Kausalität im Süden
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Kausalitt im SdenNiklas Luhmann
Zusammenfassung: Politische Entwicklungsplanungen, die rechtliche und
monetre Mechanismen benutzen, haben sich als wenig erfolgreich
erwiesen. Widerstand gegen Modernisierung ist, infolge dieser
Erfahrung, durch Faktoren wie "Tradition", "Kultur", "Mentalitten"
erklrt worden. Aber solche Erklrungen sind mehr oder weniger
tautologisch geblieben. Es wird vorgeschlagen, sie durch einen Faktor zu
ersetzen, den man als "soziale Konstruktion" von Kausalitt bezeichnen
knnte.
Nach jahrzehntelangen Forschungen ber Kausalattribution und
Wahrnehmung kausaler Beziehungen kann man nicht mehr davon
ausgehen, da Beziehungen zwischen Ursachen und Wirkungen
objektive Sachverhalte der Welt seien, ber die dann wahre bzw.
unwahre Urteile mglich sind. Vielmehr geht es um eine Unendlichkeit
mglicher Kombination von Ursachen und Wirkungen, die nur extrem
selektiv genutzt werden kann, wenn ein Zusammenhang von
bestimmten Ursachen mit bestimmten Wirkungen irgendeinen
kognitiven oder praktischen Sinn geben soll. In anderen Worten:
Kausalitt ist ein Medium lose gekoppelter Mglichkeiten, dessen
Verwendung eine Bildung von relationalen Formen, also eine feste
Kopplung bestimmter Ursachen und bestimmter Wirkungen erfordert.
Aussichten auf erfolgreiches Handeln ebenso wie das Beobachten der
Intentionen anderer hngt von einer solchen Formselektion ab. Dabei
handelt es sich um soziale Konstrukte, deren Konstruktion jedoch nicht
wie eine Meta-Ursache, gleichsam als Ursache der Kausalitt selbst, in
das Kausalschema aufgenommen wird. Vielmehr dient die Formbildung
als "blinder Fleck", der es berhaupt erst ermglicht, Kausalitt zu
sehen und zu benutzen.
Wenn eine Gesellschaft daran gewhnt ist, Kausalitt in personalisierten
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sozialen Netzwerken zu lokalisieren und Erfolge bzw. Mierfolge vom
Gebrauch dieser spezifischen Form von Kausalitt zu erwarten, wird es
sehr schwierig sein, an diesen Bedingtheiten etwas zu ndern, wenn
nicht als Ersatz gleichermaen handliche Kausalformen zur Verfgung
gestellt werden knnen. Mehr Geld und mehr Rechtsvorschriften werden
nur dazu dienen, die Wirksamkeit der Kontakte des Netzwerks zu
erproben und zu besttigen.
I.
Forschungen ber die besonderen Strukturen und Probleme des
"Mezzogiorno" Italiens sind in groer Zahl durchgefhrt oder jedenfalls
projektiert und finanziert worden. Im folgenden geht es um eine
Revision ihrer theoretischen Grundlagen.
Im typischen Falle geht man von Unterschieden in der "Kultur" oder der
"Mentalitt" der Bevlkerung des Sdens aus. Man hat empirische
Befunde genug, die belegen, da es solche Unterschiede gibt. Unsere
Frage ist, was es besagt und welche Konsquenzen es hat, wenn sie ber
Begriffe wie "Kultur" oder "Mentalitt" in die Literatur und in die weitere
Forschung eingefhrt werden.
Beide Begriffe eignen sich dazu, Unterschiede sichtbar zu machen. In
der Tat ist der Begriff "Kultur" in der zweiten Hlfte des 18.
Jahrhunderts konstruiert worden, um vergleichende Darstellungen, sei
es in regionaler, sei es in historischer Sicht, mit einem bergreifenden
Begriff zu versorgen. Erfolge in Richtung einer Erweiterung des
europischen Horizontes bis ins Entlegene und Esoterische sind nicht zu
bestreiten. Kultur scheint es immer und berall gegeben zu haben,
solange und soweit es Menschen gibt. Theoretisch hat dieser Begriff
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jedoch wenig erbracht. Vor allem ist unklar geblieben, wovon sich Kultur
unterscheidet, wenn alle Artefakte, einschlielich Texte, einschlielich
sogar der jeweiligen Vorstellung von "Natur" als "Kultur" zu verstehen
sind. Ebenso unklar bleibt der Begriff der Mentalitt, der sogar die
wichtige Unterscheidung von kommunikativen und intrapsychischen
Prozessen, ber die man mindestens seit der Romantik verfgt, ignoriert
oder doch sabotiert. Wenn aber ein Begriff nicht klarstellen kann, was
durch ihn ausgeschlossen wird, was also die andere, nicht bezeichnete
Seite seiner Form ist, sind wissenschaftliche Ertrge nicht zu erwarten.
Das mag dazu gefhrt haben, da man sich gentigt sah, "harte"
Naturwissenschaften und "weiche" Geisteswissenschaften (oder
"science" und "humanities") zu unterscheiden. Zugleich knnte hier
einer der Grnde liegen, weshalb die Feststellung von Unterschieden in
der Kultur und den Mentalitten des Sdens im Vergleich zu den Zentren
der modernen Gesellschaft ebenso inspirativ wie unergiebig geblieben
ist. Wissenschaftlich, aber auch politisch.
II.
Da man so intensiv und so lange mit dem Begriff der Kultur und mit
Mentalittsvergleichen gearbeitet hat, mag mit bestimmten
Eigentmlichkeiten der neuzeitlichen Semantik Europas
zusammenhngen. Wir konzentrieren uns auf zwei Konzepte: auf ein
vorwiegend technisches Verstndnis von Rationalitt und ein vorwiegend
liberales bzw. sozialistisches Verstndnis von Freiheit. Die Entstehung
von Geisteswissenschaften scheint das Ergebnis oder auch die
Kompensation dafr gewesen zu sein, da mit dieser Engfhrung der
Semantik von Rationalitt und Freiheit wichtige Probleme der modernen
Gesellschaft nicht zu fassen waren und dann gleichsam als
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Restprobleme untergebracht werden muten. Der rationalen
"Entzauberung" der Welt (Max Weber) entsprach sehr berzeugend eine
Verinnerlichung des Freiheitsverstndnisses und die Dauerklage ber
Entfremdung im Gebrauch der angeborenen Freiheit. Aber so
berzeugend diese Gegenberstellung gelungen war: sie scheint heute
eine ausreichende Beschreibung der modernen Gesellschaft eher zu
behindern als zu frdern. Es handelt sich um ein Relikt der
"brgerlichen" (technisch-rationalen, fortschrittlichen, liberalen oder
sozialistischen) Gesellschaft.
Die Vorstellungen ber technische Rationalitt gehen zurck auf eine
radikale Vereinfachung des aristotelischen Vier-Ursachen-Schemas. Fr
Aristoteles waren Ursachen alle Bedingungen, denen Seiendes sein Sein
verdankt, also neben den Wirkursachen auch das angestrebte Ende
(tlos), die bestimmungsbedrftige Materie und die Form. Davon blieb,
soweit es um Kausalitt geht, nur eine einzige, die sogenannte
mechanische Kausalitt.(1) Das Ergebnis war eine gewaltige
Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieser einen Kausalitt. Sie war
sozusagen nicht mehr auf ein Zusammenwirken mit anderen
Kausalitten im schn geordneten Kosmos verpflichtet und nicht mehr
durch deren Interferenzen bedroht und eingeschrnkt. Statt dessen
mute sie sich andere Einschrnkungen suchen, etwa solche der
Mathematik (die einen Verzicht auf zeitliche Irreversibilitt implizieren)
oder in der Form von empirisch getesteten Kausalgesetzen oder
schlielich in der Form statistischer Wahrscheinlichkeiten des Erzielens
bestimmten Wirkungen durch die Aktivierung bestimmter Ursachen.
Zugleich wurden die Zwecke entteleologisiert, das heit: nicht mehr als
Komponenten der Kausalitt selbst behandelt, sondern nur noch als
Vorstellungen, die den Einsatz menschlichen Handelns zum Bewirken
von Wirkungen motivieren. Die Folge ist: da Zwecke einen "Wert"
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haben mssen und ber die Werte einer sozialen Aufsicht unterliegen
oder wie man im 19. und 20. Jahrhundert dann sagen wird: Institution
werden knnen.
Bei aller Kritik der Konsequenzen moderner technischer
Kausalrationalitt, wie wir sie bei Max Weber oder beim spten Husserl
finden: die Institutionalisierung von Rationalitt scheint unangefochten
in Geltung zu stehen - wenn nicht in Bezug auf das Privatleben so doch
in den Anforderungen an Organisationen.(2) Die Erwartungen knnen
sich von der Annahme einer linearen Ursache-Wirkung-Kausalitt schwer
lsen. Denn wie sollte man sich eigenes Handeln oder das Handeln
anderer vorstellen, wenn man nicht erwarten knnte, da das Handeln
im Regelfalle die beabsichtigten Effekte hat. Es ist kaum denkbar, da
man diese Vorstellung frontal attackiert. So viel Unplausibilitt kann
selbst die Wissenschaft sich nicht leisten. Und trotzdem werden wir
fragen mssen, ob Kausalitt richtig verstanden ist, wenn man sie schon
durch ihren Begriff auf eine feste, technisch verfgbare Koppelung von
Ursachen und Wirkungen reduziert.
Parallel zur Festlegung auf technisch-rationale Kausalitt war die liberale
Theorie vom 17. bis zum 20. Jahrhundert von der Unterscheidung
Freiheit und Zwang ausgegangen. Die Konzeption einer natrlichen, also
angeborenen Wahlfreiheit war immer schon ein Erfordernis der Ethik
gewesen (und dies unabhngig von der Frage der politischen Freiheit,
die man nur auf Stdte oder Territorialherrschaften bezogen hatte).
