Hurricane Lotsenprojekt 24/5
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Transcript of Hurricane Lotsenprojekt 24/5
FKP Scorpio
PROJEKT 24/5 - 2012 Das Lotsencamp
Michael Kellenbenz | Sascha Gerdes | Arina Alles | Silvia Maraun | Christin
Hornischer | Camilla Lindner | Maren Schink | Zara Zerbe | Marek Janssen 26.Juni 2012
Donnerstag [21. Juni 2012]
Entspannte Stimmung und Sonne pur beim diesjährigen Hurricane-Check-In am
Donnerstagmittag in Scheeßel. Eure Hurricane Reporter sind ebenfalls auf dem
Gelände unterwegs und stellen fest:
Unter dem bunten Getümmel von jung
bis alt, von erfahrenen Festivalgängern
bis hin zu den Festivalfrischlingen ist
alles dabei. Manch einer reist statt
Koffer mit Bollerwagen an, manch einer
nimmt sogar eine aus München
stammende blaue Mülltonne mit. Denn
da passt anscheinend alles rein. Doch
Moment - was sind denn das für nette
Menschen, die da überall mit so blau-weißen Westen herumlaufen!? „Lotsen“? Wir
sind den Lotsen mal gefolgt und haben geschaut, was die eigentlich so machen.
Die Lotsen in ihren blauen Westen begegnen Dir zum Beispiel direkt auf dem
Parkplatz, wo sie dafür sorgen, dass alle Besucher ihr Auto so parken, dass möglichst
viele Autos auf den Parkplatz passen und dennoch die Rettungswege freibleiben.
Außerdem organisieren die Lotsen den Einlass und passen auf, dass jeder sein
Bändchen und einen Müllbeutel bekommt. Die Lotsen sind Teil des Projekt 24/5, bei
dem freiwillige Helfer dem Auftrag nachgehen, das Hurricane Festival für Dich
schöner zu machen und gleichzeitig die Idee eines nachhaltigen umweltfreundlichen
Festivals zu verfolgen. Was Du nicht auf Anhieb siehst, sind die Lotsen, die hinter den
Kulissen arbeiten: Beispielsweise im Bereich Deko und Recycling.
Obwohl das Projekt 24/5 2012 das erste Mal stattfindet, läuft alles gut an: Wie eine
blaue Welle fluten die Lotsen das Festivalgelände und helfen überall mit, um Dir in
den nächsten Tagen ein unbeschwertes Festival zu ermöglichen und auch weiterhin
das Festivalfeeling bestehen lassen zu können.
[Arina Alles, Camilla Lindner, Silvia Maraun]
Donnerstag [21. Juni 2012]
Gegen 12 Uhr ist schon ziemlich viel los auf dem Vorgelände des Hurricane Festival
2012. Unterschiedlichste Menschen tummeln sich dort. Von alt bis jung ist alles dabei.
Am Straßenrand hält man noch ein gelbes Schild mit „Suche Tickets“ in die Luft.
Stephen versucht noch, für sich und seine Freundin je
ein Ticket zu ergattern. Das wird wohl recht schwer, da
er schon zwei Stunden erfolglos und mit grimmigem
Gesicht am Straßenrand steht. Sieht so aus, als ob
keiner seine heiß begehrten Tickets verkaufen möchte.
Selbst Johan (24), das zweite Mal auf dem Festival, und
Robert (25), das erste Mal hier, sind extra aus Schweden
angereist. Darauf sind sie stolz und deshalb weht auch
an ihrem Rollerwagen, welcher voller Gepäck ist, eine
Schwedenflagge. Eigentlich weht sie gar nicht, sondern
hängt eher, da das Wetter beim Hurricane super sonnig
ist.
Wer hätte das gedacht? Ein Festival bei strahlendem
Sonnenschein, bis jetzt ganz ohne Regen und Schlamm. Deshalb grillt man schon vor
dem Gelände, trinkt Bier und knüpft Kontakte. Für 6 € kann man auch sein Gepäck
vom Parken 4 bis hin zum Zeltplatz auf einem Bollerwagen transportieren lassen.
Denn die meisten Festivalgänger sind voll beladen. Mit Gepäck, Getränken und auch
Blumen. Denn Sina (24) will auf dem Green Camping rund um ihr Zelt einen
Blumengarten anlegen. Stiefmütterchen und Ringelblumen warten nur auf ihren
Auftritt. Der kleine Gartenzaun musste diese Mal jedoch zu Hause bleiben. Ganz so
viel Gepäck konnte Sina dann doch nicht mitschleppen.
Kathrin und Kathi machen es sich da einfacher: Das ganze Gepäck kommt einfach in
die 2004er Mülltonne aus München. Aus München kommen aber beide nicht. „Das ist
das Hurricane hier? Scheiße“, ruft es lachend aus einem vorbeifahrenden Skoda
heraus. Sieht so aus, als ob sich auch dieses Jahr wieder viele Freunde finden werden,
denn Janina (26) heiratet ihren Freund dieses Jahr auf dem Festival. Kennengelernt
haben sie sich zwar auf dem Rock am Ring, den Ring werden sie sich jedoch hier
anstecken.
[Camilla Lindner]
Donnerstag [21. Juni 2012]
Wir sind die Ersten die dieses Jahr auf dem Hurricane unsere Füße auf die noch
ziemlich holprige Erde setzen und werden die Letzten sein die ein riesiges
Matschgelände verlassen. Das Gefühl, wenn man
das erste Mal den Festival Boden betritt ist mit
der ersten Mondlandung von Neil Armstrong zu
vergleichen. Das Hurricane ist wie eine komplett
andere Welt. Im Laufe der Tage wird sich der
Boden zu einer Kraterlandschaft entwickeln und
das Gefühl von Schwerelosigkeit wird mit der Zeit
und dem Bierkonsum ins unendliche steigen. Der
einzige Unterschied zwischen den Hurricane Besuchern und Neil Armstrong ist, dass
sie wirklich dort waren.
