behandlungswunsch in einer noch unklaren künftigen Entscheidungssituation zu unter-

scheiden wußten. Fragen der Palliativmedizin waren von höchster Aktualität und zwei Drittel

der Befragten (Ärzte und Pflegepersonal 90%) wünschten für die zukünftige Situation eine

noch höhere Sicherheit einer absolut wirksamen Palliativbehandlung, während für die

Gegenwart Schmerzen eher akzeptiert oder von der Situation abhängig sein dürften. Nicht

mehr solange leben wie möglich möchten von 642 befragten japanischen und deutschen

Studierenden über 80% bei irreversiblem Koma, etwa 70% im Falle schwerer Demenz und

etwa über 50% im Falle unheilbarer Krankheit, während bei unheilbarer Krankheit ein Drittel

es ohne Kenntnis der Situation nicht entscheiden wollten.

Insgesamt läßt sich festhalten, daß medizinische Laien in der Lage und auch willens

sind, an Behandlungsentscheidungen teilzunehmen und vorsorglich für kritische künftige

Entscheidungen vorweg Wünsche zu äußern oder Verfügungen zu treffen. Die Hilfe des

Arztes ist jedoch erforderlich, klinische Informationen in die Laiensprache zu übertragen und

dem Patienten dadurch zu helfen, eine dem individuellen Wert- und Wunschprofil

angemessene Festlegung zu treffen [35;37;45]. Es sind unterschiedliche methodische und

konzeptionelle Vorschläge zur Implementierung dieser Hilfe gemacht worden

[21;23;27;29;37]. Das von uns vorgelegte Modell einer integrierten Betreuungsverfügung

bindet individuelle Wünsche und Verfügungen an individuelle Auslegungen religiöser oder

weltanschaulicher Inhalte und Orientierungen.

Der erste Absatz unterstreicht den Wunsch nach nicht nur medizinischer, sondern auch

33

menschlicher und pflegerischer Betreuung und natürlich die Forderung nach Heilung oder

Linderung von Krankheiten. Für den Betreuungsfall sehen wir vor, sich vorweg zur Frage der

Teilnahme an klinischen Prüfungen neuer Arzneimittel und bei der therapeutischen

Forschung zu äußern und für den Fall künftiger Unfähigkeit zur Einwilligung diese vorweg zu

erteilen, beziehungsweise den Bevollmächtigten in eine Entscheidung für oder gegen die

Teilnahme zu binden.

Der zweite Absatz äußert generelle Wünsche für das Unterlassen lebensverlängernder

Maßnahmen für vier unterschiedliche Szenarien - unheilbare und tödlich verlaufende

Krankheit, schwere Demenz, langandauerndes Koma, unerträgliche Schmerzen -, die nicht

näher beschrieben werden und bei deren Eintritt die Akzeptanz des Sterbeprozesses Vorrang

vor dem Eingriff haben soll. Gleichzeitig wird der Wunsch nach maximaler

palliativmedizinischer Versorgung, menschlicher Zuwendung und Pflege geäußert. Dieser

Absatz präzisiert für Zwecke der stellvertretenden Entscheidung Konsequenzen, die sich aus

dem individuellen Wert- und Wunschbild ergeben. Hier wäre auch die Stelle, sich grund-

sätzlich zu Akzeptanz oder Verweigerung von aktiver Sterbehilfe, Organspende und

Organempfang oder zu den individuellen Verfügungen in bezug auf die Feststellung der

Todeskriterien zu äußern. In unserem Modellentwurf verzichten wir auf solche Festlegungen

und haben in dem im Anhang abgedruckten in religiöser Sprache formulierten Modell

lediglich die Ablehnung der aktiven Sterbehilfe aus Glaubensgründen als

Formulierungsvorschlag vorgelegt.

Der dritte Absatz trifft sehr konkrete Verfügungen für drei intensivmedizinische

Maßnahmen in jeweils unterschiedlichen Szenarien. Die jeweilige Entscheidung für eine

Festlegung in dieser oder jener Richtung wird immer nur individuell erfolgen können und

medizinische Laien wie Experten werden persönliche Entscheidungen fällen, die weniger von

ihrer medizinischen Expertise als von ihrem Selbstverständnis und Wertbild abhängt. Wir

weisen in den Erläuterungen den medizinischen Laien ausdrücklich darauf hin, daß es sich

hier um schwierige klinische Probleme handelt, deren Tragweite verstanden werden muß,

bevor man sich festlegt. Die Fragen sind so formuliert, daß die Durchführung der Behandlung

als der Normalfall gilt und eine situationsbedingte Verweigerung der Behandlung mit 'nein'

beantwortet werden muß. Wir stellen auch zur Diskussion, gegebenenfalls diesen zweiten Teil

ganz oder aber den dritten Abschnitt durchzustreichen und damit dem Bevollmächtigten eine

stellvertretende Entscheidung allein in Bindung an den ersten Teil oder zusätzlich nur die

beiden ersten Abschnitte des zweiten Teils zu überlassen.

34

Die medizinische Fachliteratur diskutiert ausführlich Erwartungen und Risiken im

Zusammenhang mit der Reanimation. Wir wissen, daß die Erfolgsaussichten und Folgerisiken

einer Reanimation von medizinischen Laien oft nicht richtig eingeschätzt werden [47]. Ärzte

und heilberuflich Tätige jedoch haben sehr bestimmte individuelle Vorstellungen darüber,

wann Wiederbelebungsmaßnahmen nicht ihren Wert- und Wunschbild entsprechen würden

[22;24]. Da Reanimationen häufig in Krisensituationen unter Kriterien der Vitalindikation

erfolgen, sollte der eventuelle Verzicht darauf im individuellen Falle prospektiv diskutiert und

entsprechend dem Wert- und Wunschbild des Patienten und den klinischen Risiken einer

Maßnahme, die nicht dem Heil und Wohl des Patienten in der Betreuungssituation entspricht,

abgewogen werden.

Auch die maschinengestützte Ventilation und unterschiedliche Formen der künstlichen

Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr werden in kritischen klinischen Fällen unterschiedlich

beurteilt [12;6] und zwingen zu individualisierten Entscheidungen, bei denen vorsorglich

geäußerte Wünsche und Verfügungen des Patienten unterstützend wirken. Die

medizinethische Literatur hatte bisher die Verabreichung von Flüssigkeit nicht nur als

medizinische Maßnahme, sondern auch als eine letzte Form mitmenschlicher Zuwendung

interpretiert, scheint aber unter dem Einfluß neuerer internistischer Publikationen, welche den

Verzicht auf Flüssigkeitszufuhr eher als Leiden reduzierend denn fördernd beschreiben,

davon abzurücken. Unser Modell faßt alle drei Formen der Unterstützung zusammen; im

individuellen Fall sollte das entsprechend dem ärztlichen Urteil differenziert werden.

Angst vor Schmerzen und Leiden belastet stark. Nicht so sehr die Angst vor dem Tod,

sondern die Angst vor dem Sterben als eines leid- und schmerzvollen Prozesses, der durch

'Apparatemedizin' verlängert werden könnte, ist für die überwiegende Zahl von Mitbürgern

der Anlaß, vorsorglich Verfügungen für den Betreuungsfall zu treffen. Für die deutsche

Situation kommt belastend hinzu, daß die Praxis der Palliativmedizin hinter dem

internationalen Standard und auch hinter den Forderungen führender deutscher Palliativ-

mediziner weit zurückliegt [14]. Wir halten es für arztethisch nicht akzeptabel und skandalös,

wenn nach einer neueren Studie an über 16.000 Patienten mehr als 90% mit

Tumorerkrankungen im Endstadium unter stärksten Schmerzen sterben mußten [Zenz, in 'Die

Zeit' 1996 (39):12] Aus diesem Grund haben wir ausdrücklich die Verfügungsmöglichkeit

über die Intensivierung der Schmerztherapie in individueller Dosierung und zur vorsorglichen

Schmerzvermeidung, nicht nachfolgenden Schmerzbekämpfung, bis hin zu leichteren und

schwersten Formen der Sedierung und Anästhesierung. Die Palliativmedizin scheint uns ein

