Kinder psychisch kranker Eltern, (k)ein Thema in der Schule ......Stratenwert & Bock: „Die...
Transcript of Kinder psychisch kranker Eltern, (k)ein Thema in der Schule ......Stratenwert & Bock: „Die...
„Kinder psychisch kranker Eltern, (k)ein Thema in der Schule?“
Angela Langenstein, SoRin , Wichern-Schule, Private Schule für Kranke in Würzburg
Manuel, 17 Jahre
Kinder und Jugendliche …
• Durchschnitt bis zu 15 000 Stunden
• Entspricht Aufenthalt zu Hause
• Über viele Jahre
• Beobachtung tagtäglich
• Schule bietet Struktur, „normale Alltagsroutine“, Verlässlichkeit
• Zeit und Raum zum Schutz
„Kinder psychisch kranker Eltern, (k)ein Thema in der Schule?“
• Im Kontext Schule, selten thematisiert
• Wenig Literatur
• Tabuthema – „Gebot des Schweigens“
• Verunsicherung, fehlendes Wissen
• Zuständigkeit, Verantwortung, Fürsorgepflicht
• Unterschätzung der Gefährdung
Ein mögliches Gespräch
auf dem Pausenhof
Mögliche Reaktionen
• Neugierde - Sensationslust
• Soziale Netzwerke - Spekulationen - Gerüchteküche
• Angst - Fehler
• Angst - Reaktion, mein eigener Ruf
• Schuld
• Mitgefühl - Mitleid
• Wut
• Überforderung
Vorurteile?
Deutschlandradio, Interview vom 15.04.2015,
„Wie Kinder unter psychisch kranken Eltern leiden“, Anruf eines Vaters
• Vater mit schwerst depressiver Ehefrau
• Schulleistungen abhängig vom Gesundheitszustand
• Offenheit
„ … dadurch, dass wir sehr offen damit umgehen, haben wir auch die Vorur-teile der Schule, … Sie sind ja krank, dann ist ja klar, dass ihr Sohn so oder so ist …, also so als wenn, entschuldigen Sie , dass ich das so sage, also wenn Sie schon bekloppt sind, dann kann ja ihr Junge nicht anders sein, das haben wir auch schon gehört… „
Vorurteile?
• Gesellschaftliche Vorurteilen nicht ablegbar • Feine „Antennen“ • Bewusstsein, eigene Haltung • Wertschätzung - Schätze ich psychisch kranke Eltern weniger als gesunde? - Glaube ich ihnen weniger? - Stelle ich ihre Erziehungskompetenz in Frage oder traue ich sie ihnen
überhaupt nicht zu? - Kommt es zu Schuldzuweisungen ?
• Zugang durch Reflexion
Vom Lehrer beobachtbare Verhaltensweisen
• Verhalten
- vielfältig, individuell
- länger-, kurzfristig, plötzlich
• Kontakt- Gleichaltrige
• Versorgung
Nicht hinter jeder Veränderung im Verhalten eines Schülers verbirgt sich eine psychische Erkrankung der Eltern!
Wie verhält sich der Schüler?
• Konzentration
• Leistungsknick
• Schlaf
• Traurigkeit
• Rückzug
• Nervosität, Stress
• Anspannung
• Aggression
• Selbst- und Fremdgefährdung, Ritzen
Wie verhält sich der Schüler?
• „auffällig unauffällig“ angepasst
• Fürsorge, wachsam
• „erwachsen“, ernst, übersteigerte Leistungsbereitschaft
• Wenig Selbstwertgefühl, Selbstzweifel
• Einnässen
• Fingernägel
• Fehlzeiten
• Hausaufgaben
Wie steht er im Kontakt mit Gleichaltrigen ?
• Rückzug
• Pausensituation
• Ablehnung
• Konfrontation
• Provokation
• Mobbing
• Ausgrenzung
• Angst
Wie steht er im Kontakt mit Gleichaltrigen?
• Morgenkreis
• Geburtstage
• Freizeitaktivitäten
• Hobbys
• Lügen
Wie ist der Schüler versorgt?
• Kleidung
• Körperhygiene
• Schulsachen
• Pausenbrot
• Sportunterricht
• Pünktlichkeit
Wie ist der Schüler versorgt?
