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5 Das Substantiv J.P. ALLEN, S. 37ff. W. SCHENKEL, S. 98ff. E. GRAEFE, S. 18 A.H. GARDINER, S. 58ff. 5.1 Allgemeines Ehe wir g¨ anzlich bis zur Grammatik des ¨ agyptischen Substantivs“ vordringen k¨ onnen, ussen wir, was zwar leidig, aber dennoch unerl¨ asslich ist, einige Begrifflichkeiten kl¨ aren: Substantive werden auch Haupt- oder Namenw¨ orter genannt. Sie bezeichnen dabei Dinge, die entweder real vorhanden sein k ¨ onnen oder der Phantasie entsprungen sind; also etwa Objekte wie z.B. Auto“, Lebewesen wie Katze“ oder auch abstrakte Be- griffe wie Liebe“. Im Deutschen erkennt man ein Substantiv in der Regel daran, daß der Anfangsbuchstabe groß geschrieben ist. Ebenso wird es, wie in vielen anderen Sprachen auch, mit einem Artikel ( der“, die“, das“) versehen. Sprachwissenschaftlich unterscheidet man beim Substantiv mehrere Kategorien. So besitzt ein Substantiv ein Geschlecht (auch Genus“ ) und ist ver¨ anderlich hinsichtlich der Anzahl ( Numerus“ ) und des Falles ( Kasus“ ). Der Vorgang, bei dem Substantive in ihre unterschiedlichen grammatikalischen Formen gebracht werden wird Deklinati- on bzw. Beugung genannt. Substantive gebraucht man innerhalb eines Satzes als Sub- jekt ( Das Auto steht dort“, wer? was?), oder Objekt ( Ich belade das Auto “, wen?), adverbiale Bestimmung ( Ich sitze in dem Auto“, wo?) oder Attribut ( Die Reifen des Autos sind platt“, wessen?). Außerdem besitzen Substantive verschiedene Bestandteile: Die deutschen W¨ orter wie Mann, M¨ anner, Mannschaft, Mannsbild, usw. haben alle ein Wort gemeinsam, n¨ amlich Mann“. Dieses Wort nennt man auch die Wurzel“ der anderen drei Hauptw¨ orter. Das Substantiv Mann dagegen besteht nur aus der Wur- zel. Die anderen Substantive wurden dadurch gebildet, dass andere Wortteile zur Wur- zel hinzugetreten sind. Die Endung -er und der Umlaut ¨ a“ in der Wurzel wie bei anner“ beispielsweise dient im Deutschen h¨ aufig zur Markierung des Plurals. Das Suffix -schaft“, wie z.B. in Mannschaft“ verdeutlicht, daß es sich um eine Gruppe von Mitgliedern handelt (vgl. auch Verwandtschaft“). ¨ Agyptische Substantive werden ¨ ahnlich gebildet. Auch sie haben eine Wurzel, an die weitere bedeutungstragende Einheiten angeh¨ angt werden. Einige W¨ orter bestehen nur aus der Wurzel, w¨ ahrend andere ein oder mehrere Pr¨ afixe 1 , grammatische Endungen oder Suffixe 2 haben. 1 Vorsilbe. Vgl. Eintrag in der Dudengrammatik: vorne an ein Wort oder einen Wortstamm angef¨ ugtes unselbst¨ andiges Wortbildungsmorphem“ Zit. nach: G¨ unther Drosdowksi, Duden - Die Grammatik, Mann- heim, Leipzig, Wien, Z¨ urich 1995, S. 834. 2 Nachsilbe, nach Duden-Grammatik: hinten an ein Wort oder einen Wortstamm anzuf¨ ugendes un- selbst¨ andiges Wortbildungsmorphem“ Zit. nach: G¨ unther Drosdowski, Duden - Die Grammatik. Mannheim, Leipzig, Wien, Z¨ urich 1995, S. 836. 47

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Substantive

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5 Das SubstantivJ.P. ALLEN, S. 37ff.W. SCHENKEL, S. 98ff.E. GRAEFE, S. 18A.H. GARDINER, S. 58ff.5.1 Allgemeines

Ehe wir ganzlich bis zur Grammatik desagyptischen”Substantivs“ vordringen konnen,

mussen wir, was zwar leidig, aber dennoch unerlasslich ist, einige Begrifflichkeitenklaren:

Substantivewerden auch Haupt- oder Namenworter genannt. Sie bezeichnen dabeiDinge, die entwederreal vorhandensein konnen oder derPhantasieentsprungen sind;also etwa Objekte wie z.B.

