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JAHRBUCH
DER WISSENSCHAFTLICHEN SITZUNGEN
DER MEDIZINISCHEN GESELLSCHAFT AACHEN
SOMMERSEMESTER 1997 BIS WINTERSEMESTER 1998/99
MEDIZINISCHE GESELLSCHAFT AACHEN
JAHRBUCH
DER WISSENSCHAFTLICHEN SITZUNGEN
DER M EDIZINISCHEN GESELLSCHAFT AACHEN
SOMMERSEMESTER 1997 BIS WINTERSEMESTER 1998/99
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Vorsitzender: Herr Universitätsprofessor
Dr. med. Hans F. Merk
Direktor der Hautklinik
E-mai l : Hans.Merk@post . rwth-aachen.de
Schriftführer: Herr
Dr. med. Heinrich Dickel
Assistenzarzt an der Hautklinik
E-mai l : Heinr ich.Dickel@post . rwth-aachen.de
Sekretariat: Frau
Heike Meier
Tel . : +49 (0)241 80-88331
Fax: +49 (0)241 88-88413
Sehr geehrte Mitglieder!
Dieser Jahresbericht wird Ihnen zu drittenmal zugesandt. Er stellt eine Übersicht über die
stattgefundenen Veranstaltungen in den Jahren 1997 und 1998 dar.
Im Jahre 1997 habe ich den Vorsitz der Medizinischen Gesellschaft von Herrn Professor Jakse
übernommen und darf mich für seine Tätigkeit bedanken. Gleichfalls möchte ich mich für die
tatkräftige Unterstützung in der Übernahmephase bei Herrn Dr. A. Brauers und Frau B.
Krenig bedanken.
Ich hoffe, daß die Medizinische Gesellschaft auch in den kommenden Jahren eine gute und
fruchtbare Arbeit leisten wird. Desweiteren wünsche ich mir auch eine gute Zusammenarbeit
mit dem Vorstand der Medizinischen Gesellschaft.
gez.
Univ.-Prof. Dr. med. Hans F. Merk
Vorsitzender der Medizinischen Gesellschaft
Inhaltsverzeichnis der Wissenschaftlichen Sitzungen
SS 97
Lyme-Borreliose - Zeckenbißereignis mit Folgen 1
06. Mai 1997
Habilitationsanwärter stellen sich vor 10
14. Mai 1997
WS 97/98
Die Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde stellt sich vor 18
07. Oktober 1997
Habilitationsanwärter stellen sich vor 23
15. Oktober 1997
Onkologie (Teil I) 33
04. November 1997
Die Klinik für Orthopädie stellt sich vor 38
02. Dezember 1997
Die Augenklinik stellt sich vor 42
13. Januar 1998
SS 98
Habilitationsanwärter stellen sich vor 48
10. Juni 1998
Neue Entwicklungen in der Diagnostischen und Interventionellen Radiologie 58
07. Juli 1998
WS 98/99
Habilitationsanwärter stellen sich vor 63
13. Oktober 1998
Neue Aspekte aus nuklearmedizinischer Diagnostik und Therapie 69
01. Dezember 1998
Vorhofflimmern - noch immer ein ungelöstes Problem 74
12. Januar 1999
Sterbebegleitung, Sterbehilfe. Aktuelle Aspekte zu Medizin, Ethik und Recht. 79
02. Februar 1999
Habilitationsanwärter stellen sich vor 82
09. Februar 1999
1
Lyme-Borreliose - Zeckenbißereignis mit Folgen
06. Mai 1997
Biologie und mikrobiologische Diagnostik von Borrelia burgdorferi sensu lato
Dr. med. Dipl.-Biol. G. Haase
Institut für Medizinische Mikrobiologie der RWTH Aachen
Die Krankheitsbilder, die heute unter den Begriff Lyme Borreliose (LB) zusammengefaßt werden,
sind schon seit dem Ende des letzten Jahrhunderts in Europa bekannt (Erythema migrans [EM],
Acrodermatitidis chronica atrophicans [ACA], Bannwarth Syndrom). Afzelius beschrieb schon
1909 den Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines Erythema migrans und einem
vorangegangenen Zeckenbiß. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden Spirochäten in Hautbiopsien
von Patienten mit EB beschrieben und daraufhin auch eine erfolgreiche antibiotische Therapie mit
Penicillin. Die infektiöse Natur dieser Erkrankung konnte durch entsprechende
Transplantationsversuche gesichert werden. Aber erst 1982 gelang es, das gramnegative,
mikroaerophil wachsende Bakterium Borrelia burgdorferi als aetiologisches Agens anzuzüchten.
Die Kultur dieses langsam wachsenden Bakteriums erfordert den Einsatz eines komplexen
Spezialmediums.
Bei der LB handelt es sich um die häufigste durch Arthropoden übertragenen Infektion in den
gemäßigten Klimazonen der Erde. In Europa fungiert die Schildzecke Ixodes ricinus, in
Nordamerika die Arten I. scapularis und I. pacificus und in Asien die Art I. persulcatus als Vektor
für dieses Bakteriums für den Menschen. Zecken durchlaufen während ihres Lebenszyklus drei
Entwicklungsstadien (Larve, Nymphe, adulte Zecke), wobei jedesmal eine " Blutmahlzeit"
genommen wird. Dabei werden entsprechend der Größe der Zecke größere Wirte aufgesucht.
Borrelia burgdorferi wird innerhalb der Zeckenpopulation sowohl horizontal als auch vertikal
übertragen. Die Durchseuchung der Zeckenpopulation in Deutschland beträgt 5 - 30% (proportional
zur Entwicklungshöhe). Vögel scheinen im epidemiologischen Kontext eine wesentliche Rolle für
eine Verbreitung von B. burgdorferi über weitere Strecken zu spielen. Zecken halten sich in der
Strauch- und Krautzone auf (> 75% Luftfeuchtigkeit) und sind nur bei > 20 °C aktiv. Bei der
" Blutmahlzeit" wird B. burgdorferi durch den Speichel auf den Wirt übertragen. Allerdings besteht
erst ab der achten Stunde dieses Saugaktes ein nennenswertes Risiko für eine solche Übertragung
von B. burgdorferi.
2
Daher besteht die prophylaktische Maßnahme in einer sorgfältigen und rechtzeitigen Hautinspektion
nach Besuch solcher Biotope mit der vorsichtigen Entfernung etwaiger Zecken. Eine
Antibiotikaprophylaxe ist erst nach längerer Dauer der Blutmahlzeit und/oder multiplen
Zeckenbissen in Erwägung zu ziehen. Eine Schutzimpfung mit dem rekombinanten Molekül OspA
befindet sich in den USA im Zulassungsverfahren. Diese vermittelt allerdings nur Schutz gegenüber
Infektionen mit B. burgdorferi sensu stricto.
Infektionen mit B. burgdorferi verlaufen zu 60% asymptomatisch. In Europa kann von einer
Inzidenz dieser Erkrankung von 26 - 160 pro 100.000 Einwohner und Jahr ausgegangen werden.
Das breite Spektrum der LB ist durch die unterschiedliche Vulnarabilität des Immunsystems und
immungenetische Faktoren bedingt. Schon bald nach der Erstbeschreibung von B. burgdorferi
zeigte es sich, daß es sich hierbei um eine phänotypisch variable Art handelt (B. burgdorferi sensu
lato) welche eine der Ursachen für diese unterschiedlichen Verlaufsformen der LB sein könnte (B.
burgdorferi: EM, chronische Arthritis; B. garinii: EM, Neuroborreliose; B. afzelii: EM, ACA)
wobei anscheinend alle Arten in der Lage sind ein EM zu verursachen. Infolgedessen sind bisher
zehn distinkte Arten (= Borrelia burgdorferi sensu lato) mit unterschiedlicher geographischer
Verbreitung beschrieben worden.
Der Direktnachweis von B. burgdorferi kann durch eine Silberfärbung von entsprechenden
Untersuchungsmaterial versucht werden. Der kulturelle Nachweis (Kulturdauer bis zu 21 d)
erfordert den Einsatz eines komplexen Nährmediums und wurde bisher erfolgreich bei
Hautbiopsien, Liquor und Synovialflüssigkeit eingesetzt. Entsprechende in-vitro
Nachweisreaktionen mittels molekulargenetischer Amplifikationsverfahren (z.B. PCR) befinden
sich in der Entwicklung (z.Zt. noch kein kompletter kommerziell erhältlicher Kit verfügbar). Alle
diese Methoden weisen eine geringe Sensitivität auf (i. d. R. > 60%), wobei die Hautbiopsie die
höchste Ausbeute zeigt. Daher sind diese Direktnachweise im Moment in der Routinediagnostik nur
von untergeordneter Bedeutung. Dieses Faktum erklärt aber auch, daß das Wissen um die
Speziesbeteiligung bei den verschiedenen Krankheitsbildern und die geographische Verteilung der
verschiedenen B. burgdorferi sensu lato Arten noch sehr fragmentarisch ist.
Für den indirekten serologischen Nachweis einer B. burgdorferi Infektion werden z.Zt. folgende
Verfahren eingesetzt: Hämagglutinationstest, indirekter Immunfluoreszenztest, Enzymimmunoassay
(EIA) und Western Blot (WB). Die ersten drei Verfahren werden als Screeningstest eingesetzt,
wobei EIAs am häufigsten verwandt werden. Der WB wird eingesetzt um die Frage nach dem
Vorliegen einer akuten Infektion beantworten zu können. Diese Frage stellt sich oft bei einem
positiven Screeningtest, da die Prävalenz der Lymeborreliose in unseren Breitengraden hoch ist.
3
Bei der Beurteilung der serologischen Testergebnisse von B. burgdorferi bedingten Erkrankungen
sind folgende Besonderheiten zu beachten: Ein EM ruft häufig keine Antikörperantwort hervor.
Antikörper gegen Treponema pallidum sind kreuzreaktiv. Daher muß bei einer positiven
serologischen Reaktion eine Syphilis (akut bzw. ausgeheilt) ausgeschlossen werden. Bei einer
Neuroborrelliose tritt in der Regel eine (autochthone) Antikörperbildung im Liquor früher auf als im
Serum. Aufgrund dieser autochthonen Antikörperbildung sind bei der Neuroborreliose hierbei auch
häufig entsprechende oligoklonale Banden im Liquor nachweisbar. Allerdings werden falsch
positive Ergebnisse bei einer entsprechenden oligoklonalen Kostimulation bedingt durch
Infektionen mit anderen Erregern (z.B. EBV, CMV, M. pneumoniae) und bei Vorliegen von
Autoimmunerkrankungen gesehen. Daher sind solche Erkrankungen auszuschliessen. Eine
erfolgreiche Therapie ist nicht zwingend mit einem entsprechenden Abfall der Titer (IgM u. IgG)
verbunden.
Da die Aufklärung der Infektionsbiologie von B. burgdorferi sich erst in den Anfängen befindet
sind folgende diagnostische Probleme zur Zeit noch nicht gelöst: In der Regel werden für die
serologischen Tests somatische Antigene (Gesamtzellsonifikate und/oder rekombinante Antigene)
von B. burgdorferi sensu stricto eingesetzt. Dabei ist nicht geklärt, ob diese Antigene auch geeignet
sind die relevanten Antikörper, die bei Infektionen mit B. burgdorferi sensu lato Arten gebildet
werden, zu detektieren. Da die in vitro Kultur von B. burgdorferi sehr schwierig ist und sich
sicherlich erheblich von den in vivo Bedingungen unterscheidet werden u.U. auch die relevanten
Antigene nicht bzw. nur unzureichend exprimiert.
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Spektrum der Hautmanifestationen bei Borrelia-burgdorferi-Infektionen
Dr. med. A. Rübben
Hautklinik der RWTH Aachen
Borrelia burgdorferi, der Erreger der Lyme-Krankheit, die die verschiedenen Aspekte der Borrelia-
burgdorferi-Infektion zusammenfaßt, ist erst 1982 isoliert worden. Die dermatologischen
Krankheitsbilder, die durch diese Spirochäte hervorgerufen werden, sind den Dermatologen aber
schon seit vielen Jahrzehnten bekannt. Als eigenständige Erkrankung ist die primäre
Hautmanifestation der Borreliose, das Erythema chronicum migrans, von Afzelius 1909 und von
Lipschütz 1913 beschrieben worden. Auch die Assoziation mit dem Zeckenbiß war den
Dermatologen frühzeitig aufgefallen. Die Kausalkette konnte jedoch erst mit der Isolierung des
Erregers geschlossen werden. Überträger von Borrelia burgdorferi ist die Schildzecke (Ixodes
ricinus). Nach Übertragung durch den Zeckenbiß durchläuft die Infektion verschiedene Stadien. Die
klinische Ausbildung ist je nach Immunlage des Patienten unterschiedlich und wird auch durch den
Subtyp von Borrelia burgdorferi bestimmt. Das Überspringen einzelner Stadien kommt ebenfalls
vor. Das erste Stadium, das nach 2 bis 28 Tagen nach Zeckenbiß beginnen kann, ist durch die
dermatologischen Manifestationen geprägt. Die wichtigste und häufigste Manifestation, die direkt
zur Diagnose führt, ist das Erythema chronicum migrans. In der Regel etwas später nach Zeckenbiß
kann sich unter der Bißstelle auch ein Lymphozytom ausbilden. Seltener treten auch urtikarielle
Erytheme auf. Die Diagnosenstellung ist dann entsprechend schwieriger und bedarf der Serologie.
Das zweite Stadium zeigt gewöhnlich keine Hautveränderungen, es dominieren neurologische und
kardiale Symptome. Im dritten Stadium imponiert von dermatologischer Seite die Acrodermatitis
chronica atrophicans, die schon 1902 von Herxheimer und Hartmann beschrieben wurde und die
vornehmlich mit dem Subtyp Borrelia afzelii assoziiert zu sein scheint.
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Lyme-Arthritis - häufig verkannte Monarthritis
Dr. med. J. Forst
Orthopädische Klinik der RWTH Aachen
Die Lyme-Arthritis, orthopädisch-rheumatologische Manifestation der Lyme-Borreliose, ist ein
seltenes Krankheitsbild. Für Deutschland wird eine jährliche Neuerkrankungsrate für die Lyme-
Borreliose mit 10-20.000 Fällen geschätzt, hiervon erkranken etwa 7-10% (1.000-2.000
Erkrankungen im Jahr) an einer Lyme-Arthritis.
Für die meist schmerzlose Lyme-Arthritis besteht keine spezifische Anamnese, es sei denn, die
Patienten erinnern sich an einen Zeckenstich oder ein Erythema chronicum migrans. Die Zeitspanne
zwischen dem Zeckenstich oder zwischen dem Erythema chronicum migrans und dem Auftreten
einer Arthritis kann zwischen 2 Wochen und mehreren Jahren betragen. Spezifische klinische
Befunde, die die Diagnose einer Lyme-Arthritis als prima vista Diagnose ermöglichen, existieren
nicht, so daß die Diagnose einer Lyme-Arthritis immer eine Ausschlußdiagnose degenerativer,
pyogener oder rheumatologischer Monarthriden darstellt. Dennoch sollte die seltene
Differentialdiagnose der Lyme-Arthritis, insbesondere bei schmerzloser Monarthritis, immer
mitbeachtet werden.
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Neuroborreliose
Dr. med. F. Block
Neurologische Klinik der RWTH Aachen
Die Neuroborreliose ist durch eine Manifestation einer systemischen Infektion mit Borrelien am
Nervensystem gekennzeichnet, die durch hämatogene Streuung oder lokale Invasion zustande
kommt. Diagnostische Kriterien der Neuroborreliose sind neurologische Symptome und ein
entzündliches Liquorsyndrom bestehend aus einer überwiegend lymphozytären Pleozytose (100-
1000 Zellen/µl), Nachweis von Antikörpern gegen Borrelien und einer autochthonen intrathekalen
IgG-Synthese. Die häufigste neurologische Manifestation im Stadium 2 der Borreliose ist das
'Bannwarth-Syndrom', welches durch periphere Paresen, zumeist Fazialisparesen, und schmerzhafte
Radikulitiden charakterisiert ist. Seltener finden sich in diesem Stadium eine lymphozytäre
Meningitis, Plexusneuritis, Mononeuritis multiplex, Enzephalitis oder Myelitis. Im 3. Stadium der
Borreliose sind eine Enzephalopathie, welche sich durch kognitive oder psychiatrische Störungen
oder durch epileptische Anfälle manifestiert, eine Myelitis, eine zerebrale Vaskulitis oder eine
chronische Polyneuropathie zu beobachten. Die Therapie der Wahl ist die intravenöse Gabe von
Ceftriaxon, 2 g/die. Als Alternativen stehen Cefotaxim, 3 × 2 g/die, oder Penicillin G, 4 × 5 Mio. E.,
zur Verfügung. Die Dauer der antibiotischen Behandlung sollte beim 2. Stadium 14 Tage und beim
3. Stadium 3-4 Wochen betragen. Als Therapiekontrolle ist neben dem klinischen Verlauf die
Pleozytose im Liquor zu verwerten, die sich bei Therapieerfolg zurückbildet. Die Prognose der
Neuroborreliose ist insgesamt als gut einzustufen. Nach entsprechender Behandlung kommt es bei
ca. 80-90% der Patienten im Stadium 2 zu einer kompletten Heilung. Bei 2/3 der Patienten aus dem
3. Stadium ist immerhin eine deutliche Besserung zu beobachten.
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Kardiale Beteiligung bei der Lyme-Borreliose
Dr. med. U. Janssens
Medizinische Klinik I der RWTH Aachen
Eine kardiale Manifestation der Lyme-Erkrankung tritt im klinischen Stadium II (nach hämatogener
oder lymphogener Erregergeneralisation) als Störung der Erregungsbildung und -leitung bzw. als
akute Perimyokarditis, sowie im Stadium III vor allem als Einschränkung der linksventrikulären
Pumpfunktion im Sinne einer dilatativen Kardiomyopathie oder chronischer Perimyokarditis auf.
Die Inzidenz der Lyme-Karditis beträgt in den USA 8-10%, in Europa nur 0,5-1,6% aller
Lymeborreliosen. Diagnostisch beweisend für eine kardiale Mitbeteiligung ist allein die
Myokardbiopsie mit histologischem bzw. kulturellem Erregernachweis.
Anhand von 100 Fallberichten aus der Weltliteratur konnten folgende Charakteristika der
Erkrankung ermittelt werden: 75% der Patienten waren männlich, ihr Alter lag im Mittel bei 36
Jahren. Die ersten kardialen Symptome traten durchschnittlich 33 Tage nach erinnertem Zeckenbiß
bzw. nach Auftreten kutaner Symptome auf, die in 50% als vorausgehend beschrieben wurden. In
40% wurden vorausgegangene oder akute Gelenkbeschwerden angegeben. Nur in 18% der Fälle
wurde ein Zeckenbiß erinnert. Die häufigsten beschriebenen klinischen Befunde waren
Rhythmusstörungen, wobei hier die höhergradigen AV-Blockierungen (Grad II-III) mit 78% die
weitaus größte Gruppe darstellten. Eine absolute Arrhythmie wurde in 6%, eine dilatative
Cardiomyopathie (DCM) ebenfalls in 6% der Fälle gefunden.
Die Therapie der Lyme-Karditis umfaßt neben allgemeinen Maßnahmen wie Monitoring und ggf.
passagerer Schrittmacheranlage die intravenöse antibiotische Therapie über 2 bis 3 Wochen. Mittel
der ersten Wahl sind Ceftriaxon oder Cefotaxim. Der Einsatz von Steroiden ist umstritten. Die
Prognose der Lyme-Karditis ist gut. AV-Blockierungen sind meist nicht persistierend und bedürfen
nur seiten einer permanenten Schrittmachertherapie. Einzelfälle zeigten sogar eine Reversibilität der
linksventrikulären Funktionseinschränkung bei borrelieninduzierter DCM nach antibiotischer
Therapie, wobei hierbei wahrscheinlich die Dauer der Erkrankung für den Therapieerfolg von
Bedeutung ist.
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Augenbefunde bei Borreliose
Dr. med. C. Dahlke
Augenklinik der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen
Eine Infektion mit Borrelia burgdorferi kann zu allen nur denkbaren intraokularen Entzündungen
führen.
Im Frühstadium der Erkrankung kann eine hämorrhagische Konjunktivitis auftreten. Hauptsächlich
findet sich eine Augenbeteiligung aber in den späteren Stadien II und III, bei denen es zur
Generalisierung und Organmanifestation mit chronischen Entzündungen kommt. Am Auge sind
beschrieben Keratitis, Iritis bzw. Iridozyklitis, retinale Vaskulitis, Chorioiditis, entzündliche
Optikusprozesse wie Neuritis optici (Retrobulbärneuritis, Papillitis), Stauungspapille,
Papillenödem, ischämische Optikusneuropathien und Hirnnervenparesen, insbesondere
Facialisparesen.
Wichtig ist es, bei jeder intraokularen Entzündung an eine mögliche Borreliose zu denken. Eine
positive Serologie kann die klinische Verdachtsdiagnose unterstützen.
Die Therapie im Frühstadium ohne Organmanifestation besteht in Penicillin G intravenös,
Amoxycillin mit Probenecid oral oder Doxycyclin oral. Bei Therapieversagern und im Spätstadium
sollte Ceftriaxon oder Cefotaxim intravenös gegeben werden. Die Behandlung muß ausreichend
lange erfolgen, d.h. mindestens zwei, besser drei Wochen.
10
Habilitationsanwärter stellen sich vor
14. Mai 1997
Experimentelle und theoretische Zugänge zur dreidimensionalen Struktur von Proteinen
Dr. rer. nat. J. Grötzinger
Institut für Biochemie der RWTH Aachen
Für das Verständnis der Funktion von Proteinen ist die Kenntnis ihrer dreidimensionalen Struktur
unerläßlich. Zur Strukturaufklärung eines Proteins stehen drei Methoden zur Auswahl, die
Röntgenstrukturanalyse, die NMR (Nuclear-Magnetic Resonance)-Spektroskopie und der
Molekülmodellbau (molecular modelling). Während die beiden erstgenannten einen direkten,
experimentellen Zugang zur dreidimensionalen Struktur eines Proteines ermöglichen, ist die letztere
auf strukturelle Vorkenntnisse angewiesen.
Es werden im folgenden sowohl die Methoden der NMR-Spektroskopie als auch die des molecular
modelling vorgestellt.
Das der NMR-Spektroskopie zugrundeliegende physikalische Phänomen ist der Kernspin. Für die
Strukturaufklärung sind die Protonen von zentraler Bedeutung. Jedes Proton besitzt in einem
Magnetfeld eine charakteristische Frequenz (Larmor-Frequenz), mit der es um das statische Feld
(B0) präzediert. Diese Frequenz ist abhängig von der Umgebung des Protons. Die Hilfe der NMR-
Spektroskopie lassen sich (a) diese Frequenzen und (b) die Interaktionen zwischen den Protonen
messen, welche abhängig sind vom ihrem Abstand. Als erster Schritt einer Strukturaufklärung muß
daher die Zuordnung der Frequenzen zu den Protonen erfolgen. Aus der sich dann anschließenden
Analyse der Interaktionen ergibt sich ein Netzwerk von Proton/Proton-Abständen, welches sich
dann in eine dreidimensionale Struktur überführen läßt. Die Aufklärung der dreidimensionalen
Struktur von Proteinen mit Hilfe der hochauflösenden 1H-NMR-Spektroskopie wurde erst durch die
Einführung der mehrdimensionalen Techniken ermöglicht, welche eine eindeutige Zuordung der
Frequenzen erlauben. Mit Hilfe dieser Methoden läßt sich die Struktur von Proteinen bis zu einem
Molekulargewicht von ca. 10 kDa bestimmen. Die Einführung der mehrdimensionalen,
heteronuklearen (15N, 13C, 1H) NMR-Spektroskopie ermöglichte es diesen Bereich auf bis zu 40
kDa auszudehnen.