• Abholung „vergessen“
• Erneut anwesend
• Eigene Erkrankung (z.B. mit Fieber)
• Ausflüge
• Rechnungen
• Bus-Karte
Möglichkeiten der Hilfe
• Fühlen Sie sich zuständig
• Kein Patentrezept
• Nichts überstürzen
• Lehrerkollegium, Schulpsychologe, Vertrauenslehrer, ggf. Schulleitung
• Gesprächsangebot für das Kind (Lehrkraft mit „besten“ Draht“)
• Konfrontation ohne Dramatisierung
• Sorge, keine Vorwürfe
• Verantwortung, Fürsorgepflicht
• Elternkontakt nicht überstürzen - Rückzug
• Mitschüler, Freunde
• Benotung im pädagogischen Spielraum
Gesprächsangebot für den Schüler
„Ich mache mir Sorgen um dich. Mir ist aufgefallen, dass du dich immer schwieriger im Unterricht konzentrieren kannst. Ich habe das Gefühl, dass dich etwas sehr bedrückt. Wenn du möchtest, können wir darüber reden, oder ich höre die einfach nur zu. Was wir besprechen bleibt unter uns. Ohne deine Zustimmung werden weder deine Eltern noch andere Lehrer von unserem Gespräch erfahren“.
- Bei persönlicher Überforderung, vorher Beratung wichtig
ggf. mit Unterstützung
- Beweggründe und Vorgehen offen mitteilen
- Chance ihr Handeln nachzuvollziehen, auch wenn ggf. nicht einverstanden
Gesprächsangebot für den Schüler
Gesprächsziele, bei individuellem Gesprächsverlauf
• Du bist gesund und normal.
• Es kann dir helfen zu reden, wie es dir geht und was zu Hause ist.
• Deine Mutter/dein Vater ist krank, sie/er benötigt Unterstützung.
• Ich verstehe, dass du traurig/wütend bist, deine Gefühle sind normal.
• Keiner erwartet von dir, dass du zu Hause alle Aufgaben übernimmst, du darfst dir Unterstützung holen.
• Du darfst auch Dinge tuen, die dir Freude/Spaß machen.
• Du bist nicht alleine, es gibt Kinder die haben ähnliche Probleme.
• Ich bin für dich da.
Mögliches Verhalten der Eltern
• Gezielt aus dem Weg
• Aufenthalte knapp, hektisch
• Unsicher, sprechen wenig, meiden Blickkontakt
• Wirken belastet, emotionslos, verwirrt oder unkonzentriert
• Fragen der Lehrkraft
• Kaum zu Wort, Gespräch lässt sich schwer beenden
• Schulischen Veranstaltungen
• Sprechstunden und Elternabende
• Telefonkontakte
• Kommunikationsbüchlein
• Überfürsorglich
• Ängstlich
• Bevormundend
Gesprächsangebot für die Eltern
Oberste Priorität:
Gewinnung der Eltern zur Unterstützung ihres Kindes
• Sinnvoll?
• Ansprechbarkeit
• Gesunder Elternteil (selbst in einer Krise?)
• Gesprächsatmosphäre
• Positive Verhaltensweisen(Stärken)
• Schilderung der Beobachtungen, Frage der möglichen Ursachen
• Verständnis für die Situation der Familie
• Keine Vorwürfe
• Ängste ernst nehmen
Mögliche Reaktionen der Eltern
• „Nicht ich bin krank, unser Kind ist krank“ .
• „Er war schon immer ein Problemkind“.
• „Bei uns in der Familie gibt es keine psychischen Erkrankungen“.
• „Wir sprechen mit ihrem Chef!“.
• „Ich zeige Sie an, wenn Sie unser Kind uns wegnehmen wollen“.
• „Sie sind doch selbst krank. Gehen Sie zum Psychiater!“.
• Die Eltern fühlen sich bedroht, bedrängt, überfordert.
• Sie fühlen sich schuldig.
• Sie haben Angst.
Gesprächsangebot für die Eltern
• Klare Position: An erster Stelle steht das Wohl des Kindes.
Sie behalten das Kind im Auge.
• Schriftlicher Überblick über Unterstützungsmöglichkeiten
zur Stärkung der Elternkompetenz (!)
• Bei akut psychisch erkrankter Elternteil: Ärztliche Hilfe
• Klare Vereinbarungen bezügl. nächster Schritte
• Grenzen setzten, Konsequenzen aufzeigen
Bei akuter Gefahr des Kindes
• Information der Schulleitung (schriftl. Aufforderung)
• Ggf. Kontakt zum Jugendamt, Kinderschutzbund, Polizei
Psychische Erkrankungen, ein Unterrichtsthema?
• Anlass
• Betroffener Personenkreis
• Sachlichkeit
• Sprüche - Vorurteile
2001 Weltgesundheitsorganisation Thema „Psychische Gesundheit“ im Unterricht
„(Nicht) ganz normal?!“ Informationspaket für Lehrerinnen und Lehrer
Buchempfehlungen i.A.
