Leistungsschutzrecht FB Hoeren
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Überlegungen zum geplanten Leistungsschutzrecht für Presseverlage
Kurzgutachten
Prof. Dr. Thomas Hoeren
Institut für Informations-‐, Telekommunikations-‐ und Medienrecht
-‐ Zivilrechtliche Abteilung -‐
Westfälische Wilhelms-‐Universität Münster
www.uni-‐muenster.de/jura.itm/Hoeren
Das folgende Kurzgutachten habe ich im Auftrag von Facebook erstellt. Die Beauftragung
erfolgte einvernehmlich auf der Grundlage, dass ich vollständig weisungsfrei und unabhängig
arbeiten kann. Thema des Gutachtens sind die Auswirkungen des geplanten
Leistungsschutzrechts für Verleger insbesondere im Bereich Social Media.
I. Zusammenfassung Der Gesetzesentwurf zur Einführung eines Leistungsschutzrechts für Verleger ist auch und
gerade aus der Sicht von Social-‐Media-‐Anbietern unausgereift und überflüssig.
Von dem Entwurf sind nicht nur Suchmaschinen betroffen, aufgrund der unklaren
Begrifflichkeiten im Entwurf ist vielmehr die Nutzung von Social Media in Deutschland
insgesamt beeinträchtigt. Wie die Bundesregierung auf eine kleine parlamentarische Anfrage
hin zugibt, ist die Anwendbarkeit des neuen Leistungsschutzrechts aufgrund dessen
Ausgestaltung als „allgemein-‐abstrakte Regelung auf Dienste wie Facebook, Twitter u.a. nur
mittels der Gerichte zu klären. Es drohen insofern jahrelange Gerichtsauseinandersetzungen
und breite Abmahnwellen, die die Internetszene insgesamt über längere Zeit lähmen.
Ein solch konturenloses Leistungsschutzrecht für Verleger ist ferner technisch und
ökonomisch nicht gerechtfertigt. Im übrigen widerspricht die Verfahrensweise bei der
2
Verabschiedung des Entwurf den europarechtlichen Vorgaben aus der EU-‐
Transparenzrichtlinie.
Es sollte daher im Ergebnis auch parlamentarisch bedacht werden, dass der Gesetzesentwurf
auch die Politik selbst als Nutzer und Produzenten von Social Media betrifft und es damit
auch politisch unvernünftig wäre, ein solch konturenloses Monopolrecht mit solch
weitreichenden Implikationen in Kraft zu setzen.
II. Die Rolle von Social Media in der Gesellschaft Soziale Medien ermöglichen es Internetnutzern, sich untereinander oder in der
Gemeinschaft auszutauschen. War der Transport von Informationen ohne diese Medien
noch einseitig geprägt, so hat die soziale Interaktion zwischen den Nutzern heute eine
immense Bedeutung erlangt. Soziale Medien machen Konsumenten zu Produzenten.
Das am weitesten verbreitete soziale Netzwerk ist Facebook, das sowohl privaten als auch
gewerblichen Nutzern erlaubt, über ihre jeweiligen Profile per Text, Bild, Audio oder Video
mit andern Nutzern zu kommunizieren. Innerhalb der sozialen Netzwerke sind also gerade
nicht die Betreiber die Produzenten, sondern die Nutzer selbst.
Nicht nur Suchmaschinen sollen nach dem Entwurf zur Einführung eines
Leistungsschutzrechts verpflichtet werden, für die Zugriffe auf die Inhalte von
Presseverlagen Lizenzen zu erwerben. Die gleiche Verpflichtung kann, wie die
Bundesregierung bestätigt hat, auch die Betreiber sozialer Netzwerke treffen.1 Wie die
Bundesregierung auf eine kleine parlamentarische Anfrage hin zugibt, ist die Anwendbarkeit
des neuen Leistungsschutzrechts aufgrund dessen Ausgestaltung als „allgemein-‐abstrakte
Regelung auf Dienste wie Facebook, Twitter u.a. nur mittels der Gerichte zu klären. Somit
besteht die Gefahr, dass letztlich auch die Nutzer als Produzenten innerhalb der sozialen
Medien von dem Leistungsschutzrecht betroffen sind.
1 BT-‐Drs. 514/12, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Zu finden unter http://www.medienpolitik.net/wp-‐content/uploads/2013/01/Drucksache-‐1711792.pdf (letzter Abruf: 27. Januar 2013)
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Das folgende Gutachten untersucht den Gesetzesentwurf zum Leistungsschutzrecht für
Presseverlage und beleuchtet dabei die Auswirkungen auf Social Media, Suchmaschinen und
die freie Verfügbarkeit von Informationen im Internet.
III. Erforderlichkeit der Gesetzesänderung Das bestehende Urheberrecht schützt eigenständige Teile eines Werkes. Die sogenannten
Snippets, wie sie von Suchmaschinen und ähnlichen Dienstanbietern verwendet werden,
erreichen jedoch regelmäßig nicht die dafür erforderliche Schöpfungshöhe. Der vorliegende
Gesetzesentwurf2 will diese Textteile durch ein Leistungsschutzrecht der Verleger an den von
ihnen veröffentlichten Artikeln schützen. Die Verlage könnten dann die Anzeige solcher
Snippets verbieten, bzw. nur gegen Zahlung einer Lizenzgebühr gestatten.
1. Die Verlage profitieren von Social Media und Suchmaschinen
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger forderte die Einführung des
Leistungsschutzrechtes am 7. Mai 2009 in einer Presseerklärung, damit sich Presseverleger
gegen die „unentgeltliche Ausnutzung ihrer Angebote im Internet zur Wehr“ setzen könnten.
Diese Aussage verdeutlicht, dass das geplante Leistungsschutzrecht von einer falschen
Prämisse ausgeht. Von einem Ausnutzen der Angebote kann keine Rede sein, da die
Presseverlage auf die Leistungen der Suchmaschinenhersteller angewiesen sind.3 Das
Geschäftsmodell der Verlage im Internet beruht bis dato hauptsächlich auf Werbe-‐
einnahmen, im Ausnahmefall auch auf Paid Content. Für den Erfolg dieses Modells ist eine
hohe Anzahl an Aufrufen der Inhalte erforderlich.
Suchmaschinenanbieter ermöglichen durch ihren Zugriff im Rahmen der Suchergebnisse erst
den Erfolg dieses Modells. Die Nutzer wären ohne die Leistungen der Suchmaschinen gar
nicht in der Lage, Zeitungsartikel zu finden, die ihren Interessen entsprechen.4 Selbiges gilt
für Social Media. Die Beiträge der Nutzer fordern gerade dazu auf, die Online-‐Angebote des
jeweiligen Verlags zu öffnen und erhöhen so die Zahl der Aufrufe auf deren Angeboten.
2 BR-‐Drs. 514/12, Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes, Regierungsentwurf vom 31.8.2010. 3 So auch Reto Hilty, in: Ich will, dass ein freier Markt besteht, FAZ vom 14.12.2012, abrufbar unter: http://www.faz.net/-‐gsb-‐751hp. 4 Vgl. BGH, GRUR 2003, 958 (962) – Paperboy.
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Ohne Suchmaschinen und soziale Netzwerke würden viele Artikel von wesentlich weniger
Lesern wahrgenommen. Die Suchmaschinenanbieter eröffnen den Presseverlagen durch ihr
Angebot die Möglichkeit, Inhalte einem breiten Publikum zugänglich zu machen, wovon die
Verlage stark profitieren.
Sie erbringen für die Presseverlage mithin eine Leistung, die mit Leistungen vergleichbar
sind, die oftmals sogar kostenpflichtig sind, wie etwa der Eintrag in ein Branchenbuch. So
wurde bereits die Frage aufgeworfen, ob nicht umgekehrt eine Vergütungspflicht der
Verlage gegenüber den Suchmaschinen berechtigt wäre.5 Die Annahme der Verlage, die
Suchergebnisse sowie die Verlinkungen innerhalb sozialer Netzwerke führten dazu, dass die
Nutzer auf die verlegerischen Leistungen nicht mehr zugreifen, geht fehl. Die sog. Snippets
reichen für die Befriedigung der Informationsbedürfnisse gerade nicht aus.
Die herausragende Bedeutung von Social Media für Presseverlage lässt sich u. a. an der
viralen Verbreitung von Inhalten in sozialen Netzwerken belegen. Es genügt zum Teil schon,
dass einige wenige Nutzer mit vielen Kontakten Links auf Presseerzeugnisse einstellen, damit
eine große Zahl von Nutzern auf diesen Artikel aufmerksam wird.
2. Technische Möglichkeiten zur Verhinderung der vermeintlichen
Ausnutzung
Verlage können das von ihnen beanstandete Verhalten bereits heute technisch unterbinden
oder gänzlich auf das freie Zugänglichmachen ihrer Inhalte verzichten. So ist es ihnen
möglich durch einen „no-‐snippet“-‐Tag zu verhindern, dass Snippets angezeigt werden. Von
dieser Möglichkeit machen die Verlage keinen Gebrauch. Dies ist ein weiterer Beleg dafür,
dass sie ein Interesse an dieser Art der Verbreitung ihrer Inhalte haben.6 Nach Ansicht des
Bundesgerichtshofs ist derjenige, der seine Inhalte im Internet entgeltlich verwerten will
sogar dazu verpflichtet, entsprechende Schutzmaßnahmen gegen den Zugriff von
Suchmaschinen und ähnlichen Diensten zu ergreifen.7 Warum gerade Presseverlegern ein
solcher Selbstschutz nicht zugemutet werden kann und insofern ein entsprechender Schutz
5 Stieper, ZUM 2012, 10 (12). 6 So auch in der Stellungnahme zum Gesetzesentwurf für eine Ergänzung des Urheberrechtsgesetzes durch ein Leistungsschutzrecht für Verleger des Max-‐Planck-‐Instituts für Immaterialgüter-‐ und Wettbewerbsrecht, S.2, abrufbar unter http://www.ip.mpg.de/files/pdf2/Stellungnahme_zum_Leistungsschutzrecht_fuer_Verleger.pdf. 7 Vgl. BGH, GRUR 2010, 628 (632) – Vorschaubilder I; BGH, GRUR 2011, 56 (58) – Session-‐ID.
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über ein Leistungsschutzrecht erforderlich ist, ist nicht ersichtlich. Des Weiteren sind die
Internetseiten der Presseverlage regelmäßig sogar dazu optimiert, durch Suchmaschinen
gefunden zu werden.8 Dadurch entsteht der Verdacht, dass diese durch die Neuregelung
nicht ihre Inhalte besser schützen wollen, sondern zusätzliche Einnahmequellen erschließen
wollen. Es sei daran erinnert, dass bei einer unlauteren Verwendung der Inhalte bereits eine
Geltendmachung von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen möglich ist.9
3. Bestehen eines Marktversagens, dass ein Leistungsschutzrecht
rechtfertigen würde
Außerdem werden Leistungsschutzrechte besonders dann befürwortet, wenn ein
Marktversagen besteht.10 Dies liegt hier jedoch nicht vor, da es im Status quo lediglich ein
arbeitsteiliges Zusammenwirken zwischen Suchmaschinen und Presseverlagen gibt. Die
Suchmaschinenanbieter erbringen dabei eine eigene Leistung, die gerade nicht im
Übernehmen der Leistung der Verleger besteht, sondern lediglich in der Vermittlung, bzw.
dem Auffinden der Angebote der Verlage. Ein Vergleich mit der Print-‐Branche (z.B. die
Gelben Seiten), wo keineswegs eine Gebühr für das Abdrucken von Informationen entrichtet
werden muss, verdeutlicht die Interessenlage.
Es ist zu berücksichtigen, dass Suchmaschinen auch andere Inhalte als Zeitungsartikel in den
Ergebnissen anzeigen, deren Schutz durch ein entsprechendes Leistungsrecht jedoch von
niemandem gefordert wird. Folgt man der Argumentation der Befürworter des
Leistungsschutzrechtes, müsste eben dies geschehen. Nach der aktuellen Rechtsprechung
des BGH etwa, stellt das Onlinestellen von Lichtbildern eine Einwilligung in das Anzeigen von
Vorschaubildern durch Suchmaschinen dar.11 Aus Sicht der Befürworter müsste man
argumentieren, dass die Suchmaschinen durch das Vermitteln dieser Inhalte die Leistung des
Lichtbildners ausnutzen und fordern, dass diesem auch in Bezug auf die Vorschaubilder ein
Leistungsschutzrecht zustehe. Gleiches ließe sich im Hinblick auf nahezu alle weiteren
Inhalte anführen. Es ist nicht ersichtlich, warum von dem Leistungsschutzrecht
Presseverlage, aber nicht etwa ein Internetnutzer mit wenigen Blogeinträgen geschützt sein
sollte.
8 Siehe zur rechtlichen Beurteilung BGH, MMR 2010, 475 (479) ─ Vorschaubilder I. 9 Stieper, ZUM 2012, 10 (12). 10 Vgl. BGH, GRUR 2011, 436 (438) – hartplatzhelden.de. 11 BGH, MMR 2012, 383 ─ Vorschaubilder II.
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5. Rechtsdurchsetzung
Als Begründung für den Gesetzesentwurf wird angeführt, dass die Verlage eine Möglichkeit
erhalten sollen, sich gegen Rechtsverletzungen im Internet zu wehren. Dies ist allerdings
heute schon möglich, da Verlage in der Regel im Rahmen der Einräumung von
Nutzungsrechten auch das Recht erwerben, urheberrechtliche Ansprüche im eigenen Namen
geltend zu machen.12 . Zudem lassen sich die Verlage das Recht der Prozessführung meist
schon vertraglich einräumen. Von einer Rechtsschutzlücke kann also keine Rede sein.
IV. Probleme des Gesetzentwurfes Neben der mangelnden Erforderlichkeit ist zweitens auch der Gesetzesentwurf selbst unter
mehreren Gesichtspunkten problematisch.
Voranzustellen ist, dass ein derart spezielles Leistungsschutzrecht, das nur eine bestimmte
Veröffentlichungsform, in diesem Fall das Internet, und eine bestimmte Gruppe von
Nutzern, nämlich Suchmaschinen und verwandte Dienste umfasst, im Vergleich zu den
anderen Leistungsschutzrechten systemwidrig ist.13 Zudem wird hierdurch die auch vom
Bundesgerichtshof anerkannte Funktion von Suchmaschinendiensten als unerlässliches
Mittel zur Navigation im Internet verkannt.
1. Unklarheit der Tatbestandsvoraussetzungen
Auch der Wortlaut des Gesetzesvorhabens wirft Fragen auf. Zum einen sind die Akteure
unklar definiert. Weder ist eindeutig, wer „Presseverleger“ im Sinne dieser Vorschrift sein
soll, noch wer „gewerblicher Anbieter von Suchmaschinen oder gewerblicher Anbieter von
Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten“ sein soll.
Diese abstrakte Formulierung kann durch die Gerichte auch auf soziale Netzwerke wie
Facebook und Twitter Anwendung finden, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort
einräumt. In Bezug auf Facebook spricht hierfür, dass es bereits jetzt eine interne
Suchmaschine gibt. Zwar findet sich in der Entwurfsbegründung der Zusatz, dass
„Suchfunktionen innerhalb des eigenen Datenbestandes“ nicht vom Leistungsschutzrecht 12 Stieper, ZUM 2013, 10 (11). 13 So auch: Spindler, in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes BT-‐Drs.17/11470 vom 16.01.2013, S.1, abrufbar unter http://www.bundestag.de /bundestag/ausschuesse17/a06/anhoerungen/40_Urheberrecht/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Spindler.pdf.
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betroffen seien. Allerdings ist unklar, ob die Informationen der Facebook-‐Nutzer wirklich als
„eigener Datenbestand“ betrachtet werden können, sodass Facebook als Anbieter unter die
§§ 87f-‐h UrhG-‐E fallen könnte.14 Selbst die Bundesregierung konnte nicht sagen, ob soziale
Netzwerke erfasst sind, und musste auf die Bewertung durch die Gerichte verweisen.15
Durch den Gesetzesentwurf sind folglich nicht nur Suchmaschinen betroffen, es ist vielmehr
die Nutzung von Social Media in Deutschland insgesamt beeinträchtigt.
Dies wurde in der bisherigen Diskussion um das Leistungsschutzrecht kaum berücksichtigt. In
sozialen Netzwerken existiert eine unüberschaubare Vielfalt privater Nutzerprofile, in denen
Nutzer auf aktuelle Nachrichten in der Presse aufmerksam machen. Zwar heißt es in dem
Gesetzesentwurf der Bundesregierung, dass Blogger, Unternehmen der sonstigen
gewerblichen Wirtschaft und private wie ehrenamtliche Nutzer nicht erfasst werden. Diese
müssten daher keine Lizenzen von den Presseverlagen erwerben. Es ist aber mit den
üblichen Suchfunktion möglich, innerhalb Facebooks oder anderer soziale Netzwerke, von
Nutzern geteilte Links inklusive Snippets zu finden. Sollten soziale Netzwerke tatsächlich als
suchmaschinenähnlich anzusehen sein, so könnten sich diese aus Kostengründen gezwungen
sehen, die Verweise der Nutzer auf Presseinhalte zu unterbinden. Dies würde die
Möglichkeiten der Nutzer, auf Facebook Inhalte zu teilen, und damit das Konzept von Social
Media dramatisch einschränken.
Ähnlich unklar ist das Kriterium der Gewerblichkeit.16 Unternehmen sollen zwar nach der
Entwurfsbegründung nur dann in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, wenn sie
nicht als gewerbliche Anbieter von suchmaschinenähnlichen Diensten auftreten. Es bleibt
aber offen, ob nicht-‐kommerzielle Suchmaschinen dann als gewerblich gelten, wenn sie sich
durch Bannerwerbung, Sponsorlinks u. Ä. finanzieren. Im Hinblick auf den Begriff der
Gewerblichkeit sei auf die Auslegungsprobleme, die bereits in der Vergangenheit in
Verbindung mit diesem, etwa im Rahmen des § 101 UrhG aufgetreten sind, verwiesen.
14 Vgl. Stadler, a.a.O. 15 BT-‐Drs. 514/12, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
16 Stieper, ZUM 2013, 10 (15).
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2. Anwendbarkeit der urheberrechtlichen Schranken und Linksetzung
Der Gesetzesbegründung zufolge sind die Schranken des Urheberrechts, insbesondere die
Zitierfreiheit auf das Leistungsschutzrecht anwendbar. Das Zitatrecht ist aber inhaltlich auf
Snippets gerade nicht anwendbar, da diese keinen der in § 51 UrhG genannten Zwecke
verfolgen. Insbesondere erfolgt keine Auseinandersetzung mit dem zitierten Ausschnitt.17
Automatische Suchdienste können auch nicht erkennen, ob eine bestimmte Verwendung
eines Textausschnitts von den Schranken des Urheberrechts gedeckt ist.18
Nach der Gesetzesbegründung bleibt die bloße Verlinkung weiterhin zulässig. Diese
Auffassung der Bundesregierung verkennt aber, dass eine Linksetzung stets mit der Anzeige
eines Snippets einhergehen wird. Ansonsten wäre dem Suchenden nämlich überhaupt nicht
ersichtlich, was sich inhaltlich hinter dem angezeigten Link verbirgt.19
3. Abgrenzung von Urheber-‐ und Leistungsschutzrechten
Hinzu kommt, dass aufgrund dieser Unklarheit eine Kollision von Autoren-‐ und
Verlegerrechten zu befürchten ist. Das Zweitverwertungsrecht des Autors, das sich vor allem
freie Journalisten häufig vorbehalten, wäre mit dem Gesetzentwurf praktisch
ausgeschlossen, weil es häufig in Konflikt mit dem Leistungsschutzrecht des Verlages stehen
würde.20 Zudem ist eine Abgrenzung zwischen dem Inhalt des Leistungsschutzrechtes und
dem des Urheberrechtes des Autors insbesondere bei Schriftwerken, kaum
durchzuführen.21
4. Wertungswidersprüche
Die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger würde zudem zu der
rechtspolitisch bedenkenswerten Situation führen, dass der Schutz des Urhebers nach
Art. 14 GG, sowie nach Art. 2 Abs. 1 GG geringer wiegen würde als das Investitionsinteresse
der Presseverlage. Würde nämlich der Journalist als Urheber Inhalte im Internet
veröffentlichen, stünden ihm gegenüber den entsprechenden Diensten keine Ansprüche zu.
17 Vgl. Stadler, in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes BT-‐Drs. 17/11470 vom 21.01.2013, 4 abrufbar unter http://www.internet-‐law.de/wp-‐content/uploads/2013/01/leistungsschutzrecht_rechtsausschuss.pdf. 18 Ebd. 19 Ebd., 4f. 20 Siehe dazu auch Stadler, a.a.O. 21 Vgl. Stellungnahme des Max-‐Planck-‐Instituts für Immaterialgüter-‐ und Wettbewerbsrecht, a.a.O., S.4.
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Dieselben Inhalte wären nach dem Gesetzesentwurf jedoch geschützt, sofern sie von einem
Presseverlag entsprechend veröffentlicht würden.22
5. Eingriff in das Leistungsschutzrecht
Unklar ist des Weiteren, ab wann eine Nutzung in das Leistungsschutzrecht des Verlegers
eingreift. Insbesondere stellt nicht jede Nutzung eines Teiles des Texts oder der Bilder eine
Übernahme der unternehmerischen Leistung des Presseverlegers dar.23 Weiterhin ist nach
der angesprochenen Rechtsprechung des BGH eine Verlinkung und das Anzeigen von
Vorschaubildern und Snippets in Suchmaschinen gerade kein Eingriff in das Recht des
Urhebers auf öffentliche Zugänglichmachung.24 Angesichts des erkennbaren Willens des
Gesetzgebers, solche Handlungen zu erfassen, ist fraglich, ob dies in Zukunft weiter gelten
soll.25 Die Klärung dieser und anderer Fragen bedeutet im Falle der Einführung des
Leistungsschutzrechtes daher ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit.
V. Konsequenzen des Entwurfes Schließlich sind auch die Folgen der Verabschiedung eines solchen Entwurfs kritisch zu
betrachten. Neben allgemeinen Bedenken gegen die Erschwerung der freien Kommunikation
und Informationsbeschaffung durch ein Leistungsschutzrecht, ergeben sich auch konkrete
ökonomische Probleme:
Im Falle einer Einführung einer solchen Lizenzierungspflicht nur auf nationaler Ebene würden
erhebliche praktische Probleme entstehen. Aufgrund des Schutzlandprinzips würde das
ausschließliche Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung nur in Bezug auf Nutzer aus
Deutschland gelten. Suchmaschinen könnten diese Inhalte gegenüber Nutzern aus dem
Ausland aber weiterhin anzeigen und würden dies wohl auch tun. Gegenüber deutschen
Nutzern wären dann technische Sperren nötig, die allerdings, wie die Beispiele Youtube und
Grooveshark zeigen, leicht zu umgehen sind. Insofern würde das Leistungsschutzrecht dann
22 Spindler, in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes BT-‐Drs.17/11470 vom 16.01.2013, a.a.O.,S.3. 23 Vgl. Stieper, ZUM 2013, 10, (14). 24 Stieper, ZUM 2013, 10 (16), Vgl. BGH, MMR 2010, 475 (479) ─ Vorschaubilder I und BGH, MMR 2012, 383 ─ Vorschaubilder II. 25 Vgl. Stieper, ZUM 2013, 10 (16).
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leerlaufen, da inländische Nutzer trotzdem auf die Dienste der Suchmaschinen zugreifen
könnten, ohne dass Letztere sich ein Nutzungsrecht hätten einräumen lassen.
Auch würde die Möglichkeit der deutschen Internetnutzer, sich aus öffentlich zugänglichen
Quellen zu informieren, massiv beeinträchtigt, da das Auffinden dieser Quellen wesentlich
schwerer würde. Das ist im Hinblick auf die Bedeutung der Informationsfreiheit in Art. 5 Abs.
1 S. 1 GG von besonderer Bedeutung. Diese Folge kann auch aus Sicht der Verlage nicht
gewünscht sein, die ein großes Interesse an der Verlinkung ihrer Inhalte haben. In einem
solchen Fall würden deren Einnahmen sinken, was sie wiederum dazu zwingen könnte,
Gratislizenzen zu erteilen. Damit würde einerseits die gesamte Regelung leerlaufen und
andererseits ein extrem hoher Aufwand für die Suchmaschinenbetreiber bestehen bleiben.
Angedacht wird auch, zur Geltendmachung des Leistungsschutzrechts eine neue
Verwertungsgesellschaft zu gründen. Damit fiele der Aufwand für die Suchmaschinen-‐
betreiber zwar insgesamt geringer aus, es bliebe aber weiterhin zu fragen, ob diese wirklich
bereit sind für die Inhalte zu zahlen. Sollten sie dies nicht sein, wäre es für die Presseverlage
dann aber umso schwieriger ,kostenlose Nutzungsrechte einzuräumen, womit sie dem Risiko
ausgesetzt wären, dass ihre Inhalte kaum noch zu finden wären.