Die Strukturen von drei Proteinen, die wir mit Hilfe dieser Methoden bestimmt haben, werden
vorgestellt. Es wird die Struktur eines inaktiven mit der eines superpotenten Insulin-Analogs
verglichen. Die dritte Struktur ist die einer Deletionsmutante vom Insulin-like growth-factor-I.
11
Die Strukturgenerierung eines Proteins mit Hilfe der Methoden des molecular modelling setzt
voraus, daß die Struktur eines verwandten, homologen Proteins bereits bekannt ist. Zunächst
werden dann die Aminosäurensequenzen der beiden Proteine zu größtmöglicher Übereinstimmung
überlagert (sequential alignment). Durch invariante oder konservative Besetzung, d.h. Besetzung
mit gleichen oder ähnlichen Aminosäureresten geben sich diejenigen Positionen zu erkennen, die
für den strukturellen Aufbau des Proteins von entscheidender Bedeutung sind. Zusätzliche Hinweise
liefern z.B. Methoden wie die Sekundärstruktur-Vorhersage aus der Sequenz. Der eigentliche
Modellbau besteht dann darin, daß die einzelnen Aminosäurereste der bekannten Struktur -
entsprechend dem alignment- gegen die Reste des homologen Proteins ausgetauscht werden. Die
Orientierung der Seitenketten erfolgt nicht willkürlich: Aus einer Datenbank, die alle bekannten
Proteinstrukturen enthält, werden die Aminosäurereste herausgesucht, die eine gleiche oder ähnliche
Sequenzumgebung haben. Diese Konformationen werden dann in das Modell übernommen. Das so
generierte Rohmodel wird anschließend mit Hilfe von Kraftfeldrechungen energetisch optimiert und
strukturell verfeinert.
Nach dieser Methodik haben wir die dreidimensionalen atomaren Modelle von Interleukin-6 (IL-6),
seinem spezifischen Rezeptor (IL-6R, gp80) und der signaltransduzierenden Untereinheit gp130
entwickelt. Darüberhinaus schlagen wir in einem weiteren Modell vor, wie je ein Molekül Il-6 und
IL-6R mit zwei Molekülen gp130 zum funktionalen Komplex zusammentreten. Die experimentelle
Verifizierung des Modells wird diskutiert.
12
Zur Problematik der Gesteuerten Geweberegeneration (GTR) bei Erkrankungen des
Zahnhalteapparates
Dr. med. dent. H.-G. Gräber
Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde der RWTH Aachen
Ein Problem bei der bakteriell verursachten Parodontitis ist das unkontrollierte Wachstum des
Saumepithels nach apikal, was zur Entstehung unphysiologisch tiefer Zahnfleischtaschen und
unbehandelt zu einem schrittweisen Verlust von parodontalem Gewebe führt. Die bisherige
chirurgische Intervention unter Verwendung verschiedenen Membransystemen dient als
mechanische Barriere zur Verhinderung des Epitheltiefenwachstums. Mit Zytokinen und
Wachstumsfaktoren Migration und Zellproliferation "steuern" und die undifferenzierten
mesenchymalen Zellen des verbliebenen parodontalen Ligaments zu regenerativen Prozessen
anregen zu können, ist darüber hinaus ein überlegenswerter neuer Therapieansatz.
Aus der Gruppe der Adhäsionsmoleküle sind es die Integrine, die eine wesentliche Rolle in der Zell-
zu-Zell- und in der Zell-Matrix-Kommunikation spielen. Es handelt sich dabei um Rezeptoren auf
Zelloberflächen, die aus einer α- und β-Untereinheit bestehen. Die unterschiedliche Kombination
dieser Untereinheiten bildet verschiedene Rezeptoren. Liganden können beispielsweise
Immunglobuline, der von Willebrand-Faktor oder verschiedene Bestandteile der extrazellulären
Matrix (ECM) sein. Die Signalübermittlung der Integrine ist für die molekulare Steuerung des
Zellwachstums von entscheidender Bedeutung. Die Zellen des Saumepithels wachsen, wie alle
anderen Zelltypen auch, auf einer basalen Matrix verschiedener Kollagene und extrazellulärer
Glykoproteine (Laminin, Fibronektin, Epiligrin, Vitronektin, Kalinin etc.).
Für die Zelladhäsion auf der Basalmembran sind Integrine verantwortlich. Binden die Proteine der
extrazellulären Matrix Integrine, so bewirkt dies eine Änderung der intrazellulären Genexpression
und damit der zellulären Proliferation und Differenzierung. Um die Proliferation mit Antikörpern
gegen Integrineinheiten steuern zu können, ist es eine Voraussetzung, möglichst viele
Integrinrezeptoren damit zu blockieren und so eine Bindung an Bestandteile der ECM zu
verhindern. In der Organkultur humaner marginaler Gingiva wurde bereits erfolgreich eine
epitheliale Wachstumshemmung mit monoklonalen Antikörpern (mAk) gegen das Integrin-α6β1
gezeigt. Eine wichtige Rolle spielt das Integrin-α6β1 bei der epithelialen Wundheilung. Es wir hier
als Lamininrezptor angesehen, der in Bereichen regenerierter Epidermis eine feste Verbindung im
Wundgebiet zwischen proliferierenden Keratinozyten und der Basalmembran eingeht. Welche
13
besondere Bedeutung bei der Zellproliferation und Migration dieser Vorgang besitzt, ist bisher noch
unklar.
Eine ausreichende Quantifizierung der Wachstumsveränderung unter Antikörpereinfluß war in der
Organkultur jedoch nicht möglich. Deshalb benutzten wir die humane permanente Zellinie HaCaT
(Human adult low Calcium high Temperature, DKFZ Heidelberg), an der die wachstumshemmende
Wirkung unserer Antikörper getestet werden sollte.
Ergebnisse:
1. Mit Hilfe der Immunfluoreszenz ist es gelungen die Integrinuntereinheiten α6 βl an dieser
Zellinie nachzuweisen. Die Rezeptoren werden hauptsächlich im Bereich von Zell-zu-Zell-
Kontakten exprimiert und weniger an Zelloberflächen, die nicht in Kontakt zu einander stehen. Die
Doppelfärbung legt die Vermutung nahe, das sowohl α6 als auch β1 auf der Zelloberfläche
räumlich gleich verteilt sind, evtl. sogar als ein Integrin-α6β1.
2. Der Einfluß der Antikörper auf das Proliferationsverhalten der HaCaT-Zellen ist mit Hilfe des
BrdU-Testes überprüft worden. Hierbei wird in der S-Phase des Zellzyklusses anstatt Thymidin 5-
Bromo-2'-desoxyuridin (BrdU) als Basenanalogon in die DNA proliferierender Zellen eingebaut.
Die Antikörperzugabe nach 24 und 48 Stunden zeigt bereits eine deutliche Hemmung der
Zellproliferation im Unterschied zur Kontrollgruppe. Unterschiede zwischen dem singulären und
kombinierten Einsatz unserer Antikörper waren nicht festzustellen, auch die Inkubation nach 72
Stunden bringt keine anderen Ergebnisse.
Die wachstumshemmende Wirkung von mAk gegen die Integrinuntereinheiten α6 und βl ist in der
Organkultur humaner Gingiva und jetzt im Monolayer an der HaCaT-Zellinie beobachtet worden.
Damit scheint es möglich zu sein, das Wachstumsverhalten verschiedener Zellarten auf molekularer
Ebene kontrolliert steuern zu können.
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Die Wirkung des Nd-YAG Lasers auf die mikrobiologische Flora der Mundhöhle unter
besonderer Berücksichtigung endodontischer Erkrankungen
Dr. med. dent. N. Gutknecht
Klinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der RWTH Aachen
Seit Jahrzehnten gehört die Behandlung gangränöser Wurzelkanäle und periapikaler Läsionen, vor
allem im Seitenzahnbereich, zu den Problemgruppen klassischer endodontischer Behandlungen. Die
Ursachen liegen in der Krümmung und dem geringen Lumen dieser Wurzelkanäle. Dies führt dazu,
daß sie weder vollständig mechanisch aufbereitet, noch zufriedenstellend mit desinfizierenden
Spühllösungen gereinigt werden können. Ziel unserer Untersuchungen war es, die Wirkung des
gepulsten Nd-YAG Lasers (1064 nm) mit flexibler Quarzfaser auf die Wurzelkanalwände, die
Bakterienflora und das umgebende Gewebe zu untersuchen. Dazu wurden unterschiedliche
Lasereinstellungen gewählt (1OHz/0,8W.; 1OHz/1W.; 15Hz/1,25W.; 15Hz/1,5W) und deren
Auswirkungen auf die Wurzelkanalwand rasterelektronenmikroskopisch untersucht. Die
Laserauswirkung auf die Dichtigkeit der lateralen Dentintubuli konnte durch Farbpenetrationstest
(basisches Fuchsin) dargestellt werden. Beide Untersuchungen gaben einen klaren Aufschluß über
den Abtrag organischer Substanzen in Wurzelkanal und den nachfolgenden Verschluß der
Dentintubuli. Temperaturuntersuchungen auf der Wurzeloberfläche sollten sicherstellen daß das
umgebende Desmodont, während der Laserbehandlung im Wurzelkanal, thermisch nicht geschädigt
wird. Transmissions- und Emissionsmessungen an unterschiedlich dicken Dentinscheiben (50-5000
µm) gaben Aufschluß darüber, welche Energiemengen in welcher Schichtdicke des Dentin noch
vorhanden sind. Daraus konnten Erkenntnisse über die bakterizide Wirkung in tieferen
Dentinschichten gewonnen werden. Mittels eines, in Zusammenarbeit mit dem Institut für
Thermodynamik und Raumfahrttechnik der FH Aachen erstellten Finite Elemente Modells konnten
alle Temperaturverläufe im Wurzelkanal selbst als auch im umgebenden Gewebe bei allen
Einstellungskombinationen zu jedem Zeitpunkt ermittelt werden. Die mikrobiologischen
Untersuchungen hatten zum Ziel, die Menge der abgetöteten Bakterien im Wurzelkanal nach
konventioneller und nach Laserbehandlung zu ermitteln. Die Ergebnisse wurden in log kill ermittelt
und betrugen für den Laser 99,8% und für die Kontrollgruppe 48,5%. Zusammen mit der
Universität Dresden wurden auch die mikrobiologischen Untersuchungen in den unterschiedlich
dicken Dentinwänden ermittelt. Dabei konnte ermittelt werden, daß es nur bei der laserunterstützten
Wurzelkanalbehandlung möglich ist, die Mikroorganismen in den Dentintubuli zu zerstören. Die
15
von uns durchgeführte klinische Langzeitstudie laserunterstützter Behandlung endodontischer
Problemfälle zeigte eine signifikant höhere Erfolgsrate als die klassisch behandelte Kontrollgruppe.
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Entwicklung und Erprobung eines multidimensionalen Ansatzes zur Quantifzierung der
Stimmfunktion
Dr. med. Ch. Neuschaefer-Rube
Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie der RWTH Aachen
In der Phoniatrie, der Akustik, der Gesangspädagogik wie auch in anderen Gebieten, die
Stimmforschung zum Gegenstand haben, gibt es seit langem Ansätze, die Stimmfunktion als solche
oder einzelne ihr zugrunde liegende Parameter zu quantifizieren. Zu diesem Zweck wurden
Stimmumfang, Stimmdynamik, Klangfarbe der Stimme, Tonhaltedauer sowie phonatorische
Atemfluß und -volumengrößen mit der jeweilig verfügbaren Technologie bestimmt. Insbesondere
die in den 50er Jahren entwickelte 2-dimensionale cartesische Verknüpfung des Tonhöhenumfangs
mit der Lautstärkedynamik der Stimme, das so bezeichnete Stimmfeld oder Phonetogramm, hat sich
inzwischen als Routineverfahren zur Beurteilung der Stimmfunktion in der klinischen Diagnostik
etabliert. Die Einschränkungen einer 2-dimensionalen Betrachtungsweise der Stimmfunktion gaben
jedoch Anlaß, zusätzliche, überwiegend in weiteren klinischen Untersuchungsmethoden gewonnene
Parameter in die Stimmfelddokumentation aufzunehmen. Die hier vorgestellte computergestützte
3D-Phonetographie ist eine multidimensionale, figurative Darstellungsform der Stimmfunktion, die
auf der Basis von Wertetriplets entwickelt wurde. Die Parameter Tonhöhe, Stimmstärke und
Tonhaltedauer werden hierzu in einem Untersuchungsgang und in gegenseitiger Abhängigkeit
erfaßt. Unter Berücksichtigung der damit gegebenen Zeitabhängigkeit der gemessenen
Stimmfunktion erstellt sich ein neues quantitatives Leistungsmaß der Stimme.
Befundcharakteristika bei stimmgesunden Probanden und bei Patienten mit Stimmstörungen werden
vorgestellt.
17
Untersuchungen zum Prozeß der physiologischen Muttermundseröffnung unter der Geburt
Dr. med. M. Winkler
Frauenklinik der RWTH Aachen
Die rasche, innerhalb weniger Stunden ablaufende Muttermundseröffnung unter der Geburt wird
durch einen enzymatischen Abbau von Strukturproteinen (z.B. Kollagenen) innerhalb des
zervikalen Stroma realisiert. Als Herkunftsort der Kollagenasen wurden die sub partu im zervikalen
Stroma in hoher Zahl nachweisbaren neutrophilen Granulozyten identifiziert. Wie im Rahmen einer
akuten Entzündungsreaktion ist eine der Voraussetzungen für die Extravasation dieser Zellen eine
temporäre Adhäsivitätssteigerung des Gefäßendothels, die durch Adhäsionsmoleküle vermittelt
wird. Deren Expression wird durch Zytokine (z.B. IL-1β, TNFα) gesteuert.
Fragestellung: Wir untersuchten daher, ob sich die IL-1β- und TNFα-Konzentrationen und die
Expression von endothelial leukocyte adhesion molecule-1 (ELAM-1), vascular cell adhesion
molecule-1 (VCAM-1) und intercellular adhesion molecule-1 (ICAM-1) im unteren Uterinsegment
während der Muttermundseröffnung verändern.
Patientinnen und Methodik: Bei Sectio caesarea am Geburtstermin erfolgte bei einer
Muttermundsweite von <2 cm (n=17), 2-3 cm (n=12), 4-6 cm (n=13) und >6 cm (n=17) eine
Gewebeentnahme aus dem unteren Uterinsegment. In diesen Proben wurden die IL-1β- und TNFα-
Konzentrationen mittels ELISA bestimmt und die Expression von ELAM-1, VCAM-1 und ICAM-1
immunhistochemisch identifiziert und semiquantitativ ausgewertet.
Ergebnisse: Der Median der IL-1β-Konzentrationen steigt signifikant von 1,3 ρg/mg Gesamtprotein
(GP) bei <2 cm dilatierter Zervix auf 22,2 ρg/mg GP bei 4-6 cm eröffneter Zervix. Auch der
Median der TNFα-Konzentration steigt von 7,99 ρg/mg GP bei einer Muttermundsweite <2 cm auf
22,23 ρg/mg GP bei 4-6 cm eröffneter Zervix. ELAM-1 und VCAM-1 sind bei einer
Muttermundsweite >6 cm signifikant höher exprimiert als bei <2 cm eröffneter Zervix. Die
Expression von ICAM-1 ist in allen Gruppen gleichermaßen hoch.
Schlußfolgerung: Der Nachweis einer parallelen Zunahme der Konzentrationen von IL-1β und
TNFα sowie die Expression von Adhäsionsmolekülen im unteren Uterinsegment unter der Geburt
stützt die Hypothese, nach der der Prozeß der physiologischen Muttermundseröffnung
Ähnlichkeiten mit dem Beginn einer akuten Entzündungsreaktion aufweist.
18
Die Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde stellt sich vor
07. Oktober 1997
Korrektur der äußeren Nase, Chirurgie des Gesichtes, Therapie der oberen Luftwege
Dr. med. Dipl.-Ing. B. Korves
Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde und Plastische Kopf- und Halschirurgie der RWTH
Aachen
Bei der Chirurgie der Nase als dominierendes Element des Gesichtes ist das Ziel die Modifikation
der äußeren Erscheinung mit Erhaltung oder Wiederherstellung der Funktion. Im folgenden werden
Forinvarianten der äusseren Nase und die zugrunde liegenden pathologischen Veränderungen der
Nasenscheidewand mit entsprechender Ventilationsstörung exemplarisch dargestellt.
Der Arzt sollte sich über die Erwartung des Patienten Klarheit verschaffen und diese in die
Operationsindikation einbeziehen.
Zur präoperativen Vorbereitung gehören die Rhinoskopie, die Endoskopie der Nasenhaupthöhle, die
Rhinomanometrie und die Olfaktoriometrie. Bei klinischen Beschwerden kann ein Allergietest und
eine Röntgenaufnahme der Nasennebenhöhlen notwendig sein.
Verschiedene Faktoren bedingen eine Funktionsstörung der inneren Nase mit Auswirkung auf die
äußere Form:
• Die innere Nasenklappe führt bei schmalen Naseneingängen oder schwachem Flügelknorpel
durch das Ansaugphänomen zu einer inspiratorischen Ventilationsstörung.
• Die Nasenspitze und der Nasensteg bedingt durch ungünstigen Nasolabialwinkel pathologische
Turbulenzbildungen der eingeatmeten Luft am Nasenboden und am Nasendach.
• Die knorpelig-knöcherne Schiefnase beinhaltet eine Luxation und Deviation der
Nasenscheidewand mit Nasenatmungsbehinderung.
• Bei der Sattelnase ist der Winkel der inneren Nasenklappe abgeflacht und der Nasensteg häufig
retrahiert; eine Hypoplasie des Mittelgesichtes ist typisch bei kongenitalen Sattelnasen. Als
weitere Ursachen kommt eine iatrogene Schädigung der Nasenscheidewand mit Perforation und
entsprechender Funktionsstörung in Betracht.
Jede der oben genannten Formvarianten der Nase bedarf einer individuellen chirurgischen Technik
zur Wiederherstellung der Funktion. Grundsätzlich gewährleistet eine zurückhaltende Chirurgie
unter Erhaltung der nasalen Strukturen das erwünschte funktionelle und ästhetische Ergebnis.
19
Mikroinstrumentelle Laserverfahren bei Erkrankungen des Larynx und des Pharynx
Dr. med. E. Di Martino
Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde und Plastische Kopf- und Halschirurgie der RWTH
Aachen
Zu experimentellen und klinischen Zwecken werden in der HNO-Heilkunde seit 25 Jahren
verschiedene Laser eingesetzt. Im klinischen Einsatz hat sich der CO2-Laser als universelles
Schneidinstrument bewährt. Der Einsatz moderner Mikromanipulatoren erlaubt präzises und
gewebeschonendes Arbeiten. In zunehmenden Maße wird auch der Neodym YAG Laser verwandt.
Die Vorteile dieses Lasers liegen in seinem guten Koagulationsvermögen. Der HNO-Klinik steht
zusätzlich ein Holmium YAG Laser für die Mittelohrchirurgie zur Verfügung.
Die Indikationen zum Lasereinsatz sind in den vergangenen Jahren zunehmend erweitert worden.
Operationstechnisch ist die Mehrzahl der begrenzten benignen und malignen Prozesse im Pharynx
und Larynxbereich mit einem Laser behandelbar. Die Laserchirurgie ermöglicht eine Chirurgie a la
demande unter größtmöglichem Funktionserhalt. Die Präparation gestaltet sich blutungsarm, die
postoperative Komplikationsrate ist niedrig. Die Grenzen der Laserchirugie sind dort erreicht, wo
ein Tumor nicht mehr vollständig exponierbar ist. Ebenso gelten eine Infiltration der Halsweichteile
sowie von Knorpel und Knochen und postoperativ zu erwartenden Schluckstörungen als
Limitierung. Besonders geeignete Indikationen zur Laserchirurgie werden an klinischen Beispielen
demonstriert. Aktuelle klinische, technische, diagnostische und therapeutische Entwicklungen
werden vorgestellt.
20
Aktueller Stand der Rhinobasis- und Orbitachirurgie
Dr. med. J. C. Engelke
Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde und Plastische Kopf- und Halschirurgie der RWTH
Aachen
Die operativen Konzepte im Bereich der Rhinobasis sowie der Orbitachirurgie haben sich in den
letzten Jahren grundlegend geändert. Durch die enorme Weiterentwicklung optischer Systeme
sowohl im mikroskopischen als auch im endoskopischen Bereich haben sich Möglichkeiten eines
endonasalen Vorgehens deutlich verbessert. War früher eine sichere operative Therapie bei einer
Vielzahl der Krankheitsbilder im Bereich der Rhinobasis und Orbita nur über einen Zugang von
außen möglich, hat sich nun zunehmend ein optisch gestütztes endonasales Vorgehen durchgesetzt.
So wird die operative Therapie der chronischen Sinusitis heute standardmäßig mit Mikroskop bzw.
Endoskop mit leistungsstarken Halogen- oder Xenon-Lichtquellen durchgeführt. Für bestimmte
Indikationen sind nach wie vor Zugangswege von außen bzw. ein kombiniertes Vorgehen endo- und
extranasal indiziert. Auch die Möglichkeiten der wichtigen Nachsorgebehandlung nach
Nasennebenhöhlenchirurgie haben sich durch die mikroskopische bzw. endoskopischen Techniken
enorm verbessert. Zusätzlich hat sich das Spektrum der Möglichkeiten der endonasalen Chirurgie
von Rhinobasis und Orbita deutlich erweitert. So ist heute die Mehrzahl der entzündlichen
Komplikationen sinugener Ursache endonasal beherrschbar. Die Dekompression der Orbita und des
Nervus opticus lassen sich ebenso endonasal bewerkstelligen, wie in vielen Fällen die Versorgung
von spontanen, traumatischen oder latrogenen Liquorrfisteln. Erweiterte Möglichkeiten der
Blutstillung bei Epistaxis oder bei Entfernung von Fremdkörpern im Bereich von Rhinobasis/Orbita
gehören ebenso dazu, wie die endonasale Tränenwegschirurgie. Auch im Bereich der Traumatologie
der Frontobasis und nicht zuletzt in der endonasalen Chirurgie von gutartigen oder bösartigen
Tumoren haben sich durch die endonasale Technik Fortschritte ergeben. Während auch in Zukunft
für bestimmte Bereiche der Rhinobasis und Orbitachirurgie die klassischen Operationsverfahren
ihre Berechtigung behalten werden, so ist doch Dank der ständigen Verbesserung der technischen
Möglichkeiten heute noch nicht absehbar, welche Veränderungen bei Indikationsstellung und
Ausführung der Eingriffe im Bereich von Rhinobasis und Orbita noch möglich sein werden.
21
Gehörverbessernde Mikrochirurgie - Implantattechnik, Ergebnisse, Zukunftsperspektiven
Univ.-Prof. Dr. med. M. Westhofen
Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde und Plastische Kopf- und Halschirurgie
der RWTH Aachen
Vor dem Hintergrund der Neuentwicklung sublimierter mikrochirurgischer Technologie hat sich
eine deutliche Verbesserung für die mikrootochirurgische Behandlung entzündlicher
Mttelohrerkrankungen sowie degenerativer und kongenitaler Innenohrerkrankungen ergeben. Dies
hat an mikrootochirurgischen Zentren zu einer Erweiterung der Indikationen und zu einer
funktionserhaltenden bzw. funktionswiederherstellenden Mittel- und Innenohrchirurgie geführt.