35

Gebiet zu sein, auf dem Ärzte von den Erwartungen und Leiden ihrer Patienten zu lernen

haben, nicht umgekehrt, medizinische Laien von Experten aufgeklärt werden müssen. Die

leidvolle Problematik der palliativen Unterversorgung von Patienten in Deutschland ist

natürlich nicht lösbar ohne eine grundsätzliche Änderung des rechtlichen Umfeldes. Und

solange sich Rechtskultur und Arztkultur nicht geändert haben, ist die eindeutige Festlegung

auf palliativmedizinische Verfügungen für den Betreuungsfall die einzige Möglichkeit, im

individuellen Fall angemessene und ausreichende Versorgung einzufordern.- Während die

mangelnde Schmerzbehandlung im Vordergrund individueller Ängste und öffentlicher

Diskussion steht, sollten andere belastende Symptome multiplen Organversagens, schwerer

Krankheit im Endstadium und des Sterbeprozesses wie Angst, Unruhe, Schlaflosigkeit, Durst,

Krämpfe ebenfalls angemessen behandelt werden. In der erwähnten von uns durchgeführten

Untersuchung wünschten sich zwischen 60% und 86% unterschiedlicher Zielgruppen ein

Sterben ohne Leiden, wobei Ärzte mit 86% den höchsten Prozentsatz erzielten.

Das vorgelegte Modell beschränkt sich in diesem dritten Teil auf die drei erwähnten

Szenarien, für welche Festlegungen und Verfügungen im individuellen Fall getroffen werden

können, aber nicht müssen. Weitere Verfügungen für Akzeptanz oder Verweigerung sind im

individuellen Fall selbstverständlich möglich und oft sogar geboten, basierend auf

individuellen Überzeugungen oder in Erwartung eines bestimmten, sich abzeichnenden

Krankheitsbildes. Andere mögliche Interventionen sind in unserem Modell nicht enthalten.

Hierzu gehören, wie schon erwähnt, aktive Sterbehilfe, Hirntodkriterien und Organspende,

aber auch besondere Verfügungen für Behandlung oder Behandlungsverzicht im Falle von

Schwangerschaft, die Zurverfügungstellung des Leichnams für die medizinische Lehre und

Forschung, die Ablehnung von Bluttransfusionen aus religiösen Gründen. Das sind Themen,

die in individuellen Fällen angesprochen werden sollten, aber in diesem als

Diskussionsbeitrag gedachten Modell fehlen.

Die aktive Sterbehilfe wird in unserem Entwurf nicht zur Wahl gestellt, weil eigene

Erfahrungen und die Literatur bestätigen, wie sehr der Wunsch nach aktiver Euthanasie

bedingt ist durch Furcht vor Leiden und Schmerzen oder Erfahrung einer unzulänglichen

Palliativmedizin [38;22]. Aktive Sterbehilfe wird von Ärzten aus medizinethischen und

standesrechtlichen Überlegungen abgelehnt und ist nach den Gesetzen der Bundesrepublik

strafbar. Nach einer neueren Umfrage von 1994 halten aber 84% der Bevölkerung eine aktive

Sterbehilfe dann für akzeptabel, wenn der Patient sie selbst fordert [23;30]. Wir gehen auch

deshalb nicht auf die aktive Euthanasie ein, weil wir sie bei Gewährleistung menschlicher

36

Zuwendung und optimaler palliativer Behandlung für völlig überflüssig halten. Dabei sind

wir uns bewußt, daß im individuellen Fall durchaus Weltanschauung, Weltbild, selbst

christliche Argumente, sich positiv zum Wunsch eines entscheidungskompetenten Patienten

nach aktiver Euthanasie äußern können [2;16;20]. Die evangelische und die römisch-

katholische Kirche in Deutschland lehnen jede Form der aktiven Euthanasie ab [15], ebenso

die Richtlinien der Bundesärztekammer [8;7] und die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft

für Chirurgie [13]. Wir stimmen dem Argument der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie zu,

daß Beihilfe zur Selbsttötung oder vom Arzt durchgeführte direkte Tötung dem ärztlichen

Behandlungsauftrag widersprechen und daß die gesellschaftliche Akzeptanz einer vom Arzt

durchgeführten intendierten Tötung das Arztbild grundsätzlich verändern und 'gravierendes

Mißtrauen vor allem von schwerkranken Patienten gegenüber dem Arzt' zur Folge hätte [13].

Auch die Organspende wird ethisch und politisch kontrovers diskutiert. Wir selbst

halten die Organspende nicht nur ethisch für akzeptabel, sondern auch geboten. Aber solange

ein hohes Unsicherheitspotential und Informationsdefizite über die Fakten und Risiken in der

Öffentlichkeit bestehen, möchten wir dieses allgemeine Modell einer Betreuungsverfügung

nicht mit dieser zusätzlichen Frage belasten. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn

individuell formulierte Verfügungen sich auch zur Frage der Organspende und der Akzeptanz

fremder Organe oder Gewebe äußern würden.

Es ist keineswegs so, daß erst das Vorhandensein einer Betreuungsverfügung die

Abwägung zwischen Intervention oder Verzicht auf Intervention aufkommen läßt. Im

Gegenteil: eine sehr große Zahl von Szenarien macht diese Abwägung in jedem Fall unver-

meidbar und wird im Sinne des ordnungsethischen Prinzips der Subsidiarität nach

individualisierten Lösungen suchen müssen, für welche das Vorhandensein einer Be-

treuungsverfügung eine Hilfe und nicht erst ein Anlaß oder gar eine zusätzliche Belastung für

die ärztliche Verantwortung ist. Sollte keine Betreuungsverfügung vorliegen oder sollte sie

nur sehr allgemeine Hinweise auf die religiöse oder weltanschauliche Orientierung des

Patienten haben, dann sind Betreuer und/oder Ärzte in der schwierigen Situation stell-

vertretende Entscheidungen auf der Basis unvollständiger Informationen für eine

individualisierte Behandlung zu treffen. Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für

Chirurgie zu Fragen der Therapiebegrenzung und des Therapieverzichts führt folgende

Situationen auf, bei denen eine Therapiebegrenzung in individuellen Fällen in Betracht

kommt und ein Verzicht auf eine Abwägung unärztlich wäre [13]. Einige dieser Situationen

ergeben sich innerhalb der intensivmedizinischen Behandlung, andere nicht. Es werden fünf

37

sehr unterschiedliche Szenariengruppen vorgestellt: (1) Patienten, die sich im Sterbeprozeß

befinden: im Altersmarasmus des 'natürlichen' Sterbens, im Endstadium einer langfristigen

progredienten kardialen Insuffizienz, eines Malignomleidens oder bei rezidivierenden

zerobrovaskulären Insulten. (2) Schwerkranke Patienten mit hinreichend sicher feststellbarer

infauster Prognose: progredientes (Multi-) Organversagen vor allem auch bei zusätzlichen

Komplikationen, (3) schwere und potentiell letale Komplikationen bei einer Grunderkrankung

mit infauster Prognose durch Infektionen oder andere interkurrente Komplikationen

beispielsweise nach ausschließlich aus palliativen Erwägungen erfolgter Tumoroperation, (4)

akute Erkrankungen mit statistisch minimaler oder geringer Überlebenschance und

hochgradiger Wahrscheinlichkeit schwerer Folgezustände wie schweres Polytrauma mit

erheblicher zerebraler Beteiligung, irreversibler hoher Querschnittsverletzung mit initialer

Beatmungsnotwendigkeit, ruptiertes Aortenaneurysma mit Reanimationspflicht im hohen

Alter, Myokardreinfarkt mit schwerem hämodynamischen Schock, zerebrale Massenblutung

mit Respirationspflichtigkeit oder nicht erfolgreich behandelbare drittgradige Verbrennungen

großen Ausmaßes. Die Studien der amerikanischen SUPPORT Forschungsgruppe belegen,

daß Ärzte und Mitarbeiter leider in vielen Fällen solche Abwägungen nicht anstellen und sehr

häufig auch vorhandene Verfügungen und Wünsche von Patienten nicht honorieren, obwohl

sie ihnen bekannt sein müßten [44].