Auch wenn nach den Religionskriegen normative religise,
naturrechtliche, ethische Beschrnkungen der Freiheit mehr und mehr in
Kontroversen (vor allem: in Begrndungskontroversen) gerieten, blieb
die Freiheit des Individuums als gemeinsame Voraussetzung aller
Bemhungen um normative Regulierung zurck. Der moderne
Individualismus eignete sich vorzglich zur Dekonstruktion alter sozialer
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Einteilungen, vor allem solcher der Nationen, der Stratifikation, der
Patron/Klient-Gruppierungen, der Kirchen und Sekten und hatte damit
eine neue Funktion, ein Existenzrecht unter ganz anderen sozialen
Bedingungen. Freiheit wurde einerseits von Zwang unterschieden;
andererseits aber auch als in sich beschrnkt gedacht: als Ausschlieung
von Willkr (licentia), wenn nicht gar als angewiesen auf vernnftigen
Gebrauch.
Wenn im Gegensatz zu Zwang definiert, gert die individuelle Freiheit in
einen unlsbaren Gegensatz auch zur sozialen Ordnung, die ihr immer
Beschrnkungen setzen mu. Rousseau hatte diesen Konflikt
bekanntlich durch Eliminierung aller besonderen Abhngigkeiten in der
Gesellschaft vermeiden wollen, "parce que toute dpendence particuliere
est autant de force te au corps de l'Etat".(3) Aber um so dramatischer
tritt er dann im Verhltnis von Individuum und Staat auf. Eben deshalb
mute man auf Seiten des Individuums mit Vernunftzumutungen
nachhelfen und auf Seiten des Staates mit verfassungsrechtlichen
Vorkehrungen. Der beides zusammenfassende Titel lautete bei Rousseau
volont gnrale.
Diese Konstellation hat die allmhliche Abschwchung der
Vernunftzumutung und den Zusammenbruch der Unterscheidung
empirisch/transzendental berdauert. Sie hat sich zwar als radikaler
Republikanismus, als Ausschaltung aller intermediren Instanzen der
Einschrnkung von Freiheit - sei es des Individuums, sei es des Staates
- nicht durchfhren lassen. Sie hat gleichwohl die politisch-ideologischen
Kontroversen zwischen Liberalismus und Sozialismus berdauert; denn
in diesen Kontroversen ging es nur um die Art des Zwanges, der die
Freiheit unter modernen Bedingungen einschrnkt: staatliches Recht
oder kapitalistische Fabrikorganisation. Sie findet sich, wieder und
wieder copiert, in den Programmen der politischen Parteien
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demokratischer Staaten und in ihrer Wahlkampfrhetorik. Und immer ist
die Freiheit die positive, der Zwang die negative Seite dieser
Unterscheidung. Man knnte in Bezug auf diese persistente Prominenz
von semantisch codiertem Individualismus sprechen.
In der offiziellen Kultur herrschen diese Schemata der technischen
Rationalitt und der individuell fundierten Freiheit nach wie vor. Es gibt
eine romantische Gegenkultur, es gibt zahllose Anstze zur Kritik der
modernen Gesellschaft; aber solche Bestrebungen leben davon, da
das, wogegen sie sich wenden, den ersten Platz besetzt hlt. Und doch
gibt es deutliche Zeichen dafr, da diese beiden aufeinander
abgestimmten Schemata nur noch wie kulturelle Fiktionen fortexistieren.
Denn in der sozialwissenschaftlichen Forschung sind sie seit langem
unter dem Mikroskop empirischer Untersuchungen aufgelst worden.
Fr die Kausalannahmen gilt dies vor allem dank der sogenannten
Attributionsforschung. Ausgehend von der Frage, wie Kausalitt
berhaupt beobachtet werden kann,(4) hat sich das Interesse auf den
Zurechnungsproze verschoben. Die Frage lautet nicht mehr, welche
Ursache welche Wirkung hat, sondern wie eine Zuordnung von
Wirkungen auf Ursachen und von Ursachen auf Wirkungen konstruiert
wird; und vor allem: wer bestimmt, was dabei unbercksichtigt bleiben
kann. Und wie immer, wenn die Forschung von Was-Fragen auf Wie-
Fragen umgestellt wird, kommen dabei Strukturen in den Blick, die den
Ausschlag dafr geben, da bestimmte Zusammenhnge gesehen und
andere ebenfalls mgliche Zusammenhnge nicht gesehen werden. Die
Forschung nimmt, in Begriffe der Kybernetik und der Systemtheorie
bersetzt, die Perspektive eines Beobachters zweiter Ordnung ein. Das
heit: sie beobachtet, wie Beobachter, die Kausalaussagen machen,
beobachten.(5)
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Die Annahme einer im Individuum immer schon gegebenen, also nur
durch Vernunft oder durch Zwang einschrnkbaren Freiheit hat ein ganz
anderes Schicksal gehabt: Sie ist als Unterscheidung
zusammengebrochen. Wie soll man unterscheiden knnen, so ist zu
fragen, ob jemand auf Grund von Freiheit oder auf Grund von Zwang
handelt? Das war schon ein Problem der kantischen Theorie gewesen:
Wie soll sich jemand moralisch frei entscheiden knnen, wenn er
zugleich auch rechtlich gezwungen werden knnte und das wei? Oder
noch lter: wie kann jemand nur um der Tugend willen handeln, wenn
er wei, da Tugend mit sozialer Anerkennung belohnt wird? Oder
heute: handelt jemand, den man mit ber-Ich vollgestopft hat, frei oder
unfrei? Auch hier wirft uns diese Ambiguitt zurck auf ein Problem der
Beobachtung zweiter Ordnung: Wer zieht in solchen Fllen die Grenze
zwischen Freiheit und Zwang? Wer konstruiert die Unterscheidung?
Warum diese und keine andere? Wer ist der Beobachter, der
beobachtet, wie ein anderer sich seine Freiheit und sein Gezwungensein
zurechtlegt, wie er external oder internal zurechnet? Auf Grund welcher
Charaktermerkmale und in welchen Situationen?
Die empirische Sozialforschung, und zwar weniger die Soziologie als
vielmehr die Sozialpsychologie, hat die relativ schlichten, und eben
deshalb wirksamen, Prmissen der technisch-rationalen Kausalitt und
der individuellen Freiheit pulverisiert. Aber sie hat keinen ebenso
wirksamen Ersatz geschaffen. Sie hat aufgelst, aber nicht
rekonstruiert. Daher stellen technisch-rationale Kausalitt und
individuelle Freiheit immer noch ihre Ansprche, besonders an die
Politik. Die Technik soll auf Umweltschonung und Risikovermeidung
umdirigiert werden, was voraussetzt, da man Effekte kennen und
kontrollieren kann. Die Individuen wollen "emanzipiert" werden (oder
zumindest wird ihnen eine solche Ambition zugemutet). Und schlielich
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beruht alle Aufarbeitung von Zivilisationsschden - Therapie,
Sozialarbeit, Entwicklungshilfe usw. - auf solchen Vorgaben. Man kann
eine Diskrepanz zwischen verfgbarem Wissen und rhetorischen
Formulierungen beobachten, auch eine Diskrepanz zwischen dem, was
man wissen kann, und derjenigen Sprache, mit der man Finanzierungen
erreichen kann. Aber das sind deutlich bergangssituationen, die auf
bessere Theorieangebote warten.
III.
Auf Grund der Kritik blicher Vorstellungen ber Kausalitt und ber
Freiheit drfte es nicht schwer fallen, die in diesen Begriffen steckenden
Beobachtungsdirektiven zu reformulieren. Wir suchen damit Konzepte,
die historisch und regional vergleichende Untersuchungen anleiten
knnen und die in ihrer theoretischen Prgnanz den Begriffen "Kultur"
und "Mentalitt" berlegen sind. Dem liegt die Annahme zugrunde, da
eine Begriffsrevision nicht nur die Vorstellungen ber Kausalitt und
Freiheit besser an bereits verfgbares Wissen anpat, sondern zugleich
bessere Ausgangspunkte fr vergleichende Untersuchungen bietet. Denn
sie ermglichen es, davon auszugehen, da Kausalitt nicht einfach eine
freischwebende Konstruktion ist, die nur nach wahr oder unwahr oder
Funktionieren/Nichtfunktionieren zu beurteilen wre, und da Freiheit
nicht nur ein normatives Postulat ist in dem Sinne, da mehr davon
(man sagt: "Emanzipation") gut wre, sondern da es sich in beiden
Fllen um Konstruktionen handelt, deren Anwendung unter regionalen
und historischen Sonderbedingungen gelernt werden mu und im
Bewhrungsfalle nur schwer zu revidieren ist. Bewhrtes lt sich
schwer stornieren, wenn nicht sehr konkrete bessere Mglichkeiten
angeboten werden.
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Fr einen nach Kausalzusammenhngen fragenden Beobachter ist das
Problem der Zurechnung nur deshalb relevant, weil mit dem Begriff der
Kausalitt noch keine Festlegung auf bestimmte Zusammenhnge
zwischen Ursachen und Wirkungen erfolgt. Sowohl in Richtung Ursachen
als auch in Richtung Wirkungen fhrt Kausalitt in Endloshorizonte - und
dies nicht nur in linearer Sukzession (also zeitlich), sondern zugleich
kaskadenhaft in beliebig viele benennbare Mitursachen und
Nebenwirkungen. Hinzukommt, da wir gewohnt sind, auch mit
negativen Kausalitten zu rechnen, zum Beispiel mit Unterlassungen,
mit Ausfall von Elektrizitt (und natrlich mit Folgen eines Todesfalles);
und da wir auch Strukturen Kausalitt zuschreiben, zum Beispiel der
"Klassenstruktur" der modernen Gesellschaft oder den feedback-
Schleifen der Kybernetik. Viele Zuflle, Vorflle, Unflle haben
weitreichende Folgen (so rechnen wir zu!), weil man mit ihnen nicht
gerechnet hatte.