”Auto“, Lebewesen wie

”Katze“ oder auch abstrakte Be-

griffe wie”Liebe“. Im Deutschen erkennt man ein Substantiv in der Regel daran, daß

der Anfangsbuchstabe groß geschrieben ist. Ebenso wird es, wie in vielen anderenSprachen auch, mit einemArtikel (

”der“,

”die“,

”das“) versehen.

Sprachwissenschaftlich unterscheidet man beim Substantiv mehrereKategorien. Sobesitzt ein Substantiv ein Geschlecht (auch”Genus“) und istveranderlichhinsichtlichder Anzahl (”Numerus“ ) und des Falles (”Kasus“). Der Vorgang, bei dem Substantivein ihre unterschiedlichengrammatikalischen Formengebracht werden wirdDeklinati-on bzw. Beugung genannt. Substantive gebraucht man innerhalb eines Satzes als Sub-jekt (

”Das Autosteht dort“, wer? was?), oder Objekt (

”Ich beladedas Auto“, wen?),

adverbiale Bestimmung (”Ich sitze in dem Auto“, wo?) oder Attribut (

”Die Reifendes

Autossind platt“, wessen?).

Außerdem besitzen Substantive verschiedeneBestandteile:Die deutschen Worter wieMann, Manner, Mannschaft, Mannsbild, usw.haben alleein Wort gemeinsam, namlich

”Mann“. Dieses Wort nennt man auch die

”Wurzel“ der

anderen drei Hauptworter. Das SubstantivMann dagegen besteht nur aus der Wur-zel. Die anderen Substantive wurden dadurch gebildet, dass andere Wortteile zur Wur-zel hinzugetreten sind. DieEndung-er und der Umlaut

”a“ in der Wurzel wie bei

”Manner“ beispielsweise dient im Deutschen haufig zur Markierung des Plurals. Das

Suffix”-schaft“, wie z.B. in

”Mannschaft“ verdeutlicht, daß es sich um eine Gruppe

von Mitgliedern handelt (vgl. auch”Verwandtschaft“).

Agyptische Substantive werdenahnlich gebildet. Auch sie haben eine Wurzel, an dieweitere bedeutungstragende Einheiten angehangt werden. Einige Worter bestehen nuraus der Wurzel, wahrend andere ein oder mehrere Prafixe1, grammatische Endungenoder Suffixe2 haben.

1Vorsilbe. Vgl. Eintrag in der Dudengrammatik:”vorne an ein Wort oder einen Wortstamm angefugtes

unselbstandiges Wortbildungsmorphem“ Zit. nach: Gunther Drosdowksi, Duden - Die Grammatik, Mann-heim, Leipzig, Wien, Zurich 1995, S. 834.

2Nachsilbe, nach Duden-Grammatik:”hinten an ein Wort oder einen Wortstamm anzufugendes un-

selbstandiges Wortbildungsmorphem“ Zit. nach: Gunther Drosdowski, Duden - Die Grammatik. Mannheim,Leipzig, Wien, Zurich 1995, S. 836.

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In dieser Kurseinheit werden wir vieluber Wurzeln und ihre Endungen erfahren, dieGenus und Numerus angeben.

5.2 Wurzeln

Wie im Deutschen ist imAgyptischen die Wurzel der Wortbestandteil, der in der Regeldurch alle Deklinationsklassen (Beugungen) unveranderlich bleibt.

Beispiel:

�� ––––>nt¯r

”Gott“ �� � ––––>nt

¯r.w

”Gotter“

��� ––––>nt

¯r.t

”Gottin“ �

�� � ––––>nt

¯r.j

”gottlich“

Die Wurzel ist in allen vier Beispielennt¯r. Die anderen Bestandteile wie.w, .j und .t

sind nur an diese hinzugefugt. Die meistenagyptischen Wurzeln bestehen aus zweioder drei Konsonanten, den sogenannten Radikalen. Daneben gibt es aber auch einigevier- und sogar funfradikalige Worter.