Wohlgemerkt, dies sind Szenarien, bei denen Ärzte medizinisch und medizinethisch

ohne die Möglichkeit des Rückgriffs auf Informationen aus dem individuellen Wert- und

Wunschbild des Patienten schon aufgrund der klinischen Situation die Frage nach Therapie-

verzicht oder -abbruch zu stellen verpflichtet sind. Sollte aber im individuellen Fall eine

Betreuungsverfügung oder andere Informationen über den tatsächlichen oder mutmaßlichen

Willen des Patienten vorliegen, so erleichtert sich die klinische Entscheidungssituation, in der

bei seltenen Fällen auch eine Fortsetzung oder Intensivierung der lebenserhaltenden

Maßnahmen entsprechend dem Wert- und Wunschbild des Patienten und ausdrücklichen

Behandlungsverfügungen trotz erkennbarer und absehbarer Erfolglosigkeit vom Patienten

gewünscht werden könnte. Medizinische Verfügungen für den Betreuungsfall haben zu einem

großem Teil eine Maximaltherapie am Lebensende zu verhindern.

STELLVERTRETENDE ENTSCHEIDUNG IN BINDUNG AN DEN

PATIENTENWILLEN

Die medizinethische und standesrechtliche Literatur diskutiert die Bindungswirkung

38

vorsorglicher Verfügungen und die Möglichkeit der Feststellung des aktuell mutmaßlichen

Patientenwillens national und kulturell unterschiedlich [4;5;39;30;26]. Gegensätzliche

rechtliche Bewertungen von Betreuungsverfügungen in der Bundesrepublik Deutschland

ergeben sich aus den Positionen der Bundesärztekammer [8;7] des Bundesgerichtshofs [9]

und des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main [36]. Die Bundesärztekammer wollte eine

Betreuungsverfügung bisher nur als nichtbindendes 'gewichtiges Indiz' für den mutmaßlichen

Willen gelten lassen und argumentierte zusätzlich: 'Verbindlich ist die frühere Erklärung

schon deshalb nicht, weil sie zu jeder Zeit rückgängig gemacht werden kann' [7]. Letzteres

Argument widerspricht der ständigen klinischen und rechtlichen Akzeptanz einer anderen

vorsorglichen Verfügung, nämlich der Bereitschaft zur Organspende im Fall des Hirntodes.

Die Richtlinien der Bundesärztekammer von 1993 bleiben auch hinter den Richtlinien der

Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften für die ärztliche Betreuung

sterbender und zerebral schwerst geschädigter Patienten [42:Nr.3.4] zurück, welche die

Verbindlichkeit einer zu einem früheren Zeitpunkt von einem zu jenem Zeitpunkt

Urteilsfähigen abgegebene Verfügung anerkennen. Gegenüber den Richtlinien der

Bundesärztekammer von 1993 betont der Bundesgerichtshof die Bindungswirkung früherer

schriftlicher und auch mündlicher Festlegungen. Dies hat auch Eingang in die aktuellen

Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung [8] gefunden und es wird

erklärt, daß gegenüber solchen individuellen Festlegungen 'objektive Kriterien, insbesondere

die Beurteilung einer Maßnahme als gemeinhin "vernünftig" oder "normal", sowie den

Interessen eines verständigen Patienten üblicherweise entsprechend, .. keine eigenständige

Bedeutung' haben dürfen [9]. Hinter dieser unterschiedlichen rechtlichen Beurteilung stehen

unterschiedliche berufsethische Kulturen und Prinzipien in der Akzeptanz eines

partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen Arzt und Patient und in der Akzeptanz und

Validierung von Wertanamnesen in differentialdiagnostischen Abwägungen für die

Intervention [5;24;30;39]. Der Gegensatz zwischen den beiden Positionen scheint uns aber

überbrückbar, wenn die Erfahrung im Umgang mit vorsorglichen Verfügungen wächst, und

Ärzte wie Gerichte sich in der Akzeptanz individueller Betreuungsverfügungen an der Würde

des Menschen, ausgedrückt in der Achtung vor dem individuellen Willen und Gewissen,

orientieren [31;30].

Die Vertrautheit des Umgangs mit wertanamnestischen Betreuungsverfügungen bei

Ärzten und ihren Mitarbeitern, bei den Gerichten und Institutionen der Krankenversorgung

und Altenpflege wird allerdings nur wachsen, wenn die kontroverse Frage der aktiven

39

Sterbehilfe ausgeklammert werden kann. Ein vor zehn Jahren von führenden Juristen vor-

gelegter Entwurf für eine Gesetzesänderung im Strafrecht, die eine auf Verlangen eines tod-

kranken Patienten von einem Arzt durchgeführte Tötung oder Beihilfe zur Tötung straffrei

stellt, wurde seinerzeit vom Deutschen Juristentag nicht sehr ausführlich diskutiert [2].

Inzwischen ist aber international die Kontroverse um die Rechtmäßigkeit der Beteiligung

eines Arztes am Freitod eines entscheidungskompetenten Patienten vor allem durch die

Euthanasiepraxis in den Niederlanden und die bejahenden Entscheidungen von Bundes-

gerichtshöfen in den USA [50], die im Sommer 1997 vor dem US Supreme Court zur

Revision anstehen, intensiver geworden. Wir halten die bereits zitierten Argumente der

Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, die bei rechtlicher und ärztlicher Akzeptanz insgesamt

einen Vertrauensverlust und neue Formen von Unsicherheit und Mißtrauen im Arzt-Patient

Verhältnis befürchten [13], für überzeugend und haben dem nichts hinzuzufügen. Aber es gibt

noch einen zweiten Grund, welcher die Diskussion über und die eventuelle Akzeptanz aktiver

Sterbehilfe überflüssig macht: in der Bundesrepublik sind die differenzierten Möglichkeiten

der palliativen Behandlung und Betreuung schmerzgeplagter und sterbender Patienten

überhaupt noch nicht ausgeschöpft. Aus diesem Grunde ist die Verquickung der Frage der

Akzeptanz von Betreuungsverfügungen mit der Frage nach der ethischen und rechtlichen

Akzeptanz der aktiven und direkten Sterbehilfe unnötig und nicht hilfreich. Die Belege sind

überwältigend, daß Patienten vor allem aus Angst vor oder Erfahrung mit unbehandeltem

Schmerz und anderen belastenden Begleiterscheinungen den Wunsch nach Tötung äußern

[11;16;19;38].

Die rechtliche Validität [4;8;23;30;36;48;49] stellvertretender Entscheidungen und die

Strafbarkeit des Arztes beim Verstoß gegen ein Patiententestament [43;31] sind in zahlreichen

juristischen Arbeiten nachgewiesen worden. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, daß

individuellen Werten, Wünschen und mündlichen oder schriftlichen Festlegungen des

Patienten ein Vorrang vor sogenannten objektiven Kriterien oder allgemein akzeptierten

Maßnahmen gegeben werden soll, ist eindeutig [9;31]. Dennoch ist leider der Umfang der

Bindungswirkung von Verfügungen und Bevollmächtigungen immer noch umstritten [49] und

eine gesetzliche Regelung ist im Gegensatz zu anderen Ländern nicht vorhanden [5;30]. Die

dänische Regelung, welche die zentrale Sammlung von Betreuungsverfügungen vorsieht

[30;41] und die seit Jahren bestehende klinische und rechtliche Praxis der Akzeptanz von

'advance health care directives' und der 'durable power of attorney in health care' in den USA

[45] haben bisher keinem Patienten, der von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat,

40

geschadet.