Die technologische Entwicklung betrifft Biomaterialien für Ossikelinterponate bei
Schalleitungsschwerhörigkeiten mit Kettendestruktion sowie für die Verkleinerung operativ
angelegter Radikalhöhlen um bei chronisch minderventilierten Pauken stabile und rezidivfreie
funktionelle Ergebnisse zu erhalten. Hierzu stehen neben autologen Materialien wie Knorpel und
Perichondrium industriell gefertige Hydroxylapatitgranulate und Ossikel zur Verfügung, die mit
günstigen Preisleistungsverhältnissen funktionell hochwertige Ergebnisse mit geringer Rezidivquote
garantieren. Bei nicht entzündlichen Ohrerkrankungen wie der Stapesankylose haben sich
inzwischen Metallprothesen, z.B. aus Gold durchgesetzt, da hiermit schlanke und mikrochirurgisch
gut zu manipulierende Prothesen zur Verfügung stehen, die mit geringen Abmessungen von bis zu
0,4 mm Durchmesser jetzt bei atypischen Verhältnissen der ovalen Nische siffizierte
Schallübertragung gewährleisten. Die Chirurgie und Rezidivchirurgie an der Stapesfußplatte ist
durch die Erbium-YAG-Laserchirurgie bereichert worden, die eine berührungslose Perforation der
Fußplatte und eine berührungslose Ossikelchirurgie ermöglicht.
Die Entwicklung komplexer elektronischer Innenohrprothesen hat durch Prozessorstrategien mit
hoher Stimulusfrequenz zu einer artifiziellen Reizung der Hörbahn mittels dieser Prothesen gesorgt,
die dem humanen physiologischen Muster nahe kommt. Dadurch ist die prothetische Routine-
Versorgung bei kongenital tauben Kindern möglich, die nach Implantation einen Spracherwerb
beginnen.
Zukünftige Entwicklungen der Otomikrochirurgie gehören vollimplantablen elektronischen
Innenohrprothesen und den middle-ear-Implants, die die operative Behandlung mittelgradiger
Schallempfindungsschwerhörigkeit ermöglichen, in denen ferromagnetische Inlays an die
Ossikelkette fixiert werden, die durch ebenfalls implantierte Induktionsgeber zu einer
schallabhängigen Ossikelbewegung führen. Dadurch ist eine Verstärkung der physiologischen
22
Ossikelbewegung zur Kompensation einer Schallempfindungsschwerhörigkeit möglich. Erste
derartige Prothesen befinden sich in der präklinischen Entwicklungsphase.
Die Otomikrochirurgie hat durch Applikation differenziert eingesetzter Prothesenmaterialien zum
Therapieerfolg bei Hörstörungen geführt. Als letzten Schritt in der Entwicklung operativer Therapie
der Hörstörungen wird derzeit das Mittelohrimplantat entwickelt, daß in Kürze auch an der
Aachener Klinik im Rahmen von klinischen Studien eingesetzt werden wird.
23
Habilitationsanwärter stellen sich vor
15. Oktober 1997
Endokrine Effekte auf zell- und molekularbiologischer Ebene an endometrialen Zellen in
vitro
Dr. rer. nat. I. Claßen-Linke
Lehrstuhl für Anatomie und Reproduktionsbiologie der RWTH Aachen
Ein wichtiger Aspekt in der Reproduktionsmedizin ist die Untersuchung der Zellbiologie des
Endometriums. Ein besseres Verständnis seiner hormonell gesteuerten Regulation ist in der
Sterilitäts-/Fertilitätstherapie von Nutzen, bei der endometrialen Kontrazeption, bei der
Hormonsubstitutionstherapie sowie in der endokrinen Tumortherapie. Könnte man den Anteil des
Endometriums an einer erfolgreichen Implantation aufklären, wäre dies ein Gewinn für die
Verbesserung von Maßnahmen in der Sterilitätstherapie.
Aus diesem Grund wurde ein Zellkultursystem entwickelt, bei dem die humanen endometrialen
Zellen in Stroma- und Epithelzellen getrennt wurden und die Östrogen- und Progesteronwirkung
untersucht werden konnte. Da die zyklische Umwandlung des Endometriums hormonabhängig
gesteuert wird, führt die genaue Analyse letztendlich zur Klärung der Rolle der endometrialen
Rezeptivität bei der Implantation.
Mit besonderem Schwerpunkt wurden die Steroidhormonrezeptoren der Endometriumzellen
untersucht. Da diese auch als Transkriptionsfaktoren aufgefaßt werden können, die sich nach
Bindung mit ihrem Liganden an die DNA anlagern und dort die Transkription spezifischer, d.h.
hormonabhängiger Gene regulieren, stellen sie ein ganz entscheidendes Teilsystem der endokrinen
Steuerung des Endometriums dar. Man unterscheidet zwischen sog. konstitutiven und induzierbaren
bzw. regulierbaren Rezeptoren. Dieser induzierbare bzw. regulierbare Anteil exprimierter
Rezeptoren kann sowohl durch Vermehrung als auch durch Verminderung zur physiologischen
Steuerung der Zellfunktion beitragen. Östrogene induzieren sowohl ihren eigenen Rezeptor wie
auch den Progesteronrezeptor, dagegen wird durch Progesteron der Östrogenrezeptor ebenso
downreguliert, d.h. vermindert wie auch sein eigener Rezeptor.
Dieses Wissen wurde genutzt, um gezielt den Effekt von Östrogen, Medroxyprogesteronacetat
(MPA, als stabiles Progesteronanalogon) und Hormonantagonisten zu ermitteln. Die
Untersuchungen wurden an einem etablierten Zellkultursystem für endometriale Epithelzellen bzw.
Stromazellen durchgeführt.
24
Der Östrogenrezeptor und der Progesteronrezeptor wurden auf der Proteinebene
immunhistochemisch nachgewiesen und die Rezeptor m-RNA mittels nicht-radioaktiver RT-PCR
detektiert.
Es konnte gezeigt werden, daß die Steroidhormonrezeptoren sowohl der Stromazellen als auch der
Epithelzellen in vitro unter dem Einfluß von 10-8 M 17-ß-Östradiol verstärkt exprimiert wurden und
unter dem Einfluß von 10-6 M MPA downreguliert wurden. Verglichen mit der in vivo-Situation
entsprechen die Ergebnisse aus der Epithelzellkultur der physiologischen Änderung während des
menstruellen Zyklus. In der Lutealphase, d.h. der Progesteron-dominierten Phase werden die
Hormonrezeptoren im Drüsenepithel der Funktionalis ebenfalls vermindert.
Somit kann dieses System gezielt eingesetzt werden, um synthetische Hormone bzw.
Hormonantagonisten vor der klinischen Anwendung zu testen.
25
Diagnostischer Stellenwert des intravaskulären Ultraschalls
Dr. med. R. Hoffmann
Medizinische Klinik I der RWTH Aachen
Der intravaskuläre Ultraschall (IVUS) erlaubt eine transmurale Darstellung von Gefäßen. Die ersten
intravaskuläre Ultraschalluntersuchungen an menschlichen Arterien wurden 1988 von Yock und
Mitarbeitern durchgeführt. Das Untersuchungsverfahren gewann rasch großes Interesse, weil es
erstmals eine in vivo Querschnittsabbildungen des gesamten Gefäßes mit der Möglichkeit der
genauen Analyse der Lumenquerschnittsfläche, des Gefäßwandaufbaus und gegebenenfalls der
Plaquezusammensetzung gestattet. Demgegenüber ist die Koronarangiographie als
schattengebendes Verfahren auf eine reine Lumendarstellung des Koronargefäßes begrenzt. Es ist
weder eine Aussage über den Gefäßwandaufbau möglich noch, aufgrund der Abbildung in jeweils
nur einer Ebene, eine räumliche Gefäßdarstellung. Die inzwischen eingetretenen Verbesserungen
der Transducertechnologie mit Einsatz höherer Transducerfrequenzen haben zu einer Bildqualität
geführt, die den intravaskulären Ultraschall zu einer Technik mit bedeutender klinisch
diagnostischer Wertigkeit für den invasiv und interventionell tätigen Kardiologen werden läßt. Zu
den wesentlichen klinischen Einsatzgebieten des intravaskulären Ultraschalls gehört die genaue
quantitative Vermessung des minimalen Lumendurchmessers und der Lumenquerschnittsfläche der
koronaren Läsion. Im Zusammenhang mit einer Vermessung der Referenzlumina wird die exakte
Bestimmung der Schwere einer koronaren Stenose möglich. Weiterhin läßt sich sowohl die
Verteilung des Plaques als exzentrisch oder konzentrisch sowie die Zusammensetzung des Plaques
als weich, fibrös oder verkalkt klassifizieren. Die Erfassung dieser Informationen vor einer
geplanten interventionellen Therapie erlaubt einen gezielteren Einsatz spezifischer
Interventionsmodalitäten für bestimmte Läsionstypen (Rotablatortherapie für verkalkte Plaques,
direktionelle Atherektomie für weiche Plaques etc.) sowie eine genaue Größenwahl des
interventionellen Gerätes entsprechend der Gefäßgröße. Nach stattgefundener koronarer
Intervention läßt sich das Interventionsergebnis sowohl quantitativ als auch qualitativ beurteilen.
Dabei ist über die reine Beurteilung der Lumendimensionen hinaus eine Erfassung von
Dissektionen, intramuralen Hämatomen, sowie bei Einsatz von Stents eine unzureichende
Aufdehnung bzw. Apposition des Stents an die Gefäßwandung möglich. Der intravaskuläre
Ultraschall hat zu einem besseren Verständnis der Wirkungsweise verschiedener interventioneller
Techniken wie auch des Restenosemechanismus nach unterschiedlicher interventioneller Therapie
beigetragen. Durch die Möglichkeit zur exakten Vermessung von Lumen- und Plaquevolumina
26
erscheint er weiterhin als das geeignete Verfahren, um Progression und Regression
arteriosklerotischer Veränderungen unter medikamentöser Therapie genau zu erfassen.
27
Neue Erkenntnisse in der funktionellen Bildgebung bei der zerebralen Mikroangiopathie: Ein
Vergleich mit morphologischen Befunden
Dr. med. O. Sabri
Klinik für Nuklearmedizin der RWTH Aachen
Einleitung: Bei der sogenannten "vaskulären Demenz" wird ein Zusammenhang zwischen
mikroangiopathischen Hirnläsionen und kognitivem Ausfall postuliert. Diese "vaskuläre Demenz"
soll auf einer hypertonen Verschlußkrankheit der kleinen penetrierenden Hirnarterien beruhen, der
sogenannten zerebralen Mikroangiopathie (ZMA), die sich in der Kernspintomographie (KST) als
lakunäre Infarkte (LI) und Deep White Matter Lesions (DWML) manifestiert. Die "vaskuläre
Demenz" wird dabei ursächlich vorrangig auf Läsionen der weißen Substanz zurückgeführt. Es wird
angenommen, daß durch die Mikroangiopathie eine Schädigung des periventrikulären Marklagers
auf dem Boden einer chronischen Perfusionsstörung hervorgerufen wird. Die Verschlußkrankheit
mikroangiopathisch veränderter Gefäße (z.B. der lentikulostriären Arterien und anderer langer
penetrierender Arterien) konnte als wahrscheinliche Ursache lakunärer Infarkte postmortal
histologisch nachgewiesen werden, während dies für die sogenannten Deep White Matter Lesions
noch nicht bewiesen werden konnte.
Fragestellung: Mit vorliegender Untersuchung sollte nun geklärt werden, ob sich bei der ZMA in
der weißen Substanz und/oder im Kortex begleitende Veränderungen von Durchblutung (rCBF) und
Glukosestoffwechsel (rMRG1u) nachweisen bzw. messen lassen.
Methode: Hierzu wurden 57 Patienten mit zerebraler Mikroangiopathie mittels
Kemspintomographie, 18-FDG-PET und 99m-Tc-HMPAO-SPECT untersucht. Für die genaue
Zuordnung funktioneller zu den morphologischen Befunden wurde ein spezielles
Kopfhalterungssystem für PET-, SPECT- und KST-Untersuchungen entwickelt.
Erste Ergebnisse: Das Kopfhalterungssystem ermöglicht eine ausreichend genaue Zuordnung
(maximaler Fehler zwischen verschiedenen Modalitäten < 2 mm, bei gleichen um 1 mm)
funktioneller zu morphologischen Befunden. Patienten mit weniger als vier lakunären Infarkten
(gering ausgeprägte ZMA) im KST wiesen keine signifikant veränderten Werte für rMRGlu und
rCBF in grauer oder weißer Substanz auf im Vergleich zu Patienten mit vier oder mehr LI und
ausgedehnten DWML (schwer ausgeprägte ZMA). Eine semiquantitative Einteilung der Atrophie
(A: keine bis geringfügige innere oder äußere; B: mäßige bis schwere innere und äußere) erbrachte
jedoch für B) im Vergleich zu A) hochsignifikant erniedrigte rCBF- und rMRG1u-Werte in grauer
und weißer Substanz.
28
Schlußfolgerungen: Somit ist bei Patienten mit zerebraler Mikroangiopathie nur die Hirnatrophie,
nicht jedoch die charakteristischen LI und DWML mit einer meßbaren Erniedrigung von rCBF und
rMRGlu korreliert. Da also eine Atrophie von reduzierten Fluß- und Stoffwechselwerten begleitet
ist, muß in Studien an dieser Klientel stets eine eventuelle Hirnatrophie mitberücksichtigt werden,
was in den bisher vorliegenden Studien nicht der Fall war. Insofern ist auch die oft herangezogene
Diaschisishypothese als Erklärung für reduzierte Fluß- und Stoffwechselraten in der grauen
Substanz von Patienten mit zerebraler Mikroangiopathie (Diskonnektion von zerebralem Kortex
und subkortikalen Strukturen), nur dann zu vertreten, wenn vorher Atrophieeffekte in den
gemessenen Regionen ausgeschlossen wurden. Auch vor der Bestätigung der beschriebenen
Minderperfusion der weißen Substanz müssen zuerst innere Atrophien (Ventrikeldilatation u.ä.)
ausgeschlossen werden.
Weiterer Arbeitsplan: Alle Patienten der vorliegenden Studie wurden zusätzlich einer sorgfältigen
klinischen Untersuchung und extensiven neuropsychologischen Testung unterzogen. Die Ergebnisse
werden zur Zeit mit den hier dargestellten Daten korreliert.
29
Die Filterfunktion der glomerulären Basalmembran (GBM) und ihre Störung im Rahmen der
Ischämie/Reperfusion nach Nierentransplantation
Dr. med. I. Stefanidis
Medizinische Klinik II der RWTH Aachen
Die Trenneigenschaften des glomerulären Filters gegenüber den Serum-Proteinen ergeben sich aus
zwei Eigenschaften dieses Filters, der Selektivität nach der Größe der Moleküle und nach ihrer
elektrischen Ladung. Die Größenselektivität wird bestimmt durch das Kollagengerüst der GBM,
insbesondere der Lamina densa, die vor allem aus Kollagen Typ IV besteht. Die Ladungsselektivität
basiert auf fixe negative Ladungen (Polyanione) des glomerulären Filters, die einerseits in Form von
sialinsäurehaltigen Glycoproteinen um die endotheliale und epitheliale Zellmembran (Glykokalix)
und andererseits in Form von Glucosaminoglykanen (Perlecan) in der Lamina rara interna der GBM
erscheinen. Der Verlust dieser negativen Ladungen z.B. im Rahmen von Nephropathien führt zu
einer Störung der selektiven glomerulären Permeabilität und zu einer Proteinurie. Wir haben neulich
aus humaner Aorta und Nieren ein neues, niedermolekulares Heparansulfat-Proteoglykan (HSPG)
isoliert und charakterisiert. Dieses kleine HSPG befindet sich hauptsächlich in der GBM, es
unterscheidet sich, wie die partielle Aminosäuren Sequenzierung zeigte, vom großen Heparansulfat
der GBM (Perlecan) und wird im Gegensatz dazu im Urin ausgeschieden.
In einer Untersuchung an Patienten mit Primärfunktion nach Nierentransplantation wurde der
Einfluß der Ischämie/Reperfusion auf dem glomerulären Filterapparat und insbesondere auf die
Proteoglykane der Basalmembran analysiert. Es wurde geprüft ob die Urinexkretionsrate (UE) des
HSPG mit der Permeabilität der GBM in Zusammenhang steht.
Bei 8 Patienten (47 ± 9 Jahre) mit Primärfunktion nach Nierentransplantation (kalte Ischämiezeit
13,7 ± 8,5 h; Anastomosezeit 35 ± 1 min) wurde die UE des HSPG, des Gesamtproteins, des
Albumins, sowie der niedermolekularen (α1-mikroglobulin, β2-mikroglobulin) und
hochmolekularen Proteinen (Transferrin, 1gG, α2-makroglobulin) im stündlichen Intervall nach der
vaskulären Anastomose des Transplantats quantitativ und gel-elektrophoretisch (SDS-PAGE)
analysiert.
Unmittelbar nach der Nierentransplantation wurde eine massive Proteinurie mit einer max. UE von
7,20 ± 0,63 g/mmol Kreatinin beobachtet. die sich nach 24 h zurückbildete (0,32 ± 0,23 g/mmol
Kreatinin). Die UE von HSPG war erhöht in dieser initialen Reperfusionsphase (bis 7 h) am ehesten
im Rahmen der Ischämie/Reperfusion bedingten Schädigung der GBM. Die gel-elektrophoretische
Auftrennung der Urinproteine zeigte innerhalb von 24 - 48 h einen Übergang von einer schweren
30
unselektiv glomerulären und tubulären Proteinurie in eine gering ausgeprägte selektiv glomeruläre
und tubuläre Proteinurie. In dieser zweiten Phase (7 - 48 h) wurde eine reduzierte UE von HSPG
beobachtet (0,0765 ± 0,0886 mg/mmol Kreatinin vs. 0,0226 ± 0,0207 mg/mmol Kreatinin, p <
0,05). Im Rahmen des Reparaturprozesses der GBM kommt es zu einer de novo Synthese des HSPG
mit einer Anreicherung der GBM mit HSPG. In der dritten Phase, während sich der Gehalt der
GBM an HSPG normalisiert hatte, bestand bei keinem der Patienten mehr eine glomeruläre
Proteinurie.
Diese Ergebnisse weisen daraufhin, daß das kleine HSPG eine wichtige Rolle bei der Regeneration
des Heparansulfats der GBM spielt. Die reduzierte de novo Synthese von HSPG während der
Ischämie- und Reperfusionsphase führt zu einer Abnahme des kleinen HSPG in der GBM.
Unmittelbar nach Nierentransplantation wird dann eine Störung der glomerulären Permeabilität und
die damit verbundene schwere glomeruläre Proteinurie beobachtet.
31
Prinzipien des Lasereinsatzes in der Zahnmedizin
Dr. med. dent. P. Wilder-Smith
Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und präventive Zahnheilkunde der RWTH Aachen
Aus der Vielfalt der Gewebesorten im Oralbereich ergibt sich das Potential für diverse
Laseranwendungsmöglichkeiten - und für zahlreiche Nebenwirkungen.
Laserauswirkungen sind mit vielen Faktoren verbunden - vor allem mit den jeweiligen
Lasereigenschaften und Gewebeeigenschaften. Aus den Interaktionen zwischen diesen
Hauptdeterminanten ergeben sich die endgültigen Lasereffekte am Zielgewebe.
Laserwellenlängen, welche durch die Hauptkomponenten der oralen Hartgewebe, wie z.B.
Hydroxylapatit, Kollagen oder Wasser, gut absorbiert werden, können potentiell effektive Ablation
oder Modifizierung der Zielgewebe vermitteln. Laserwellenlängen, welche vom Wasser stark
absorbiert werden, sind in Weichgeweben sehr effektiv.
Untesuchungen zur Laseranwendung im Oralbereich müssen zusätzliche Kollateraleffekte in
angrenzenden Geweben eruieren, da strikte thermische, histologische und morphologische
Sicherheitsgrenzen im Interesse der klinischen Sicherheit nicht überschritten werden dürfen.
Im 1. Teil dieser Forschung wurde die Anwendung der Laserstrahlung zur Hartgewebeabtragung
und -modifizierung untersucht. Geeignete Laserwellenlängen und -parameter zur Abtragung und
Oberflächenmodifizierung des Wurzelkanaldentins wurden eruiert. Zusätzlich wurden thermische
und morphologische Effekte in kollateralen Geweben dokumentiert, um die klinische Sicherheit
dieser Verfahren festzustellen.
Bei geeigneten Parameterkombinationen können mehrere Laserwellenlängen effektive
Wurzelkanalaufbereitung erreichen. Substanzabtragung war am effektivsten bei Wellenlängen, die
stark durch Komponenten des Wurzelkanaldentins absorbiert werden: der CO2 Laser bei 9,3 µm,
der Free Electron Laser bei 6450 nm, oder, in geringerem Maße, die Excimer Laser. Thermische
Untersuchungen bestätigen, daß effektive Wurzelkanalaufbereitung mit diesen Lasern bei
geeigneten Parameterkombinationen möglich ist, ohne Überschreitung der strikten dentalen
thermischen Sicherheitsgrenzen, wobei die Anwendung eines Luft/Wassersprays bei dem CO2 Laser
erforderlich ist. Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen wiesen laserinduzierte, für die
Interaktion mit Füllungsmaterialien gut geeignete morphologische
Dentinoberflächenmodifikationen auf.
Der 2. Teil meiner Arbeit befaßte sich mit lokalisierter Laserpulpenchirurgie als Alternative zur
konventionellen Wurzelkanalbehandlung. Thermische und histologische Untersuchungen an
32
extrahierten Zähnen identifizierten sichere und effektive Laserparameter, welche dann in in vivo
Studien und Labortieren und Veterinärpatienten angewendet wurden. Klinische, radiologische und
histologische Ergebnisse über bis zu einem Jahr erwiesen die Effektivität und Sicherheit der
Laserpulpenchirurgie bei definierten klinischen Verhältnissen mit dem CO2 Laser bei 9,3 µm.
33
Onkologie (Teil I)
04. November 1997
Entwicklung einheitlicher Therapiestrategien in der pädiatrischen Onkologie am Beispiel des
Nasopharynxkarzinoms
Dr. med. R. Mertens
Kinderklinik der RWTH Aachen
Die Gesellschaft für pädiatrische Onkologie e.V. (GPO) wurde unter der Beteiligung der
Disziplinen: Pathologen, Kinderchirurgen, Neurochirurgen, Urologen, Radiologen im Juni 1973 mit
dem Ziel gegründet, nach gemeinsamen diagnostischen und therapeutischen Plänen zu handeln.