5.3 Genus (Geschlecht)

Der Begriff”Genus“ leitet sich vom Lateinischengenus––––>

”Geschlecht“ ab. Auch

im Deutschen ist die grammatische Bezeichnung fur Genus”Geschlecht“. Der Plu-

ral (Mehrzahl) des Begriffes”Genus“ lautet

”Genera“. Das Deutsche kennt drei Ge-

schlechter. Diese sind dasweiblicheGeschlecht, auch Femininum genannt, dasmann-liche, das auch als Maskulinum bezeichnet wird und dassachliche Geschlecht, dasman auch Neutrum nennen kann. Maskuline Substantive konnen im Deutschen durch

”er, ihm“ ersetzt werden. Feminina hingegen durch

”sie, ihr“ und Neutra schließ-

lich durch”es, ihm“. Einige Worter verfugen im Deutschenuber ein sogenanntes

”naturliches Geschlecht“. So ist

”Vater“ mannlich und

”Mutter“ weiblich. Bei anderen

Wortern hingegen ist die Zuordnung zu einem bestimmten Genus nicht so einfach. Furuns, die wir in die deutsche Sprache hineingeboren worden sind, stellt das kein Pro-blem dar, aber fur all diejenigen, die Deutsch als Fremdsprache lernen wollen, bedeutetdies einen großen Lernaufwand.

Leichter ist es imAgyptischen, denn das Mittelagyptische hat nur zwei Genera, namlichdas Femininum und das Maskulinum. In der Regel ist es bereits optisch sehr leichtzu entscheiden, ob es sich bei dem vorliegenden Wort um Feminina oder Maskulinahandelt. Denn alle weiblichen Substantive haben, von wenigen Ausnahmen einmal

abgesehen, die Endung� .t, welche an die Wurzel angehangt wird.

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Beispiel: �#� � sn.t––––>

”Schwester“

In diesem Beispiel ist die Wurzel�# , an die das� als grammatisches Element zur

Bezeichnung der weiblichen Form hinzugetreten ist.

Maskuline Substantive sind imAgyptischen meist endungslos und sind somit ihremAussehen nach oft mit ihrer Wurzel identisch. Gelegentlich zeigen jedoch auch diemannlichen Substantive Endungen. Diese konnenj oder w lauten, und sind an dieWurzel angefugt.

Beispiele:

a) �#� sn”Bruder“ ––––>endungslos

b)�� � h

˘ftj

”Feind“ ––––>Endungj

c) �(.� h. fAw

”mannliche Schlange“ ––––>Endungw

Daneben gibt es jedoch auch einige mannliche Substantive, die eine weibliche Endungzu haben scheinen, weil sie auft auslauten. Dieses auslautendet ist jedoch ein festerBestandteil der Wurzel und keine Endung. Somit gehoren diese mannlichen Substanti-ve zu den unter a) besprochenen.

Beispiel:

�� � h˘ t (maskulin)

”Holz“

Wie im Deutschen gibt es auch imAgyptischen naturliche Genera.

Beispiele:

mannlich weiblich

��� jt

”Vater“ �� � mw.t

”Mutter“

�#� sn

”Bruder“ �

#�� sn.t

”Schwester“

�(.� h. fAw

”mannliche Schlange“ �

��� h. fA.t

”weibliche Schlange“

�� � h˘ftj

”Feind“ ��� h

˘ft.t

”Feindin“

�+ nt¯r

”Gott“ �

�� nt

¯r.t

”Gottin“

*�� h. qA”Herrscher“ * ��� h. qA.t

”Herrscherin“

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An die Wurzel, die bei diesen Paaren zumeist der maskulinen Form entspricht, wird furdie feminine Form in der Regel ein.t angehangt.

Es gibt aber auch einige Worter, die von den oben besprochenen Regeln abweichen:

Beispiel: ��� (j)h˘t”Ding, Besitz, Angelegenheit“

Je nachdem, ob dieses Wort in der Bedeutung”Ding“,

”Besitz“ oder in der Bedeutung

“ Angelegenheit“ verwendet wird, tendiert es dazu, eher ein Femininum, bzw. einMaskulinum zu sein.

Achtung! Lander und Stadtenamen sind haufig unabhangig von ihrer Endung Femini-na.

5.4 Numerus

5.4.1 Der Plural

Abgesehen vom Geschlecht, kann ein Substantiv auch anzeigen, ob es sich auf ein odermehrere Dinge, Personen etc. bezieht. ImAgyptischen wird die Mehrzahl (Plural)maskuliner Substantive im Allgemeinen durch das Anhangen eines.w an die Wurzelgebildet. Bei femininen Substantiven hingegen tritt das Pluralkennzeichenw zwischendie Wurzel und der femininen Endung.t.

