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    EINFHRUNG

    1. DAS HEILIGE L (EUCHELAION)

    Die Kirchen in Ost und West kennen ein liturgisches, sakramentalesl, das rituell fr Kranke angewendet wird. Im Osten heit es Heili-ges l (gr. eujcevlaion [Euchelaion, Segensl, Gebetsl], sl. [Mysterion der lweihe], georg. rehs[tdf ptsbcf[Weihe des les]), im Westen Krankenl (das Sakrament Kranken-salbung, Letzte lung). Die Feier des Heiligen les besteht traditio-nell aus der Weihe von (Pflanzen-) l durch Gebet und seiner nach-folgenden Anwendung am Kranken, hufig in der Form einer Sal-bung. Die gottesdienstliche Ordnung (ordo) der orthodoxen Kir-chen findet man heute im Euchologion (entspricht dem abendlndi-schen Rituale bzw. der Agende), einem liturgischen Buch, das u. a.die Feier der Sakramente regelt. In den orthodoxen Kirchen wirddie Weihe und rituelle Anwendung des Krankenls bei Bedarf anjedem beliebigen Tag und traditionell in jedem Jahr am Mittwoch

    der Karwoche, gelegentlich auch sonst, fr die ganze Gemeinde ge-feiert.

    Das Krankenl unterscheidet sich von den anderen liturgischenlen, die als Heiliges l gelten, so dem l von Heiligen Stttenund besonders dem aromatisierten und feierlich geweihten Myron,das vor allem bei der Initiationsliturgie (Taufe und Firmung) Ver-wendung findet.

    Die im Westen bevorzugte Bezeichnung als Letzte lung bzw.Krankensalbung macht offenbar, dass die Aufmerksamkeit dort derAnwendung des in der Regel vorgeheiligten ls am Krankendient, wohingegen die oben genannten orthodoxen Bezeichnungenin den verschiedenen Sprachen den Kranken nicht eigens erwhnen.

    Dem entspricht, dass sowohl bei der ffentlichen Feier am Karmitt-woch als auch bei der Feier im Haus auer dem Kranken auch Ge-sunde gesalbt werden, da die Wirkung des Euchelaions nicht nur inder Heilung, sondern auch in der Sndenvergebung besteht (vgl. Jac5, 15).

    Im rituellen Vollzug verbindet der byzantinische Osten immer dielweihe mit der Salbung, whrend im Westen die Segnung des lsfr gewhnlich auerhalb der Feier der Krankensalbung erfolgt,nmlich durch den Bischof in der Karwoche.

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    2. FORSCHUNGSGESCHICHTLICHER BERBLICK

    Fr die Liturgiegeschichte des stlichen Krankenls sind die Arbei-ten von Goar1, Dmitrievskij2, Kekelidze3 und Trempelas4 als Quellen-sammlungen grundlegend. Von ihren Ausgaben ist auch die liturgie-wissenschaftliche Erforschung des Euchelaions stark beeinflusst.

    Im vorliegenden Kapitel werden aus der Forschungsgeschichtenur die wichtigsten wissenschaftlichen Arbeiten besprochen; die Ein-zelauseinandersetzung mit ihren Aussagen und Hypothesen erfolgtin der Untersuchung selbst.

    1730 erschien in Venedig postum die zweite Auflage von JACQUESGOARS5 (*1601 Paris, 23.9.1653 Paris) gelehrter Ausgabe des by-zantinischen Euchologions. Der griechische Text von Gebeten undOrdines sttzt sich auf den venezianischen Druck von 1638 und bie-tet auerdem Auszge aus mehreren Euchologion-Handschriften, u.a. dem Barb. gr. 336 (8. Jh.), und verschiedenen byzantinischenLiturgieerklrungen. Den griechischen Texten ist eine lateinischebersetzung und ein Kommentar Goars beigegeben. Die Kranken-salbung ist neben dem textus receptus durch einen multo antiquio-rem Codex Barberinus vertreten. Dieser wurde in der Forschungsehr hufig irrtmlich fr das lteste byzantinische Euchologion, denerwhnten Barb. gr. 336 des 8. Jh. gehalten.6 In Wirklichkeit handelt

    es sich um den Codex Barb. gr. 329 des 12. Jh., wie P. N. Trempelasvon A. Strittmatter OSB erfuhr.7 Die Verwechslung beider Barberini-Codices fhrte zu schwerwiegend fehlerhaften Zeitanstzen bei derRekonstruktion der Entwicklungsgeschichte der Feier des Kranken-les.