Das Betreuungsgesetz sieht die Möglichkeit vor, daß der Betreute, auch vorsorglich,

eine Person des Vertrauens für stellvertretende Entscheidungen vorschlägt, welche dann vom

Vormundschaftsgericht formal zu bestätigen ist. Die Befugnisse, die innerhalb einer

Vorsorge-Vollmacht, entsprechend dem Betreuungsgesetz ausgeübt werden können,

schließen jedoch nicht die Verweigerung lebenserhaltender Maßnahmen und von

chirurgischen Eingriffen oder künstlicher Beatmung und Ernährung zum Zwecke der Er-

haltung des Lebens ein; solche Entscheidungen kann immer nur das Vormundschaftsgericht

fällen [10;32;33;36:46]. Die Einschaltung des Vormundschaftsgerichts wird mit der

Notwendigkeit des Schutzes einer nicht entscheidungsfähigen Person vor mißbräuchlicher

Anwendung der Vorsorgevollmacht begründet und ist vom Paragraph 1897 II des

Bürgerlichen Gesetzbuches abgesichert und gefordert. Eine Einschaltung des

Vormundschaftsgerichtes ist immer dann gefordert, wenn die begründete Gefahr besteht, daß

der Betreute aufgrund der Maßnahmen verstirbt oder schwer geschädigt wird. Der Nachteil

dieser Lösung ist jedoch, daß Vormundschaftsgerichte sich in schwierigen Entscheidungen zu

Einleitung, Abbruch, Fortsetzung oder Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen, in

Ermangelung eigener klinischer Kompetenz in der Regel am ärztlichen Urteil, über das

Ausmaß der technischen Möglichkeit einer Maßnahme und ihrer lebensverlängernden

Leistung orientieren und nicht am individuellen Wert- und Wunschprofil des Patienten. Hier

wird ebenfalls übersehen, daß es gerade die Leistungsfähigkeit der Apparatemedizin ist, die

im individuellen Fall auf ihren Nutzen oder Nachteil für das Wohl und Heil des individuellen

Patienten überprüft werden soll und überprüfbar ist, sofern der Patient sich zu einem früheren

Zeitpunkt der Mühe unterzogen hatte, sich prospektiv hierzu zu äußern und gegebenenfalls

auch festzulegen.

Wirksamer und rechtlich sicherer für die Durchsetzung individueller Wünsche und

Verfügungen für die medizinische Versorgung in der Betreuungssituation scheint uns deshalb

die Bevollmächtigung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch gemäß Paragraph 1896 II 2 zu

sein. Die Rechtsstellung des Bevollmächtigten und der Umfang der Vollmacht wird aus-

schließlich vom Inhalt der Vollmacht bestimmt. Uhlenbruck, der ebenfalls diese Lösung im

Interesse des Patienten favorisiert und einen eigenen Entwurf zur Diskussion stellt [49:1584f],

referiert als allgemeine Rechtsmeinung, daß der Bevollmächtigte nach Paragraph 1896 II 2

BGB nicht der Rechtsaufsicht des Vormundschaftsgericht unterliegt und daß, sofern eine

Bevollmächtigung nach Paragraph 1896 II 2 BGB vorliegt, das Vormundschaftsgericht auch

41

keinen Betreuer bestellen darf [49:1584]. Nach den Änderungen des BtÄndG unterliegen

dagegen auch Bevollmächtigte der Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen

Genehmigung in bestimmten Fällen, wie auch Betreuer. Das von uns zur Diskussion gestellte

Modell stützt sich auf die Bevollmächtigung gemäß Paragraph 1896 II 2 BGB und erlaubt,

diese Bevollmächtigung entsprechend den von uns vorgeschlagenen Optionen im Teil II zu

modifizieren und festzulegen. Ein auf diese Weise in seinem Entscheidungsspielraum

gebundener Bevollmächtigter hat nur den Entscheidungs- und Handlungsspielraum, den der

Vollmachtgeber ihm zuspricht. Unser Entwurf versucht, im Interesse der Rechtssicherheit des

Unterzeichners, dieser Kontroverse und der unterschiedlichen Interpretation des Umfangs der

Vollmacht nach BetrG und BGB auszuweichen. Im Punkt III.6 bindet der Entwurf das

Vormundschaftsgericht, in Analogie zu den Regelungen des Paragraphen 1897 BGB, an den

personellen Vorschlag. Er bindet auch Gerichte und gegebenenfalls vom

Vormundschaftsgericht einzusetzende Betreuer an die inhaltlichen Festlegungen und

Verfügungen. Da es sich bei der Bevollmächtigung nach BGB 1896 II in Verbindung mit §

1904 II und § 1906 V BGB um eine sehr weitreichende Vollmacht auch zu anderen

Geschäften handeln kann, haben wir in unserem Entwurf vorgesehen, daß die Vollmacht im

individuellen Fall auf die Wahrnehmung der Interessen in medizinischen und pflegerischen

Gesundheitsangelegenheiten beschränkt bleiben kann oder auch nicht. Für den Normalfall

würden wir eine solche Beschränkung bevorzugen, damit die Betreuungsverfügung in

medizinischen Angelegenheiten nicht durch Regelungen anderer Rechtsgeschäfte und

Probleme überfrachtet wird.

An anderer Stelle haben wir eine differenzierte Form der Bevollmächtigung mit der

Möglichkeit der Untervollmacht oder Nebenvollmacht für finanzielle, rechtliche und vor

allem religiöse Fragen vorgeschlagen [41]. Man könnte beispielsweise formulieren: 'Ich

empfehle / verpflichte meinem(n) Bevollmächtigen, sich in medizinischen Fragen mit ..., in

rechtlichen Fragen mit .., in Glaubensfragen mit .., in Fragen meiner Unterbringung mit .. zu

beraten. Sollte es zu unterschiedlichen Meinungen kommen, so soll in medizinischen Fragen

..., in rechtlichen Fragen ..., in religiösen und weltanschaulichen Fragen .., in Fragen meiner

Unterbringung .. die letzte Entscheidung treffen.' Natürlich läßt sich selten ein

Betreuungsproblem in seine weltanschaulichen, wirtschaftlichen und medizinischen

Bestandteile zerlegen. Aber es gibt Situationen, in denen beispielsweise Patienten, die einer

religiösen Minderheit angehören, in für diese Glaubensrichtung wichtigen Fragen, wie der

Feststellung der Todeskriterien, Bluttransfusion oder Organspende einen Geistlichen zu Rate

42

ziehen oder ihm das letzte Wort lassen. Ähnliche Argumente gibt es in Fällen, bei denen

Entscheidungen und Vollmachten für die medizinische und persönliche Betreuung von

Vermögens- und rechtlichen Fragen aus unterschiedlichen Gründen besser getrennt blieben.

VALIDIERUNG UND ÄRZTLICHE BERATUNG

Ein häufig gehörter Einwand gegen die Bindungswirkung von Betreuungsverfügungen

und die Bindung des Bevollmächtigten an vom Vollmachtgeber formulierte Werte, Wünsche

und Verfügungen weist darauf hin, daß Patienten lernen mit Schwäche und Krankheit

umzugehen so daß Wunschbild und Patientenwillen sich ändern. [18;19;30;31] Eigene

klinische und lebensweltliche Erfahrungen bestätigen die Berechtigung dieses Einwandes.

Eine differenzierte Analyse unterschiedlicher Szenarien kann diese Argumente nicht in jedem

Fall bestätigen. Wir können vier unterschiedliche Szenarien unterscheiden. (1) Wenn ein

urteilsfähiger Bürger sich die Mühe macht, vorsorglich eine Verfügung abzufassen, dann

sollte es verbindlich und fair sein, diese Verfügung als den aktuellen mutmaßlichen Willen

des Patienten anzuerkennen. Er hätte in der Zwischenzeit jederzeit seine Verfügung ändern

können, hat es tatsächlich aber nicht getan und seine Gründe dafür gehabt. Im Falle des

Vorhandenseins eines Organspendeausweises geht man ja auch mit Recht, wie bei anderen

lebensweltlich relevanten Entscheidungen davon aus, daß sie gelten sollen, solange sie nicht

modifiziert oder widerrufen wurden. Natürlich ist es sinnvoll, wichtige Festlegungen von Zeit

zu Zeit zu überprüfen. Das sollte selbstverständlich auch für Behandlungsverfügungen gelten.

