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Wissenswertes und Unterhaltsames aus fünf Jahrhunderten Mit Zeittafel und über 140 Abbildungen. Zusammengestellt und aufbereitet von Hermann Beiler. Kleine Spiegelauer Geschichte

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Wissenswertes und Unterhaltsames

aus fünf Jahrhunderten

Mit Zeittafel und über 140 Abbildungen.

Zusammengestellt und aufbereitet von

Hermann Beiler.

Kleine

Spiegelauer Geschichte

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Impressum

Verfasser: Hermann Beiler

Herausgeber: Gewerbeverein Spiegelau e.V.

Layout und Satz: Hermann Beiler

Druck: Morsak Verlag, Grafenau

1. Auflage 1998

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Spiegelau, 1998

Kleine

Spiegelauer GeschichteWissenswertes und Unterhaltsames

aus fünf Jahrhunderten

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Dieser Ausspruch scheint widersprüchlich, ist es aber nicht.Nur wer zurückblickt, kann die Leistungen der Menschen inder Vergangenheit würdigen. Nur der Rückblick zeigt auch dieVersäumnisse und Fehler der vorhergegangenen Generatio-nen. Nur so können wir für die Zukunft lernen.Unsere Vorfahren waren nicht weniger gescheit als wir. Sie

hatten vielleicht andere Bedingungen und andere Sichtweisen.Um mehr Verständnis für die Vergangenheit zu bekommen,braucht man Wissen um frühere Zeiten.Nun ist in den letzten Jahren eine wahre Flut von Chronikenauch noch der kleinsten Ortschaften entstanden. Mich freutdas, zeigt es doch das Interesse an der Geschichte unseresLandes. Soll dieser Vielzahl nun eine weitere Chronik hinzuge-fügt werden?Auch das ehemalige Fabrikdorf Spiegelau hat eine interessan-

te Entwicklung zu verzeichnen, die eng mit derjenigen der um-liegenden Ortschaften verknüpft ist. Aus den Unterlagen, dieim Besitz der Gemeindeverwaltung sind und weiteren Quellenhabe ich versucht, Spiegelauer Geschichte wieder lebendig wer-den zu lassen. Dabei erhebe ich nicht den Anspruch aufVollständigkeit. Hier kann noch viel getan werden. Es habenauch Berichte Eingang gefunden, die vielleicht geschichtlichnicht so bedeutsam sind, aber dennoch auf anekdotische Weiseetwas über den Ort und seine Einwohner aussagen. Ich be-schränke mich bewußt auf den früheren Fabrikort Spiegelau.Einige Beiträge waren bereits als Artikel in der Gemeinde-zeitung “ abgedruckt. Die Zeittafelgibt es auch auf Diskette. Ein Volltextsuchsystem erleichtertdas Auffinden bestimmter Daten oder Ereignisse.Max Schinabeck hat die Arbeit angeregt. Die Historikerin Dr.

Martina Neumann gab mir wichtige Tips. Meine Frau GabrielaNeumann-Beiler hat das Entstehen des Bändchens durchGeduld, Diskussion und durch Korrekturlesen erst möglichgemacht. Herzlichen Dank dafür!

Ich wünsche Ihnen beim Lesen so viel Freude, wie mir dasSchreiben bereitet hat.

Spiegelau, im Sommer 1998

Hermann Beiler

Der Spiegelauer Glasmacher”

Wer wissen will, wo es hingeht,muß zurückschauen.

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Vorwort Schon wieder eine Chronik. 5

Ein Überblick Ein kurzer Überblick über die 9Spiegelauer Geschichte.

Amtlich erfaßt Philipp Apian nimmt Spiegelau in 13die Karte von Baiern auf.

Mit Brief und Siegel Die ersten schriftlichen Zeugnisse 14über Spiegelau.

Von Einem zum Andern Spiegelau wechselt seine Besitzer. 17

Aufbruch in die Neuzeit Im 19. Jahrhundert beginnt der 18zweite Aufschwung.

Trari trara, die Post ist da Spiegelau erhält eine Postagentur. 19

Der Fortschritt zieht ein Technische Neuerungen in Spiegelau. 20

Spiegelauer Ansichten Postkarten um die Jahrhundertwende. 21

Die Protestanten kommen Das erste Gotteshaus ist evangelisch. 33

Spiegelaus zweite Kirche Die katholische Kirche wird gebaut. 34

Klein aber mein Kleinsiedlungsbau in Spiegelau. 42

So fing es an 600 Millionen Jahre - ein Ort in 11einem der ältesten Gebirge der Welt.

Spiegelauer Glas Die Glasherstellung in Spiegelau 26im Wandel der Jahrhunderte.

Das “Staatliche” Die Geschichte eines Spiegelauer 29Sägewerks.

Der eiserne Hund Die Eisenbahn verändert den 30Bayerischen Wald.

Die Spiegelauer Waldbahn Eine Besonderheit im Eisenbahnbau. 32

Spiegelaus Geistliche Sie sorgten und sorgen für die 36Spiegelauer Seelen.

Bildung tut not Die Schule wird gebaut. 37

Das Waldschmidt-Haus Der Rachel erhält ein Schutzhaus. 41

Inhalt Seite

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Spiegelauer Spiegelauer Persönlichkeiten:Dr. Konrad Wilsdorf 43Ludwig Wurzer 45Hans Lentner 46Josef Möginger und andere 48

Aus Politik und Wirtschaft Wahlergebnisse 52Arbeitslosigkeit 52Sägewerke müssen aufgeben. 53Fakten, Zahlen und Ereignisse

Oh Heiliger St.Florian Die Spiegelauer Feuerwehr 55

Wo man singt Der Männergesangverein Spiegelau 56

Aus Liebe zur Heimat Die Waldvereinssektion Spiegelau 57

Auf den Spuren von Der TSV Spiegelau 58Turnvater Jahn

O’zapft is Das Spiegelauer Volksfest 59

Die Panduren kommen Das Spiegelauer Pandurenfest 61

Vermischtes Verbrechen in Spiegelau 62Dreimal Rachelkapelle 63Eine “Wildkatze” wird gefangen. 64Das Sägewerk brennt. 64Die Straßen nach Neuhütte undJägerfleck werden gebaut. 65Der Rathausumzug 65Spiegelauer Kinos 66Das Spiegelauer “Gefängnis” 66Fußball in Spiegelau 68und weitere kleine Berichte

Für die Zukunft “gewappnet” Gemeindename und Wappen 69

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An Urlaubsvergnügen und Freizeit-spaß denken die Arbeiter sicher nicht,die inmitten der Waldwildnis in einerkleinen Glashütte das kostbare Glaserschmelzen und bearbeiten. Nicht dieunberührte Natur mit Bär, Luchs undWolf hatten sie wohl gegen Ende des 15.Jahrhunderts an den Zusammenflußder Schwarzach und der großen Ohegeführt. Zum Glasmachen brauchtman Quarz, Pottasche, Kalk und großeMengen Heizmaterial. Bis auf den Kalk,der mit Fuhrwerken herbeigeschafftwird, ist hier alles gut und reichlich vor-handen.Wenige Jahrzehnte später wird die Ort-

schaft Spiegelau bereits urkundlich er-wähnt und im Jahr 1568 in der “Kartevon Bayern” des Philipp Apian als Spie-gelglashütte eingezeichnet. Als dannder Wald ringsum abgeholzt ist, ziehtdie Glashütte, wie damals üblich, demHolz nach weiter in den Wald hinein.Dann wird es still um

wie das Anwesen jetztgenannt wird.Erst im 19. Jahrhundert gibt es in

Spiegelau wieder eine Glashütte. DerForst gehört inzwischen dem König-reich Bayern. Straßen und Eisenbahn-anschluß machen den Ort wirtschaft-lich interessant. Industrielle aus Bay-ern und Sachsen errichten in SpiegelauFabriken für Glas- und Holzverarbei-tung. Die Produktpalette reicht vonGlaswaren aller Art, Spiegeln, Holz-spielzeug, Holzdraht, Jalousien, Pap-peartikeln bis zu Zündholzrohlingen.1901 entsteht die evangelische und1916 die katholische Kirche. Für denTransport des reichlich vorhandenenHolzes wird eigens eine Schmalspur-bahn, die Spiegelauer Waldbahn, ge-baut. Der Ort erhält eine Hochdruck-wasserleitung und die elektrischeStraßenbeleuchtung wird eingeführt.

Sieben Industriebetriebe bedeuten600 Arbeitern und Angestellten Arbeitund Brot.Spiegelau, früher mit Klingenbrunn

zu Oberkreuzberg gehörend, beginntdie älteren und zunächst auch größe-ren Orte der Umgebung zu überholen.Dies gipfelt schließlich darin, daß Spie-gelau zum Hauptort wird und die älte-ren Gemeinden heute Ortsteile der neuentstandenen Großgemeinde sind.Aber nicht nur die Industrie wächst.

Es kommen auch die ersten Sommer-frischler, um die wunderschöne Umge-bung und die endlosen Wälder zu ge-nießen. Der Fremdenverkehrsort Spie-gelau ist geboren. Ruhe, Natur undGastlichkeit ziehen auch damals schondie Reisenden an. In der Nachkriegszeitwächst der Ort weiter und wird zu ei-nem Zentrum der Glaskunst, dessenErzeugnisse in aller Welt bekannt undgefragt sind.Auch die Holzindustrie erlebt zu-

nächst einen Aufschwung. Sie fertigtvon Rohprodukten bis hin zu Fertig-häusern fast alles. Aber der übermäch-tigen Konkurrenz vor allem aus demOsten ist man auf die Dauer nicht ge-wachsen. Zwei holzverarbeitende Be-triebe müssen schließlich aufgeben.Nur das Staatliche Sägewerk überlebt,wird modernisiert und arbeitet heuteauf dem neuesten technischen Stand.Sogar die Spiegelauer Kristallglasfab-

rik gerät ins Trudeln. Erst dem neuenEigentümer gelingt es, den Betrieb zukonsolidieren und wieder zu einer At-traktion des Ortes werden zu lassen.Heute werden die Glasöfen längst nichtmehr mit Holz oder Kohle, sondern um-weltfreundlich mit Erdgas beheizt.

Spiegelaumühle

oder Schwarzach

Bundeskanzler Kohl eröffnet 1997 inSpiegelau die Glasstraße. Diese neuedeutsche Ferienstraße führt von Neus-tadt an der Waldnaab über Spiegelau

Ein Überblick

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bis nach Passau und zeigt die Vergan-genheit und Gegenwart des Glases ent-lang dieser Fahrtroute.Es ist jedoch nicht nur das Glas, das

Spiegelaus Geschichte so entscheidendbeeinflußt hat. Spiegelau hat etwas imÜberfluß, was viele Menschen oft ver-geblich suchen. Am Fuße des GroßenRachel gelegen, des zweitgrößten Ber-ges im Bayerischen Wald, inmitten desgrößten zusammenhängenden Waldge-bietes Mitteleuropas, findet man Ruhe,gute Luft, weitgehend unberührte Na-tur, Wälder soweit das Auge blickt.1970 wird hier der erste deutsche Na-tionalpark gegründet. Die vom Men-schen zurückgedrängte Natur soll hiernoch ein kleines Rückzugsgebiet ha-ben, in der sie sich selbst ohne mensch-liche Eingriffe entwickeln kann.

Die Lage Spiegelaus als, die attraktiven Angebote des

Nationalparks sowie die vielen Möglich-keiten der Erholung in der Natur ziehenJahr für Jahr viele Feriengäste aus allerWelt an. Was für die ersten Besiedlerder Wildnis am Fuße des Rachel nochtäglicher Überlebenskampf war, dientheute vielen Menschen als Ort der Ru-he, der Entspannung und Erholung.Dieser Wandel zeigt sich auch in der

wirtschaftlichen Entwicklung des Or-tes. Neben Glasindustrie, Handel,Handwerk und einigen mittelständi-schen Betrieben der Bau- und Metall-branche ist der Fremdenverkehr zumwichtigsten Wirtschaftsfaktor Spiege-laus geworden.

Tor zum Natio-

nalpark

Spiegelau in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts.

Abb. 1

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Vor unendlich langer Zeit, es magetwa 600 Millionen Jahre her sein, be-völkerten vor allem schalenlose Weich-tiere unsere Gegend. Sie lebten in demMeer, das sich hier erstreckte. AmGrunde dieses Meeres

. DurchDruck und hohe Temperaturen ent-standen unter anderem Glimmer-schiefer und dunkle Schiefergneise,aber auch Serpentinite und Phyllite.Die Verschiebung der Kontinentebrachte gewaltige Erdbewegungen inGang. Der heutige Bayerische Waldwurde angehoben, der frühere Meeres-boden wurde zu einem Gebirge.Flüssiges Gesteinsmaterial drang ausdem Erdinneren durch Risse nachaußen, wo es zu Granit erstarrte. Dasalles spielte sich vor etwa 300 MillionenJahren ab. Schließlich entstand eineErdspalte, in die sich Quarz ablagerte.Dieser Quarz sollte später noch einebedeutende Rolle spielen. Erosion sorg-te dafür, daß sich das große Gebirgewieder abflachte.Erst zu Anfang der Erdneuzeit, also

vor ca. 60 Millionen Jahren, wurde alsNebenwirkung der Alpenauffaltungauch der Bayerische Wald wieder ange-hoben und entwickelte sich zu demGebirge, wie wir es im Prinzip heute ken-nen. Aber noch hatten die Eiszeiten mitihren formenden Kräften noch nicht ihrWerk begonnen. Dies geschah dann voretwa 600 Tausend Jahren und setztesich bis vor ungefähr 10 TausendJahren fort. Die letzten Gletscher hin-terließen noch ihre Spuren am Rachelund zogen sich dann zurück.Unendliche Wälder konnten sich hier

in der Mitte Europas bilden. Es warenUrwälder, die sich je nach Höhenlageund Untergrund aus unterschiedlichenPflanzen zusammensetzten. Das Klimawurde zunächst milder und dieBaumgrenze stieg an. Das auch heutenoch größte zusammenhängendeWaldgebiet Europas entstand.

Wann Menschen zum erstenmal indiese unwirtlich scheinende Gegendkamen, wissen wir nicht. Der Fund vonBronzebeilen weist aber darauf hin,daß unsere Gegend doch schon sehrfrüh besiedelt war.Im ausgehenden Mittelalter war es

dann soweit. Das Schießpulver wurdeeingeführt, der Buchdruck erfunden,

sammelten sichkilometerdicke Ablagerungen

Amerika wurde entdeckt, der Handelnahm globale Formen an.Für die großen Kirchenfenster wurde

gutes farbiges Glas gebraucht. Die rei-chen Leute, deren es immer mehr gab,wollten ebenfalls ihre Fenster mitGlasscheiben versehen, sich im Spiegelbewundern und aus erlesenen Gläserntrinken. Die Glaskunst war zunächsthauptsächlich in Venedig zuhause.Glashütten entstanden aber auch imBöhmerwald und in der Nähe der grös-seren Städte wie z.B. Nürnberg oderLandshut. Deren Holzverbrauch waraber so übermäßig, daß der Betrieb ein-geschränkt werden mußte. Man mußteaußerhalb der Altsiedlungsgebiete undder Städte nach Plätzen suchen, an de-nen auf längere Sicht genügend Holzund andere Rohstoffe für die Glasher-stellung vorhanden waren. Holzreich-tum und Quarzvorkommen führtenschließlich zum Ende des 15. Jahr-hunderts vermehrt zu Glashütten-gründungen im Bayerischen Wald, derdamals entlang des bayerisch-böhmischen Grenzkammes nochBöhmerwald hieß.Ein kleiner ebener Platz am Zusam-

menfluß von Schwarzach und Oheschien einigen Glasmachern der idealeOrt zu sein, um eine Glashütte zu er-richten. Am Fuße des Großen Rachel,inmitten unendlicher Wälder, an ei-nem starken Bach, dessen Wasser sichwenige Meter weiter über gewaltigeKaskaden in die heutige Steinklammergoß, in unmittelbarer Nähe guterQuarzvorkommen, war die Situationgünstig für die Glasherstellung.

So fing es an

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Abb. 2

Abb. 3

Auf Wegen, die ursprünglich für dieKlöster angelegt worden waren oder derherzoglichen Handelsstraße “GuldenStraß” konnte das Glas dann insDonautal gebracht werden.Gegen Ende des 15. Jahrhunderts

dürfte eine erste Glashütte an der Stel-le des heutigen Spiegelau gegründetworden sein. Im Jahr 1521 vermachtder aus Grafenau stammende PassauerBürger Erasmus Mospurger testamen-tarisch die beiden Glashütten “Spie-glaw und Klingenprun” der PfarrkircheGrafenau. Er bestimmt ferner, daß dieHütten an seinen Vetter und PassauerSpiegelmacher Sigmund Frisch weiter-veräußert werden sollen.Der Ortsname Spiegelau (Spieglaw)

taucht zum erstenmal in einemSpruchbrief im Zusammenhang mitdem Verkauf der Hütte an SigmundFrisch im Jahr 1532 auf. Die Endung -aw oder -av entspricht in ihrer Bedeu-tung dem heutigen -au und kann alsHinweis auf die Lage und Beschaffen-

heit der Örtlichkeit ( Au oder Aue) ver-standen werden. In dem Erbrechts-brief, den eben dieser Sigmund Frischim Jahr 1542 vom bairischen HerzogWilhelm IV. erhält, ist der Name Spiege-lau gleichfalls vermerkt.Wenige Jahrzehnte nach der ersten

urkundlichen Nennung Spiegelaus ließ1568 der kunstsinnige Herzog AlbrechtV. sein Baiern kartographieren. Seinemgroßen Kartenzeichner Philipp Apianverdanken wir die erste DarstellungSpiegelaus auf einer Landkarte und dieoffizielle Nennung als Glas- und Spie-gelhütte.Vielleicht läßt sich aus dieser langen

Geschichte ein wichtiger Wesenszugder Waldler erklären, das Festhaltenam Althergebrachten. Wer mit beidenBeinen fest auf einem über 600 Millio-nen Jahre alten Boden steht, weiß Be-ständigkeit zu schätzen.

