Lernen und Gedächtnis
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Lernen und Gedächtnis
VorlesungChristian Kaernbach
Teil 1: Lernen
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Konditioniertes Lernen
• Hauptparadigma des Behaviorismus– Der Mensch als Reiz-Reaktions-System– Mentale Größen sind
• nicht erfaßbar
• nicht existent
• Implizites Gedächtnis
• Klassisches Konditionieren• Instrumentelles Konditionieren• Implizites Lernen
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Klassisches Konditionieren
• unkonditionierter Stimulus (US)– Pawlow: Fleisch– z. B. Luftstrom gegen Hornhaut
• unkonditionierte Reaktion (UR)– Pawlow: Speichelbildung– hier: Lidschlag
• konditionierter Stimulus (CS)– Pawlow: Klingel– z. B. Ton
• konditionierte Reaktion (CR)– Pawlow: Speichelbildung– hier: Lidschlag– CR UR
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Klassisches Konditionieren• Die CR wird schnell gelernt.
– eine CS-US Koppelung kann ausreichen.
• Sie kann zwar gelöscht werden,– wiederholte Darbietung von CS ohne US.
• aber sie wird nie vergessen.– bei weiterer CS-US Koppelung:
• Ersparnis– ohne weitere CS-US Koppelung:
• spontane Erholung• Kontext (Erneuerung)• US o.ä. (Wiederherstellung)• Relevanz: Stabilität der Phobie
• Gegenkonditionieren• Clockwork Orange
Stanley Kubrick / Anthony Burgess
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CS
US
CS
US
CS
US
Zeitverhältnisse
• simultan
• verzögert
• rückwirkend
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CS
US
CS
US
CS
US
• simultan
• verzögert
• rückwirkend
250
500
750
125
Zeitverhältnisse
CR ist antizipatorische Reaktion auf den US
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Paßfähigkeit von US und CS
• Experiment mit Ratten:– US1: Stromschlag
US2: Brechmittel
– CS1: TonCS2: Süßstoff
CS1+CS2+US1: CR nur bei CS1 CS1+CS2+US2: CR nur bei CS2
• Ein Geschmacksreiz ist ein besserer Prädiktor für Brechreiz als ein Ton
• Ein externer Reiz ist ein besserer Prädiktor für Stromschlag als ein Geschmack
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Neurophysiologiedes klassischenKonditionierens
• us1 Mantelrand/us2 Siphon berühren
ur schwacher Kiemenrückzug
• US Stromschlag Schwanz UR starker Kiemenrückzug
• CS1 Mantelrand/CS2 Siphon berühren
CR starker Kiemenrückzugselektiv auf CS1 oder CS2(CS+ bzw. CS–)
• Hebb Lernregel (1949)
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Klassische Konditionierung:Was wird gelernt?
• konditionierter „Reflex“?– Reflex US UR– neue Verbindung CS UR = neuer Reflex?– CS CR UR!– gelernt wird nicht CS CR, sondern CS US
• UR verhindern: CR wird trotzdem gelernt• US entwerten (US: Futter bei hungrigen/satten Ratten)• CS2 mit CS1 paaren, dann CS1 mit US: CR auf CS2
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Klassische Konditionierung:Was wird gelernt?
• Informationswert des CS– Hauptparameter: Kontiguität P(US|CS)
Wahrscheinlichkeit, daß US auftritt, wenn CS gegeben wurde
– ebenfalls wichtig: Basisrate P(US|–CS)Wahrscheinlichkeit, daß US auftritt,wenn kein CS gegeben wurde
– Informationswert: Kontingenz P = P(US|CS) – P(US|–CS)
P(US|–CS)
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Klassische Konditionierung:Was wird gelernt?
• Informationswert des CS– Hauptparameter: Kontiguität P(US|CS)
Wahrscheinlichkeit, daß US auftritt, wenn CS gegeben wurde
– ebenfalls wichtig: Basisrate P(US|–CS)Wahrscheinlichkeit, daß US auftritt,wenn kein CS gegeben wurde
– Informationswert: Kontingenz P = P(US|CS) – P(US|–CS)
Menschen
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Instrumentelles Konditionieren• klassisches Konditionieren:
respondentes Verhalten(Reaktion auf einen Reiz)
• instrumentelles Konditionieren:operantes Verhalten zur Herbeiführung einer Konsequenz
• benötigt: „Verstärker“nach KonsequenzReaktion positiv negativ
geschieht positive Bestrafung Verstärkung
entfällt Bestrafung negative
Verstärkung
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Instrumentelles Konditionieren• benötigt: „Verstärker“nach KonsequenzReaktion positiv negativ
geschieht positive Bestrafung Verstärkung
entfällt Bestrafung negative Verstärkung
• Verstärker (operationale Def.)