Aber das Faktum, daß über einen längeren Zeitraum keine Modifikation erfolgt ist, spricht

eher dafür, daß der Verfasser keine Änderung wollte, als daß er inzwischen ein anderes Wert-

und Wunschbild hat und nur versäumte, dieses auch schriftlich festzuhalten. (2) Sollte jemand

in ein langanhaltendes Koma fallen oder in einen Zustand geraten, in dem keine sinnvollen

Erfahrungen über sich selbst und die Welt möglich sind, so muß ebenso selbstverständlich

davon ausgegangen werden, daß keine neuen Erfahrungen vorliegen, die eine Änderung des

Wert- und Wunschbildes begründen könnten. (3) Patienten, die nach Abfassung einer

Behandlungsverfügung eine langwierige chronische oder eine terminale Krankheit

bekommen, machen in der Tat Erfahrungen mit sich selbst, dem Gesundheitswesen und der

Welt, die Anlaß für Änderungen der früheren Verfügungen sein könnten. Diese Patienten

sollten auf die mögliche Notwendigkeit der Modifizierung ihrer früheren Verfügungen

hingewiesen werden. Aber auch hier gilt, daß frühere Verfügungen gelten, solange sie nicht

widerrufen oder modifiziert wurden. (4) Schwieriger wird es, wenn ehemals urteils- und

entscheidungsfähige Personen in einen Zustand völliger Demenz verfallen. Die Lebenswelt

43

engt sich entscheidend ein und auch die Person in ihren Wünschen, Werten, Hoffnungen und

Ängsten. Wessen Wert- und Wunschbild soll in solchen Fällen gefolgt werden, dem

verzerrten oder unstabilen aktuellen oder dem früheren, in dem die Person sich, vorsorglich

auch im Hinblick auf mögliche spätere Persönlichkeitsveränderungen, verstanden, vorgestellt

und festgelegt hat? Wir tendieren dahin, die kleineren aktuellen und alltäglichen Wünsche des

Dementen zu honorieren, wo immer es möglich ist, sich aber bei größeren medizinischen

Entscheidungen an dem zu orientieren, was prospektiv und langfristig mit Absicht festgelegt

wurde.

Nicht nur für das zuletzt diskutierte Szenarium eines in seiner Persönlichkeit ver-

änderten oder eingeengten Patienten, sondern grundsätzlich stellt das Instrument der

Benennung eines Beauftragten des Vertrauens für die stellvertretende Entscheidung eine

wichtige Hilfe dar. Es gibt unterschiedliche Modelle der Autorisierung eines Beauftragten,

die sich ebenfalls nicht im generellen, sondern nur im individuellen Fall in bezug auf ihre

Vorzüge und Nachteile bewerten lassen. (a) Dem Bevollmächtigten ohne weitere Hinweise

oder Verfügungen das letzte Wort in Leben-und-Tod Entscheidungen, die er ohne die

Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nicht treffen darf, zu überlassen, setzt ein großes

Vertrauen in den Beauftragten voraus. Ebenso das Vertrauen, daß der Beauftragte die Werte

und Wünsche des Beauftragenden kennt und kompetent und belastbar genug ist, sie in

schwierigen medizinischen Situationen zu übersetzen. Eine solche, inhaltlich nicht gebundene

Bevollmächtigung nach Paragraph 1896 II 2 BGB könnte auch rechtlich leichter angefochten

werden als eine durch inhaltliche wertanamnestische Erklärungen und Bestimmungen

festgelegte. (b) Aus sachlichen wie aus rechtlichen Gründen ist es deshalb sinnvoll, dem

Beauftragten mündliche oder schriftliche Informationen oder Verfügungen an die Hand zu

geben, die für diesen bindend sind und ihm erlauben, im Rückgriff auf diese Informationen

und Verfügungen im Interesse und zum Wohl des Vollmachtgebers dem Arzt ein guter

Partner zu sein. (c) In jedem Fall sollten bei einer Bevollmächtigung Umfang und Grenzen

der Vollmacht im Verhältnis zum Arzt, zur eigenen Wertanamnese oder zu eigenen

Verfügungen klar bezeichnet werden, wie das auch unser Modell tut. (d) Es mag Situationen

geben, in denen keine kompetenten Personen des Vertrauens für die Bevollmächtigung zur

Verfügung stehen oder, daß der potentielle Vollmachtgeber Familienmitgliedern oder

Freunden die schweren Entscheidungen, denen sie einmal ausgesetzt sein könnten, nicht

zumuten will. In diesen Fällen steht das Instrument der Bevollmächtigung nicht zur Ver-

fügung. Allenfalls kann der Hausarzt, der den Patienten auch als Person kennen sollte, als

44

Betreuer eingesetzt oder auch ohne formale Einsetzung konsultativ zugezogen werden.

Ähnlich wie es leichtsinnig wäre, ein Testament mit kompliziertem Inhalt ohne die

professionelle Hilfe und ohne Anleitung eines erfahrenen Anwalts abzufassen, so ist es auch

für einen medizinischen Laien nicht ratsam, ohne fachkundigen Rat eines erfahrenen

Mediziners eine Betreuungsverfügung zu erstellen. Das gilt insbesondere dann, wenn diese

Verfügung über allgemeine und nicht aussagekräftige Floskeln wie 'keine außergewöhnlichen

Maßnahmen' hinaus detaillierte Hinweise oder Verfügungen gibt, wie sie der zweite Teil

unseres Musterformulars enthält. In vielen Gesprächen und Interviews haben wir erfahren und

es in der Literatur und in Gesprächen mit Kollegen bestätigt gefunden, daß schon die

Diskussion vor der Abfassung einer Behandlungsverfügung in der Praxis zu einem vertieften

Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient beiträgt, auch zu einem besseren Verständnis

des Patienten über sich selbst. Wir halten es für unerläßlich, daß die Beratung und

Überprüfung von Betreuungsverfügungen durch Ärzte nicht als deren Privatangelegenheit

oder gar Hobby angesehen wird, sondern entsprechend der Schwierigkeit des

Beratungsgesprächs und des Zeitaufwandes auch angemessen honoriert wird, wie wir an

anderer Stelle bereits gefordert haben [27;28;40].

Unser Modell sieht vor, daß der Bevollmächtigte durch Unterschrift die Kenntnis des

Inhalts der Betreuungsverfügung und die Annahme der Bevollmächtigung bestätigt.

Unabhängig davon, ob diese Unterschrift rechtlich zwingend erforderlich ist, stärkt sie die

Bevollmächtigung. Sie bindet den Bevollmächtigten an den Inhalt der Werte, Wünsche und

Verfügungen - die er selbst inhaltlich für sich selbst nicht zu teilen braucht - als den Rahmen

innerhalb dessen die Bevollmächtigung wirksam ist. Sie gibt auch dem Vollmachtgeber die

Sicherheit, daß eine Person des Vertrauens für den Betreuungsfall bereitsteht. Vor allem ist

aber das vorausgehende Gespräch für beide Beteiligten wichtig zur Stärkung der Vertrautheit

mit dem Inhalt der Verfügung und den daran geknüpften Erwartungen. Wir sehen auch vor,

daß eine weitere unabhängige Person die Betreuungsverfügung als Zeuge unterschreibt,

vorzugsweise der beratende Arzt oder ein Notar. Ein Arzt wird, insbesondere bei

psychiatrisch auffälligen Patienten, die Entscheidungsfähigkeit bestätigen können; ein Notar

ist von amtswegen zur Prüfung und Bestätigung der Entscheidungsfähigkeit des

Vollmachtgebers und Verfügenden verpflichtet.