Philip ApianIhm verdanken wir die erste

Darstellung Spiegelaus in einerLandkarte.

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Der Mathematiker und Geograph Philipp Apian fertigte im Jahr 1568 dieseim Original farbige Landkarte. Sie ist Teil eines Kartenwerks, das das ganzedamalige Herzogtum Baiern umfaßte.

Bildquelle: Reproduktion des Bayerischen LandesvermessungsamtesOriginal in der Bayerischen Staatsbibliothek München.

Abb. 4

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Fast 500 Jahre ist diese Urkunde alt. Anmerkungen aus verschiedenenZeiten sind auf dem Dokument sichtbar.

Wir schreiben das jahr 1521. Der erstenachweisbare Spiegelauer HüttenherrErasmus Mospurger vermacht seineGlashütten der Pfarrkirche Grafenaumit der Auflage, sie an seinen Vetter,den Passauer Spiegelmacher SigmundFrisch zum Schätzwert weiterzuver-äußern. Ferner soll die Kirche für dasSeelenheil des Stifters entsprechendeTotenmessen halten. Der Wortlaut der

Verfügung ist in dieser Urkunde desKlosters Niederalteich aus dem Jahr1521 festgehalten. Der Name Spiegelautaucht noch nicht auf. Aus dem Zusam-menhang mit einem späteren Spruch-brief läßt sich aber unzweifelhaft derSchluß ziehen, daß es sich bei den bei-den nicht näher bezeichneten Hüttennur um die Glashütten Klingenbrunnund Spiegelau handeln kann.

Mit Brief und Siegel

Abb. 5, HStA, KlU Niederalteich 1642

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Nach dem Tod des Erasmus Mospurger kommt es zwischen Sigmund Frisch und derPfarrkirche Grafenau zu einem Streit um die Glashütten. Der zuständige BärnsteinerPfleger schlichtet diesen Streit. Anno 1532 ergeht der abgebildete Spruchbrief, der imOriginal beim Hauptstaatsarchiv München liegt. In dieser Urkunde wird der NameSpiegelau zum erstenmal schriftlich erwähnt. (Pfeil)

Aufschrift auf der Rückseite der Urkunde.

Spiegelau wird zum erstenmal schriftlich erwähnt.Ausschnitt aus Abb. 5a, HStA, KlU Niederalteich 1643

Abb. 5b, HStA, KlU Niederalteich 1643

Abb. 5a, HStA, KlU Niederalteich 1643

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Abb. 6

Rentkastenamt Straubing A 682, Fol. 410

Abb. 6a

Der Erbrechtsbrief, den Sigmund Frisch 1542 erhielt, wurde 1795 vom Original abge-schrieben. Was der Grund dafür war, und wo das Original geblieben ist, läßt sich heutenicht mehr feststellen. Die Echtheit und die Originaltreue der Abschrift (de verba adverbum = Wort für Wort) wird mit der unten wiedergegebenen “Beglaubigung” mit Siegelund Unterschrift bestätigt. Daß der Brief mit “Von Gottes Gnaden wir Ludwig ...” beginnt,liegt daran, daß Wilhelm IV. von 1508 bis 1545 zusammen mit seinem Bruder Ludwig X.regierte.

Rentkastenamt Straubing A 682, Fol. 410

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Die Blütezeit der Spiegelauer Glas-hütte währte nicht lange. Für dieGlasherstellung brauchte man un-glaubliche Mengen an Holz. Das wichti-ge Flußmittel Pottasche wurde darausgewonnen und die Beheizung der Öfenerfolgte ebenfalls mit Holz bzw.Holzkohle. Man kann sich vorstellen,daß um die Hütten herum bald keinBaum mehr stand. 1601 wurde dieHütte dann nach Klingenbrunn verlegt.

Eine kleine Landwirtschaft war inSpiegelau noch übrig geblieben. Damitwar die Ernährung der Hütte sicherge-stellt worden. Auch eine Mühle gab esvermutlich noch. Darauf lassen zumin-des t spä te re Au f ze i chnungenschließen, in denen nicht mehr vonSpiegelau, sondern von Spiegelau-mühle die Rede ist.Das kleine Anwesen wechselte oft den

Besitzer.

Mit dem Jahr 1832 beginnt wieder einneues Kapitel Spiegelaus.Das Gut Klingenbrunn, zu dem

Spiegelau bzw. der Weiler Schwarzachgehört, wird an das Königreich Bayernverkauft. Die Herren von Meiern undHeinz erwerben das Gut ohne Forstund verlegen die Althütte nachFlanitzhütte. Der HüttenstandortNeuhütte wird 1834 an AntonHellmeier aus Deggendorf verkauft.Dieser verlegt die Glashütte wiedernach Spiegelau und betreibt sie dort biszur Versteigerung 1842.

Die Gemeinde Klingenbrunn, die bisdato zu Oberkreuzberg gehörte, wirdeigenständig. Damit gehört nun auchSpiegelau nicht mehr zu Oberkreuz-berg sondern zu Klingenbrunn.Im Jahr 1842, nur sechs Jahre vor der

Deutschen Revolution, ersteigert derGlasführer und Bierbrauer AntonStangl aus Zwiesel die Glashütte inSpiegelau und baut sie mit großemErfolg weiter aus. Zeitweise wird derganze Ort nur mehr Stanglhütte ge-nannt. Der Aufschwung Spiegelaus als“Fabrikort” beginnt.

Liste der Besitzer, die durch Kauf oder Vererbung an das kleineAnwesen Spiegelau gekommen sind:

1532 Sigmund Frisch1576 Achatz Frisch

1580 Georg Rabensteiner1591 Gotthard Riedl

1606 Thomas Henkler1608 Michael Krieger1611 Matthias Greipl

1626 Ezechiel Preissler1658 Willibald Preissler

1689 Jakob Müller1724 Adam Hilz

1752 Christoph Hilz1814 Felix von Hilz

Von Einem zum Anderen

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Aufbruch in die Neuzeit

Kartengrundlage:Topographischer Atlas von Bayern 1:50.000, Blatt Nr. 50 (Zwiesel)1828; Wiedergabe mit Genehmigung des Bayerischen Landesvermessungsamtes

Auf dieser Landkarte von Bayern kannman gut erkennen, daß Spiegelau inseiner heutigen Größe noch nicht sehrlange besteht. Die Orte Klingenbrunn,Pronfelden, Palmberg und sogar Neu-hütte sind noch 1828 größer als Spiege-lau. Das Wachstum des Ortes beginnterst später.

Aufwärts geht es mit Spiegelau, als1842 Anton Stangl aus Zwiesel die vonAnton Hellmeier 1834 von Neuhüttewieder nach Spiegelau verlegteGlashütte erwirbt und mit unterneh-merischem Geschick aufbaut.

Zur gleichen Zeit wird in Bayern, dasinzwischen seit 22 Jahren Königreichist, das 10-Jahres-Jubiläum der Baye-rischen Verfassung gefeiert. KönigLudwig I. regiert seit drei Jahren undhat es in kürzester Zeit geschafft, denbis dahin völlig maroden Staatshaus-halt zu sanieren.

Spiegelau (bzw. Schwarzach undSpiegelaumühle) das bisher zur Ge-meinde Oberkreuzberg gehörte, wird1934 zusammen mit Klingenbrunnabgetrennt. Der neue Gemeindenameist Klingenbrunn.

Endedes 19. Jahrhunderts erfolgt schließ-lich der Straßen- und Eisenbahn-anschluß, was wiederum die Industrieanzieht.

Abb. 7

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Trari trara, die Post ist da!

Mit diesem Schreiben bestätigt die “General-Direction der königlich bayerischenVerkehrs-Anstalten - Postabtheilung” - im Jahr 1877 die Errichtung einer Postagentur

(Postexpedition) in Spiegelau. Posthalter ist Ludwig Stangl.

Abb. 8

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Der Fortschritt zieht einWir schreiben das Jahr 1877. Das

Deutsche Reich wird sieben Jahre alt.Vor zwei Jahren wurde der Weltpost-verein gegründet. Die moderne Zeitmacht auch vor dem Bayerischen Waldnicht halt.Am 17. September 1877 wird in Spie-

gelau die erste Postagentur mit Telegra-fendienst gegründet. Posthalter ist Lud-wig Stangl. Den Postdienst versieht An-ton Röck. Aufgrund der zunehmendenIndustrialisierung des Ortes wird vondieser neuen Einrichtung auch regerGebrauch gemacht. Leider gilt diesauch für die “Langfinger”. Das Ver-schwinden einiger Wertsendungenkonnte nie aufgeklärt werden.Übrigens: Im gleichen Jahr wird die

Distriktsstraße nach Grafenau fertigge-stellt. Damit ist Spiegelau nunmehr ver-kehrsmäßig an Zwiesel und Grafenauangebunden.Auch die Eisenbahn wird 1877 gebaut

und schließt den Bayerischen Wald andas übrige Bahnnetz an.

Die Bahnlinie Zwiesel - Grafenau, dieerst den eigentlichen Aufschwung derGemeinde bringt, wird erst 13 Jahrespäter eröffnet.Zum leichteren Abtransport des Hol-

zes (statt flößen) wird 1909 auch nocheine Schmalspurbahn mit teilweise loseverlegten Gleisen in den Wald hineingebaut. Sie führt von Spiegelau bisnach Mauth, eine Stichbahn bindet dieSt. Oswalder Diensthütte an. Ein Teildieser Waldbahngleistrasse ist heuteals Wanderweg ausgebaut. Ein Ge-denkstein beim Waldspielplatz erin-nert daran.Aber auch andere Neuerungen wer-

den eingeführt. Schon 1894 kann manim Gasthaus “zur Steinklamm” demneuen Billardspiel frönen.1906 erhält der Ort eine moderne

Hochdruckwasserleitung, der einengroßen Teil der Spiegelauer Häuser mitTrinkwasser versorgt.1908 wird die öffentliche Straßenbe-

leuchtung feierlich eröffnet.

Ein solches Hochrad, ein “Velociped”, fein vernickelt und mit Vollgummirei-fen war damals die Attraktion in Spiegelau. Ein Angestellter der Glasfabrikhatte es sich 1885 gekauft und fuhr damit so oft es ging herum. Es war daserste Fahrrad im Landkreis.

Abb. 9

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Spiegelauer Ansichten

Eine der ältesten Postkarten von Spiegelau. Sie wurde 1901 verschickt.

Eine Ansichtskarte von 1910

Die Bildunterschriften von links nach rechts:Oben: Apotheke, protestantische Kirche, Villa Nelly, Rachel mit See 1454 mMitte: Schule, Forstamt, Louisenfels / Villa Petzold, Restauration SteinklammUnten: Bahnhof, Eisenbahnbrücke, Lusen 1370 m

Abb. 10

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Lange vor der Errichtung einer katholischen Pfarrkirche gibt es bereits den KatholischenArbeiterverein in Spiegelau. Er wird 1891 gegründet und besitzt sogar ein eigenesVereinsheim, das “Arbeiterheim”. Es wird später in ein Lichtspielhaus umgebaut undAnfang der 60er Jahre verkauft. Heute ist dort die Kegelbahn.

Der Fremdenverkehr spielte in Spiegelau auch um die Jahrhundertwende schon eineRolle. Um die Schönheiten des Ortes anzupreisen, wurden solche Grußpostkarten herge-stellt und vertrieben.

Diese Grußpostkarte mitSpiegelauer Ansichtenwurde 1899 verschickt.Sie ging nach Ortenburg.

Nach München ging dieserGruß im Jahr 1916.

Abb. 12

Abb. 13

Abb. 14

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Die Filial-Apothekevon Apotheker FranzXaver Schreindl aus

Grafenau um 1907.Eswar die erste

Spiegelauer Apotheke.

Die Eisenbahnbrückeüber die Steinklamm.Im Hintergrund diePetzold-Villa und dieevangelische Kircheum 1910.Der katholischeKirchenbauverein gabsolche Postkartenheraus, um damit denKirchenbau zu finan-zieren.

Der Gasthof Postvon Martin Heißetwa um 1911.

Abb. 17

Abb. 16

Abb. 15

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“Beim Petzold” arbeiteten viele Spiegelauer. Ernst Petzold hatte das SägewerkHeiß 1890 gekauft und eine moderne Holzfabrik daraus gemacht. Nach dem TodPetzolds 1910 übernahm dessen Neffe, der spätere Kommerzienrat Dr. KonradWilsdorf die Fabrik. Später wurde sie verlagert und besteht noch heute alsStaatliches Sägewerk Spiegelau.

Die Spiegelauer “Krystallglasfabrik” in den 20er Jahren. Nach der Stillegung derGlashütte 1913 wurde sie dann 1919 von der Firma Bing aus Nürnberg undKommerzienrat Pretzfelder zu einer leistungsfähigen Glasfabrik ausgebaut.Letzterer erwarb den Betrieb 1926 und wandelte ihn in eine GmbH um.

Abb. 18

Abb. 19

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Spiegelauer Glas

Im Testament Erasmus Mospurgers von1521 findet sich der erste urkundliche

Hinweis auf eine Spiegelauer Glashütte.

Aus den Patterln wurden Rosen-kränze und Schmuck hergestellt.

Medizinflaschen aus Waldglas.

Die Glasherstellung hat in Spiegelaueine lange Tradition. Die Geschichteder Spiegelauer “Glasfabrik” ist un-trennbar mit der Geschichte des Ortesverbunden.Schon zu Beginn des 16. Jahrhun-

derts steht am Zusammenfluß vonSchwarzach und Ohe eine Glashütte.Hier werden hauptsächlich besondersfeines Spiegelglas, wahrscheinlich aberauch einfache Glasgegenstände undPatterln (Glasperlen für Rosenkränzeund Schmuck) hergestellt. Das Spie-gelglas wird z.B. nach Passau verkauft.Dort wie auch in Nürnberg haben dieSpiegelmacher ihre Werkstätten.Durch Belegen der Glasscheiben mitSilber oder Quecksilberlegierungenentsteht erst der eigentliche Spiegel.Der zweite bekannte SpiegelauerHüttenherr Sigmund Frisch ist selbstSpiegelmacher in Passau.Mit den Glasperlen sollen z.T. die

berüchtigten Glasperlengeschäfte mit

afrikanischen Sklavenhändlern ge-macht worden sein. Der Absatz andererGlaswaren ist aus verschiedenenGründen nicht einfach. Die Konkur-renz des venezianischen Glases istgroß, in manchen Städten darfWaldglas nur auf Märkten, nicht aberim regulären Handel angeboten wer-den.Es entstehen neue Glastechnologien.

Von den böhmischen Hütten lernt mandickwandiges Kristallglas herzustellen.Dieses läßt sich gut schleifen undentspricht dem Zeitgeschmack besserals das dünne venezianische Glas.Die Aussicht auf gute Geschäfte ruft

damals wie heute “Investoren” auf denPlan. So kommt auch die damaligeKlingenbrunner Neuhütte in den Besitzzunächst eines Konsortiums, danneines Deggendorfer Kaufmanns, der dieGlashütte 1834 wieder nach Spiegelauverlegt. 1842 kommt die Hütte “ auf dieGant” , d.h. sie wird versteigert.

Abb. 22

Abb. 23

Abb. 21, HStA, KlU Niederalteich 1642

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Erst als der Fuhrunternehmer undBierbrauer Anton Stangl aus Zwieselden Betrieb für 21.000 Gulden erstei-gert, geht es mit dem Spiegelauer Glasaufwärts. Er beobachtet den Markt.Das Schnupfen ist damals weiter ver-breitet, als heute das Rauchen. Tabakgehört bei vielen Berufen zum festenBestandteil des Lohnes. Jedermannbraucht also ein Behältnis zum Aufbe-wahren des “Schmalzlers”. Es sollbillig, aber schön und möglichst indivi-duell sein. Anton Stangl beginnt alsomit der Fabrikation von Schnupf-tabakgläsern und war damit lange Zeitkonkurrenzlos.Auch sein Sohn Ludwig Stangl achtet

genau auf den Zeitgeschmack. Zu deninzwischen beliebten und weit verbrei-teten Stangl’schen Schnupftabakglä-sern kommt irisierendes und gold-leuchtendes Glas für die guten Stuben.Der Aufschwung hält bis zu Stangls

Tod 1898. Der Sohn muß an die Witwe

seines Vaters 80.000RM zahlen. DieserLiquiditätsabfluß ruiniert die Firma inkürzester Zeit. Schon 1905 stirbtLudwig Stangl jun.. Der Grundbesitzwird aufgeteilt und die Glashütte gehtdurch einige Hände. 1911 wird sie vonDallmayer & Hilz vollständig umgebautund modernisiert. 1913 folgt dieStillegung der Hütte durch Millitzer &Münch, die sie 1912 ersteigert hatten.Erst als der Metallwarenhersteller Bingaus Nürnberg (zeitweise größterSpielzeughersteller der Welt) denBetrieb kauft, kommt unter der Leitungdes späteren Eigentümers FritzPretzfelder wieder Schwung in dieGlasproduktion. Die “BING - GLAS &KERAMIK” entsteht.Pretzfelder erwirbt 1926 die Fabrik

und wandelt sie in eine GmbH um.1927 wird er für seine Verdienste zumKommerzienrat ernannt. 1928 erhältdie Firma einen neuen Namen:

.Kristallglasfabrik Spiegelau GmbH

Mit solchen Schnupftabakgläsernbegann der Aufschwung der neuen

Spiegelauer Hütte unter Anton Stangl.

