Jüngste Gerichtsentscheidungen zum Anlegerschutz Dr. Friedrich Jergitsch Dr. Stephan Pachinger...
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Transcript of Jüngste Gerichtsentscheidungen zum Anlegerschutz Dr. Friedrich Jergitsch Dr. Stephan Pachinger...
Jüngste Gerichtsentscheidungen zum Anlegerschutz
Dr. Friedrich JergitschDr. Stephan Pachinger
Wien, 16. Juni 2011
Freshfields Bruckhaus Deringer LLP
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Agenda
Ausgangslage
— Kapitalmarktrechtliche Grundlagen
— Haftungsregime und Haftungsgrundlagen
Jüngste höchstgerichtliche Entscheidungen
— OGH 4 Ob 65/10b, 8 OB 25/10z und OLG Wien, 4 R 276/10b
— Beachtlicher Geschäftsirrtum und Vertriebspartner
— OGH 7 Ob 77/10i
— Aktionäre als Prospekthaftungsgläubiger
— Kausalitätsbeweis aufgrund einer „Anlagestimmung“?
— OGH 4 Ob 20/11m
— Kriterien „anlegergerechter Beratung“
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Freshfields Bruckhaus Deringer LLP
Ausgangslage
Freshfields Bruckhaus Deringer LLP
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Kapitalmarktrechtliche Grundlagen
Kapitalmarktrechtliche Regelungen differenzieren nach Marktteilnehmern:
— Anbieter von Wertpapieren
— Intermediäre
— Kapitalnachfrager / Investoren
Maßgebliches inhaltliches Kriterium: Transparenz
— Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes
• Effiziente Allokation von Kapital
• Preisbildungsfunktion
— Zeitgerechte Verfügbarkeit und Richtigkeit kommunizierter Information
• „time is money“
• Inhaltliche Anforderungen an Information
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Kapitalmarktrechtliche Grundlagen
Anbieter von Wertpapieren
— Prospekterfordernis bei öffentlichem Angebot von Wertpapieren (Veranlagungen) und der Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt
• Inhaltliche Anforderungen: „Prospekt-Verordnung“
– „Dividendenwerte“ vs „Nichtdividendenwerte“
• Eigenes Regelungsregime für Investmentfondsanteile
— Laufende und anlassfallbezogene Informationspflichten
• Finanzberichterstattung
• Verpflichtung zur Veröffentlichung von Insider-Information im Rahmen von Ad-hoc Meldungen
• Directors‘ Dealings Meldungen
• Beteiligungspublizität
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Kapitalmarktrechtliche Grundlagen
Intermediäre (Fortsetzung)
— Informations- und Aufklärungspflichten gegenüber Investoren je nach deren „Klassifizierung“ iZm der Erbringung von „Wertpapierdienstleistungen“
— Organisationsvorschriften zur Wahrung der Interessen der Investoren
— Besondere Vorschriften für die Erstellung von Finanzanalysen
Kapitalnachfrage / Investoren
— Unterschiedlicher Grad an Eigenverantwortung je nach „Klassifizierung“
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Haftungsregime
Gerichtliche Strafen
— Limitierte Tatbestände (Prospekterfordernis; Insiderhandel)
— Vorsatz erforderlich
— Einleitung durch Staatsanwaltschaft
Verwaltungsstrafen
— Hauptfall; die meisten Vorschriften sind Verwaltungsrecht!
— Kein Antragsrecht von Anlegern / Investoren
— Zuständigkeit der FMA
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Haftungsgrundlagen
Mögliche Anspruchsgrundlagen eines geschädigten Anlegers
Prospekthaftung
Irrtumsanfechtung des Wertpapierkaufs
Schadenersatzanspruch gegenüber dem Berater
Inhaltskontrolle der Wertpapierbedingungen als AGB
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Jüngste höchstgerichtliche Entscheidungen
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Beachtlicher Geschäftsirrtum und Vertriebspartner
Leading Cases zur Frage eines beachtlichen Geschäftsirrtums
OGH 4 Ob 65/10b und 8 Ob 25/10z [„M-Bank“]
Irrtumsanfechtung auf Basis des Inhalts und der Darstellungen in der Werbebroschüre?