Nicht nur Alte und Kranke, auch Junge und Gesunde können jederzeit in die Situation

kommen, daß jemand anders für sie medizinische Entscheidungen treffen muß. Deshalb

sollten auch junge und gesunde Menschen eine Behandlungsverfügung treffen oder eine

45

Person ihres Vertrauens mit einer Vollmacht ausstatten und gegebenenfalls häufiger als ältere

Menschen regelmäßig überprüfen, ob die Festlegungen auch noch den möglicherweise

geänderten Wert- und Wunschbildern entsprechen. Die Zukunft der Akzeptanz von Be-

handlungsverfügungen bei Laien und Ärzten wird von der aktiven Beratung und Beteiligung

von Medizinern abhängen, die für diese neuen Dienstleistungen in Entwurf, Abfassung und

routinemäßiger Überprüfung auch entsprechend honoriert werden müssen. Die Entwicklung

einer Kultur von Gesundheitsmündigkeit und Entscheidungskompetenz in Gesundheitsange-

legenheiten beim Laien, inklusive der Motivation und Kompetenz zur Abfassung einer

medizinischen Behandlungsverfügung, hängt wesentlich von der arztethischen Bereitschaft

ab, den Patienten und potentiellen Patienten zu beraten und zu begleiten in der Entwicklung

einer Patientenethik, welche die Verantwortung einschließt, auch vorsorglich andere zu

informieren über die Werte und Wünsche, Hoffnungen und Ängste, welche die medizinische

und menschliche Versorgung in den dunklen Stunden und Tagen des Lebensendes leiten

sollen.

Das hier diskutierte Modell einer wertanamnestisch integrierten Betreuungsverfügung

entstand im Rahmen eines interdisziplinären und internationalen Forschungsprojekts, das von

der Stiftung Volkswagenwerk in ihrem Schwerpunktprogramm 'Recht und Verhalten' seit

1994 gefördert wird. Ein Teil der in der Literatur zitierten Publikationen ist im Rahmen dieses

Projektes entstanden sind. Frühere Fassungen unseres Ansatzes wurden in den letzten beiden

Jahren mit Patienten, Kollegen und Studierenden beraten, denen wir für Anregungen und

Verbesserungen zu danken haben. Seit dem Sommer 1996 wurde eine frühere Fassung im

Internet auf der Homepage des Bochumer Zentrums für Medizinische Ethik 'http://www.ruhr-

uni-bochum.de/zme/' diskutiert. Besonderen Dank schulden wir Joachim Beck (Bad Boll),

Dieter Birnbacher (Düsseldorf), Dietrich von Engelhardt (Lübeck), Bettina Eisenbart

(Göttingen), Christopher Frey (Bochum), Fritz Hartmann (Hannover), Hans-Georg Koch

(Freiburg), Ruth Mattheis (Berlin), Detlev Reineck (Peine), Joachim Schara (Wuppertal), Udo

Schlaudraff (Hannover), Reinhard Tausch (Hamburg), Wilhelm Uhlenbruck (Köln), Günter

Virt (Wien) und Matthias Volkenandt (München). Die Texte der zur Diskussion gestellten

Betreuungsverfügung und das Vorbereitungsmaterial können über die Homepage des

ZENTRUMS FÜR MEDIZINISCHE ETHIK abgerufen und kopiert werden. Wir hoffen, daß

die medizinischen und medizinethischen Forschungen zu Akzeptanz und Validität von

Betreuungsverfügungen und Vorsorgevollmachten und der begonnene interdisziplinäre,

institutionelle und öffentliche Dialog weitergehen, im Interesse der Respektierung der Würde

46

und des Wohles unserer unheilbar kranken und sterbenden Mitbürger.

47

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50

LEBEN UND STERBEN IN GOTTES HAND 1, 6

Wünsche und Forderungen für medizinische Betreuung an Bevollmächtigte, Ärzte, Familie und Freunde für den Fall meiner Entscheidungsunfähigkeit

___________________________________________________

Vorname und Name, Geburtsdatum und Geburtsort

I. Meine Werte, Wünsche und Hoffnungen 2

Mein Leben und mein Sterben liegt in Gottes Hand. Sollte ich einmal nicht in der Lage sein, medizinischen Maßnahmen zuzustimmen oder solche abzulehnen, so sollen der/die von mir benannte Bevollmächtigte und die mich betreuenden Ärzte und Pflegenden meine hier niedergelegten Wünsche, Werte und Hoffnungen zur Grundlage ihrer Entscheidungen machen. Sie sollen sich an dieser Behandlungsverfügung und dieser Vorsorgevollmacht orientieren und nicht an dem medizinisch Machbarem, auch nicht daran, was andere oder sie selbst für sich in ähnlichen Situationen wünschen würden.

II. Verfügungen für medizinische Versorgung und Beistand 3

1. Mein Leben ist ein Geschenk Gottes. Deshalb erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung aller angemessenen medizinischen Möglichkeiten, solange Aussicht auf eine Heilung besteht oder eine Behandlung chronischer Krankheiten, die mir Lebensfreude und Lebensqualität erhält, möglich ist. Ich akzeptiere auch fremde Gewebe und Organe (ja / nein), Medikamente und Methoden, die noch in der Erprobung sind (ja / nein) und fremdes Blut (ja / nein). 2. Wenn ich mich aber (a) im Endstadium einer unheilbaren Krankheit befinde, (b) wenn ich geistig sehr verwirrt bin, (c) wenn ich längere Zeit bewußtlos bin, oder (d) wenn ich unerträgliche Schmerzen habe, dann verlange ich, dass alle medizinischen Maßnahmen unterbleiben, die mich am körperlichen Sterben hindern. Sollte eine dieser Situationen eintreten, so bitte ich um christlichen und pflegerischen Beistand und darum, dass nichts gegen den Willen Gottes unternommen wird, der das Ende meines Lebens bestimmt hat. Gleichzeitig bitte ich aber, alle Möglichkeiten der modernen Schmerztherapie auszuschöpfen und dafür zu sorgen, dass ich ohne körperliche und seelische Schmerzen und Leiden bin. Wenn möglich, möchte ich in einer mir vertrauten Umgebung meine letzten Tage und Stunden verbringen. 2

3. Die Verabreichung von Medikamenten, welche direkt meinen Tod herbeiführen, lehne ich ab. Es ist nicht des Menschen Sache, in Gottes unerforschlichen Ratschluß einzugreifen und das Geschenk des Lebens durch Tötung oder Selbsttötung zu mißachten. Es ist auch nicht des Menschen Sache, das Leiden medizinisch zu verlängern. Wenn deshalb die Unterlassung bestimmter medizinischer Maßnahmen oder die Gabe von leidens- und schmerzmildernden Medikamenten als Nebeneffekt auch eine Verkürzung der mir noch verbleibenden Lebensspanne nach sich zieht, so sehe ich das nicht als aktive Sterbehilfe an. Es mag vielmehr der Weg sein, den der HERR gewählt hat, mich zu sich zu holen. 4. Ich weiß, dass mein Leben in Gottes Hand steht und verfüge deshalb insbesondere: 3

(A) Schmerztherapie3: Ich wünsche eine wirksame Behandlung quälender Zustände wie Atemnot, Schmerzen, Angst, Unruhe, Übelkeit und Erbrechen (ja / nein), (a) auch wenn ich durch die Behandlung müde und schläfrig werde (ja / nein), (b) auch wenn starke Betäubungsmittel erforderlich sind, durch die ich vergleichbar einer Narkose, auch das

Bewußtsein verliere (ja / nein), (c) auch wenn durch die Behandlung unbeabsichtigt die mir noch verbleibende Lebensspanne verkürzt wird

(ja / nein). 3

51

(B) Künstliche Beatmung und Ernährung3: Ich wünsche, dass künstliche Beatmung, Ernährung und Flüssigkeitszufuhr begonnen oder fortgesetzt werden (ja / nein), auch wenn ich (a) wegen unwirksamer Schmerztherapie an unerträglichen Schmerzen leide (ja / nein), (b) geistig so verwirrt bin, dass ich nicht mehr weiß, wer ich bin, wo ich bin und Freunde und Familie nicht

mehr erkenne (ja / nein), (c) länger als ein halbes Jahr bewußtlos bin (ja / nein).

(C) Wiederbelebung3: Wenn mein Herz zum Stillstand kommt, dann wünsche ich Maßnahmen zur Wiederbelebung (ja / nein), (a) auch wenn ich an einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit im Endstadium leide (ja / nein), (b) auch wenn ich geistig so sehr verwirrt bin, dass ich nicht mehr weiß, wer ich bin, wo ich bin und Freunde

und Familie nicht mehr erkenne (ja / nein), (c) auch wenn mit großer Wahrscheinlichkeit durch dauerhafte Schädigungen des Gehirns völlige Hilflosigkeit

und Unfähigkeit zur Kommunikation zu befürchten sind (ja / nein).