Diese Regel wird imAgyptischen allerdings nicht immer streng durchgefuhrt. Dasw wird oft ausgelassen, da es ein schwacher Konsonant ist. Es gibt verschiedeneMoglichkeiten, den Plural in der Hieroglyphenschrift zu markieren:

a) drei Pluralstriche werden als zusatzliches Determinativ angehangt. Die Pluraldeter-minative konnen horizontal oder vertikal geschrieben oder auch zu Gruppen zusam-mengefasst werden:

1. �2. �3. �� � bzw. � ��b) Manchmal haben maskuline Substantive zusatzlich zu dem Pluraldeterminativ auchnoch die Pluralkennzeichnungw. Dies wird in untenstehendem Beispiel deutlich.Wahrend der feminine Plural nur durch die drei Pluralstriche markiert ist, ist beimmannlichen Substantiv zusatzlich zu den Pluralstrichen das Wachtelkuken, das fur wsteht, hinzugetreten.

Beispiel:

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�#� .� � sn.w

”Bruder“

�#� � � sn.wt

”Schwestern“

Die Pluraldeterminative ersetzen einealtere Form der Pluralkennzeichnung, bei der dieDeterminative jeweils dreimal hintereinander gesetzt worden sind:3

Beispiel:

*����� h. qA.w”Herrscher“

�#� ��� sn.wt

”Schwestern“

������ nt¯r.w

”Gotter“

Allerdings wird im Mittelagyptischen dieses archaische4 System kaum noch verwen-det. Eine Ausnahme sind hierbei die religiosen Texte.

Gelegentlich werden Pluralstriche auch dann verwendet, wenn es sich gar nicht umeinen

”echten“ Plural handelt.

Bei �� � ��� rh

˘y.t

”Kiebitzvolk, Untertanen“ beispielsweise handelt es sich gram-

matikalisch um einen Singular, aber da das Wort sich auf mehrere Personen bezieht,namlich eine ganze Volksgruppe, werden auch in diesem Fall die Pluralstriche verwen-det. Worter wie diese werden alsKollektiva 5 bezeichnet.

Aber auchAbstrakta werden oft mit Pluralstrichen geschrieben. Abstrakta sind Be-griffsworter, die Nichtgegenstandliches bezeichnen, wie beispielsweise#��

� nfrw

”Schonheit“ Dabei handelt es sich jedoch um einen

”falschen“ Plural, dennnfrw ist

nicht wirklich ein Plural, sondern ein maskuliner Singular.Ubrigens kann man auchim Deutschen Worter wie

”Schonheit“ nicht in den Plural setzen.

5.5 Der Dual

Um Zweiheiten zu markieren, hat dasAgyptische eine spezielle Form, die es im Deut-schen nicht gibt. Dies ist der sogenannteDual. Wie der Plural ist auch der Dual durcheine spezielle grammatikalische Endung gekennzeichnet:

wj fur maskuline Substantive undtj fur feminine Substantive.

3James P. Allen, Middle Egyptian - An Introduction to the Language and Culture of Hieroglyphs, Cam-bridge 2000, S. 37.

4archaisch:”ursprunglich, alt“

5Singular: Kollektivum, bedeutet: Sammelbezeichnung

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Bei beiden Geschlechtern wird die Endung einfach an den Singular angehangt:

Beispiele:

Geschlecht Singular Dual

maskulin �#� sn”Bruder“ �

#� .��� sn.wj

”beide / zwei Bruder“

feminin �#� � sn.t

”Schwester“ �

#���� sn.tj

”beide / zwei Schwestern“

Die maskulineDualendung ist in der Regel.wj. Hieroglyphisch wird diese folgender-maßen wiedergegeben:

. � oder � oder manchmal auch nur. , weil -j ein schwacher Konsonant ist und vondaher auch wegfallen kann.

Die feminine Dualendung lautet.tj. Hieroglyphisch wird dies mittels�� oder� oder "oder " � dargestellt.

Die archaischeSchreibweise des Duals entspricht der des Plurals, indem namlich dasDeterminativ mehrfach gesetzt wird. Wahrend es beim Plural verdreifacht wird, wirdes im Dual hingegen nur verdoppelt.

Beispiele:

�� nt¯r.wj

”zwei / beide Gotter“

������ nt

¯r.tj

”zwei / beide Gottinnen“

�(�.�� h. fA.wj

”zwei /beide mannliche Schlangen“

������ h. fA.tj

”zwei / beide weibliche Schlangen“

5.5.1 Ubersicht uber Dual- und Pluralbildung im Mittel agyptischen

Genus Singular Plural DualMaskulinum endungslos .w .wjFemininum .t .wt .tj

––––>

Genus Singular Plural Dual

Maskulinum �#� sn �#�. �� sn.w �

#�.�� sn.wj

Femininum �#� � sn.t �

#� . � �� sn.wt �

#���� sn.tj

52

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Schreibmoglichkeiten:

• Plural durch Dreifachsetzung undDual durch Zweifachsetzung von Schriftzei-chen

• Mehrfachsetzung des Logogramms:

Singular:�� Plural: ��� Dual:��• Mehrfachsetzung der Phonogramme oder eines Teils derselben:

�# rn ––––>

�#

�#

�# rn.w

”Namen“

• Mehrfachsetzung des Determinativs:

�#�––––>�

#�.���

• Plural- und Dualbildung durch Plural- und Dual-Determinative:

Pl.:� �� ––––>pr.w; Dual:�� � � ––––>pr.wj

53

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54

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6 Essay:”Orthographie“

6.1 Allgemeines

Eine Rechtschreibung in unserem Sinne gab es im altenAgypten nicht. Die Hiero-glyphen wurden hauptsachlich nachasthetischen Gesichtspunkten angeordnet, wobeies darauf ankam, sie moglichst in vollstandige Rechtecke zu gruppieren. Allerdingsgab es durchaus eingeburgerte Schreibungen, von denen nur selten abgewichen wur-de, auch wenn man theoretisch den selben Konsonantenbestand mit anderen Zeichenhatte schreiben konnen. So wurde z.B. der Gott Amun i.d.R.��# �6 geschrieben,nicht etwa��# � , �� � o.a. Es macht wenig Sinn, sich beim Lernen der Spracheden Kopf zu zerbrechen, warum ein Wort so und nicht anders geschrieben wird. DieWorterbucher fuhren die richtigen Schreibungen auf, und da wirAgyptisch nicht alsaktive Fremdsprache beherrschen mussen (wirubersetzten nur vorhandene Texte, undschreiben keine neuen), ist es fur uns eher eine Hilfe, daß die Schreibungen wenigstensin einem gewissen Rahmen festgelegt sind!

Bei den folgenden”Regeln“ handelt es sich um Erscheinungen, die selten sind,und die nur wenige Worter des Agyptischen betreffen.

6.2 Abgekurzte Schreibungen

Um eine kompakte Schreibung in Rechtecken zu ermoglichen, werden in einigensel-tenen Fallen Konsonanten, die eigentlich zum Wort gehoren in der Schreibung aus-gelassen. Ein Beispiel dafur ist das Wortrmt

¯ ”Mensch“, das in Hieroglyphen� � ��

geschrieben wird. Der Konsonantmwird in dieser Schreibung ausgelassen (�� � ��

oder�� � �� ist nicht so schon zu gruppieren). Daßm im Konsonantenbestandursprunglich vertreten war, weiß man aus dem Koptischen, denn dort heißt Menschrome. Besonders gerne werden die KonsonantenA, j, w, m, n, rausgelassen. So fehltz.B. beiwnm

”essen“ in der Schreibung*� der dritte Konsonantm, den man aber

aus anderen Schreibungen kennt, und der daher mit zu transkribieren ist. Ein anderesBeispiel ist das Wort fur Vater, jt, das eigentlich�

�� geschrieben wird. Haufigkommen jedoch auch die Schreibungen�� und �� vor. Beiden fehlt der anlau-tende Konsonantj, der aber transkribiert werden muß! Außerdem ist bei diesem Wortnoch eine Besonderheit in der Schreibung festzustellen: Es wird am Ende mit ge-schrieben, ein Zeichen, das man nicht mitliest, denn es handelt sich um ein zusatzlichesDeterminativ.

Die Auslassung von Konsonanten ist naturlich eine Ausnahme. Im Normalfall werdenalle Mitlaute eines Wortes auch geschrieben.

6Mit variierendem Determinativ

55

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6.3 Phonetische Determinative (Gruppenschreibungen)

Damit kommen wir zu einem weiteren Prinzip der Hieroglyphenschrift: Gruppen-schreibungen oderphonetischen Determinativen. Diese Bezeichnung stammt von Gar-diner7.

Dabei wird ein Wort, das ja aus einem bestimmten Konsonantenbestand besteht, kom-plett als Zeichengruppe verwendet, und zwar inklusive seines ursprunglichen Determi-nativs! Dieses macht in dem neuen Wort naturlich keinen Sinn mehr. Es wird aber mit-geschrieben, weil es sozusagenuber das andere Wort in diese Schreibung verschlepptwurde: So schreibt man dasagyptische Wort fur

”dursten“jb �=�� . Das Bockchen

� hat nichts mit”Durst“ zu tun. Es stammt vielmehr aus dem Wortjb

”Bockchen“,

das � =� geschrieben wird, und das in� =�� als Ganzes fur die Lautfolgejbsteht.