    1880 verffentlichte ALEXANDER KATANSKIJ (1836-1919) in derZeitschrift eine liturgiegeschichtliche Studieber das Sakrament der lweihe, fr die er Goars Euchologion, ha-

    1 J. GOAR, Eujcolovgion sive Rituale Graecorum. Paris 1647. Venedig 17302. Nach-druck: Graz 1960.

    2 . DMITRIEVSKIJ, , . Bd. 2. Eujcolovgia. Kiev 1901.

    3 . KEKELIDZE, - . Tiflis 1908.

    4 P. N. TREMPELAS, Mikro;n Eujcologion. Bd. 1. Athen 1950 (Nachdruck 1998).5 H. BRAKMANN, Art. Goar in: LThK3 4 (1995), Sp. 812.6 So noch jngst im Handbuch S. ROSSO, La celebrazione della storia della salvezza

    nel rito bizantino. Misteri sacramentali. Feste e tempi liturgici. Vatikanstadt 2010,402 Anm. 26.

    7 P. N. TREMPELAS, Mikro;n Eujcologion. Bd. 2. Athen 1955. Nachdruck 1998, 5f.Mehrmals erneut korrigiert durch G. FILIAS.

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    giographische und patristische Texte, die Apostolischen Konstitutio-nen (um 380), A. J. BINTERIMS Die vorzglichsten Denkwrdigkei-ten der Christ-katholischen Kirche (1825/32) und schlielich dieBeschreibung dieses Gottesdienstes durch Symeon von Thessalonike( 1429) als Quellen benutzte.8

    Nach Katanskijs Auffassung sind seit den Anfngen des Christen-tums zwei le zu unterscheiden:

    1. ein durch Gebet geheiligtes und fr therapeutische Zwecke be-stimmtes l, wobei dieses Gebet von einem Mnch oder einem Lai-en, gar einer Frau, gesprochen werden konnte, sowie l aus Kir-chenlampen an heiligen Sttten,

    2. das sakramentale l, bezeugt durch den Apostel Jakobos, sp-ter auch durch Origenes, Johannes Chrysostomos u. a., zur Heilungvor allem seelischer Krankheiten, d. h. zur Vergebung von Sn-den, in patristischer Zeit begleitet von einer Handauflegung aufden Kranken.

    A. Katanskij stellt die Vermutung auf, dass Basileios und JohannesChrysostomos neben den eucharistischen Liturgien auch die Ord-nung des Sakraments der lweihe berarbeitet oder neu geschaffenhaben knnten, denn in der Feier des Euchelaions der spteren Co-dices werden einige Gebete diesen Kirchenvtern zugeschrieben.Untersucht wird die Struktur des Sakraments nach dem Barb. gr.329 (12. Jh.), den Katanskij noch mit dem Barb. gr. 336 (8. Jh.) ver-

    wechselt. Deshalb setzt er die zeitliche Entwicklung dieser Feier zufrh an, so z. B. das Auftreten von sieben Konzelebranten und dieVerknpfung von lweihe und -salbung mit dem Stundengebet. Da-bei gibt er die im Codex Barb. gr. 329 erwhnte Pannychis im Rus-sischen mit (Ganznachtvigil = Agrypnie) wieder.