Das Feeling dieses einzigartigen Festivals macht sich heute schon bei den Lotsen
bemerkbar. Eine Mischung aus Freiheitsgefühl und Sittenwidrigkeit macht sich breit.
Flunkyball wird auch dieses Camp zu einer Einheit vermischen und lauter neue
Facebook- und vielleicht auch ein paar echte Freundschaften werden sich bilden. Die
Gemeinschaft wächst und gedeiht.
Nachdem sich die Ruhe unter den Lotsen eingestellt hat, bricht draußen vor den
Toren des Lotsencamps fast die Apokalypse aus. Was wie eine fröhlich eingestimmte
Festivalgemeinde scheint, entpuppt sich als ein Rudel reißender Wölfe und auch,
wenn alles wie ein Chaos wirkt, ist es genau das was das Hurricane Festival ausmacht.
Die Stimmung die zwischen den Besuchern beim Warten auf den Einlass herrscht ist
zu vergleichen mit einem Familienfest. Es gibt immer die Einen welche die Anderen
nicht ausstehen können, so manch einer macht sich durch seine auffällige Art Feinde
aber die Meisten versuchen eine harmonische Stimmung zu verbreiten: DAS
HURRICANE FESTIVAL 2012 HAT BEGONNEN!
[Christin Hornischer]
Freitag [22. Juni 2012]
„Sag mal, wo genau darfst du denn mit deinem Pass überall hin, und kannst du mich
vielleicht mit Backstage nehmen?“, ist wohl der häufigste Satz, den ich in den letzten
zwei Tagen gehört habe. Viele der Besucher wissen noch
nicht wirklich was die Menschen mit den blauen Westen
so alles dürfen, aber bei einem sind sie sich sicher: Die
blauen Menschen dürfen eine ganze Menge. Natürlich
kann man sich bei der Dreistigkeit mancher Besucher
nicht ganz zurückhalten: Einige Lotsen haben sich einen
Scherz erlaubt und erfanden ein imaginäres trojanisches
Lotsenpferd, für welches die Gänge des Zeltgeländes
etwas zu klein waren. Somit musste das Zelt von einer
Gruppe Bierliebhabern leider fünf Zentimeter weiter
rücken.
Die wildesten Spekulationen werden aufgestellt und
somit sind wir nicht nur Lotsen, sondern Quad fahrende
Polospieler und Menschen, welche die Antwort auf den Sinn des Lebens kennen.
Doch eigentlich ist das alles ganz einfach: Wir Lotsen, egal in welcher Position, sind
dafür da das Hurricane ein bisschen grüner zu gestalten, und vor allem den
Besuchern zu helfen und den Weg zu weisen.
Heute, am Freitag, öffnete endlich das Infield und die Besucher stürmten den Platz,
doch was keiner so richtig weiß ist, dass die Lotsen schon zu Beginn des Einlasses nur
darauf warteten loszulegen um die Fläche für die Besucher grün zu halten.
Gewappnet mit ihrer blauen Weste und einem Müllgreifer geht es los zum Infield. Die
kleinen Müllgreifer sind übrigens bei den Besuchern sehr beliebt und der Versuch
eines dieser Dinger in die Finger zu bekommen ist sehr verlockend. Zum Glück sind
die Lotsen darauf vorbereitet und mit ein bisschen Charme und Frechheit gelingt es
meistens einen Kompromiss zu schließen. Somit durften sich dann ein paar Besucher
mit dem Greifer ausprobieren, und ohne dass es großartig aufgefallen ist, haben sie
doch tatsächlich mitgeholfen, das Hurricane Festival von Bierdosen und anderem Müll
zu befreien. Man braucht halt nur die richtige und charmante Taktik um etwas zu
ändern.
[Christin Hornischer]
Freitag [22. Juni 2012]
Ich bin ein Dosenbier. Ich stehe ganz oben auf der Einkaufsliste der meisten
Festivalbesucher, und zwar palettenweise. Wochen vor der Abfahrt beginnt die
Planung: Wer kauft ein? Jeder will mich. Und der eine oder andere nimmt sogar
Fahrten in vom Dosenpfand befreite Nachbarländer auf sich, um mich so günstig wie
möglich auf Paletten zu ergattern. Tief unten im Kofferraum verstaut geht die Reise
los. Ich transportiere das Festival-Grundnahrungsmittel Nummer eins: Bier. Kaum ist
das Auto auf den zum Parkplatz umfunktionierten Acker geholpert, geht die
logistische Herausforderung weiter – wie trägt man mich am sichersten zum
Zeltplatz? Einfallsreichtum ist gefragt: Von Sackkarren über Bollerwagen bis hin zu
Mülltonnen ist alles möglich. Das Wichtigste ist: Keine von meiner Sorte darf auf dem
langen Weg auf den harten Boden aufschlagen. Was für eine Verschwendung wäre
das!
Schließlich bin ich am Zielort angelangt. Noch bevor das erste Zelt aufgebaut ist, hört
man das typische Klack-Zisch, dicht gefolgt von einem genüsslichen „Aaaah …“. Jeder
mag mich, doch besonders beliebt bin ich, wenn mein Inhalt noch annähernd kühl ist.