Diese einfache berlegung zwingt uns, in das Kausalschema eine
Unterscheidung einzubauen, die quer steht zu der Unterscheidung von
Ursachen und Wirkungen. Kausalitt ist einerseits ein Medium des
Beobachtens und andererseits eine Form.(6) Als Medium dient
Kausalitt, wenn man von massenhaft gegebenen, aber nur lose
gekoppelten, nur hin und wieder, nur unter besonderen Bedingungen
zusammenwirkenden Kausalfaktoren ausgeht. Kausale Formen ergeben
sich dagegen bei festen oder doch im Normalfalle erwartbaren
Kopplungen - so wie man wei, da ein Ei zerschellt, wenn man es auf
den Boden fallen lt, und es nicht davonschwebt (wie es im Weltraum
geschehen wrde). Als Medium ist Kausalitt die bloe Mglichkeit einer
Zurechnung von Wirkungen auf Ursachen. Als Form ist Kausalitt
vollzogene Zurechnung, die von Situationen, aber auch von
Auswahlgepflogenheiten des Beobachters abhngt. Man kann, anders
-
gesagt, Kausalitt als Schema einer mglichen Weltbeschreibung
akzeptieren, ohne mit der spezifischen Zurechnung eines bestimmten
Beobachters in bestimmten Situationen einverstanden zu sein.
Medium und Form sind nicht etwa zwei ontologisch getrennte
Existenzweisen. Vielmehr handelt es sich um ein als Einheit
konstituiertes Beobachtungsschema, dessen Komponenten einander
wechselseitig bedingen. So ist auch Sprache ein Medium, dessen
Elemente (Wrter) nur reproduziert werden, wenn sie fallweise in der
Form von Stzen so kombiniert werden, da sie einen verstndlichen,
kommunizierbaren Sinn ergeben. Auch Kausalitt ist Kausalitt nur,
wenn und soweit dies spezifische Medium zu Formen kondensiert - zu
Beobachtungen und Beschreibungen vom Typ "A bewirkt B". Die Form
impliziert, da andere Kausalverlufe dadurch ausgeschlossen sind -
etwa "Nicht-A bewirkt B". Aber dieser Ausschlu bezieht sich nur auf die
konkret realisierte Kausalitt. Er lt es durchaus zu, da gleichzeitig
und in riesigen Mengen andere Kausalverlufe realisiert werden.
Das Medium erscheint, anders gesagt, nur in seinen jeweils realisierten
Formen. Als solches bleibt es unsichtbar. Es wird nur dadurch
reproduziert, da laufend Formen gebildet werden. Wrde das (aus
welchen Grnden immer) nicht geschehen, gbe es auch keine
Kausalitt. Ferner folgt aus dieser Unterscheidung Medium/Form, da
das Medium invariant bleibt, die Formen dagegen variabel reproduziert
werden: von Moment zu Moment andere. Formenbildung erfolgt strikt
zeitpunktgebunden, und nur deshalb ist es von Interesse, nach
Mglichkeiten nahezu-identischer Wiederholung zu fragen im Sinne von:
Ein Ei fallen lassen, noch ein Ei fallen lassen. Alle
informationsverarbeitenden Operationen, seien es Bewutseinsakte,
seien es Kommunikationen, die selbst nur aus Ereignissen bestehen,
suchen und finden Redundanzen, das heit: Hinweise in dem, was
-
vorliegt, auf das, was folgen wird. Man denke zum Beispiel an
Wettervorhersage - eine ehemals freie, heute durch Satelliten und
Fernsehen professionell gewordene Praxis. Nur durch ausreichende
Redundanzen kann die sequentielle Reproduktion des jeweiligen
Systems gesichert werden. Nur weil diese Zeitpunktgebundenheit aller
Beobachtungen Wiederholbarkeit zum Problem, ja der Lebenserfahrung
nach zur Ausnahme werden lt, gibt es ein Problem des Gedchtnisses
und des Lernens. Man kann davon ausgehen, da die Hauptfunktion des
Gedchtnisses im Vergessen, im Wiederfreimachen von Kapazitten fr
Aufmerksamkeit und fr Kommunikation besteht, da aber eben deshalb
das wiederholt Vorkommende bevorzugt erinnert und ber alle
Situationsunterschiede hinweg identifiziert wird. Mit einem Begriff von
Heinz von Foerster (siehe Frster 1948) kann man sagen, da das
Gedchtnis auf laufende "Reimprgnierung" angewiesen ist, um die
heilsame Funktion des Vergessens zu blockieren. In der diffus erlebten
und rasch wieder vergessenen Wirklichkeit bieten Kausalformen, und
zwar deshalb, weil es relationale und damit auergewhnliche Formen
sind, einen besonderen Anreiz fr Erinnerung und fr Lernen. Man
erwartet und testet gegebenenfalls Wiederholbarkeit. Jemand hatte in
einer schwierigen Lage geholfen und damit gezeigt, da er ber
Kompetenz und Macht verfgt, die man in hnlichen Situationen
wiederbenutzen kann.
Die Formen, die man im Kausalschema festlegt, um etwas zu erklren
oder zu planen, fixieren deshalb zugleich Unterscheidungen gegenber
dem, was auer Acht bleiben und Vergessen werden kann. Das
Kausalschema ist eine Unterscheidungen bewahrende Struktur (vgl.
Heylighen 1989). Und selbst wenn Korrekturen notwendig werden, mu
man zurckgreifen knnen auf das, was sich bewhrt hat, und das, was
sich nicht bewhrt hat.
-
Eben deshalb versteht es sich keineswegs von selbst, da Menschen
oder soziale Systeme ber die Fhigkeit verfgen, im Kausalschema zu
lernen und Gelerntes zu kommunizieren. Das ist nicht zuletzt auch eine
Frage der dafr geeigneten Sprache. Und selbst wenn diese Fhigkeit als
selbstverstndlich vorausgesetzt werden kann, und das kann man unter
heutigen Bedingungen weltweit unterstellen, ist es immer noch eine
offene Frage, was genau gelernt wird - also wie Kausalformen auffallen,
wie sie ber eklatante Unterschiede hinweg identifiziert werden, welche
Rolle dabei Personen spielen in dem Sinne, da Kausalannahmen (Macht
zum Beispiel), die fr eine Person gelten, fr andere nicht gelten, und
was fr Unterschiede ber solche Unterschiede kulturellen Lernens
produziert und reproduziert werden. Die primre Funktion von
Kausalkonstruktionen drfte es sein, auf Unterschiede aufmerksam zu
machen und sie zu bewahren; und erst wie das konkret geschieht (ob
zum Beispiel festgemacht an Personen oder Werkzeugen, an chemischen
Eigenschaften oder an Rechten, die man durchsetzen kann), dirigiert
Lernprozesse.
IV.
Auch im Verstndnis von Freiheit hilft uns die sozialwissenschaftliche
Kritik auf den Weg. Denn wenn die Unterscheidung von Freiheit und
Zwang implodiert und Freiheit nicht mehr durch ihren Gegenbegriff als
Abwesenheit von Zwang definiert werden kann, mu man ein anderes
Verstndnis vorschlagen - oder diesen hochgeliebten Begriff aufgeben.
Die Frage lautet also: woran erkennt jemand, da er frei ist, wenn er es
nicht daran erkennen kann, da er nicht gezwungen wird?
Diese Frage verschiebt unser Problem in die weitere Frage nach den
kognitiven Voraussetzungen von Freiheit. Freiheit entsteht berhaupt
-
erst, wenn man Wahlmglichkeiten erkennen kann. Freiheit wird, kann
man auch sagen, durch Wissen generiert; was auch heit: durch Wissen
manipulierbar. Solche kognitiven Bedingungen von Wahlfreiheit nehmen
nicht die Form von Regeln an, die anzuwenden wren. Sie sind deshalb
in ihrer Freiheit begrndenden Form nicht leicht zu erkennen. Sie
erzeugen nur einen Bereich mglicher Optionen, der dann durch Regeln
und Prferenzbildung eingeschrnkt werden kann. Das heit auch, da -
im Gegensatz zu methodologischen Annahmen vieler
"kulturvergleichender" Forschungen - direkte Rckschlsse von Kultur
auf Verhalten nicht mglich sind.(7)
Akzeptiert man diesen Ausgangspunkt, dann werden zahllose
Phnomene lebendig, ohne da zunchst eine Ordnung erkennbar wird.
Vor allem wird man die Vorstellung aufgeben mssen, da Freiheit mit
Macht oder mit sozialem Status korreliert. Das kann der Fall sein, wenn
herausgehobene soziale Positionen mehr Mglichkeiten bieten, sich
Informationen zu beschaffen; aber dann ist wiederum Kognition die
eigentliche Quelle von Freiheit und Status eine von vielen Bedingungen.
Hat ein Chirurg mehr Freiheit, der wei, welchen Spielraum er bei der
Entscheidung fr oder gegen eine Operation und bei ihrer Durchfhrung
hat; oder ein Obdachloser, der wei, wo man bei welchem Wetter am
besten bernachtet (Parkbnke, U-Bahnschchte, unter Brcken, in
Eingngen von Brohusern), und der wei, wo man die vom
Supermarkt ausrangierten Lebensmittel findet? In jedem Falle wre der
Obdachlose am Operationstisch ebenso hilflos wie der Chirurg auf der
Parkbank, wenn es nach Regen aussieht. Der Alltag bietet jede Menge
von Belegen: Der Strom fllt aus, und man sitzt im Dunkeln. Hier sind
Raucher im Vorteil, denn sie wissen, wo die Streichhlzer sind. Nur
wenn der Jugendliche wei, wo die Jugend des Ortes sich abends trifft,
kann er entscheiden, ob er hingeht oder nicht. Freiheit ist "der Witz des
-
Gefangenen, mit welchem er nach Mitteln zu seiner Befreiung sucht".(8)
Und ein Politiker (selbst hchsten Ranges) mu wissen knnen, wie die
Presse auf sein Verhalten reagieren wird, wenn er entscheiden will, was
er ffentlich tut und was nur im geheimen oder gar nicht.