“Bing Glas & Keramik” Spiegelau

Zusätzlich zu Schnupftabakgläsernproduzierte Ludwig Stangl hochwertigesGebrauchsglas, wie diese Leuchter aus

Goldrubinglas.

Der SpiegelauerGlashüttenbesitzer

undMultiunternehmer

Ludwig Stanglum 1890

Abb. 24

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Abb. 26Abb. 27

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Kommerzienrat Pretzfelder bekleidetviele Ehrenämter im Bereich der deut-schen Glasindustrie und verfügt übergute internationale Beziehungen.Einen Einblick in die Produktpalettebieten die unten abgebildetenAusschnitte aus dem Originalkatalogvon 1928.1939 muß Kommerzienrat Fritz

Pretzfelder im Zuge der Arisierung dieFabrik weit unter Wert verkaufen undnach England emigrieren. Die Glas-fabrik wird nun von Paul Beate undHans von Schöppenthau weitergeführt.Auch in Kriegszeiten wird produziertund zu 50% ins Ausland geliefert.Dänemark, Schweiz, Türkei undBulgarien sind die Kunden, die vorallem wegen der Devisen wichtig sind.1949 erhalten die Pretzfelders, die in

England ihren dort schwer auszuspre-chenden Namen in umgeänderthatten, ihre Fabrik zurück und brin-gen Sie unter der Regie des DirektorsDanzmann wieder zu neuer Blüte.

Die wirdeiner der führenden Kelchglasher-steller in der Bundesrepublik Deutsch-land. Eine neuartige Säurepoliturverhilft zu einem weiteren Aufschwungbei der Herstellung von Kristallglas-artikeln (Helios-Kristall).Kommerzienrat Preston (Pretzfelder)

stirbt 1961, Direktor Danzmann 1962.Das Werk wechselt nun mehrfach den

Eigentümer und die stetige Aufwärts-entwicklung nimmt vorerst ein Ende.Seit 1990 gehört die

zur Nachtmann-Firmen-gruppe, einem der führenden Glasher-steller Europas und befindet sichwieder voll im Aufwärtstrend. Heuteliegt der Schwerpunkt der SpiegelauerGlasfabrikation bei qualitativ hochwer-tigstem Gebrauchsglas mit modernemund zeitlosem Design.

findet man im Privatbereichebenso wie bei großen Fluglinien oderinternational anerkannten Fein-schmeckerrestaurants.

Preston

Kristallglasfabrik Spiegelau

Kristallglasfabrik

Spiegelau

Spiegelauer

Echtkristall

Aus dem Katalog von 1928

Aus dem Katalog von 1928Kommerzienrat Preston

vorm. Pretzfelder

Prospektblatt aus den 50er Jahren Prospekt 1998

Abb. 28

Abb. 31Abb. 32

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Abb. 29

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Nur vom “Staatlichen” ist die Rede,wenn Spiegelauer vom letzten verblie-benen großen Sägewerk im Ort spre-chen. Früher, das heißt vor dem Krieg,hatte es noch einen anderen Namen.Damals war es noch Privateigentumund hieß frei nach seinem Gründer“Petzold”. Der Unternehmer ErnstPetzold aus Chemnitz war 1890 nachSpiegelau gekommen und hatte dasSägewerk des Martin Heiß in Luisenfelserworben und weiter aufgebaut. Als er1910 starb, übernahm sein Neffe Kom-merzienrat Dr. Konrad Wilsdorf dasUnternehmen und brachte es zu weite-rer Blüte. Zeitweise waren über 200Arbeiter “beim Petzold”, wie man esimmer noch nannte, beschäftigt. Trotzder Inflation und eines großen Brandesin der Holzwarenfabrik im Jahr 1923gelang es, den Betrieb für Spiegelau zuerhalten. Kommerzienrat Dr. KonradWilsdorf war ein verantwortungsvollerUnternehmer. Nachdem sein Sohn undeinziger möglicher Nachfolger im Krieggefallen war, mußte eine Lösung gefun-

den werden, die Arbeitsplätze zuverläs-sig und auf Dauer zu sichern. Einfachverkaufen, oder einen Geschäftsführereinsetzen wollte er nicht. Zu schlechteErfahrungen hatte man in anderenUnternehmen damit gemacht. So kamer auf die Idee, seine Grundstücke undseine Firma zu günstigen Bedingungendem Staat zu übereignen. Im Kriegsjahr1943 kam das Land Bayern auf dieseWeise zu einem eigenen Sägewerk.Inzwischen Freistaat geworden, be-treibt der neue Eigentümer das “Staat-liche Sägewerk” immer noch mit Erfolg.Er erfüllt damit das Vermächtnis desDr. Konrad Wilsdorf.Ein schwerer Brand zerstörte im Mai

1990 die Schnittholzsortieranlage undeinen großen Teil der Schnittholz-vorräte. Die Ursache war Brand-stiftung.1995 wurde die Sägeanlage auf den

neuesten Stand gebracht und kanninzwischen auf eine über 100-jährigeGeschichte zurückblicken.

Das “Staatliche”

Das staatliche Sägewerk kurz nach dem 2. Weltkrieg von derHauptstraße aus gesehen. Im Hintergrund die “Zucker-Villa”

und die alte Allee an der Straße nach Neuhütte.

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Sein Bellen sollte das große Gerichtankündigen. So soll es jedenfalls der“Waldprophet Mühlhiasl” vorausgesagthaben. Und der “eiserne Hund”? Waskonnte das anderes sein als dieEisenbahn, die mit lautem Pfeifendurch die ehedem ruhigen Wälderratterte.Die Eisenbahn löste ein großes Pro-

blem des Bayerischen Waldes. Es warimmer sehr schwierig gewesen, Lastenoder Waren hinein oder heraus zubefördern. So wäre es über Jahr-hunderte viel zu teuer und aufwendiggewesen, Bäume zu schlagen und imübrigen Bayern als Ganzes odergeschnitten zu verkaufen. Auch vor-handene Rohstoffe wie Quarz konnteman nicht in großen Mengen über weiteStrecken transportieren.Man verarbeitete z.B. Quarz und Holz

an Ort und Stelle zu Glas und transpor-tierte erst die fertige oder teilfertigeWare weiter. Auch das war auf denschlechten Wegen und Straßen müh-sam genug. Erst gegen Ende des 18.Jahrhunderts änderte sich das ganzentscheidend. Zwar wurde die erstedeutsche Eisenbahnlinie schon 1835eröffnet, aber bis auch der BayerischeWald an das Schienennetz angeschlos-sen wurde, dauerte es noch eine Weile.

Die Bahnstrecke Straubing - Passauwird erst am 20. 9. 1860 eröffnet. Am16.9.1877 fährt der Zug zum erstenmalvon Plattling über Deggendorf nachZwiesel und am 15.11.1877 schließlichbis nach Bayerisch Eisenstein.Waldbahn nannte man im übrigenBayern diese Linie, die den Baye-rischen Wald und damit auch Böhmenmit dem inzwischen rasant gewachse-nen deutschen Eisenbahnnetz ver-band. Am 1.9.1890 wird noch dieStrecke Zwiesel - Grafenau in Betriebgenommen. Von Passau nach Freyungkann man ab dem 15.10.1892 fahren.Eine Eisenbahnverbindung zwischenFreyung und Grafenau kommt aus ver-schiedenen Gründen nicht zustande.Viele Geschichten ranken sich um den

Eisenbahnbau. Damals wie heutewaren nicht alle für die Neuerungen derTechnik aufgeschlossen. Teufelszeugist es für die Einen, große Gefahrensehen die Anderen davon ausgehen.Fuhrleute fürchten mit Recht dieKonkurrenz, und auch viele Wirtsleutemögen die schnelle Eisenbahn nicht,mit der die Passagiere an ihnen vorbei-fahren würden. Manche Gemeinde hatsich selbst vom Fortschritt abgehängt,indem sie einen Eisenbahnanschlußablehnte. Diejenigen Orte, die mit der

Der eiserne Hund

Die Eisenbahnbrücke bei Regen. Ein Beispiel für dieIngenieurkunst des 19. Jahrhunderts.

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Bahn direkt erreichbar waren, erlebtengrößtenteils einen bisher ungeahntenAufschwung.Für die Glasindustrie und damit auch

für die Spiegelauer Glashütte bringt dieBahn entscheidende Veränderungen.Rohmaterial wie Quarz und Kalk kön-nen nun in großen Mengen per Bahnbezogen werden. Statt Pottaschewurden inzwischen synthetischerzeugte Flußmittel wie z.B. Sodaverwendet. Auch diese kommen mit derBahn aus dem Rheingebiet. DieBeheizung der Glasöfen erfolgt nunauch nicht mehr mit Holz, sondernman verwendet Kohle oder Generator-gas, das man in eigenen Anlagen ausKohle gewinnt. Auch die Kohle wird mitder Eisenbahn angeliefert.Die Produkte der Glasherstellung

können nun ebenfalls viel einfacher zuden Abnehmern transportiert werden.Gleichzeitig wächst aber auch dieKonkurrenz auf dem Glasmarkt. Warenfrüher die Hütten in den Holzgebietenim Vorteil, so gilt dies nunmehr für dieGlasindustrie an den Kohlestandortenwie im Ruhrgebiet und in Schlesien.Das bekommt auch die Spiegelauer

Glashütte zu Beginn des 20. Jahr-hunderts zu spüren. Seit dem Neu-beginn 1919 unter der Leitung vonKommerzienrat Fritz Pretzfelder über-wiegen aber die Vorteile der Eisenbahnschließlich auch für die Kristall-glasfabrik Spiegelau. Per Eisenbahngehen die edlen Glasprodukte in dieganze Welt. 1953 erhält das Werk sogareinen eigenen Gleisanschluß.Die Eisenbahn bringt aber auch neues

Gewerbe nach Spiegelau. Holz undHolzprodukte lassen sich mit der Bahnebenfalls kostengünstig transportie-ren. So lohnt sich endlich die holzverar-beitende Industrie und wird bis in die70er Jahre des 20. Jahrhunderts zueinem entscheidenden Wirtschafts-faktor.Für den Abtransport des geschlage-

nen Holzes bis zum SpiegelauerBahnhof wird 1909 eigens eineSchmalspurbahn, die

gebaut, die bis 1960 inBetrieb ist.Die Eisenbahn eröffnet das “Trans-

portzeitalter” und beeinflußt dieEntwicklung der Ortschaften imBayerischen Wald ganz entscheidend.

Spiegelauer

Waldbahn

Spiegelauer Waldbahn mit Schneepflug

Dampflok der BayerischenStaatsbahnen um 1895 (Modell)

Bayer. Abteilwagen 3. Klasseum 1875 (Modell)

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Sie war die technische Antwort auf dieungeheure Nachfrage nach Holz zuBeginn dieses Jahrhunderts. Auf dereinen Seite wurde immer mehr Wald zuproduktiven “Holzplantagen” umge-baut, mit denen man wesentlich mehrund besseres Holz erzeugen konnte alsje zuvor. Andererseits mußten diegeschlagenen Bäume ja auch transpor-tiert werden, und das über weiteStrecken. Bisher hatte man das überein ausgeklügeltes System vonTriftanlagen bewältigt. Hier war manallerdings bald an Grenzen gestoßen.Die Eisenbahn war die Lösung. Die

Bahnstation Spiegelau verband den Ortmit dem übrigen deutschen Schie-nennetz. Findige Ingenieure ließenTrassen für eine Schmalspurbahn imForst anlegen, bzw. nutzten die vorhan-denen Forststraßen. In den Jahren1909/10 begann es mit einer Streckevon 32 Kilometern von Spiegelau bisMauth. Später wurden es bis zu 100Kilometer Geleise. Bis 1960 wurden aufdiese Weise unvorstellbare Mengen anhochwertigem Holz transportiert. Am11. Mai 1960 mußte die Waldbahn ausRentabilitätsgründen ihren Betriebeinstellen. Lorenz Moser fuhr denletzten Zug der Waldbahn nachSpiegelau.

Einige Liebhaber der alten Waldbahnmeinten, diese wäre eine Tourismus-attraktion geworden, hätte man sie aufden Personenverkehr umgestellt. Lei-der hätten die sicherheitstechnischenVoraussetzungen bei der ursprüngli-chen Waldbahn bei weitem dafür nichtausgereicht. So wäre eine Nachrüstungpraktisch einem Neubau gleichgekom-men. Die Bahntechnik der Waldbahnwar zwar teilweise genial, aber ebenauch sehr schlicht. Entgleisungenkamen fast täglich vor, konnten abermeist mit “bordeigenen” Mitteln bewäl-tigt werden. So erzählte es mir jeden-falls Lorenz Moser.

Die Spiegelauer Waldbahn

Viel Holz für eine kleine Lok.

Die Arbeit bei der Waldbahn war nicht nurhart, sondern auch gefährlich. Bei diesem

schweren Unglück starb am 16.9.1929Josef Blöchinger auf der Heimfahrt zum

Spiegelauer Bahnhof.

Auch eine Eisenbahn will gepflegt sein.

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Es ist ein außergewöhnlicher Tag fürSpiegelau. Am 31. Oktober 1901 wird inSpiegelau die erste Kirche eingeweiht.Es mag für so manche Kenner desBayerischen Waldes erstaunlich sein,aber es handelt sich dabei um die evan-gelische Martin-Luther-Kirche. Sie ent-steht eineinhalb Jahrzehnte vor derkatholischen Kirche. Es sind vor allemBesitzer, Arbeiter und Angestellte zwei-er damals bedeutender Industrie-betriebe in Spiegelau, der Holzwaren-fabrik Petzold und der PappenfabrikWildberger, die 1900 den “Evangeli-schen Verein Spiegelau” gründen.Sieben evangelische Familien sollen esgewesen sein. Dieser Verein setzt in kür-zester Zeit die Pläne für den Bau einerevangelisch-lutherischen Kirche in dieRealität um.

Das kleine Kirchlein war immer “inBetrieb” und steht auch jetzt noch fastjeden Sonntag allen Gläubigen undInteressierten offen. Während desBaues der katholischen Pfarrkirchewaren sogar die katholischen Gläubi-gen zeitweise Gast in den Kirchen-räumen.Allein ein kleiner Spaziergang zur und

um die Martin-Luther-Kirche ist wegender Aussicht lohnenswert.Leider hat der Zahn der Zeit doch

schon sehr an dem kleinen Kirchen-gebäude genagt. Und so wurde dasKirchlein 1997 im Außenbereich reno-viert.Die vielen katholischen Gläubigen in

Spiegelau gründen 1902 ebenfalls ei-nen Kirchenbauverein und bauen von1913 bis 1916 ihre Pfarrkirche.

Die Protestanten kommen

Diese Planskizzen eines Neubaues wurde 1900 bei den entsprechenden Stelleneingereicht. Der Bau erfolgte dann bald mit nur leichten Änderungen.

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Im Dezember 1916 ist es endlich so-weit. Die katholische Kirche ist fertig,wird gesegnet und mit einem feierli-chen Hochamt seiner Bestimmungübergeben. (Die Einweihung durch Bi-schof von Ow erfolgt erst 1924.)15 Jahre hat es gedauert, bis es soweit

war. Bislang mußten die katholischenSpiegelauer nach Oberkreuzberg in dieMesse gehen. Sie gehörten zur dortigenPfarrei und hatten keine eigene Kirche.Als 1901 die Protestanten ihre Kircheerrichteten, gab das den letzten Anstoßzur Gründung eines Kirchenbauver-eins. Dieser wird am 8.2.1902 beim kö-niglich bayerischen Amtsgericht Grafe-nau unter der Nr. 4 ins Vereinsregistereingetragen.

Der damalige Pfarrer Ranzinger vonOberkreuzberg wehrt sich mit Händenund Füßen gegen die Schaffung einerSeelsorgestelle Spiegelau und dieErrichtung einer eigenen Kirche. Erklagt: “... ich habe lange genugWiderstand geleistet - aber es geht jetztüberall so: Alles Alte und Bestehendewird niedergerissen ... bis schließlichalles zugrunde geht.”Aber der Kirchenbau ist jetzt nicht

mehr aufzuhalten. Im Jahr 1908 wirdJohann Ev. Schweikl, bisher Koope-rator in Fürstenstein zum erstenSeelsorgsgeistlichen für Spiegelauernannt. Im “Stanglsaal” wird eineNotkirche eingerichtet. Schließlichwird 1911 ein Grundstück für denneuen Friedhof angekauft und bereitsim November diesen Jahres findet dieerste Beerdigung dort statt.Mittlerweile werden in Spiegelau 836

Katholiken und 58 Protestantengezählt.Endlich werden auch die Baupläne

genehmigt. Doch die Wahl des Bau-platzes für die Kirche führt zuerheblichen Streitigkeiten innerhalbdes Kirchenbauvereins.

Spiegelaus zweite Kirche

Mit solchen Bildchen bat der katholischeKirchenbauverein um Spenden.

1908 wurde imStangl-Saal eineNotkirche für dieSpiegelauerKatholikeneingerichtet.