Ich verspreche Genuss und Spaß. Was wäre Flunkyball ohne mich? Ich möchte doch
wagen zu behaupten, dass ich nach Zelt und Schlafsack das wichtigste Festivalutensil
bin. Und was passiert mit den beiden, wenn das Wochenende überstanden ist?
Feinsäuberlich werden sie zusammengepackt, ins Auto geladen und dürfen beim
nächsten Mal wieder treue Dienste leisten. Mich erwartet ein ganz anderes Schicksal.
Kaum bin ich leer, werde ich achtlos auf den Boden geworfen. Keiner beachtet mich,
Füße treten mich und ich fliege hin und her. Als ob ich wertlos wäre, nur weil ich leer
bin!
Dieses Jahr könnte mir beim Hurricane Festival zum ersten Mal etwas anderes blühen:
Die Zeit allein auf dem Boden wird
kürzer. Viele Menschen mit blauen
Westen sammeln mich ein und bringen
mich mit vielen Artgenossen
zusammen. Das ist schön! Ich habe
gehört, diese Menschen wollen
irgendwas mit uns machen, Recycling
heißt das. Es bedeutet, ich bekomme
ein neues Leben geschenkt! Vielleicht
bin ich dann sogar beim nächsten
Festival wieder von Anfang an dabei.
[Maren Schink]
Freitag [22. Juni 2012]
Heute ist es so weit: Deutschland spielt gegen Griechenland. Und The XX spielen auf
der Green Stage, Sportfreunde Stiller auf der Blue Stage, Hot Water Music auf der Red
Stage und Supershirt rockt die White Stage. Doch was machen eigentlich unsere
Lotsen, während die Deutschen gegen die
Griechen kämpfen? Theresa (22), die
gerade Dosen einsammelt, ist es total
egal, dass heute Deutschland spielt. Denn
sie möchte heute unbedingt die XX live
erleben.
Genauso wie Sarah (19) und Jule (18).
Beide tippen zwar auf 3:0 oder 3:1,
werden sich jedoch auch heute Abend auf
das Festivalgelände zum Musikhören begeben. Marc (33) steht vor dem Green Camp
und verteilt Bändchen an die Camper. Er steht dort schon seit vier Stunden. Er hat es
auf sich regnen lassen und jetzt trocknet ihn die Sonne wieder. Auch er will heute die
XX hören, schließlich ist das hier ja ein Musikfestival und das Spiel kann man ja noch
so sehen. Lotse Matjes (19) wird sich heute Supershirt anhören. Den Zwischenstand
kann er ja auf seinem Smartphone checken. Deshalb hofft er auf guten Netzempfang.
Janina (29) wird heute das Spiel Open Air erleben. Die Bands wird sie sich nicht
anhören, da sie großer Deutschlandfan ist. 2:0 wird Deutschland ihrer Meinung nach
gewinnen. Sie hofft nur, dass die Liveübertragung nicht den Bands die Show stiehlt,
wie es Nada Surf 2006 der Fall war. Dann sind wir mal gespannt, wie unsere
Deutschen so spielen werden, denn laut Royal Republic wird Schweinsteiger heute
das Tor machen. Und die Lotsen werden sich auch vor der Leinwand tummeln.
Schließlich gibt es dort viel zu tun: Dosen und Papier warten nur darauf, von den
Lotsen eingesammelt zu werden. Und zwischendurch mal auf die Leinwand schielen
ist ebenfalls gestattet.
[Camilla Lindner]
Freitag [22. Juni 2012]
Klar, die Lotsen vom Projekt 24/5 haben einige eher unbeliebte Aufgaben zu erledigen: Bei
brennender Sonne oder strömendem Regen auf dem Parkplatz stehen und den Verkehr
leiten, am Einlass den Massen von gestressten Besuchern den richtigen Weg zeigen, auf den
Campingplätzen Müll in die entsprechenden
Säcke zum Recycling befördern. Doch neben
diesen Aufgaben, die einfach dazugehören,
gibt es auch ein paar Privilegien, die die
Lotsen genießen dürfen.
Nummer eins: Anreise schon am Mittwoch.
Das bedeutet: kein Stau, keine Wartezeiten,
Zeltplatz nah am Gelände. Donnerstag wird es
schon sehr schnell voll und mit den
Tausenden anreisenden Festivalgästen
schwindet so langsam das Handynetz. Vor den Eingängen tummeln sie sich und warten mehr
oder weniger geduldig. Noch sind die Campingplätze grüne Wiesen oder kurze
Stoppelfelder, aber vor allem eines: menschenleer. Nur ein paar Lotsen schlendern gemütlich
über die noch gar nicht geöffneten Zeltplätze – mit dem entsprechenden Bändchen kommt
man eben problemlos an der Security und den langen Besucherschlangen vorbei.
Doch nicht nur auf den leeren Campingplatz setzen die Lotsen ihre nachhaltigen
Fußabdrücke: Auch das Festivalgelände selbst ist vor ihnen nicht sicher. Während die
Aufbauten noch laufen, besichtigen die jungen Leute in den blauen Westen schon mal den
Bereich vor den Bühnen. Teams, die für die Deko zuständig sind, dürfen sogar einen Blick
noch weiter hinter die Kulissen werfen: Im Backstagebereich müssen Sofas an ihren Platz
geschoben und Teppiche verlegt werden. Vielleicht war ja das Sofa dabei, auf dem die
Lieblingsband später vor ihrem Auftritt relaxt? Auf ihrem eigenen Campingplatz haben die
Lotsen zwar keine Couchgarnitur, aber immerhin eine eigene Bar ein einem riesigen,
regensicheren Zelt. Besonderes Plus: Steckdosen an jeder Ecke im Barzelt. Die mobile
Kommunikation scheitert dann wenigstens nicht am leeren Akku, höchstens am manchmal
zugemüllten Netz. Auch kulinarisch ist für die freiwilligen Helfer gesorgt: Für einen geringen
Betrag gibt es beim Catering vier Gerichte zur Auswahl. Wer zusammen mit der Security isst,
kann nebenher Kontakte knüpfen. Vielleicht zahlen die sich ja später noch aus? Was sich auf
jeden Fall lohnt, ist die Mitarbeit beim Projekt: Lotsen brauchen kein Ticket, arbeiten
insgesamt etwa 24 Stunden und erleben 6 dafür Tage Festival pur.