Bereits im Jahr 1967 wurden die ersten Therapiestudien für die Behandlung verschiedener maligner
Tumoren und akuter lymphatischer Leukämie durchgeführt. Die erste prospektive Therapiestudie
für die ALL konnte dann 1971/72 in enger Anlehnung an die in Memphis (USA) von Pinkel und
Mitarbeitern begonnene Therapie-Studie VII auf der Basis einer jetzt bereits mehrjährigen
Erfahrung in bundesweiter Zusammenarbeit aufgenommen werden. Die von Landbeck und
Mitarbeitern 1977 zitierten rezidivfreien Überlebensraten bei malignen Tumorerkrankungen im
Kindesalter zeigten bereits damals mit Raten zwischen 40 und 50% erfreuliche Ergebnisse. Es
erfolgte das Prinzip einer dezentralisierten Behandlung nach einheitlichen Therapieplänen. Bei einer
Inzidenz von 12-14 Malignomen/100.000 Kindern, die nach einheitlichen Therapieplänen behandelt
wurden, konnten rasch wichtige Daten über den Behandlungserfolg und die Effektivität der
Therapien gesammelt werden. An den Beispielen der M. Hodgkin-, Osteosarkom- und
Wilmstumorstudie soll die Effizienz der Behandlungen durch die enge Kooperation erläutert
werden. Änderung der Therapiemodalität z.B. neoadjuvante Chemotherapie im Falle des
Osteosarkoms führte zur Verbesserung der Operabilität und unter ästhetischen, ethischen sowie
funktionellen Aspekten zu einem Gewinn für die päd.onkologischen Patienten. Durch die
präoperative Chemotherapie wurde beim Wilmstumor eine Reduktion der Therapiedauer und
summarisch eine Verminderung der Zytostatikamenge mit ausgezeichneten Heilungschancen
erreicht. Beim M. Hodgkin erfolgte eine höhere Gewichtung der Chemotherapie gegenüber der
Bestrahlung, so daß im neuen Protokoll HD-95 nach Erlangen einer Remission auf die Bestrahlung
verzichtet wird. In einer Pilotphase (1982-85) konnte anhand einer kleinen Fallzahl von
Nasopharynxkarzinom-Patienten die Wirksamkeit von Interferon-β nachgewiesen werden. Eine
Therapiestudie dieses seltenen, EBV-assozierten Tumors bestand nicht. Da das NPC ein sehr
34
aggressives Wachstum aufweist und frühzeitig metastasiert, wurde die Studie NPC-91 konzepiert,
um die Heilungschancen junger NPC-Patienten, besonders bei denen in den prognostisch
ungünstigen Stadien durch eine kombinierte Behandlung zu verbessern. Von den 31
Studienpatienten befanden 30 sich in den prognostisch ungünstigen Stadien III und IV, nur ein
Patient im Stadium II. Die 30 Patienten erhielten neoadjuvant 3 Blöcke Chemotherapie:
Methotrexat 120 mg/m², d 1, Cisplatin 100 mg/m², d 1, 5-Fluorouracil 1000 mg/m²/d, d 2-7. Im
Anschluß an die Bestrahlung wurde allen Patienten rekombinantes Interferon-β (Fa. Rentschler
Laupheim) in einer Dosierung von 105 U/kg über 6 Monate verabreicht. 29 Patienten befinden sich
in erster anhaltender Remission mit einer mittleren Beobachtungszeit von 36 Monaten, was einer
Remissionsrate von 93% entspricht.
35
Bevölkerungsbezogene Daten zur Versorgungsqualität bei Patientinnen mit Mammakarzinom
Feldstudie "Mammakarzinom"
Dr. med. B. Rackl,
S. Markus-Sellhaus, C. Goecke, C. Mittermayer
Institut für Pathologie der RWTH Aachen/Tumorzentrum Aachen e.V.
Einleitung: Seit August 1995 wird in der Region Aachen die vom Bundesministerium für
Gesundheit geförderte Feldstudie zur Versorgungsqualität und Lebensqualität bei Patientinnen mit
einem Mammakarzinom durchgeführt. Diese Studie ist Teil eines Programms, das zu dieser
Diagnose auch in den Regionen Jena, Marburg und München durchgeführt wird. Alle neuen
Erkrankungsfälle werden prospektiv über vier Jahre dokumentiert mit Angaben zur Histopathologie
des Tumors, zur Therapie, Epidemiologie und zur Lebensqualität der Patientinnen.
Methode: In Aachen wird die Feldstudie im Einzugsbereich des Tumorzentrums mit etwa einer
Million Einwohnern durchgeführt. Die Tumordokumentation wird von den behandelnden Ärzten
erstellt und im Studienzentrum abgeglichen.
Ergebnisse: Von August 1995 bis Oktober 1997 wurden in Aachen 1040 Patientinnen mit einem
neu aufgetretenen Mammakarzinom von den behandelnden Ärzten gemeldet. Ergänzt durch die vier
Pathologischen Institute der Region ergibt sich für das Jahr 1996 in Aachen eine rohe Inzidenzrate
von 127,5 Neuerkrankungen (Europastandardinzidenz ESR 105,0) bei 100.000 Frauen und in
München 129,6 Neuerkrankungen (ESR 101,3). Diese Zahlen übersteigen deutlich die zuletzt
verfügbaren Daten aus dem Saarländischen Krebsregister für 1993 mit 102,4 Fällen (ESR 78,3). Im
Vergleich mit den Regionen Jena, Marburg und München weist Aachen einen höheren Anteil von
fortgeschrittenen Tumorstadien bei Diagnosestellung auf. Dies schlägt sich mit einem geringeren
Anteil an pT2-Tumoren, insbesondere pT1c (25% versus ca. 35%) nieder sowie einem erhöhten
Anteil an pT2 (42% versus ca. 32%) und pT4 (12% versus ca. 6%). Weiterhin zeigt sich, daß beim
operativen Vorgehen in Aachen und Jena immer noch die Ablatio dominiert und in ca. 58%
durchgeführt wird, wohingegen in München die Verhältnisse umgekehrt sind mit 58%
brusterhaltenden Operationen.
Schlußfolgerung: Die Versorgungsqualität beim Mammakarzinom weist Unterschiede zwischen den
untersuchten Regionen in Deutschland auf, die insbesondere die Verteilung der Tumorstadien bei
Diagnosestellung und das operative Vorgehen betreffen.
36
Der Wert der gesetzlichen Früherkennung und der Nachsorge bei kolorektalen Karzinomen
Dr. med. A. Spelsberg, S.M.
Tumorzentrum Aachen e.V.
Die Qualität der onkologischen Versorgung und die Prognose tumorkranker Menschen wird
beeinflußt durch das Stadium der Erkrankung bei Diagnose. Umstritten ist jedoch derzeit, ob die im
deutschen Gesundheitssystem angebotenen Früherkennungsuntersuchungen zur Verbesserung der
Versorgung beitragen. Ebenso umstritten ist, ob die zahlreichen apparativen Untersuchungen in der
Tumornachsorge für den Verlauf der Tumorerkrankung und die Lebensqualität der Betroffenen
einen Nutzen bringt. Das seit 1988 bestehende Tumorzentrum Aachen e.V., ein Zusammenschluß
der niedergelassenen Ärzteschaft, der Krankenhäuser und der Universitätsklinik im
Versorgungsbereich 7 mit ca. 1,05 Millionen Einwohnern, registriert ca. 3100 bösartige
Neuerkrankungen pro Jahr, davon 450 kolorektale Karzinome. Damit liegt die Meldevollständigkeit
für diese Tumoren im Vergleich zum Krebsregister Saarland zwischen 75 und 80% der geschätzten
Inzidenz. Die altersspezifischen Inzidenzen deuten auf Erfassungslücken in den Altersgruppen über
80 Jahre hin. Aus der Analyse der zwischen dem 01.01.1991 und 31.12.1995 diagnostizierten und
im Tumorzentrum Aachen e.V. erfaßten Kolon- und Rektumkarzinome (N=2108) geht hervor, daß
nur 3,2% der Fälle (N=67) im Rahmen der gesetzliche Früherkennung entdeckt wurden. Im
Vergleich zu den übrigen waren die Tumorstadien in der Früherkennungsgruppe deutlich besser:
über 73% der Tumoren befanden sich im Stadium Duke A oder B bei Diagnose (in der
Vergleichsgruppe waren dies nur 48,6% (p=0,01). Bei einer mittlere Dauer des Follow-Up von 3
Jahren lag die Überlebenswahrscheinlichkeit der Früherkennungsgruppe bei 75%, für die übrigen
Erkrankungen war diese nur 48% (p=0,0001). Als weitere wichtige Prognosefaktoren in der
Survivalanalyse wurden das Stadium bei Diagnose (nach Duke), Alter (in Jahren), Geschlecht,
histologische Grading, Auftreten eines Rezidivs und die regelmäßige Nachsorge identifiziert.
Patienten, die sich in Abständen unter einem Jahr untersuchen ließen, hatten eine deutlich höhere
Überlebenwahrscheinlichkeit als Patienten, die a) entweder gar nicht oder b) in größeren Abständen
nachgesorgt wurden. Eine multivariate Cox’sche Regressionsanalyse zeigte eine um 70% höhere
Überlebenswahrscheinlichkeit für die regelmäßig nachgesorgte Gruppe, eine Beobachtung, die der
weiteren Abklärung bedarf. Bevölkerungsbezogene Daten sollten als Basis für eine
wissenschaftliche Diskussion um Früherkennung und Nachsorge herangezogen werden.
Tumorzentren und onkologische Schwerpunkte können hierzu die erforderlichen Informationen
liefern, da sie flächendeckend sowohl die ambulante als auch stationäre onkologische Versorgung
37
begleiten. Die im Vergleich zu den anderweitig diagnostizierten kolorektalen Tumoren um 60%
verbesserte Prognose der Früherkennungsgruppe (p=0,002), unabhängig vom Tumorstadium und
anderen prognostischen Faktoren, zeigt, daß Früherkennung wesentlich zur Steigerung der
Versorgungsqualität und des Behandlungserfolges beiträgt. Randomisierte klinische Studien sind
notwendig, um das beste Screeningverfahren und die damit möglichen Verbesserungen im Outcome
zu identifizieren. Die zu überwindenden Probleme in der Akzeptanz eines zuverlässigen Tests (z.B.
Sigmoidoskopie in Kombination mit Hämokkult-Test), sowie die damit verbundenen Kosten und
erwarteten Nutzen müssen sorgfältig abgewogen werden. Die Daten des Tumorzentrum Aachen
e.V. fordern dazu auf, effektive Früherkennungsprogramme auch in Deutschland flächendeckend zu
erproben.
38
Die Klinik für Orthopädie stellt sich vor
02. Dezember 1997
Entwicklung eines optimalen Knochenersatzmaterials
Dr. Dr. med. C. Kasperk
Orthopädische Klinik der RWTH Aachen
Der Ersatz des Knochengewebes durch ein biokompatibles Ersatzmaterial ist bei vielen Indikationen
in der orthopädischen Chirurgie erforderlich. Ein optimales Knochenersatzmaterial sollte
unbegrenzt verfügbar und einfach zu applizieren sein, initial eine möglichst große biomechanische
Belastbarkeit aufweisen, keinen Zweiteingriff erfordern, den biologischen Knochenheilungsprozeß
begünstigen und langfristig im Rahmen des physiologischen Remodeling durch normales
Knochengewebe substituierbar sein. Um diesen Zielvorgaben bei der Entwicklung eines optimalen
Knochenersatzes möglichst nahe zu kommen, müssen materialwissenschaftliche Kenntnisse über
geeignete anorganische und organische Trägermaterialien zusammen mit den biologischen
Vorgängen bei der Knochenheilung und Regulation des Knochenzellstoffwechsels berücksichtigt
und ausgenutzt werden. Die Grundsubstanz und deren Oberflächeneigenschaften des
Trägermaterials determinieren Biokompatibilität, die biomechanische Stabilität und
Substituierbarkeit des Knochenersatzmateriales, während biologisch aktive Peptide den bei der
Knochenbildung entscheidenden Knochenzellstoffwechsel und die Vaskularisation des
Implantatbettes und möglichst auch des Implantates regulieren. Der lokale Knochenzellstoffwechsel
wird durch systemisch wirksame Steroide moduliert, so daß auch diese "endokrine
Sollwerteinstellung" des Gleichgewichtes zwischen Knochenan- und -abbau bei operativen
Eingriffen mit Verwendung von Knochenersatzmaterialien berücksichtigt werden sollte. Auf der
Grundlage dieser materialwissenschaftlichen und Knochenstoffwechsel-physiologischen Aspekte
wird ein Konzept zur Entwicklung eines optimalen Knochenersatzmateriales vorgestellt.
39
Die Kallusdistraktion zur Korrektur von Längendifferenzen und Deformitäten an der
unteren Extremität
Dr. med. M. Weber
Orthopädische Klinik der RWTH Aachen
Die Bezeichnung Kallusdistraktion beschreibt eine Technik, mit der es möglich ist selbst komplexe
Deformitäten und Längendifferenzen an den Extremitäten zu korrigieren. Hierbei wird der Knochen
an gewünschter Stelle durchtrennt und die Blutergußbildung (Kallus) für einige Tage abgewartet.
Die besondere Eigenschaft des Kallus besteht darin, daß er anfänglich dehnbar ist. Mit Hilfe eines
außen an der Gliedmaße angebrachten Fixateurs, welcher über Drähte oder Schrauben den Knochen
durch die Weichteile hindurch fixiert, ist es möglich diesen Kallus zu dehnen. Durch diesen
Dehnungsreiz wird sämtliches Gewebe (Nerven, Muskeln, Sehnen, Bänder etc.) zum Wachstum
(ähnlich wie in der Kindheit) angeregt. Durch die Plastizität des Kallus können Verkrümmungen
und Verkürzungen der Knochen ausgeglichen werden. Verlängert wird in der Regel durch
viermaliges Drehen an entsprechenden Muttern um 1 Millimeter pro Tag. Ist die gewünschte
Verlängerungsstrecke erreicht, so bildet sich der Kallus im Laufe der Zeit in normalen Knochen um.
Anhand von fünf Beispielen komplexer Beinfehlbildungen und -defekten erworbener und
kongenitaler Genese mit Achsenfehlern und Längendefekten werden die Möglichkeiten der
Kallusdistraktion aufgezeigt. Vier der Patienten waren bisher nur mit aufwendiger
orthoprothetischer Versorgung gehfähig. Ein Patient stand kurz vor der Unterschenkelamputation.
Die Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, daß die Technik der Kallusdistraktion mittels Ringfixateur
hervorragend geeignet ist nach sorgfältiger praeoperativer Planung und Durchführung, selbst
komplexe Beinfehlbildungen unterschiedlichster Genese, zu korrigieren. Aufwendige
orthoprothetische Versorgungen werden hiermit lebenslang überflüssig. Amputationen können
abgewendet werden.
40
Muskuläre Dysbalancen beim Sportler - Vorbeugung und Behandlung
Dr. med. O. Miltner
Orthopädische Klinik der RWTH Aachen
Durch verschiedene pathogenetische Faktoren für das Stütz- und Bewegungssystem, durch
Zwangshaltungen bei der Arbeit, beim Sport usw. sowie durch noch nicht vollständig geklärte
Einflüsse der phylogenetischen Entwicklung des Menschen zur aufrechten Haltung haben sich
muskuläre Dysbalancen entwickelt, die eine gestörte Gelenkfunktion hervorrufen und zu gestörten
Stereotypen des Bewegungsablaufs führen können. Das Arthron besteht aus dem passiv bewegtem
Gelenk und der aktiv bewegenden Muskulatur und der steuernden nervalen Versorgung.
Veränderungen dieser funktionellen Einheit werden als Störungen im statisch und/oder dynamisch
motorischen Stereotyp bezeichnet. Sie können sowohl das optimale Zusammenwirken einzelner
Muskelgruppen an einer Bewegung als auch die zeitliche Abfolge der Kontraktionen der einzelnen
Muskelgruppen betreffen.
Die muskuläre Dysbalance ist definiert als Ungleichgewicht zwischen der tonischen und der
phasischen Muskulatur: Die tonischen Muskeln sind bei erhaltener Kraft verkürzt und die
phasischen Antagonisten und Synergisten weisen bei normaler Länge eine Abschwächung auf
Muskuläre Dysbalancen können zu Schmerzen, strukturelle Schäden (Tendinosen,
Muskelverletzungen, Gelenkstörungen z.B. Schwimmerschulter), einer Leistungslimitierung im
Hinblick auf die Sportausübung oder zu einer Kombination aus allem führen.
Zu Beginn der Beurteilung einer muskulären Dysbalance sollte eine Analyse des
sportartspezifischen Belastungsmusters durchgeführt werden. Anschließend beginnt ein abgestufter
Diagnostikplan. Diagnostikstufe 1: die klinisch orthopädische Untersuchung mit der Abklärung
struktureller, funktionell artikulärer oder periartikulärer Störungen (aktive und passive Techniken).
Diagnostikstufe 2: Maschinelle Meß-/Analyseverfahren (Isokinetisches Meßverfahren,
Laufbandanalyse, EMG-Analyse, Gang-/Bewegungsanalyse).
Anhand der gewonnen Daten können individuelle und sportartspezifische Konzepte zur Prävention
und Behandlung von muskulären Dysbalancen entwickelt werden.
Hierbei stehen spezifische Muskeldehnungsprogramme, allgemeine Krafttrainingskonzepte,
koordinationsverbessernde Maßnahmen und orthopädietechnische Hilfsmittel im Vordergrund.
41
Management zur Verbesserung von Gangstörungen bei der infantilen Zerebralparese
Dr. med. E. B. Zwick
Orthopädische Klinik der RWTH Aachen
Etwa drei von tausend Kindern sind durch frühkindliche Hirnschäden spastisch gelähmt. Durch
intensive Frühförderung erlangen beinahe alle Kinder mit spastischer Hemiparese, und 90% der
Kinder mit spastischer Diparese eine Gehfähigkeit innerhalb der ersten sieben Lebensjahre. Durch
eine verzögerte Reifung der Bewegungs- und Gangfunktionen, Spastik der betroffenen Muskulatur
und eine pathologische Aktivierung der Muskulatur bei Willkürbewegungen erfordern die erreichten
Gangbilder einen erhöhten Energieaufwand. Der Gang ist optisch auffällig, und zeichnet sich durch
große Belastungen der Gelenke der unteren Extremität aus. Ziele des orthopädischen Managements
gehfähiger, spastisch Gelähmter sind die Vermeidung von Überlastungsschäden und der Erhalt der
Gehfähigkeit.
Neben der krankengymnastischen Förderung neurophysiologischer Reifungsprozesse müssen dazu
die mechanischen Voraussetzungen optimiert werden, um trotz einer gestörten zentralnervösen
Ansteuerung eine ökonomische Fortbewegung zuzulassen. Werkzeuge orthopädischer Intervention
sind dazu redressierende Gipsverbände, Schienen, orthopädische Schuhe, Botulinum Toxin A sowie
die operative Therapie. Operative Maßnahmen konzentrieren sich auf die Korrektur knöcherner
Deformitäten, die Verlängerung verkürzter Muskulatur und die Versetzung einzelner Muskeln.
Durch die gezielte Änderung der Wirkung einzelner Muskeln auf benachbarte Gelenke kann eine
primär hinderliche Muskelaktivierung zu einem normalen Bewegungsablauf beitragen. Eine solche
funktionsverbessernde operative Therapie von Gangstörungen setzt ein interdisziplinäres
Behandlerteam voraus. Durch die Zusammenarbeit von Pädiatern, Neurologen, Orthopäden,
Physiotherapeuten, Schuhmachern und Orthopädietechnikern kann der optimale Zeitpunkt für ein
therapeutisches Vorgehen festgelegt, die intensive stationäre Behandlung vorbereitet, und die
anschließende Rehabilitationsphase organisiert und überwacht werden.
Der Einsatz moderner Ganganalyse-Systeme erlaubt die Quantifizierung von Gangbildern spastisch
Gelähmter. Hierdurch bietet sich die Möglichkeit einer objektiven Dokumentation von
Entwicklungsschritten und Therapieergebnissen.
42
Die Augenklinik stellt sich vor
13. Januar 1998
Kombinierte Glaukom-Kataraktoperationen
Priv.-Doz. Dr. med. M. Wenzel
Augenklinik der RWTH Aachen
In Deutschland werden jährlich um die 400.000 Katarakt- und 30.000 Glaukom-Operationen
durchgeführt. Etwa 10.000 davon sind kombinierte Operationen. Bisher wurden fistulierende
Operationen unter die Bindehaut favorisiert. In mehreren großen Operationszentren fand in den
letzten Jahren eine gewisse Trendwendung hin zur Trabekulotomie statt, bei der der Abfluß durch
den Schlemmschen Kanal wieder ermöglicht wird. Wir haben eine Modifikation der
Operationstechnik entwickelt, die es ermöglicht, die Vorteile der Trabekulotomie mit denen der
Phakoemulsifikation und anschließenden Implantation von Linsen jeder Größe zu kombinieren:
1. Die korneosklerale Region wird nach Frown präpariert.
2. Das Deckelchen über dem Schlemm'schen Kanal wird nach hinten und nicht, wie bisher üblich,
nach vorne präpariert Dabei ist eine besonders tiefe Präparation möglich, die das Auffinden des
Schlemm sehr erleichtert. Der corneale Einschnitt in die Vorderkammer zur Phakoemulsifikation
ist damit unabhängig von der rückwärtigen Fixation des Deckels. Die Stabilität des "Tunnel"-
Ventils ist durch den cornealen Teil des Operationssitus gewährleistet, die Glaukomoperation
wird im skleralen Anteil des Situs durchgeführt.
3. Das Einschwenken der Trabekulotomiesonde wird nach dem Tiefstellen der Vorderkammer mit
Viskoelastikum durch das Gegenhalten einer Infusionskanüle kontrolliert.
4. Der Wundverschluß erfolgt durch resorbierbare Vicryl 10 × 0-Fäden.
43
Hornhautkultivierung und Hornhauttransplantation
Priv.-Doz. Dr. med. C. Redbrake-Adams
Augenklinik der RWTH Aachen
Neben Cataract und Glaukom gehören Veränderungen der Hornhaut zu den häufigsten
Erkrankungen des vorderen Augenabschnittes. In vielen Fällen kann den Patienten nur durch die
Transplantation einer gesunden Hornhaut geholfen werden.
Diese Hornhäute können vor der Transplantation bis zu 6 Wochen in der Organkultur gelagert
werden.
Der Vortrag wird zunächst über die Spendergewinnung durch die Hornhautbank Aachen berichten
und das praktische Vorgehen bei der Lagerung der Hornhäute erläutern. Darüber hinaus wird über
die mit der Hornhautbank verbundene Forschung hier insbesondere die Erarbeitung eines
vollsynthetischen Mediums kurz berichtet.
Im klinisch orientierten Teil wird der Stand der Technik bei der Keratoplastik demonstriert: Die
klinischen Ergebnisse nach Lagerung in einem neuen entquellenden Lagerungsmedium mit HES
130 werden dargestellt.
44
Das vaskuläre Konzept in der glaukomatösen Glaukomtherapie
Dr. med. O. Arend
Augenklinik der RWTH Aachen
Die Pathogenese der glaukomatösen Optikusatrophie ist Gegenstand unterschiedlicher Konzepte.
Augendruckerhöhungen wie auch verschiedenste lokale und systemische Zirkulationsparameter
können in der Diagnostik aufgedeckt werden.
Diagnostische Ansätze bezogen bisher neben dem Augendruck, Papillenveränderungen und die
Gesichtsfelduntersuchung mit ein. Neben der konventionellen Perimetrie können neue
psychophysische Verfahren wie die Kontrastempfindlichkeit und die blau-gelb Perimetrie eingesetzt
werden. Zirkulationsmessungen der retinalen und super-fizialen Sehnervenanteile können mittels
Scanning Laser Fluoreszein Angiographie durchgeführt werden, um das Ausmaß einer
glaukomatösen ischämischen Optikopathie oder retinalen Zirkulationsstörung zu dokumentieren.