Rechtsfolge: Vertragsaufhebung
Vertragsanfechtung wegen beachtlichen Geschäftsirrtums
— Beachtlicher Geschäftsirrtum: verkehrswesentliche, insbesondere wertbildende Eigenschaften
— Unbeachtlicher Motivirrtum: Wert einer Sache, insbesondere auch über die künftige Wert- und Kursentwicklung von Wertpapieren
— OGH bejahte das Vorliegen eines beachtlichen Geschäftsirrtums, weil die Kläger
— einem Irrtum über das Risiko der gezeichneten Anlage (nicht aber über die konkrete Kursentwicklung) unterlagen
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Beachtlicher Geschäftsirrtum und Vertriebspartner
Beachtlicher Geschäftsirrtum (Fortsetzung)
— OGH bejahte das Vorliegen eines beachtlichen Geschäftsirrtums, weil die Kläger
— glaubten eine (sichere) „Immobilienaktie“ im Unterschied zu einer „gewöhnlichen Aktie“ zu erwerben
— Aktien, und nicht bloße Forderungsrechte in Form von Zertifikaten zu erwerben
„Veranlassung“ des beachtlichen Geschäftsirrtums durch den Anfechtungsgegner
— „adäquate Verursachung“ oder „ursächliches Verhalten“ ausreichend
— Ablehnung gegenteiliger Stimmen in der Literatur
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Beachtlicher Geschäftsirrtum und Vertriebspartner
Durch Vertriebspartner des Wertpapierverkäufers verursachter Irrtum
OLG Wien 4 R 276/10b [AWD – Constantia Privatbank (nicht rechtskräftig)]
Verhalten des Vertriebspartners wurde der Bank zugerechnet
Erfüllungsgehilfeneigenschaft nicht erforderlich
Vielmehr ist „jeder, der im Auftrag des Gegner handelt und maßgeblich am Zustandekommen des Geschäfts mitgewirkt hat, im Rahmen der Irrtumsanfechtung als Gehilfe des Gegners anzusehen“ (OGH 6 Ob 109/09m)
Vertragsbeziehung zu beiden Vertragsteilen schließt die Zurechnung des Verhaltens an einen Vertragsteil nicht aus (OGH 4 Ob 586/95)
OLG betrachtet den Vertriebspartner als „verlängerten Arm“ der Bank
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Beachtlicher Geschäftsirrtum und Vertriebspartner
Vertriebspartner im Irrtumsrecht (Fortsetzung)
Vertriebspartner war als „Vertriebsstelle“ ausgewiesen
Werbebroschüre erweckt den Eindruck einer „Produktnähe der Bank“
Bank musste damit rechnen, dass Käufer Informationen des Vertriebspartners als Informationen der Bank wahrnehmen
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Aktionäre als Prospekthaftungsgläubiger
OGH 7 Ob 77/10i: Prospekthaftungsansprüche eines Aktionärs gegenüber der AG
Wesentliche Aussagen:
Vorrang von Prospekthaftungsansprüchen gegenüber dem Verbot der Einlagenrückgewähr
Geschädigten trifft die Beweispflicht für den Kausalzusammenhang
Kein Tatbestand der Einlagenrückgewähr, weil die Befriedigung von Prospekthaftungsansprüchen nicht „causa societatis“ erfolgt, sondern als „Gläubiger“
Kein Problem der Aktionärsgleichbehandlung iSd § 47a AktG
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Aktionäre als Prospekthaftungsgläubiger
Ausdrückliche Ablehnung einer Differenzierung zwischen Groß- und Kleinanlegern
(Bisher) unterschiedliche Standpunkte in der Literatur
— Vorrang der Kapitalerhaltungsregeln gegenüber Prospekthaftungsansprüchen
— Gegenmeinung: Vorrang der Prospekthaftungsansprüche, da keine Leistung „causa societatis“, sondern als schadenersatzberechtigter Gläubiger
— vermittelndende Positionen:
• Befriedigung nur aus „frei ausschüttbaren Mitteln“
• Differenzierung zwischen Klein- und Großanlegern
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Kausalitätsbeweis aufgrund einer „Anlagestimmung“
Nachweis des Kausalzusammenhangs durch den Geschädigten — Mangelhafte Prospektinformation als Grundlage der
Anlageentscheidung / Disposition des Anlegers
• „Hätte der geschädigte Anleger ohne die mangelhaften unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Angaben im Prospekt genauso disponiert“, so fehlt die erforderliche Kausalität
• „realer Schaden“ oder „Transaktionsschaden“
• „rechnerischer Schaden“ oder „Preisschaden“
• Marktverluste, Risikohinweise Rechtsfigur der „positiven Anlagestimmung“