[Maren Schink]
Freitag [22.Juni 2012]
„Trotz des üblichen Anreisechaos sind die meisten Besucher wirklich freundlich und
bedanken sich für unsere Arbeit“, erzählt Lotsin Lena, die am Bändchenzelt beim
Nordeingang Mülltüten und Pläne verteilt. Dort strömen auch am Freitagmittag noch
Menschenmassen auf die Campingplätze und treffen dort auf die hilfsbereiten Lotsen,
die für einen reibungslosen Ablauf an Brennpunkten sorgen. Vor allem die Gäste des
Greencamps freuen sich über jeden zusätzlichen Müllbeutel, den sie von den
engagierten Lotsen in die Hand gedrückt bekommen. Stefan aus Siegen, der sein Zelt
auf dem Greencamp aufgeschlagen hat, freut sich, dass er dank der neuen
Recyclingstationen genauso sorgfältig Müll trennen kann wie zu Hause.
Zwar musste der grüne Rasen auf dem Greencamp 1 in diesem Jahr teilweise der
Wintergerste weichen, aber die Greencamper sind trotzdem zufrieden mit der
Sauberkeit und der Ruhe auf ihrem grünen Campinggrund – manche sind sogar
entspannt genug für eine Partie Schach. Der Ansturm auf die Recyclingstationen
abseits des Greencamps blieb bisher noch aus, deshalb helfen die Lotsenteams auf
diesem Gebiet noch etwas nach. Vor den noch geschlossenen Toren des
Festivalgeländes befördern zwei Lotsinnen leere
Bierdosen mit Müllzangen in rote Müllsäcke.
Nach vier Stunden im Dienst sind die Lotsinnen Juliana
und Leonie bereits ein eingespieltes Team und lassen
sich ihre Laune von Hitze, Staub und plötzlichen
Regenschauern nicht verderben. „Natürlich kann sich
auch mal jemand eine ätzende Einwegbemerkung nicht
verkneifen, aber auch das nehmen wir mit Humor“, sagen
sie, während Juliane mit der Müllzange klappert. Ihren
Recyclingjob sehen die beiden als Vorbereitung auf den
Trashmob am Montag, aber erstmals freuen sie sich,
nach getaner Arbeit das Festival in vollen Zügen
genießen zu können.
[Arina Alles und Zara Zerbe]
Samstag [23. Juni 2012]
Natürlich sind die Festivallotsen fleißige Arbeitsbienen, aber auf dem Hurricane sind
sie doch auch unterwegs, um nach der Schicht am Recycling ihre Lieblingsbands
sehen zu können. Lassen sich denn ihre
Arbeitsschichten auch mit dem Timetable
vereinbaren? „Ich verpasse heute Abend Madsen, weil
ich bis 20 Uhr arbeiten muss, aber zum Glück haben
die ja Donnerstag überraschend auf dem
Campingplatz gespielt“, erzählt Lotsin Fanny aus
Hamburg. Auch Teamleiter Detlef hat die Arbeit am
Einlass notgedrungen den melancholischen Klängen
von The Cure vorgezogen, die der 46-jährige seit
seiner Jugend kennt und mag.
Das sonst eher niedrige Durchschnittsalter der Lotsen
ist wohl einer der Gründe, weshalb die meisten von
ihnen diese Band kaum kennen. „Ich fand sie aber
sehr schön, obwohl ich nur zwei Lieder kannte“, sagt
die Lotsin Nadine. Als eine der wenigen jungen Festivalbesucher kennt sie auch die
Neunziger-Legende Garbage – „aber nur aus dem Radio.“ Die großen Namen auf den
Hurricane-Plakaten ziehen nicht nur die „normalen“ Festivalgäste an. Die meisten
Lotsen wollen beliebte Bands wie die Ärzte, Blink 182 oder die Sportfreude Stiller
sehen. Doch auch Freunde der Musik abseits des Festivalmainstream befinden sich
unter den Lotsen.
Johannes ist „eher so der Metaltyp“ und hat sich nach seiner Schicht am Freitag bei
All Shall Perish im Moshpit ausgetobt. Er ist jedoch für andere Genres offen und lässt
sich auch für HipHop-Acts wie KIZ oder Casper begeistern. Dass dessen Show das
Freitagabendhighlights war, darüber sind sich fast alle Lotsen einig. „Der hat uns
wirklich mitgerissen“, sagt Denise aus dem Besucherumfrageteam. Trotz ihres eher
ruhigen Temperaments konnten sich auch The xx in die Lotsenherzen spielen. Für
Begeisterung sorgten die während der Performance der Londoner Band
bekanntgegebenen Fußballergebnisse. „Das Jubeln hat da sogar sehr gut zur Musik
gepasst“, findet Louisa aus Rendsburg. Die Ohren der Lotsen konnten also nach
getaner Arbeit reichlich belohnt werden.