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Am 1.11.1913 beschließt die Kirchen-verwaltung nach langem Hin und Herden heutigen Standort als Bauplatz. 14Tage später wird mit den Erdarbeitenfür das Pfarrhaus begonnen. Am 14.Juni 1914 kann endlich der Grund-stein für die Kirche gelegt werden. ZweiMonate später müssen 111 SpiegelauerMänner in den Krieg ziehen, aus demviele nicht mehr oder nur verwundetzurückkehren sollen.Die Bauarbeiten schreiten trotz des

Krieges zunächst rasch voran. Bereitsam 5. November 1914 wird die Beda-chung fertiggestellt. Da die hiesigenBauunternehmer in den Krieg müssen,werden die Arbeiten einer Regensbur-ger Firma übertragen. Frauen und Ju-gendliche müssen Hand- und Spann-dienste leisten. Einen Rückschlagbringt der Juli 1915, als das Notdachdes Turmes von einem Gewittersturmaufgedeckt und auf das Kirchendachgeschleudert wird. Trotz aller Widrig-keiten wird dann am 9. September dasneue Pfarrhaus eingeweiht. Am 28. Sep-tember kann das Turmkreuz auf denTurm aufgesteckt werden.Im Kriegsjahr 1916 wird der Bau

schließlich fertiggestellt und die In-neneinrichtung beschafft.

Zwei Glocken werden dann am 11.Dezember an ihren Platz im neuenKirchturm aufgezogen. Am 13. Dezem-ber 1916 wird die letzte Heilige Messe inder Spiegelauer Notkirche gefeiert. Vondort aus setzt sich dann ein feierlicherZug mit Musikbegleitung und fähn-chenschwingenden Kindern zur neuenKirche in Bewegung. Die Geistlichenaus der Umgebung, allen voran Hochw.Herr Dekan Schwarzmaier aus Grafe-nau, die Spiegelauer Honoratioren, dar-unter auch etliche evangelische, sinddabei und nehmen anschließend einden schweren Kriegszeiten entspre-chendes einfaches Mahl im

ein. Das Allerheiligste wird am 14.Dezember übertragen.Im folgenden Jahr “... haben sich ...seine Majestät der König Ludwig III. vonBayern ... allergnädigst bewogen gefun-den, unterm 14. Januar die Errichtungeiner katholischen Pfarrei Spiegelau ...zu genehmigen”.Spiegelau ist jetzt eine eigene Pfarrge-meinde. Der erste Spiegelauer Pfarrerist Johann Ev. Schweikl, nach demauch die an der Kirche vorbeiführendeStraße benannt ist.Die Konsekration der Pfarrkirche fin-

det am 31. Mai 1924 statt.

Gasthof zur

Post

Die katholische Pfarrkirche Mitte der 20er JahreAbb. 45

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Wo eine Kirche ist, gibt es normaler-weise auch Pfarrer. “Richtige” Spiege-lauer Pfarrer hat es allerdings nur diekatholischen Pfarrgemeinde aufzuwei-sen. Die evangelische Gemeinde hat,obwohl deren Kirchlein schon 15 Jahrevor der katholischen bestand, keineeigene Pfarrstelle. Sie wurde zunächstvon Zwiesel aus über eine Reisepredi-gerstelle betreut. Von einem der Reise-prediger wird berichtet, er sei jedenSonntag per Fahrrad nach Spiegelauzum Gottesdienst gekommen. Die Ge-meinde Grafenau wurde 1954 selb-ständiges lutherisches Pfarramt im De-kanat Passau und ist auch für Spiege-lau zuständig. Die Gottesdienste in derevangelischen Gemeinde werden aller-dings hauptsächlich von “Lektoren”und “Prädikanten” gehalten. Seit 1989gibt es auch eine evangelische Diako-nin mit Wohnsitz in Spiegelau. Auch sieleistet ihren Dienst ehrenamtlich.

Die katholischen Geistlichen habenseit der Errichtung einer eigenen ka-tholischen Pfarrei im Januar 1917 ih-ren Sitz direkt in Spiegelau. Von An-fang an hatten sie auch eine wichtigegesellschaftliche Funktion im Ort. Sieengagierten sich auch stark im sozialenund kulturellen Bereich

Seit Bestehen der Pfarrei waren bzw.sind in Spiegelau als Pfarrer tätig:

Joh. Ev. Schweikl 1908 - 1920Joh. Ev. Breuherr 1920 - 1924Heinrich Fürst 1924 - 1937Franz X. Haidn 1937 - 1940Max Leutgeb 1940 - 1946Stephan Anderl 1946 - 1948Augustin Krpalek 1948 - 1956Franz X. Wagner 1956 - 1979Hubert Gerstl seit 10.10.1979

Spiegelaus Geistliche

Pfarrer Krpalekwar von 1948 bis1956 alsGeistlicher inSpiegelau. Erveranlaßte u.a.die dringendeOrgelrenovierung.

Dekan Wagnerwar 23 Jahre

Pfarrer inSpiegelau. Er

starb am10.9.1979 auf

einerUrlaubsreise in

Saloniki.

Pfarrer Fürst, wiedamals üblich mit einemschönen Spazierstock.

Auch dieser freundliche alte Herr, der hiergerade eine Prise nimmt, ist ein

Spiegelauer Geistlicher. SeinTätigkeitsfeld ist allerdings das Kloster

Metten. Dr. P. Raban Schinabeck ist einwaschechter Spiegelauer. Der Ort hat

nicht nur Pfarrer als Seelsorgerbekommen, sondern auch welche

hervorgebracht. Vorher war es schon Dr.Max Hackl, der bereits 1933 verstarb.

Bildquelle: Wurzer

Grafenauer Anzeiger vom 30.12.94

Abb. 46

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Bildung tut not

Auch damals nutzen die Her-steller Bauvorhaben, um ihreProdukte anzupreisen.Hier ein Prospekt der ZiegeleiGreissing.

Eine eigene Schule muß her! Die ra-sche Entwicklung des aufstrebendenIndustrieortes Spiegelau (die WeilerSchwarzach und Spiegelaumühle wa-ren inzwischen zusammengewachsen),macht es auch nach Ansicht des könig-lich Bayerischen Bezirksamtes nötig,eine eigene Schule zu bekommen. Biszu 150 Schüler müssen bisher nachOberkreuzberg in die zuständige Schu-le wandern. Im Jahr 1901 erwirbt dieGemeinde den Bauplatz für die damalsneue Spiegelauer Schule. Im gleichenJahr reicht der Dresdner Architekt Ro-bert Wohlfahrth Baupläne, Baube-schreibung und Kostenvoranschlag fürdiesen Bau ein. Der ganze Bau sollnach seiner Berechnung "rund 24.750Reichsmark” kosten.

Wie heute auch, bewerben sich vieleFirmen für die verschiedenen Bau-maßnahmen. Die Abbildung untenzeigt eine für die damalige Zeit moderneWerbeschrift für Dachziegel.Das Gebäude wird dann tatsächlich imJahr 1902 fertiggestellt. Im Erdgeschoßwar die Lehrerwohnung mit Fremden-zimmer, ein Zimmer für Registraturund “ Gemeindezwecke”. Im 1. Stockbefinden sich die beiden Lehrsäle mit85 Sitzplätzen, im Dachgeschoß derSpeicher und die Hilfslehrerwohnung(ein heizbares Zimmer). Außen ist dasGebäude glatt verputzt und steingelbgetüncht.Am 1. September 1902 beginnt der

Unterricht. Vorbei ist es mit der Ausre-de des zu tiefen Schnees, der großen

Abb. 50

Abb. 51

Der Baukostenvoranschlagdes Dresdner ArchitektenRobert Wohlfahrth war nochhandgeschireben.

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Kälte, des schlechten Weges etc. wes-wegen man nicht zur Schule gehenkonnte.Rupert Keglmaier ist der erste Lehrer.

Es sind ca. 70 Kinder in den Klassen 4mit 7 zu unterrichten. Die Lehrerin Ali-ce Weiß hat die Klassen 1 bis 3 mit ins-gesamt etwa 60 Kindern. Trotz des neu-en guten Schulangebots sind die Fehl-zeiten (“Schulversäumnisse”) enorm.Auch die Fluktuation bei den Lehrernist groß. Frau Weiß verläßt Spiegelauschon 1903 wieder. Lehrer Keglmaierwechselt 1905 nach Viechtach. Alleinbis 1910 wechseln die Lehrer noch drei-

mal. Die Belastung muß damals ziem-lich groß gewesen sein. Bis zu 120 Kin-der sind zu unterrichten. Diese sitzenin den Viererbänken teilweise zu fünftund zu sechst.Bald steigen die Schülerzahlen so

stark, daß an eine Erweiterung derSchule gedacht wird. 1920 wird derBau eines neuen Schulhauses bean-tragt. Die Zeiten sind hart und das Geldknapp. Schließlich kommt es 1921doch zum Bau und trotz Inflation undanderer Probleme kann der Schulbe-trieb im neuen Gebäude im Jahr 1922aufgenommen werden.

Spiegelaus erste SchuleSpäter zieht die Gemeindeverwaltung

hinein und bleibt dort bis 1998

Die “neue” Schule von von Süden1951/52 wird sie vergrößert.

1990 zieht die Zivildienstschule ein.

Dieses alte Foto zeigt eine SpiegelauerSchulklasse vor der “alten” Schule. Essoll Rupert Kegelmaier mit einer seiner

ersten Klassen sein.

Dieses Bild ist vor der “neuen” Schuleaufgenommen. Zu sehen sind Frau

Breuherr und eine Klasse im Schuljahr1947/48

Abb. 52Abb. 52

Abb. 54 Abb. 55

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Viele Jahre tut die Schule ihren Dienstin schwerer Zeit. Der Wiederaufbauund die Wirtschaftskrise werden ge-meistert. Dann kommt der 2. Weltkrieg.Auch Lehrer werden zum Wehrdiensteingezogen (z.B. Lehrer Simmet). DasSchulhaus muß noch ein Altersheim inseinen Räumen aufnehmen, so daß derPlatz recht beengt ist. Im April 1945wird der Schulbetrieb eingestellt. NurFrau Lippmann und Frau Mühlbauersind als Lehrkräfte in Spiegelau geblie-ben. Erst im Herbst 1945 beginnt derUnterricht wieder. Im Jahr 1946 eröff-net dann ein Altersheim in Waldhäuserund die Schulräume werden wiederfrei.

Im Jahr 1947 kommt Ludwig Wurzeran die Spiegelauer Schule. Am 1. De-zember übernimmt er die Leitung. DieSchülerzahlen steigen wieder und baldplatzt auch die “neue” Schule aus allenNähten. Guter Rat ist teuer und dieGemeinde ist auch damals nicht mitReichtümern gesegnet. Man kommt zueiner preisgünstigen und klugen Lö-sung. 1951/52 wird das Dach abgeris-sen und ein Stockwerk mit Dachge-schoß auf das Erdgeschoß gesetzt.1963 wird eine Turnhalle mit zweiKlassenzimmern darüber angebaut.Die vor der Schule vorbeiführende

Straße erhält im Jahr 1964 den Namen“Schulstraße”.

Die alte “neue” Schule vor dem Umbau. Das Dach wird abgerissen.

Ein Geschoßwird

aufgemauert.

Und fertig ist die neue Schule.

Abb. 56Abb. 56 Abb. 57

Abb. 58

Abb. 59

Abb. 60

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Dreißig Jahre lang wird nun in diesemerweiterten und neugestalteten Schul-haus gelernt, geschwitzt und um guteNoten gebangt. Aber die Entwicklunggeht weiter. Die Schülerzahlen steigenabermals. Inzwischen stehen zwargenügend Lehrkräfte zur Verfügung,aber schließlich ist auch die “neue”Schule dem Bildungsdrang der Spiege-lauer nicht mehr gewachsen. Die Ge-meinde Spiegelau macht sich alsoabermals daran, einen Schulhausneu-bau anzupacken. Nach langem Hin-und Her findet sich schließlich daspassende Grundstück. Vorher hatteBürgermeister Stadler wegen seinerMeinung nach zu hoher Grundstücks-preise sogar mit Enteignung gedroht.

1980 wird ein Ausschreibungswettbe-werb gestartet. In den nächsten beidenJahren kann sogar die Kostenfragegeklärt werden.Am 23.8.1982 ist die feierliche Grund-

steinlegung. Nach umfangreichenBaumaßnahmen ist es dann am15.11.1984 soweit und die ersten ABC-Schützen können in die neuen undmodern eingerichteten Räumen einzie-hen. Die angeschlossene Mehrzweck-halle wird schließlich am 18.7.1986eingeweiht und dient ab sofort sowohldem Schulsport, als auch diversenVeranstaltungen der Gemeinde. Dieerste Schulleitung übernimmt FrauAnna Reger, Rektorin seit 1979, ihrfolgt Anton Seibold.

Er kann auch mit demMaurerhammer umgehen.

Bürgermeister Stadler legt denGrundstein für die neue Schule.

So sieht die neue Anlage nach ihrerFertigstellung von oben aus.

Das erste Lehrerkollegium inder neuen Schule.

Bildquelle: Nachlaß WurzerAbb. 61 Abb. 62

Abb. 63

Abb. 64

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Klingenbrunn-Bahnhof 30, eineharmlos wirkende Adresse, die es insich hat. Der arme Briefträger, der dortein Päckchen abgeben müßte. Etwaeine Stunde ist man vom Gfäll, gutezwei Stunden vom Bahnhof Klingen-brunn und zweieinhalb Stunden vonder Rachel-Diensthütte unterwegs biszum Waldschmidt-Haus. Es liegt1370m hoch. Nur fünfzehn Gehminu-ten sind es noch bis zum Gipfel desRachel (1453m), des zweithöchstenBerges des Bayerischen Waldes, demSpiegelauer Hausberg.Anno 1912, zwei Jahre vor Ausbruch

des ersten Weltkriegs, wurde das Wald-schmidthaus von der Waldvereins-Sektion Spiegelau erbaut. Dafür wur-den eigens Schuldverschreibungen zu4% Zins ausgegeben. Zur Einweihungsollte sogar der greise NamensgeberHofrat Maximilian Schmidt genanntWaldschmidt per Kutsche zum neuenHaus kommen. Dies scheiterte aber ander schlechten Wegstrecke.

transportiert werden. Dannkam ein (ein Fahrzeugmit Raupenantrieb und Motorradlen-ker) zum Einsatz und noch späterkonnte man dann auf Unimog undGeländewagen umsteigen. Auch eineWasserleitung besteht inzwischen.Einen Anschluß an das Stromnetz gibtes nach wie vor nicht.Nach dem Abzug der amerikanischen

Besatzer war von der Einrichtung nichtmehr viel übrig, da man diese wohl alsHeizmaterial verwendet hatte. Von Un-bekannten wurde das Haus dann alswillkommene Beschaffungsmöglichkeitfür die Renovierung der eigenen vierWände betrachtet. Trotzdem gelang es,das Haus wieder herzurichten.Inzwischen war das Waldschmidt-

haus auf den heutigen Wirt Hans Ge-nosko und seine Frau übergegangen.Sie renovierten im Jahr 1982 das ge-samte Gebäude von Grund auf und er-neuerten auch den Anbau und dasDach.

Im Jahr 1920 erwarben die Großelterndes heutigen Rachelwirts das Haus. Sohoch am Berg gelegen, ohne Strom undzunächst auch ohne Wasser, war und

ist die Bewirtschaftung eines solchenHauses recht schwierig. Bis in die 50erJahre mußten alle Güter und Lebens-mittel mit dem Pferd oder auf demRücken

Kettenkrad

Das Waldschmidthaus

Das Waldschmidthaus

Nach ihm wurde dasRachelschutzhaus benannt:Der Bayerische undHeimatdichterMaximilian Schmidt genannt“Waldschmidt”.

Hofrat

Mit solchen Darlehensscheinenwurde der Bau finanziert.

Abb. 65

Abb. 66

Abb. 67

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Klein aber meinAuch früher müssen sich die Bürger-

meister mit allen möglichen Problemenherumschlagen. Ein Beispiel dafür lie-fert uns der Schriftverkehr des damali-gen Bürgermeisters Zebhauser mit denverschiedenen Banken, die für die Fi-nanzierung der Kleinsiedlung in Spie-gelau zuständig waren. Immer wiederwird der Bürgermeister wegen der fälli-gen Auszahlungen vertröstet. Die be-troffenen Handwerker sind wegen derausstehenden Zahlungen schon rechtungehalten und drohen bereits mitPfändung. Das Staatsministerium desInneren stellt aus dem "GemeindlichenNotfonds" ein weiteres Darlehen zurRestfinanzierung in Aussicht. Es gehtum 5.000,--RM, die mit 4% verzinstsind und im Lauf von 22 Jahren zu-rückgezahlt werden sollen.Die Kleinsiedlungen, die zunächst im

Eigentum der Gemeinden stehen, sol-len nach einer dreijährigen Probezeit zugünstigen Bedingungen auf die einzel-nen Siedler übertragen werden. Dabeisind jedoch einige Bedingungen zu er-füllen. Es werden immer wieder Bege-hungen und Kontrollen durchgeführt,die leider nicht zur Zufriedenheit derÜberwachungsbehörden ausfallen.1936 wird Bürgermeister Zebhauser

wieder angefragt, ob die Mißstände end-lich behoben seien. Es wird unter ande-

rem bemängelt daß nicht genügendKleintierhaltung und Gartennutzungbetrieben wird, daß die Häuser nicht or-dentlich verputzt sind und daß noch im-mer Dachrinnen fehlen. Es wird denSiedlern bei Nichterfüllung der Aufla-gen deutlich gedroht. In einem Berichtdes Bayerischen Staatsministeriumsfür Wirtschaft, Abteilung für Arbeit undFürsorge heißt es u.a.:"... ein Teil der Häuser (machte) einen

sehr abgenützten, beinahe verwahrlos-ten Eindruck. ... Es liegt die Vermutungnahe, daß einige der Siedler sich ...nicht eignen. Die Gemeinde ist ver-pflichtet, ungeeignete Elemente recht-zeitig zu entfernen." Das Bayerische Be-zirksamt Grafenau fordert am 4. Mai1936 die Gemeinde auf, “... die notwen-digen Verputzarbeiten im Wege der sog.Pflichtarbeit auszuführen ... wenn inder Gemeinde Maurer vorhanden sind,die zur Zeit noch Unterstützung bezie-hen ...". Und weiter: "Sollten Siedlungs-anwärter vorhanden sein, (die) ... die zu-mutbaren Eigenleistungen nicht auf-bringen, so müßten sie von der Siedler-stelle entfernt werden."Wie wir ja inzwischen wissen, sind die

Häuschen dann trotz der widrigen Um-stände doch noch zur allgemeinen Zu-friedenheit fertig geworden.

