Human Ressource Management als Instrument der Gestaltung...

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Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg Fakultät Wirtschaft und Soziales Departement Pflege & Management Studiengang MBA Sozial- und Gesundheitsmanagement Human Ressource Management als Instrument der Gestaltung ‚Früher Hilfen‘ im Kontext von ‚Freiwilligem Engagement‘ und Profession Grundlagen und Anwendung am Beispiel des Bremerhavener Modells Tag der Abgabe: 07.12.2009 Vorgelegt von: Jörg-Achim Schröder Betreuende Prüfende: Prof. Dr. Petra Strehmel Zweiter Prüfer: Prof. Dr. Knut Dahlgaard

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Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg

Fakultät Wirtschaft und Soziales Departement Pflege & Management

Studiengang MBA Sozial- und Gesundheitsmanagement

Human Ressource Management als Instrument der Gestaltung ‚Früher Hilfen‘ im Kontext von ‚Freiwilligem Engagement‘ und

Profession

Grundlagen und Anwendung am Beispiel des Bremerhavener Modells

Tag der Abgabe: 07.12.2009 Vorgelegt von: Jörg-Achim Schröder Betreuende Prüfende: Prof. Dr. Petra Strehmel Zweiter Prüfer: Prof. Dr. Knut Dahlgaard

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Vorwort

Die Frage, ob und wie sich Menschen, als wertvolle Ressource für Menschen, im

Kontext ihres freiwilligen Engagements beschaffen, einsetzten, lenken, entwickeln

lassen und wie diese auch noch gewissermaßen ‚bei der Stange’ zu halten sind oder

anders gesagt, wie deren Motivation geschaffen und erhalten werden kann, ist für

Menschen, die sich mit Menschenführung befassen, eine spannende Fragestellung.

Im Hinblick auf meine Aufgaben und Funktionen, als Geschäftsführer eines freien

Trägers im Sozialsektor, der neben professionellen, bezahlten Dienstleistungen auch

Frühe Hilfen leistet, also mit ‚Ehrenamtlichen’ bzw. mit Freiwilligen zu tun hat, ist

diese Thematik von besonderer Relevanz, insofern verwundert es nicht, dass ich

versucht bin, mich diesem Thema in dieser Arbeit anzunähern. Als Abschluss dieses

Masterstudienganges, der sich unter anderem explizit mit dem HRM befasste und

eingebettet ist in die gesellschaftlichen Bereiche Soziales und Gesundheit, bietet das

Thema geradezu einen Querschnitt beider Bereiche, denn zum einen ist Freiwilliges

Engagement in beiden Bereichen1 beheimatet, zum anderen bewirkt solches

Engagement individuelle Befriedigung in diesem Tun, sorgt somit für individuelles

Wohlbefinden und insofern für psychische Stabilität und Gesundheit.

Mit dieser Arbeit verfolge ich die Absicht, mögliche Schnittstelle des HRM und des

Freiwilligen Engagement aufzuzeigen und deren Differenz zum professionellen

Kontext zu beleuchten, aber gleichermaßen auch Gemeinsamkeiten und insofern

taugliche Element des HRM für diesen spezifischen Engagementbereiches

herauszuarbeiten, dies wird in der Einleitung noch deutlicher beschrieben.

Mein Dank gilt Frau Prof. Dr. Petra Strehmel, von der HAW Hamburg, für die

Unterstützung, Beratung, Begleitung sowie Ermutigung während der Erstellung

dieses Textes, er gilt Herrn Prof. Dr. Dahlgaard für seine wohlwollend kritische

Durchsicht und Kommentierung der Hausarbeit zum HRM, ich habe dies als große

Lernhilfe empfunden und er gilt vor allem meiner Frau Petra für die unendliche

Geduld in den vergangen 2½ Jahren, insbesondere den letzten Monaten, für den

Verzicht in dieser Zeit auf sonst viele möglich gewesenen gemeinsamen Erlebnisse.