Die weibliche Wortendung� .t rutscht dabei vor das”verschleppte“phonetischeDe-

terminativ. Beispielsweise wird� =���� Ab.t

”Familie“ i.d.R. mit einem Steintopf

� determiniert. Das erscheint unlogisch, denn was hat ein Steintopf mit”Familie“ zu

tun? Des Ratsels Losung ist, daßAb.t wohl ahnlich wieAbw”Elephantine“,� =.� ,

klang, und deswegen der Topf� in die Schreibung fur Familie hineingeriet.

6.4 Schwache Konsonanten

Als schwache Konsonanten werdenA, j und w bezeichnet. Diese werden, wie obenerwahnt, manchmal nicht mitgeschrieben.

Beispiele:

��=9––––>�=9 hAb”schicken“

��� ––––>�� jr.j

”zugehorig zu“

��.�––––> ��� hrw”Tag“

Bei der Transkription solcher Schreibungen gehen die Meinungen in der Fachwelt aus-einander. EinigeAgyptologen transkribieren die Worter wie sie dastehen,ohnedieausgelassenen Konsonanten, einige schreiben alle Konsonanten, und einige schreibendie ausgelassenen Konsonaten mit, setzen sie aber in Klammern. Die oben angefuhrtenBeispiele konnen alsohAb, hb, h(A)b bzw. jry, jr , jr(y) bzw. hrw, hr oderhr(w) tran-skribiert werden. In diesem Kurs wird die letzte Variante bevorzugt.

7A.H. GARDINER, Egyptian Grammar, S. 50.

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6.5 Lautveranderung und historische Schreibungen

Im Laufe der Sprachgeschichte desAgyptischen fand eine Lautveranderung statt. Dasbedeutet, daß sichuber einen langen Zeitraum hinweg die Schreibung und wohl auchdie Aussprache einzelner Worter und Laute verandert haben. Solche oderahnlicheEntwicklungen kommen in jeder Sprache vor.

Im Agyptischen betrifft das zum einen verschiedene Konsonanten, wiezunds, die aufeinen Konsonanten, namlich das stimmloses zusammenfielen, zum anderen Worter,deren Lautbestand sichanderte, indem z.B. ein Konsonant aus dem Wortstamm heraus-fiel. Da dieAgypter aber sehr traditionsgebunden waren,anderte sich die Schreibungsolcher Worter und Laute nicht oder nur teilweise.

Folgende Laute sind im Mittelagyptischen von solchen Veranderungen betroffen:

z, das ursprunglich ein stimmhafter s-Laut war, fallt im Mittelagyptischen mits, einemstimmlosen s-Laut, zusammen. In diesem Kurs werden beide Laute mits transkribiert.

Im Mittelagyptischen hatte� d¯

offensichtlich haufig denselben Lautwert wie0d, wie die Austausch dieser beiden Hieroglyphen in einigen Wortern zeigt. Genausoverhalt es sich mit und� . Der Wechsel zwischen diesen Konsonanten erfolgte abernicht durchgangig, und es ist ratsam, sie weiterhin alst

¯bzw. d

¯zu transkribieren. Auch

die Zeichen� und werden manchmal, aber selten, ausgetauscht.

In manchen Wortern, die ursprunglich w im Lautbestand hatten, kann dieses durchyersetzt werden.

Der Lautr � fallt am Ende eines Wortes oft aus oder wird durch� j ersetzt. In tradi-tionelleren Schreibungen steht in solchen Wortern noch� , obwohl es wahrscheinlichnicht mehr gesprochen wurde. So kommen fur das Wort

”Gefangener“h

˘nr folgende

Schreibungen vor:�#� �� , �# �� oder auch�# � �� . Das Phanomen,

daß man einen Konsonant schrieb, der aber nicht mehr gesprochen wurde, nennt manauch

”historische Schreibung“.