    A. Dmitrievskijs Beschreibung der liturgischen Handschriften,die in den Bibliotheken des orthodoxen Ostens aufbewahrt werdenwar noch nicht erschienen. Also fehlten A. Katanskij Quellen ausdem 10. bis 14. Jh., sodass er seine Arbeit mit der Untersuchung derStruktur der Krankensalbung bei Symeon von Thessalonike fortsetz-te und schlielich zu folgenden Ergebnissen kam: In der Zeit vom 9.bis 15. Jh. wird der liturgische Vollzug der lweihe um einen hym-

    nographischen Kanon9

    erweitert. Kanon + lweihegebet bilden eineGanznachtvigil. Ihr folgt eine Eucharistiefeier, bei der der Krankegesalbt wird. Erst im 14.-15. Jh. umfasst die Feier des Heiligen lesdrei Teile: den Kanon, die lweihe und die Krankensalbung, wobei

    8 . KATANSKIJ, , in: -2 (1880), 92-131.

    9 Siehe GLOSSARs. v.

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    der letzte Teil um die siebenfachen Apostel- und Evangelien-Lesun-gen, begleitet von sieben Gebeten zur siebenmaligen Salbung, erwei-tert wird.

    1881 wurde in Sankt Petersburg NIKANOR ODINCOVS (1852-1906)Arbeit ber die Gottesdienste in der russischen Kirche bis zum 16.Jh., o o

    V , verffentlicht. Darin untersucht der Autor dieFeier des Euchelaions nach vier in Russland aufbewahrten slavischenCodices, von denen zwei, Nr. 1053 und 1054 aus der Sophiensamm-lung der heutigen Russischen Nationalbibliothek in Sankt Petersburg(beide 14. Jh.),10 die berschrift nach Jerusalemer Ordnung tra-gen. Diese besondere Feierform des Euchelaions, inzwischen breiterbezeugt, steht im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit.

    N. Odincov stellte fest, dass diese mit Jerusalem verbundene Formmit der modernen Feier des Euchelaions nur in Gebeten und Lesun-gen weitgehend bereinstimmt, sich im Aufbau jedoch von ihr un-terscheidet. Zwar sei eine griechische Vorlage der slavischen Versionnicht bekannt, doch deute der Name Jerusalemer auf ein verschol-lenes griechisches Modell hin.

    Vier Jahre spter, 1884, erschien in Kazan die Monographie desgroen russischen Liturgiewissenschaftlers und KirchenhistorikersALEKSEJ DMITRIEVSKIJ (1856-1929) ber die liturgische Praxis der rus-sischen Kirche im 16. Jh., XVI -, in der neben den Stundengottesdiensten alle Sakramente unter-sucht werden, darunter die russische Ordnung der lweihe nachden in Bibliotheken und Klstern Russlands aufbewahrten russi-schen Codices des 16. Jh. Sein Ergebnis: die russische Ordnung gibtdie Tradition der griechischen und sdslavischen handschriftlichenQuellen wieder. Um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu dengriechischen Codices zu zeigen, ediert A. Dmitrievskij im Anhangseines Buches die Feier des Euchelaions nach griechischen Codicesdes 14.-15. Jh. aus der Synodal- und aus der Sevastjanov- Sammlungin Moskau. In diesen findet z. B. die Krankensalbung nicht erst amEnde der Feier statt, sondern jeweils nach einem der sieben Lesungs-paare, wobei jeder der Priester dazu die Oration Heiliger Vater,

    Arzt der Seelen und Leiber ... spricht. Einige Besonderheiten derFeier nach den russischen Quellen des 16. Jh. (z. B. Rezitation desGebetes Kaiser, Heiler der Ermatteten ... whrend der InstndigenLitanei, Salbung am Ende der Feier mit der Begleitformel Der Se-

    10 Nheres siehe unten.

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    gen unseres Herrn ...) entsprechen nicht der griechischen, sondernder Tradition der serbischen Kirche.11

    Neben der aufwndigen Normalform der Feier von lweihe undKrankensalbung enthalten einzelne russische Euchologion-Codiceseine verkrzte Fassung der Feier, die im Codex 1062 der Sophien-sammlung die berschrift trgt: Ein anderer Ordo der lweihekurz gefasst der Todesangst wegen.12

    1887 hielt ALEXANDER GOLUBCOV (1860-1911) vor der MoskauerGeistlichen Akademie eine alsbald verffentlichte Vorlesung zur li-turgiegeschichtlichen Entwicklung des Euchelaions,13 ohne freilichbei diesem Anlass die Form der Feier nach Jerusalemer Ordnungzu erwhnen.