JAS, Nortorf und Bremerhaven, im November 2009

1 Sofern man unter Soziales alle gesellschaftlichen Aktivitäten subsumiert, also auch politisches Engagement

jeglicher Couleur u. a. m.

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Vorwort

Einleitung (Aufbau, Fragestellungen, Annahmen) 1

A Freiwilliges Engagement (FE) 3

1. Begriffsklärung 3

1.1 Definition 10

1.2 Abgrenzungen zu anderen Engagementbereichen 19

2. Gesellschaftliche Bedeutung 21

2.1 Aufgaben gestern, heute, morgen 25

2.2 Engagement und Potential in der BRD 29

3. Aufgaben der Organisationen in Bezug auf FE 33

3.1 Akquise 33

3.2 Personalentwicklung (Freiwilligenentwicklung) 39

3.3 Motivation und Commitment 40

3.4 Führung 43

4. Résumé 48

B Human Resource Management 51

5. Definition 53

5.1 Verschiedene Ansätze des HRM 55

5.2 Strategisches Personalmanagement 59

6. Politikfelder des HRM 60

6.1 Personalbeschaffung 61

6.2 Personalentwicklung 65

6.3 Motivationsansätze und Commitment 69

6.4 Personalführung 86

6.4.1 Was ist Führung? 87

6.4.2 Führungskonzepte 91

6.4.2.1 Eigenschaftstheorie(n) 92

6.4.2.2 Orientierungen und situative Ansätze 95

6.4.2.3 Systemtheoretischer Ansatz 102

6.4.2.4 Rollenkonzepte 105

6.4.2.5 Symbolische Führung 109

6.4.2.6 Auswahlverfahren von MitarbeiterInnen 111

6.4.2.7 Mikropolitik 114

6.4.3 Führertypen 118

6.5 Résumé 122

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C Frühe Hilfen 125

7. Arbeitsfeld Frühe Hilfen 125

7.1 Definition 127

7.2 Begründungen für Frühe Hilfen 129

7.3 Formen Früher Hilfen 131

8. Das Programm Familie im Stadtteil (FiS, ein Modell aus Bremerhavener) 136

8.1 Darstellung des Modells 136

8.2 Leit- und Menschenbild 139

8.3 Zum Verlauf des Projektes 140

8.4 Bestandsaufnahme: Einschätzung der Assistentinnen 144

8.4.1 Fragestellung der empirischen Untersuchung 144

8.4.2 Design 145

8.4.3 Empirische Methoden 145

8.4.4 Ergebnisse 146

9. Resümee: Herausforderungen für das HRM im Bremerhavener Modell (FiS) 156

D HRM: Gestaltungsinstrument für freiwilliges Engagement und Profession? 160

10. HRM im Kontext vom Freiwilligen Engagement 160

11. Differenzen zum Professionskontext 161

11.1 Akquise 161

11.2 Personalentwicklung 162

11.3 Motivation und Commitment 164

11.4 Führung 167

12. Erfahrungen im Programm FiS 169

12.1 Herausforderungen von FiS für das HRM (oder andersherum?) 174

12.2 Strukturelle Probleme von FiS 175

13. Grenzbereiche des HRM in Bezug auf Freiwilliges Engagement 177

14. Zusammenfassung und Empfehlungen 179

14.1 Personalbeschaffung 180

14.2 Personalentwicklung 180

14.3 Motivation Und Commitment 181

14.4 Führung 181

14.5 Menschlichkeit 182

14.6 Gnade und Demut 183

14.7 HRM als Werkzeugmetapher 185

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Abbildungsverzeichnis 186

Literatur 187

Internetadressen 194

Anhang: Erhebungsinstrument (Fragebogen) 195

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Einleitung

Bürgerschaftliches – bzw. Freiwilliges Engagement (FE) und Frühe Hilfen als Teil

eines solchen Engagements, mit den Ideen des Human-Resource-Management

(HRM) einander zu verzahnen ist das Vorhaben des vorliegenden Textes. Es scheint

zunächst naheliegend, dass das Management menschlicher Ressourcen in

unmittelbarer Verbindung zum Freiwilligen Engagement steht, geht es doch auch hier