So gesehen bedeutet ein unvorbereiteter Milieuwechsel zunchst einmal
Freiheitsverlust mit unsicheren Chancen des Wiedergewinns. Das erklrt
zum Beispiel den Widerstand der Einwohner East Londons gegen den
Umzug in die so schn geplanten New Towns im breiteren Umkreis der
Metropole.(9) Weitere berlegungen schlieen sich an. Freiheit wird in
der Gesellschaft symbolisiert, unter anderem, um Prestige und sozialen
Status zum Ausdruck zu bringen. Aber das kann zu Fehlurteilen fhren.
Ist die Freiheit eines Chefredakteurs wirklich so gro, wie man annimmt,
wenn es darum geht, was in die Zeitung aufgenommen wird und was
nicht und was auf die erste Seite kommt oder als eine unvermeidliche
Meldung doch eher versteckt wird (vgl. Rhl 1979)? Oder gibt es hier
viel Berufs- und Milieuwissen, das den scheinbaren
Entscheidungsspielraum stark einschrnkt, aber faktisch ihn durch
Einschrnkung berhaupt erst konstituiert?
Der vielleicht wichtigste Vorzug dieser Annahme, Freiheit werde durch
Kognition erzeugt, liegt im bergang zu kleinformatigen, geradezu
mikroskopischen Analysen. Die Sequenzen sowohl des bewuten
Erlebens als auch der Kommunikation sind durch relativ kurzfristige
Episoden bestimmt. (Welche Freiheitsgrade hat ein gut erzogener
Mensch bei der Inszenierung einer Begrung oder beim Akzeptieren
eines Verlustes?) Gelegenheiten, Alternativen zu sehen, erscheinen und
verschwinden wieder von Moment zu Moment, sie knnen ergriffen oder
auch verpat und nur noch retrospektiv erkannt werden, wenn es zu
spt ist. Da das Leben, das Bewutsein und die Kommunikation durch
dynamisch stabilisierte Systeme reproduziert wird, ist mit einem
-
dauernden bergang von Episode zu Episode zu rechnen. Erst wenn
man das einsieht und es der theoretischen Analyse zugrundelegt, kann
man fragen, welche strukturellen Faktoren Episoden zusammenfassen
und oft oder immer wieder zur Entdeckung von Freiheit oder Unfreiheit
fhren. Dann kann man so etwas wie "gute" (= zur Gesellschaft
passende) Erziehung nennen, und man kann in diesem Konzept auch
Bedingungen Rechnung tragen, die auf stndige Konfrontation mit
Zwang hinauslaufen. Die klassische Konzeption der Freiheit durch
Abwesenheit von Zwang wird nicht systematisch ausgeschlossen, so als
ob sie empirisch gar nicht vorkommen knnte; aber sie wird als ein
Grenzfall behandelt, in dem viele oder nahezu alle Episoden durch ein
und dieselbe Quelle von Zwang determiniert sind - etwa bei
Entfhrungen.
Die Freiheit konstituierende Funktion von Wissen ist unabhngig vom
Streit der Erkenntnistheorien (realistisch, idealistisch, pragmatistisch,
konstruktivistisch) und von der Wissenschaft selbst. Ein Wissenschaftler
mu natrlich etwas vom Fach und von Finanzierungsmglichkeiten
verstehen, wenn er in Bezug auf seine eigenen Forschungen frei
entscheiden will. Aber diese Freiheit besteht auch dann, wenn die
Ausgangsannahmen sich spter als falsch erweisen; und sie ist natrlich
auch unabhngig davon, ob seine Forschungen Hypothesen verifizieren
oder falsifizieren oder, wie so oft, dies weiteren Forschungen berlassen
mssen. Freiheit ist ein soziales Konstrukt, und Wissen ist die Form, in
der Beschrnkungen eingefhrt werden, um Entscheidungen zu
ermglichen. Kognitive Erwartungen unterscheiden sich, unter anderem
wegen dieser Funktion, grundstzlich von normativen Erwartungen;
denn formulierte Normen provozieren geradezu die Freiheit, gegen die
Norm zu verstoen. Das Paradies war der Ort fr einen Modellversuch in
genau dieser Frage; und die Welt verdankt einer mutigen Frau die
-
Folgen des Normbruchs: Unterscheidungsvermgen und Freiheit. Die
Kenntnis des Verbots hat gengt.(10)
Auch wenn Freiheit als Korrelat von Wissen berall entstehen kann und
auch, wenn soziale Stratifikation kein sicherer Indikator fr
Freiheitsverteilung in der Gesellschaft ist, mssen doch weitere Faktoren
beachtet werden, die differenzierend wirken. In einer Hinsicht geht es
erneut um ein Attributionsproblem. Was sind die Bedingungen dafr,
da Freiheit gesehen und auf die Person, die sich entscheidet,
zugerechnet wird? Oder noch schrfer: wovon hngt es ab, da
derjenige, der von seiner Freiheit Gebrauch macht, sich selbst als
Ursache einbringt. Freiheit ist ja ein Konzept fr das Abschneiden der
Rckfrage nach weiteren Ursachen. Wir wissen, da eine solche
Personzurechnung als Selbstzurechnung wie als Fremdzurechnung
kontingent erfolgt und auch anders mglich ist, also von weiteren
Bedingungen abhngt. Solche Bedingungen knnen psychischer Art
sein; aber man findet sie auch im System sozialer Kommunikation.
Wann wird es ermutigt, Selbstzurechnung zu kommunizieren, und wann
mu man so tun, als ob gar keine Entscheidung vorliege oder sie von
anderen provoziert wurde (typisch zum Beispiel fr Rechenschaftslegung
bei kriminellem Verhalten oder sonstigen Formen aufflliger
Devianz(11)).
Eine andere Variable liegt in der Frage, wie weit Freiheit nur darin
besteht, zwischen Grenzsituationen zu whlen. Im eher harmlosen
Kleinformat heit dies: zwischen Handlung und Unterlassung zu whlen.
Dies luft zumeist auf eine Wahl zwischen verschiedenen
Handlungsmglichkeiten hinaus, wobei die Wahl der einen aus zeitlichen
oder konomischen Grnden das Unterlassen der anderen erfordert.
Nicht selten sind aber auch die Flle, in denen man sich nicht
entscheiden kann, eine bestimmte Mglichkeit zu ergreifen (zum
-
Beispiel wegen des Risikos, auf das man sich damit einlassen mte),
aber auch nicht wei, was man statt dessen tun knnte. Dann liegt das
Problem nicht in der konomie der Ressourcen, fr die Modelle
rationalen Entscheidens angeboten werden,(12) sondern es liegt in
Problemen der Unentschlossenheit, der Risikoaversion, der Rigiditt von
Prferenzen, also in Systemproblemen, die in einer dynamischen
Gesellschaft eher negativ bewertet werden.
Im tragischen Groformat steht nur noch Inklusion oder Exklusion zur
Wahl. Wenn man nicht "mitmacht" (und wohlgemerkt: freiwillig
mitmacht), wird man aus bestimmten Netzwerken oder sogar aus dem
sozialen Leben schlechthin ausgeschlossen. Solche Wahlsituationen
werden oft als "Moral" dargestellt, um den Ausschlu zu rechtfertigen.
Sowohl Unterlassen (ohne sinnvolle Alternative) als auch Exklusion sind
Optionen (und wohlgemerkt: Optionen!), die in einen unspezifizierten
Raum fhren.(13) Man verliert damit Anhaltspunkte fr weiteres
Verhalten. Man verliert die Freiheit, und zwar genau deshalb, weil man
keine kognitiven Anhaltspunkte findet, die einen Spielraum fr freie
Wahl konstituieren knnten. Das sind, wenn in einer Gesellschaft mit
solchen Grenzsituationen gespielt wird, starke Sanktionen - viel strker
als alles, was ber Moral und ber sonstige normative Regulierungen
erreicht werden kann; denn Normen geben immer noch die Mglichkeit
der Abweichung frei, ja sind geradezu kognitive Voraussetzungen fr die
Entscheidung zur Abweichung.(14) Moralen sttzen sich denn auch,
zumindest in lteren Gesellschaften, auf die Unmglichkeit, die Grenze
zum "unmarked space" zu berschreiten.
V.
-
Fr regional orientierte Forschungen geben die theoretischen
Modifikationen, die an den Begriffen Kausalitt und Freiheit ansetzen,
nur sehr abstrakte Anhaltspunkte. Das gilt auch dann, wenn man
einbezieht, da Kausalitt etwas mit einem technischen Verstndnis von
Rationalitt zu tun hat und Freiheit etwas mit kognitiven Bedingungen
der Konstitution von Sinn.