Die Siedlungshäuser nach ihrer Fertigstellung vom Bahnhof aus gesehen.

Abb. 68

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Spiegelauer

Der erste Arzt in SpiegelauSpiegelau war 1897 ein aufstrebender

Ort. Also brauchte man auch medizini-sche Versorgung. Schließlich ließ sichDr. Karl Schnelldorf hier nieder. Damitbekam die Gemeinde ihren ersten eige-nen Arzt. Der Zeitzeuge und ChronistAnton Hilz berichtet allerdings wenig

Positives über den Mediziner. Die Be-handlung der Patienten soll mehr alsfragwürdig gewesen sein. Außerdemsoll der Arzt sich dem Alkohol ergebenhaben. Seine Tätigkeit in Spiegelau warnur von kurzer Dauer. Er starb ein Jahrspäter.

Ein Spiegelauer aus SachsenIm Jahr 1876 wird in Chemnitz Dr.

Konrad Wilsdorf geboren. 34 Jahrespäter (1910) wird er Inhaber der FirmaErnst Petzold, Holzindustrie in Spiege-lau, dem späteren staatlichen Säge-werk. Er ist nicht nur ein erfolgreicherGeschäftsmann, sondern er macht sichauch als Förderer der Kirchengemeindeund von Vereinen einen Namen. 1931schenkt er der Gemeinde Spiegelau denheutigen “Alten Sportplatz”, der damalsnatürlich noch ganz neu und frischhergerichtet war.Mit Urkunde vom 8. Juli 1943 über-

läßt Kommerzienrat Dr. Wilsdorf seine

Firma dem Land Bayern. Sein einzigerSohn und möglicher Nachfolger war imKrieg gefallen und er will, daß das WerkSpiegelau erhalten bleibt. Das “Staatli-che Sägewerk” nimmt mit dem1.1.1944 seine Arbeit auf und bestehtbis heute, nunmehr allerdings imEigentum des Freistaates Bayern.Dr. jur. Konrad Wilsdorf stirbt am 10.

März 1962. In seiner WahlheimatSpiegelau findet er auf dem Friedhofseine letzte Ruhestätte. Aufgrundseiner Verdienste für den Ort wurdeauch eine Straße östlich “seines” Sport-platzes nach ihm benannt.

Offenheit teuer bezahltAuch in Spiegelau gab es Zeiten, wo es

gefährlich war, seine Meinung frei zusagen. Dabei waren es nicht Gestapooder sonstige nationalsozialistischeAmtsträger selbst, die dem verdientenSpiegelauer Arzt Dr. Geiger zum Ver-hängnis wurden, sondern einer dervielen Denunzianten. Als er im Nach-barort Waldhäuser einer aus Berlinhierher evakuierten Frau Geburtshilfeleistete, äußerte er sich wohl skeptischüber die Siegchancen des Hitlerreiches.Er wurde verraten und

am 1.November 1943in Berlin hingerichtet. Erst 1947 gelanges seiner Frau, die Urne mit den sterbli-

chen Überresten nach Spiegelau über-

führen zu lassen. So konnte Dr. Geigerauf dem Spiegelauer Friedhof seineletzte Ruhe finden. Auf Vorschlag vonRektor Wurzerw u r d e n a c heinigen Diskus-s i o n e n i mGemeinde-rate i n e S t r a ß enach ihm be-nannt.

wegen Wehr-kraftzersetzung

Dr. Geiger, portraitiertvon Hans Lentner.

Der richtige BißEin weher Zahn konnte auch schon

unsere Vorfahren zur Verzweiflungbringen. Wer immer gut zubeißen woll-te, brauchte auch früher manchmalzahnärztliche Hilfe. Zunächst ging man

zum Bader. Darüber wissen wir nichtsNäheres. Ab 1927 ging es jedenfalls mitden Zähnen der Spiegelauer aufwärts.Der Dentist Fritz Schießl sorgte vonnun an für den richtigen Biß.

Abb. 69

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Der WaldschmidtEr ist eigentlich kein Spiegelauer.

Weder ist er hiergeboren, noch hat erhier gelebt. Unddoch hat man demUnterkunftshausam Rachel seinenNamen gegeben undeine Straße nachihm benannt. Kaumeiner hat schönereGedichte über denBayerischen Wald

geschrieben als er. Er war einer derersten, der die Bedeutung des Frem-denverkehrs für dieses wirtschaftlichnicht reich gesegnete Land erkannthat. Seine ganze Liebe galt der Heimat .Die Rede ist von Maximilian Schmidt

genannt Waldschmidt, königlicher Hof-rat, bayerischer Heimatdichter, Gene-ralsekretär und Mitbegründer desBayerischen Fremdenverkehrsverban-

des. Zudem war er Hauptmann derBayerischen Armee. 1866 rettete er dieBataillonsfahne bei Helmstadt vor denPreußen. Auch als Unternehmer ver-suchte er sein Glück und erhielt vielePreise für seine Produkte (Holzstoff zurPapierherstellung).Allein die Auflistung seiner Gedichte

und Erzählungen umfaßt mehrereSeiten. “Da schöne Woid”, “DieGlasmacherleut”, “Im Herzen desWaldes”, “Am Goldenen Steig”, sindnur einige wenige davon. Er machte dasberühmte “Böhmerwaldlied” populär.

Den Namenszusatz“genannt Waldschmidt” erhielt er vonPrinzregent Luitpold 1898 für seineVerdienste um die Heimat, insbesonde-re um den Bayerischen Wald, als erbli-chen Titel verliehen.

Geboren wurde Maximilian Schmidtgenannt Waldschmidt 1832 inEschlkam, sein reiches Leben endete1919 in München.

Aktiv für SpiegelauWer von Schmerzen geplagt den Josef-Schuster-Steig hinauf zum Zahnarzteilt, wird sich nicht immer bewußt sein,wer der Mensch war, nach dem dieseStraße benannt wurde.Anno 1884 wurde Josef Schuster inFrauenau als erstes von sieben Kinderngeboren. Sein Vater war Schreiner unddiesen Beruf ergriff er selbst auch. Mit25 Jahren zog er frisch verheiratet alsSchreinermeister nach Spiegelau. Mitunbändigem Fleiß baute er sich imheutigen Ortsteil Pronfelden eineneigenen Betrieb auf. Später kamennoch ein Sägewerk und eine Holzwolle-fabrik dazu. In der Steinklamm erbau-te er mit seinem Sohn ein Elektrizitäts-kraftwerk, das bis heute besteht. Erwar im Gemeinderat und sogar 2.Bürgermeister. Damals hieß die Ge-meinde noch Klingenbrunn. JosefSchuster sen. war für das SpiegelauerVereinsleben von großer Bedeutung. In

vielen Vereinen war er im Vorstand. DieGründung einer Sanitätskolonne inSpiegelau hatte er mit in die Wegegeleitet. Er war es auch, der den Baudes Waldschmidthauses vorangetrie-ben hatte. Vor den meisten Anderenhatte er erkannt, daß der Tourismusfür Spiegelau eine entscheidende Rollespielen könnte. Er setzte sich mit allerKraft für die Förderung des Fremden-verkehrs ein. Als Anerkennung fürseine Leistungenwurde er von derGemeinde Spie-gelau zum Ehren-bürger ernannt.Am 17.2.1961

ve rs ta rb Jose fSchuster sen. imAlter von 77 Jah-ren.

JosefSchuster sen.

Maximilian Schmidtgenannt Waldschmidt

Abb. 70

Abb. 71

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Ein Leben für die BildungMan konnte Lesen, Schreiben und

Rechnen bei ihm lernen, aber auch vielüber die Natur, die Heimat und dieWelt. Genauso wichtig waren ihm aberdie Charakter- und die Herzens-bildung. Neben einer guten Allge-meinbildung sollte jedes der ihm anver-trauten Kinder auch einen im positivenSinn gebildeten Charakter aus derSchulzeit mitnehmen.1947 war er nach Spiegelau gekom-

men und hatte über viele Jahre hinwegmit ganzer Seele Bildung vermittelt. Alsgütig und gerecht galt er seinenSchülerinnen und Schülern. Er hatviele von Ihnen in guter Weise für ihrLeben geprägt. Von 1947 bis 1971 warer Rektor der Spiegelauer Volksschule.Ludwig Wurzer, geboren am 15.März1909, hat auch sonst am Leben in derGemeinde aktiv teilgenommen. Wo erhelfen konnte, half er mit.

Nicht nur die Bildung ganzer Gene-rationen war sein Werk. Er hielt auchdie Geschichte des Ortes fest, soweit erdazu Quellen hatte. Würde man dieZeilen seiner Aufzeichnungen neben-einanderlegen, würden sie von Spie-gelau bis fast nach Zwiesel reichen.Manuskripte für eine Chronik der

Pfarrgemeinde Spiegelau, des Natio-nalparks, für eine Schulchronik, fürdie Geschichte der SpiegelauerVolksfeste, für eine Chronik des Män-nergesangvereins und der SpiegelauerFreiwilligen Feuerwehr hat er hinter-lassen.Als im März 1964 in Spiegelau

Straßennamen eingeführt wurden, warer es, der die Vorschläge hierzu erarbei-tete .Ludwig Wurzer starb am 9.2.1982.

Seine letzte Ruhestätte fand er auf demSpiegelauer Friedhof.

Ludwig Wurzer mit einer seiner vielen Klassen

Ludwig Wurzer mit seinem Kollegium 1952

Bei diesem Foto von 1960 sind dieNamen des Kollegiums angegeben:oben:

vorn:Lippmann Schmiedl Reisinger Sommer

Wurzer Wandtner Adam Haas

Abb. 72

Abb. 73

Abb. 74

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Der Spiegelauer HerrgottschnitzerNicht nur im weithin bekannten

oberbayerischen Oberammergau gibtes Herrgottschnitzer. Die Schnitzkunstwar auch hier im Wald immer zuhause.An der Zwieseler Fachschule gab esüber Jahrzehnte sogar eine eigeneFachabteilung für Holzschnitzerei.Einer der dort über Jahre tätigenDozenten war der Spiegelauer Holz-bildhauer Hans Lentner. Er war nichtnur durch seine Lehrtätigkeit bekannt.Seine Kunstwerke sind weit verbreitetund zieren Kirchen, öffentliche Plätzewie Privathaushalte gleichermaßen.Dabei hat es für den Holzbildhauer-

meister gar nicht so gut angefangen.Noch im vorigen Jahrhundert, am 5.September 1894 wurde er in Groß-armschlag in eine kindereiche Familiehineingeboren. Schon in der Schule fielsein Talent auf. Folgerichtig besuchteer die Fachschule für Glas undHolzschnitzerei. Der damalige LeiterProfessor Mauder schlug ihn bald fürden Besuch der Kunstakademie vor.Daraus wurde aber aus finanziellenGründen nichts.Im 1. Weltkrieg mußte auch Hans

Lentner einrücken. Erst 1920 kam eraus der Kriegsgefangenschaft zurück.

1929 heiratete er dann und zog nachSpiegelau. Hier begann er sein eigent-liches künstlerisches Schaffen. SeineStücke trafen den Geschmack derMenschen und so konnte er auch seinegroße Familie damit ernähren, wasnicht jedem Künstler möglich war. Mitbesonderer Liebe ging er an dieDarstellung religiöser Figuren, so daßman ihn mit Fug und Recht als"Herrgottschnitzer" betiteln kann.Im Kriegsjahr 1943 legte er noch die

Meisterprüfung ab und wurde baldselbst an die Fachschule berufen, wo erseine Kenntnisse und Fertigkeiten anjüngere Menschen weiter gab.Mit großer Kunst und großem Fleiß

schuf er in der Folgezeit eine ganzeReihe hölzerner Kunstwerke, die ihnauch weit über Spiegelau hinausbekannt und begehrt machten. Ausganz Deutschland erhielt er Anfragenund Aufträge. Sogar in einemevangelischen Gotteshaus in Bremenhängt ein von ihm geschaffenesKruzifix.83 Jahre wurde der Spiegelauer

Herrgottschnitzer Hans Lentner alt.Sein Andenken lebt in uns und inseinen Kunstwerken weiter.

Der Spiegelauer HolzkünstlerHans Lentner

Hans Lentner bei der Arbeit.Da kann einem schon der

Mund offen bleiben.

Abb. 75 Abb. 75aAbb. 75a

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Schlicht unddoch voller

Ausruckskraftsind die

Kunstwerke HansLentners.

Diese Madonnaziert ein

Wohnzimmer.

Dieses Kruzifixist nicht wie

üblich ausmehreren Teilen

zusammengefügt,sondern aus

Stückherausgeschnitzt.

einem

ArbeitendeMenschen waren

ein beliebtesMotiv des

Künstlers.

Hans Lentnerschuf nicht nur

religiöse Figuren.Diese Katze zeigt,

daß er auch diebelebte Natur

darstellen konnte.Man achte auf dieEinbeziehung der

Maserung.

Hans Lentnerschuf seine

Stücke nicht nurfür Erwachsene.

Dieser Kopf einesZauberers mag

schon in somanchem

Handpuppenstückvorgekommen

sein. DieGebrauchsspuren

sind nicht zuübersehen.

Abb. 76b

Abb. 76d

Abb. 76a

Abb. 76e

“Kunst kommtvon Können”,

sagte KarlValentin, “kämesie vom Wollen,

hieße sie Wunst.”Schon beim

“Rohling” wirdder spätere

Ausdruck derFigur deutlich.

Abb. 76

Abb. 76c

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Der RachelseppDas neue Jahrhundert war gerade ein

Jahr alt, da wurde am 8. Juli JosefMöginger geboren. Seinen Spitznamen"Rachelsepp", den er wie einen Ehren-titel trug, erhielt er wegen seines engenBezugs zu unserem Hausberg. Er hatteihn mehr als 300 mal erstiegen undkannte ihn wie seine Westentasche. Inseinen frühen Jahren ging er jeden Tagzu Fuß den weiten Weg von Schlag biszum "Petzold", dem späteren Staat-lichen Sägewerk, wo er arbeitete. In den30er Jahren zog er dann ganz nachSpiegelau.Dem Rachelsepp verdankt Spiegelau

viel. Seine ganze Liebe galt derFörderung des Brauchtums und derJugend. Er war Gründer und Motor der"Spiegelauer Waldvögel", die vielePreise von heimatkundlichen Musik-wettbewerben wie z.B. "Zwieseler Fink"nachhause brachten. Er selbst erhieltfür seine Leistungen den selten verge-benen Goldfinkenpreis. Als geduldigerLehrer hat er vielen Kindern denUmgang mit Gitarre und Mandolinebeigebracht. Manchem seiner Schüler,

der es sich selbst nicht leisten konnte,hat er auch ein Instrument geschenkt.Unzählige Heimatabende und Musik-

veranstaltungen für Einheimische undGäste hat er zusammen mit seinenverschiedenen Kinder- und Jugend-gruppen gestaltet.Er war auch als Wanderführer und

Geschichtenerzähler bekannt undbeliebt. In jahrzehntelanger ehrenamt-licher Arbeit sorgte er für die Pflege desRachelkreuzes, vieler Wanderwege undder Ruhebänke.Die Waldvereinssektion machte ihn zu

Ihrem Ehrenvorsitzenden.Die letzten beiden Lebensjahre ver-

brachte er in einem Altenheim inRingelai. An seinem 90. Geburtstagstattete der Rachelsepp seinem gelieb-ten Gipfel einen letzten Besuch ab.Seine Freunde halfen ihm dabei. Am21. Januar 1992 verließ uns JosefMöginger für immer.Ein Totenbrett in der Kriegerkapelle

(Pronfelden, Kapellenstraße) kündetvon ihm. Sein Grab kann man auf demSpiegelauer Friedhof besuchen.