— BGH-Rechtssprechung iZm Beweisschwierigkeiten des Geschädigten — Nachweis, dass es einen Prospekt am Markt tatsächlich gegeben hat und
dass dieser eine positive Stimmung erzeugt hat, genügt — Nunmehr ausdrückliche gesetzliche Bestimmung in §§ 44, 45 Abs 2
dBörseG: Kausalzusammenhang wird vermutet, wenn der Erwerb innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Börseeinführung stattfindet
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Kausalitätsbeweis aufgrund einer „Anlagestimmung“
Rechtsfigur des Anscheinsbeweis
— Verschiebung von Beweisthema und Beweislast für „typische Geschehensabläufe“
— Anscheinsbeweis „nur“ sachgerecht, wenn es sich um Umstände handelt, die vom Beweispflichtigen billigerweise nicht erwartet werden können und die allein in der Sphäre des Beweisgegners liegen
OGH: 30.3.2011, 7 Ob 77/10i
Geschädigten trifft die Beweispflichtfür den Kausalzusammenhang
Ausdrückliche Ablehnung der Rechtsfigur des Anscheinsbeweises
Beweispflicht des Geschädigten für den hypothetischen Kausalverlauf, also wie sich der Geschädigte bei korrekter Information alternativ verhalten und sich sein Vermögen entwickelt hätte
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Kriterien „anlegergerechter Beratung“
4 Ob 20/11m - Anlegergerechte Beratung iZm dem Vertrieb von Lehman Zertifikaten— Hintergrund: Aufklärungspflicht über Bonität des Emittenten?
Allgemeine Grundsätze „anlegergerechter Beratung“ am Beispiel „Bonitätsrisiko“— Umfang der Beratungspflicht ist eine Einzellfallbeurteilung in
Abhängigkeit vom Kunden (insbesondere dessen Professionalität) und des Anlageobjekts
— Informationsbedürftigkeit des Kunden vs Art des beabsichtigten Geschäfts / Wertpapiers
— „Je spekulativer die Anlage und je unerfahrener der Kunde, desto weitreichender sind die Aufklärungspflichten“
— Allgemeine Gebot: „vollständige, richtige, rechtzeitige und verständliche Beratung“
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Kriterien „anlegergerechter Beratung“
Anlegergerechte Beratung (Fortsetzung)
— BGH: Die Bank hat einen Beratungsfehler zu vertreten, wenn sie den Kunden nicht über veröffentlichte warnende Hinweise auf die hohe Verschuldung der Gruppe eines Emittenten informiert
— Die Darstellung einer Anleihe als „risikoarm“ entgegen einer Bewertung einer führenden Ratingagentur als „spekulativer Titel“ verstößt gegen die Verpflichtung über die Bonität eines Emittenten aufzuklären (Argentinien-Anleihen)
— Aufklärungspflichten dienen dazu, die „Auswirkungen einer geschäftlichen Entscheidung abschätzen zu können“
— Keine Aufklärungspflicht über „bloß theoretische, vernachlässigbare“ Risiken
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Kriterien „anlegergerechter Beratung“
Anlegergerechte Beratung (Fortsetzung)
— Auffallende Sorglosigkeit des Anlageberaters, wenn dieser bei Zweifel über die Wertentwicklung, sonst verfügbare Informationen, wie Quartalsberichte, Jahresabschlüsse, nicht in Betracht zieht (OGH 11.3.2010, 4 OB 28/10m)
— Im konkreten Fall:
— Keine allgemeine Verpflichtung, über das Bonitätsrisiko der Emittentin aufzuklären
— Analoge Anwendung der Grundsätze zur Aufklärungspflicht eines Arztes über Risiken:
— Aufklärungspflicht besteht dann, soweit „diese Risiken erheblich und geeignet sind, die Entscheidung des Patienten zu beeinflussen“
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Kriterien „anlegergerechter Beratung“
Anlegergerechte Beratung (Fortsetzung)
— Im konkreten Fall:
— OGH: Beklagte konnte im „Hinblick auf die Einschätzung der Finanzkraft der Emittentin (Lehman) durch die Fachkreise [zum Erwerbszeitpunkt im November 2006] davon ausgehen, dass das Bonitätsrisiko bloß theoretischer, vernachlässigbarer Natur ist.“
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© Freshfields Bruckhaus Deringer LLP 2011
Diese Informationen sind nicht als umfassende Darstellung gedacht und können eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen.