Lebendige Größenvorstellungen im Spannungsfeld von ... · Einstiegsaktivität Die didaktische...
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Lebendige Größenvorstellungen im Spannungsfeld von
Vergleichen, Stützpunktwissen, Messen und Schätzen
Silke Ruwisch Landesfachtag Schleswig Holstein 28.02.2015 1
Einstiegsaktivität Die didaktische Stufenfolge kritisch betrachtet Größenvorstellungen in Bildungsstandards und Lehrplänen Anregungen zum Aufbau von Größenvorstellungen Silke Ruwisch Landesfachtag Schleswig Holstein 28.02.2015 2
Übersicht
Einstiegsaktivität
5 Minuten: Arbeiten Sie zu zweit:
Wählen Sie eine der folgenden Aufgaben aus. Beobachten Sie sich selbst: Welches Wissen über Größen ziehen Sie heran? Welche Stützpunktvorstellungen aktivieren Sie? Welche Schätzaktivitäten nehmen Sie vor?
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Einstiegsaktivität
Wie viele Streichhölzer wiegen so viel wie eine Lakritzschnecke? Die Schnürsenkel aller Schuhe, die wir gerade tragen,
aneinander geknotet ergibt eine längere Schnur als die Schlange, die wir bilden können, wenn wir uns an den Händen halten. Brennt ein Teelicht, das zu Beginn dieser Veranstaltung
angezündet wird, noch am Ende? Wie viele Streichholzschachteln passen in eine
Badewanne? Wie viele Postkarten benötigen Sie, um Ihren Tisch
lückenlos zu bedecken? 28.02.2015 Silke Ruwisch Landesfachtag Schleswig Holstein 5
Die didaktische Stufenfolge kritisch betrachtet
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Die didaktische Stufenfolge
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Erfahrungen sammeln und Aufgreifen: Sach-, Spiel- und Alltagssituationen Direktes Vergleichen von Repräsentanten Indirektes Vergleichen von Repräsentanten mit Hilfe selbst gewählter Maßeinheiten mit Hilfe standardisierter Maßeinheiten durch
Messen mit verschiedenen Messgeräten Umwandeln: Verfeinern und Vergröbern der
Maßeinheiten Rechnen und Anwenden
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Kritische Anmerkungen zur didaktischen Stufenfolge
Konzeptionell-empirische Kritik: Das Größenverständnis ist netzartig strukturiert und nicht linear aufgebaut Vorerfahrungen bestehen zu verschiedenen Aspekten –
Kinder können und wissen mehr, als wir denken. Prozessbewältigung bedeutet nicht Verständnis –
Kinder können und wissen gleichzeitig weniger, als wir denken. Verständnisaufbau ist ein vielschichtiger und langandauernder Prozess –
Kinder bauen ihr Größenverständnis nur wenig über Analogien auf.
Methodische Kritik: Stufenfolge als Instruktionsabfolge entspricht nicht dem modernen Lernverständnis Vorerfahrungen werden i.d.R. nicht eruiert und bewusst aufgegriffen. Unterrichtseinheiten sind isoliert und kurz und werden wenig vernetzt. Zu frühes rein abstrakt-rechnerisches Arbeiten. Kein aktiv-entdeckendes Lernen und sozial-konstruktives Aushandeln.
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Zwischenfazit 1 – Größenverständnis
Kontinuierliche Thematisierung Vergleichserfahrungen ermöglichen und herausfordern Messgeräte nutzen, untersuchen, abändern, konstruieren Stützpunkteheft anlegen Lernanlässe nutzen Vorerfahrungen beobachten und feststellen Größen veranschaulichen (ohne alles zu verstehen) Bewusstes Vertiefen einzelner Aspekte Messverständnis vertiefen: Körpermaße, historische Maße und andere
nicht genormte Einheiten im 3./4. Schuljahr Invarianz thematisieren: Welche Veränderungen an der Knete wirken
sich eigentlich auf das Gewicht aus? Welche nicht? Direktes Vergleichen in verschiedenen Größenbereichen vergleichen
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Zwischenfazit 2 – Größenvorstellungen
Die Welt der „genauen“ und „ungenauen“ Zahlen Relationale Größenvorstellungen kontraproduktiv: „erst schätzen, dann messen“ Abschätzenden Vergleichen und geschätzten Werten einen eigenen
Wert zugestehen Thematisierung von Genauigkeitsanforderungen Auswirkungen von Fehlern beim Schätzen und Überschlagen Den Fokus thematisieren Größen vorstellen und schätzen Messgeräte kennen und nutzen Einheiten, Umrechnungen, Schreibweisen Größen berechnen …
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Größenvorstellungen in Bildungsstandards und Lehrplänen
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Größen und Messen in den Bildungsstandards
Größenvorstellungen besitzen Standardeinheiten aus den Bereichen Geldwerte, Längen, Zeitspannen, Gewichte
und Rauminhalte kennen Größen vergleichen, messen und schätzen Repräsentanten für Standardeinheiten kennen, die im Alltag wichtig sind Größenangaben in unterschiedlichen Schreibweisen darstellen (umwandeln) Im Alltag gebräuchliche einfach Bruchzahlen im Zusammenhang mit Größen kennen