darum, vorhandene Ressourcen der Freiwilligen und die Freiwilligen als Ressource,

zumal in organisatorischen Zusammenhängen, zu managen. Diese Arbeit wird sich

zunächst mit dem Freiwilligen Engagement1 in der BRD beschäftigen (Kapitel A),

greift später einen spezifischen Bereich solchen Engagements heraus und zwar die

so genannten Frühen Hilfen, um an diesen, exemplarisch am Bremerhavener

Modell2, Zusammenhänge zum HRM aufzuzeigen (Kapitel C). Damit dies gelingt,

wird der Ansatz des HRM aufgegriffen und genauer beschrieben (Kapitel B). Dieser

Bereich befasst sich, neben möglichen Ansätzen eines HRM, mit

Personalmanagement (Beschaffung und Entwicklung), mit Motivation und

Commitment, insbesondere mit Führungsaspekten und Führungstheorien sowie

abschließend mit einer Typologie von Führung. Abschließend werden die

Erkenntnisse zusammengeführt und dargestellt (Kapitel D). Die Entscheidung für

Frühen Hilfen und insbesondere für das dargestellte Modell ‚Familie im Stadtteil’

(FiS) fiel auf Grund der Möglichkeit, dies genauer beschreiben zu können und der

Option, mit Hilfe eines Erhebungsinstrumentes, spezifischen Fragestellungen

nachspüren zu dürfen.

Außerdem eignen sich die Frühen Hilfen insofern, als dass sie in vielen kommunalen

Modellen der BRD sowie in den zehn Bundesmodellprojekten vom Freiwilligen

Engagement der Bürger (mit-)getragen werden. Parallel gibt es professionelle

Strukturen dieser Hilfen und auch Mischformen, auf diese wird weiter unten

eingegangen. Häufig gibt es Schnittstellen zwischen dem Ehrenamt oder anders

gesagt, der Freiwilligenarbeit und der professionellen Tätigkeit. Diese Schnittmengen

sind nicht unproblematisch, sie eignen sich als Nährboden für Missverständnisse

ebenso, wie für Unmut, Aufbegehren oder Resignation und anderen Gefühlslagen

1 Synonyme sind Bürgerschaftliches Engagement, Neues Ehrenamt, Ehrenamt auch andere.

2 Bremerhavener Modell: Familie im Stadtteil (FiS)

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mehr. Wie gelingt in solchen Kontexten ‚Mitarbeiterführung’, im Sinne von Führung

der Freiwilligen, wie gelingt Akquise (Gewinnung von Freiwilligen), Förderung,

Kontinuität, ‚Entlohnung‘, im Sinne auch von Anerkennung, Zusammenarbeit und

vieles andere mehr, kurzum, welche Elemente des Human-Resource-Management

gewinnen hier Bedeutung und wie müssen diese Element gestaltet werden, damit sie

in den Strukturen des Freiwilligen Engagements Segen bringend, m. a. W. gelingend

für alle Beteiligten eingesetzt werden können?

Was also sind die Bedingungen für gelingendes Zusammenwirken von Freiwilligen

und Professionellen sowie deren gemeinsames und hoffentlich erfolgreiches Handeln

im Feld? Warum können Menschen für eine Sache zusammenwirken, obwohl sie

unterschiedlich eingebunden, sowie unterschiedlich vertraglich gebunden sind?

Diese Differenzen sind nicht verdeckt, jeder weiß darum. Was bewirkt aber die

Akzeptanz dieser Unterschiede? Was bewirkt gelingende Zusammenarbeit und was

steht dem entgegen? Welche organisatorischen Elemente müssen vorhanden sein,

wenn grundlegende Zusammenarbeit funktionieren soll und welche verhindern dies?

Arbeiten die einen fürs Geld und die anderen für die Ehre? Ist es für die einen nur ein

Job und für die anderen eben ein (Ehren-)Amt oder ist Freiwilliges Engagement an

gar kein Amt mehr gebunden? Ist das sichtbare Engagement nicht eine freiwillige

Arbeit für beide Seiten, sowohl für die Freiwilligen, wie auch für die Profis (werden

doch auch die professionell Tätigen nicht zum Tun gezwungen)?

Das Thema dieser Arbeit, nämlich die Annahme, dass HRM als Haltung, mit seinen

theoretischen Ansätzen und methodischen Möglichkeiten, ein Instrument der

Gestaltung Freiwilligen Engagements (dann aber auch der Früher Hilfen) sein kann,

wird in den oben benannten Fragen spezifiziert, beides verweist auf nachfolgende

Untersuchung. Diese Arbeit will aufzeigen, dass HRM im Grundsatz als Instrument

für den nicht professionellen Engagementbereich tauglich ist, das es aber

Differenzen zu professionellen Kontexten gibt, in denen das HRM entwickelt wurde

und insofern Zuhause ist. Diese Unterschiede sollen herausgearbeitet werden, so

dass sich ein tauglicher Kern entblättert, der für diesen Engagementbereich nutzbar

ist bzw. werden kann.

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3

A Freiwilliges Engagement

1. Begriffsklärung

„In ein Amt gewählt zu werden, ist oft schädlich für den Körper und immer nachteilig für die Seele.“3

Dass eine Begriffsklärung, insbesondere des hier gewählten Begriffes ‚Freiwilliges

Engagement‘, notwendig ist, macht schon die Vielzahl parallel verwendeter Begriffe

in diesem Feld deutlich. So lässt sich nicht ernsthaft von einer Entwicklungslinie der

Begriffe altes - und neues Ehrenamt – Freiwilligenarbeit – Bürgerschaftliches

Engagement oder auch: Bürgerengagement (Baden Württemberg4) sprechen, da

nicht der eine Begriff den anderen ablöste, sondern die benannten Synonyme noch

immer in je unterschiedlichen Kontexten Bestand haben oder von Menschen in

gleichen bzw. ähnlichen Kontextstrukturen je anders verwandt werden, je nach

individuellen begrifflichen Zugängen. Diese Begriffe sind streng genommen ja keine

Termini, keine definierten Fachbegriffe, insofern, so könnte man meinen, kann man

auch in ihrer Verwendung nichts falsch machen, dennoch geht es bezüglich dieser

Begriffsbildungen nicht nur um semantische Verschiebungen, nicht um einen

jeweiligen Bedeutungswandel, wie manchmal angenommen, sondern durchaus um

inhaltliche Veränderungen, schließlich verbirgt sich hinter jeder Begrifflichkeit doch

etwas anderes. Damit behalten diese je anderen Begriffe ihre Berechtigung, müssten

aber mit Inhalten hinterlegt werden und entwickelten sich dadurch dann

möglicherweise doch noch zu Termini.

Vom Ehrenamt kommend, welches der Ehre, des Ansehens der Person im sozialen

Umfeld, also seiner Community wegen übernommen wurde und noch immer wird

oder durchaus auch auferlegt werden konnte und immer noch kann (man denke

beispielweise an die bestellten Wahlhelfer, an die Übernahme von Vormundschaften,

an die Berufung eines Beisitzers, eines Ehrenrichters/ eines Schöffen), ergibt sich

aus diesem „Konzept bürgerschaftlicher Pflichten“ (Evers 19985), eine spezifische

Anforderung und Aufgabe, welche temporär begrenzt oder mit langfristiger

3 Dieser Satz wird dem faktischen Herrscher von Florenz zugeschrieben, Cosimo de Medici, ein Florentiner

Bankier, er lebte von 1389 bis 1464.