57

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58

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3. Ubungseinheit

1. Bitte bestimmen Sie das Genus (Geschlecht) der folgenden Substantive:

Hieroglyphen Transkription Ubersetzung Genus

��� bj.t Rote Krone, Kronevon Unteragypten

Femininum

�� =.� rhbw Glut des Feuers

&���

� sstA Geheimnis

�� ��� d¯Ad¯A Kopf

*�� h. m.t Frau

�� � h

˘t Holz

��� jh˘.t Ding, Besitz

�� wAd¯

.t Krone von Un-teragypten

'� h. m Diener, Sklave

��� jh˘t Angelegenheit,

Sache

��� A.t Zeit[dauer], Augen-

blick

��#� jtn Sonne(nscheibe)

��� wp.t richterliche Entschei-

dung, Gericht

��%� h˘m Unwissender,

Stumper,Nichtskonner

2. Bitte geben Sie nun an, um welcheNumerusformen (Singular, Dual, Plural) essich bei untenstehenden Substantiven handelt undubersetzen sie die in Hieroglyphenwiedergegebene Form ins Deutsche!

ix

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Ubersetzungder

”Grund-

form“

Hieroglyphen Transkription Numerus Ubersetzung derhier in Hierogly-phen wiedergege-benen Form

Bauch �� h

¯.wt Plural Bauche

Loch���; ! thm

Mann,Mensch

����� rmt

¯.w

Auge��� jr.tj

Land���� tA.wj

Palastfassade �� !� srh

˘.w

Frau *� �� h. m.wt

Schwein �.� h. w.t

Herz "� jb.w

hoher Beam-ter

�� sr

Obelisk ��# .� � � th˘n.wj

3. Geben Sie nun bitte fur die nachfolgenden Substantive an, um welchen Numerusund Genus es sich handelt undubersetzen Sie die in Hieroglyphen angegebene Form!

Ubersetzungder

”Grund-

form“

Hieroglyphen Transkription Genus Numerus Ubersetzung derhier in Hierogly-phen wiedergege-benen Form

Kind � ���� ms.w Maskulinum Plural Kinder

Schlange �(�.�� h. fAw.wj

Kuken, Jung-vogel

2*� t¯A.w

Schrift �� ss

Herrschaft * ��� h. qA.t

Pfeiler, Saule �� � jwn.w

Herr, Gebieter���� nb.w

Vorderseite �� � � h.A.wt

4. Bitte bestimmen Sie nun im Folgenden den Genus und Numerus, transkribieren Sie

x

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die Hieroglyphenzeichen und versuchen Sie, die hier angegebenen Hieroglyphen zuubersetzen!

Ubersetzungder

”Grund-

form“

Hieroglyphen Transkription Genus Numerus Ubersetzung derhier wiedergege-benen Hierogly-phen

Herrin����� nb.tj Femininum Dual beide / zwei Her-

rinnen

Siegel ��� �Gedanke,Plan

����

Kapelle � ��� �

Bein�; ;

Weg, Straße ���� �

Krankheit ���(� �Schiff, Barke

0����

Arm& �&&

der Morgen ���Prozession �&� �Messer ��#Bedurfnis ��

�� �

Gesundheit #=

Weg, Land-weg

���� �

Schnur, Strick ��

5. Wiederholung: Transkribieren Sie folgende Zeichen und Worter (benutzen Siedazu bitte die Gardinerliste) und schreiben Sie die Gardinerzeichennummer dahinter:

xi

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A. Schriftzeichen (keine vollstandigen Worter)

Phonogramm (Lautzeichen)Transkription (Umschrift) Zeichennummer

" s O 34

"*

.��

��

B. einige Worter (bitte achten Sie auf die phonetischen Komplemente)

Wort Ubersetzung Transkription (Umschrift) Zeichennummer

Auge�� � jr.t D4,X1,Z1

Ubel �.�(

Ort, Sitz ���

Geburt � .��Feind, Gegner

�� .+

Zauber, Magie ����C. Zeichenumstellung ausasthetischen Grunden

Wort Ubersetzung Umschrift Gardinernummer

� =� Vorlesepriester h¯

rj-h. b(.t) V 28, T 28, D 58, A 1

��= Fest

�. Befehl

� �� � Unendlichkeit

xii

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6. Zur Zeit nutzen 22 Leute das Angebot, Hieroglyphen im Fernkurs zu lernen. KonnenSie die Vornamen lesen?

Hieroglyphen Umschrift Vorname

1. � =� �&� � �2.&��#

� ��3..

�" ���

4.�.#� ����

5. �. �# � �6. �.

� ��

7..��

� 0�8. ��

#�

9.���. ��=

�� �

10���� �� �

#"�

11.���#�

12.#�0 � �

#� �

13.�����

14.��"� �

#�

15. �= �# � �16.. � �� � ��17.

�.�� �

18.�0.��

19.��# �

���

20..�#

��

21.�.�# ��� ��

22.��#�

0�

xiii

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xiv

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Name des Kursteilnehmers Kurs 02052001−14 Hieroglyphen I 9

3. Ubungseinheit

1. Bitte bestimmen Sie das Genus (Geschlecht) der folgenden Substantive:

Hieroglyphen Transkription Ubersetzung Genus

��� bj.t Rote Krone, Kronevon Unteragypten

Femininum

�� =.� rhbw Glut des Feuers

&���

� sstA Geheimnis

�� ��� d¯Ad¯A Kopf

*�� h. m.t Frau

�� � h

˘t Holz

��� jh˘.t Ding, Besitz

�� wAd¯

.t Krone von Un-teragypten

'� h. m Diener, Sklave

��� jh˘t Angelegenheit,

Sache

��� A.t Zeit[dauer], Augen-

blick

��#� jtn Sonne(nscheibe)

��� wp.t richterliche Entschei-

dung, Gericht

��%� h˘m Unwissender,

Stumper,Nichtskonner

2. Bitte geben Sie nun an, um welcheNumerusformen (Singular, Dual, Plural) essich bei untenstehenden Substantiven handelt undubersetzen sie die in Hieroglyphenwiedergegebene Form ins Deutsche!

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10

Ubersetzungder

”Grund-

form“

Hieroglyphen Transkription Numerus Ubersetzung derhier in Hierogly-phen wiedergege-benen Form

Bauch �� h

¯.wt Plural Bauche

Loch���; ! thm

Mann,Mensch

����� rmt

¯.w

Auge��� jr.tj

Land���� tA.wj

Palastfassade �� !� srh

˘.w

Frau *� �� h. m.wt

Schwein �.� h. w.t

Herz "� jb.w

hoher Beam-ter

�� sr

Obelisk ��# .� � � th˘n.wj

3. Geben Sie nun bitte fur die nachfolgenden Substantive an, um welchen Numerusund Genus es sich handelt undubersetzen Sie die in Hieroglyphen angegebene Form!

Ubersetzungder

”Grund-

form“

Hieroglyphen Transkription Genus Numerus Ubersetzung derhier in Hierogly-phen wiedergege-benen Form

Kind � ���� ms.w Maskulinum Plural Kinder

Schlange �(�.�� h. fAw.wj

Kuken, Jung-vogel

2*� t¯A.w

Schrift �� ss

Herrschaft * ��� h. qA.t

Pfeiler, Saule �� � jwn.w

Herr, Gebieter���� nb.w

Vorderseite �� � � h.A.wt

4. Bitte bestimmen Sie nun im Folgenden den Genus und Numerus, transkribieren Sie

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Name des Kursteilnehmers Kurs 02052001−14 Hieroglyphen I 11

die Hieroglyphenzeichen und versuchen Sie, die hier angegebenen Hieroglyphen zuubersetzen!

Ubersetzungder

”Grund-

form“

Hieroglyphen Transkription Genus Numerus Ubersetzung derhier wiedergege-benen Hierogly-phen

Herrin����� nb.tj Femininum Dual beide / zwei Her-

rinnen

Siegel ��� �Gedanke,Plan

����

Kapelle � ��� �

Bein�; ;

Weg, Straße ���� �

Krankheit ���(� �Schiff, Barke

0����

Arm& �&&

der Morgen ���Prozession �&� �Messer ��#Bedurfnis ��

�� �

Gesundheit #=

Weg, Land-weg

���� �

Schnur, Strick ��

5. Wiederholung: Transkribieren Sie folgende Zeichen und Worter (benutzen Siedazu bitte die Gardinerliste) und schreiben Sie die Gardinerzeichennummer dahinter:

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12

A. Schriftzeichen (keine vollstandigen Worter)

Phonogramm (Lautzeichen)Transkription (Umschrift) Zeichennummer

" s O 34

"*

.��

��

B. einige Worter (bitte achten Sie auf die phonetischen Komplemente)

Wort Ubersetzung Transkription (Umschrift) Zeichennummer

Auge�� � jr.t D4,X1,Z1

Ubel �.�(

Ort, Sitz ���

Geburt � .��Feind, Gegner

�� .+

Zauber, Magie ����C. Zeichenumstellung ausasthetischen Grunden

Wort Ubersetzung Umschrift Gardinernummer

� =� Vorlesepriester h¯

rj-h. b(.t) V 28, T 28, D 58, A 1

��= Fest

�. Befehl

� �� � Unendlichkeit

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Name des Kursteilnehmers Kurs 02052001−14 Hieroglyphen I 13

6. Zur Zeit nutzen 22 Leute das Angebot, Hieroglyphen im Fernkurs zu lernen. KonnenSie die Vornamen lesen?

Hieroglyphen Umschrift Vorname

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