Blutdruckmessungen und deren Korrelation mit Augendruckwerten liefern eine weitere
Einflußgröße. Dieses komplexe diagnostische Konzept berücksichtigt erst zu geringem Maße eine
Bestimmung des Gefäßwiderstandes. Gefäßwiderstandserhöhungen können entweder durch
Kapillaruntergänge oder eine Vasospastik bedingt sein. Um Patienten mit einer Vasospastik zu
identifizieren, müssen Konzepte einer Vasoreaktivitätstestung entwickelt werden. Mögliche
Testsysteme schließen eine CO2 Provokation und das Monitoring der Reaktivität z.B. mittels
Fluoreszein Angiographie, Farbduplexsonographie oder psychophysischen Tests ein.
Dieses komplexe Bild ermöglicht dann die Einflußnahme auf verschiedenste Stellgrößen im
Krankheitsbild des Glaukoms. Augendrucksenkende Therapeutika müssen ebenso auf potentielle
zirkulatorische Aspekte geprüft werden, als auch neue Wege zur Zirkulationsverbesserung gegangen
werden. Derzeitige Ansätze schließen Calciumanatagonisten ein, die über eine Vasodilatation zur
Zirkulationsverbesserung beitragen können.
45
Operative Möglichkeiten der Schielbehandlung
Dr. med. F. Kaszli
Augenklinik der RWTH Aachen
Kongenitale Schielformen, erworbener Strabismus im Zusammenhang mit anderen
ophthalmologischen Erkrankungen, Paresen der geraden und/oder schrägen Augenmuskeln, lassen
sich durch standardisierte operative Maßnahmen behandeln. Betrachtet man die heterogene Gruppe
der Strabismen, so kann für die Gesamtheit der verschieden Schielformen in 80 bis 90% ein
befriedigendes Ergebnis durch gezielte operative Maßnahmen erreicht werden. Die operative
Korrektur eines manifesten Schielwinkels stellt in erster Linie eine funktionelle Rehabilitation dar.
Ziel einer operativen Maßnahme ist die Wiederherstellung der Binokularität bei Paresen sowie die
Schaffung von jenen Voraussetzungen, welche Binokularität zulassen (Mikrostrabismus mit
Binokularfunktionen). Stets geht in das therapeutische Konzept die Prüfung der Binokularfunktion
ein. Anomalien der Netzhautkorrespondenz müssen bei der Indikationsstellung berücksichtigt
werden. Die Wahl des richtigen Operationszeitpunktes stellt insbesondere beim Krankheitsbild des
"frühkindlichen Innenschielens" ein noch mit Unsicherheiten behaftetes Problem dar. Eine
multizentrische europäische Studie wird hierzu Anfang des nächsten Jahrhunderts Auskunft geben.
Horizontale Schielformen werden in der Regel durch die Rücklagerung eines Muskels und Faltung
(Resektion) des Antagonisten behandelt. Transpositionen werden insbesondere bei Paralysen
eingesetzt. Ein Beispiel für eine solche Transposition stellt die Hummelsheim-Operation bei
Abduzensparalyse dar. Die retroäquatoriale Myopexie (Fadenoperation) nach Cüppers hat beim
Vorliegen einer Esotropie mit Konvergenzexzess und schwankendem Schielwinkel die Behandlung
dieses Krankheitsbildes revolutioniert. Mit dieser operativen Technik ist ebenfalls die Behandlung
einer dissoziierten Vertikaldivergenz möglich. Eingriffe an den schrägen Augenmuskeln werden
nötig bei A- und V-Inkomitanzen, beim Strabismus sursoadductorius und beim Strabismus
deorsoadductorius. Hier kann durch die gezielte Vorderrand- und Hinterrandchirurgie die
zyklorotatorische Störung des Bulbus gebessert werden. Nystagmusberuhigende Operationen
müssen häufiger an beiden Augen durchgeführt werden. Die artifizielle Divergenz, die
Kestenbaumoperation und die großstreckige Fadenoperation an den Horizontalmotoren bieten je
nach zugrundeliegender Pathologie unterschiedliche operative Ansätze. Motilitätsverbessemde
Operationen werden bei der endokrinen Orbitopathie, beim Stilling-Türk-Duane Syndrom und beim
familiären Fibrosesyndrom eingesetzt.
46
Glaskörperersatz
Priv.-Doz. Dr. Dr. med. S. Wolf
Augenklinik der RWTH Aachen
Die Vitrektomie ist heute ein Standardverfahren zur Behandlung komplizierter Netzhautablösungen.
Bei der Vitrektomie wird zunächst der Glaskörper möglichst komplett entfernt, eventuell
vorhandene vitreoretinale Proliferationen von der Netzhaut abpräpariert und anschließend eine
Endotamponade zur Wiederanlegung der Netzhaut verwendet. Als kurzfristige Endotamponade
werden Luft oder expansive Gase verwendet. Hiermit ist eine Endotamponade für höchstens wenige
Wochen möglich. Insbesondere bei proliferativer Vitreoretinopathie (PVR) sind jedoch langfristige
Endotamponaden erforderlich. Hiermit lassen sich auch bei PVR als Komplikation der
rhegmatogenen Amotio Wiederanlegungsraten von 60-80% erzielen. Heute wird als langfristige
Endotamponade Silikonöl verwendet. Jedoch entstehen auch unter Silikonöl neue kontraktile
vitreoretinale Membranen. Diese Proliferationen bilden sich meist in der unteren
Netzhautzirkumferenz. Hier bleibt fast immer eine Flüssigkeitssichel zurück, da Silikonöl leichter
als Wasser ist und der Bulbus sich praktisch niemals komplett mit Silikonöl füllen läßt. Aus diesem
Grund wird versucht neue Endotamponaden zu entwickeln, die schwerer als Silikonöl sind. Frühere
Versuche mit Perfluorcarbonen (PFCL) mit einem spezifischen Gewicht von ca. 1,8 haben gezeigt,
daß diese für eine Langzeitanwendung im Auge nicht geeignet sind.
Mit semifluorierten Alkanen (RFRHs) steht heute eine neue Substanzklasse zur Verfügung, die für
eine langdauemde Endotamponade verwendet werden könnten. Bei RFRHs handelt es sich um
modifizierte PFCLs, die eine Perfluorcarbon und einen Hydrocarbonanteil aufweisen. Sie weisen
alle Vorteile der heute intraoperativ gebräuchlichen PFCLs auf, sind aber nur geringfügig schwere
als Wasser. Erste tierexperimentelle Untersuchungen haben gezeigt, daß die RFRHs auch nach
6wöchiger Endotamponade klinisch gut verträglich sind und Komplikationen nicht auftreten.
47
Schwere Augenverletzungen
Univ.-Prof. Dr. med. B. Kirchhof
Direktor der Augenklinik der RWTH Aachen
Kombinierte Verletzungen des vorderen und hinteren Augenabschnittes sind weltweit die häufigste
Ursache einseitiger Erblindung. In den USA erleiden jährlich 15 von 100.000 Einwohnern schwere
Augenverletzungen. In absteigender Reihenfolge verschlechtert sich die Prognose von der
intraokularen Fremdkörperverletzung (Hammer-Meißel Mechanismus), über die Spießung des
Augapfels (Messer) zu den Kontusionen und Rupturen (stumpfe Verletzungsmechanismen). Die
funktionelle Prognose hängt ab von der Läsion der Sehzentren (Makula und Sehnervenpapille) und
von der kinetischen (kontusionellen) Energie des verletzenden Gegenstandes (Netzhautnekrose,
reaktive Wundheilung). Ziel der chirurgischen Rekonstruktion ist es die Wundheilung zu
minimieren, und so das Risiko sekundärer traktiver Netzhautablösungen gering zu halten. Das
operative Instrumentarium umfaßt heute die Mikrochirurgie (Operationsmikroskop), die
Vitrektomie (Leitstruktur für Fibroplasie), und die Silikonöltamponade des Glaskörperraums evtl.
kombiniert mit adjuvanter Pharmakotherapie. In den letzten 9 Jahren ließ sich zwar der Anteil der
Augen mit gutem funktionellem Resultat nicht über 30-40% steigern, allerdings gelingt es heute in
Europa den Augapfel in etwa 98% der Fälle mit einer Restfunktion zu erhalten, gegenüber nur 20%
der Augen im Jahre 1972. In den USA beträgt demgegenüber die Rate primärer Enukleationen auch
heute noch 12%! Die Prognose von Verletzungen mit geringem Erblindungsrisiko kann somit kaum
verbessert werden. Andererseits lassen sich heute deutlich mehr Augen wenigstens als Organ mit
einer Restfunktion erhalten. In Europa sind die berufsbedingten Augenverletzungen deutlich
rückläufig. Allerdings sind die Unfälle während der Freizeit in gleichem Maße angestiegen. Der
Rückgang der Augenverletzungen durch zersplitternde Windschutzscheiben nach Einführung der
Gurtanschnallpflicht ist ein überzeugender Beweis für den Wert erzwungener Schutzmaßnahmen.
Schutzbrillen werden nicht durchgehend getragen. Es verwundert deshalb nicht, daß die intraokulare
Fremdkörperverletzung (im Arbeits- wie im Freizeitbereich) heute wie vor 30 Jahren den häufigsten
schweren Verletzungsmechanismus des Auges darstellt.
48
Habilitationsanwärter stellen sich vor
10. Juni 1998
Regulation hepatischer Gallesäurentransporter bei Cholestase
Dr. med. C. Gartung
Medizinische Klinik III der RWTH Aachen
Eine der wichtigsten Aufgaben der Leber ist die kontinuierliche Bildung der Galle, über die die
Sekretion lipophiler organischer Anionen (Gallensäuren, Bilirubin, Steroide, Xenobiotika), die
Regulation der Cholesterin-Homöostase und die Resorption von Fetten und fettlöslichen Vitaminen
im Dünndarm erfolgt. Essentiell zur Aufrechterhaltung des Galleflusses ist die Sekretion von
Gallensäuren aus der Leberzelle in die Gallekanalikuli, wo sie durch Aufbau eines osmotischen
Gradientens konsekutiv zum passiven Einstrom von Elektrolyten und Wasser führen. Gallensäuren
unterliegen einer enterohepatischen Zirkulation und werden mittels spezifischer, aktiver
Transportsysteme aus dem portalen Blut extrahiert, unidirektional von der sinusoidalen zur
kanalikulären Plasmamembran der Leberzelle transportiert und dort wieder aktiv gegen ein
Konzentrationsgefälle in den Gallekanalikulus sezerniert. Störungen dieses komplizierten
Transportprozesses resultieren in dem klinisch bedeutenden Syndrom der Cholestase mit Retention
toxischer Substanzen im Organismus und klinischen Symptomen wie Ikterus und Pruritus.
An tierexperimentellen Modellen der extra- und intrahepatischen Cholestase konnte gezeigt werden,
daß die molekulare Expression wichtiger Aufnahmesysteme für Gallensäuren einschließlich eines
natriumabhängigen Gallensäuren-Kotransporters und eines natriumunabhängigen organischen
Anionentransporters drastisch um 90% im Vergleich zu Kontrollen vermindert ist. Die
Herabregulation erfolgt sowohl mittels transkriptioneller als auch posttranskriptioneller
Mechanismen. Die verminderte Expression, insbesondere des natriumabhängigen Gallensäuren-
Kotransporters, resultiert in einer um mindestens 70% reduzierten Aufnahme von konjugierten
Gallensäuren in die cholestastische Leberzelle. Untersuchungen an Tiermodellen mit Depletion
(chronische Gallengangsfistel) oder Retention von Gallenbestandteilen (choledochocavale Fistel,
selektive Gallengangsligatur) haben gezeigt, daß die sinusoidalen Transportsysteme für
Gallensäuren unter physiologischen Bedingungen konstitutionell exprimiert werden. Ausschließlich
bei Cholestase erfolgt aber durch die Retention von bisher nicht identifizierten Bestandteilen der
Galle eine verminderte Expression dieser Gallensäurentransporter. Teleologisch stellt diese
verminderte Aufnahme von Gallensäuren infolge der reduzierten Expression seiner spezifischen
49
Transportsysteme einen bisher nicht bekannten Schutzmechanismus dar, bei der die Aufnahme
potentiell hepatotoxischer Gallensäuren in die Hepatozyten bei Cholestase vermindert wird.
50
Darstellung intrakranieller Aneurysmen mit der farbkodierten transkraniellen
Duplexsonographie
Dr. med. C. Klötzsch
Neurologische Klinik der RWTH Aachen
H. C. Nahser, H. Henkes, D. Kühne
Neuroradiologische Abteilung Alfried-Krupp-Krankenhaus Essen
Hintergrund: Seit der Einführung der transkraniellen farbkodierten Duplexsonographie (TCCS) ist
in kleinen Untersuchungsserien nachgewiesen worden, daß die Darstellung intrakranieller
Aneurysmen mit dieser Methode möglich ist. Mit der vorliegenden Studie sollte durch
systematische Untersuchung einer größeren Zahl von Patienten der klinische Stellenwert des
Verfahrens bestimmt werden.
Patienten/Methoden: Es wurden 88 Patienten mit 102 angiographisch nachgewiesenen
intrakraniellen Aneurysmen eingeschlossen, die der neuroradiologischen Abteilung zur
interventionellen Behandlung überwiesen wurden. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 50 ±
13 Jahre (± SD). Die Lokalisation der Aneurymen war wie folgt: intrakranieller Abschnitt der A.
carotis interna (n = 43), Basilarisspitze (n = 31), A. cerebri media (n = 9), A. cerebri posterior (n =
7), übrige (n = 12). Der mittlere Durchmesser der Aneurysmen betrug 16 mm. Mit der TCCS
(Acuson XPl28/10, 2/2.5-MHz-Sonde) wurde Lokalisation und Größe des Aneurysmas in zwei
Beschallungsebenen ermittelt. 34 Aneurysmen wurden zusätzlich nach erfolgreicher Embolisation
mit Platinspiralen untersucht.
Ergebnisse: 70 Aneurysmen (68%) konnten mit der TCCS nachgewiesen werden. 16 Aneurysmen
(16%) waren trotz ausreichender Untersuchungsbedingungen nicht darstellbar. Bei den übrigen 14
Patienten mit 16 Aneurysmen war eine Beschallung wegen fehlenden Knochenfensters nicht
möglich. Die Bestimmung des maximalen Aneurysmadurchmessers korrelierte in hohem Maße mit
den Meßergebnissen der radiologischen Verfahren (Pearson-Korrelationskoeffizient 0.92). Ursachen
für den fehlenden Nachweis eines Aneurysmas waren ein Durchmesser von weniger als 6 mm oder
eine Lokalisation im infraklinoidalen Abschnitt der A. carotis interna sowie im intrakraniellen
Abschnitt der A. vertebralis. Bei 16 von 20 Patienten (80%) gelang der Nachweis thrombosierter
Anteile, die durch MRT bzw. DSA bestätigt wurden. Unter 34 embolisierten Aneurysmen konnten
30 (88%) mit der TCCS dargestellt werden.
Diskussion: Die TCCS ermöglicht zuverlässig die Darstellung mittlerer und großer intrakranieller
Aneurysmen. Die niedrige Sensitivität beim Nachweis kleiner und ungünstig lokalisierter
51
Aneurysmen verhindert jedoch den Einsatz als Screening-Methode. Klinische
Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich möglicherweise bei Patienten nach SAB, die nicht
umgehend angiographiert werden können. Darüber hinaus erscheinen Verlaufsuntersuchungen bei
Patienten nach Coilembolisation sinnvoll, um eventuell neu entstandene Restlumina zu entdecken.
52
Die Induktion der Hitze-Schock Reaktion reduziert die Sterblichkeitsrate und die
Organschäden im Sepsismodell der Ratte
Dr. med. B. Klosterhalfen
Institut für Pathologie der RWTH Aachen
Hitze-Schockproteine (HSP) repräsentieren eine phyllogenetisch hochkonservierte, überwiegend
intrazytoplasmatisch exprimierte Proteinfamilie, die durch verschiedenste Streßfaktoren induziert
werden können. Zu den wichtigsten HSP's gehören im humanen Bereich die mit einem
Molekulargewicht um 70kD (HSP70). Ziele dieser Studie beinhalten die Arbeitshypothesen, daß 1.
Zn2+ ein potentieller Induktor von HSP70 in vivo ist, 2. die Induktion von HSP70 durch Zn2+ eine
protektive Wirkung im Rahmen einer LD100-Endotoxinämie in der Ratte ausübt, 3. die HSP70-
Expression ein verändertes Muster der Zytokinliberation nach LPSgabe zur Folge hat und 4. die
LPS-induzierte Apoptoserate in Lunge, Leber und Niere senkt.
Zur Untersuchung der Hypothesen wurde ein randomisiertes LD100/24h LPSmodell in der Ratte
(Wistar, männlich; n = 26, 250-300g) gewählt. Die Tiere wurden in vier Gruppen eingeteilt: Gruppe
1 (n = 5; nur NaCl-Behandlung); Gruppe II (n = 5; nur Zn2+-Behandlung); Gruppe III (n = 8; NaCI-
Vorbehandlung, LPS-Behandlung); Gruppe IV (n = 8; Zn2+-Vorbehandlung, LPS-Behandlung). Die
Zn2+-Vorbehandlung wurde über ein Intervall von 24 h mit einer i.p. Injektion von 50mg/kg Zink-
bis-(DL-hydrogenaspartat) [≈10mg/kg elementares Zn2+; UNIZINK , Köhler Vertrieb Pharma
GmbH, Deutschland] durchgeführt. Die LD100/24h Endotoxinämie wurde durch die i.p. Applikation
von 20mg/kg LPS des E. coli Stammes WO111:B4 induziert. TNFα, IL-lβ und IL-6 wurden aus
dem Blutplasma mittels ELISA (AMERSHAM, Braunschweig, Deutschland) bestimmt. Die
HSP70-Expression in den Organen wurde mittels Immunhistochemie, Western Blot und einem
HSP70-ELISA (BIOMOL, Hamburg, Deutschland) nachgewiesen. Des weiteren wurde die
Apoptose mittels TUNEL (ONCOR, Hamburg, Deutschland) am Paraffin eingebetteten Material
lichtmikroskopisch dargestellt und durch einem Cell Death detection-ELISA (BOEHRINGER
Mannheim, Deutschland) quantifiziert.
Die Ergebnisse zeigen, daß Zn2+ ein potentieller Induktor der HSP70 Expression in vivo ist.
Darüber hinaus führt die isolierte Zn2+ Applikation zu leicht erhöhten Zytokinspiegeln im Blut und
Apoptoseraten in Lunge, Leber und Niere. Die Induktion von HSP70 durch Zn2+ erhöht signifikant
die Überlebensrate nach LD100-Endotoxinämie in der Ratte. Die erhöhte Überlebensrate erklärt sich
zum einen durch den zytoprotektiven Effekt der verstärkten HSP70-Expression, zum anderen durch
53
signifikant erniedrigte Zytokinspiegel im Blut nach Gabe von LPS und eine ebenfalls signifikant
erniedrigte Apoptoserate in Leber, Lunge und Niere.
Die Studie beweist die enge Beziehung zwischen Zn2+, HSP70-Induktion, Zytokinliberation und
Apoptose. Insbesondere die zytoprotektiven Effekte des HSP70, aber auch die signifikant
erniedrigten Zytokinblutspiegel und die signifikant erniedrigte Apoptoserate in der Lunge, Leber
und Niere erklären die signifikant erniedrigte Sterblichkeitsrate in der Zn2+ vorbehandelten Gruppe
nach Gabe von LPS. Insofern könnte die Zn2+ Vorbehandlung bei Hochrisikopatienten ein
präventives Behandlungskonzept der Sepsis darstellen.
54
Kongenitale Störungen der Hypophysenvorderlappenfunktion
Dr. med. R. Pfäffle
Kinderklinik der RWTH Aachen
In der Mehrzahl der Fälle mit hypophysärem Kleinwuchs ist die Pathogenese des hypohysären
Hormonausfalls nicht bekannt. Nur in einzelnen Fällen sind kongenitale
Hypophysenvorderlappendefekte auf Mutationen in den Genen der hypophysär sezernierten
Hormone zurückzuführen. Regulative Faktoren der Hormonsynthese kamen daher als Ursache
kongenitaler Hypophysenvorderlappenstörungen in Betracht. Wir haben daher die Rolle
entwicklungsabhängig hypophysär exprimierter Transkriptionsfaktoren bei der Entstehung von
Hypophysenvorderlappendefekten untersucht.
Pit-1 (Pituitary Factor 1) ist ein von den späten Phasen der Hypophysenvorderlappenentwicklung
an exprimierter Transkriptionsfaktor, der in den somatotropen (Wachstumshormon
produzierenden), laktotropen (Prolaktin produzierende) und thyreotropen (TSH produzierende)
Zellen nachweisbar ist. Wir haben bei Patienten mit einem kombinierten
Hypophysenvorderlappendefekt für GH, Prolaktin und TSH Mutationen in dem humanen
Äquivalent des Pit-1 Faktors gefunden und deren Auswirkung auf die DNA-Bindungs- und
Transaktivierungseigenschaften des Peptids untersucht. Je nach Lokalisation der Mutation fand sich
ein autosomal dominanter oder autosomal rezessiver Vererbungsmodus dieser Erkrankung. Trotz
des relativ uniformen Phänotyps dieser Erkrankung, fanden sich jedoch bei etwa der Hälfte dieser
Patienten keine Pit-1 Mutation. Ähnliche Beobachtungen hatte man zuvor bei der Untersuchung von
Zwergmausstämmen mit gleichem Phänotyp gemacht.
Bei dem sog. Ames Zwergmausstamm gelang die Identifizierung eines epigenetischen Faktors,
Prop-1 (Prophet of Pit-1), der bei dem Tier einen identischen Phänotyp verursacht. Bei der
Identifizierung und Charakterisierung des menschlichen Äquivalents von Prop-1 konnten wir
nachweisen, daß Prop-1 Mutationen beim Menschen, anders als bei der Ames Maus, einen
kombinierten Hypophysenvorderlappendefekt für GH, Prolaktin, TSH und Gonadotropine
verursacht. Das Krankheitsbild, das durch Prop-1 Mutationen verursacht wird, verläuft etwas
blander als der hypophysäre Defekt durch Pit-1 Mutationen. Andererseits ist das Krankheitsbild
jedoch variabler in seinem Verlauf. Prop-1 Mutationen scheinen beim Menschen insgesamt häufiger
als pathogene Pit-1 Mutationen aufzutreten, jedoch bedarf es weiterer Untersuchungen, um die
Frequenz und das phänotypische Spektrum dieser neu beschriebenen Formen des hypophysären
Hormonausfalls sicher einzuordnen.
55
Kleinhirnstrukturveränderungen im Kindesalter - von der Bildgebung zum
Stoffwechseldefekt
Dr. med. V. Ramaekers
Kinderklinik der RWTH Aachen
Kleinhirnstrukturveränderungen beim Kind, die als pre- oder postnatal erworbene Hypoplasien oder
Atrophien imponieren, waren die Ausgangssituation der Studie. Da bisher systematische
Untersuchungen für die zugrunde liegenden Ursachen und den assoziierten Krankheitsbildern
fehlten, wurden Untersuchungen bei 86 Kindern unter Einbeziehung von Langzeitverläufen über
einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren durchgeführt.
Ausgehend von den modernen bildgebenden Verfahren (Computertomographie,
Magnetresonanztomographie) wird zunächst eine anatomische Klassifikation der strukturellen
Veränderungen des Kleinhirns vorgenommen. Neben der orientierenden Einteilung in unilaterale
und bilaterale Strukturveränderungen ließen sich die bilateralen Veränderungen als ponto-
zerebelläre sowie Mittellinie- und Hemispheren-Strukturveränderung abgrenzen. Darüber hinaus
konnte die statische Verlaufsform der Kleinhirnhypoplasie von einer progressiven Degeneration der
Kleinhirnhemisphären unterschieden werden.