(D) Sonstige Verfügungen und Hinweise: 4

III. Vorsorgevollmacht 1. Hiermit bevollmächtige ich gemäß den Paragraphen 1896 II 2; 185; 164ff; 1904 II; 1906 V des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hiermit als meine(n) rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter _______________________________________________________________________ (Vorname, Name, Geburtsdatum) (Anschrift, Telefon, Fax) 2. Ich erwarte, dass der/die Bevollmächtigte im Fall, dass ich aufgrund körperlicher oder geistiger Krankheit oder Behinderung meine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen kann, als Bevollmächtigte(r) meine Interessen wahrnimmt und sich an meinen Werten, Wünschen und Verfügungen orientiert. Ich entbinde Ärzte gegenüber meinem(r) Bevollmächtigten von der Schweigepflicht.

3. Diese Vollmacht umfaßt Einwilligungen und Verweigerungen medizinischer Untersuchungen, Behandlungen und ärztlicher Eingriffe5, sowie Entscheidungen über den Aufenthaltsort und die Unterbringung in einem Alten- oder Pflegeheim und damit verbundene Maßnahmen 5.

4. Diese Vollmacht gilt auch für meine Vertretung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten und schließt beispielsweise die Befugnis ein, über meine Konten zu verfügen, Krankenhaus- und Pflegeheimkosten zu bezahlen, Verträge in meinem Namen abzuschließen und Grundstücksangelegenheiten zu regeln (ja / nein) 7.

5. Sollte der/die von mir oben benannte Bevollmächtigte nicht in der Lage oder nicht mehr willens sein, die Vollmacht zu übernehmen, so benenne ich in der folgenden Reihenfolge als Bevollmächtigte

1.___________________________________________________________________

(Vorname, Name, Geburtsdatum) (Anschrift, Telefon, Fax)

2.___________________________________________________________________ .

(Vorname, Name, Geburtsdatum) (Anschrift, Telefon, Fax)

Der Bevollmächtigte hat das Recht, im Einzelfall Untervollmacht zu erteilen.

6. Wenn es schwierig sein sollte, meine hier geäußerten Wünsche, Werte und Verfügungen zu verstehen und wenn es deshalb zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Medizinern, Pflegenden, Betreuern oder Familienangehörigen kommt, dann soll die letzte Entscheidung bei dem/der von mir in dieser Vorsorgevollmacht Bevollmächtigten liegen.

7. Sollte diese Vollmacht ganz oder teilweise von einem Gericht als rechtsungültig erklärt werden, so verlange ich, dass das Vormundschaftsgericht die hier von mir benannte(n) Person(en) als meine(n) Betreuer einsetzt. Ich verlange auch, dass Vormundschaftsgericht und gesetzliche Vertreter sich bei allen Entscheidungen an meinen Wünschen, Werten und Verfügungen orientieren.

52

IV. Bestätigung und Unterschrift Ich bestätige die hier geäußerten Wünsche, Werte und Verfügungen und die ausgesprochene Bevollmächtigung. Ich habe die Absicht, diese Festlegungen von Zeit zu Zeit zu überprüfen und, falls sie nicht mehr meinen Wünschen und Werten entsprechen, auch zu ändern. Solange ich jedoch keine Änderungen vorgenommen habe, ist dies der letzte und endgültige Ausdruck meines Willens. 6 _______________________________________________________________________ Datum Unterschrift der Verfasserin/des Verfassers

Zustimmung der/ des Bevollmächtigten Ich kenne den Inhalt dieser Betreuungsverfügung und bin bereit, die Bevollmächtigung anzunehmen _______________________________________________________________________ Datum Unterschrift Anschrift des Bevollmächtigten Bestätigung durch einen Zeugen 7

Ich bestätige, dass _____________________, Verfasser(in) dieser Betreuungsverfügung, diese heute in meiner Gegenwart eigenhändig unterschrieben hat und dass ich an ihrer/seiner freien und selbstbestimmten Entscheidung keinen Zweifel habe.

_______________________________________________________________________

Datum Unterschrift Anschrift des Zeugen

Überprüfung und Bestätigung der Betreuungsverfügung 8

1. Datum der Überprüfung __________, Änderungen: ____________________________

_______________________________________________________________________ Unterschrift der Verfasserin/des Verfassers

2. Datum der Überprüfung __________, Änderungen: ____________________________

_______________________________________________________________________ Unterschrift der Verfasserin/des Verfassers 3. Datum der Überprüfung __________, Änderungen: ____________________________

_______________________________________________________________________ Unterschrift der Verfasserin/des Verfassers

Ärzte, Bevollmächtigte und Betreuer müssen s ich am Patientenwillen orientieren (Bundesgerichtshof NJW 1995:204ff; Kutzer NStZ 1994:110ff; Uhlenbruck NJW 1996:1583ff; OLG Frankfurt/Main 15.7.98: Az: 20 W 224/98; LG München 18.02.1999: Az. 13 T 478/99) ); Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung, DtÄBl 1998, A-2366-2367; Handreichungen für Ärzte zum Umgang mit Patientenverfügungen, DtÄBl 1999, A-2720-2721.

-------------- bitte ausschneiden und mit den Ausweispapieren bei sich tragen ---------------

Kopien meiner Betreuungsverfügung und -vollmacht sind hinterlegt bei: Name: ___________________________ Anschrift: _________________________

Mein für die medizinische Betreuung Bevollmächtigter gem. § 1896 II BGB ist: Name: ___________________________ Anschrift: _________________________ Tel:

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Anmerkungen: 1) Diese Vorsorgliche Verfügung für die medizinische Betreuung besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil informieren Sie Ihren künftigen Betreuer über Ihre allgemeine Einstellung zu Leben und Tod, Werden und Vergehen. Im zweiten Teil äußern Sie sich zu medizinischer Versorgung und Pflege für den Betreuungsfall, insbesondere auch zu Schmerzbehandlung, Wiederbelebung, künstlicher Ernährung und Beatmung sowie der Behandlung chronischer Krankheiten im Endstadium. Im dritten Teil bevollmächtigen Sie eine Person Ihres Vertrauens, die Ihre Wünsche und Verfügungen kennt, bestimmten medizinischen Behandlungen zuzustimmen oder solche abzulehnen. Die drei Teile binden den Bevollmächtigten an Ihre Erwartungen und Verfügungen und geben ihm Entscheidungsspielraum für sonstige Entscheidungen. Streichen Sie in diesem Formular alle Sätze oder Abschnitte, die Sie nicht verstehen oder die Sie zu kompliziert finden; unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht verstehen. 2) Wenn Sie es für erforderlich halten, sollten Sie handschriftlich hier, auf der letzten Seite oder auf einem angefügten und ebenfalls unterschriebenen Blatt weitere Werte, Erwartungen und Forderungen nennen, die bei Ihrer medizinischen Betreuung und Versorgung handlungsleitend sein sollen. 3) Sie sollten diesen Teil Ihrer Betreuungsverfügung nur ausfüllen, wenn Sie ihn vorher mit einem Arzt Ihres Vertrauens ausführlich diskutiert haben. Wenn Sie sich über den möglichen Nutzen oder Schaden von Fest-legungen bei den Einzelbestimmungen im Abschnitt 3 dieses Teils nicht ganz sicher sind, so streichen Sie diesen Abschnitt einfach. 4) An dieser Stelle sollten Sie Hinweise und Verfügungen eintragen, die Ihnen sonst noch wichtig sind, beispielsweise bestehende Krankheiten betreffend. Viele Mitbürger haben gelernt, mit einer chronischen Erkrankung zu leben. Sie kennen deren typischen Verlauf (z.B. unheilbare und metastasierende Krebserkrankung, schwere Herz- und Lungenerkrankung, Multiple Sklerose, Diabetes mellitus, chronisches Nierenversagen mit Dialysepflicht, Amyotrophe Lateralsklerose) und können davon ausgehen, dass diese auch im Endstadium und bei zusätzlichen Komplikationen wie bisher behandelt wird. Wenn Sie davon überzeugt sind, dass eine solche routinemäßige Fortsetzung der Behandlung nicht Ihren Werten, Wünschen und Hoffnungen entspricht, dann sollten Sie hier den Abbruch dieser Behandlung verfügen. 5) Die Vollmacht zu ärztlichen Untersuchungen und Eingriffen umfaßt sowohl die Einwilligung als auch die Ablehnung invasiver Diagnostik, intensivmedizinischer und chirurgischer Behandlung, auch in Fällen, in denen eine Behandlung das Lebensende verzögern würde. Die Vollmacht für die Aufenthaltsbestimmung umfaßt, soweit erforderlich, die Zustimmung zu freiheitsbeschränkenden Maßnahmen. Bei bestimmten Maßnahmen muss das zuständige Amtsgericht entsprechend § 1904 II, § 1906 V BGB entscheiden. 6) Damit im Notfall Existenz und Inhalt dieser Betreuungsverfügung bekannt sind, geben Sie Kopien an Ihren Bevollmächtigten, an Ärzte und Geistliche Ihres Vertrauens und, sofern Sie betreut wohnen, auch der Leitung des Hauses. Tragen Sie eine Karte mit dem Hinweis auf diese Betreuungsverfügung zusammen mit Ihren Ausweispapieren stets mit sich. 7) Die Wirksamkeit einer Betreuungsverfügung hängt nicht von der Unterschrift von Zeugen ab. Sollte aber Ihre Entscheidungsfähigkeit im Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Betreuungsverfügung bestritten werden, ist es wichtig, dass ein unabhängiger Zeuge Ihre Unterschrift und Ihre freie Entscheidung bestätigt hat. Dieser Zeuge wäre vorzugsweise der Arzt, mit dem Sie die medizinischen Einzelheiten Ihrer Verfügung beraten haben, oder ein Notar. Wenn die Vollmacht auch für Grundstücksgeschäfte gelten soll, dann ist eine notarielle Beurkundung erforderlich. 8) Machen Sie es sich zur Gewohnheit, Ihre Betreuungsverfügung jährlich zu überprüfen und neu zu unterzeichnen. Von jedem neu bestätigten und abermals unterschriebenen Exemplar sollten Sie Ihrem Bevollmächtigten und, sofern Sie betreut wohnen, der Leitung des Hauses eine Kopie geben. Bitte beraten Sie den Inhalt dieser Betreuungsverfügung ausführlich mit dem von Ihnen Bevollmächtigten. Vorbereitungsmaterial zum Abfassen einer Betreuungsverfügung finden Sie in der Broschüre Die Medizinische Betreuungsverfügung in der Praxis (6. Auflage August 2000). Diese Broschüre kann gegen eine Schutzgebühr von 10,00 DM beim Zentrum für Medizinische Ethik, Ruhr-Universität Bochum, Gebäude GA 3/53, 44780 Bochum, Tel. 0234 32 22750, FAX +49 234 3214 598 bestellt werden. Prof. Dr. phil. Hans-Martin Sass, Bochum, und Prof. Dr. med. Rita Kielstein, Magdeburg -------------- bitte ausschneiden und mit den Ausweispapieren bei sich tragen ---------------

Kopien meiner Betreuungsverfügung und -vollmacht sind hinterlegt bei: Name: ___________________________ Anschrift: _________________________ Tel:

Mein für die medizinische Betreuung Bevollmächtigter gem. § 1896 II BGB ist: Name: ___________________________ Anschrift: _________________________ Tel:

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Prof. Dr. med. Rita Kielstein, Medizinische Fakultät, Otto von Guericke Universität, 39112 Magdeburg Prof. Dr. phil. Hans-Martin Sass, Institut für Philosophie, Ruhr Universität, 44780 Bochum INHALT: Seite Vorwort 1 1. Vorbereitungsmaterial für den Patienten 2 (a) Krankengeschichten zur Bewertung und Selbstbestimmung 2 (b) Frageliste für Selbstbestimmung und Betreuungssituationen 8 (c) Medizinische Begriffe und ihre Bedeutung 10 (d) Eigene Fragen und Gedanken 11 2. Modell einer medizinischen Betreuungsverfügung 12 (a) Hinweise und Erläuterungen 12 (b) VORSORGLICHE VERFÜGUNG FÜR MEDIZINISCHE BETREUUNG 19 3. Hinweise für Ärzte, Bevollmächtigte, Geistliche und Anwälte 23 Anhang: Ein christliches Modell LEBEN UND STERBEN IN GOTTES HAND 50 Herausgeber: Prof. Dr. phil. Hans-Martin Sass Prof. Dr. med. Herbert Viefhues Prof. Dr. med. Michael Zenz Zentrum für Medizinische Ethik Bochum Ruhr-Universität Gebäude GA 3/53 44780 Bochum TEL (0234) 32-22750/49 FAX +49 234 3214-088 Email: [email protected] Internet: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/ Der Inhalt der veröffentlichten Beiträge deckt sich nicht immer mit der Auffassung des ZENTRUMS FÜR MEDIZINISCHE ETHIK BOCHUM. Er wird allein von den Autoren verantwortet. Schutzgebühr: DM 10,00 Bankverbindung: Sparkasse Bochum Kto.Nr. 133 189 035 BLZ: 430 500 01 6. überarbeitete Auflage August 2000 [5. Auflage, überarbeitet unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung und der zum Januar 1999 in Kraft getretenen Veränderungen des Betreuungsrechts, April 1999; 4. Auflage September 1998; 3. überarbeitete Auflage März 1997; 2. unveränderte Auflage Dezember 1996; 1. Auflage Oktober 1996]

ISBN 3-927855-92-8

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ZUSAMMENFASSUNG: DIE BETREUUNGSVERFÜGUNG IN DER PRAXIS Hans-Martin Sass und Rita Kielstein diskutieren die international und transdisziplinäre Literatur über medizinische Betreuungsverfügungen und sogenannte Patientenstestamente. Sie berichten von ihren Erfahrungen in der Akzeptanz und Bewertung unterschiedlicher Formen von Betreuungsverfügungen mit Patienten, Angehörigen von Patienten, Studenten und Kollegen. Sie stellen ein wertanamnestisches Kombinationsmodell einer Betreuungsverfügung vor, das von Informationen über das Wert- und Wunschprofil des Patienten ausgeht, die Möglichkeit zu einigen wenigen sitationsspezifischen vorsorglichen Verfügungen gibt und eine Bevollmächtigung nach Paragraph 1896 II BGB ausspricht. ABSTRACT: ADVANCE MEDICAL DIRECTIVES IN PRACTICAL USE Hans-Martin Sass and Rita Kielstein discuss the international and transdisciplinary literature on Advance Medical Directives and report on their experiences of reviewing the validity of different forms of Advance Directives with patients, students, and colleagues. They present a model form, based on the patients value history [value anamnesis] and integrating the patient's value-and-wish status information with a selected number of scenario-specific medical directives and the designation of a proxy for surrogate decision making. Das Formular der VORSORGLICHEN VERFÜGUNG FÜR MEDIZINISCHE BETREUUNG und auch die im Anhang wiedergegebene religiöse Form LEBEN UND STERBEN IN GOTTES HAND können je gegen eine Schutzgebühr von DM 5,00 per Scheck oder in Briefmarken beim ZENTRUM FÜR MEDIZINISCHE ETHIK bestellt werden. Bitte geben Sie jeweils an, welche Fassung Sie wünschen. ISBN 3-927855-92-8

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Heft 111

DIE MEDIZINISCHE BETREUUNGSVERFÜGUNG IN DER PRAXIS

Vorbereitungsmaterial

Modell einer Betreuungsverfügung

Hinweise für Ärzte, Bevollmächtigte, Geistliche und Anwälte

Hans-Martin Sass

Rita Kielstein

6. überarbeitete Auflage

August 2000