(http://www.deutsche-depressionshilfe.de/stiftung/media/infopaket-fuer-lehrer-stand-2006.pdf)
Schulmaterialen zum Thema „(Nicht) ganz normal?!“ Psychische Erkrankungen verstehen • Mögliche Lerninhalte und Lernziele
- Wissen
-> Es leiden viele Menschen unter psychischen Erkrankungen.
-> Welche Folgen hat dies für die Betroffenen?
-> Es gibt verschiedene Ansprechpartner und Institutionen, die helfen können.
- Erkennen
-> Psychische Erkrankungen betrifft die Familie und den Freundeskreis
-> Auch Kinder und Jugendliche können sich in Krisensituationen befinden
- Verständnis
-> für psychisch erkrankte Menschen
- Nachdenken
-> über Möglichkeiten, Betroffenen zu helfen
„Vorschlag“ für ein Tafelbild
Vorschlag für ein Tafelbild
Körperliche Erkrankungen
z.B. Asthma, Diabetes - Körper betroffen - oft sichtbar und messbar
<-Reaktion des -> Mitleid -> „armer Kranker“ <- Verhalten des Offener Umgang mit Krankheit
Psychische Erkrankungen
z.B. Bulimie, Depression
- v.a. Gefühle, Erleben betroffen - selten sichtbar oder messbar Umfeldes-> -> Ablehnung - >“selbst Schuld“, „nur Einbildung“, „soll sich zusammenreißen“ Betroffenen-> Angst vor Entdeckung
Das Versprechen
Mia und Tina sind noch in der Umkleide, da hat der Sportunterricht schon begonnen. Schnell zieht sich Mia ihre Schuhe an und zerrt hektisch an den Schnürsenkeln. „Komm, Mia, beeile dich, wir müssen los…“, sie stockt und sieht dunkle blaue Flecken auf Mias Rücken.
„Mia, was ist das?“ „Starr mich nicht so an, das geht dich nichts an“, antwortet Mia.
Später beim Turnen steht Mia neben Tina und sagt: „Bitte, versprich mir, dass du keinem etwas erzählst, ja?“ Tina hat einen Kloß im Hals und verspricht niemanden etwas zu sagen.
In den nächsten Tagen gehen sich die Freundinnen aus dem Weg. Wenn Tina Mia sieht, muss sie an ihr Versprechen denken und fühlt sich dabei nicht gut.
Aber was soll sie tun, sie hat doch versprochen zu schweigen, und Versprechen bricht man nicht.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Bildernachweis
• https://mogis.info/static/uploads/2009/05/handeln_statt_wegschauen.png
• http://assets.vice.com/content-images/contentimage/113716/AnonymerPraktikant2.jpg
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• http://www.digitalistbesser.org/wp-content/uploads/2012/08/20120808-zeitzeiger.jpg
• http://www.bild.de/ratgeber/2015/ratgeber/was-struempfe-ueber-ihren-traeger-verraten-41120316.bild.html
Quellennachweis
• Beeck, K.: Kinder psychisch kranker Eltern, Ein Thema für die Schule!Berlin,2010.
• Beeck, K.: Ohne Netz und ohne Boden, Situation Kinder psychisch kranker Eltern.Berlin 2010
• http://www.beratung-caritas.de
• http://www.verrueckt-na-und.de
• http://www.stern.de/familie/kinder/anforderungen-an-paedagogen-nur-lehrer-reicht-nicht-mehr-2100339.html
• http://www.wn.de/var/storage/images/dz/startseite/freizeit/ratgeber/karriere/1904470-arbeit-deutschlands-lehrer-
• http://www.deutsche-depressionshilfe.de/stiftung/media/infopaket-fuer-lehrer-stand-2006.pdf
• http://image2-cdn.n24.de/image/6751052/1/large16x9/21g/mobbing_620x349.jpg
• http://www.irrsinnig-menschlich.de/
Junge hat sich offenbart, spricht über schwierige Verhältnisse zu Hause
Bagatellisieren
• Der Junge soll sich nicht so anstellen, der soll sich zusammenreißen. Das Eltern mal krank sind, meinetwegen aus psychisch krank, ist doch heutzutage ganz normal.
• So ein Unsinn, was interessiert mich dem sein zu Hause?
• Unser Rektor? Dann kann er ja die halbe Schule zu Hause besuchen.
• Die hat was besseres zu tuen, als Psychoeltern anzusehen.
• Wozu braucht denn die Familie das JA? Die Eltern kriegen sich schon wieder auf die Reihe.
Dramatisieren
• Ich mache sofort einen Hausbesuch und stelle die Eltern zur Rede.