Neben der Zuordnung spezifischer Krankheitsbilder, wie z.B. dem Joubert-Syndrom, wurden neue
Ansätze zur Aufklärung möglicher Pathomechanismen verfolgt. Der mögliche Einfluß erhöhter
Bildung von Sauerstoffradikalen (Superoxide Anionen, Hydroxyl Radikal, Wasserstoffperoxide)
wurde durch die Bestimmung von Malondialdehyde in Plasma geprüft. Dieser Marker zeigt die
Erhöhung der Lipid Peroxidation an. Darüber hinaus diente die Bestimmung von Thymidine-
Glykole und des 8-OH-2'-deoxy-Guanosin im Urin als biochemischer Marker der durch Hydroxyl
Radikale vermittelten Veränderungen der DNA.
Für progressive Kleinhirndegenerationen, die ponto-zerebelläre Hypoplasie Typ II und das Joubert-
Syndrom waren die ansprechenden Marker im Plasma und im Urin signifikant erhöht, als Zeichen
einer gesteigerten Aktivität von Sauerstoffradikalen. Ursächlich dafür scheint ein gestörtes
Gleichgewicht im Sinne einer fehlerhaften Schutzbildung gegenüber Sauerstoffradikalen zu sein.
Entsprechende Enzyme, wie die Mangan-Superoxide Dismutase, die extrazelluläre Kupfer/Zink-
Superoxide Dismutase und das Coenzym Q10 erwiesen sich als signifikant weniger aktiv bei
entsprechend betroffenen Patienten.
Diese Untersuchungen zeigten, daß prenatal entstandene Entwicklungsstörungen des Kleinhirns
zurückzuführen sind auf möglich genetisch bedingte Fehler der antioxidativen Schutzmechanismen
56
gegen Sauerstoffradikale, wobei eine frühzeitige Apoptosis (programmierter Zelltod) der
Kleinhirnstammzellen oder spätere Degeneration der Kleinhirnrinde für die beobachtete Hypoplasie
beziehungsweise Atrophie verantwortlich sein könnte. Viele Krankheitsbilder sind bekannt, wobei
entweder eine erhöhte Bildung von Sauerstoffradikale (z.B. Bestrahlung, Down-Syndrom,
mitochondriale Krankheitsbilder) oder fehlende Antioxidantien (Vitamin E-Mangel, Glutathion
Synthese Störungen) zu Kleinhirnhypoplasie führen. Screening-Untersuchungen bei ungeklärten
Kleinhirnstrukturveränderungen sollten auf die von Sauerstoffradikalen vermittelten Schäden an
Lipiden, DNA und Proteinen ausgedehnt werden. Heute steht die hochdosierte Therapie mit dem
Radikalfänger Vitamin E als direkter therapeutischer Ansatz zur Verfügung.
57
Prognosefaktoren nach Resektion kolorektaler Lebermetastasen
Dr. med. K.-P. Riesener
Chirurgische Klinik der RWTH Aachen
Einleitung: Die Prognose unbehandelter Lebermetastasen kolorektaler Karzinome ist infaust. In
den letzten 20 Jahren hat sich die Resektion dieser Befunde als einziges wirksames Therapieprinzip
mit der Chance der Heilung etabliert. Dennoch ist die Rezidivrate mit 65 - 80% aller Patienten
erschreckend hoch, so daß die Ermittlung möglicher prognostischer Faktoren nach der Resektion
zur besseren Patientenselektion sinnvoll erscheint.
Patienten und Methoden: Seit 1985 wurden an der Chirurgischen Klinik der RWTH Aachen in
einem 10-Jahres-Zeitraum 109 Patienten einer R0-Resektion von Lebermetastasen kolorektaler
Karzinome unterzogen. Alle Patienten wurden bezüglich ihrer Überlebenszeiten und
Rezidiventstehung nachuntersucht. Die erfaßbaren klinischen Parameter, z.B. der Zeitpunkt der
Metastasenentstehung, das Ausmaß der Metastasierung, das Stadium des Primärtumors, die Art der
Resektion, wurden in ihrer möglichen Auswirkung auf die Prognose der Patienten evaluiert.
Zusätzlich erfolgte eine DNA-Bildzytometrie der Metastasen und der Primärtumoren sowie die
immunhistochemische Untersuchung von p53 und Ki67, um von der Klinik unabhängige mögliche
Prognoseparameter zu ermitteln.
Ergebnisse: Die 5-Jahres-Überlebensrate aller Patienten mit R0-Resektionen von Lebermetastasen
lag bei 20% und damit im Bereich der in der Literatur angegebenen Ergebnisse. Bei den klinischen
Parametern konnte lediglich die Radikalität der Resektion als prognostisch relevant erkannt werden,
während alle übrigen Faktoren ohne Einfluß auf die Überlebenszeit blieben. Algorithmen der DNA-
Bildzytometrie (9cEE, maximale Ploidie, DNA-Malignistätsgrad) erwiesen sich als
hochsignifikante Prognoseparameter nach erfolgter R0-Resektion, während der Einfluß von p53 und
Ki67 deutlich geringer ausfiel. Von einer adjuvanten Chemotherapie scheinen vorwiegend Patienten
mit prognostisch ungünstigen DNA-zytometrischen Parametern zu profitieren.
Diskussion: Die Ermittlung von Prognosefaktoren nach R0-Resektion von kolorektalen
Lebemetastasen ist angesichts hoher Rezidivraten von besonderer Bedeutung. Während klinisch
faßbare Parameter ungeeignet sind, können molekularbiologische Parameter wertvolle
Zusatzinformationen zur Abschätzung der postoperativen Prognose nach Resektion liefern.
58
Neue Entwicklungen in der Diagnostischen und Interventionellen Radiologie
07. Juli 1998
Neue Entwicklungen in der MR-Tomographie des Abdomens: MR-Urographie, MR-
Cholangiographie und abdominelle Gefäßdiagnostik
Dr. med. C. Nolte-Ernsting
Klinik für Radiologische Diagnostik der RWTH Aachen
Einleitung: Unter Verwendung moderner MR-tomographischer Untersuchungstechniken ist die
radiologische Diagnostik heute in der Lage, das pankreatiko-biliäre System, den Harntrakt und den
abdominellen Gefäßbaum nicht invasiv und ohne Strahlenbelastung für den Patienten darzustellen.
Methoden und Ergebnisse: Bei der MR-Cholangio-Pankreatikographie (MRCP) wird die
Flüssigkeit innerhalb der Gallenwege und des Pankreasganges signalreich dargestellt, ohne daß
hierzu eine Kontrastmittelgabe erforderlich ist. Für ein komplettes Übersichtsprojektionsbild muß
der Patient lediglich 2-3 sek den Atem anhalten. Ein Gallestau und eine
Pankreassekretabflußstörung lassen sich ebenso sicher diagnostizieren wie die Lokalisation der
Obstruktion durch einen Stein oder Tumor.
Bei einer MR-Urographie (MRU) verwenden wir für die Diagnostik der ableitenden Harnwege eine
rein flüssigkeitssensitive Darstellung in Kombination mit einer kontrastangehobenen Technik. Die
Dauer einer MRU entspricht der eines Röntgen-Ausscheidungsurogrammes. Der Hauptvorteil der
MRU besteht in der fast immer kompletten Abbildung der Ureteren in allen nur gewünschten
Projektionsebenen, einschließlich der überlagerungsfreien Darstellung der prävesikalen
Harnleiterabschnitte.
Die MR-Angiographie (MRA) ermöglicht nicht invasiv bei einmaliger peripher venöser Gabe eines
Kontrastmittels die selektive Darstellung der viszeralen Baucharterien, gefolgt von der Passage im
Pfortaderkreislauf und in der Vena cava inferior. Für die Untersuchungstechnik ist es erforderlich,
daß der Patient seinen Atem für 20-30 sek anhalten kann. Die Effizienz einer einmaligen
Kontrastmittelgabe läßt sich noch steigern, indem man z.B. eine MRA der Nierenarterien mit einer
anschließenden MRU kombiniert.
Schlußfolgerungen: Die moderne Bildgebung mittels MRCP, MRU und MRA ermöglicht eine
integrative radiologische Diagnostik des Abdomens und schafft neue Alternativwege zu
herkömmlichen und invasiven Diagnoseverfahren.
59
Neue Möglichkeiten der bildgebenden Diagnostik des akuten Schlaganfalls
Priv.-Doz. Dr. med. W. Reith
Lehr- und Forschungsgebiet Neuroradiologie der RWTH Aachen
Der akute Schlaganfall ist nach den Herz-Kreislauf- und den Tumorerkrankungen die dritthäufigste
Todesursache in den westlichen Industrienationen. Dem klinischen Bild des Schlaganfalls liegt in
ca. 80% eine zerebrale Ischämie, in etwa 15% eine zerebrale Blutung und in ca. 5-10% eine
Subarachnoidalblutung zugrunde. Die Diagnose einer intrazerebralen Blutung oder einer
Subarachnoidalblutung bietet seit Einführung der Computertomographie (CT) kaum Probleme. Bei
der akuten zerebralen Ischämie ist die Situation anders: In der therapeutisch entscheidenden
Frühphase der zerebralen Ischämie ist es bisher mit keinem klinisch einsetzbaren Imaging-
Verfahren möglich, nicht mehr perfundiertes, ischämisches Hirngewebe sicher abzugrenzen. Neue
MR-Techniken, die perfusions- und diffusionsgewichtete MRT können diese diagnostische Lücke
schließen.
Die perfusionsgewichtete MRT beruht darauf, daß die durch den Suszeptibilitätsabfall
hervorgerufene Signaländerung während der Passage eines Kontrastmittelbolus mit Hilfe einer Serie
von T2*-gewichteten GE-Bildern aufgezeichnet wird. Hämodynamische Parameter wie das
regionale zerebrale Blutvolumen (rCBV) und der regionale zerebrale Blutfluß (rCBF) können damit
erfaßt werden.
Die diffusionsgewichtete MRT mißt die regellose Bewegung von Wassermolekülen. Die Diffusion
kann durch den Diffusionskoeffizienten D quantifiziert werden. Der Diffusionskoeffizient D ist das
Maß der Verschiebung der Wassermoleküle pro Zeiteinheit. In der Frühphase der Ischämie kommt
es zu einer Verschiebung von Wasser aus dem Extrazellularraum in den Intrazellularraum, die zu
einer „Restriktion“ der Diffusion führt. In diffusionsgewichteten MR-Bildern ist es somit möglich
die Ischämie in der frühen Phase des „zytotoxischen“ Ödems darzustellen, d.h. innerhalb weniger
Minuten nach Eintreten klinischer Symptome.
Mit der perfusions- und diffusionsgewichteten MRT ist die frühzeitige Erkennung von
ischämischen Läsionen möglich. Beide Verfahren ergänzen sich in ihrer diagnostischen
Aussagefähigkeit und helfen, das ischämisch gefährdete, noch einer Therapie zugängliche
Hirngewebe, vom Infarktkern abzugrenzen.
60
Echtzeit-Magnetresonanztomographie: Möglichkeiten der angiographischen Intervention
Dr. med. A. Bücker
Klinik für Radiologische Diagnostik der RWTH Aachen
Die Magnetresonanztomographie (MRT) kommt im Gegensatz zum klassischen Verfahren der
Röntgendurchleuchtung gänzlich ohne die Anwendung ionisierender Strahlen aus. Bevor diese und
weitere Vorteile wie exzellenter Weichteilkontrast, multiplanare Bildgebungsmöglichkeiten und
Flußquantifizierungen für die Durchführung angiographischer Interventionen genutzt werden
können, müssen zunächst der MRT eigene Nachteile überwunden werden. Im Vergleich zur
Röntgendurchleuchtung benötigt die MRT wesentlich mehr Zeit für die Erstellung eines Bildes.
Eine spezielle Art der Datenakquisition der MRT ermöglicht eine Bildwiederholrate von bis zu 24
Bildern pro Sekunde. Hierbei wird die radiale Abtastung des k-Raums (im Rahmen der MRT
aufgenommener Rohdatensatz) mit der Rekonstruktionstechnik des gleitenden Fensters kombiniert.
Das Resultat ist ein kernspintomographischer Film, welcher einer Kombination aus klassischer
Durchleuchtungs- und Pfadfindertechnik entspricht. Das starke Magnetfeld, welches im Rahmen der
MRT zur Bilderzeugung genutzt wird, macht die Verwendung ferromagnetischer Materialien
unmöglich. Die Entwicklung dedizierter Katheter sowie MR-kompatibler Stents war notwendig, um
erste angiographische Eingriffe unter MR-Kontrolle vornehmen zu können. Katheter wurden mit
Dysprosiummarkierungen oder stromleitenden Kupferdrähten versehen, um sie im MR sichtbar zu
machen. Stents und Cavafilter wurden aus Nickel-Titan-Legierungen hergestellt, die keine
störenden Artefakte im MR-Bild hervorrufen. Die bisherigen Entwicklungen ermöglichen die
kernspintomographische Echtzeitüberwachung der Steuerung von Kathetern durch das Gefäßsystem
sowie die Plazierung von Cavafiltern und Stents. Es sind jedoch noch weitgehende Verbesserungen
erforderlich, bevor das theoretisch vorhandene Potential der MRT - wie die Darstellung von
Gefäßwänden und die Quantifizierung des Blutflusses - klinisch genutzt werden können.
61
MR-gesteuerte interstitielle Kryotherapie: experimentelle Untersuchungen
Dr. med. J. Tacke
Klinik für Radiologische Diagnostik der RWTH Aachen
Kryotherapie ist ein in der Medizin erprobtes und bekanntes Ablationsverfahren, bei dem
unerwünschtes Gewebe durch lokal begrenzte und kurzzeitige Tiefkühlung irreversibel geschädigt
wird. Die Kontrolle der Eisausbreitung erfolgt bei oberflächennahen Läsionen visuell. Bei
interstitieller Anwendung tiefer gelegener Läsionen ist die Darstellung problematisch, da Ultraschall
und Computertomographie Eis unvollständig bzw. kontrastarm darstellen. Im Gegensatz dazu
erlaubt die Magnetresonanztomographie (MRT) eine vollständige und kontrastreiche Darstellung
der Eisformation, erfordert aufgrund des Magnetfeldes aber eine Kryotherapiesonde aus MR-
kompatiblen Materialien. In unseren Arbeiten erprobten wir eine experimentelle, in
Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Institut für Biomedizinische Technik entwickelte MR-
kompatible Kryotherapiesonde sowie deren Einsatz unter minimal-invasiven Bedingungen in in-
vitro und in-vivo Versuchen. In einem in-vitro Vergleich wurden Ultraschall und
Computertomographie als bildgebende Verfahren der Kryotherapie der
Magnetresonanztomographie gegenübergestellt. Bei vergleichbarer Größendarstellung der
Eisformation erwies sich die MRT im Eis/Gewebekontrast gegenüber den übrigen genannten
Verfahren als deutlich überlegen. Des weiteren wurde die perkutane, MR-gesteuerte Kryotherapie
an gesunden und tumortragenden Kaninchenlebern durchgeführt. Die Läsionen und Tumoren
wurden zeitlich verlaufskontrolliert und histologisch untersucht. Hierbei fand sich eine hohe
Übereinstimmung zwischen Ausdehnung der Eisformation im MRT und histologischer Nekrose.
Experimentelle Lebertumoren konnten auf diese Weise sicher abladiert werden.
62
Biokompatibilität endovaskulärer Gefäßprothesen (Stents)
Dr. med. K. Schürmann
Klinik für Radiologische Diagnostik der RWTH Aachen
Einleitung: Die Verträglichkeit verschiedener endovaskulärer Prothesen wurde experimentell
anhand ihrer Offenheitsraten und ihrer induzierten Gewebereaktion vergleichend untersucht.
Methode: Verschiedene Prothesenmodelle wurden in vivo in einem Tiermodell am Schaf sowie in
vitro mittels Standard-Zytotoxizitätstests verglichen. Untersucht wurden einfache Metallstents
(Cragg, Memotherm, Palmaz, Strecker Nitinol, Wallstent, ZA) sowie Stentgrafts mit einem Überzug
aus einfachem oder heparinbeschichtetem Dacron (Cragg Endopro) oder einer normal- oder
niedrigporösen Innenauskleidung aus Polyurethan-Karbonat (Corvita).
Ergebnisse: Nicht-ummantelte Prothesen wiesen eine stärkere neointimale Hyperplasie und eine
geringere Offenheit als ummantelte Prothesen auf Die Dacron Stentgrafts führten zu einer
deutlichen Entzündungsreaktion, die bei dem heparinbeschichteten Stentgraft am ausgeprägtesten
war. Das Ausmaß der periprothetischen Entzündung korrelierte mit dem Grad der neointimalen
Hyperplasie. Der Strecker Nitinol-Stent zeigte eine stärkere Neointimabildung als der Wallstent.
Schlußfolgerung: Im vergleichenden Experiment sind die einfachen nicht-ummantelten
Metallstents den verwendeten Stentgrafts in ihrer Biokompatibilität überlegen.
63
Habilitationsanwärter stellen sich vor
13. Oktober 1998
Stellenwert der zerebralen Mikrozirkulation bei der operativen Therapie intrakranieller
Aneurysmen: Experimentelle und klinische Evaluation mittels Laser Doppler Scanning
Imager
Dr. med. U. Spetzger
Neurochirurgische Klinik der RWTH Aachen
Die endovaskuläre Aneurysmabehandlung mittels Coilembolisation ist trotz erster Erfolge bisher
nicht die Therapie der Wahl bei zerebralen Aneurysmen. In eigenen experimentellen Studien fanden
wir eine Diskrepanz zwischen radiologisch komplettem und morphologisch inkomplettem
Aneurysmaverschluß. Daher ist der mikrochirurgische Clipverschluß weiterhin das gültige
Therapiekonzept. Die mikrochirurgische Behandlung zerebraler Aneurysmen birgt das Risiko der
operativen Schädigung von physiologischem Hirnparenchym, entweder in Form einer direkten
Traumatisierung des Hirngewebes oder durch eine vaskuläre Schädigung mit nachfolgender
Ischämie. Der operative Zugang zum Aneurysma erfolgt durch die mikrochirurgische Präparation
der Sylvischen Fissur unter Schonung der darin verlaufenden Gefäße und unter Zuhilfenahme von
Hirnspateln zur Retraktion. Zur Präparation des Aneurysmas werden häufig die zuführenden
Arterien temporär ausgeclipt und somit die nachgeschaltete Zirkulation unterbrochen.
Im klinischen sowie im experimentellen Teil der Arbeit werden der Einfluß des Spateldruckes und
der temporären Ischämie auf die Mikrozirkulation gemessen. Im Tierexperiment werden
verschiedene Druckwerte sowie zwei unterschiedliche Spatelformen verwendet. Hierfür ist ein
spezieller Hirnspatel entwickelt und weiter modifiziert worden. Effekte des Spateldruckes und der
temporären Ischämie werden durch ein standardisiertes Untersuchungsprotokoll mittels Laser
Doppler Scanning Imager sowie bildgebend mittels MRT und tierexperimentell auch morphologisch
durch die histopathologische Untersuchung des Gehirns evaluiert.
Zielsetzung der Untersuchungen ist es, die operative Morbidität der mikrochirurgischen
Aneurysmabehandlung in der Zukunft weiter zu reduzieren.
64
Klinische Befunde und pathophysiologische Mechanismen der Myokardischämie bei
koronaren Muskelbrücken
Dr. med. E. R. Schwarz
Medizinische Klinik I der RWTH Aachen
Als koronare Muskelbrücke bezeichnet man den intramuralen Verlauf einer epikardialen
Koronararterie. Diese als harmlose Normvariante bezeichnete - beim Menschen häufigste
angeborene - Koronaranomalie kann zu bedrohlichen Myokardischämien führen. Die Diagnose wird
koronarangiographisch als systolische Diameterreduktion ('milking effect') gestellt. Die
Symptomatik reicht von unspezifischen Symptomen bis zu typischer Angina pectoris und zum
Myokardinfarkt. Mithilfe einer Mikrotransducertechnik zeigen intrakoronare Doppler- und
Druckmessungen erhöhte Flußgeschwindigkeiten, überschießende intrakoronare Drücke und eine
eingeschränkte Koronarreserve als Hinweise für eine funktionelle Obstruktion innerhalb der
Muskelbrückensegmente. Quantitative koronarangiographische Analysen zeigen eine persistierende
diastolische Diameterreduktion. Kurzwirksame Beta-Rezeptorblockade und intrakoronare
Stentimplantation als therapeutische Alternative zur Bypassoperation bei symptomatischen
Patienten resultiert in einer Besserung der Symptome und einer Normalisierung der intrakoronaren
hämodynamischen Alterationen.
65
Die Rolle granulozytärer Abwehrmechanismen bei Infektionen durch Streptococcus pyogenes
Dr. med. N. Schnitzler
Institut für Medizinische Mikrobiologie der RWTH Aachen
Streptococcus pyogenes (Gruppe A-Streptokokken) besitzt eine Vielzahl von Toxinen und
Oberflächenmolekülen, die zu ihrer Virulenz beitragen. Dabei wird den M-Proteinen eine
wesentliche Rolle in der Vermittlung der Phagozytoseresistenz dieses Bakteriums zugesprochen.
Die Expression des M-Proteins ermöglicht den Streptokokken eine uneingeschränkte Vermehrung
im Blut. Dieser Umstand zeigt als beeindruckendstes Korrelat das klinische Bild des Puerperal-
Fiebers, welches ohne antibiotische Therapie kaum zu beherrschen ist. Im Gegensatz dazu zeigen
eher harmlose durch Streptococcus pyogenes bedingte Erkrankungen wie Pharyngitis und Impetigo
funktionierende Abwehrmechanismen des Körpers.
Die daraus abgeleitete Fragestellung lautet: Wie kann die Phagozytoseresistenz von S. pyogenes bei
eher harmlosen Infektionen überwunden werden?
Die vorgestellten Ergebnisse zeigen: Humane neutrophile Granulozyten werden durch eine
spezifische Bindung der I-Domäne ihrer LFA1-Moleküles aktiviert. Die Bindung des LFA1 an diese
Reaktionspartner führt zu einer deutlichen Steigerung der Expression des Mac-l-Moleküles.
Solchermaßen aktivierte Granulozyten sind in der Lage, M-Protein-exprimierende Streptococcus
pyogenes Zellen zu binden und zu phagozytieren.
66
Erhalt motorischer Funktionen bei zerebralen und spinalen Operationen mittels
intraoperativer Motorkortexlokalisation und Monitoring der deszendierenden motorischen
Bahnsysteme
Dr. med. V. Rohde
Neurochirurgische Klinik der RWTH Aachen
Operationen im Bereich des Rückenmarks und des Motorkortex bergen das Risiko eines
postoperativen motorischen Defizits. Benötigt wird daher eine intraoperativ anwendbare
Technologie, die die Lokalisierung und Funktionsüberprüfung von Motorkortex und Pyramidenbahn
ermöglicht. Bei der repetitiven transkraniellen Magnetstimulation (rTKMS) kommt es durch
Summationseffekte an den Pyramidenzellen zur Auslösung eines Muskelaktionspotetials (MAP). Es
wird die Hypothese aufgestellt, daß diese Summation inhibitorische Narkoseeinflüsse überwinden
kann, womit die rTKMS als Lokalisations- und Monitoringinstrument einsetzbar würde. Bei 24
Patienten ohne motorisches Defizit erfolgte die intraoperative rTKMS zur Bestimmung geeigneter
Stimulationsparameter und der Narkoseform. Es zeigte sich, daß nur bei Propofolnarkose und
Vierfachstimulation MAP ableitbar sind. Unter Anwendung dieser Narkose- und Stimulationsform
wurde bei 12 Patienten mit spinalen Tumoren die Wertigkeit der rTKMS als Monitoringinstrument
untersucht. Bei 3 Patienten wiesen intraoperative Potentialänderungen auf eine postoperative
Parese, bei 9 Patienten ein konstanter Potentialbefund auf einen unveränderten Motorstatus hin. Bei
5 Patienten mit zentralen Tumoren wurde die Wertigkeit der rTKMS zur intraoperativen
Motorkortexlokalisierung untersucht. Es ließ sich nachweisen, daß die elektrophysiologisch
definierte Lokalisation des Motorkortex stets mit der rahmenlos stereotaktisch bestimmten Position
korrelierte. Diese Daten bestätigen die Hypothese, daß die rTKMS inhibitorische Narkoseeinflüsse
überwinden kann und sich somit zur intraoperativen Lokalisierung und Funktionsüberprüfung von
Motorkortex und Pyramidenbahn eignet.
