INTERRATERRELIABILITÄT VON PASSIVEN … · 5 Zusammenfassung Titel: Interraterreliabilität von...
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Deutscher Verband für Manuelle Therapie
(Maitland® - Konzept). DVMT e.V.
INTERRATERRELIABILITÄT VON PASSIVEN
PHYSIOLOGISCHEN INTERVERTEBRALEN BEWEGUNGEN
IN DER SAGITTALEN EBENE DER LENDENWIRBELSÄULE
MARION SCHREINER
Diplomarbeit eingereicht
als partielle Erfüllung des
OMT Ausbildungsprogramms
2007
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Deutscher Verband für Manuelle Therapie
(Maitland® - Konzept). DVMT e.V.
INTERRATERRELIABILITÄT VON PASSIVEN
PHYSIOLOGISCHEN INTERVERTEBRALEN BEWEGUNGEN
IN DER SAGITTALEN EBENE DER LENDENWIRBELSÄULE
MARION SCHREINER
Diplomarbeit eingereicht
als partielle Erfüllung des
OMT Ausbildungsprogramms
2007
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ICH DANKE….
Ich bedanke mich bei den beiden Maitland Instruktoren Jan Herman van Minnen und
Pieter Westerhuis, für die Bereitschaft als Untersucher bei dieser Studie
teilzunehmen. Für die jahrelange Unterstützung als Berater und Lehrer in der
Weiterentwicklung meiner physiotherapeutischen Fähigkeiten. Herzlichen Dank.
Ein herzliches Dankeschön für die moralische Unterstützung und den zeitlichen
Einsatz bei meinem langjährigen und geschätzten Kollegen Raphael Zumsteg.
Für die moralische Unterstützung, das Helfen bei der Literatursuche und die
Ratschläge zum Schreiben dieser Arbeit möchte ich mich bei Fiona Morrison herzlich
bedanken.
Die statistische Ausarbeitung habe ich nur mit Hilfe von Thomas Schöttker-Königer
zu Stande gebracht. Vielen Dank für deinen unermüdlichen Einsatz und der Geduld
mit mir!
Zudem möchte ich meinen ehemaligen Arbeitgebern Georg Klauser und Sophie
Estapè danken, für die Bereitschaft diese Ausbildung durchführen zu dürfen, die zur
Verfügungstellung der Praxisräumlichkeiten für die Datenerhebung und das
anschliessende Mittagessen.
Nicht zuletzt möchte ich mich bei meiner Familie und meinen Freunden bedanken,
ohne ihre Liebe, Zuversicht, Toleranz und die Möglichkeit mir Freiräume zu schaffen,
wäre mir vieles sehr viel schwerer gefallen- IHR SEID DIE BESTEN!
Ich wünsche uns allen noch viele Jahre Spass am Leben! DANKE
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Zusammenfassung
Titel: Interraterreliabilität von passiven physiologischen Intervertebralen
Bewegungen in der sagittalen Ebene der Lendenwirbelsäule.
Autorin: Marion Schreiner
Institution: DVMT- OMT Abschlussarbeit
Hintergrund: Diese Studie versucht die Interraterreliabilität der PPIVM’s in einen der
Klinik entsprechenden Ablauf zu integrieren. Die langjährige manuelle Erfahrung der
Untersucher, das Zufügen von Inspektion und den aktiven Bewegungen sollte im
Gegensatz zu bestehenden Studien eine Verbesserung der momentanen
Interraterreliabilität der PPIVM’s ans Tageslicht bringen.
Ziel: Das Ziel der Studie lag im ausfindig machen der Interraterreliabilität der
Passiven Physiologischen Flexion-/ Extensionsbewegungen (PPIVM’s) der
Lendenwirbelsäule, mit vorangehender Inspektion und Beurteilung der aktiven
Bewegung.
Methode: In dieser Reliabilitätsstudie wurden 21 Low Back Pain (LBP) Patienten
mittels Passiven Physiologischen Intervertebralen Flexion/ Extensionsbewegungen
von zwei Manualtherapeuten (Instruktoren im Maitlandkonzept) untersucht. Blind
voneinander mussten die beiden Therapeuten die Beweglichkeit der 21 Patienten
von Th12/ L1 - L5/ S1 in hyper-/ hypo-/ normal beweglich einteilen. Die Beweglichkeit
wurde unterteilt in die Flexions- und die Extensionsbewegung. Der Dornfortsatz des
zwölften Thorakalwirbels (TH12) wurde von zwei unabhängigen Physiotherapeuten
markiert.