[Zara Zerbe]
Samstag [23. Juni 2012]
Welche Menschen stecken eigentlich hinter dem Projekt 24/5 und was macht der
typische Lotse im richtigen Leben? Die Antwort ist so bunt gemischt wie das
Lotsencamp selbst.
Viele sind zwischen 18 und 20 Jahre alt, gehen noch
zur Schule oder haben gerade Abi gemacht. Die viele
Freizeit sinnvoll zu nutzen, das Hurricane Festival
mitzuerleben und sich nebenbei das Ticket zu
erarbeiten – das sind die Gründe von Abiturient
Marcel/Teddy (19). Als er beim Projekt 24/5
angenommen wurde, hatte er bereits ein Ticket
gekauft. „Das habe ich dann zum Originalpreis
verkauft, alles andere ist ja Abzocke“, erzählt er, „Das
Geld kann ich trotzdem gut gebrauchen, da ich für
eine Reise nach Australien spare.“ Was auf ihn als
Lotse zukommt, wusste er so ungefähr, da er bereits
bei einigen kleineren Festivals als freiwilliger Helfer
angepackt hat. Der Blick hinter die Kulissen eines
großen Festivals hat auch Janna gelockt. Die 19-
Jährige absolviert gerade ein Freiwilliges Soziales
Jahr und möchte später Eventmanagerin werden.
Vielleicht sogar bei FKP Scorpio?
Der 18-jährigen Abiturientin Marie kommt es vor allem darauf an, neue Leute
kennenzulernen. Sie ist allein angereist und hat unter den anderen Lotsen schnell
Anschluss gefunden. Ihr Zelt auf dem normalen Campingplatz aufzuschlagen, wäre
für sie dieses Jahr nicht infrage gekommen – sie besitzt nämlich gar keins. Deshalb
hat ein anderer Lotse sie kurzerhand bei sich einquartiert – man hilft eben, wo man
kann.
Die Fotografin und Pädagogik-Studentin Frederice hätte mehrere Möglichkeiten
gehabt, das Festival kostenlos mitzuerleben. Als Freiwillige bei anderen
Organisationen hätte sie auf dem Crew-Zeltplatz übernachten können – doch die 41-
Jährige zieht das Lotsen-Camp vor. Obwohl die meisten ihrer Zeltnachbarn viel jünger
sind, hat sie schon einen Stein im Brett: Ihre mitgebrachte Bierzeltgarnitur leistet treue
Dienste.
Samstag [23. Juni 2012]
Für den 46-jährigen Detlef steht nicht das Festival selbst im Vordergrund, sondern die
sinnvolle Beschäftigung. Er ist zurzeit arbeitslos und schult zum sozialpädagogischen
Assistenten um. Das neue Projekt 24/5 beim Hurricane fand er so toll, dass er sich
einfach beworben hat – obwohl er nur die Bands kennt, die schon länger im Geschäft
sind.
Die 31-jährige Sabrina führt fast ein Doppelleben: Die kaufmännische Angestellte
einer Rechtsanwaltskanzlei fährt für Konzerte durch ganz Deutschland und in die
Nachbarländer. Da sie ständig unterwegs ist, gibt sie viel für Tickets und Reisen aus –
das Projekt 24/5 hat sie daher mit dem freien Eintritt aufs Festival gelockt. Inzwischen
ist es ihr gar nicht mehr so wichtig, alle Bands zu sehen, denn die Atmosphäre im
Lotsencamp stimmt.
[Maren Schink]
Samstag [23. Juni 2012]
Seit ein paar Tagen schon flattern sie gegenüber des Lotsencamps im steten Wind:
Hammer und Sichel auf Schwarz-rot-goldenem Untergrund. Ein Flair vom Arbeiter-
und Bauerstaat mitten im Malle des Nordens, Reminiszenz an eine irgendwie ja auch
von sich selbst entsorgten und recycelten Republik? Bei genauerem Hinsehen fällt
aber auf, dass die Kraft des Symboles der
damaligen DDR über einer sehr sozialen
Gemeinschaft sich selbst zusammen- und
zurechtfindender Lotsen weht. Ganz
ähnlich, wie man sie noch heute oft im
Osten des Landes beschworen und
gepredigt bekommt. „Miteinander“ ist das
Stichwort der fünf langen Tage und Nächte.
Was in diesen ersten Tagen des Projektes
24/5 gesät wird, kann in den folgenden
Jahren blühen, wachsen und gedeihen. Und selbst wenn Einrichtungen wie das
Lotsencamp oder die Green Camping-Areale heute [noch] abgegrenzt und
eingezäunt sind: Hier hat ganz sicherlich niemand „die Absicht, eine Mauer zu
errichten“.
[Michael Kellenbenz]
Samstag [23. Juni 2012]
Bereits Mittwochabend füllte sich ein kleines Fleckchen Campinggelände mit
leidenschaftlichen Festivalgängern und ihren bunten Zelten, den provisorischen oder
professionellen Pavillons samt
Lichtanlage und Hängeschrank. Die
angereisten Menschen sind Lotsen und
teilen die Motivation, beim diesjährigen
Hurricane Festival dabei zu sein. Sie
haben die Ehre und sind die ersten
Bewohner des Lotsencamps 2012. Was
unterscheidet das Lotsencamp von den
anderen Campingplätzen auf dem
Gelände?
Viele Lotsen, die im Lotsencamp ihr Zelt aufgeschlagen haben, genießen die
Gemeinschaft und Familiarität des Camps. Ein sehr entspanntes und fast schon
behütetes Gefühl breitet sich über dem gesamten Platz aus. Generell wird
Hilfsbereitschaft groß geschrieben und jeder packt mit an, wo immer Hilfe nötig ist.