ein Reiz, der die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Reaktion erhöht(Skinner, 1938)
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Beispiel Echogedächtnis bei TierenEchogedächtnis bei Tieren
• Wüstenrennmäuse (Kooperation mit Holger Schulze, Magdeburg)
0
5
10
15
20
25
30
0 5 10 15 20
Trainingsdauer [Tage]
Tra
inin
gsle
istu
ng 20 ms
40 ms 60 ms
100 ms80 ms
• Naive Tiere (N=21, 4 pro Gruppe):– shuttle box, go/no-go task– Periodenlänge 20...100 ms– 60 EV pro Tag
• Hochtrainierte Tiere (N=2),Periode wird bei guter Leistung verlängert:
– 160 Tage Training (9600 EV!)– maximal 400 ms
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Zeitverhältnisse, Paßfähigkeit
• CS-US Abstand am besten ca. 500 ms• R-V Abstand am besten ca. 500 ms
• US und CS müssen paßfähig sein• R und V müssen paßfähig sein
– instinctive drift
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Instrumentelles Lernen:Was wird gelernt?
• Wasserman et al. (1993):– VPn drücken Taste.
– Manchmal geht dann das Licht an: P(O|R).
– Manchmal geht das Licht auch so an: P(O|–R).
– Kausalurteil: VPn-Urteile reflektieren die Größe von P(O|R) – P(O|–R)
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Instrumentelles Lernen:Was wird gelernt?
• Wasserman et al. (1993):– VPn drücken Taste.
– Manchmal geht dann das Licht an: P(O|R).
– Manchmal geht das Licht auch so an: P(O|–R).
– Kausalurteil: VPn-Urteile reflektieren die Größe von P(O|R) – P(O|–R)
Ratten
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shaping, chaining
• Verstärken erst von Bewegungsansatz,dann peu à peu von weitergehender Bewegung.
• Separates Einlernen von Teilbewegungen,dann Verkettung verstärken.
• Dressur
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Aberglauben
• Skinner (1948):– keine Kontingenz
zwischen Reaktion und Verstärker:alle 15 s Futter
– Tauben lernenirrelevante Bewegungsmuster
• Staddon & Simmelhag (1971)– Replikation von Skinner, aber
gleichförmigeres Verhalten, antizipatorisch
• Brown & Jenkins (1968): “autoshaping”– in zufälligen Intervallen wird Tastatur beleuchtet, dann kommt Futter
– Tauben picken auf Taste, als ob dadurch das Futter käme
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Der Behaviorismus und die Pädagogik
• Give me a dozen healthy infants, well-formed, and my own specified world to bring them up in and I'll guarantee to take any one at random and train him to become any type of specialist I might select--doctor, lawyer, artist, merchant-chief and, yes, even beggar-man and thief, regardless of his talents, penchants, tendencies, abilities, vocations, and race of his ancestors. I am going beyond my facts and I admit it, but so have the advocates of the contrary and they have been doing it for many thousands of years. (Watson, Behaviorism, 1924, S.104)
• Denn wir können die Kinder nach unserem Sinne nicht formen; So wie Gott sie uns gab, so muß man sie haben und lieben, Sie erziehen aufs beste und jeglichen lassen gewähren. Denn der eine hat die, die anderen andere Gaben;Jeder braucht sie, und jeder ist doch nur auf eigene Weise Gut und glücklich.(Goethe, Hermann und Dorothea)
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Instrumentelles Lernen aus Sicht der Betroffenen
Ich habe ihn gut dressiert.Kaum drücke ich den Hebel herunter,
kommt er gerannt und gibt mir eine Nuß.
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Implizites Lernen
• findet beiläufig statt
• ohne Aufmerksamkeitszuwendung
• bleibt unbewußt
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experimentelle Paradigmen
• Steuerung komplexer Systeme
• Erlernen von versteckten Kovarianzen
• Sequenzenlernen
• Erlernen einer finite state Grammatik
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finite state Grammatik
in out
X
K
P
T
P
X
S
K
S
T
• TXS• PKPS• TSSSXXTTTKPS• TXSS
![Page 25: Lernen und Gedächtnis](https://reader036.fdocument.pub/reader036/viewer/2022062423/568143d7550346895db064fb/html5/thumbnails/25.jpg)
Unbewußtes Lernen
• Ist Wissen, daß in Paradigmen des impliziten Lernens demonstriert wird, wirklich unbewußt?
• Wie sensitiv ist der Test auf Bewußtheit verglichen mit dem Test der Fertigkeit?– Sensitivität kaum vergleichbar
– multiple choice statt freier Bericht• aber: Aha-Erlebnis bei Befragung vermeiden
– z. B. Wissensfragmente beim Grammatiklernen
– gute Abschätzung der Kausalstärke beim instr. Lernen• Sind sich klassische konditionierte Ratten
(Kontiguität + Basisrate) ihres Wissens „bewußt“? (mental map)