Josef Möginger, der “Rachelsepp” Josef MögingersTotenbrett Abb. 78

Abb. 77

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Die Waldbahn war sein LebenAm 26.12.1905 wurde in Viechtach

ein kleiner Bub geboren, den man aufden Namen Lorenz taufte. Wie damalsüblich, wollte er Lokführer werden. Inden 20er Jahren ging er wie bereits seinVater zur Eisenbahn. Als Schlosser ver-diente er ganze 47 Pfennige in der Stun-de. Er arbeitete sich hinauf bis zum Lok-führer und fuhr schließlich auf der Spie-gelauer Waldbahn. Über diese Zeitkonnte Lorenz Moser stundenlang er-zählen. Über schneereiche und schnee-arme Winter, über die Unwetter undihre Folgen, über entgleiste und wiedereingesetzte Wagen, über die speziellenFunkenfänger der Dampfloks und ande-re technische Besonderheiten und na

türlich über die harte Arbeit bei jederWitterung.Fast 100 km betrug schließlich die

Streckenlänge der Schmalspurbahn,die einst den Holztransport revolutio-niert hatte. Doch die technische Ent-wicklung ging weiter. Ein ganzes Netzan Forststraßen wurden in den Waldgeschlagen. Das Arbeiten mit moder-nen Spezialfahrzeugen war den altenMethoden wirtschaftlich überlegen. Eingroßer Fuhrpark begann die Waldbahnabzulösen. Am 11. Mai 1960 beförderteLorenz Moser die letzte Ladung Holzaus dem Wald nach Spiegelau. DieWaldbahn wurde eingestellt.

am 5. 12.1992.Lorenz Moser starb

Die Waldbahn in den 30er Jahren

Die Waldbahn mit Dampflok

Gedenkstein an der ehemaligenWaldbahntrasse

Lorenz Moser, der letzte Lokführerder Spiegelauer Waldbahn

Abb. 79

Abb. 80

Abb. 81 Abb. 82

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Neuanfang in SpiegelauSchon 1882 wurde das Geschäft ge-

gründet. Schirme, Spazierstöcke,Tabakpfeifen und Drechselwaren konn-te man am Stadtplatz von Jauer inSchlesien kaufen. Auch eine Holz- undHorndrechslerei gehörten zu dem klei-nen Unternehmen, das sich bald überdie Stadt hinaus einen Namen machte.Zwei Generationen lang ging alles gut.Am Ende des zweiten Weltkriegs jedochmußte die Familie Neumann wie tau-sende Leidensgenossen aus ihrer ange-stammten Heimat fliehen. In Spiegelaufanden sie schließlich 1946 eine neueBleibe. Vater und Sohn (Otto und Horst)begannen sogleich bei der damaligenFirma Reinert (vorm. Zucker, späterBartels-Werke) im angestammten Berufals Drechslermeister zu arbeiten bzw.zu lernen. Bald machte sich HorstNeumann als Drechsler und Kaufmannselbständig und gründete eine Familie.Er erwarb das Haus, in dem er bisherzur Miete wohnte. Dort richtete er einenkleinen Laden ein. Bald wurde der Platzknapp und 1960 wurde umgebaut undes entstand das heutige Wohnhaus mitLadengeschäft.Seine Drechselkunst war überall be-

kannt. Viele Spiegelauer haben nochschöne Stücke von ihm in Gebrauch.

Seine fein gedrehten und bemaltengroßen Schützenteller wurden bis indie USA exportiert.“Der Horst”, wie ihn alle nannten, ist

aus der Spiegelauer Geschichte nichtwegzudenken. Er war aktives Mitgliedin fast allen Vereinen. Er organisierteVeranstaltungen für die Jugend. AlsVorstand des Elternbeirates brachte erviel in Bewegung. Auch in schwerer Zeitwar er immer großzügig. So manchesWeihnachtsfest konnte gerettet wer-den, weil man bei ihm anschreiben las-sen durfte. Volksfeste oder Märktekonnte man sich ohne seinen Spiel-zeugstand gar nicht mehr vorstellen.1989 gab er das Geschäft an seineTochter Gabriela weiter.Horst Neumann starb ganz überra-

schend mit 67 Jahren am 1.1.1997. Erliegt wie seine Eltern auf demSpiegelauer Friedhof.Sein Schicksal soll hier stellvertretend

für die vielen Menschen stehen, die ausihrer Heimat vertrieben wurden, hiermit großem Fleiß und unermüdlicherArbeit eine neue Existenz schufen unddamit auch den Wiederaufbau des zer-störten Deutschland entscheidend mit-gestalteten.

Beim Neumann gibt’s fast alles!

Der Original-Framo von HorstNeumann war eines der erstenAutos in Spiegelau nach dem Krieg.

Der Horst wieihn jeder

kennt.(Pandurenfest

1990)

Abb. 83

Abb. 84Abb. 85

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Der erste SpiegelauerEigentlich müßte ich ja viel weiter vor-

ne vorkommen, aber ich mache auchgerne den Abschluß. Ich war der erstenachgewiesene Spiegelauer. ErasmusMospurger ist mein Name. Schon gegenEnde des 15. Jahrhunderts hatte ichhier am Zusammenfluß von Schwar-zach und Ohe eine Glashütte. Die Hüttein Klingenbrunn gehörte mir ebenfalls.Im Jahr 1492 hatte ich auch dieGlashütte von Balthasar Pfahler inFrauenau gekauft.Spiegelau war ein guter Platz für die

Glasbläserei. Vor allem das viele Holzwar recht praktisch. Nur der Transportbereitete uns Probleme.Damals war das Leben auch nicht we-

niger kompliziert als heute. Da warenzum Beispiel dauernd die Grenz- undZuständigkeitsstreitereien. Hier inSpiegelau herrschte wie in Grafenau derbairische Herzog, auf der Passauer Seiteder Fürstbischof von Passau. Deshalbmußten ja beide jeweils eine eigeneHandelsstraße nach Böhmen haben.Der Herzog hatte die “gulden Straß” vonVilshofen über Grafenau und die “BlaueSäule” bis nach Bergreichenstein. DerFürstbischof von Passau wachte überden “Goldenen Steig”, der über Freyungins Böhmische führte.

Mir machte das alles nicht soviel aus.Ich war ja in Grafenau geboren und be-saß auf herzoglichem Gebiet die Hüttenund Waldrechte. Als Passauer Bürger,der ich ebenfalls war, konnte ich natür-lich auch einige Privilegien nutzen. DieGeschäfte über Grenzen hinweg warenimmer schon ganz einträglich.Dann hatte ich in Passau noch

Verwandte aus der Spiegelmacher-branche. Das war sehr praktisch, da jamein Haupterzeugnis das spezielle feineSpiegelglas war. Dieses wurde von denSpiegelmachern rückseitig mit Silberbelegt und fertig war der Spiegel.Mangels eigener Nachkommen habe

ich der Pfarrkirche meines Geburts-ortes Grafenau 1521 meinen Besitz unddamit auch die Spiegelauer Glashüttevermacht. Diese sollte sie dann um denSchätzpreis an meinen Vetter, denPassauer Spiegelmacher SigmundFrisch weiterverkaufen. Irgendwie gabes aber Streit und der BärnsteinerPfleger mußte schlichtend eingreifen.Sigmund hat die Glashütten aberschließlich bekommen und die weitereGeschichte kennen Sie ja schon.

So oder so ähnlich könnte der ersteSpiegelauer Hüttenherr ausgesehen

haben.

Dieses Testament Erasmus Mospurgersbelegt das Bestehen einer Glashütte im

Jahr 1521.

Abb. 86Abb. 5c

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Aus Politik und WirtschaftWoher nehmen ...Die chronische Geldnot der Gemeinde

Spiegelau sollte auch im Jahr 1936durch die Gewerbesteuerzahlungen deransässigen Betriebe aufgebessert wer-den. Dabei muten die damals bezahltenSummen heute recht gering an. So muß-te z.B. das Spiegelauer Sägewerks- undHolzhandelsunternehmen Zucker (imJahr 1939 im Zuge der "Arisierung" von

der Firma Reinert übernommen) 1936an die Gemeinde 1.836,--RM an Gewer-besteuern bezahlen. Das Sägewerk Hac-kinger entrichtete ganze 97.--RM.So mußten wohl auch die damaligen Ge-meinderäte und der Bürgermeisterzwangsläufig wahre Finanzgenies wer-den um Ihre Gemeinde auch in denschlechten Zeiten vorwärts zu bringen.

Das “rote” SpiegelauIn den 30er Jahren beginnt ein un-

rühmliches Kapitel unserer Geschichte.Die Entwicklung bis dorthin hat seinenUrsprung natürlich sehr viel früher undist sehr vielschichtig.Die Zeiten sind schlecht, die Arbeitslo-

sigkeit ist hoch, die Weimarer Republikscheint unfähig, die anstehenden Pro-bleme zu lösen. Die radikalen Parteiennehmen an Stärke und in ihrem Auftre-ten an Gewalttätigkeit zu.Die Spiegelauer Bürger lassen sich

dadurch trotzdem wenig beirren. Beiden letzten Reichstagswahlen bleibensie wie in den vorausgegangenen Wah-len in der überwiegenden Mehrzahl derSPD treu.Am 5. März 1933 kam es zu folgenden

Ergebnissen:Von 565 Wahlberechtigten gaben 490

ihre Stimmen gültig ab.

Davon erhielten StimmenSPD 269 “DeutschnationaleVolkspartei 0 “Deutsche Volkspartei 3 “KPD 46 “Bayer. Volkspartei 69 “NSDAP 86 “Die Spiegelauer erteilen den radikalen

Parteien eine deutliche Absage. Aber eshilft alles nichts. Hitler ist seit dem30.1.33 Reichskanzler. Die NSDAP er-hält durch die Wahl 288 Sitze im Reichs-tag. Die 81 Mandate der KPD werden am9.3. kurzerhand für ungültig erklärt undso hat die NSDAP die absolute Mehrheit.In Spiegelau werden die demokratischgewählten Gemeinderäte und der Bür-germeister durch Parteigenossen er-setzt. Stefan Zebhauser wird zum Bür-germeister bestimmt.

Keine großen Sprünge ...... konnten Angestellte in den Kriegs-jahren machen. Ein Gemeindemitar-beiter des mittleren Dienstes erhielt imJahr 1941 monatlich ganze 479,90

Reichsmark ausgezahlt. Kein Wunder,wenn dann hin und wieder ein Vor-schuß nötig war, um das Lebensnot-wendigste zu beschaffen.

Schlechte ZeitenIm letzten Jahr der Weimarer Repub-

lik erreichten die Arbeitslosenzahlen ih-ren bisherigen Höchststand. Im Jahr1932 waren in Spiegelau 627 Arbeitslo-se registriert. Die Gemeinde hatte we-gen der zunehmenden Arbeitslosigkeit

eine eigene Arbeitslosenmeldestelle er-halten. Auf die politische Einstellungschien sich diese Situation noch nichtso stark auszuwirken, denn die radika-len Parteien bekamen trotzdem nur we-nig Zulauf.

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Aus für BartelsDer neuerliche Aufschwung der

Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg hattebei vielen zu dem Eindruck geführt, esginge jetzt immer so weiter. Aber Glas-und Holzindustrie wurden einemimmer stärker werdenden Wettbewerbausgesetzt. Viele Anlagen waren längstveraltet, und nicht alle unternehmeri-schen Entscheidungen trugen zu einerguten Entwicklung bei. Im Februar1982 war es bei den "SpiegelauerHolzwerken", früher "Bartels-Werke"soweit. Mitte Dezember des Vorjahreswar das Werk stillgelegt worden. ImFebruar wurde dann Konkurs ange-meldet.Über 100 Arbeiter und Angestellte

standen auf der Straße. Das bittereEnde hatte sich schon seit einigenJahren angekündigt. Schon 1979 wardas Werk, das zu dieser Zeit "Bartels-Ibus-Werke" hieß, und eines der größ-ten waldlerischen Zulieferer für die

norddeutsche Möbelindustrie war, vomEigentümer "Elektrowatt" aus Zürichan die Firma Doblinger in Straubingverkauft worden. Diese hatte es dannan ein schwer durchschaubares Betrei-berkonsortium weitergegeben. Seitdieser Zeit gab es immer wiederProbleme. Die Lohnzahlungen warennicht mehr sicher. Am 2. Februar 1982endete dann die wechselvolle Ge-schichte eines seit über 70 Jahren inSpiegelau ansäßigen Betriebes.Zwölf Jahre lang lag das Gelände

brach. Die Maschinen waren längst fort,die Gebäude waren größtenteils abgeris-sen. Es entwickelte sich eine unkraut-überwucherte wilde Müllkippe. Sorgenmachte der Gemeinde auch der teilweisekontaminierte Boden. Mit Mitteln derEuropäischen Gemeinschaft konnte dasehemalige Betriebsgelände saniert undumgestaltet werden. Seit 1995 befindetsich hier der Kur- und Gemeindepark.

Die “SpiegelauerHolzwerke” ( vorm.“Bartels-Werke”, vorm.“Reinert”, früher“Zucker-Dampfsäge”)im Dezember 1981,kurz vor dem endgül-tigen Aus.

Der Kur- und Gemeindepark Spiegelau

DieKonkurs-mitteilungimGrafenauerAnzeigervom5.2.82

Grafenauer Anzeiger ohne DatumAbb. 87

Abb. 88

Abb. 89

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Wieder 35 Arbeitsplätze verlorenAls erstes erfuhr es der damalige

Bürgermeister Stadler. Wieder sollten35 Arbeitsplätze verloren gehen. DerEigentümer des Sägewerks Hackingerteilte der Gemeinde mit, daß er ausAlters- und Wirtschaftsgründen imFrühjahr 1986 den Betrieb nicht wiederaufnehmen könne. BürgermeisterStadler versuchte noch, bei derRegierung einen Zusammenschluß vonstaatlichem Sägewerk und Hackinger-Säge zu erreichen. Man dachte daran,dadurch auch gleich das staatlicheSägewerk aus dem Ort auf dasHackinger-Gelände verlegen zu kön-nen. Daraus wurde aber nichts.

Die Hackinger-Säge blieb geschlossenund das Betriebsvermögen einschließ-lich der Grundstücke wurde 1988versteigert.

Grafenauer AnzeigerNr. 35 vom 12.2.1986

Endlich eine gute NachrichtNach den vielen Schreckensmeldun-

gen gibt es endlich einmal wieder etwasGutes zu vermelden. Im Juni 1995beträgt die Arbeitslosenquote in derGemeinde entgegen dem bundesdeut-schen Trend nur noch 6,3%.

Es gibt im Ort über 870 Arbeitsplätze.Dennoch gehen über 900 Gemeinde-bürgerinnen und -bürger ihrer Tätig-keit auswärts nach. Dafür kommen370 Arbeitskräfte von außerhalb nachSpiegelau.

Spiegelau wähltMit überwältigender Mehrheit (61%)

wählen die Spiegelauer Bürgerinnenund Bürger am 10.3.1996 JosefLuksch (SPD) zum neuen Bürger-meister. Der bisherige BürgermeisterJohann Stadler (CSU) hatte nicht mehrkandidiert. Damit hat Spiegelau einender jüngsten Bürgermeister (33 Jahre)in Bayern.

Frische und Tat-kraft wird er brau-chen, denn es gibtviel zu tun.

Spiegelaus neuerBürgermeisterJosef Luksch

Der Späneturm der Hackinger-Sägeschaut 1998 schon etwas mitgenommen

aus.

Abb. 90

Abb. 91

Abb. 92

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Diesen Stoßseufzer hat der Heiligebestimmt auch schon oft aus derGemeinde Spiegelau hören müssen.Dabei haben die Spiegelauer schon am20. Juli 1876 eine eigene FreiwilligeFeuerwehr gegründet. Anton Röck hießder erste Kommandant. 1893 ist daserstemal von einer Saug- undDruckspritze die Rede und 1896 mußes bereits ein Spritzenhaus geben. Einrichtiges größeres Spritzenhaus wirdaber erst am 7.9.1926 eingeweiht. DieFFW feiert schon das 50jährigeBestehen. 1929 hat man schon eineerste Motorspritze beschafft. Es gibtaber Probleme mit der Bezahlung.Leider braucht man die Ausrüstung

auch, denn Brände sind damals garnicht so selten. Unwetter, Über-schwemmungen und andere Unglückefordern von den Feuerwehrmännernganzen Einsatz. Dazwischen wirdfleißig geübt.Drei Jahre nach dem 2. Weltkrieg

wird unter dem damaligen Komman-danten Wolfgang Genosko eine neueMotorspritze (FV8) beschafft. Am21 .3 .1950 werden v i e r neueEhrenmitglieder ernannt. Darunter istauch der frühere Bürgermeister

Zebhauser. Mit ihm werden JosefSchuster, Albert Weinberger undLudwig Döringer geehrt. Gleichzeitigmuß der Kommandant die wachsende"Feuerwehrmüdigkeit" der Bevölke-rung beklagen. Immer weniger erklärensich zur Mitarbeit bereit. 1957 weigernsich sogar einige männliche Einwohnerim Gemeindebereich, die Feuerschutz-abgabe zu bezahlen.1959 wird es wieder ernst. In der

Schwarzachebene bricht ein Wald-brand aus. Dank des beherztenEingreifens der umliegenden Feuer-wehren kann der Schaden begrenztwerden.1964 erhält die FFW ein neues

Löschfahrzeug (TLF 16). Das alteGerätehaus hat ausgedient und wird1969 abgerissen. Eines neues größe-res und schöneres wird erbaut.Ein besonderes Ereignis bringt das

Jahr 1977. Es wird nämlich das100jährige Bestehen der FFWSpiegelau gefeiert. Aus diesem Anlaßwird eine sehr schöne, reich bebilderteund lesenswerte Chronik herausgege-ben. Joachim Ott hat sie gestaltet undbeim Morsak Verlag wurde siegedruckt.

Oh Heiliger Sankt Florian

Anläßlich der 100-Jahr-Feiererscheint eine Chronik.