Die Crew koordiniert die Schichten und versucht möglichen Problemen flexibel
entgegenzuwirken und das Projekt zu optimieren. Das Lotsencamp ist Treffpunkt vor
Antritt der Schichten, Informationszentrum für alle möglichen Fragen, aber auch Ort
des Entspannens nach getaner Arbeit.
Zeltnachbarn werden zu Freunden und das Lotsencamp dient als Austauschort von
Erlebnissen und Erfahrungen der letzen Tage. Es ist zwar etwas ruhiger als auf den
anderen Campingplätzen, trotzdem ist immer etwas los und geschlafen wird erst spät
in der Nacht. Im Lotsencamp befindet sich auch eine Bar, an der das Lotsen-Barteam,
die anderen Projekteilnehmer mit frischen und heißen Getränken versorgen. Das
Projekt 24/5 scheint jetzt schon ein Erfolg zu sein und auch das Camp mit allen
seinen Vorteilen soll im kommenden Jahr wieder viele Helfer locken und begeistern.
Dieses Projekt kann jedoch nur bestehen wenn sich begeisterte und motivierte
Menschen finden, die als Freiwillige an der Weiterführung und Verbesserung des
Festivals interessiert sind. „Nächstes Jahr wieder!“, hört man schon einige der
diesjährigen Lotsen sagen.
[Arina Alles]
Sonntag [24. Juni 2012]
Ein Blick in den Container um 16 Uhr am Freitag sagt: fast noch leer. Am ersten Tag
des Hurricane Festivals haben die Menschen also entweder noch nicht so viel Müll
produziert oder sie entsorgen den Müll ganz einfach vor Ort. Denn was gibt es
Einfacheres, als seinen Becher, seine Dose oder seine leere Schale ohne Asianudeln
mit einer einfachen Handbewegung auf den staubigen Boden zu werfen? Auch
deshalb stehen unsere Lotsen noch etwas unterbeschäftigt vor den fünf riesigen
Müllcontainern: Papier, Verpackungen, Metall und Restmüll sollen hier getrennt
werden.
Doch laut einer Lotsin werden ausschließlich fast nur graue Restmüllbeutel
abgegeben. Denn das ist schließlich nach dem Wegwerfen auf den Boden die zweite
einfachste Lösung. Die Lotsen müssen dann den grauen Sack ausleeren und in die
jeweiligen Container sortieren. Einen Tag später, am Samstag sieht alles schon ganz
anders aus: Die Container füllen sich.
Die meisten geben immer noch die grauen Säcke ab und so häufen sich diese nun vor
den Containern. Unsere Lotsen leeren die Müllbeutel aus: Banane wird von Dose
getrennt, Fleisch von Plastiktüte. Ketchup und andere Soßen färben das ganze schön
ein. Die grünlichen Lotsenhandschuhe bekommen daher auch einen anderen Farbton
verpasst. Trotzdem sind unsere Lotsen bester Laune und sind sich nicht zu schade für
diesen Job. Während die eine Gruppe den Müll recycelt, sammeln die anderen noch
Dosen und Müll in blaue Säcke ein. Es
wird immer gewechselt zwischen Müll
einsammeln und Müll recyceln. Man
sieht und spürt also, dass es hier
eindeutig um Teamwork geht.
Und man muss schon sagen: die Wege
und Straßen sind für ein Hurricane
Festival ganz schön sauber. Dosen lägen
jedoch gar nicht mehr so viele herum,
da diese von anderen Menschen
eingesammelt werden würden, erzählen
die Lotsen. Die Dosen, die jedoch von
ihnen eingesammelt werden, dienen am Montag einem tollen und verdienten
Lotsenabschiedfest.
[Camilla Lindner]
Sonntag [24. Juni 2012]
Es ist Sonntagmorgen. Die Lotsen, deren Wecker noch nicht geklingelt hat, weckt ein
leises Prasseln. Wie tanzende Käfer klingt der leichte Regen unter der Zeltplane. Doch
im Gegensatz zu den letzten Tagen,
in denen kurze Schauer für eine
schnelle Abkühlung sorgten, bleibt
das Geräusch. Und bleibt. Es hat
sich so richtig eingeregnet – das
musste ja so kommen. Was wäre
das Hurricane ohne mindestens
einen regnerischen Tag?
Unvorstellbar. Fehlt eigentlich nur
noch der obligatorische Sturm, aber
dafür ist heute Abend ja auch noch
Zeit. Der Regen wird stärker und es hilft alles nichts – die Lotsen müssen natürlich
auch unter diesen Bedingungen raus. Wer jetzt Schicht hat, kann nicht einfach nach
den Ohrenstöpseln kramen und sich auf der Isomatte noch mal umdrehen. Die Arbeit
ruft.
Während die blauen Westen bei den Temperaturen der vergangenen Tage beinahe
als Kleidung ausgereicht hätten, werden heute auf jeden Fall Gummistiefel, lange
Hosen und Regenjacken drunter gezogen. Wer keine wasserdichte Jacke dabei hat,
funktioniert kurzerhand einen Müllbeutel um. Sogar die farbliche Abstimmung ist
kein Problem bei der großen Auswahl an Mülltüten: blau für Papier, rot für Metall,
grau für Restmüll, weiß für Pfandflaschen und -dosen sowie gelb für Verpackungen.
