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ie Hände in den Hosenta- schen der staubigen Shorts, die langen Haare in einem Zopf zurückge- bunden, so lässt sich Hailey Gru- ber auf den Klappstuhl neben dem Feldrand fallen. Sie wirkt ein we- nig erschöpft, aber auch so, als wäre sie in Gedanken eigentlich noch bei ihrem Pflug. Am Montag begann das offiziel- le Training. Dieser Tag war Gru- bers 16. Geburtstag. Von Montag bis zum heutigen Freitag haben die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der diesjährigen Weltpflügermeis- terschaft in Kirchentellinsfurt Zeit, um sich auf den anstehenden Wett- kampf am kommenden Wochenen- de, 1./ 2. September, vorzubereiten. Jedem wurde ein Stück Feld zum Üben zugeteilt. 51 Männer und zwei Frauen aus 29 Nationen werden auf dem Hofgut Einsiedel gegeneinan- der antreten. Die zweite Frau im Wettkampf ist die 24-jährige Schwedin Emilia Bengtsdottir. Die Småländerin wurde schon dreimal hintereinander schwedische Meis- terin im Leistungspflügen. Wie Gruber tritt sie ebenfalls in der Dis- ziplin Beetpflug an. Im Unterschied zum Drehpflug wenden die Pflug- scharen eines Beetpflugs den Bo- den nur in eine Richtung. Bei der Weltmeisterschaft sind nur zwei- bis dreischarige Pflüge erlaubt, auch wenn in der konventionellen Landwirtschaft deutlich größere verwendet werden. D Wie kommen junge Menschen zu so einem doch recht ungewöhn- lichen Hobby? „Ich bin immer mit meinem Vater pflügen gegangen“, erinnert sich Hailey Gruber. „Als ich sieben war, habe ich ihn gefragt: ‚Papa, wann kann ich anfangen zu pflügen?‘ Meinen ersten Wett- kampf hatte ich dann bereits mit acht.“ Ihr Vater Gene Gruber wur- de letztes Jahr bei der WM in Kenia Weltmeister, und auch ihr Großva- ter war bereits erfolgreicher Pflü- ger und holte einige nationale Titel – keine schlechten Voraussetzun- gen für einen Sport, der oft als Fa- milientradition weitergeführt wird. Wer Ackerland besitzt – wie die Grubers – ist dabei im Vorteil. Immer das einzige Mädchen Für die WM ist ihre Familie (Vater, Mutter, Schwester) aus dem nord- amerikanischen Bundesstaat Min- nesota nach Deutschland gereist. „Seit ein paar Jahren habe ich nun einen eigenen Traktor. Den Traktor und den Pflug mussten wir bis nach Hamburg per Container verschif- fen und von dort mit einem LKW hierher transportieren lassen.“ Die Kosten: etwa 12 000 US-Dollar. Jede und jeder geht am Wochenende mit den eigenen Maschinen ins Rennen. Denn die Pflüge wurden von ihren Besitzern individuell ge- baut und eingestellt. „Die Maschi- nen sehen alle unterschiedlich aus, aber am Ende müssen alle zu dem gleichen Ergebnis kommen“, er- klärt ihr Coach und Vater Gene Gruber. Während der drei Stunden Wettkampf muss Hailey siebenmal vom Traktor springen und ihren Pflug umstellen. Dabei ist sie ganz auf sich allein gestellt. Kein Prob- lem, denn sie kennt ihren zwei- scharigen Kverneland-Pflug in und auswendig. Hilfe darf sie sich nur für größere Reparaturarbeiten ho- len, diese müssen dann innerhalb von zwei Stunden erledigt werden. „Bei einer Meisterschaft in Ka- nada ist mein Hydraulikschlauch geplatzt und plötzlich war überall Öl, das war sehr unangenehm“, er- innert sich die junge Frau. Gerade rechtzeitig konnte sie den Schlauch noch reparieren. Am schwierigsten sei für sie immer der Zusammen- schlag, oder wie sie auf Englisch sagt, „putting the crown together“. Das ist der Teil, wenn die Spaltfur- che in der Mitte schon gezogen wurde und jetzt wieder von beiden Seiten gleichmäßig und gerade mit Erde bedeckt werden soll. Letztes Jahr um diese Zeit ge- wann Gruber gerade die nationalen Meisterschaften in den USA, der Höhepunkt ihrer bisherigen Pflü- ger-Karriere. Ihr gefällt aber nicht nur das Pflügen, „sondern vor al- lem, dass man so viele neue Leute aus aller Welt trifft.“ Nachdenklich blickt sie auf das noch ungepflügte Feld vor sich und dreht an ihrem Armband. „Ja, der soziale Aspekt am Pflügen ist mir wirklich sehr wichtig.“ Nach dem Training essen die Pflüger in der Regel gemeinsam zu Abend und sitzen danach noch lange zusammen. Nicht immer geht es nur ums Pflügen – Gesprächs- themen gibt es genug. Trotzdem: In der amerikani- schen „Junior League“ sei sie im- mer das einzige Mädchen gewesen. „Ploughmanist das englische Wort für Pflüger oder Pflügerin- nen. „Das ist mir egal“, sagt Gruber. „Das Wort bedeutet doch nicht, dass nur Männer pflügen können“. Matschiger Boden ist schlimmer Auch wenn sie sich in der Männer- domäne wohl fühlt, wünscht sie sich trotzdem mehr Frauen, aber auch mehr junge Leute im Leis- tungspflügen. „Es gibt deutlich mehr ältere Menschen, die pflügen. Ich glaube, viele in meiner Genera- tion interessiert Pflügen nicht, weil es so ein ungewöhnlicher Sport ab- seits des Mainstreams ist, für den man eine Menge Geduld benötigt.“ Viele Leute in den USA seien zu- nächst sehr verwirrt, wenn sie sich in einer Runde mit den Worten „Mein Hobby ist Pflügen“ vorstelle. Nächsten Dienstag fliegt Familie Gruber wieder zurück in die USA, dann beginnt die Schule in Minne- sota nach einer dreimonatigen Sommerpause. „Ich komme dann in die 10. Klasse.“ Am Wochenende aber kämpft sie um den WM-Titel. Gruber ist sehr bescheiden: „Ich hoffe, nichts geht fürchterlich falsch und ich blamiere mich nicht.“ Wer gewinnt, das sei abhängig von der Tagesform der Teilnehmer und dem Zustand des Bodens. Der sei im Moment viel zu trocken und hart, meint Gruber. „Aber es geht noch schlimmer: Wenn es ganz matschig und regne- risch ist, kann man sogar in Gefahr geraten, stecken zu bleiben.“ „Nicht nur Männer können das“ Pflüger-WM Die US-Amerikanerin Hailey Gruber ist mit ihren 16 Jahren die jüngste Teilnehmerin. Auch sie bringt den eigenen Traktor und den eigenen Pflug mit. Von Clara Thier te Erdbalken über die gan- ze Länge der Furche wer- den bewertet. Das Un- kraut muss abgeschnitten und sauber aus der Furche geräumt sein. Auch für den Gesamteindruck und die Endfurche gibt es Punkte. Insgesamt werden sechs WM-Titel für Beet- und Drehpflug, Stoppel und Grasland und die Ge- samtsieger vergeben. Der Ausrichter, das Kuratorium Siehe Kreis und Nachbarschaft In zwei Disziplinen tre- ten die Pflüger an, im Beet- und Drehpflügen auf Stoppel (Samstag, Beginn: 9.30 Uhr) und Grasland (Sonntag, Beginn: 10 Uhr). Von 10.20 bis 11.20 Uhr dauert jeweils die Bewer- tungspause, in der die ers- te Furche (Spaltfurche) von der Jury begutachtet wird. Eine gleichmäßige Tiefe sowie Breite und gleichmäßig herausgeleg- Weltpflügen, bietet ein umfangreiches Rahmen- programm für Kinder und Erwachsene an. Eintritt: 10 Euro, Kinder bis 16 Jahre frei. Parken kostet 5 Euro, der P+R-Parkplatz am Rö- merdenkmal ist gesperrt. Vom Hauptbahnhof fah- ren Samstag und Sonntag ab 8 Uhr kostenlos Busse ohne Zwischenstopp zum Einsiedel. Weitere Infos: www.weltpfluegen2018.de. Nachdenkliche Gesichter beim gestrigen Training der Waliser: Immer wieder musste Elfed Jones (links) seinen Zollstock herausholen und die Abstän- de nachmessen. In den Tagen zuvor hatten die Teams in der Werkstatt einiges zu tun und legten auch die Hand ans Schweißgerät an. Bilder: Hantke Sechs WM-Titel werden bei der Pflüger-WM vergeben Mit acht Jahren war ich auf meinem ersten Pflüger-Wettkampf. Hailey Gruber, US-amerikanische Meisterin im Beetpflug 2017 Gut drauf ist Hailey Gruber aus den USA bei ihrer ersten WM. m n n n r - - - r . - - r i - - g - , n - - . z - e n r m - o e , r e - - n . n - - - g k

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SCHWÄBISCHES TAGBLATT Freitag, 31. August 2018

Die Tübinger lieben Bienen, und das istvielleicht auch der Grund dafür, dass dieBienen hier so freundlich sind.Danyang Chen, Studentin aus China – siehe fünfte Lokalseite

ie Hände in den Hosenta-schen der staubigenShorts, die langen Haarein einem Zopf zurückge-

bunden, so lässt sich Hailey Gru-ber auf den Klappstuhl neben demFeldrand fallen. Sie wirkt ein we-nig erschöpft, aber auch so, alswäre sie in Gedanken eigentlichnoch bei ihremPflug.

Am Montag begann das offiziel-le Training. Dieser Tag war Gru-bers 16.Geburtstag.VonMontagbiszum heutigen Freitag haben dieTeilnehmer und Teilnehmerinnender diesjährigen Weltpflügermeis-terschaft in Kirchentellinsfurt Zeit,um sich auf den anstehendenWett-kampf am kommendenWochenen-de, 1./ 2. September, vorzubereiten.

Jedemwurde ein Stück Feld zumÜbenzugeteilt. 51MännerundzweiFrauen aus 29Nationenwerden aufdem Hofgut Einsiedel gegeneinan-der antreten. Die zweite Frau imWettkampf ist die 24-jährigeSchwedin Emilia Bengtsdottir. DieSmåländerin wurde schon dreimalhintereinander schwedische Meis-terin im Leistungspflügen. WieGruber tritt sie ebenfalls in derDis-ziplinBeetpflug an. ImUnterschiedzum Drehpflug wenden die Pflug-scharen eines Beetpflugs den Bo-den nur in eine Richtung. Bei derWeltmeisterschaft sind nur zwei-bis dreischarige Pflüge erlaubt,auch wenn in der konventionellenLandwirtschaft deutlich größereverwendetwerden.

DWie kommen junge Menschen

zu so einem doch recht ungewöhn-lichen Hobby? „Ich bin immer mitmeinem Vater pflügen gegangen“,erinnert sich Hailey Gruber. „Alsich siebenwar, habe ich ihn gefragt:‚Papa, wann kann ich anfangen zupflügen?‘ Meinen ersten Wett-kampf hatte ich dann bereits mitacht.“ Ihr Vater Gene Gruber wur-de letztes Jahr bei derWM inKeniaWeltmeister, und auch ihr Großva-ter war bereits erfolgreicher Pflü-ger und holte einige nationale Titel– keine schlechten Voraussetzun-gen für einen Sport, der oft als Fa-milientradition weitergeführt wird.Wer Ackerland besitzt – wie dieGrubers – ist dabei imVorteil.

Immer das einzigeMädchenFür die WM ist ihre Familie (Vater,Mutter, Schwester) aus dem nord-amerikanischen Bundesstaat Min-nesota nach Deutschland gereist.„Seit ein paar Jahren habe ich nuneinen eigenen Traktor. Den Traktorund denPflugmusstenwir bis nachHamburg per Container verschif-fen und von dort mit einem LKWhierher transportieren lassen.“ DieKosten: etwa 12 000US-Dollar. Jedeund jeder geht am Wochenendemit den eigenen Maschinen insRennen. Denn die Pflüge wurdenvon ihren Besitzern individuell ge-baut und eingestellt. „Die Maschi-nen sehen alle unterschiedlich aus,aber am Ende müssen alle zu demgleichen Ergebnis kommen“, er-

klärt ihr Coach und Vater GeneGruber. Während der drei StundenWettkampf muss Hailey siebenmalvom Traktor springen und ihrenPflug umstellen. Dabei ist sie ganzauf sich allein gestellt. Kein Prob-lem, denn sie kennt ihren zwei-scharigen Kverneland-Pflug in undauswendig. Hilfe darf sie sich nurfür größere Reparaturarbeiten ho-len, diese müssen dann innerhalbvonzwei Stundenerledigtwerden.

„Bei einer Meisterschaft in Ka-nada ist mein Hydraulikschlauchgeplatzt und plötzlich war überallÖl, das war sehr unangenehm“, er-innert sich die junge Frau. Geraderechtzeitig konnte sie den Schlauchnoch reparieren. Am schwierigsten

sei für sie immer der Zusammen-schlag, oder wie sie auf Englischsagt, „putting the crown together“.Das ist der Teil, wenn die Spaltfur-che in der Mitte schon gezogenwurde und jetzt wieder von beidenSeiten gleichmäßig und gerade mitErdebedecktwerden soll.

Letztes Jahr um diese Zeit ge-wannGruber gerade die nationalenMeisterschaften in den USA, derHöhepunkt ihrer bisherigen Pflü-ger-Karriere. Ihr gefällt aber nichtnur das Pflügen, „sondern vor al-lem, dass man so viele neue Leuteaus aller Welt trifft.“ Nachdenklichblickt sie auf das noch ungepflügteFeld vor sich und dreht an ihremArmband. „Ja, der soziale Aspektam Pflügen ist mir wirklich sehrwichtig.“ Nach dem Training essen

die Pflüger in der Regel gemeinsamzu Abend und sitzen danach nochlange zusammen.Nicht immer gehtes nur ums Pflügen – Gesprächs-themengibt es genug.

Trotzdem: In der amerikani-schen „Junior League“ sei sie im-mer das einzigeMädchen gewesen.„Ploughman“ ist das englischeWort für Pflüger oder Pflügerin-nen. „Das ist mir egal“, sagt Gruber.„Das Wort bedeutet doch nicht,dassnurMännerpflügenkönnen“.

Matschiger Boden ist schlimmerAuch wenn sie sich in der Männer-domäne wohl fühlt, wünscht siesich trotzdem mehr Frauen, aberauch mehr junge Leute im Leis-tungspflügen. „Es gibt deutlichmehr ältereMenschen, die pflügen.Ich glaube, viele in meiner Genera-tion interessiert Pflügen nicht, weiles so ein ungewöhnlicher Sport ab-seits des Mainstreams ist, für denman eine Menge Geduld benötigt.“Viele Leute in den USA seien zu-nächst sehr verwirrt, wenn sie sichin einer Runde mit den Worten„MeinHobby ist Pflügen“ vorstelle.Nächsten Dienstag fliegt FamilieGruber wieder zurück in die USA,dann beginnt die Schule in Minne-sota nach einer dreimonatigenSommerpause. „Ich komme dannindie 10.Klasse.“

AmWochenende aber kämpft sieum den WM-Titel. Gruber ist sehrbescheiden: „Ich hoffe, nichts gehtfürchterlich falsch und ich blamieremich nicht.“ Wer gewinnt, das seiabhängig von der Tagesform derTeilnehmer und dem Zustand desBodens. Der sei im Moment viel zutrocken und hart, meint Gruber.„Aber es geht noch schlimmer:Wenn es ganz matschig und regne-risch ist, kann man sogar in Gefahrgeraten, steckenzubleiben.“

„Nicht nurMänner können das“Pflüger-WM Die US-Amerikanerin Hailey Gruber ist mit ihren 16 Jahren die jüngsteTeilnehmerin. Auch sie bringt den eigenen Traktor und den eigenen Pflug mit. Von Clara Thier

te Erdbalken überdie gan-ze Längeder Furchewer-denbewertet.DasUn-krautmuss abgeschnittenund sauber aus der Furchegeräumt sein.Auch fürdenGesamteindruckunddie Endfurche gibt esPunkte. InsgesamtwerdensechsWM-Titel für Beet-undDrehpflug, StoppelundGraslandunddieGe-samtsieger vergeben.DerAusrichter, dasKuratorium

Siehe Kreis und Nachbarschaft

InzweiDisziplinen tre-tendie Pflüger an, imBeet- undDrehpflügen aufStoppel (Samstag,Beginn:9.30Uhr) undGrasland(Sonntag,Beginn: 10Uhr).Von 10.20bis 11.20Uhrdauert jeweils die Bewer-tungspause, in derdie ers-te Furche (Spaltfurche)vonder Jury begutachtetwird. Eine gleichmäßigeTiefe sowie Breite undgleichmäßig herausgeleg-

Weltpflügen,bietet einumfangreichesRahmen-programmfürKinder undErwachsene an. Eintritt: 10Euro,Kinderbis 16 Jahrefrei. Parken kostet 5 Euro,derP+R-Parkplatz amRö-merdenkmal ist gesperrt.VomHauptbahnhof fah-renSamstag undSonntagab8Uhr kostenlos BusseohneZwischenstopp zumEinsiedel.Weitere Infos:www.weltpfluegen2018.de.

NachdenklicheGesichter beim gestrigen Training derWaliser: Immerwiedermusste Elfed Jones (links) seinen Zollstock herausholen und die Abstän-de nachmessen. In den Tagen zuvor hatten die Teams in derWerkstatt einiges zu tun und legten auch die Hand ans Schweißgerät an. Bilder: Hantke

SechsWM-Titel werden bei der Pflüger-WMvergeben

Mit acht Jahrenwar ich auf

meinem erstenPflüger-Wettkampf.Hailey Gruber, US-amerikanischeMeisterin im Beetpflug 2017

Gut drauf ist Hailey Gruber aus den USA bei ihrer erstenWM.

Tübingen. Knapp 24 Stunden hielter die Polizei in und um Tübingenauf Trab: AmDonnerstag schnapp-ten Beamte den 37-Jährigen gegen11.15 Uhr auf der B 27 bei Leinfel-den-Echterdingen. Ein Zeuge hatteden gestohlenen schwarzen VWGolf, mit dem der Mann seit Mitt-woch auf der Flucht war, am Don-nerstagmorgen in Tübingen gese-hen. Fahnder der Kripo Reutlingenentdeckten das Auto daraufhin aufder B 27 und nahmen in RichtungStuttgart dieVerfolgung auf.

Auf den Fildern verließ der 37-Jährige die Bundesstraße kurz, fuhrdann aberwieder in dieGegenrich-tung auf. Auf Höhe der AusfahrtStetten, einem Stadtteil von Lein-felden-Echterdingen, stoppte einStreifenwagen des PolizeireviersFlughafen den Golf. Der 37-Jährigewurde festgenommen. Er leistetekeinen Widerstand. Das Auto, andem inzwischen S-Kennzeichenangebracht waren, die am Mitt-woch inStuttgart gestohlenwordenwaren,wurde sichergestellt.

Wie berichtet, war der 37-jährigeDeutsche am Mittwochmittag inTübingen auf dem Weg vom Ge-richt zum Haft-Transporter geflo-hen.DerHaftrichter hatteUntersu-chungshaft angeordnet, weil derMann – Ende Juli erst aus der Haftentlassen – vergangene Woche inder Fürststraße einen Einbruchverübt und ein Auto gestohlen ha-ben soll. Seit seiner Haftentlassunghatte er keinen festenWohnsitz.

Aus demTransport in die Justiz-vollzugsanstalt wurde nichts. Der37-Jährige täuschte den Polizistengesundheitliche Probleme vor,sprang dieMauer zur Doblerstraßerunter und floh in Richtung Innen-stadt. Im Parkhaus König bedrohte

er einen 65-Jährigen mit einemMesser und zwang ihn, mit ihm indessen VW Golf loszufahren. Aneiner Bank ließ er den 65-JährigenBargeld abheben.Wie viel, darübermacht die Polizei aus ermittlungs-taktischen Gründen keine Anga-ben. ImFranzösischenViertel durf-te der 65-Jährige aussteigen. Der37-Jährige fuhrmit demGolf davon.Eine große Fahndung mit Streifen-wagen, Hubschrauber und Zivil-fahndernbliebohneErfolg.

Woher der 37-Jährige dasMesserhatte, ist noch immer unklar. Beider Festnahme, sagt Polizeispre-cher Martin Raff, war es nicht ge-fundenworden. DieDurchsuchungdes Golfs sei aber noch nicht abge-schlossen. Und auch auf die Frage,wie sich der 37-Jährige aus denHandschellen befreien konnte, ha-ben die Beamten noch keine Ant-wort. Der Mann schweigt sich aus.„Dabei wäre das für uns eine ganzbrennende Info“, sagt Raff. Die Po-lizisten, das sei sicher, hätten sieihm nicht abgenommen. Immerhinverriet der Mann, wo er sie auf derFlucht versteckt hatte: auf einemPrivatgrundstück an der Wilhelm-straße. Noch am Nachmittag, soRaff, seien die Handschließen, wiesie im Polizeijargon richtig heißen,zu den Technik-Spezialisten zurUntersuchunggebrachtworden.

Bei der neuerlichen Festnahmegingen die Beamten dann aufNum-mer sicher: Noch am Donnerstag-nachmittag wurde der 37-Jährige ineine Justizvollzugsanstalt gebracht.Gegen den 37-Jährigen wird nebenschweren Diebstahls nun auch we-gen räuberischen Angriffs auf ei-nen Kraftfahrer, räuberischer Er-pressung und Freiheitsberaubungermittelt. Marike Schneck

Nach spektakulärerFlucht geschnapptFahndungDer 37-Jährige, der amMittwochauf demWeg insGefängnis floh, ist gefasst.Die Polizei nahm ihn gestern auf der B 27 fest.

s hat lang gedauert. VieleJahre stieg ich an derTü-Bus-Haltesstelle aus, im-mermit einem leicht na-

gendenGefühl, dass ich etwasfalschmache. Eswar kaum spür-bar. Ein leichtesKratzen von innenan der Schädeldecke.Nicht lästig,aber beharrlichmahnend.

Bis letzteWoche. Ich stiegwie-der aus.Nach getanerArbeit, et-was abgeschlagen und in jenemschwebendenHalbdämmer, der ei-nen an die tief verborgenenSchichten der Erinnerung heran-reichen lässt. Es fielmir ein:Hierdarf ich gar nicht aussteigen!Mei-ne ganze kindliche Erziehung hättelängst schon revoltierenmüssen.Aischbachstraße geht,Horemerauch undwahrscheinlich alleHal-testellen im ganzenKreis sind er-laubteAusstiegsmöglichkeiten,aber der BREITEWEG!Das gehtdoch gar nicht.

InmeinerErziehungwardasBe-tretendiesesWegesder Schritt zurewigenVerdammnis. FürnichtBi-belkundige:Matthäus 7,Vers 13 und14. Zentraler Satz: „Dennweit istdasTorundbreit derWeg, der insVerderben führt, undes sindviele,die auf ihmgehen.“

Für die nicht so Lesekundigenreicht auch, sich das Bild vombrei-ten und vom schmalenWeg anzu-

Eschauen, das angeblich seit demspäteren 19. Jahrhundert in jederguten evangelischen Stube hing.Der breiteWeg ist gesäumt vonsolchweltlichenVersuchungenwie demTheater, der Spielhölleund demGasthof zumWeltsinn.

Ich fand dieDarstellung immerverlockend.Währendmir dieOp-tionen auf demWeg zuLeben undSeligkeit auf dem schmalenWegnicht so zusagten. Sonntagschule?Eigentlich eher nicht. Zumalmirnie klarwurde,warum imBildmit-telgrund nur so ein dünnesZäunledie Lebensoptionen trennt.

Esmüsste doch ein Leichtessein, dort noch rüberzumachen.Erst dieVergnügungen ambreitenWegmitnehmenund dannnochrechtzeitig bei fortschreitendemLebenspfad die Seitenwechseln.Auf jeden Fall, bevor es zumKriegsgeschehen kommt, das denBildhintergrund ausmacht.

Jedenfalls steig ichmit neuemBewusstsein aus amBreitenWegund schreite leichten Fußes nachHause, geradeweil ichwiederweiß, dass es falsch ist.Wenn ichanders aufgewachsenwäre, hätteich bei BreiterWeg vielleicht anBroadway gedacht undwürdemich jetzt quälen, dass ich es nichtgeschafft habe, inNewYorkKarri-ere zumachen.

Vom täglichfalschen Aussteigen

ÜbrigensMario Beißwenger über eine theologisch bedenkliche Haltestelle

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Schwäbisches Tagblatt, 31.8.2018