und verstehe
Mit Größen in Sachsituationen umgehen Mit geeigneten Einheiten und unterschiedlichen Messgeräten sachgerecht messen Wichtige Bezugsgrößen aus der Erfahrungswelt zum Lösen von Sachproblemen
heranziehen In Sachsituationen angemessen mit Näherungswerten rechnen, dabei Größen
begründet schätzen Sachaufgaben mit Größen lösen
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Größen und Messen in den Bildungsstandards
Größenvorstellungen besitzen Standardeinheiten aus den Bereichen Geldwerte,
Längen, Zeitspannen, Gewichte und Rauminhalte kennen Größen vergleichen, messen und schätzen Repräsentanten für Standardeinheiten kennen, die im
Alltag wichtig sind Größenangaben in unterschiedlichen Schreibweisen
darstellen (umwandeln) Im Alltag gebräuchliche einfach Bruchzahlen im
Zusammenhang mit Größen kennen und verstehen
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Größen und Messen im NI Kerncurriculum
Größenvorstellungen Größen vergleichen, ordnen, messen und schätzen Stützpunktvorstellungen aufbauen und nutzen Messgeräte sinnvoll auswählen und sachgerecht
verwenden Standardeinheiten – Umwandlungen Standardeinheiten und ihre Zusammenhänge kennen Größenangaben in unterschiedlichen Schreibweisen
darstellen (umwandeln) Mit Größen rechnen
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Anregungen zum Aufbau von Größenvorstellungen
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Modell zum Aufbau von Größenvorstellungen
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Vergleichen
konk
rete
Ver
glei
che m
entale Vergleiche quantitative Vergleiche
qualitative Vergleiche
Größen vergleichen – sprachliche Grundlagen
Adjektive, die verschiedene Größen beschreiben Länge: lang, kurz, dick, dünn, hoch, tief, schmal, weit, eng,
breit, groß, klein Gewicht: schwer-leicht Zeit: lange-kurz
Flächeninhalt: groß-klein Volumina: viel-wenig; groß-klein
Komparative und Superlative länger, kürzer, dicker, dünner, höher, tiefer, schmaler, weiter,
enger, breiter, größer, kleiner, schwerer, leichter, mehr, weniger
am längsten, kürzesten, dicksten, dünnsten, höchsten, tiefsten, schmalsten, weitesten, engsten, breitesten, größten, kleinsten, schwersten, leichtesten, meisten, wenigsten
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Größen vergleichen und ordnen
Direktes Vergleichen durch gleichzeitiges Wahrnehmen visueller Vergleich – einfach und erfolgreich
visueller Vergleich – schwierig und fehleranfällig
visueller Vergleich nicht möglich: Gewicht, Zeit
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Größen vergleichen und ordnen
Direktes Vergleichen durch gleichzeitiges Wahrnehmen Gewicht: gleichzeitig anheben Zeit: gleichzeitig starten
Direktes Vergleichen durch Umstrukturieren ermöglichen Längen: zu Strecken mit gleichen Startpunkten verändern Flächen: eine Fläche zerlegen und die andere damit auslegen Volumina: Flüssigkeiten in gleichartige Gefäße umschütten
Ordnen als mehrfaches Vergleichen Länge – Fläche – Volumen: mehrere Repräsentanten gleichzeitig
wahrnehmbar Gewicht: Einzelvergleiche nur nacheinander möglich Zeit: Gleichzeitigkeit mehrerer Prozesse nur durch Arbeitsteilung
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Transitivität als Merkmal der Ordnungsrelation
Kindern zu Beginn des 1. Schuljahres wurden in Einzelinterviews fünf gleiche Becher vorgegeben, von denen je einer bis zum Rand mit Steinen, Zucker, Watte, Mehl oder Sand gefüllt war. Sortier mal diese Becher nach ihrem Gewicht.
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Kai Augenmaß: Steine-Sand-Watte-Mehl-Zucker
Wiegen mit Händen: Steine-Sand-Zucker-Mehl-Watte
Balkenwaage: Steine-Sand-Zucker-Mehl-Watte
Arne Augenmaß: Sand-Steine-Zucker-Mehl-Watte
Wiegen mit Händen: Steine-Sand-Zucker-Mehl-Watte
Wiegen mit Balkenwaage: Steine-Sand-Zucker-Mehl-Watte
Transitivität vertiefen: Welche Dose wiegt am meisten?
Vergleiche beide Waagen. Kreuze an!
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Die helle Dose. Die dunkle Dose. Die gestreifte Dose. Das kann man nicht sagen.
Modell zum Aufbau von Größenvorstellungen
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Messen
konk
rete
Ver
glei
che m
entale Vergleiche quantitative Vergleiche
qualitative Vergleiche
Größen messen
Zentrale Kernideen des Messens Auswählen einer passenden Einheit zum Messen Es muss eine Einheit aus dem Größenbereich gewählt werden. Die Einheit sollte kleiner sein als das zu Messende.