Aber das Wichtigste: trocken bleiben. Deshalb erfreut sich das Barzelt heute auch
großer Beliebtheit – diejenigen, die noch nicht arbeiten müssen, treffen sich hier zum
Frühstücken und Quatschen. Beim Kaffee werden die Erfahrungen der letzten Tage
besprochen und schon Pläne fürs nächste Jahr geschmiedet: An der Wand hängt ein
riesiges Plakat voller Ideen für 2013. Genau wie der ungeliebte alljährliche Regen
scheinen auch die Lotsen sich zu etablieren. Nur wird diesen in den kommenden
Jahren sicherlich deutlich mehr Sympathie entgegengebracht..
[Maren Schink]
Sonntag [24. Juni 2012]
Am Sonntag, dem letzten Festivaltag wird man gegen 9:00 leise von dem auf das Zelt
prasselnden Regentropfen geweckt.
Außerdem fällt einem sofort auf, dass es
außergewöhnlich ruhig auf dem
Campingplatz ist. Keine laute Musik
reißt einen aus dem Schlaf. Keine
Endlosschleife von „ Wir sind die
Cantina Band“. Der Regen prasselt
immer lauter gegen das Zelt und dann
regnet es kontinuierlich durch. Ein
verregneter Festivalsonntag wird das
also. Ein Sonntag, an welchem endlich
die Gummistiefel ausgepackt werden können, an welchem die Capes zum Einsatz
kommen und sich das Gelände langsam aufweicht. Wenn man nun zum Takt der
Musik springt, hinterlässt man statt einer riesigen Staubwolke nun eine riesige
Schlammpfütze.
Man sieht Menschen, die sich im Schlamm wühlen, wie Hähne gegeneinander
kämpfen und durch Pfützen springen. Endlich kann man mal wieder seinen Urtrieben
nachgehen. Dann was gibt es Schöneres, als eins mit der Natur zu sein? Und deshalb
wird auf dem Hurricane auch aus Dosen gegessen und getrunken. Oft auch mal mit
den Fingern. Denn Ravioli schmecken doch kalt einfach am besten. Auf saubere
Kleidung wird ebenfalls nicht mehr viel Wert gelegt. Denn wozu auch? Saubere
Kleidung kann man schließlich das ganze Jahr hinweg tragen. In der Schule, in der
Uni, in der Bank und als Arzt. Für die eher wasserscheuen Festivalgänger werden
Mülltüten nun zur neuen Festivalkollektion umfunktioniert. Rote Beutel dienen als
Hose, gelbe als Jacke und blaue Müllsäcke werden mit silbernem Klebeband als
Kapuze und als Ärmel festgeklebt.
Auf den Beutel wird dann mit Edding geschrieben: „Ich bin keine Mülltonne“. Dass es
nun so lange nicht geregnet hat, grenzt schon fast an einem Wunder und irgendwie
gehören Regen und Schlamm doch auch dazu. Denn, was wäre, wenn man zurück mit
trockener und sauberer Kleidung fährt? Dann wüsste ja keiner, dass man auf einem
Musikfestival gewesen ist.
[Camilla Lindner]
Sonntag [24. Juni 2012]
Es ist Sonntag und das Festivalwochenende neigt sich seinem Ende zu. Zeit, das
Spektakel noch einmal Revue passieren zu lassen. „Das Projekt 24/5 fand zwar jetzt
zum ersten Mal statt, aber unsere Erwartungen wurden
bisher sogar übertroffen“, sagt Crewmitglied Wieland.
„Natürlich muss man bei einem solchen noch nie da
gewesenen Projekt mit Anlaufschwierigkeiten rechnen,
aber das hat alle Projektteilnehmer dazu motiviert, ihre
Arbeit besonders gut zu machen.“
Hohe Erwartungen wurden an das Projekt gestellt. So
sollten die Lotsen zum Beispiel den Kontakt zwischen den
Festivalgästen und den Organisatoren intensivieren. Viele
Lotsen finden, dass das gut geklappt hat. „Am
Pfandautomaten und beim Flyer verteilen bin viel mit
den Besuchern in Gespräch gekommen“, erzählt Lotsin
Freia. „Das hat mir viel Spaß gemacht.“ So kann auch für die Zukunft Problemen
entgegengewirkt werden, damit das Festival vor allem für die Besucher noch schöner
wird. Zu Anfang konnten die meisten Gäste noch nicht so viel damit anfangen, aber
mittlerweile hat sich die Idee des Projekts 24/5 verbreitet. Vielleicht überlegt ja schon
der eine oder andere Gast, sich im nächsten Jahr als freiwilliger Helfer zur Verfügung
zu stellen. Mit Sicherheit kann Wieland sagen, dass „das Projekt im nächsten Jahr
mehr Bewerber locken wird und sich das überschaubare Lotsencamp erweitern muss.“
Für die Lotsen Maren, Daniel und Melanie steht bereits fest, dass sie sich im
kommenden Jahr wieder für das Projekt 24/5 bewerben werden. Wie bei den meisten
ihrer Kollegen waren die Aufgaben vielfältig verteilt und jeder kam in fast jedem
Bereich zum Einsatz. „Der Begriff Lotse ist vielleicht ein bisschen irreführend“,
reflektiert Lotsin Jule. „Wir wissen selber ja auch manchmal gar nicht, wie man von P1
zu C8 kommt.“ Vielleicht sollte man sich für das nächste Jahr eine treffendere
Bezeichnung für die kleinen Helferlein suchen. Trotzdem sind die Lotsen mit dem
Ablauf des Projekts rundum zufrieden – eine Win-Win-Situation für alle.