• Ich nehme unseren Rektor mit, alleine verkrafte ich das nicht, schrecklich, der arme Junge!
• Vielleicht sollte ich gleich die Polizei anrufen?
• Ich denke, ich gehe heute gleich zum Jugendamt.
• Ich kenne einen guten Psychiater, den schicke ich dort hin.
Literatur für Kinder im Grundschulalter
Autor, Titel Elterliche Erkrankung
Boie & Brix: „Alles total geheim“ Familiengeheimnis, eine Alkoholabhängigkeit des Vaters kann
interpretiert werden
Eggermann & Janggen: „Fufu und der grüne Mantel“ Schizophrenie des Vaters (Interpretation)
Michel & Frei: „Tom und Tina“ Drogenabhängigkeit der Mutter
Homeier: „Sonnige Traurigtage“ Depression der Mutter
Rauhut-Brungs: „Eine Sonne für Papa“ Depression des Vaters
Meinderts: „Sag Leen zu mir“ Psychische Erkrankung der Mutter
Minne: „Eichhörnchenzeit oder der Zoo in Mamas Kopf“ Psychische Erkrankung der Mutter, manische Depression,
kann interpretiert werden
Literatur für Kinder ab der weiterführenden Schule
Autor, Titel Elterliche Erkrankung
Desmarteau: „Alles steht oben geschrieben“ Alkoholabhängigkeit des Vaters, des Groß- und Urgroßvaters
Rees: „Erde an Pluto oder als Mum abhob“ Manische Depression der Mutter
Eriksen: „Beste Freunde, kapiert!“ Angststörung der Mutter, Alkoholabhängigkeit des Vaters
Welsh: „Disteltage“ Psychische Erkrankung der Mutter, eine Depression kann
interpretiert werden
Waard: „Die geheime Schachtel“ Alkoholabhängigkeit der Mutter, eine Tablettenabhängigkeit
kann interpretiert werden
Assen: „Papa macht Geschichten“ Alkoholabhängigkeit des Vaters
Assen: „Anna reitet wieder“ Alkoholabhängigkeit des Vaters
Haugen: „Die Nachtvögel“ Depression des Vaters (Interpretation)
Härtling: „Theo haut ab“ Alkoholabhängigkeit des Vaters (Interpretation)
Boie: „Mit Kindern redet ja keiner“ Depression der Mutter (Interpretation)
Literatur für Jugendliche ab 14 Jahren
Autor, Titel Elterliche Erkrankung
Schmid: „Anna-Barbie“ Alkoholabhängigkeit des Vaters
Wilson: „Tatoo Mum“ Manische Depression der Mutter, eine Alkoholabhängigkeit
kann interpretiert werden
Jaensson: „Jonnys Reise“ Psychische Erkrankung der Mutter
Weins: „Goldener Reiter“ Angststörung der Mutter
Stratenwert & Bock: „Die Bettelkönigin“ Tablettenabhängigkeit einer Mutter, Schizophrenie einer
anderen Mutter
Joan Bauer: „Unterwegs mit Mrs. Gladstone“ Alkoholabhängigkeit des Vaters
Kekule: „Ich bin eine Wolke“ und „Das Blaue vom Himmel“ Alkoholabhängigkeit der Mutter
Voigt aus der Tillerman-Sage: „Heimwärts“ und „Wir Tillermans
sind so“
Psychische Erkrankung der Mutter (Katatonie)
Frey: „Die vergitterte Welt“ Alkoholabhängigkeit, Depression und Essstörung der Mutter
sowie Alkoholabhängigkeit des Stiefvaters
Jalonen: „Nacht der Engel“ Psychische Erkrankung der Mutter
Ruishton: „Wer fängt mich, wenn ich falle?“ Psychische Erkrankung der Mutter, eine Depression kann
interpretiert werden
Mannsdorff (Robbi I): „Fliegen ohne Flügel“ Manische Depression des Vaters
Mannsdorff (Robbi II): „Robbi und sein ungezähmter Vater“ Psychische Erkrankung des Vaters
Ströstedt: „Und der Himmel schaut zu“ Depression der Mutter (Interpretation)
Hornby: „About a boy oder Der Tag der toten Ente“ Psychische Erkrankung
Pohl: „Aber ich vergesse dich nicht“ Alkoholabhängigkeit
Gibbons: „Verdeckte Blicke“ Manische Depression (Interpretation)
Soria: „Das Leben zwischen den Seiten“ Verfolgungswahn
Lyden: „Tochter der Königin von Saba“ Psychische Erkrankung
Hammesfahr: „Das Geheimnis der Puppe“ Psychische Erkrankung