Links das alteSpritzenhausvon 1926

Die aktive Wehrvor dem neuenHaus mit ihremTLF 16

Abb. 93

Abb. 94 Abb. 95

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Es gab noch kein Fernsehen, dieBundesliga war auch noch nicht soweit, was sollte man also nach Feier-abend tun? Die Arbeit war hart indieser Zeit, das Geld knapp, aber trotz-dem fand man sich im Wirtshaus zu-sammen um zu reden, zu lachen undmiteinander eine Maß Bier zu trinken -manchmal auch zwei. Zu fortgeschrit-tener Stunde begann man auch zusingen. Besonders taten sich hier WillyMeystrik und Hans Crusilla hervor. Siegründeten zusammen mit noch ande-ren sangesfreudigen Männern am 3.November 1911 den Männergesangs-verein Spiegelau. Carl Lindke von derHolzwarenfabrik wurde Chorleiter undder Lehrer Hans Reßl wurde zum 1.Vorstand gewählt. Nun intonierte mannoch einen Sängerspruch.Wöchentlich traf man sich, sang und

übte. Der 1. Weltkrieg bereitete dem einvorläufiges Ende. Die meisten Mit-glieder wurden eingezogen. Erst am25.10.1926 wird der Verein wiedertätig. Der Hochw. Herr Kooperator KarlMiedl holt die interessierten MännerSpiegelaus zusammen und man be-ginnt sich wieder wöchentlich zu tref-fen.Man entwickelt ein reges Vereins-

leben und verschönt so manchesSpiegelauer Fest. Dabei bleibt es nichtnur bei Liedern, es werden auch “bunteAbende" mit Einaktern, komischen

Duetten und musikalischen Einlageneinstudiert und aufgeführt.Der 2. Weltkrieg bringt die Aktivi-

täten des Vereins wieder zum Erliegen.Auch danach ruht der Gesang im Zugeder "Entnazifizierung" und des Vereins-gründungsverbotes der amerikani-schen Besatzer.Erst am 5. Mai 1948 findet die

Gründungsversammlung des MGVstatt. Es ist die dritte seit seinemBestehen.Am 17. Juli 1949 tritt der Verein zum

erstenmal nach dem Kriege wiederöffentlich auf. Er gestaltet das 25-jährige Jubiläum des TSV Spiegelau.Ludwig Wurzer dirigiert. Viele Auftrittezu den unterschiedlichsten Anlässenfolgen. Liederabende, Feste, Faschings-bälle werden veranstaltet oder durchLiedbeiträge bereichert.Trotzdem erfolgt noch einmal ein

Niedergang und es sind nur noch vierMitglieder übrig. Das ändert sich aberwieder und der MGV kommt zu neuerBlüte. Unter der Leitung von HubertGerstl gestaltet der MGV zusammenmit den Chören von Klingenbrunn,Reichenberg, Riedlhütte und St.Oswald am 13.8.1972 eine Waldler-messe zur Einweihung der nach einemBrand neu erbauten Rachelkapelle.Aus dem Spiegelauer Leben ist der

lebendige Männergesangsverein heutenicht mehr wegzudenken.

Wo man singt

Der Sängerspruch des Männergesangvereins Spiegelau von 1911,handschriftlich aufgezeichnet von Ludwig Wurzer.

Abb. 96

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Aus Liebe zur WaldheimatDer Bayerische Wald mit seiner über-

wältigenden Natur fordert gegen Endedes letzten Jahrhunderts geradezuheraus, sich um dieses Gebiet beson-ders anzunehmen. Das Interesse an derHeimat ist groß, man will aber auch dieWälder, Seen und Gipfel dem Wandererund Naturfreund erschließen. Ebensosoll die wirtschaftliche Entwicklungdieses zunächst doch sehr armenLandstriches gefördert werden. Es istauch die Zeit des bürgerlichen Gemein-sinnes, indem man ohne staatlicheHilfe Dinge in Bewegung bringen will.So wird am 23.8.1885 auf dem Gipfel

des großen Rachel die Waldvereins-sektion Spiegelau gegründet. DreiJahre später wird sie in den Haupt-verein aufgenommen. Der Säge-werksbesitzer Martin Heiß wird dererste Vorstand. Der Verwalter JeanPorst, der Sägewerksbesitzer JosefSchuster und viele andere folgen in denlangen Jahren des Bestehens.Viel wird von den Mitgliedern in über

100 Jahren geleistet. Das Wald-schmidthaus am Rachel wird gebaut,die Rachelkapelle zweimal neu errichtetund renoviert, das Rachelkreuz undviele Wanderwege werden erhalten und

markiert. Brauchtumsveranstaltungen(Sänger- und Musikantentreffen,Sitzweilen u.ä.) werden organisiert,Brunnen und Totenbretter aufgestellt.Die 1872 erbaute Kriegerkapelle inPronfelden wird mit viel Liebe restau-riert.Die Waldvereinssektion hat es sich

zur Aufgabe gemacht, Kulturgut allerArt für die Heimat zu bewahren, Volks-musik und volkstümlichen Gesangsowie heimatliches Brauchtum zufördern.Anläßlich des 100-jährigen Vereins-

gründungsjubiläums wird 1988 eineschöne bebilderte Chronik herausgege-ben, die über das Entstehen undWirken, das Auf und Ab des Vereins-lebens sowie über die Vorstände undMitglieder und deren LeistungenAufschluß gibt.

Zum Vereinsfest 1886 auf derRachelwiese wird eingeladen.

Das Waldschmidthaus wirderbaut.

Die renovierte Kriegerkapelle

Abb. 97

Abb. 99

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Auf den Spuren von Turnvater JahnSport getrieben wird in Spiegelau

schon lange. Anfang des 19. Jahr-hunderts - Spiegelau existiert demNamen nach gar nicht mehr bzw. nochnicht wieder- da werden von sportbe-geisterten Menschen schon Ohe undSchwarzach aufgestaut. Weshalb? Esist Winter und man will Eisstock-schießen!Spiegelau erlebt einen großen

Aufschwung als Fabrikort. WoFabriken sind, sind Arbeiter. Und woArbeiter sind, wird natürlich auchgesportelt. Kegeln, Fußball spielen undTurnen sind angesagt. Natürlich sindauch die Sportschützen, damals noch“Feuerschützen” aktiv. 1878 wurde die“Private Feuerschützengesellschaft”gegründet. Das Billardspiel ist seit1894 im Gasthaus Steinklamm mög-lich.Im Jahr 1902 scheitert der Versuch,

offiziell einen Fußballclub zu gründen.1921 versucht man vergeblich, einenArbeitersportverein ins Leben zu rufen.Das Katholische Arbeiterheim ist

schließlich der geeignete Ort, am19.6.1924 endlich den “TurnvereinSpiegelau” zu etablieren. Josef Achatzwird der 1. Vorstand.

Die Spiegelauer Fußballer treffen sichtrotzdem zum Kicken, wohl auch ohneins Vereinsregister eingetragen zu sein.Der heutige Vereinsname “TSVSpiegelau e.V. 1924” taucht erst 1946auf. Die Spiegelauer Fußballerschließen sich jetzt dem Turnverein anund bilden eine eigene Sparte.1948 bauen sich die TSV-ler sogar ein

eigenes Turnerheim beim “altenSportplatz”. Zu aller Leidwesen muß es1969 abgerissen werden. 1984 entstehtdas neue Sportheim beim SportplatzTrossel, der bereits zwei Jahre vorherfertiggestellt ist. Es ist nach dem För-derer, Gründungs- und EhrenmitgliedHans Dachs benannt.Von Anfang an werden viele

Wettkämpfe sowie Turn- undSportfeste veranstaltet, die dasSpiegelauer Leben bereichern. Auchdas Spiegelauer Volksfest geht auf eineInitiative des TSV zurück und wirdjedes Jahr mit großem Einsatz deraktiven Mitglieder ausgerichtet.Im Jahr 1994 feiert der TSV Spiegelau

sein 70-jähriges Jubiläum. Dazuerscheint eine informative Chronik,welche die ganze Geschichte desVereins erzählt.

Schon früh wurdein Spiegelau demSkisport gefrönt.

Dieser Pokal wurdeam 29.1.1922

gewonnen.1922 gibt es in Spiegelaubereits zwei Fußballklubs.

Das Sportlerheim am “alten” Sportplatz.Die erfolgreiche Spiegelauer Moarschaft wird

1936 in Mittenwald Deutscher Meister.

Bildquelle: 70 Jahre TSV Spiegelau

Abb. 100

Abb. 101

Abb. 102 Abb. 103

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Nicht nur die Münchner haben ihresommerliche Bierveranstaltung, die sieOktoberfest nennen, obwohl es eigent-lich im September ist. Auch dieSpiegelauer haben seit Jahrzehnten ihrVolksfest, das sich auch nicht zu ver-stecken braucht. Begonnen hat dasganze im Jahr 1951.Waldfeste hatte der TSV Spiegelau

schon immer veranstaltet. Diese warenaber immer weniger besucht gewesenund schließlich stand der Aufwand inkeinem Verhältnis mehr zum Nutzen.Der Vorstand unter Ludwig Wurzersetzte sich schließlich am 10.8.1951zusammen und beschloß, ein

ins Leben zurufen. Die Schwierigkeiten begannenschon beim Platz. Dr. Konrad Wilsdorferlaubte dem Verein nicht, denSportplatz zu benutzen, da das Festseiner eigenen Meinung nach "keinen

Zusammenhang mit Sport erkennenließe". Schließlich wich man auf denalten Fußballplatz auf Oberkreuz-berger Gemeindegebiet aus. DerTrachtenverein "d' Schwar-zachtaler"beteiligten sich ebenfalls und so wurdedas erste eingroßer Erfolg. Den Abschluß bildete eingroßes Riesen-Brillant-Feuerwerk.Im nächsten Jahr wurde das Volks-

fest dann noch größer und noch pro-fessioneller aufgezogen. Jede MengeSchausteller, Verkaufsstände, eingroßes Bierzelt, Glückshafen, eineganze Reihe Fahrgeschäfte (Ketten-hochflieger, Schiffschaukel, Schüt-zenhaus, Wiener Walzerfahrt, Kinder-karussell etc.) sorgten für die richtigeFestatmosphäre. Außerdem tratendiverse Gesangvereine miteinander ineinen Sängerwettstreit.Die Maß Bier kostete 1,30 DM.

Spiegelauer Volksfest

Spiegelauer Volksfest

O’zapft is!

Über vier Tage reicht das Programm des Spiegelauer Volksfestes 1954.

Original: Wurzer Volksfestchronik

Abb. 104

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Weitere Feste folgten.Auch das Volksfest 1955 wird wieder

ein Erfolg. Dabei kommt es allerdingszu einer Riesenrauferei, die für 38Beteiligte vor Gericht endet. Anklage-punkte sind: Aufruhr, einfache undgefährliche Körperverletzung, Gefan-genenbefreiung und Widerstand gegendie Staatsgewalt. Bei der Verhandlungkann sich keiner richtig erinnern.Unbestreitbare Tatsache ist, daß einPolizist bewußtlos geschlagen undweitere verletzt worden waren.Außerdem hatte man das Wachlokalgestürmt. Der Autor des Zeitungs-artikels über die Gerichtsverhand-lungvom 24.1.57 schreibt: “Was war nun inSpiegelau - dem Ort im hinterstenBayerischen Wald (!)- geschehen, daß

ein solcher Prozeß aufgezogen wurde?Ein Beteiligter dazu: Nix! “Des woar hoitunsa Voiksfest, wo se d’ Polezeineig’mischt hot.”Sieben Angeklagte wurden zu einer

Bewährungsstrafe verurteilt.1956 sind beim Spiegelauer Volksfest

26 Trachtenvereine dabei und zeigenTrachten und Heimattänze. Es istgelungen, das Volksfest mit demGautrachtenfest zu verbinden.Inzwischen darf das Spiegelauer

Volksfest auf dem Sportplatz (dem“alten”) stattfinden. Es zieht jedes Jahrdie Menschen aus der näheren undweiteren Umgebung an. Sogar bekann-te Politiker und Politikerinnen lassensich blicken, allerdings nur inWahlkampfzeiten.

26 Trachtenvereine sind beim Spiegelauer Volksfest 1956 dabei.

Die Überschrift einerder ersten Einladungen

Das Volksfestfeiert 30-jähriges.

Abb. 105

Abb. 106

Abb. 107

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Die Panduren kommen!Um das Jahr 1742 brachte dieser

Schreckensruf viele Menschen dazu,Haus und Hof zu verlassen und sich mitKind, Rind und Kegel in den Wäldern zuverstecken. Manche schafften diesnicht und bezahlten dafür mit ihrem Be-sitz und ihrem Leben. Kaiserin MariaTheresia hatte kaum den Thron bestie-gen, da versuchte man schon von allenSeiten ihr Teile ihres Reiches zu ent-reißen. Im Zuge dieser kriegerischenVerwicklungen stießen österreichischeTruppen nach Bayern vor und kamendabei sogar zunächst bis nach Mün-chen.Besonders schwer wurden die Gebiete

entlang der damaligen Grenze in Mitlei-denschaft gezogen. Gehöfte, Dörfer undStädte wurden ausgeplündert und ge-brandschatzt. Besonders grausam ta-ten sich dabei die Panduren unter ih-rem Anführer Oberst von der Trenckhervor.Heute dient die Erinnerung an diese

schreckliche Zeit als touristische At-traktion und wurde so zu einer Art spä-ter Wiedergutmachung für die damalsangerichteten Schäden.Auch unsere Gegend war betroffen.

Deshalb wird in Spiegelau seit 1986 je-des Jahr die damalige Zeit wieder le-bendig. Im Sommerverwandelt sich einTeil Spiegelaus in ein Pandurenlager,berittene Panduren erstürmen den Ortund erzwingen die Übergabe der Ge-meindekasse und der Schlüssel. In ei-nem großen Festzug ziehen Wagen undin zeitgenössische Trachten gekleidete

Menschen durch die Hauptstraße. Alte,zum Teil schon vergessene Berufe wieKorbmacher, Holzschuhschnitzer,Scherenschleifer u.a. zeigen IhreKunst. Das große Straßenfest zieht na-türlich eine Menge Besucher an, diesich neben dem Augenschmaus auchan Pandurenbier, Pandurenbraten, di-versen Pandurenschnäpsen und ähnli-chen feinen Dingen gütlich tun können.Die Idee hatte Wolfgang Genosko. Der

damalige 1.Vorsitzende des Fremden-verkehrsvereins Spiegelau kam auf denGedanken, dieses historische Ereignisfür die Gemeinde nutzbringend undwerbewirksam einzusetzen. Er begannseine Idee auch gleich in die Tat umzu-setzen. Erwin Vogl, damals 2.Vorsit-zender des Fremdenverkehrsvereinesund seine Frau übernahmen umsichtigdie Hauptorganisation des Festes.Tatkräftig zur Seite standen ihnen nochdas Ehepaar Kopp, Hans Eder, NorbertKempe und Horst Neumann.Am 19. und 20. Juli 1986 konnte das

erste Spiegelauer Pandurenfest unterBeteiligung der "WaldmünchnerPanduren", der "Grafenauer Bürger-wehr" und vieler Vereine, die z.T. auchfür die musikalische Umrahmungsorgten, über die Bühne gehen. An 46Ständen konnte man essen, trinken,altes Handwerk bestaunen oder ein-kaufen. Es war ein großes, bisher nochnie dagewesenes Ereignis. DieVeranstalter zählten insgesamt ca.zwölftausend Zuschauerinnen undZuschauer.

RosiStadler

zeigt altesHandwerk.

Trenckder

Pandur

Auf geht’s mit Musik.Abb. 108 Abb. 109 Abb. 110

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VermischtesMord und TotschlagDie gute alte Zeit war leider nicht

immer so gut, wie sie uns heutescheint. Unter dem Eindruck wachsen-der Kriminalitätsraten neigen wir heutegerne dazu, auf alte Zeiten zu verwei-sen, wo “es sowas nicht gegeben hat”.Das stimmt nicht.In den Dreißiger Jahren z.B. wurde

unsere Gegend von einer Verbrechens-serie heimgesucht, die an Heimtückeund Brutalität kaum übertroffen wer-den kann. Eine Bande von Kriminellenunter ihrem Anführer Anton Landstor-fer beging hunderte Verbrechen vomDiebstahl bis zumMord. Ein ganzerRing von Hehlernund Zut räge rnversorgte die Bandemit Tips und sorgtefür den Absatz dergestohlenen Ware.Teilweise wurdeFeuer gelegt, um inRuhe die Häusera u s z u r ä u m e n ,während derenEinwohner mit den

Löscharbeiten beschäftigt waren.Ganze Gehöfte brannten auf dieseWeise bis auf die Grundmauern nieder.Erst 1935 konnten die Täter gefaßt

werden und am 29. Juli 1936 wurdeAnton Landstorfer für schuldig befun-den und hingerichtet.Auch Spiegelau selbst war “früher”

von Diebstahl, Mord und Totschlagnicht verschont. Ende des letztenJahrhunderts wird die Postagenturmehrfach bestohlen.

Am 22.1.1933 wird ein Mann ausJägerfleck von einem ebenfalls Einhei-mischen erstochen.(Quellen: Süddeutsche Zeitung vom14.1.1998, Spiegelauer Gemeindechro-nik) Literatur: Johann Dachs: “DieLandstorfer Bande. Eine wahre Krimi-nalgeschichte aus dem BayerischenWald.” , Regensburg 1997.

Im Jahr 1865werden bei einem gelegten Brand imSägewerk Heiß in Luisenfels zwei Men-schen getötet. Der Täter wird gefaßtund mit dem Fallbeil hingerichtet.1878 wird der Fabrikverwalter Rain

in Spiegelau ermordet. Der oder dieTäter wurden nie gefaßt.

Brandstiftung im NationalparkObwohl Brandstiftung in Waldgebie-

ten als eines der schlimmsten Ver-brechen angesehen wird, wurdenimmer wieder Einrichtungen derNationalparkverwaltung in Brandgesteckt. Am 27.9.1992 brannte dieStiegenhütte. Am 21.5.1994 ging dieDiensthütte am Gfällparkplatz inFlammen auf. Dabei wurden auchFahrzeuge des Rachelwirts zerstört.Fast gleichzeitig wurde die Aussichts-plattform am Wintergatter bei derNeuhüttenwiese durch Brandstiftungvernichtet. Auf den Tag genau ein Jahrspäter, am 21.5.1995 wurde dasBürogebäude der Nationalparkwacht

beim Hans-Eisenmann-Haus in Schuttund Asche gelegt. Ein durchBrandstiftung entfachter Waldbrandblieb Spiegelau zum Glück erspart. DieTäter wurden nicht gefaßt.