67
Der Einsatz von Biomaterialien in der Bauchwand zur Reparation von Hernien
Dr. med. U. Klinge
Chirurgische Universitätsklinik und Poliklinik der RWTH Aachen
Das Vorliegen einer Bauchwandhernie, eine der häufigsten Krankheitsbilder in der Chirurgie,
bedeutet nicht nur eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, sondern stellt
darüber hinaus durch die Gefahr einer Inkarzeration eine permanente vitale Bedrohung für den
Patienten dar. Angesichts hoher Rezidivraten Mesh-freier Reparationstechniken kommt der
Verstärkung der Bauchwand mit alloplastischem Material, den sog. Meshes eine besondere
Bedeutung zu. Die damit verbundenen Nebenwirkungen wie z.B. eine erhöhte Rate lokaler
Wundkomplikationen, Schmerzen im Bereich des Implantates mit Bewegungseinschränkung der
Bauchwand sind Folge der großflächig implantierten großen Menge Fremdmaterials.
Durch die Entwicklung eines an die physiologischen Belastungen angepaßten leichtgewichtigen,
großporigen Meshes konnte im Vergleich zu bislang verfügbaren Mesh-Materialien die Menge
eingebrachten Materials deutlich reduziert werden. Tierexperimentell ist damit eine signifikante
Verbesserung der Bauchwandfunktion sowie eine deutliche Reduktion der perimplantären
Entzündungsreaktion verbunden. Die daraus resultierende verminderte Fibrose geht darüber hinaus
mit einer verminderten Schrumpfung des Implantates einher.
Der klinische Einsatz dieses ersten leichtgewichtigen, großporigen Meshes im Rahmen einer
prospektiven Studie bestätigt die günstigen tierexperimentellen Ergebnisse durch Reduktion der
Rate lokaler Wundkomplikationen sowie durch verminderte funktionelle Einschränkungen der
Bauchwand.
Die erste Analyse von explantierten Mesh-Proben bestätigen das Vorliegen einer auch nach Jahren
nachweisbaren permanenten entzündlichen Reaktion im Implantatlager und unterstreichen die
Forderung, nur so viel Material einzusetzen wie unumgänglich nötig ist und nur dann, insbesondere
bei jungen Patienten, wenn keine suffizienten Mesh-freien Alternativen vorhanden sind.
68
Der Einfluß der Mundflora auf die Gesundheit - Odontogene Infektionen und mögliche
Nachweismethoden
Dr. rer. nat. G. Conrads
Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde in Kooperation mit dem
Institut für Medizinische Mikrobiologie der RWTH Aachen
Die Stabilität der physiologischen Mundflora und die Integrität der Mundschleimhaut sind von
entscheidender Bedeutung für die Volksgesundheit. In der Bundesrepublik leiden etwa 80% aller
Erwachsenen an entzündlichen Veränderungen des Parodonts. Parodontale Infektionen sind für
mehr als 50% des Zahnverlustes verantwortlich. Sie stellen darüber hinaus eine wichtige
Eintrittspforte für lokale und systemische Infektionen (Organabszesse) dar und besitzen somit eine
Bedeutung für viele Bereiche der Medizin. Bundesweit liegen die durch Parodontalerkrankungen
verursachten Kosten bei etwa 10 Milliarden DM jährlich; die Kosten für die Behandlung
fortgeleiteter oder systemischer Infektionen (Mediastenitis, Organabszesse, Osteomyelitis) sind hier
noch nicht berücksichtigt.
Bei odontogenen Infektionen handelt es sich im allgemeinen um Mischinfektionen, was die
Anwendung konventioneller Verfahren, wie zum Beispiel Kulturverfahren oder Mikroskopie, zur
Aufklärung der Ätiologie und Pathogenese dieser Erkrankungen weitestgehend ausschließt. Erst mit
der Entwicklung molekularbiologischer Verfahren ist es in der neueren Zeit möglich geworden die
Zusammenhänge zwischen dem Infektionsprozeß und den beteiligten Bakterien aufzuklären. Im
Vortrag werden einige ausgewählte potentielle Pathogene der Mundhöhle vorgestellt, die klinische
Bedeutung beispielhaft aufgezeigt (Parodontitis, Aktinomykose) und Methoden zur Diagnostik bei
diesen Erkrankungsprozessen (DNA-Sonden, Polymerase-Kettenreaktion) vorgestellt.
69
Neue Aspekte aus nuklearmedizinischer Diagnostik und Therapie
01. Dezember 1998
Lymphszintigraphie - Indikation und Ergebnisse
Priv.-Doz. Dr. med. R. Aurisch
Chefarzt der Klinik für Nuklearmedizin, Krankenhaus Maria Hilf GmbH, Mönchengladbach
1. Diagnostik des Lymphödems: Die Differentialdiagnose zwischen physiologischen und
pathologischen Lymphdrainageverhältnissen der unteren Extremitäten ist mit Hilfe der qualitativen
und semiquantitativen Lymphszintigraphie sicher möglich, latente Lymphödeme können
identifiziert werden und die Unterscheidung zwischen primärem und sekundärem Lymphödem ist
mit Ausnahme der „gemeinsamen Endzustände“ mit ausreichender Sicherheit zu treffen.
Therapeutische Konzepte, prognostische Einschätzungen und Beurteilungen des Therapieerfolges
werden durch die Lymphszintigraphie unterstützt.
2. Die Lymphabstromszintigraphie: wird präoperativ und intraoperativ in der Melanom- und
Mammatumor-Chirurgie angewendet. Neben der Lokalisationsdiagnostik der Lymphbahnen (in
Vorbereitung der Kontinuitätsdissektion vor Melanom-Operationen) spielt vor allem die
Identifikation des/der Wächterlymphknoten („sentinel lymph node“) eine wesentliche Rolle. Eigene
Untersuchungen haben gezeigt, daß das Konzept der Wächterlymphknoten jedoch nicht kritiklos
übernommen werden sollte.
3. Lymphlecks (insbesondere des Ductus thoracicus) können nach oraler Applikation 1-123-
markierter langkettiger Fettsäuren als Aktivitätsaustritte während der Lymphpassage durch den
Ductus thoracicus sichtbar und lokalisierbar gemacht werden, wonach dann die gezielte chirurgische
Intervention erfolgen kann.
Die Lymphszintigraphie erbringt bei gezielter Indikationsstellung klinisch relevante Ergebnisse. Die
Grenzen der Methode müssen jedoch dem anfordernden Arzt bekannt sein, damit dieses
nuklearmedizinische Untersuchungsverfahren nicht durch unberechtigte Erwartungen überfordert
wird.
70
PET mit einer Gammakamera („Molecular Coincidence Detection“) - Ergebnisse im
Vergleich zum Vollring-Scanner
Dr. med. M. Zimny
Klinik für Nuklearmedizin der RWTH Aachen
Ziel ist die Überprüfung physikalischer und patientenbezogener Parameter einer PET-fähigen
Doppelkopf-Gammakamera (DK-PET) im Vergleich zum Vollring-PET (V-PET) als
Referenzverfahren. In der ersten Phase wurden durch Phantommessungen Empfindlichkeit und
räumliches Auflösungsvermögen von DK-PET in der Basisversion im Vergleich zum V-PET
untersucht. Zusätzlich erfolgten Vergleichsuntersuchungen an 50 onkologischen Patienten. Die
Phantommessungen zeigen bei vergleichbarer räumlicher Auflösung (ca. 6 mm) eine geringere
Empfindlichkeit von DK-PET im Vergleich zu V-PET, bezogen auf Impulsausbeute (91
cps/KBq/ml/cm vs. 231cps/KBq/ml/cm) und Detektion simulierter Herdbefunde unterschiedlicher
Größe (1,6 cm vs. 1,0 cm). Die Patientenuntersuchungen ergeben konkordante Befunde zwischen
DK-PET und V-PET bei Herden ≥ 2 cm unabhängig von der Körperregion, in der Kopf/Halsregion
bei Herden ≥ 1,5 cm. Damit ist DK-PET zunächst zur differentialdiagnostischen Abklärung unklarer
Raumforderungen mit einer Mindestgröße von 1,5-2 cm für den klinischen Einsatz geeignet. Die
geringste Detektionsrate findet sich im Thorax (67 %) - erklärbar durch inhomogene, wechselnde
Schwächungsmdien. In der 2. Phase nach Implementierung einer Schwächungskorrektur zeichnet
sich für DK-PET eine Steigerung der Detektionsrate bei kleinen Herden, insbesondere auch im
Thorax ab (83 %). In der 3. Phase ist von DK-PET durch Modifikation der Akquisition (Totzeit-
und Streustrahlenkorrektur) sowie der Bildrekonstruktion (3D-Rebinning) eine weitere
Verbesserung zu erwarten.
71
Therapiemonitoring maligner Lymphome mit Fluor-18-Fluordeoxyglukose und PET
Dr. med. U. Cremerius
Klinik für Nuklearmedizin der RWTH Aachen
Maligne Lymphome sind, abgesehen von wenigen Ausnahmen (z.B. Immunozytome), durch die
Positronen-Emissions-Tomographie (PET) mit dem Glukoseanalogon Fluor-18-Fluordeoxyglukose
(FDG) darstellbar, da sie eine deutlich erhöhte Glukoseutilisation gegenüber Normalgeweben
aufweisen. Ein diagnostisches Problem bei der Behandlung maligner Lymphome stellt insbesondere
die Dignitätsbeurteilung von morphologischen Restbefunden nach Therapie dar, hier ist durch die
Computertomographie häufig keine zuverlässige Differezierung zwischen residualem aktivem
Tumorgewebe und Narbengewebe möglich.
Ziel unserer Arbeitsgruppe war es, die klinische Wertigkeit der FDG-PET zur Beurteilung des
posttherapeutischen Remissionsstatus von Lymphompatienten zu überprüfen. Hierzu wurden die
Erkrankungsverläufe von 85 Patienten retrospektiv analysiert, welche von August 1990 bis Juni
1997 mit FDG-PET untersucht wurden. Die Dauer der medianen Verlaufsbeobachtung betrug 15
Monate (2-72 Monate), währenddessen erlitten 29 Patienten ein Rezidiv und 19 verstarben. In einer
multivariaten Analyse erwiesen sich FDG-PET (p < 0,0001; relatives Risiko 13,9) und Serum-LDH
(p < 0,025; relatives Risiko 2,9) als signifikante unabhängige Prognosefaktoren zur Vorhersage des
progressionsfreien Überlebens und waren gegenüber anderen etablierten Faktoren (Stadium,
Rezidivstatus und Zahl applizierter Chemotherapieprotokolle) überlegen. Dies beweist den hohen
Stellenwert der FDG-PET zum Therapiemonitoring von Patienten mit malignen Lymphomen.
72
Aktivierungsuntersuchungen mit PET vor Neurochirurgischen Eingriffen
Dr. med. M. Schreckenberger
Klinik für Nuklearmedizin der RWTH Aachen
Die Positronenemmissionstomographie (PET) mit 18F-Fluorodeoxyglukose (18-FDG) ermöglicht
die Erfassung der mit (senso)motorischen und kognitiven Prozessen assoziierten
neurometabolischen Vorgänge. Ziel unserer interdisziplinären Studie war die Etablierung und
klinische Evaluierung der Aktivierungs-PET im Rahmen der Operationsplanung intrakranieller
Raumforderungen, um mittels präoperativer Darstellung funktionell relevanter Hirnareale das
Risiko einer intraoperativen Schädigung dieser Regionen zu minimieren. 32 Patienten mit
intrakraniellen Raumforderungen unterschiedlicher Dignität (Gliome, Metastasen, Meningeome)
wurden in Abhängigkeit von Symptomatik und Tumorlokalisation entweder motorisch oder
sprachlich aktiviert und die aktivierten Hirnareale in den individuellen 3D-MRT-Datensatz des
Patienten projiziert (PET/MRT-Overlay). Die PET-Befunde wurden bei den motorisch aktivierten
Patienten mit dem Ergebnis der intraoperativen Elektrostimulation des Kortex verglichen. Hierbei
fand sich bei ca. 90 % der untersuchten Patienten eine Konkordanz von präoperativer PET und
intraoperativer Elektrostimulation. Die sprachaktivierten Patienten, die nicht intraoperativ stimuliert
wurden, wiesen in keinem Fall eine postoperative Aphasie auf. Zusammenfassend ermöglicht die
Aktivierungs-PET mit 18-FDG prächirurgisch die nicht-invasive genaue Abschätzung der
räumlichen Beziehung zwischen funktionell relevanten Kortexarealen und der Tumorregion.
73
Ergebnisse der Radioiodtherapie bei Morbus Basedow
Priv.-Doz. Dr. med. O. Sabri
Klinik für Nuklearmedizin der RWTH Aachen
Bei den definitiven Behandlungsmethoden des Morbus Basedow (MB) werden im Rahmen von
prospektiven randomisierten Studien für die subtotale Thyreoidektomie Erfolgsraten von 92-97 %,
für die einzeitige Radioiodtherapie (RIT) hingegen Erfolgsraten von nur 70-80 % beschrieben. Da
eine simultan durchgeführte thyreostatische Behandlung Aufnahme (Uptake) und effektive
Halbwertszeit (HWZ) von 131I bei der RIT reduzieren kann, und andere Studien negative Effekte
auf die Erfolgsraten diskutieren, wurde eine empirische Erhöhung der verabreichten 131I-
Aktivitätsmenge vorgeschlagen, um die Erfolgsraten signifikant zu steigern. Es sollte daher der
Einfluß simultaner Thyreostase auf die Erfolgsrate der RIT des MB bestimmt werden, wenn auch
unter Thyreostase eine Energiedosis von 250 Gy an der Schilddrüse (SD) sichergestellt war. 207
Patienten mit MB (106 mit [TS] vs. 101 ohne [NTS] simultane Thyreostase zum Zeitpunkt der
RIT) wurden untersucht. Es wurden oral 716 ± 357 vs. 565 ± 233 MBq 131I (p < 0,0005) appliziert,
um eine vergleichbare Energiedosis (256 ± 94 vs. 252 ± 75 Gy) zu gewährleisten. Die signifikant
höhere Aktivitätsmenge bei den TS-Patienten war notwendig, um die signifikant niedrigeren
Uptake-(51 ± 15 vs. 58 ± 15, p < 0,005) und HWZ-(5,2 ± 1,1 vs. 5,8 ± 1,3, p < 0,005)-Werte
auszugleichen. Alle Patienten wurden 3, 6 und 12 Monate nach RIT kontrolliert. Als Therapieerfolg
wurde eine nach RIT auftretende Hypothereose gewertet, als Versager eine Rezidivhyperthyreose.
Die 101 NTS-Patienten zeigten eine signifikant höhere Erfolgsrate (n = 94 [93 %]) als die 106 TS-
Patienten (n = 52 [49 %]) (p < 0,000005). Stufenweise logistische Regression ergab, daß ein
Therapieerfolg nur in Beziehung zu simultaner Thyreostase (p < 0,00005) und erreichter
Energiedosis (p < 0,025), aber nicht zu fT3, fT4, TRAK oder SD-Volumen stand. Die Erfolgsrate
war 100 % bei NTS-Patienten, die mindestens 200 Gy erreichten. Bei 16 Patienten, deren
thyreostatische Medikation 1-3 Tage vor RIT abgesetzt wurde, konnte ebenfalls ein Therapieerfolg
in 94 % (15/16) erzielt werden. Simultane Thyreostase ist also der entscheidende Negativfaktor
gegen eine erfolgreiche RIT, selbst wenn reduzierte Uptake/HWZ-Werte unter Thyreostase durch
eine signifikant höhere 131I-Aktivitätsmenge ausgeglichen werden, um eine vergleichbare
Energiedosis zu gewährleisten. Wir empfehlen daher, soweit klinisch möglich, ein intermittierendes
Absetzen der Thyreostase mindestens 1 Tag vor Beginn der RIT, um auch bei einzeitiger RIT eine
der Thyreoidektomie vergleichbare Erfolgsrate zu erzielen.
74
Vorhofflimmern - noch immer ein ungelöstes Problem
12. Januar 1999
Pathophysiologie des Vorhofflimmerns
Dr. med. Zarse
Medizinische Klinik I der RWTH Aachen
Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste Arrhythmie im Erwachsenenalter und seit langem
Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Forschung. Erst neuere Untersuchungen an Tiermodellen
gaben jedoch weitgehende Einblicke in seinen Pathomechanismus. Zu Beginn dieses Jahrhunderts
formulierte Garey das Konzept der „kritischen Masse“, welche zur Aufrechterhaltung des VHF
notwendig ist. Untersuchungen an Hundevorhöfen, bei denen ein Vorhofohr mit Aconitin bestrichen
wurde, führten zur Unterscheidung von fokalem VHF und „echtem“ VHF, welches durch die
„multiple wavelet“ Theorie erklärt wird. Als funktioneller Mechanismus der Perpetuation des VHF
wurde der „leading circle reentry“ erkannt, dessen Kreislänge von Leitungsgeschwindigkeit und
Refraktärperiode abhängig ist. Der Begriff „Wellenlänge“ faßt diese elektrophysiologischen
Parameter zusammen. Tiermodelle chronischen VHF zeigen, daß die Wellenlänge kein fixer Wert
ist, sondern durch hochfrequente Stimulation oder Episoden von VHF gesenkt werden kann, was als
„elektrisches Remodeling“ bezeichnet wird. Auch atriale Dilatation führt zu elektrischem
Remodeling und anhaltendem VHF in einem von uns verwendeten Modell atrialer Dilatation am
Langendorff-perfundierten Kaninchenherzen. Aufgrund experimenteller Ergebnisse konnten neue
Methoden der operativen Katheterablation des VHF entwickelt werden.
75
Antiarrhythmische Therapie: Rhythmisierung, Rezidivprophylaxe, Frequenzkontrolle
Dr. med. Th. Fetsch
Klinik für Kardiologie und Angiologie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Vorhofflimmern stellt tatsächlich ein noch weitgehend ungelöstes Problem der Kardiologie dar. Die
aktuelle Diskussion beginnt mit der Definition der Erkrankung sowie der Evidenz der begleitenden
Symptomatik, schließt die Therapieindikation ein und endet mit der Art und Dauer der
Akuttherapie, der Langzeitbehandlung wie auch der Anzahl der Therapieversuche. Zu Beginn der
Behandlung muß die Indikation geklärt werden: Therapie der Symptome, der Arrhythmie selbst
oder Prophylaxe schwerwiegender Komplikationen (z.B. Embolien)? Danach folgt die
Entscheidung der primären Behandlungsstrategie - Rhythmisierung oder Frequenzkontrolle. Die
elektrische Kardioversion gilt heute als allgemein anerkannte Therapie der ersten Wahl zur
Konversion von Vorhofflimmern in Sinusrhythmus, jedoch sind Ausnahmen möglich. Die
Entscheidung zur Rhythmisierung bedingt in der Regel den zweiten Therapieschritt - die
Rezidivprophylaxe. Die Palette möglicher Antiarrhythmika ist groß, jedoch weisen alle die
potentielle Gefährdung des Patienten durch lebensbedrohliche proarrhythmische Wirkungen auf.
Die Auswahl der geeigneten Therapie muß daher die klinische Situation des einzelnen Patienten
berücksichtigen mit individueller Beurteilung von Nutzen und Risiko. Birgt die Rezidivprophylaxe
beim einzelnen Patienten zu große Risiken, so muß oftmals ganz auf die Rhythmisierung verzichtet
und statt dessen mit medikamentöser Frequenzkontrolle die Symptomatik therapiert werden. Ein
ähnliches Vorgehen bietet sich nach vorhergegangenen frustanen Rhythmisierungsversuchen an. Ob
die Dauer der Erkrankung und die Größe des linken Vorhofes Entscheidungshilfen für die Art der
Therapie darstellen, ist heute sehr umstritten. Dagegen belegen neuere Untersuchungen über atriales
Remodeling wieder den aus klinischer Erfahrung bekannten Wert der Kalzium-Antagonisten vor,
während und nach Rhythmisierung. Weiter strittig ist dagegen das in Deutschland gängige Konzept
der Digitalisierung.
Es bleibt zu hoffen, daß die Konzentration wissenschaftlicher Aktivitäten auf alle Aspekte des
Vorhofflimmerns in den nächsten Jahren zu einer wesentlichen Verbesserung der Therapiesicherheit
führen wird.
76
Diagnostisches und therapeutisches Management vor/nach elektrischer bzw. medikamentöser
Kardioversion von Vorhofflimmern
Priv.-Doz. Dr. med. W. Jung, Dr. med. B. Lüderitz
Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik Bonn
Vorhofflimmern (AF) ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung im Erwachsenenalter. Bei
AF muß ab einer Dauer von 48 Stunden mit der Ausbildung von Thromben und daher mit einer
erhöhten Emboliegefahr im Zusammenhang mit einer Kardioversion gerechnet werden. Ein
Vergleich von unkontrollierten Studien zeigt, daß die Embolierate ohne Antikoagulation 5,3 % und
unter einer Blutverdünnung nur 0,8 % beträgt. Die derzeitigen allgemein akzeptierten Richtlinien
empfehlen eine Vorbehandlung mit Antikoagulantien über mindestens 3 Wochen und im Anschluß
an die Kardioversion eine 4-wöchige Nachbehandlung. Bei nichtvalvulärem AF sollte ein INR-
Zielwert zwischen 2 und 3 eingehalten werden. Die Rationale für die antikoagulatorische
Vorbehandlung begründet sich auf der Tatsache, daß innerhalb von 3-4 Wochen die meisten
Thromben aufgelöst werden können.
Ein alternatives Vorgehen zur konventionellen Antikoagulation stellt der Einsatz der
transösophagealen Echokardiographie (TEE) zum Ausschluß von intrakardialen Thromben dar.
Manning und Mitarbeiter konnten in einer Studie bei 94 Patienten zeigen, daß bei Ausschluß eines
Thrombus mit Hilfe des TEE kein Patient eine Thromboembolie nach Kardioversion entwickelte.
Diese initial sehr ermutigenden Ergebnisse konnten in weiteren Untersuchungen jedoch nicht
bestätigt werden. Die Analyse von mehreren Studien bei 712 Patienten zeigte, daß trotz Ausschluß
eines Thrombus im TEE immerhin 17 Patienten ein thrombolisches Ereignis innerhalb von 2-7
Tagen nach Kardioversion aufwiesen.