In einem ersten Schritt kommt es vor allem darauf an, sich von
begrifflichen Voreingenommenheiten zu lsen, die eine ganz andere
historische und gesellschaftliche Situation reflektieren, nmlich die
Situation einiger europischer Lnder (vor allem Englands) im 17. und
18. Jahrhundert. Man kann natrlich, was Wissenschaft betrifft, viele
andere Lnder und Namen nennen - neben Bacon (der aber erst im
Laufe des 17. Jahrhunderts eine Modeautor wird), Locke und Newton
auch Galilei und Descartes. Aber entscheidend ist die historische
Verortung im 17. und 18. Jahrhundert - in einer Gesellschaft also, die in
nahezu allen Funktionsbereichen die alte Ordnung aufzulsen begann,
deshalb einen technisch-rationalen Begriff von Kausalitt bevorzugte,
um neue Sicherheiten zu finden, und einen Begriff natrlich-individueller
Freiheiten, um alte soziale Einteilungen als entbehrlich behandeln zu
knnen. Aber es war zugleich eine Gesellschaft, die mit einem inhaltlich
ganz unbestimmten, "offenen" Begriff von Zukunft auskommen und ihn
mit der Semantik des "Fortschritts" besetzen konnte. Warum aber sollen
wir uns in einer vllig anderen Situation durch begriffliche Vorgaben
binden lassen, die damals, und nur damals, berzeugen konnten?
Die Situation der modernen Gesellschaft am Ende des 20. Jahrhunderts
ist eine andere als die einer Epoche, die man als "transitorische
Moderne" bezeichnen knnte. Es ist keineswegs eine "postmoderne"
Situation. Der einzige Sinn dieser Rede von "postmodernen"
Verhltnissen drfte darin liegen, sich um ein Begreifen der modernen
-
Gesellschaft herumzudrcken mit der Behauptung, es sei schon vorbei.
Tatschlich haben wir aber erst heute die Chance, die moderne
Gesellschaft angemessen zu beschreiben, weil sie erst heute, und zwar
in weltweiten Dimensionen, als beobachtbares und beschreibbares
Faktum vor Augen liegt.
Bei regionalen Vergleichen werden blicherweise die extremen
Unterschiede an Realisierung der Leistungsmglichkeiten der
Funktionssysteme hervorgehoben - in erster Linie Unterschiede der
wirtschaftlichen Entwicklung, der schul-/hochschulmigen Ausbildung,
aber auch der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratisierung des
politischen Systems ber politische Parteien und eine Oppositionskultur.
Solche Tatbestnde sollen weder bestritten noch bagatellisiert werden.
Aber sie enthalten nichts spezifisch Modernes, sondern waren immer
schon vorhanden gewesen. Lediglich die moderne Weltgesellschaft
verleiht ihnen einen besonderen Aufmerksamkeitswert. Denn man ist
jetzt mit ihnen in einem umfassenden Gesellschaftssystem konfrontiert,
und das lt, wenn Unterschiede der Realisierung sichtbar werden, diese
als unakzeptabel erscheinen. Aber was kann geschehen, wenn man
wiederum nur auf Konzepte technisch-rationaler Kausalitt zurckgreifen
kann, etwa der Meinung ist, da man Geld zur Verfgung stellen mte,
um die Entwicklung zu frdern? Auf enttuschende Erfahrungen reagiert
man heute mit der Theorie des "Sozialkapitals" (Traditionen,
Einstellungen, Prestige und Prominenz), das hinzukommen msse, um
beabsichtigte Innovationen erfolgreich durchfhren zu knnen. Aber das
ist eine fast schon tautologische Zusatzbedingung, fr die es nur sehr
enge, lokale und projektabhngige empirische Indikatoren gibt.
Im brigen geht man bei der Beschreibung unterentwickelter Regionen
von den vorgefundenen Tatbestnden aus. Inzwischen gibt es jedoch
Anhaltspunkte genug dafr, da die funktionale Differenzierung der
-
modernen Gesellschaft solche Tatbestnde erst produziert. Typisch
verstrken die Funktionssysteme der Weltgesellschaft vorgefundene
Ungleichheiten, weil es fr sie rational ist, Unterschiede zu nutzen. Nur
wer zahlungsfhig zu sein scheint, erhlt Kredite. Andererseits wandert
die Arbeit in Billiglohnlnder ab; aber dies nur, wenn das Rechtssystem
dank staatlicher Garantien funktioniert. Das weltpolitische System legt
wert auf Ansprechpartner und lokale Adressen in allen Regionen; aber
die Form des souvernen Zentralstaates pat schlecht auf tribale oder
auf ethnisch und religis inhomogene Regionen. Bei den heute aktuellen
Problemen - von Problemen des Hungers, der politischen Korruption bis
hin zur Entstehung neuer religiser Kulte - handelt es sich keineswegs
um Relikte einer vergangenen Ordnung, die einer Modernisierung
unterzogen werden mten, sondern um direkte Korrelate der Moderne
selbst. Mehr und mehr scheint die moderne Weltgesellschaft sich mit
Problemen zu befassen, die sie selbst erst erzeugt hat. Auch das lt es
fraglich erscheinen, ob man gut beraten ist, wenn man meint, die
blichen Mittel wie Kredite oder Erziehung oder Verfahrensinnovationen
in Produktion und Verwaltung nur verstrkt einsetzen zu mssen, um zu
Erfolgen zu kommen.
Die Modernisierungsforschung, mit der die Soziologie nach dem zweiten
Weltkrieg eingesetzt und es zu erheblichen Erfolgen gebracht hatte, war
davon ausgegangen, da "Modernitt" in den einzelnen
Funktionsbereichen wechselseitige Sttzfunktionen erfllen wrde; da
also technisch-industriell fortgeschrittene Produktion, Marktwirtschaft,
wissenschaftliche, nur an eigenen Erfolgsaussichten orientierte
Forschung, schulisch organisierte Erziehung der Gesamtbevlkerung,
politische Demokratie mit wohlfahrtsstaatlichen Ausgleichsfunktionen
und schlielich verbesserte Lebensperspektiven der Einzelmenschen im
Projekt Moderne integriert werden wrden und da die
-
Gesamtentwicklung einem gnstigen Mix von Evolution und Politik
berlassen bleiben knnten. Daran vermag man heute kaum mehr zu
glauben. Zu deutlich sind kaum mehr kontrollierbare Nebenfolgen in
kologischen und demographischen Hinsichten, in Bezug auf zu hohe
Risiken, Zukunftsunsicherheit und eine auch nur annhernd ertrgliche
Wohlstandsverteilung zutage getreten; und auch die Aussichten, dies
mit regionalen Besonderheiten, also mit Entwicklungsrckstnden zu
erklren, schwinden mit der Zeit. Im Gegensatz zu jeder klassischen
Theorie, die funktionale Differenzierung wie Arbeitsteilung behandelt
hatte, wird man davon ausgehen mssen, da gerade die hohe
Spezialisierung und Autonomisierung der Funktionssysteme zu
wechselseitigen Belastungen fhren wird, von denen man nicht
voraussehen kann, wie sie in Einzelfllen bewltigt werden knnen.
Da es Erfolge geben kann und gegeben hat, sollte natrlich nicht
bestritten werden. Ein dogmatischer Pessimismus ist auf jeden Fall
unangebracht. Die Frage ist nur, ob man mit der vorgeschlagenen
Revision der Annahmen ber Kausalitt zu besseren Einsichten kommt -
und wenn nicht im Sinne von Erfolgswissen, dann doch im Sinne von
Orientierungswissen.
In der bisherigen Betrachtungsweise ist der Zeitfaktor nicht zureichend
bercksichtigt worden. Man hat Zeit natrlich im Zusammenhang mit
Projekten beachtet, also als Zeit, die man voraussichtlich braucht, um
von der Ursache zur Wirkung zu kommen; oder als Zeitspanne, whrend
der es vertretbar ist, Umweltvernderungen, die das Projekt betreffen,
auer Acht zu lassen.(15) Aber in gesellschaftsgeschichtlicher
Perspektive ist die vordringliche Frage: wieviel Zeit bleibt fr
Modernisierung, wie schnell mu es gehen?
-
Zu Beginn der europischen Neuzeit und noch im 17. und 18.
Jahrhundert hatte sich diese Frage nicht gestellt. Modernisierung war
kein Projekt. Man konnte zwar Innovationen beobachten, und dies auch
whrend der Lebenszeit von Individuen, und der Buchdruck trug dazu
bei, neue Kenntnisse zu schtzen und rasch zu verbreiten. Das hatte
Konsequenzen, zum Beispiel fr die Autoritt des Alters und fr die
Berufung auf Erfahrung (vgl. nur Thomas 1988). Aber es gab keine
Dringlichkeit in einer Programmatik gesellschaftlicher Vernderung. Und
es gab diesen Zeitdruck nicht, weil man keine Vergleichsmglichkeiten
hatte. Europa konnte sich selbst, so zumindest seit der Mitte des 18.
Jahrhunderts, als eine dynamische Gesellschaft begreifen, aber der
eigene Proze der Umstellung auf technische Innovationen, auf
Rechtsreformen, auf schulische Erziehung usw. hatte nur der Logik des
Fortschritts zu gehorchen, und die Welt im brigen konnte schlielich
kolonisiert werden. Erst im 20. Jahrhundert wird die Differenzierung von
(fortgeschrittenen) Zentren und (zurckgebliebener) Peripherie zum
Problem. Erst jetzt entsteht aus dem Vergleich von Zentren und
Peripherien der Moderne die Erwartung und der Anspruch auf schnelle
Aufhebung dieser im Konzept der modernen, allinklusiven Gesellschaft
nicht zu rechtfertigenden Differenz. Und whrend Europa sich im
Horizonte einer offenen, weithin unbestimmten Zukunft Jahrhunderte
Zeit lassen und sektorale Fortschritte (zum Beispiel Industrialisierung)
jeweils austarieren und Nebeneffekte auf andere Sektoren, zum Beispiel
auf den Staat abwlzen konnte,(16) sind unter heutigen Bedingungen
keine Zeitreserven mehr verfgbar, und angesichts der faktisch
gegebenen Ungleichheit und ihrer laufenden Reproduktion durch die
Bedingungen funktionaler Differenzierung wre es blanker Zynismus,
wollte man den benachteiligten Regionen eine Wartezeit von zwei bis
drei Jahrhunderten verschreiben.