Mehrfaches Verwenden dieser Einheit Eine Einheit muss mehrfach nacheinander oder mehrere
gleichartige Einheiten miteinander verwendet werden Es muss (mit)gezählt werden, wie oft die Einheit verwendet wird.
Systematisches Untergliedern in Untereinheiten Wird das zu Messende nicht hinreichend genau ausgemessen,
wird die Einheit systematisch untergliedert. Entweder wird halbiert/geviertelt oder aber in Zehnerpotenzen
unterteilt. 28.02.2015 Silke Ruwisch Landesfachtag Schleswig Holstein 23
Größen messen – Einheit auswählen
Kinder wählen in der Regel Einheiten des richtigen Größenbereichs aus. ⇒ Sprachverständnis / Symbolverständnis überprüfen
Bei konkreten Messprozessen wählen Kinder in der Regel passende Messinstrumente / Einheiten aus. ⇒ Sprachverständnis / Kenntnis der Instrumente
Kinder verwechseln jedoch häufig die Bezeichnung von Einheiten (Meter, Zentimeter, Millimeter, …) ⇒ Kenntnis des Aufbaus von Messinstrumenten Bewusste Thematisierung der Umrechnungszahlen in den verschiedenen Größenbereichen
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Größen messen – Einheit mehrfach verwenden
Eine Einheit mehrfach nacheinander verwenden Länge: Ein Stift wird mehrfach nacheinander an der Tischkante
entlang angelegt und mitgezählt wie oft. Zeit: Eine Sanduhr wird mehrfach nacheinander umgedreht und
mitgezählt wie oft. Volumen: Ein kleiner Becher wird so lange mit Sand gefüllt und
umgefüllt, bis das auszumessende Gefäß voll ist. Dabei wird jedes Umschütten mitgezählt.
Mehrere gleichartige Einheitsobjekte verwenden Länge: Es werden so viele Stifte hintereinander an der Tischkante
entlang angelegt, bis diese ausgelegt ist. Dann wird gezählt, wie viele Stifte dort liegen.
Gewicht: Es werden so lange Holzwürfelchen auf die Waagschale gelegt, bis die Waage ungefähr im Gleichgewicht ist.
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Größen messen – Systematisch untergliedern
Spontanes Untergliedern Je nach Genauigkeitsanspruch: „und ´n bisschen“ Eigenschaften der Einheit: „vier Füße und einer quer“ (Mehrfaches) Halbieren: schon Erstklässler
Nutzen konventioneller Untergliederungen Länge: Hundertstel und Zehntel Gewicht und Volumen: Tausendstel Zeit: keine Dezimalunterteilung Zeit und Volumen, z.T. Gewicht: Brüche (¼, ½, ¾)
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Messverständnis vertiefen – Anregungen
Messinstrumente selbst entwickeln Verständnis erkunden: Lineal zeichnen lassen (s.
nächste Folie) (Zeit-)Messgeräte abhängig vom Zweck entwickeln und
bauen ‚unkonventionelle‘ Messgeräte und -methoden Abgebrochenes Lineal bzw. Maßband:
ViertklässlerInnen nicht unbedingt sicher Unregelmäßige Skalierungen: Messbändern mit
ungleichen Abständen vs. kegelförmige Messbecher ‚Weitermessen‘: keine Tara-Taste an der Balkenwaage?
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Modell zum Aufbau von Größenvorstellungen
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quantitatives Schätzen
qualitatives Schätzen
konk
rete
Ver
glei
che m
entale Vergleiche quantitative Vergleiche
qualitative Vergleiche
Größen schätzen
Qualitatives Schätzen Mentales Vergleichen (mit Stützpunkten): Ist dieser Raum niedriger, höher oder ungefähr genauso hoch
wie Ihr Klassenzimmer? Ist die Türklinke mehr als, weniger als oder ziemlich genau 1 m
über dem Fußboden?
Quantitatives Schätzen Mentales Ausmessen mit Stützpunkten oder Einheiten: Wie viele Meter sitzen Sie von der Projektionsfläche entfernt? Diese Karawane ist insgesamt kürzer als 20 Meter. Kann das
stimmen?
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Schätzstrategien
Heranziehen eines Stützpunktes (benchmark estimation) Mentaler „direkter“ Vergleich mit einem Stützpunkt Mentaler Vergleich mit einem Bruchteil oder Vielfachen eines Stützpunkts
Zerlegen / Zusammensetzen (decomposition/recomposition) Das zu schätzende Objekt wird mental in Abschnitte zerlegt, diese geschätzt und die Ergebnisse wieder zusammengefasst.
Wiederholtes Abtragen einer Einheit (unit iteration) Das zu schätzende Objekt wird mental mit einer Standardeinheit ausgemessen.
Annähern durch Einschachteln (squeezing) Das zu schätzende Objekt wird durch Ober- und Untergrenzen in seiner Bandbreite geschätzt.
(Erworbenes Wissen)
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Modell zum Aufbau von Größenvorstellungen
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Vergleichen
konk
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Ver
glei
che m
entale Vergleiche quantitative Vergleiche
qualitative Vergleiche
Messen
qualitatives Schätzen
quantitatives Schätzen