    Den allgemeinen Orationen fr Kranke sowie Gebeten bei be-stimmten Krankheiten, etwa Fieber, die ein Priester im Bedarfsfallspricht, ist die Arbeit des russischen Liturgiewissenschaftlers, Kano-nisten und Kirchenhistorikers ALEXANDER ALMAZOV (1859-1920)e (Odessa 1900) gewidmet. Die Orationenwerden von ihm als eine eigene Gruppe (hnlich wie andere Gebetefr verschiedene Anle), unabhngig von der liturgischen Ordnungder lweihe, nach einer begrenzten Anzahl griechischer Codices inRom, Paris und Moskau untersucht. Dabei stellt Almazov folgendesfest:

    Die in den griechischen Euchologia zusammengetragenen allge-

    meinen Krankengebete sind schon frh als eine separate Gruppe un-ter den Orationen fr verschiedene Zwecke in den Codices der Bar-berini-Sammlung in Rom belegt. Diese Codices bezeichnet Almazovals westgriechisch. Da eine solche geschlossene Gruppe in den sog.nichtwestgriechischen Codices fehlt, hlt Almazov sie fr eine Be-sonderheit der westgriechischen Euchologia, die in den westlichenRandgebieten der byzantinischen Kirche entstand und dort in dieCodices eingefgt worden sei. Dafr spreche auch die Tatsache, dasssolche Orationen-Reihen in die spteren griechischen Euchologiakeinen Eingang gefunden haben.14

    11 A. DMITRIEVSKIJ, XVI. Kazan 1884 408. 415.12 Ebd., 414.13 GOLUBCOV A. P., [],

    in: . 42/3 (1888), 113-130.14 ALMAZOV, 10. Zu diesem korrekturbedrftigen Ergebnis kommt Almazov wegen

    des Mangels an untersuchten Codices sowie wegen seiner Betrachtung der Kran-kengebete auerhalb des Kontextes der liturgiegeschichtlichen Entwicklung desEuchelaions von der Rezitation einzelner Gebete zu einer aufwndigen Feier mitvielen Orationen.

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    Die Bildung von Gruppen der Krankengebete hat nach Almazovrein praktische Grnde: Die Schreiber stellten verschiedene ihnenbekannte Orationen zusammen, damit sich die Priester in der Praxisdas jeweils passende Gebet aussuchen konnten. Das Zusammentra-gen der Orationen verschiedener lokaler Traditionen (man schrieballe Gebete auf, da man keines von ihnen bevorzugen wollte) fhrtein der Folge zur Mischung unterschiedlicher liturgischer Gebruche,denn man verwendete nun in seinem Gebiet auch Gebete andererRegionen.15 Aus solchen Orationen-Reihen habe sich ein besondererGottesdienst fr weniger schwer Erkrankte entwickelt, der als eineErgnzung von lweihe und Krankensalbung zu betrachten sei, daer, wie im Codex Vat. gr. 1554 (12. Jh.), auch der lweihe folgenkann. In den spteren Codices sei er jedoch nicht mehr anzutref-fen.16

    Weiter stellt Almazov fest, dass in der slavischen Tradition die all-gemeinen Krankengebete erst im 11. Jh., im Euchologium Sinaiti-cum, auftauchen. ber die sdslavische liturgische Tradition gelan-gen die Orationen in die russischen Euchologion-Codices. Die allge-meinen Krankengebete sind bersetzungen aus dem Griechischen;die Gebete fr bestimmte Krankheiten knnten, so meint er, ausapokryphen Heilungsbchern entnommen sein.