-
Aber wie schnell kann es gehen? Und vor allem: welche perversen
Effekte entstehen allein schon dadurch, da es schnell gehen mu?
VI.
Einige der Besonderheiten sditalienischer Verhltnisse knnten durch
diesen Zeitfaktor erklrbar sein, also durch die relative Pltzlichkeit mit
der Sditalien einem Vergleich mit Norditalien oder anderen, "besser"
entwickelten Regionen Europas ausgesetzt worden ist. Die alte Ordnung
hatte die Gesellschaftsstruktur auf eine Einheit von Familie, Eigentum
und Stratifikation aufgebaut. Demgegenber blieb die Frage, wie
Vermgensverhltnisse aus landwirtschaftlichen Quellen und auf Grund
von Handel reguliert und ber Generationen hinweg tradiert wurden,
zum Beispiel durch arrangierte Heiraten, eine Frage zweiten Ranges -
wie berall im alten Europa. Ausschlaggebend war die Einheit von
Familie und Vermgen ("alter Reichtum" im Sinne der aristotelischen
Adelsdefinition) als Grundlage gesellschaftlicher Differenzierung. Im
brigen waren in die Stratifikation - und wiederum: hier wie auch sonst
im alten Europa - Patron/Klient-Verhltnisse eingebaut, die auch
politische Funktionen mitzuerfllen hatten, da es keine von der Zentrale
aus steuerbaren Lokalverwaltungen, sondern allenfalls lokale (oft
grundherrschaftliche) Gerichte gab.
Diese Ordnung hat den bergang zu einer primr funktional
differenzierten Gesellschaft nicht berlebt. Die Vernderungen betreffen
nicht mehr nur die Oberschicht, die sich an anderen Prestige- und
Einkommensquellen und nicht zuletzt an der jetzt nationalstaatlich
organisierten Politik orientieren mu. Nach dem zweiten Weltkrieg sind
auch die buerlich-handwerklichen Familienkonomien in den Strudel
der "Modernisierung" geraten und verlieren innerhalb von ein bis zwei
-
Generationen ihre alte Bestandssicherheit, ohne da auf struktureller
Ebene eine Nachfolge erkennbar wre.(17) Demographisch gesehen
produzieren die Familien Nachwuchs nicht mehr fr Produktion, sondern
fr Konsum, also im ursprnglichen Sinne "Proleten". Im
Zusammenhang damit wchst die Bedeutung der Schulen und
Universitten, die ihrerseits jedoch nicht so organisiert sind, da sie den
Aufgaben einer sinnvollen Ausbildung und Karriereselektion gerecht
werden knnten. Im Wirtschaftssystem gibt es nun eine am Markt
orientierte industrielle Produktion als primre Einkommensquelle fr alle
Schichten. Entsprechend breitet sich die Geld- und neuerdings auch die
Kreditabhngigkeit in allen Schichten aus - bis in privateste Bereiche wie
gestiegene Konsumansprche, Scheidungs- und
Scheidungsfolgenkosten, Versicherungskosten, Geldausstattung der
Kinder etc. Aber auch in anderen Funktionssystemen nimmt die
bertragung von Aufgaben auf Organisationen zu. Es gibt staatliche
Verwaltungen, die auf die lokale Ebene durchgreifen, was immer den
Gemeinden oder Regionen an Autonomie konzediert wird. Es gibt
politische Parteien mit Ortsvereinen bis in kleinste Orte hinein, wobei die
Kandidatenselektion durch die Machtkmpfe in den Parteizentralen
bestimmt wird. Es gibt Schulen fr die gesamte Bevlkerung,
Krankenhuser (statt nur rzte) und Gefngnisse - also organisatorische
Einrichtungen fr die Versorgung jeder Art von Klientel nach Magabe
spezifischer Funktionen. Die Funktionssysteme selbst knnen zwar nicht
als Einheiten organisiert sein, aber im Alltag wirken sie ber die ihnen
zugeordneten Organisationen und ziehen auf diese Weise die
entsprechenden Probleme und Bedrfnisse an oder erzeugen sie sogar
erst durch ihr Angebot. Es gibt von dieser Struktur aus gesehen
eigentlich keinen Bedarf fr Patron/Klient-Verhltnisse oder Netzwerke
hnlicher (heute wrde man sagen: "privater") Art.
-
Aber genau hier liegt das Problem. Man kann gerade in Sditalien
beobachten, da die Gewohnheit, in Netzwerken der Hilfe, der
Frderung und der erwartbaren Dankbarkeit zu denken, erhalten
geblieben, aber von der gesellschaftlichen Stratifikation auf die
Organisationen bertragen worden ist. Die "ansprechbaren" Ressourcen
liegen jetzt nicht im Eigentum, im Prestige der Familie, in der
Verpflichtung durch Herkunft und in den sozial weiterreichenden,
berlokalen Kontakten einer Oberschicht. Sie werden vielmehr aus den
Kompetenzen "abgezweigt", die Positionen in Organisationen zur
Verfgung stellen. Oft gengt das Prestige einer Position, um sich fr
etwas einzusetzen, was mit den Aufgaben des Amtes nichts zu tun hat.
Die Organisation stellt Signale zur Verfgung, die als Symbole fr
allgemeine soziale Kompetenzen verwendet werden knnen. Das
versteht sich freilich nicht von selbst, sondern mu im Netzwerk selbst
durch stndige Bereitschaft erarbeitet, "verdient" und reproduziert
werden. Dazu sind zahlreiche soziale Kontakte erforderlich, viel
mndliche Kommunikation, deren Sinn sich weder aus den
Organisationsaufgaben ableiten lt noch von unmittelbaren praktischen
Zwecken her als notwendig verstndlich ist, sondern eine Art
berschuproduktion hervorbringt, die der Reproduktion von sozialer
Kompetenz und Bereitschaft dient.
Legt man die Interpretation von Kausalitt als Formwahl im
entsprechenden Medium zugrunde und die Interpretation von Freiheit
als kognitiv (und damit sozial) konstituierter Freiheitsspielraum, wird die
Persistenz solcher Muster und ihre selbstlufige Reproduktion besser
verstndlich. Auch hier dient Kausalitt in erster Linie der Bewahrung
und der Selbstkorrektur von Unterscheidungen - und zwar bezogen auf
die Faktoren, mit denen man immer schon etwas erreichen konnte. An
der Ausgrenzung anderer Mglichkeiten mu festgehalten werden, auch
-
wenn man laufend lernen mu, Positionen im Netzwerk umzubesetzen.
Offenbar knnen sich Muster fr das Entdecken von Kausalformen,
gerade weil sie sich nicht von selbst verstehen und nicht durch die Natur
schon vorgegeben sind, nicht so schnell ndern, wie es eine Anpassung
an die Strukturen der modernen Gesellschaft erfordern wrde. Man kann
sie nicht so schnell durch etwas anderes, noch nicht Bewhrtes
ersetzen. (Wie soll man Organisationen trauen, wenn man niemanden
kennt, der sie beeinfluen kann?) Und offenbar sind auch die kognitiven
Bedingungen fr die Konstitution begrenzter Freiheiten, fr die
Zurechnung auf Absichten (statt auf Ansichten) und damit fr das, was
persnlich zurechenbaren Sinn gibt, nicht so rasch nderbar. Man liest in
die Organisationen hinein, was man ohne sie nicht mehr realisieren
kann; und in der Tat: die Organisationen bieten mit ihrer auf
Entscheidung und Kompetenz bezogenen Selbstbeschreibung zahlreiche
Mglichkeiten des Austausches von Geflligkeiten. Man kann nicht
sagen, man knne es nicht. Und wenn es rechtliche Schranken des
Erlaubten gibt, bietet das Beiseiteschieben der damit gegebenen
Hindernisse um so mehr Gelegenheiten, guten Willen und
Hilfsbereitschaft zu demonstrieren. Eine Funktion des Rechts knnte
geradezu darin liegen, den expressiven Wert der Umgehung oder des
bewuten Ausschaltens oder Einschaltens der juristischen
Betrachtungsweise zu steigern.
Die Reproduktion dieses Umgangs mit Kausalitt und Freiheit wird
verstndlich, wenn man sich die alltglichen Kommunikationen genauer
ansieht. Mit Watzlawick (siehe Watzlawick/Beavin/Jackson 1974) kann
man zwei Ebenen der Kommunikation, mit der speech act Theorie zwei
Typen oder Funktionsrichtungen der Kommunikation unterscheiden. Auf
der einen Ebene geht es um die Themen oder die Informationen, die
behandelt werden - etwa der Auftrag an einen Handwerker, die Planung
-
eines Ausflugs, Berlusconi oder hnliches. Auf der anderen Ebene geht
es um die Einstellung der Beteiligten zueinander, die zwar nicht explizit
mitgeteilt, aber implizit zum Ausdruck gebracht wird, also der Ausdruck
des wechselseitigen Wohlwollens, der Hilfsbereitschaft, aber auch: da
ein Ja eigentlich ein Nein bedeutet. Die Kommunikation ist immer
paradox insofern, als sie immer etwas Nichtkommuniziertes
mitkommuniziert. Aber es wird erwartet, da man versteht - und nicht
nachfragt. Nicht selten tritt das Gemeinte in direkten Widerspruch zum
Gesagten; und auch dann wird erwartet, da man versteht, aber nicht
nachfragt. Da die Kommunikation in solchen Fllen ohne greifbare
Resultate bleibt, darf nicht mit berraschung vermerkt werden, obwohl
je nach Sachlage Insistieren zum guten Ton gehren kann. Teilnehmer
wissen, wann man nachfassen kann - und wann nicht. Jedenfalls ist die
Unterscheidung der semantischen (konstativen) und der pragmatischen
(performativen) Aspekte jeder Kommunikation wichtige Voraussetzung
fr die Teilnahme am Spiel und fr die zutreffende Lokalisierung von
Kausalitten und Freiheiten.