Als thromboembolische Marker wurden folgende Parameter identifiziert: atriale Kontraktion,
Spontanechos, Vorhofohrflußgeschwindigkeiten. Mehrere Studien zeigten, daß nach Kardioversion
ene Zunahme der Spontanechos und eine Abnahme der Vorhofohrflußgeschwindigkeiten von
unterschiedlicher Ausprägung eintritt. Dieses thrombogene Milieu, das mechanisch induzierte
atriale stunning, wird weder durch die Art und Weise der medikamentösen oder elektrischen
Therapie, sondern durch die Dauer des AF determiniert.
Eine große laufende multizentrische Studie an etwa 6000 Patienten wird beweisen, welches
Verfahren zur Prävention thromboembolischer Komplikationen besser geeignet ist, das
konventionelle antikoagulatorische Vorgehen oder der Einatz der TEE.
77
Vorhofflimmern und Antikoagulation
Dr. med. Ch. Stellbrink
Medizinische Klinik I der RWTH Aachen
Neben der antiarrhythmischen Therapie bei Vorhofflimmern (VHF) kommt der richtigen
Indikationsstellung zur Antikoagulation eine entscheidende Bedeutung zu. Denn Morbidität und
Mortalität bei VHF werden entscheidend durch embolische Komplikationen bestimmt: Das Risiko
von Thromboembolien ist bei nicht-rheumatisch bedingten VHF 5,6-fach, bei VHF auf dem Boden
eines rheumatischen Herzklappenfehlers 17,6-fach erhöht. Etwa 75 % aller Thromboembolien
betreffen zudem das cerebrale Stromgebiet. Daher ist verständlich, daß 6-24 % aller Schlaganfälle
auf eine kardiale Embolie bei VHF zurückgeführt werden. Die Indikation zur Antikoagulation ist
abhängig von Risikofaktoren für systemische Embolien. Bekannte Risikofaktoren sind:
rheumatische Klappenfehler, linksventrikuläre Dysfunktion bzw. Herzinsuffizienz, vergrößerter
linker Vorhof bzw. linksatrialer Thrombus, arterielle Hypertonie, stattgehabte Embolien, Zustand
nach Myokardinfarkt, Diabetes mellitus sowie Alter > 65 Jahre. Zur Primär- und
Sekundärprophylaxe thromboembolischer Ereignisse bei nicht-valvulärem VHF sind in den letzten
Jahren mehrere Studien publiziert worden. Eine Meta-Analyse dieser Studien belegte eine Senkung
des jährlichen Risikos für einen cerebralen Insult um 68 % unter Gabe von Cumarinderivaten. Die
Antikoagulation sollte mittels der INR („International normalized ratio“) kontrolliert werden, die
auf Grund der besseren Standardisierung dem „Quick“-Wert vorzuziehen ist. Der INR-Wert sollte
bei nicht-valvulärem VHF bei 2,0-3,0 liegen, um das Risiko sowohl embolischer als auch
hämorrhagischer Komplikationen zu minimieren. Bei valvulär bedingtem VHF ist eine höhere
Atikoagulantiendosis erforderlich (INR 3,0-4,0). Der Stellenwert der Acetylsalicylsäure (ASS) zur
Embolieprophylaxe ist nicht endgültig gesichert, da nicht alle Studien eine Senkung der Ereignisrate
unter ASS zeigen konnten. Da die Substanz dem Warfarin unterlegen ist, ist ASS lediglich induziert
bei 1) prinzipieller Indikation zur Antikoagulatin, aber auch vorhandenen Kontraindukationen gegen
Cumarinderivate und 2) jungen Patienten (< 60 Jahre) ohne Risikofaktor für Embolien. In der
zweiten Gruppe ist jedoch auch der völlige Verzicht auf eine Antikoagulation gerechtfertigt, da das
Risiko eines Insults in dieser Gruppe sehr niedrig ist.
78
Schrittmachertherapie bei Vorhofflimmern
Dr. med. Diem
Medizinische Klinik I der RWTH Aachen
Die klassische Indikation für den Einsatz von Schrittmachern bei Vorhofflimmern ist die
Bradyarrythmia absoluta. Diese macht etwa 19 % aller Schrittmacher-Indikationen aus. Beim
Bradykardie-Tachykardie-Syndrom, das in die Gruppe der Sinusknotendysfunktionen gehört, konnte
gezeigt werden, daß vorhofgesteuerte Schrittmachersysteme im Vergleich zu rein ventrikulären
Systemen die Inzidenz von Vorhofflimmern, das Risiko thrombembolischer Ereignisse und die
Mortalität senken können. Solange es keinen kurativen Ansatz in der Therapie des Vorhofflimmerns
gibt, ist eine palliative Option vor allem bei Patienten mit therapierefraktärem, tachykardem
Vorhofflimmern die His-Bündel-Ablation mit konsekutiver Implantation eines Schrittmachers.
Moderne Schrittmachersysteme ermöglichen den automatischen Moduswechsel vom
vorhofgesteuerten in den DDI-Modus bei Auftreten von Vorhofflimmer-Episoden.
Akutelle Studien weisen auf einen möglichen Nutzen der Schrittmachertherapie in der Prävention
von Vorhofflimmern hin. So hat man insbesondere bei Patienten mit verlängerten intraatrialen
Leitungszeiten der biatrialen Stimulation eine protektive Wirkung hinsichtlich der Entstehung von
Vorhofflimmern beobachtet. Auch die uniatriale Stimulation könnte möglicherweise die Häufigkeit
von Vorhofflimmer-Episoden reduzieren, wobei spezielle Stimulationsalgorithmen und der
Stimulationsort (z.B. Vorhofseptum) eine Rolle zu spielen scheinen. Zur präventiven Stimulation
bei Vorhofflimmern gibt es bisher jedoch wenig gesicherte Daten.
Der implantierbare Atrioverter ermöglicht neben der intrakardialen Kardioversion auch die
Überstimulation von Vorhofflimmern in der Entstehungsphase.
79
Sterbebegleitung, Sterbehilfe. Aktuelle Aspekte zu Medizin, Ethik und Recht.
02. Februar 1999
Therapiebegrenzung und Therapieabbruch. Ethische und rechtliche Aspekte.
Priv.-Doz. Dr. rer. soc., Dr. med. habil. S. Reiter-Theil, Dipl.-Psych.
Zentrum für Ethik und Recht in der Medizin, Universitätsklinikum Freiburg
Der Themenschwerpunkt Therapiebegrenzung und Therapieabbruch oder der passiven
Sterbehilfe wirft schwierige und teilweise ungelöste Fragen auf, die eine interdisziplinäre
Untersuchung erfordern.
In der praktisch-klinischen Medizinethik sind wir im Alltag häufig mit Problemen konfrontiert, den
authentischen Willen des Patienten in der Entscheidungssituation zu ermitteln und dabei das Wohl
des Patienten im Auge zu behalten. Dies gilt besonders in Situationen, in denen der Patient akut
oder vital gefährdet und dabei nicht entscheidungsfähig ist, wie das zum Beispiel häufig in der
internistischen Intensivmedizin zutrifft. Deshalb kommt den Versuchen, den Patientenwillen im
voraus zu dokumentieren oder für eine angemessene Substituierung durch Personen seines
Vertrauens zu sorgen, große Bedeutung zu.
Die aktuellen Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung (1998) haben der
Patientenverfügung und der Vorsorgevollmacht neuerdings - gegenüber den älteren einschlägigen
Richtlinien der BÄK (1993 und 1997) - einen höheren Stellenwert eingeräumt. Diese Optionen der
Willensdokumentation oder -vertretung werden ausdrücklich als wichtige Hilfestellungen für die
Entscheidungsfindung gewürdigt.
Am Freiburger Universitätsklinikum werden im Rahmen des 1996 gegründeten Zentrums für Ethik
und Recht in der Medizin (ZERM) Ethik-Konsile angeboten und durchgeführt, die die
Entscheidungsfindung in kritischen Situationen erleichtern sollen. Ein Fallbeispiel zeigt, welche
Schwierigkeiten im einzelnen bestehen und worin die praktische und ethische Bedeutung einer
Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht liegt.
Ein weiteres Beispiel zur Veranschaulichung der vielschichtigen Probleme in der Betreuung von
Patienten am Lebensende stellt das Betreuungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am
Main zum "Behandlungsabbruch durch Einstellung der Sondenernährung" dar. Beide Beispiele
dokumentieren. welch nachhaltige Probleme gerade bei nicht kommunikationsfähigen Patienten
bezüglich der Behandlungsführung, der Fortsetzung oder Einschränkung, und erst recht der
Beendigung einer Therapie bestehen.
80
Kaum jemand - von leidenschaftlichen Juristen abgesehen - wird das Gerichtsverfahren als einen
"Königsweg" für die Lösung von Problemen der Entscheidungsfindung zur Behandlung am
Lebensende ansehen. Auch bei besten Voraussetzungen aller Beteiligten, einschließlich der Juristen,
tendieren Gerichtsverfahren dazu, langwierig und aufwendig zu werden, vor allem aber bringen sie
eine Fülle von juristischen Detailfragen und zusätzlichen Problemen hervor, die für den
Nichtspezialisten kaum mehr nachzuvollziehen sind.
Als weitere Kandidaten für "Königswege" der Problemlösung werden empfohlen: 1. die
Entscheidung durch den kompetenten Arzt im Sinne des traditionellen Paternalismus und 2. die
Entscheidung durch den kompetenten Patienten. Ethisch, rechtlich und praktisch müssen diese
beiden Wege aber vielmehr als Komponenten in ein vernünftiges Ergänzungsverhältnis zueinander
gebracht werden. Dieses Ergänzungsverhältnis zu finden, besonders in Situationen, in denen der
Patient selbst nicht an der Beratung teilnehmen kann, ist eine der Herausforderungen der heutigen
Medizin.
Auf diesem Hintergrund wird für die Einrichtung von Ethik-Konsilen in Krankenhäusern nach dem
Freiburger Modell plädiert. Das Ethik-Konsil kann dazu beitragen, in dem hier zur Diskussion
stehenden Problemkreis der Behandlungsbegrenzung im weitesten Sinn (1.) den Patientenwillen
sorgfältig und unvoreingenommen zu ermitteln und (2.) mit dem Wohl des Patienten
auszubalancieren. Das Ethik-Konsil stellt (3.) auch eine nicht zu unterschätzende Hilfe für die
ärztlichen Entscheidungsträger dar, wenn sie aktuell oder in der Folge von Maßnahmen bzw. deren
Unterlassung argumentative Stützung brauchen. Im Hinblick auf gerichtliche Verfahren sollten die
Ergebnisse des Ethik-Konsils auch dokumentiert werden. Die Empfehlung lautet dabei keineswegs,
daß das Ethik-Konsil uns von den genannten Problemen "befreien" wird, sondern vielmehr, daß die
transparente und ethisch informierte Reflexion in einer kompetenten Runde manche schwierigen
Entscheidungen erleichtern und für die Betroffenen wie auch die Beteiligten eine Hilfe sein kann.
Über die konkreten Möglichkeiten der praktischen Durchführung - Zugang, Setting, Methode,
Kompetenz und Qualitätssicherung - gibt es inzwischen auch im deutschsprachigen Raum einen
überregionalen Diskurs und Erfahrungen der beteiligten lokalen Arbeitsgruppen (nähere
Informationen bei der Autorin).
Literatur
• Reiter-Theil S, Hiddemann W (1999) Ethik in der Medizin. Bedarf und Formen. Internist 40:
246-254
• Reiter-Theil S (1998) Therapiebegrenzung und Sterben im Gespräch zwischen Arzt und Patient.
Ein integratives Modell für ein vernachlässigtes Problem. Ethik Med 10: 74-90
81
• Reiter-Theil S (1998) Medizinethische und rechtliche Aspekte der Patienten-Verfügung:
Kontroverse und Empfehlungen. Krankenhaus und Recht 5: 17-24
Anschrift
Priv.-Doz. Dr. S. Reiter-Theil
Zentrum für Ethik und Recht in der Medizin
Universitätsklinikum Freiburg
Elsässer Str. 2m, 1a
79110 Freiburg
Tel.: 0761/270-7267/6
Fax: 0761/270-7268
82
Habilitationsanwärter stellen sich vor
09. Februar 1999
Konventionell fraktionierte Strahlentherapie des Glioblastoma multiforme
Dr. med. U. M. Schleicher
Klinik für Strahlentherapie der RWTH Aachen
Das Glioblastoma multiforme, mit 50-60 % häufigster maligner Hirntumor des Erwachsenen,
zeichnet sich durch die extrem schlechte Prognose aus. So liegt nach Literaturangaben die mediane
Überlebenszeit nach alleiniger Operation des Tumor bei 17,5 Wochen und kann durch eine
postoperative adjuvante Strahlentherapie auf 37,5 Wochen gesteigert werden. Das Bestreben aller
an der Behandlung Beteiligter ist es, durch Modifikation der Behandlungsmodi die Prognose zu
verbessern. Seitens der Strahlentherapie bestehen diese Modifikationen in einer Dosiserhöhung
durch Boosttechniken mittels intraoperativer Bestrahlung, Stereotaxie oder Brachytherapie und in
Veränderungen der Fraktionierung. Die Beurteilung der Effektivität solcher Behandlungsschemata
bedarf wegen der damit verbundenen höheren Belastung für den Patienten des Vergleiches mit den
Ergebnissen der konventionellen Therapie.
In den Jahren 1990 bis 1996 wurden in der Klinik für Strahlentherapie 145 Patienten mit
histologisch gesichertem Glioblastom postoperativ bestrahlt. Die mediane Überlebenszeit der
Patienten lag bei einem Jahr (Mittelwert 19 Monate), die Zeit bis zur radiologischen Diagnose eines
Tumorrezidivs betrug im Median 170 Tage (Mittelwert 238 Tage). Die Analyse der
Überlebensdaten ergab keinen signifikanten Einfluß von Tumorgröße, Resektionsausmaß, und
Chemotherapie, sondern nur für das Patientenalter und die Bestrahlungsdosis (höher oder geringer
als 48 Gy Zielvolumendosis). Diese Ergebnisse liegen im Rahmen der hyperfraktionierten und
CHART - Schemata, so daß wir derzeit bei besserer Praktikabilität und Verträglichkeit keine
Notwendigkeit zu einer Umstellung der strahlentherapeutischen Technik sehen.
83
Das persistierende Foramen ovale: Klinische Bedeutung, Diagnostik und therapeutische
Alternativen
Dr. med. A. Franke
Medizinische Klinik I der RWTH Aachen
Das persistierende Foramen ovale (PFO) hat mit ca. 30% eine hohe Prävalenz in der
Gesamtbevölkerung. In den vergangenen Jahren wurde zunehmend seine Bedeutung als potentieller
Weg gekreuzter Embolien insbesondere bei jüngeren Patienten mit einem embolischen cerebralen
Ereignis erkannt und daher nach zuverlässigen Methoden der Diagnostik und Therapie gesucht. In
der Diagnostik des PFO sind sonographische Verfahren (transthorakale und transösophageale
Echokardiographie, transcranielle Doppler-Sonographie) die Methode der Wahl. Neuere technische
Entwicklungen (das sog. Harmonic Imaging) ermöglichen es, die bisherige semi-invasive
transösophageale z.T. durch die weniger unangenehme und aufwendige transthorakale
Untersuchung ohne einen Verlust an Sensitivität zu ersetzen.
Therapeutische Alternativen sind die medikamentöse Therapie
(Thrombozytenaggregationshemmung oder Antikoagulation) und interventionelle Verfahren
(Chirurgischer Verschluß am offenen Herzen oder katheterinterventioneller Verschluß). Bei der
Entscheidung müssen die Risiken des Spontanverlaufes ebenso wie die Embolierisiken und
Komplikationsraten der verschiedenen Therapieformen diskutiert und abgewogen werden.
Insbesondere der erst in den vergangenen Jahren entwickelte Ansatz des katheterinterventionellen
Verschlusses bietet einen guten Kompromiß zwischen den Risiken der Therapie und der Rezidiv-
Embolie.
84
Pathophysiologie des Syndroms der polyzystischen Ovarien
Dr. med. K. Grunwald
Frauenklinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der RWTH Aachen
Das Syndrom der polyzystischen Ovarien (früher Stein-Leventhal-Syndrom, PCO-Syndrom) ist die
Folge von heterogenen Störungen, die letzlich eine Veränderung des intraovariellen Androgen-
Östrogen-Gleichgewichtes bewirken. Gemeinsam ist den unterschiedlichen Formen des PCO-
Syndroms die ovarielle Hyperandrogenämie mit mehr oder weniger ausgeprägter Zystenbildung
eines oder beider Ovarien. Ursachen können hypothalamisch/hypophysäre, ovarielle, adrenale und
extragonadale Störungen sein, wobei insbesondere die Hyperinsulinämie als Folge einer bei etwa
der Hälfte dieser Patientinnen zu beobachtenden Insulinresistenz zu nennen ist. Die Konsequenzen
für betroffene Patientinnen umfassen neben der Sterilität und den kutanen Symptomen - wie
Hirsutismus und Akne - auch allgemeine Gesundheitsrisiken. So besteht ein erhöhtes Risiko ein
Endometriumkarzinom zu entwicklen. Weiterhin stellen sowohl die Hyperandrogenämie als auch
die Hyperinsulinämie Risikofaktoren für die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen dar. Die
Sterilitätstherapie bei Patientinnen mit einem PCO-Syndrom ist mit einem hohen Risko der
Überstimulation und der Entstehung höhergradiger Mehrlingsgraviditäten assoziiert; zusätzlich
besteht in der Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko für einen Gestationsdiabetes und eine
Praeeklampsie.
Nach der ersten Beschreibung zystischer Ovarien durch Chereau im Jahre 1844 erschien 1935 die
klassische Arbeit von Stein und Leventhal, in der die Symptomkombination Adipositas, Sterilität
und vergrößerte, polyzystische Ovarien als Syndrom zusammengefaßt wurde.
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Die Apoptose-Kaskade: nur ein programmierter Weg in den Zelltod oder auch
Differenzierungsvoraussetzung?
Dr. rer. nat. B. Huppertz
Institut für Anatomie der RWTH Aachen
Der Prozeß der Apoptose spielt sowohl in der Embryonalentwicklung als auch in der Homöostase
adulter Gewebe eine lebenserhaltende Rolle. Am Epithel von Placentazotten - einem Gewebe, das
schon während seiner Entwicklung sein komplettes Spektrum an Funktionen ausüben muß - soll das
enge Zusammenspiel zwischen Apoptose und Differenzierung aufgezeigt werden. Die
Differenzierung des Zottenepithels, des Trophoblasten, startet mit den proliferativen Stammzellen,
die nach syncytialer Fusion als Stoffwechselbarriere zwischen Mutter und Fetus den
Syncytiotrophoblasten bilden. Dieser wird durch kontinuierliche Fusion mit seinen Stammzellen
funktionstüchtig gehalten.
Methoden: Immunhistochemie mit Antikörpern gegen 20 an der Apoptose beteiligte Proteine;
Enzymhistochemie an Zottenexplantaten und Einzelzellen; Elektronenmikroskopie; Isolierung und
Kultur von Trophoblaststammzellen sowie Syncytiotrophoblastfragmenten.
Die Befunde ergeben, daß die für frühe Apoptosestadien typischen Initiator-Caspasen bereits in den
Stammzellen, nach Ausscheren aus dem Zellzyklus, aktiviert werden und den Phosphatidylserin-
Flip als Voraussetzung für die syncytiale Fusion induzieren. Nach der Fusion wird die Aktivierung
der Exekutions-Caspasen für 2-3 Wochen durch Translation von Bcl-2 und Mcl-1 gehemmt, bevor
die Apoptose fokal im Syncytiotrophoblasten fortschreitet und mit Extrusion der apoptotischen
Kerne abgeschlossen wird. Apoptose-Kaskade und Trophoblastdifferenzierung sind offenbar fest
aneinander gekoppelt.
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Korrelation dopplersonographischer Befunde während der Schwangerschaft mit Befunden
der Blutgefässanatomie der geborenen Plazenta
Dr. med. H. Jörn
Frauenklinik der RWTH Aachen
Einleitung: Bei einem Viertel der Patientinnen sind dopplersonographische Flußdifferenzen von
mehr als 20% zwischen den Nabelarterien nachweisbar. Inwieweit Entwicklungsunterschiede der
Nabelarterien differente dopplersonographische Befunde erklären können und ob diese
Unterschiede durch die Hyrtl'sche Anastomose ausgeglichen werden können, war Ziel unserer
Studie.
Methoden: Im farbcodierten Dopplerverfahren werden beide Nabelarterien in der Mitte der
Nabelschnur an gleicher Stelle und in gleichem Winkel untersucht. Ein erhöhter peripherer
Widerstand wird durch eine Verminderung, Verlust oder Umkehr enddiastolischer Flußmuster
angezeigt. Direkt postpartal werden die Nabelschnurgefäße punktiert und mit heparinhaltiger
Lösung perfundiert. Die Darstellung der Nabelschnurgefäße und ihrer Aufzweigungen erfolgt mit
Methylmethacrylat-Farbstoffen.
Resultate: Entwicklungsunterschiede der Nabelarterien mit ungleichen plazentaren
Versorgungsgebieten (2:1) fanden sich in 10 von 15 Fällen. In 3 von 15 Fällen fehlte die Hyrtl'sche
Anastomose (2 Fälle von Entwicklungsdiskrepanz).
Schlußfolgerungen: Die dopplersonographischen Flußdifferenzen zwischen den beiden
Nabelarterien können durch Entwicklungsunterschiede der Nabelarterien erklärt werden. Klinisch
aussagekräftige Ergebnisse erfordern die Untersuchung beider Nabelarterien.
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Spezifität und Redundanz der Zytokinwirkung: Aktivierung des Signaltransduktors gp130
durch Interleukin-6 und verwandte Zytokine
Dr. med. G. Müller-Newen
Institut für Biochemie der RWTH Aachen
Zytokine und ihre Rezeptoren sind an der interzellulären Kommunikation während
inflammatorischer Vorgänge maßgeblich beteiligt. Das membranständige Glykoprotein gp130 spielt
hierbei eine zentrale Rolle, da es den sogenannten IL-6-Typ Zytokinen (Interleukin-6 (IL-6),
Interleukin-11 (IL-11), leukemia inhibitory factor (LIF), ciliary neurotrophic factor (CNTF),
Oncostatin M (OSM) und Cardiotrophin-1 (CT-1)) als gemeinsame signaltransduzierende
Rezeptoruntereinheit dient.
Gp130 gehört wie der Wachstumshormon-Rezeptor, der Erythropoetin-Rezeptor oder der Leptin-
Rezeptor zur Familie der hämatopoetischen Rezeptoren (auch bekannt als Klasse I
Zytokinrezeptoren). Die extazelluläre Region dieser Rezeptoren zeichnet sich durch die Gegenwart
von mindestens einem cytokine-binding module (CBM) aus. Das CBM besteht aus zwei
Fibronektin-TypIII-ähnlichen Domänen. Die N-terminale Domäne ist durch vier konservierte
Cysteinreste gekennzeichnet, die C-terminale Domäne weist ein WSXWS-Motiv auf. Gp130 zeigt
darüberhinaus im Vergleich zu anderen Rezeptoren dieser Familie einen komplexeren Aufbau der
Ektodomäne. Die funktionelle Bedeutung der Domänenstruktur der gp130 Ektodomäne wurde
hinsichtlich Ligandenbindung und Rezeptoraktivierung im molekularen Detail analysiert. Während
der Modus der Ligandenbindung über das membrandistale CBM innerhalb der Rezeptorfamilie
weitestgehend konserviert ist, sind die membranproximalen Domänen von essentieller Bedeutung
für die Rezeptoraktivierung. Es wird ein neuartiger Aktivierungsmechanismus für die komplexeren
Zytokinrezeptoren diskutiert.