[Arina Alles und Zara Zerbe]
Sonntag [24. Juni 2012]
Sonntag, das Festival ist fast vorbei und
die Stimmung ist eine Mischung aus
Heiterkeit und Trübsal blasen. Die
Besucher realisieren langsam, dass der
letzte wirkliche Tag angebrochen ist und
für viele, die sich einmal im Jahr zu
diesem Ereignis treffen, naht der
Abschied. Das Projekt Lotse hat so
manchen Anklang aber auch
Abneigung geerntet. Viele der Besucher
und auch die Lotsen haben Änderungsvorschläge und vor allem auch Wünsche für
das nächste Jahr. Doch was denken die Besucher wirklich über das Projekt Lotse?
Anna, 24, aus Hamburg findet, dass die Lotsen ihren Job gut machen, sie stellt es sich
ziemlich schwer vor bei diesen ganzen betrunkenen Menschen auf dem Festival die
Standfestigkeit und vor allem einen kühlen Kopf zu bewahren. Natürlich gibt es auch
für sie die einen oder anderen Makel an dem Lotsenprojekt, doch sie ist sich sicher,
dass sie sich nächstes Jahr auf jeden Fall auch für das Projekt bewerben will. Die
Lotsen selbst haben bei sich im Camp ein Plakat mit der Überschrift „Wünsche“ auf
gehangen. Dort schreiben sie ihre Ideen für das nächste Jahr auf, und einige die nicht
vom Backstage Bereich handeln, sind fabelhafte Ideen um das Projekt noch besser zu
gestalten. Man darf nicht vergessen, dass das diesjährige Lotsenprojekt ein
Pilotprojekt war. Die Lotsen 2012 hatten zwar ein paar kleinere Schwierigkeiten jedoch
auch eine Menge Spaß. Die Gemeinschaft ist wirklich zusammen gewachsen und man
kann deutlich sehen, dass sich Freundschaften gebildet haben.
[Christin Hornischer]
Sonntag [24. Juni 2012]
Es ist Samstag, früher Abend, Florence & The Machine spielen auf der Green Stage,
ein Team Lotsen marschiert die Hauptstraße herunter und singt „Wir sind die
Müllabfuhr“ zur Melodie des Eurodance-Songs
„Captain Jack“. Eine weitere Gruppe Lotsen wird
auf dem Weg von der Straße zum Osteingang
angehalten und erklärt einigen interessierten
Besuchern auf deren Nachfrage hin, was hier
genau gemacht wird: Müll wird eingesammelt
und später getrennt, um ordnungsgemäß
recycelt zu werden. Auch Fragen zum Timetable
und zur Anatomie des Festivalgeländes können
die Lotsen mittlerweile beantworten, denn man wächst mit seinen Aufgaben: Zwar
steht die ehrenamtliche Arbeit für die Nachhaltigkeit und das informieren über das
Projekt 24/5 im Vordergrund, jedoch tauchen so häufig Fragen zu den Bands oder
nach dem Weg zu einem bestimmten Ort auf dem Gelände auf, dass die Mehrheit der
Lotsen Timetable und Geländeplan griffbereit hat, um auch auf diesem Gebiet
weiterhelfen zu können.
Nach leichten Startschwierigkeiten werden auch die Recyclingstationen gut von den
Besuchern angenommen: Eine große Station mit Containern befindet sich gegenüber
des Parkplatz 4 und Besucher geben hier bereits jetzt ihren getrennten Müll ab und
entsorgen sogar ganze Zelte oder Pavillonteile, die den Wind nicht überlebt haben.
Auch dies ein Verdienst der Lotsen, die unermüdlich über die Zeltplätze laufen und
den Campern erklären, wie sie ihren Müll trennen und entsorgen können. Generell
fällt auf: Wege und Gelände sind in diesem Jahr sehr sauber, selten sieht man über
einen längeren Zeitraum Müll herumliegen – schaut man genauer hin, scheint es
einen regelrechten Krieg um den Abfall zu geben: Pfandsammler und Kinder aus der
Umgebung tragen um die Wette leere Dosen zusammen, um mit dem Pfand bei
Rückgabe der Dosen ein bisschen Geld zu verdienen und versuchen, den Lotsen beim
Aufräumen zuvor zu kommen.
[Silvia Maraun]
Montag [25. Juni 2012]
So viele „Sackgesichter“ auf einen Fleck hat das altehrwürdige Hurricane-Festival
selbst in seinen schlechteren Zeiten [ ja, auch die gab es] noch nicht gesehen. Doch
was vordergründig nach plumpem Diss klingt,
soll am „Tag danach“ als eines der größten
Komplimente in die Geschichte des
Eichenringes eingehen. In nassen Böen knattert
die weiße Friedenstaube auf einer semi-
zerfetzten Flagge am Rande eines der Camps.
Darunter ein stilles Meer aus Haushaltsmüll,
menschenverlassenen Grillgittern, Gerippen,
die mal als Pavillon zu identifizieren waren.
Weggeworfene Wurfzelte ruhen wie in einem Kriegsgebiet und die fast fünfhundert
verbliebenen Lotsen in ihren blauen Westen wirken wie das letzte Aufbäumen der
guten Seite in einem neuen Emmerich-Blockbuster.
Dass ihnen kräftige Regengüsse das Leben noch einmal schwer machen, sich
Hektoliter von Wurstwasser in modrigen Dosen sammeln, geleerte Gaskocher für ein
[noch] grassierendes Umweltbewusstsein auf Sparflamme stehen … geschenkt. Das
Lotsenprojekt 24/5 geht nach fünf langen Tagen und Nächten mit der Gewissheit zu
Ende, dass eine überall bemerkbare Duftmarke für die Umwelt gesetzt werden
konnte. Diese nun nicht wieder verfliegen zu lassen, wird in den kommenden Jahren
nicht nur Motivation, sondern auch eine große und allemal lösbare Herausforderung
sein.
[Michael Kellenbenz]