Wenn dies ein allgemeines Problem der modernen Kommunikation ist
und zum Beispiel bei der Analyse von Pathologien in der
Familientherapie eine bedeutende Rolle spielt, kann man vermuten, da
im sditalienischen Kontext gerade die Organisationen aktivierende
Kommunikation sich selbst an diesem Problem der paradoxen
Kommunikation orientiert, und zwar mit Schwerpunktverlagerung in
Richtung auf die Ebene der latenten Kommunikation von Einstellungen -
aus welchen Anlssen und ber welche Informationen auch immer. Die
Paradoxie der Kommunikation wird dadurch aufgelst, da
vorausgesetzt wird, da verstanden wird, da die Informationen eine
untergeordnete Rolle spielen und da es vor allem auf das
Symbolisieren des Netzwerks ankommt, in dem Geflligkeiten gehandelt
-
und dazu passende Einstellungen zugemutet werden. Von selbst bewegt
sich nichts - und auch das ist eine wichtige Voraussetzung dafr, da
das Wohlwollen und Freundschaftsdienste bentigt und ber
Prestigezuweisungen reproduziert werden.
Die gleiche Schwerpunktverschiebung in Richtung auf personalisierte
Einstellungskommunikation findet man auch in der Inszenierung von
Kultur. Wissenschaft und Kunst werden in erster Linie als Kultur
gefrdert. Die ffentliche Prsentation von Kultur ermutigt zu einer
Rhetorik, die riesige Bedeutungsberschsse produziert, ohne erkennen
zu lassen, was daraus und darauf nun folgen wrde. Kultur (und die
damit erfabaren Themen wie die Familie, die Jugend, Ethik, Dichtung,
Europa etc.) wird als eine sich selbst konsumierende Angelegenheit
zelebriert, fast wie ein Ritual, bei dem das Dabeisein und Gesehen- und
Gehrtwerden zhlt. Es geht, knnte man vermuten, um die
Schokoladenseite des Netzwerks oder auch um die Symbolisierung von
Gemeinsamkeit bei stark divergierenden Interessen. Oder um es
paradox zu formulieren: das Interesse an Kultur darf kein Interesse
werden.(18)
Je deutlicher die Teilnahmebedingungen erkennbar sind, ohne als
Information kommuniziert zu werden, desto schrfer stellt sich die harte
Alternative von Inklusion und Exklusion. In dem Mae, als Normen
"offizieller" Provenienz und vor allem Fragen der Geltung und
Durchsetzbarkeit des Rechts den Bedingungen persnlicher
Interaktionen unterworfen werden, mu ein neuer, ebenfalls
generalisierter Sanktionsmechanismus erfunden werden; und das ist,
unter Rckgriff auf sehr alte Ordnungsformen, die Unterscheidung von
Inklusion und Exklusion. Und dies gilt auf allen Ebenen: in den Drfern
und in den Universitten und in den Beziehungen zwischen
Privatwirtschaft und staatlicher Verwaltung; und vor allem natrlich fr
-
die professionellen und die zahllosen nichtprofessionellen Politiker.(19)
Exklusion kann aber nicht wirklich getestet werden, da sie in den
"unmarked space" fhren wrde, in dem man keine auswertbaren
kognitiven Strukturen, keine wirksamen Kausalitten, keine nutzbaren
Freiheiten finden kann. Ausschlu in der Form sozialer Isolierung
existiert gewissermaen nur als Gercht und nicht in der Form einer von
Fall zu Fall sinnvoll whlbaren Alternative. Die Reproduktion des
Netzwerkes erzeugt, um es mit einem lteren sozialpsychologischen
Begriff zu formulieren, "pluralistic ignorance" in bezug auf das, was
mglich wre. Das wiederum besttigt die in der Kommunikation
reproduzierte Ordnung mit all dem, was man dort und nur dort an
Wirkungsmglichkeiten und an Freiheit finden kann.
Empiriker knnten daran denken, einen "Peinlichkeitstest" zu
entwickeln. Was wird in der Kommunikation als peinlich empfunden?
Offenbar nicht die Bitte um Hilfe, um Intervention in rechtlich und
organisatorisch geregelte Verlufe (zum Beispiel: Examen,
Zeugenvernehmungen vor Gericht, Reihenfolge in der Bearbeitung von
Antrgen, Verteilung von Krankenbetten und rztlicher
Aufmerksamkeit). Und es ist nicht etwa deswegen nicht peinlich, weil
dafr Bezahlung angeboten wird,(20) sondern deswegen, weil mit der
Bitte um einen Gefallen die Anerkennung von Kompetenz, von Einflu,
von Macht und von gutem Willen verbunden ist. Das Netzwerk zahlt und
motiviert durch "Honorierung", das heit: durch Selbstreproduktion der
eigenen Asymmetrien, also wiederum: durch Reproduktion von
Kausalitten und Freiheiten. Selbstverstndlich sind auch riesige
Geldsummen involviert und werden gleichsam mithineingezogen in den
Austausch von Entgegenkommen und Geflligkeiten. Denn wie knnte
man Freundschaft und zugleich Macht besser beweisen als durch
Erffnung eines Zugangs zum Geld? Aber Korruption in diesem legalen
-
Sinne, die es ja berall gibt, ist kein isoliert zu betrachtendes
Phnomen. Vielmehr ist anzunehmen, da das Netzwerk die Grenze
zwischen Korruption und Nichtkorruption durch eine eigene
Supercodierung verwischt, und vor allem wohl durch die Supercodierung
von Inklusion und Exklusion.
Jeder, der am Netzwerk in diesem Sinne teilnimmt, mu wissen, wie es
funktioniert. Er braucht nicht zu wissen, warum es so funktioniert, wie
es funktioniert. Das Netzwerk bentigt zur Lokalisierung von Kausalitt
und Freiheit keine Orientierung an ffentlichen Problemen. Solche
Probleme sind zwar Thema der Kommunikation - aber vorwiegend
deshalb, weil sich die Organisationen, die Anlsse geben zur
Kommunikation, mit ihnen beschftigen. Die Kommunikation selbst
verlagert dann aber den stets mitgemeinten Sinn auf die Ebene
individueller Interessen. Hier und nur hier festigt sich im Alltag ein
Problembewutsein, das die Kommunikation in Gang hlt. "Individuell"
ist dabei wiederum netzwerkbezogen zu verstehen, also nicht etwa
beschrnkt auf persnliche Bedrfnisse und Wnsche von
Einzelpersonen. Vielmehr berleben in diesem Zusammenhang die
Familie ebenso wie Patron/Klient-Verhltnisse. Man setzt sich nicht nur
fr eigenen Interessen, sondern in erheblichem Umfange auch, und um
so unbefangener, fr die Interessen anderer ein. Das System lebt von
Vermittlungen und honoriert sie durch Prestigeverteilungen. Die erst im
18. Jahrhundert aufkommende Unterscheidung von ffentlich und privat
hat hier noch keine Wurzeln geschlagen. Der "Private" ist noch der
"idiotes", der sich selbst ausschliet. Aber die bergangssituation zeigt
sich nicht zuletzt darin, da das System nicht mehr auf
Familienkonomien gegrndet ist und da Vermittlungsrollen
organisationsabhngig geworden sind und die normalen Regulative der
Organisationen stren, wenn nicht sabotieren. So wird es schwierig, von
-
den Zentren aus Organisationen durch Organisation zu kontrollieren,
denn die Netzwerke stehen den "offiziellen" Zentren nicht zu Verfgung;
sie sind nicht hierarchisch, sondern heterarchisch konzipiert. So kommt
es zu einer eigentmlichen Symbiose von Organisationen und
Netzwerken, die alle planmige Durchgriffskausalitt zum Scheitern
bringt, aber statt dessen in einem anderen Sinne Formen der Kausalitt
und lokalisierbare Optionen im System verteilt.
VII.
Wenn wichtige Probleme in der sozial verbreiteten Einschtzung von
Kausalitt und von Wahlfreiheit liegen, sollte verstndlich sein, weshalb
eine staatliche Politik solchen Verhltnissen gegenber versagt oder
allenfalls in ihren Angeboten abgesucht wird auf das, was sich unter
Freunden verwenden lt. Die Prmissen, da ber Recht oder ber
Geld oder schlielich ber die Bedingungen der Mitgliedschaft in
formalen Organisationen ein Direktzugriff auf individuelles Verhalten
mglich und allenfalls mit einer Restquote von unvernnftigem,
unkonomischem oder schlichtweg kriminellem Verhalten belastet sei,
treffen nicht zu. Und ebensowenig lassen sich die Probleme im Schema
Liberalismus/Sozialismus politisieren. Denn die Frage ist ja gerade, ob
man Zwang so schematisieren kann, da eine Disposition ber
zwingende Macht - sei es da man sie als Staatsmacht "demokratisch"
kontrolliert, sei es, da man sie als Wirtschaftsmacht beseitigt - eine
regionale Entwicklung sozusagen "emanizipiert". Gesellschaft ist ein
geschichtliches System, eine "historische Maschine", die sich in der
operativen Reproduktion von Situation zu Situation immer an sich selbst
orientiert - und das heit: an dem, was sie aus sich selbst gemacht hat.
Oder um es Nietzscheanisch zu formulieren: ihr irreversibles "Werden"
-
wird vom "Willen zur Macht" zur "Wiederkehr des Gleichen" gezwungen.