Der Raubmörder,Dieb und Brandstifter

Anton Landstorfer(Bildquelle: Süddeutsche

Zeitung vom 14.1.98)

Die nach dem Brand neu errichteteDiensthütte am Gfäll

Abb. 111

Abb. 112

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Aller guten Dinge sind drei!Es war gegen Ende des letzten Jahr-

hunderts, als ein königlich bayerischerForstbeamter bei dichtem Nebel amRachel unterwegs war. Plötzlich scheu-te sein Pferd und wollte nicht mehrweiter gehen, so sehr er es auch an-trieb. Er stieg ab und untersuchte dieWegstelle. Dabei stellte er fest, daß erunmittelbar vor dem Abgrund derRachelseewand stand. Ein Schrittweiter und er wäre unweigerlich hinab-gestürzt. Aus Dankbarkeit für seineRettung ließ er 1885 die erste Rachel-kapelle errichten. So wird es jedenfallserzählt.Friedenszeiten und zwei Weltkriege-

überdauerte die kleine Kapelle. Nachdem 2.Weltkrieg brannte sie aus unbe-kannter Ursache ab.

1951 wurde sie neu erbaut. Sie stand20 Jahre. Dann wurde auch sie einRaub der Flammen. Im Jahr 1972hatten Unbekannte im Inneren einFeuer angefacht. Noch im gleichen Jahrwurde sie wieder neu errichtet und miteiner eindrucksvollen Waldlermessegeweiht. Seither kann sie wieder vonWanderern und Naturfreunden be-sucht werden. Die Rachelkapelle ist bisheute eines der Wahrzeichen und meistfotografierten Objekte in der Spiegelau-er Umgebung.

Die erste Rachelkapelle, erbaut 1885.Auf dem Foto ist auch der Spiegelauer

Holzbildhauermeister und Künstler HansLentner zu sehen.

DiezweiteRachel-kapelle,erbaut1951,abge-brannt1972.

Die dritteRachel-kapelle,erbaut

1972

Abb. 113

Abb. 114

Abb. 115

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Eine wilde KatzengeschichteHubert Weinzierl hatte in einer spek-

takulären Aktion unzulässigerweise einWildkatzenpärchen im Nationalparkausgesetzt. Nach sehr aufwendigenSuchaktionen konnte endlich eine derKatzen eingefangen werden. Die Presseveröffentlichte den Fangerfolg.

Was dann weiter geschah, schildertder nun folgende Artikel aus demFürstenfeldbrucker Tagblatt vom 5.November 1971. Daß die Fürsten-feldbrucker Grafenau und Spiegelaudurcheinanderbringen, tut der Sachekeinen Abbruch.

Das “ Staatliche” brenntEs war in der Nacht vom 4. auf den 5.

Mai 1990 um ca. 0.30 Uhr als dieAlarmsirenen in Spiegelau und Umge-bung heulten. Der Grund dafür warauch nicht mehr zu übersehen, dennein glutroter Schein stand am Himmelund wie ein Feuerwerk stiebten die Fun-ken. Die örtliche Feuerwehr war bereitsam Brandort. In kürzester Zeit trafennoch weitere 20 Feuerwehren aus demGrafenauer und Regener Raum ein.250 Feuerwehrleute mit 25 Fahrzeugenversuchten, die Feuersbrunst einzu-dämmen. Trotz des sich rasend schnellausbreitenden Feuers und der enor-men Hitzeentwicklung konnte derBrand unter Kontrolle gebracht wer-den.

Die Schnittholzsortieranlage undgroße Teile des Holzvorrats wurden zer-stört, die übrigen Anlagen und die um-liegenden Häuser konnten jedoch ge-rettet werden. Ein 18jähriger Spiege-lauer hatte den Brand gelegt. Er wurdewenig später festgenommen.

Grafenauer Anzeiger vom 7.5.1990

Abb. 116

Abb. 117

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Eine neue StraßeÜber einige Jahrhunderte hinweg war

Neuhütte größer als Spiegelau. Daslassen jedenfalls die vorliegendenhistorischen Landkarten annehmen.Immer war Neuhütte aber mit demWeiler Schwarzach, der zusammen mitSpiegelaumühle wieder zu Spiegelauzusammenwuchs, neben manchemSchleichweg durch eine schmaleStraße verbunden. Auf dieser ungeteer-ten Straße fuhren die Neuhütter “hin-aus” oder von Spiegelau aus wieder“hinein”. Irgendwann war aber dieserVerkehrsweg dann doch nicht mehrzeitgemäß. Der erste Teil vom Bahn-

übergang bis zu den Bartels-Werkenwurde schon 1963 geteert.Im Jahr 1967 beschloss die Gemeinde

endlich, Neuhütte und Jägerfleck andas Straßennetz anzubinden und einegeteerte Fahrstraße zu bauen. DieArbeiter rückten an, verbreiterten undteerten die alte Straße und legtenteilweise eine neue Trasse entlang derForststraße, so wie wir sie heute ken-nen. Am 11.9.1969 konnte die neueStraße dem Verkehr übergeben wer-den. Leider mußte dabei eine alteLindenallee geopfert werden. Aber dasist halt der Preis für den Fortschritt.

Das Rathaus zieht umNach 45 Jahren im alten Schulhaus

von 1902 muß die Gemeindeverwal-tung nun ihre Koffer packen. Abervermutlich tut sie das gerne. Seit 1953ist sie in diesem Gebäude unterge-bracht. Der Zahn der Zeit hat auch amalten Schulhaus schwer genagt.Abgesehen davon, daß die Räum-lichkeiten recht beengt sind, sitzt der

Schwamm im Mauerwerk und überallwerden die Spuren des Alters sichtbar.Die Gemeinde kann im Frühjahr 1998die ehemalige Pension-Sigl günstigerwerben. Nach einigen kleineren Um-und Einbauten bezieht die Gemein-deverwaltung das neue Rathaus in derKonrad-Wilsdorf-Straße 5 im Sommer1998.

Kartengrundlage:Topographischer Atlas von Bayern 1:50.000,Blatt Nr. 50 (Zwiesel) 1828; Wiedergabe mit Genehmigung desBayerischen Landesvermessungsamtes München, Nr. 304/96.

Vom kleinen Spiegelau in d’ Neuhüttn eini. Straßenbau an der Neuhütter StraßeEs wird zum erstenmal geteert. (Bis Bartels)

Die alte Lindenalle steht noch.

Das neue RathausDer Schimmel blüht.

Das alte Rathaus

Abb. 118 Abb. 119

Abb. 120

Abb. 122Abb. 121

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Hinter schwedischen GardinenFrüher brauchte ein Spiegelauer nicht

einmal seinen Heimatort zu verlassen,wenn er wegen einer Straftat hinter“schwedische Gardinen” mußte. Sobekommt man es jedenfalls erzählt.Schwedisch waren die “Gardinen”

übrigens nicht. Die massiven Eisen-gitter waren gestandene bayerischeWertarbeit.In Wahrheit handelt es sich beim

“Spiegelauer Gefängnis” allerdings nurum eine Arrestzelle. Ende der 40er,Jahre war sie im Keller der früheren“Petzold-Villa” eingebaut worden.Damals waren auch noch zwei Polizei-dienstwohnungen im Haus. Die Zellewurde nicht lange genutzt. Man durfteauch zu dieser Zeit ohne Richter höch-sten 24 Stunden festgehalten werden.Wie oft die Landpolizei davon Gebrauchmachte, wissen wir nicht.

Heute wird in dem vom neuenEigentümer mit viel Fleiß und Lieberestaurierten Gebäude in der Arrest-zelle nach seiner Aussage nur nochHeizöl verwahrt.

Schwer vergittert

und mit eisernenLäden versehen.

war die Arrestzelle

Die tönende Leinwand“Das lange Warten”, “Lange Beine -

Lange Finger”, “Kampfflieger”, “Rivalenunter heißer Sonne”, “Samstagnachtbis Sonntagmorgen” so und ähnlichhießen die Titel der filmischenEreignisse, die man in Spiegelau nochin den 60er Jahren genießen konnte.Gab es doch im Ort zeitweise dreiLichtspieltheater oder Kinos.Wo heute die Kegelbahn steht, war das

des KatholischenArbeitervereins. Der heutige “Hartl-Saal” war das und das “Mu-seum für Orden und Zeitgeschichte””

war das . Dieses war als letztesgebaut worden und verdrängte mit sei-ner modernen Ausstattung das nurwenige Meter davon entfernt stehende

das dann verkauftwurde. Früher wurden auch manchmalFilme im Turnerheim beim altenSportplatz gezeigt.Aber das ist lange her. Das Fernsehen

verdrängte wie überall die Licht-spielhäuser, und heute müssen dieSpiegelauer nach Grafenau oder weiterfahren, wenn sie ins Kino wollen. So wiefrüher die Grafenauer nach Spiegelau.

Lichtspielhaus

Central,

Urania

Lichtspielhaus,

Die Anzeigen stammen aus leider undatiertenZeitungsausschnitten wohl zwischen 1957 und 1964

Der Katholische Arbeitervereinhat ein eigenes Lichtspielhaus.

Grafenauer Anzeiger ohne DatumAbb. 123 Abb. 124 Abb. 125

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Das alte Spiegelau wird wenigerFrüher waren sie der Stolz ihrer

Besitzer. Das alte “Hackl-Haus”, diefrühere Spiegelauer Post und das

des SpiegelauerKünstlers und Holzbildhauers HansLentner. Damals neu gebaut undfrisch verputzt standen Sie in “besterLage” und zeugten vom guten Standihrer Eigentümer. Viele Jahrzehnte,durch gute und schlechte Zeiten, tatenSie brav ihren Dienst. Aber der Zahnder Zeit nagte schwer an ihnen. EineRenovierung wäre zu teuer geworden.Schließlich wurden die Häuser von derGlasfabrik bzw. der Firma Nachtmannerworben und im Oktober 1994 abge-rissen.

Wohnhaus und Atelier

Zu Füßen des RachelgipfelsNach vielen Anläufen ist es endlich

soweit. Der alte Spiegelauer Friedhofist zu klein geworden. Dringend sollschon seit vielen Jahren Abhilfegeschaffen werden. Seit November1996 hat Spiegelau nun einen neuenWaldfriedhof, auf dem die Spiegelauersich im Anblick ihres Hausberges zurletzten Ruhe betten lassen können.

Blick vom neuen Waldfriedhof zum Rachel.

Das Auto hat PauseSeit 1996 gibt es von Spiegelau aus die

Möglichkeit, auch ohne Auto zu alleninteressanten Orten, Plätzen und Ein-richtungen im gesamten Nationalpark-bereich zu gelangen. Man ist nichtmehr gezwungen, zurück zum Aus-gangspunkt zu gehen, sondern kannvon einem anderen Endpunkt aus mitdem Bus zurückfahren. Aber auch fürBesuche in anderen Orten ist das neueBussystem ideal.Bundesweit ist dieses Nahverkehrs-

system für den ländlichen Raum einzig-artig. Die Busse werden mit Erdgas be-trieben und sind daher ausgesprochenumweltfreundlich. Sie erzeugen kaum

schädliche Abgase. Auf bestimmtenStrecken werden Fahrradanhänger mit-geführt, so daß auch größere Radtou-ren, wie z.B. über Finsterau / Buch-wald nach Tschechien, erleichtert wer-den.Unter dem Motto “Natur schützen -

Bus benützen" ermöglichen die erdgas-betriebenen "Igel-Busse" autofreie Mobi-lität. In Spiegelau istin diesem Zusam-menhang ein großerzentraler Parkplatzmit Toilettenanlagenentstanden.

Foto: Beiler

Abb. 128

Abb. 131

Abb. 132

Das alte“Hackl-Haus”

Die alteSpiegelauer Post

und daneben dasfrühere Wohnhaus

Hans Lentners.

Die Abbruchfirmahat ihre Arbeit fastgetan.

Abb. 130

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Eigentlich sind es zwei Geschichten.Die eine Geschichte erzählt vom erstenSpiegelauer Sportplatz, den derKommerzienrat Dr. Konrad Wilsdorf1931 den Spiegelauern zum Geschenkgemacht hat. Die andere erinnert anden Auftritt Spiegelauer Kinder imBayerischen Rundfunk. Ein gemisch-ter Chor trug unter der Leitung desunvergessenen Rektors Ludwig Wurzerein altes Lied vor. Höhepunkt war einAufsatzwettbewerb. Ein Schüler ausSpiegelau kam in die Ausscheidungund durfte selbst vorlesen. DerChronist berichtet von tosendemApplaus. Dr. Alois Fink überreichteeinen Buchpreis.Versetzen wir uns zurück ins Jahr

1961. Es ist der 11. März und wir sindmit Anneliese Fleyenschmidt undhunderten von Zuhörern in derGrafenauer Turnhalle. Der 7.Klässlerträgt vor:

Es woa so voa dreißg Joar, wia daFuaßboi in Woid einikemma is und inda Spiaglau da erste Fuaßboibloz bautwoan is. Fleiße homs mitgoabat, döGlosabuam, dös Ruamföid in anSpoatbloz zum vowandln. Wiara fertögstöid woa, hat ara Läng ghot vo fuchzgund a Breatn vo dreißg Meter. Aber aweng ghengt is a leida. Und zwoa a so,daßd a Roß, hetst as a boamoi auf und ogsprengt, a zum Schwitzn brocht hetst.Duach dös hom sö owa dö Aktivn wiamas hoid so nennt, nöt störn loßn. Anganzn Namitog hanz umanandagrenntwia d'Hund. Natürle hamanz koaSchua g'hat wia heint. Boafuaßad hanzumanand nach den schena Boin, densa sö extra vo Zwiesl schicka hamlossn. Hin und wida hod oana an weh-leidönga Schroa da, wei sein Zehan aWuaz im Weg gwön is. Aba sofort is aafgstandn, hod sö den og'haut'nZehanogl wegrissn und had wida wei-dagspöit. Den Nächstböstn hoda an

Haxn gstellt, daß a mit da Nosn bremsthod. Der hod sö dös natürlö nöt gfoinlossn und hod eam oanö gschmiad, daßa d'Engln singa hean hod. Durch dös iss' Grauf aganga. D' Schlachtenbummlahand vo dö Buachan owa gsprunga undvo manchn Haglstecka hand Trümmadavo. A da Schiedsrichta is nöd z'kuazkema mit dö Drisch. Mit an blaua Augnund an Haffa Binkln hamandsn vonPlatz drong. Nachand is as Spöi wiedaweida ganga. Dann is dö zwoateHoibzeit kema. Dö hod da Schieds-richta grod na im Schutz von anaFichtn dirigiert.Kämpft hams, dö Spiaglauer wia

d'Viecha und so sands dann a mit 1:0 inFührung ganga. Dö Leit hamand söscho gfreit und hamnd vui gjuwöd, weides G'spui scheinz ohne Schwer-verletzte z'End ganga war. Owa söhamd sö teischt, denn zguatalötzt hatda Bauzei a oiz Muattal mit anBauangnitz iwan Stock oi gschossn. ImAnschluß dra is natürlö dös bon anaanstöndiga Maß Bia g'feiat woan. Öswad ja no ganga, wanns bonana Maßblim war. Owa da Wirt hod a boamoi anneis Faßl azapfa miaßn. Mit an mords-drum Rausch hand dö Spitznkönnahoam ganga und hamd sö enanan Suffausgschlofa.Das ist natürlich heute nicht mehr so,

denn Spiegelau hat einen neuenFußballplatz und die Fußballmann-schaft hat sich zu einem der erstenPlätze in der A-Klasse hinaufgearbeitetund steht nun vor dem Aufstieg in dieKreisliga.“Angesichts der überraschenden Wen-

de zum Hochdeutschen folgt Stille.Dann kommt der Applaus.Übrigens berichtet der Chronist Anton

Hilz, daß bereits im Jahre 1902 Überle-gungen entstanden waren, einen eige-nen Fußballclub zu gründen. Dieswurde aber wieder verworfen. Trotzdemwurde in Spiegelau auch schon vor1931 Fußball gespielt.Aber das ist eine andere Geschichte.

“Bo uns herin im Boarischen Woid isas Fuaßboinan scha in da frühan Zeitscha recht houch gschatzt woan.

Wia ‘s Fuaßboinan in d’ Spiaglau kemma is

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Ein großer Tag ...Ein großer Tag für das “kleine”

Spiegelau ist der 4. August 1959. DerGemeindename ändert sich.Klingenbrunn, der ältere und früher

auch größere Ort, war bisher immer derHauptort gewesen und hatte derGemeinde damit auch den Namengegeben. Spiegelau hatte Klingenbrunn

aber im Wachstum bald überholt undso war es nur noch eine Frage der Zeit,bis diesem Umstand Rechnung getra-gen wurde. Der Gemeindename ändertsich von Klingenbrunn in Spiegelau.Das ältere Klingenbrunn bleibt aber alsOrtsteilname erhalten.

Bei der wichtigen Urkunde hat man sich im Ministerium nicht viel Mühe gemacht.

Orig. Urkunde: Gemeinde SpiegelauAbb. 133

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Für alles “gewappnet”Es ist kein Aprilscherz. Am 16. April

1962 erhält die Gemeinde Spiegelau eineigenes Wappen. Das Wie und dasDrumherum sind genau geregelt.

Das Wappen ist auf der nächsten Seiteabgebildet.

Das Bayerische Innenministerium entschließt sich 1962, derGemeinde Spiegelau ein eigenes Wappen zu genehmigen.

Orig. Urkunde: Gemeinde Spiegelau

Abb. 134

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Im Jahr 1962

wurde der Gemeinde Spiegelauein eigenes Wappen

verliehen.In Silber ein blauer Balken,im Ganzen belegt mit einem

rot gerahmten silbernen Handspiegelmit rotem Griff.

Abb. 135

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