Im Endeffekt würde das neue Leistungsschutzrecht in der Praxis ins Leere laufen, da weder
die Presseverleger noch die Suchmaschinenbetreiber einen Nutzen daraus zögen: Die
Presseverleger sind nicht daran interessiert, dass ihre Inhalte nicht mehr über die
Suchmaschinen auffindbar sind und die Suchmaschinenbetreiber sind nicht bereit für eine
Verlinkung eine Lizenzgebühr zu entrichten. Die Einführung eines Leistungsschutzrechtes für
Presseverlage ist daher abzulehnen, da wie aufgezeigt kein Bedürfnis für ein solches Recht
besteht, die Einführung mit erheblichen Problemen rechtlicher und praktischer Natur
verbunden wäre und die negativen Folgen nicht absehbar sind.
VI. Notifikationsverfahren in der EU Der Entwurf widerspricht verfahrensmäßig den europarechtlichen Vorgaben zu
Gesetzgebungsverfahren im Bereich der Informationsgesellschaft. Durch die Richtlinie
98/48/EG zur Einführung einer gesetzgeberischen Transparenz für die Dienste der
Informationsgesellschaft gilt seit 1999 auch in diesem Bereich das schon zuvor auf dem
Gebiet der Normen und technischen Vorschriften anzuwendende Informationsverfahren bei
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nationalen Gesetzgebungsvorhaben, um auch hier einen stabilen, transparenten und
innerhalb des Binnenmarktes kohärenten Rechtsrahmen zu gewährleisten. Die
Mitgliedstaaten müssen deshalb Gesetzgebungsvorhaben auf diesem Gebiet im
Entwurfsstadium notifizieren und der Kommission und anderen Mitgliedstaaten Gelegenheit
zu Bemerkungen oder ausführlichen Stellungnahmen geben, weshalb ihnen eine
Stillhaltepflicht während der Durchführung des Verfahrens auferlegt wird.
Die Notifizierungspflicht betrifft diejenigen nationalen Vorschriften, die speziell auf die
Dienste der Informationsgesellschaft abzielen. Das zur Richtlinie 98/48/EG erschienene
Vademecum der Kommission26 enthält detaillierte Erläuterungen, die die Voraussetzungen
im Einzelnen aufschlüsseln. Angesichts dieser Vorgaben bestehen ernsthafte Zweifel, ob
nicht das Notifizierungsverfahren anwendbar ist.
Vorab muss dabei der Hinweis auf Erwägungsgrund Nr. 17 der Richtlinie erfolgen, wonach
spezifische Vorschriften für das Betreiben der Dienste der Informationsgesellschaft auch
dann mitgeteilt werden sollen, wenn sie Bestandteil einer allgemeineren Regelung sind (s.
Erwägungsgrund 17 der Richtlinie 98/48/EG). Folglich sind nicht nur Regelungstexte
betroffen, die sich in ihrer Gesamtheit den Diensten der Informationsgesellschaft widmen,
sondern auch Regelungen, die sich nur punktuell auf einen Dienst der
Informationsgesellschaft beziehen, möglicherweise nur in einem Paragrafen oder im
Extremfall sogar in nur einem Absatz. Der Entwurf zum Leistungsschutzrecht enthält
ausschließlich Regeln für Dienste der Informationsgesellschaft. Zielrichtung ist der Schutz der
Verleger gegen Suchmaschinen und ähnliche Internetdienste. Es liegt eine allgemeingültige
Regelung bzgl. der Erbringung von Onlinediensten vor. Der durch die Regelung derart
eingeschränkte Bereich der Suchmaschinen stellt auch eine typische Dienstleistung der
Informationsgesellschaft dar.
Kommt ein Mitgliedstaat seiner Notifizierungspflicht nicht nach, so zieht dies nach Maßgabe
der Rspr. die Unanwendbarkeit der jeweiligen Vorschrift auf einzelne Fälle nach sich.
26 Siehe unter http://europa.eu.int/comm/enterprise/tris/vade9848/index_de.pdf,