Grosso modo jedenfalls. Es gibt natrlich strukturellen Wandel, auch
solchen tiefgreifender Art. Da das Patronagesystem binnen relativ
kurzer Zeit vom Fundament in Familieneigentum auf Positionen in
Organisationen umgestellt werden konnte, belegt Tiefgang und Tempo
eines strukturellen Wandels mehr als genug. Eine ganz andere Frage ist
jedoch, ob ein Strukturwandel politisch herbeigefhrt werden kann oder
ob er der Evolution berlassen bleiben mu, in der dann "Planung" eine
mehr oder weniger fatale Rolle spielt. Wir knnen und brauchen diese
Frage hier nicht zu entscheiden. Wenn man aber annehmen mu, da
ein Gesellschaftssystem, auch in seinen regionalen Ausprgungen, ein
historisches System ist, also in jeder Situation Erinnerung an Bewhrtes
aktiviert und sich selbst anders gar nicht einschtzen kann, liegen
skeptische Konsequenzen auf der Hand. Auch Kybernetiker und
Mathematiker zeigen, da ein System, das seinen eigenen Output als
Input wiedereinfhrt, fr die eigenen Operationen unkalkulierbar wird
und erst recht von auen nicht wie eine zuverlssige Maschine
berechnet werden kann;(21) und dies, obwohl, ja weil es operativ
geschlossen und strukturdeterminiert operiert.
Forschungen, die Entwicklungen in eher peripheren Gebieten der
modernen Gesellschaft betreffen, knnen daher kaum, ohne ihren
eigenen Grundlagen zu widersprechen, dem politischen
Gestaltungswillen Instrumente zur Verfgung stellen. Zweifel dieser Art,
die heute weit verbreitet sind, mssen jedoch nicht zur Resignation
fhren. Sie erffnen, im Gegenteil, Forschungsperpektiven anderer Art,
die auf eine strkere Differenzierung von Politik und Wissenschaft
eingestellt sind. Die diskutierten Konzeptvernderungen in Fragen der
Kausalitt und der Freiheit betreffen "autologische" Theorien. Das heit:
sie knnen, ja mssen auch auf die Forschung selbst angewandt
-
werden. Und nichts anderes ist gesagt, wenn man davon ausgeht, da
die moderne Gesellschaft auf einer funktionalen Differenzierung ihrer
primren Subsysteme beruht. Welche Freiheiten gesehen und welche
Kausalitten konstruiert werden, variiert daher von System zu System.
Wenn man dem Rechnung trgt, macht das alle Planungen kompliziert,
vielleicht entmutigend kompliziert. Man kann dann weder mit einem
ontologischen Realittsbegriff arbeiten noch mit einer einfachen
zweiwertigen Wahrheitslogik, die, wenn fehlerfrei angewandt, zu
Ergebnissen fhrt, deren Wahrheitswerte von jedermann anerkannt
werden mssen. ber derart vereinfachende Prmissen ist die moderne
Gesellschaft jedoch seit langem hinausgewachsen, und dies nicht nur,
weil es noch gewisse "Rckstndigkeiten" in der Entwicklung gibt,
sondern gerade auch in der Modernitt ihrer Strukturen und
Semantiken. Es wrde wenig helfen, wollte man das nicht zu Kenntnis
nehmen und weiterhin von Rationalittszentrismus einer lngst
berholten europischen Tradition ausgehen.
(1) Die Beibehaltung des alten Begriffs des "Mechanischen" ist eher verwirrend und hatzu zahllosen Miverstndnissen gefhrt - nicht zuletzt zu der ganz unsinnigenEntgegensetzung von Kausalitt und Freiheit bei Kant. Die Funktion des Begriffes wares gewesen, innerhalb des Aristotelischen Schemas eine der Ursachen im Unterschiedzu den anderen zu bezeichnen. Wenn der Begriff diese Funktion verliert, wird ihmfreigestellt, andere Gegenbegriffe zu suchen, etwa in der Form mechanisch/organischoder Kausalitt/Freiheit. Aber warum soll man ihn berhaupt beibehalten, wenn mansich damit solche Verlegenheiten einhandelt? Im brigen hat der Begriff desMechanischen bei der Umformung des Kausalkonzepts im 17. Jahrhundert einwichtiges Merkmal verloren, das heute wieder wichtig werden knnte, nmlich dasMerkmal der listigen, trickreichen Einfdelung eigener Ziele und Mittel (mechan,machinatio) in einen kosmologisch vorgegebenen Ablauf. Mechanik war in diesemSinne religis suspekt gewesen, whrend sie heute nur noch geisteswissenschaftlichsuspekt ist.
(2) So jedenfalls erscheint es Forschern aus den Zentren der "westlichen" Zivilisation.Siehe nur Ingersoll/Adams 1986, S. 360-381. Fr viele Weltgegenden, unter anderemfr den Sden Italiens, wird man diese Annahme einschrnken mssen. Sie wirkt hierallenfalls als Rhetorik und als Kontrastfolie fr eine anders wahrgenommene Realitt.
-
(3) Du contrat social; ou, Principes du droit politique II.XI., zit. nach Rouseau 1964, S.391.
(4) Vgl. Heider 1944; Michotte 1954. Die anschlieende Forschung ist nur noch frSpezialisten zu berblicken, und das scheint verhindert zu haben, da manweitreichenden Konsequenzen fr eine Theorie des Beobachtens und fr denerkenntnistheoretischen Konstruktivismus nachgegangen ist.
(5) Auf die komplizierten mathematischen und logischen Voraussetzungen einersolchen Theorie des Beobachtens zweiter Ordnung kann hier nur mit Literaturangabenhingewiesen werden. Siehe vor allem von Foerster 1981; ferner etwa Esposito 1992.
(6) Diese Unterscheidung stammt ursprnglich aus der Wahrnehmungstheorie vonFritz Heider (1926). Fr Zwecke der Wahrnehmungspsychologie reicht es, statt vonFormen von Dingen zu sprechen. Wir bevorzugen den allgemeineren Begriff der Form,der deutlich macht, da es um Unterscheidungen geht. Siehe dazu Luhmann 1990, S.53 ff., 181 ff.; Luhmann/De Giorgi 1992, S. 61 ff..
(7) Auch Crozier/Friedberg (1977) betonen, da Kultur immer auch zurWiederherstellung von Freiheit, von Ungewiheit und damit von Macht benutzt wird,und sehen darin eine Bedingung der Fortsetzung des "Spiels".
(8) Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches I, 56.
(9) Ich beziehe mich auf Diskussionen vor Ort in den 50er Jahren, als in Deutschlandhnliche Planungen (Sennestadt, Espelkamp) unternommen wurden.
(10) Zum Thema Freiheitsgewinn durch kognitive Ausrstung fr abweichendesVerhalten siehe auch die Fallstudie aus einer britischen Schule von Willis (1979).
(11) Was hat es in diesem Zusammenhang zu bedeuten, da Jugendliche, die beirassistischen Straftaten erwischt werden, als Motiv "Auslnderfeindlichkeit" nennen,also eine in der Tendenz deutlich ich-bezogene geradezu "stolze" Antwort geben?
(12) Unter welchen Einschrnkungen immer, was die Subjektivitt der Prferenzen, dieErwartungsunsicherheit, die Informationskosten usw. betrifft.
(13) In einen "unmarked space" im Sinne des Formenkalkls von George SpencerBrown (1969).
(14) "Helden" werden sowohl in lteren Gesellschaften, aber auch unter modernenBedingungen in der Politik und in der Welt der Groorganisationen am Tabubrucherkennbar. De Gaulle beendet als General den nicht zu gewinnenden Algerienkrieg.Ebenso Genies in Kunst und Wissenschaft, die das vorher Unakzeptable wagen.
(15) In der Planungstheorie ist dies eine wichtige Bedingung von "near-decomposability", also eine Bedingung fr die unschdliche Isolierbarkeit vonEinzelprojekten.
(16) Es wre lohnend, der Hypothese nachzugehen, da England, eben weil hier derProze der Modernisierung sehr frh eingesetzt hatte, einen besonderen Sinn frTradition (zum Beispiel in der Interpretation des common law), einen Sinn fr dieeigenen Institutionen (fr "constitution" im ursprnglichen Sinne des englischenSprachgebrauchs), fr das Establishment einer tonangebenden Schicht usw. bewahren
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konnte - bis das vergleichsweise Zurckbleiben Grobritaniens in der weltweitenEntwicklung Margret Thatcher die Chance gab, all dies politisch in Frage zu stellen.
(17) Zu dieser Tendenz unter allgemeineren, berregionalen Gesichtspunkten (die manfr Deutschland vielleicht modifizieren, zumindest zeitlich strecken mte) Lutz 1994.Vgl. auch ders. 1984; 1986.
(18) Da die Rhetorik der Kultur sich aus genuinen Interessen und einem reichenRepertoire an Fhigkeiten speist, soll natrlich nicht bersehen und nicht unterschtztwerden. Hier mte der Empiriker nach dem Enttuschungsquotienten fragen.
(19) Fr die Gerichte wird man eine Ausnahme konzedieren mssen; denn das Systemder Gunsterweise wrde ja seine Schwierigkeit und damit seine Existenzberechtigungverlieren, wenn auch die Gerichte durch Direktkontakt einbezogen werden knnten.Deshalb sind Staatsanwlte und Richter auch die Ansatzpunkte fr eine Relegalisierungdes Systems.
(20) Im Gegenteil: es kommt nicht selten vor, da rzte, Anwlte, Architekten usw.,unentgeltlich handeln, wenn von Bekannten fr Bekannte interveniert worden ist,obwohl Unentgeltlichkeit gar nicht verlangt war, sondern wiederum nur symbolisch alsIndikator fr Grozgigkeit, Ansprechbarkeit, Freundschaftsdienste usw. in dasNetzwerk eingespeist wird.
(21) Dazu Heinz von Foerster in zahlreichen Publikationen. Siehe von Foerster 1993a,und zuletzt: von Foerster 1993b.
Kausalitt im SdenNiklas LuhmannI.II.III.IV.V.VI.VII.