Ergebnisse: Sie erreichten eine prozentuale Gesamtübereinstimmung bei Extension
von 52,3% und bei Flexion von 65%. Die Signifikanz des Unterschieds der
Bewertungen ist sehr hoch (Kappa- Werte zwischen -0.982 und 0.071). Die
Übereinstimmung von Therapeut A und Therapeut B war etwas besser als eine
zufällige Übereinstimmung.
Schlussfolgerung: Die PPIVM’s sind nicht als alleinige Untersuchungstechnik bei
der Einteilung der segmentalen Beweglichkeit geeignet. Hierfür sind die Ergebnisse
dieser Studie zu signifikant. Der Autor schlägt vor die PPIVM’s weiterhin als
6
Assessmentmöglichkeit zu verwenden, jedoch die Einteilung der Beweglichkeit über
die gesamte Lendenwirbelsäule zu betrachten, da dies der klinischen Relevanz
deutlich näher kommt. In Folgestudien sollte ein standardisierter Fragebogen
bezüglich Entstehung der Symptome und Schmerzverhalten integriert werden.
Schlüsselwörter: lumbale Rückenschmerzen, Interraterreliabilität, PPIVM’s,
Manuelle Therapie
7
INHALTSVERZEICHNIS
Zusammenfassung ..................................................................................................... 5
1. EINLEITUNG....................................................................................................... 8
2. METHODE ........................................................................................................ 10
a. Studienpopulation .......................................................................................... 10
b. Untersucher ................................................................................................... 10
c. Studienprotokoll/ Prozedere........................................................................... 11
d. Intervention .................................................................................................... 12
e. Datenanalyse................................................................................................. 13
3. Resultate ........................................................................................................... 13
Extension (Gesamt)........................................................................................... 13
Flexion (Gesamt)............................................................................................... 13
Extension (pro Segment)................................................................................... 14
Flexion (pro Segment) ....................................................................................... 14
4. Diskussion ......................................................................................................... 14
5. Klinische Beurteilung der Datenerfassung......................................................... 17
6. Zusammenfassung............................................................................................ 18
7. Literaturliste....................................................................................................... 19
8. Anhang.............................................................................................................. 20
8
.
1. EINLEITUNG
Es wurden schon viele Reliabilitätsstudien unterschiedlichster Art in den
vergangenen Jahren durchgeführt. Der Bedarf die Reliabilität in der Physiotherapie
zu steigern ist sehr gross, da die bisherige Therapie auf sehr empirischen Beinen
steht.
Das Ziel der PPIVM’s ist das Bestimmen des Bewegungsausmasses der
intersegmentalen Beweglichkeit. Maitland [10] erachtet diese Untersuchungsvariante
als eine essentielle Methode für eine erste Diagnosestellung, einschliesslich der
Identifikation der segmentalen Höhe, welche behandelt werden soll und der Richtung
der zu applizierenden Technik. Durch Aufdecken von Abweichungen, können
Rückschlüsse gezogen werden, die für eine Behandlung von Bedeutung sind.
Bei einer bestehenden Steifigkeit (Hypomobilität) und einem möglichen
Zusammenhang der Symptome des Patienten, muss dieses Segment in der Therapie
mobilisiert werden. Es wird in der Literatur beschrieben, dass in Zusammenhang mit
Schmerz viele Patienten eine palpierbare abnormale Steifigkeit haben, welche
Therapeuten durch Mobilisationsbehandlungen ändern können (Grieve [6], Magarey
[8] und Maitland [11]).
Ist hingegen ein Segment hypermobil, muss erst einmal herausgefunden werden, ob
es auch instabil ist, um dann die weiteren Behandlungsschritte einzuleiten. Der
Begriff Instabilität ist in vielen verschiedenen Arbeiten mehrfach diskutiert und
beschrieben worden. Einen guten Überblick der momentanen Literatur zum Thema
Instabilität beschreibt Schöttker-Königer [13]. Es ist allgemein bekannt, dass die
lumbale Wirbelsäuleninstabilität eine wichtige Unterkategorie repräsentiert, bei
Patienten mit chronischen lumbalen Rückenschmerzen (Low Back Pain - LBP).
Evidence Based Medicine (EBM) beweisst, dass bei Patienten mit einer lumbalen
Instabilität stabilisierende Übungen eine sehr zu empfehlende Behandlungs-
möglichkeit darstellen [7, 12, 15]. Um diese Evidenz basierte Behandlungs-
möglichkeit anzuwenden, muss wie oben erwähnt jede Möglichkeit im Assessment
ausgeschöpft werden, um die Hypothese der Instabilität zu bestätigen. Eine Form
davon ist das Herausfinden einer strukturellen Hypermobiliät mit Hilfe von PPIVM’s.
9
Um die Beweglichkeit bewerten zu können, muss man zunächst die physiologischen
Bewegungsausmasse kennen. Hierzu gibt es zwei anerkannte Untersuchungen, die
sich mit diesem Thema befasst haben. Die Beweglichkeit der einzelnen Segmente
wurde von Dvorak et al [2] mittels einer Röntgenfunktionsaufnahme untersucht. Das
durchschnittliche Bewegungsausmass der Flexions-Extensions-Bewegung L1/S1
beträgt 77° (15° pro Segment). Eine ebenfalls anerk annte Einteilung bietet Grieve [5],
welche ein durchschnittliches Bewegungsausmass der segmentalen Bewegungen
zeigt (siehe Abb. 1). Diese Einteilung ist in klinischer Hinsicht sehr von Bedeutung,
da man hier die Übergänge von grosser Beweglichkeit zu relativ geringer
Beweglichkeit auf einen Blick erkennt. Mittels dieses Wissens muss der
Physiotherapeut in der Lage sein, ein Segment als Normal-/Hypo-/Hypermobil zu
beurteilen. Um dies zu beurteilen, stehen dem Therapeuten mehrere
Untersuchungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Das Ziel dieser Studie lag in der Ermittlung der Reliabilität der Passiven
Physiologischen Bewegungen (PPIVM’s) der Lendenwirbelsäule unterteilt in Flexion
und Extension, in einem möglichst praxisnahen Rahmen.
Abb. 1:Durchschnittliches Bewegungsausmass der segmentalen Bewegung in der sagittalen Ebene
10
2. METHODE
a. Studienpopulation
Es wurden 21 Patienten (13 Frauen und 9 Männer) mit chronischen lumbalen
Rückenbeschwerden (Low Back Pain /LBP) randomisiert ausgewählt, die in eine
private Praxis in Baselland/ Aesch zugewiesen wurden. Die durchschnittliche Dauer
der Symptome lag bei 16 Monaten (4 Monate bis 4½ Jahre). Die Studienteilnehmer
waren zwischen 33 und 65 Jahre alt (Mean 47,6 Jahre), hatten eine durchschnittliche
Körpergrösse von 170cm und ein durchschnittliches Gewicht von 72,5kg (Tab. 1).
Die Patienten wurden ausgeschlossen wenn ihre Symptome einen Zusammenhang
haben konnten mit Operationen an der Wirbelsäule, neurologischen Erkrankungen,
momentane Schwangerschaft, Entzündungen oder bei Medikamenteneinnahme in
den letzten 6 Tagen die in Zusammenhang mit muskuloskeletalen Problemen
standen. Sie hatten teilweise Sensibilitätsstörungen in der unteren Extremität, jedoch
keine massive Verschlechterung der Ausstrahlungen in den zwei vorangegangenen
Wochen der Datenerhebung.
Patienten
Alter
Mean +/- SD 47,6 +/- 9,8
Range 33-65
Geschlecht
männlich 8
weiblich 13 Messgrössen
Mean Körpergrösse 170 Mean Körpergewicht 72,05 Mean BMI 25,01
Gesamtanzahl 21
Tab. 1
b. Untersucher
Die beiden Untersucher sind Instruktoren der IMTA (International Maitland Teacher
Association). Physiotherapeut A ist seit 29 Jahren diplomiert und besuchte die
Schule in Leeuwarden/ NL. Physiotherapeut B ist seit 26 Jahren diplomiert und
machte seine Ausbildung in der Schule von Groningen/ NL. In ihrer Ausbildungszeit
11
hatten sie grösstenteils dieselben Lehrer. Seit 21 Jahren arbeiten die beiden
Physiotherapeuten im selben Team.
Zwei weitere Physiotherapeuten markierten den Processus spinosus des zwölften
Thorakalwirbels, sie haben die Maitland-Kurse bis einschliesslich den Level 2B
erfolgreich absolviert.
Es wurde keine Trainingssession vor der Studie getätigt, damit der klinische Bezug
nicht weiter verfälscht wurde.
c. Studienprotokoll/ Prozedere
21 Patienten wurden in 4 Gruppen à vier Patienten, und eine Gruppe à fünf Patienten
eingeteilt. Die Studienteilnehmer wurden vor Studienbeginn über das Ziel der Studie
und den Ablauf der Studie mündlich informiert. Vor der eigentlichen Untersuchung
wurde durch Palpation des Verlaufs der letzten Rippe und zusätzlicher
Kontrollpalpation der Processi spinosi der Lendenwirbelsäule TH 12 mit einem
wasserfesten Filzstift, mit einem Kreuz, markiert. Somit wurde weitgehend
sichergestellt, dass die zu untersuchenden Therapeuten auf denselben segmentalen
Höhen ihre Beurteilung abgaben.
Die Untersuchungen fanden in zwei voneinander getrennten Räumen statt. Pro
Patient hatten die Untersucher 10 Minuten Zeit für die Untersuchung einschliesslich
der Notation. Die Untersucher bekamen nach der 2. und der 4.Gruppe eine Pause
von zehn Minuten. Sie begannen mit einer kurzen Inspektion und liessen die
Patienten aktive Bewegungen (Flexion/ Extension) ausführen, um allfällige
Auffälligkeiten zu notieren (diese Daten wurden statistisch nicht ausgewertet). Die
Hauptuntersuchung bestand in der Ausführung der PPIVM’s Flexion/ Extension
TH12/ L1 bis L5/ S1 in Seitenlage, ihre Befunde notierten sie auf dem vorbereiteten
Testprotokoll (siehe Anhang), welches sie direkt nach der Untersuchung dem
Studienleiter abgaben.
Die Beweglichkeit wurde anhand einer 3-Punkte-Skala eingeteilt (0= normal; 1=
hypermobil; 2= hypomobil). Es wurden keine weiteren Tests durchgeführt.
Der Ablauf in welcher Reihenfolge die Patienten untersucht werden sollte, wurde so
bestimmt, dass jeder Patient nach der ersten Untersuchung 10 Minuten sitzen
konnte, bevor sie vom 2.Untersucher getestet wurden, um den Effekt der ersten
Untersuchung durch mehrmaliges Bewegen zu reduzieren (siehe Tab.2). Bei Patient
12
mit der Nummer 13 konnte dies aus organisatorischen Gründen nicht eingehalten
werden.
TH A TH B 1. Gruppe Pat 1 Pat 2 Pat 3 Pat 4 Pat 2 Pat 1 Pat 4 Pat 3 2. Gruppe Pat 5 Pat 6 Pat 7 Pat 8 Pat 6 Pat 5 Pat 8 Pat 7 10' Pause 3. Gruppe Pat 9 Pat 10 Pat 11 Pat 12 Pat 13 Pat 9 Pat 10 Pat 13 Pat 12 Pat 11
Tab. 2: Patientenreihenfolge
d. Intervention
Die Untersuchung bestand in der Bewertung der Passiven Physiologischen
Intervertebralen Bewegungen (PPIVM’s), aufgeteilt in Flexion und Extension. Die
PPIVM’s wurden wie folgt ausgeführt:
Der Patient lag in Seitenlage (rechts), die Wirbelsäule wurde in Neutralstellung
Lateralflexion (je nach Taille ein Handtuch) und Neutralstellung Rotation eingestellt.
Die Knie des Patienten lagen in der linken Leiste des Therapeuten. Mit dem rechten
Unterarm schiente der Therapeut die Unterschenkel des Patienten. Der Therapeut
palpierte, mit seinem linken Zeigefinger/ Mittelfinger von unten interspinal die
Bewegung (Abb.2). Mit Flexions-/ Extensionsbewegungen bewerteten die
Therapeuten von TH12 ausgehend die jeweiligen Segmente.
Abb.2: Praktische Ausführung der LWS- PPIVM’s
13
e. Datenanalyse
Die gewonnenen Daten wurden zunächst pro Segment ausgewertet und zum
zweiten alle Segmente miteinander, aufgeteilt in Flexion und Extension. Die
Korrelation der Untersuchung wurde mittels der Spearman Rangkorrelation von
WINSTAT berechnet. Zum Überprüfen der Daten wurde zusätzlich die Kreuztabelle
eingesetzt und der Kappa- Wert berechnet (Tab.3).
3. Resultate
Die Resultate wurden aufgeteilt in Extension und Flexion, um einen besseren
Überblick zu erhalten. Zunächst werden die Resultate aller Segmente (Gesamt)
aufgezeigt und im Anschluss darauf die Resultate pro Segment.
Extension (Gesamt)
Bei der Berechnung der Spearman Rangkorrelation wurde ein Korrelationskoeffizient
von -0.03 ermittelt. Es gab von insgesamt 126 Bewertungen eine Übereinstimmung
in 66 Fällen (52,3%). 57mal stimmten die Untersucher beim Wert 0 (normal
beweglich) überein (45,2%), 5mal beim Wert 1 (hypermobil) (3,9%) und 4mal beim
Wert 2 (hypomobil) (3,1%). Zusätzlich wurde die prozentuale erwartete
Übereinstimmung berechnet; die erwartete Gesamtübereinstimmung lag bei 48,4%.
Die erwartete Gesamtübereinstimmung setzt sich zusammen aus 44,4% für den Wert
0, 0,8% für den Wert 1 und 3,4% für den Wert 2.
Der Kappa wurde mit 0.071 berechnet. Der p-Wert des Unterschieds zwischen den
beiden Untersuchern liegt bei 0.00029.
Flexion (Gesamt)
Bei der Flexion wurde ein Korrelationskoeffizient von 0.05 ausgerechnet. Von den
insgesamt 126 Bewertungen hatten die Untersucher eine Übereinstimmung in 82
Fällen (65,0%). 77mal stimmten die Untersucher beim Wert 0 (normal beweglich)
überein (61,1%), 0mal beim Wert 1 (hypermobil) (0%) und 5mal beim Wert 2
(hypomobil) (3,9%). Die Gesamtübereinstimmung welche erwartet wurde liegt bei
63,6%. Die erwartete Gesamtübereinstimmung setzt sich zusammen aus 60,2% für
den Wert 0, 0,13% für den Wert 1 und 3,25% für den Wert 2.
Für die Flexion wurde der Kappa von -0.98 ermittelt und ein p-Wert von 0.945.
14
Extension (pro Segment)
Der Korrelationskoeffizient war auf Höhe von TH12/ L1 am Höchsten (0.35). Am
zweit Höchsten war die Korrelation zwischen L5/ S1 (0.19). Auf Höhe L1/ L2 und L2/
L3 konnte keine statistische Korrelation festgestellt werden (0).
Von jeweils 21 Bewertungen hatten die Untersucher die höchste prozentuale
Übereinstimmung auf Höhe TH12/ L1 (76,2%). Die geringste Übereinstimmung
hatten sie auf Höhe L3/ L4.
Die Kappa-/ P-Werte sind aus Tabelle 3 ersichtlich.
Flexion (pro Segment)
Bei der Flexion wurde der höchste Korrelationskoeffizient auf Höhe L4/ L5 erreicht
(0.2). Der nächst höchste Korrelationskoeffizient wurde auf Höhe L2/ L3 und L3/ L4
berechnet (0.17). Auf Höhe TH12/ L1 und L1/ L2 konnte keine Korrelation gefunden
werden (0).
Bei der Flexion wurde die höchste prozentuale Übereinstimmung auf der Höhe von
TH12/ L1 erreicht (76,2%). Die geringste prozentuale Übereinstimmung hatten die
Untersucher auf Höhe L5/ S1 (52,4%) und darauf folgend auf Höhe L3/ L4 (57,1%).
Die Kappa-/ P-Werte sind ebenfalls in Tabelle 3 aufgeführt.
SPEARMANS SPEARMANS KAPPA KAPPA P- WERT P-WERT Prozent. Über- Prozent. Über- RHO (EXT) RHO (FLEX) EXT FLEX EXT FLEX einst. EXT einst. FLEX
TH12/ L1 0.35 0 -0.106 -- 0.33 -- 76.2% 76.2% L1/ L2 0 0 -- -- -- -- 61.9% 71.4% L2/ L3 0 0.17 0 -0.073 -- 0.64 47.6% 71.4% L3/ L4 -0.03 0.17 0.289 -0.041 0.42 0.86 38.1% 57.1% L4/ L5 0.18 0.2 -0.235 -0.142 0.33 0.65 42.8% 61.9% L5/ S1 0.19 0.13 0.015 -0.020 0.41 0.44 52.4% 52.4%
GESAMT -0.03 0.05 0.071 -0.9829 0.00029 0.945 52.3% 65.1%
Tab. 3
4. Diskussion
In der Auswertung der Statistik fällt auf, dass trotz hoher prozentualer
Übereinstimmungen, teilweise die Korrelationen sehr gering sind und manchmal
sogar nicht einmal der Kappa- Wert berechnet werden konnte. Dies liegt an der
erwarteten Übereinstimmung, die je nach Segment unterschiedlich hoch berechnet
15
wurde, je nachdem wie oft ein Untersucher sich für den selben Wert entschied,
veränderte dies den Wert der erwarteten Übereinstimmung. Die Statistik bietet die
Möglichkeit, Werte interpretieren zu können und deshalb sollte man sich nicht von
den hohen Übereinstimmungen blenden lassen.
Dies wird am deutlichsten, wenn man die Untersuchungsergebnisse vom Segment
TH12/ L1 betrachtet. Trotz der höchsten prozentualen Übereinstimmung bei der
Extension wie auch bei der Flexion, sieht man anhand der jeweiligen Kappa- Werte,
dass es nicht reicht eine durch die Statistik unterstützte Reliabilität zu erreichen.
In dieser Studie ist der Kappa in beide Bewegungsrichtungen unter 0.20, was eine
schlechte Übereinstimmung der beiden Untersucher zur Folge hat. Die Unterschiede
von Untersucher A und Untersucher B sind statistisch hochsignifikant. Der Grund des
hochsignifikanten Unterschieds liegt bei der Wahl der Einteilung der Beweglichkeit.
Bei einer 3-Punkte-Skala ist es sehr schwierig statistische Übereinstimmungen zu
erreichen. Bereits bei einer 5-Punkte-Skala würde die statistische Auswertung
deutlich bessere Werte erreichen. Da die erwartete Übereinstimmung deutlich
geringer wäre. Zum anderen liegt es auch an den Messungen der beiden
Untersucher.
Der Kappa und der gewichtete Kappa Koeffizient haben ein Maximum von 1.00 bei
einer perfekten Übereinstimmung, ein Wert von 0 indiziert keine Übereinstimmung
besser als Zufall. Ein negativer Wert indiziert eine schlechtere Übereinstimmung als
eine zufällige Übereinstimmung. Der Kappa- Wert wurde wie folgt interpretiert:
< 0.20 = schlechte Übereinstimmung, 0.21-0.40 = mässige Übereinstimmung, 0.41-
0.60 = moderate Übereinstimmung, 0.61-0.80 = gute Übereinstimmung, 0.81-1.00 =
sehr gute Übereinstimmung [1].
Die Ergebnisse der Studie decken sich mit verschiedenen Studien, welche sich
ebenfalls mit der Reliabilität der Passiven Intervertebralen Bewegungen
beschäftigten.
Gonnella et al [4] benutzte eine 7-Punkte-Skala zur Einteilung der Beweglichkeit. Die
Probanden wurden ebenfalls in Seitenlage mit PPIVM’s und P/A Bewegungen in BL
getestet. Er nahm einen Test - Retest vor und untersuchte die Interraterreliabilität.
Die Übereinstimmung der Intraraterreliabilität war gut, aber die Übereinstimmung
16
zwischen den Untersuchern war ebenfalls schlecht, zudem wurden keine Angaben
über den Korrelationskoeffizienten gegeben.
Maher and Adams [9] bewerteten die Interrater Reliabilität von posterioren-
anterioren (P/A) Zusatzbewegungen bei 90 LBP Patienten. Sie unterteilten die
Zusatzbewegungen in eine 11-Punkte Skala für Mobilität (-5 hypermobil, 0 normal
und 5 hypomobil) und verwendeten die Visual Analog Scale (VAS) zur Notation des
Schmerzes (11-Punkte-Skala). Sie berichteten ebenfalls über eine schlechte
Interrater Reliabilität bei der Einteilung des Steifheitsgrades und vermerkten, dass die
Reliabilität der P/A Zusatzbewegungen mit Schmerzreproduktion besser gewesen
wäre.
In der Studie von Fritz und Childs [3] wurden an 49 Patienten verschiedene klinische
Untersuchungsmöglichkeiten auf die Vorhersagbarkeit von einer radiologisch
vorhanden Instabilität getestet. Die prozentuale Übereinstimmung der PPIVM’s mit
dem röntgenologischen Befund liegt bei 77% bei einem Kappa Wert von 0.38 für
Hypomobilität und 0.48 für Hypermobilität. Auch wenn das Zusammenfügen von
verschiedenen Tests in dieser Studie eine etwas positivere Richtung zeigt, stehen die
PPIVM’s alleinig, nicht als verlässlicher Test für die Vorhersagbarkeit einer
röntgenologischen Instabilität.
Die positive Auswirkung vom Zusammenfügen von mehreren Tests zeigt auch die
Studie von Strender et al [14]. Zwei Physiotherapeuten und zwei Ärzte untersuchten
innerhalb 30 Minuten folgende Assessments: Aktive Bewegungen, Inspektion,
Springing Test, Patrick/ Faber Test, Kompressions-Test ISG, IR der Hüfte in 90°Hüft-
und Knieflexion, Muskellängentest für den Rectus femoris und die Ischiocruale
Muskulatur, Neurologische Teste (Foramen Kompressions Test, Stretch Test für den
Femoralnerv, SLR), und schliesslich die PPIVM’s L4/ L5 und L5/ S1. In dieser Studie
erreichten die zwei Physiotherapeuten eine durchschnittliche prozentuale
Übereinstimmung von 80% in der Bewertung der beiden Segmente, mit einem
gewichteten Kappa von 0.75.
Es bestehen in dieser Studie exzellente Rahmenbedingungen für einen Vergleich wie
es im Alltag aussieht. Die Physiotherapeuten sind auf einem manualtherapeutisch
hohen Niveau, sie arbeiten seit Jahren zusammen und unterrichten im selben
manuellen Konzept. Trotz allem, erreichen sie in der Ausführung eines einzelnen
Tests keine zufrieden stellende Interraterreliabilität.
17
Die Physiotherapeuten erhielten nicht die Gelegenheit eine gemeinsame
Trainingssession bezüglich Festlegung eines Standards durchzuführen, was als
methodischer Fehler der Studie betrachtet werden kann. Dies wurde jedoch bewusst
entschieden, um die Bewertungen in einem möglichst praxisbezogenen Umfeld zu
reproduzieren.
Es wäre zu wünschen gewesen, eine grössere Menge an Probanden für diese Studie
zu gewinnen, damit die gewonnen Ergebnisse noch mehr Gewicht erhalten hätten.
5. Klinische Beurteilung der Datenerfassung
Wenn wir einmal zurückschauen und uns überlegen, welche Erkenntnisse ein
Physiotherapeut aus der Befundaufnahme bezüglich der Beweglichkeit benötigt. Ist
für jeden Therapeuten die Antwort wichtig auf folgende Fragen:
a) Ist ein Patient in irgendeinem Segment der Lendenwirbelsäule
Hypermobil?
b) Hat der Patient in einem oder mehreren Segmenten eine
Hypomobilität?
c) Stimmen die gewonnen Erkenntnisse mit der restlichen
Befundaufnahme überein?
Bei der erfolgreichen Beantwortung dieser drei Fragen ist jeder Physiotherapeut in
der Lage einen evidenzbasierten Behandlungsplan aufzubauen.
Bei einem Blick auf die gewonnenen Daten jedes einzelnen Patienten fiel der Autorin
folgende Übereinstimmung auf. Bei den Flexions- PPIVM’s kamen die beiden
Untersucher in 17 Fällen (81%) zu einer Übereinstimmung, welche dieselben
Therapieziele zur Folge hätten und nur in vier Fällen (19%) waren sie sich uneinig.
Bei den Extensions- PPIVM’s waren sie sich lediglich in 13 Fällen (62%) einig und in
8 Fällen (38%) nicht.
Interessant hierbei ist, dass sich ein Unterschied zeigt zwischen der Bewertung der
Flexion und der Extension.
18
Für diese Art und Weise der Interpretation der Ergebnisse, ist ein anderer
Studienaufbau, mit einer anderen Fragestellung erforderlich. Folgende Studien
sollten diese Sichtweise auf unsere Klinik nicht vergessen, vielleicht würden dann
Interrater Reliabilitätstudien eine für die Physiotherapie positivere Nachricht bringen.
6. Zusammenfassung
Das Einteilen der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule mit Hilfe von PPIVM’s ist
nicht reliabel. Das wissenschaftliche Level, welches die These unterstützt, dass es
keine Reliabilität für Passive Intervertebrale Bewegungen gibt, sollte uns
Physiotherapeuten und den Wissenschaftlern zu denken geben. Einen Unterschied
zwischen einstelligen Graden zu palpieren ist aus Sicht der Autorin äusserst
schwierig und sollte in der Praxis nicht länger die Gewichtung tragen, die sie bis
anhin trägt. Vielmehr sollten Physiotherapeuten die gesamte Lendenwirbelsäule
betrachten unter Rücksichtnahme der benachbarten Gelenke und diese anhand von
verschiedenen Untersuchungsmöglichkeiten in klinisch relevante Gruppen einteilen.
19
7. Literaturliste
1. Domholdt, E., Pysical Therapy Research: Principles and Applications. 2nd edition ed. 2000: W.B. Saunders Company 366-367.
2. Dvorak et al., Functional Radiographic diagnosis of the lumbar spine. Flexion-extension and lateral bending. Spine, 1991. 16: p. 562-571.
3. Fritz and Childs, Accuracy of the clinical examination to predict radiographic instability of the lumbar spine. European Spine Journal, 2005. 14: p. 743-750.
4. Gonnela C., S. Paris and M. Kutner, Reliability in evaluating passive intervertebral motion. Physical Therapy, 1982. 62: p. 436-44.
5. Grieve, G., Common Vertebral Joint Problems. 1981, Edingburgh London Melbourne and New York: Churchhill Livingstone. 41.
6. Grieve, G., Mobilization of the Spine. 1984, Singapore: Churchill Livingstome. 128-34.
7. Hides, J., G. Jull and C. Richardson, Long-term effects of specific stabilizing exercises for first-episode low back pain. Spine 2001. 26: p. E243-E248.
8. Magarey, M. Selection of passive treatment techniques. in Proceedings of the Fourth Biennial Conference of the Manipulative Therapists Association of Australia. 1985. Brisbane, Australia.
9. Maher C. and R. Adams, Reliability of pain and stiffness assessments in clinical manual lumbar spine examination. Physical Therapy, 1994. 74: p. 801-11.
10. Maitland, G., Vertebral manipulation. 5th Edition ed. 1986, Oxford: Butterworth Heinemann. 74-6.
11. Maitland, G., Vertebral Manipulation. 1986: Butterworths. pp 93-9, 155-60, 355-64.
12. Ogon M, B.Bender, and D. Hooper, A dynamic approach to spinal instability. Part II. Hesitation and giving-way during interspinal motion. Spine, 1997. 19: p. 2859-2866.
13. Schöttker-Königer, T., Stabilisation, in Angewandte Physiologie: Therapie, Training, Tests. 2001, Georg Thieme Verlag: Stuttgart - New York. p. pp 47-50.
14. Strender LA, et al., Interexaminer reliability in physical examination of patients with low back pain. Spine, 1997. 22: p. 814-820.
15. Zdeblick, T., A prospective, randomized study of lumbar fusion: preliminary results. Spine, 1993. 18: p. 983-991.
20
8. Anhang
NOTATIONSBLATT Therapeut A Patient NR. Kg cm Inspektion
– Shift R/L – Lx + Lordose - Lordose Knick Höhe …….
Aktive Bewegungen
– Flexion Qualität Quantität
Schmerz – Extension Qualität Quantität
Schmerz Passive Bewegungen 1 = hyper / 2= hypo / 0 = normal PPIVM’s Flexion TH12 -L1 L1-L2 L2-L3 L3-L4 L4-L5 L5-S1 PPIVM`s Extension TH12 -L1 L1-L2 L2-L3 L3-L4 L4-L5 L5-S1