    Whrend die Serie der Krankengebete aus den griechischen Eu-chologia der spteren Zeit verschwindet, bleibt sie in russischen Eu-

    chologia des 15. bis 17. Jh. reichlich erhalten und wird von Almazovim Anhang seiner Monographie verffentlicht.

    In den Jahren 1895 bis 1917 erschien in Kiev und Petrograd dasdreibndige Werk des bereits erwhnten groen russischen Liturgi-kers ALEKSEJ DMITRIEVSKIJ (1856-1929) -, , das inder Forschungsgeschichte ein neues Zeitalter erffnete. Denn Dmi-trievskijs Beschreibungen der Typikon- und Euchologion-Codices des9. bis 19. Jh. in den Bibliotheken des orthodoxen Ostens auf demSinai und Athos, in Alexandrien, Jerusalem, Konstantinopel und Pa-ris schlieen Exzerpte, mitunter komplette Abschriften der Ordines

    15 ALMAZOV, 14-16.16 ALMAZOV, 16-18, noch mit Datierung des Vat. gr. 1554 in das 10. Jh. Bei dem von

    Almazov angesprochenen Gottesdienst handelt es sich um die Pannychis, dieabends oder morgens vor der lweihe und der Salbung des Kranken stattfand. Alssich das Euchelaion von der Eucharistiefeier lste und verselbststndigte, bildetenunmehr die Pannychis seinen ersten Teil. Daher verwundert es nicht, dass der ge-sonderte Gottesdienst (die Pannychis) fr einen Kranken in spteren Codices nichtmehr zu finden ist. Nheres siehe unten Seite 50f. 58. 62-64.

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    ein, wenn diese vom textus receptus der byzantinischen Kirche ab-weichen.

    Im Anschluss daran verffentlichte ein weiterer russischer Theo-loge einen Beitrag zur Liturgiegeschichte des Sakraments der lwei-he und Krankensalbung. In seinem Beitrag in der Zeitschrift 2(1903), 44-59 untersucht ALEXANDER PETROVSKIJ (1868-1929) erst-mals die dank Dmitrievskij bekannten Euchologion-Handschriftendes In- und Auslands und stellt folgendes fest:

    Die Geschichte des Sakraments durchluft zwei Etappen: vom 9.bis 14. Jh. und vom 14. Jh. bis zur Gegenwart. In der ersten Periodewird das Euchelaion mit drei Gottesdiensten verbunden: mit derVesper, dem Orthros (Morgenoffizium) und der Liturgie (Euchari-stiefeier).

    In der zweiten Phase, also seit dem 14. Jh., wird es zu einer selbst-stndigen Akoluthie, wobei der Orthros den ersten Teil der neuzeit-lichen Feier bildet und unter dem Einfluss der Liturgie sieben Apos-tel- und Evangelien-Lesungen in die Feier von lweihe und Kranken-salbung eingefgt werden.

    Ebenfalls im 14. Jh. finden andere, kleinere nderungen in derFeier der Krankensalbung statt, die in der modernen Praxis fortle-ben: die Gebete zu den sieben Lesungspaaren, die siebenfache Sal-bung des Kranken, und zwar nicht am Ende der Feier, sondern nach

    jedem Perikopenpaar sowie die abschlieende Handlungen der Fei-er.

    Eine weitere Quellensammlung, diesmal aus georgischen Hand-schriften, stellte KORNELI KEKELIDZE (1879-1962) bereit, als er 1908in Tiflis auf Anregung seines Lehrers A. Dmitrievskij17 das Werk - verffentlichte. Zum ersten Mal wur-den damit die im damaligen Russischen Reich aufbewahrten georgi-schen liturgischen Handschriften vom 9. Jh. bis in das 18. Jh. aufRussisch beschrieben und exzerpiert und so der ffentlichkeit zu-gnglich gemacht.

    Die nchste der Geschichte des Krankenles gewidmete groe Ar-

    beit gehrt dem Priestermnch VENEDIKT ALENTOV (1880-1938):

    . - - . - -

    17 KEKELIDZE 1908, S. V, Anm. 1.

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    und erschien 1917 in Sergiev-Posad.18 Die Monographie widmetsich der Entwicklungsgeschichte der Krankensalbung anhand liturgi-scher Quellen, Schriften der Kirchenvter, Heiligenviten, griechi-scher wie slavischer handschriftlicher und gedruckter Euchologia.Sie dokumentiert die Entwicklung von einzelnen Gebeten zu einermit mehreren Gottesdiensten (in der Regel Orthros und Liturgie)verbundenen Feier der Heiligung und Anwendung des Krankenlesbis zur Ausbildung einer ganz eigenstndigen Form, wobei diese Ele-mente des Orthros (z. B. den Kanon im ersten Teil der Feier) undder eucharistischen Liturgie (Lesungen) bewahrt wurden.

    Die Feier des Heiligen les nach Jerusalemer Ordnung be-schreibt Alentov nach den drei in der heutigen Russischen National-bibliothek in Sankt Petersburg aufbewahrten Codices: den bereitsoben erwhnten Handschriften der Sophiensammlung Sof. 1053 und1054 (beide 14. Jh.), in denen die lweihe mit einer Agrypnie (Vigil)verbunden ist, und nach dem Codex Nr. 21 der Sammlung Hilfer-ding (13.-14. Jh.), in dem die Feier sich verselbststndigt hat. Die inBelgrad aufbewahrte sdslavische Handschrift Gruji 3-I-65 mit der-selben Ordnung der lweihe wie in Sof. 1053 und 1054 kannteAlentov nicht. Da sowohl die lngere Fassung der Feier (nach Sof.1053 und 1054) als auch ihre krzere Fassung (nach Hilferding 21)Jerusalemer Ursprung beanspruchen, schliet Alentov, dass die An-gabe Jerusalem im Titel der Ordnung sich sowohl auf ihre Struk-

    tur (bei der langen, mit einer Agrypnie verbundenen Feier) als auchauf ihren individuellen Inhalt (der langen und kurzen Fassung)beziehe. Zwar sei ein gleichartiges griechisches Modell nicht be-kannt, die slavische Ordnung sei aber als eine bersetzung aus demGriechischen zu betrachten.

    Schon ein Jahr spter wurde die slavische Feier des Euchelaionsnach Jerusalemer Ordnung auch im Westen bekannt, nmlich durchden Aufsatz Le rite de lExtrme-Onction dans lglise grco-russevon M. J. ROUT DE JOURNEL in: Revue de lOrient Chrtien 3e sr. 1(1918/1919), 40-72. Die Deutung Alentovs ist darin unverndertbernommen.

    Der soeben erwhnte sdslavische Codex Gruji3-I-65 des 13. Jh.

    wurde 1926 in der Kirche des hl. Athanasios in Premca bei Kievo inMazedonien entdeckt. Er enthlt eine Feier des Heiligen les, die

    mit der langen Fassung in Sof. 1053 und Sof. 1054 identisch ist. DerAnfang des Codex fehlt heute und damit auch die berschrift, dievermutlich gleichfalls nach Jerusalemer Ordnung geheien haben

    18 Der Originaldruck ist s ehr selten, daher sttzen wir uns in der vorliegenden Arbeitauf den Nachduck: Kiev 2004.

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    wird. Eine sprachliche und palographische Beschreibung des Codexverffentlichte VLADIMIR ROZOV 1934 im in Skopje. Ihm zufolge handelt es sich um eine Hand-schrift mit serbischem Text nach einer kirchenslavischen Vorlage mitmazedonischem Einfluss. Die Sprache hnelt der des Miroslavl-Evan-geliums (12. Jh.). Daher vermutet Rozov, dass der Codex aus dersog. Ochrider Schule stammt.

    Eine Edition der Feier der lweihe nach Gruji 3-I-65 erfolgte1976 durch PRIBISLAV SIMI in . . Eine griechische Vorlage des Or-dos fand auch Siminicht. Er stellte jedoch die Vermutung auf, dassder vorliegende Codex den von Alentov (s. o.) behandelten Codicesder Sophien-Sammlung 1053 und 1054 als Vorlage gedient habenknnte.

    1950 verffentlichte der griechische Theologe PANAGIOTES N.TREMPELAS (1886-1977) in Athen sein zweibndiges Mikro;n Eujcolov-gion aufgrund der in der Nationalbibliothek Athen aufbewahrtengriechischen Codices des 12.-17. Jh. Trotz der groen Zeitspanne(und den damit verbundenen Entwicklungsstufen der Krankensal-bung) rekonstruiert Trempelas anhand dieser Codices eine einzigeGrundordnung der Feier der Krankensalbung und gibt die z. T. er-heblichen Abweichungen nur im Apparat an.

    1978 erschien in Thessalonike in der Reihe Keivmena leitourgi-

    kh" als Heft 15 eine Monographie des griechischen Liturgiewissen-schaftlers JOHANNES PHOUNTOULES (1927-2008) Akolouqiva touEujcelaivou, die sich mit den liturgiegeschichtlichen Fragen des Sak-raments beschftigt. Da diese Arbeit, wie auch jene von TREMPELAS,sich nur auf griechische Quellen sttzt, bleibt darin die nur slavischberlieferte Feier der lweihe nach Jerusalemer Ordnung voll-kommen unbeachtet.

    Bezglich der neuzeitlichen Feier des Euchelaions hlt Phountou-les, wie bereits Alentov, deren ersten Teil, in dem ein Krankenkanongesungen wird, fr einen Rest des Morgenoffiziums, mit dem die l-Feier vor ihrer Absonderung von den brigen Gottesdiensten ver-bunden gewesen ist.19 Gerade die Untersuchung der Jerusalemer

    Ordnung der lweihe wird jedoch zeigen, dass es sich bei diesemersten Teil um eine am Vorabend oder am Morgen vor der lweihe

    19 Diese Meinung vertritt auch P. SKALTSIS in seinem Vortrag Istorikh; exelivxh th"ajkolouqiva" tou Eujcelaivou, gehalten auf der 10. gesamtgriechischen liturgischenKonferenz in Volos 2008 H Ugeiva kai ; h J Asqevneia sth; Leitourgikh; Zwh; th"Ekklhsiva", s.: http://www.ecclesia.gr/greek/holysynod/commitees/.../skaltsis_efxelaio.pdf (15. Oktober 2010).

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    gefeierte Pannychis fr einen Kranken handelt, deren Bestandteilein Krankenkanon war. Diese Praxis beschreibt auch Symeon vonThessalonike: Pannuci;" levgetai kanovno", uJpe;r tou poioumevnou to;a{gion e[laion.20

    In den 1980er Jahren untersuchte der niederlndische TheologeBERT GROEN (*1953) die lebendige Feier der Krankensalbung in ver-schiedenen Regionen Griechenlands. Die Ergebnisse seiner Feld-forschungen prsentierte er unter dem Titel Ter genezing van zielen lichaam. De viering van het oliesel in de Grieks-Orthodoxe Kerk.Kampen, Weinheim 1990.

    Den Kranken- und lgebeten des ltesten byzantinischen Eucho-logions, Barberinus graecus 336 (8. Jh.), ist die Pariser Doktorarbeitvon GEORGES FILIAS Les prires pour les malades et sur lhuile delonction dans lEuchologe Barberini Grec336 (Athen 1997) gewid-met. Er beschftigt sich darin mit dem theologischen Gehalt derOrationen (drei Kranken- und zwei lgebete) und geht nur am Ran-de und sehr allgemein auf liturgiegeschichtliche Fragen ein.

    Zu den jngsten dem Krankenl gewidmeten Arbeiten mit rei-chen Literaturangaben gehren die Artikel Krankenl im Reallexi-kon fr Antike und Christentum 21 (2006) von BENEDIKT KRANE-MANN und in 18 (2008)von ALEXANDER TKAENKO (*1977). Zwar wird in beiden die l-weihe nach Jerusalemer Ordnung vermerkt, jedoch nicht nher be-

    handelt.Im Hinblick auf die slavisch berlieferte Jerusalemer Ordnung der

    lweihe lsst sich der derzeitige Stand der Forschung kurz wie folgtzusammenfassen: 1) Bei der erhaltenen slavischen Version handelt essich um die Wiedergabe eines verschollenen griechischen Modells.2) Die in ihrem Titel vorgenommene Berufung auf die Ordnung derKirche von Jerusalem gilt als vertrauenswrdig und wird von nie-mandem in Zweifel gezogen.

    20 SYMEON VON THESSALONIKE, Diavlogo" kata; pavntwn tw`n aiJrevsewn kai; peri; ...tw`n iJerw`n teletw`n te kai; musthrivwn pavntwn th" ejkklhsiva", in: PG 155, 524A.

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    3. ZIELE UND ANLAGE DER ARBEIT

    Die durch slavische Handschriften des 13.-14. Jh. berlieferte, in derwestlichen Forschung jedoch bisher fast berhaupt nicht beachteteFeier des Heiligen les nach Jerusalemer Ordnung verlangt aus ei-nem mehrfachen Grund eine eingehende Bearbeitung: 1) wegenihres vermuteten Wertes als Quelle der Jerusalemer Liturgie- undkirchlichen Literaturgeschichte, 2) als Hinweis darauf, dass auf dasslavische Christentum und seinen sakramentalen Gottesdienst nebender konstantinopolitanisch-byzantinischen auch eine andere Liturgie-tradition, die des Christlichen Orients, Einfluss genommen habenknnte, 3) weil der Gegenstand der Feier, das Heilige oder Gebetsl(Euchlaion), da nicht allein kranken Menschen, sondern auch Ge-sunden zugewendet und zur berabwehr bei Sachen eingesetzt, inden Ostkirchen eine viel breitere Bedeutung erlangt hat als sein la-teinisches Gegenber, die Letzte lung oder Krankensalbung.

    Der Gegenstand der Arbeit greift notwendigerweise weit aus: Dieaus Handschriften des 13.-14. Jahrhunderts bekannte Langfassungder Feier des Heiligen les nach Jerusalemer Ordnung ist um einekritische Ausgabe und Untersuchung der fast ebenso frh bezeugtenKurzfassung zu vervollstndigen, diese zu bersetzen sowie philo-logisch und liturgiemorphologisch zu erlutern. Ferner ist dringend

    zu prfen, ob die seit V. Alentov (1917) als historisch zuverlssigangesehene Herkunftsangabe nach Jerusalemer Ordnung der insolcher Doppelgestalt vorliegenden Euchelaion-Feier besttigt wer-den kann oder mehr oder minder stark modifiziert werden muss.

    Zur Lsung letzterer Frage ist zunchst die Edition auch einschl-giger georgischer Liturgietexte unstreitig lterer Jerusalemer Her-kunft geboten und sodann mit diesen das in der slavischen Feierdes Heiligen les nach Jerusalemer Ordnung vorliegende Materialzu vergleichen. Die sich dabei erstmals ergebende Feststellunggrundlegender Unterschiede erfordert sodann die Untersuchung derin slavischer Fassung vorliegenden Ordnung mit den Mitteln des Li-turgienvergleichs in der Tradition Anton Baumstarks, um auf diese

    Weise die tatschliche Stellung der Feier ... in der historischen Ent-wicklung der orthodoxen Liturgie, in griechischer wie in slavischerSprache, wenigstens annhernd bestimmen zu knnen.

    Teil I zeigt die Entwicklung des Betens fr Kranke und der Seg-nung sowie Anwendung von Krankenl im Bereich der orthodoxenKirchen von ihren frhchristlichen Anfngen ber die mittelalterli-chen Ausformungen bis zur Praxis der Gegenwart auf und ordnet indieses Panorama die Feier des heiligen les nach Jerusalemer Ord-nung liturgiegeschichtlich genauer ein.