4 vgl. Sozialministerium Baden Württemberg (Hrsg.): Bürgerschaftliches Engagement. Band 3. Stuttgart 1996

oder auch www.buergerengagement.de; auch Hummel, K. (Hrsg.): Bürgerengagement. Seniorengenossenschaften, Bürgerbüros und Gemeinschaftsinitiativen. Freiburg i. Br. 1995

5 Evers, A.: Engagement und Bürgertum. In: Transit. Europäische Revue. 1998, H. 15, S.192

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Aufgabenbindung versehen ist. Der Wandel vom „alten -“ zum „neuen Ehrenamt“

vollzog sich mit der Wiederentdeckung des Ehrenamtes in der zweiten Hälfte der

achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts (Olk 19896). Diese

‚Wiederentdeckung des Ehrenamtes‘ war der vorausgegangenen

Professionalisierungsdebatte, insbesondere in der Sozialen Arbeit und der

Entdeckung der Endlichkeit monetärer Ressourcen geschuldet. (Beher/ Krimmer/

Rauschenbach/ Zimmer 20087). Das „neue Ehrenamt“, so die fachwissenschaftliche

Rezeption, kennzeichnete sich durch Ausdifferenzierung des Engagements, durch

Tendenzen der Angleichung an berufliche Arbeit, durch zunehmende Tätigkeiten in

basisnahen Organisationen aus (Beher/ Liebig/ Rauschenbach 20008).

Mit diesen Tendenzen des ‚neuen Ehrenamtes‘ und dem Aspekt des „Selbstbezugs“

wurde der Schritt zur Begriffsfindung der „Freiwilligenarbeit“ getan. Es stand mit

dieser Wende nicht mehr das ‚Amt‘ bzw. der ‚Dienst‘ im Vordergrund des Tuns,

sondern das „Prinzip der biografischen Passung“ (Jakob 19939). Damit wurde und

wird die freiwillige Arbeit als Prozessmedium der eigenen Biografie und der

Selbstfindung verstanden. Die Passung erfolgt stets dann, wenn die eigenen Motive

und Wünsche sowie die mitgebrachten Erfahrungen und Präferenzen, in einem

bestimmten Lebensabschnitt des Freiwilligen, zu den geforderten und gewünschten

Aufgabenmerkmalen einer Organisationsaufgabe passen (Beher/ Krimmer/

Rauschenbach/ Zimmer 2008).

Die Abgrenzung zu dem zwischenzeitlich geläufigen Begriff des „Bürgerlichen

Engagement“ oder „Bürgerengagement“ (vgl. Fußnote 1) erfolgt zum einen über die

Art und Weise eines solchen Engagements, zum anderen über einen zeitlichen

Bezug. Bürgerliches Engagement ist vielschichtig, es spricht sowohl die einmalige

oder dauerhafte Geldspende des Bürgers für eine gemeinnützig orientierte Aufgabe

an, wie auch das unmittelbare Einbringen der Person in einen temporären

6 Olk, Th.: Vom alten zum neuen Ehrenamt. Ehrenamtliches soziales Engagement außerhalb etablierter Träger.

In: Blätter der Wohlfahrtspflege, 1989, H. 1, S.7-10

7 Beher, K./ Krimmer, H./ Rauschenbach, Th./ Zimmer, A.: Die vergessene Elite. Führungskräfte in

gemeinnützigen Organisationen. Weinheim und München 2008

8 Beher, K./ Liebig, R./ Rauschenbach, Th.: Strukturwandel des Ehrenamtes. Gemeinwohlorientierung im

Modernisierungsprozeß. Weinheim und München 2000

9 Jakob, G.: Zwischen Dienst und Selbstbezug. Eine biographieanalytische Untersuchung ehrenamtlichen

Engagements. Opladen 1993

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Arbeitsprozess. Ein solcher Prozess kann sowohl eine einmalige Aktion sein (z.B.

das Streichen der Außenfassade des örtlichen Kindergartens an einem

Wochenende, die Wahlkampfaktion einer Partei auf dem Wochenmarkt seines Ortes

u.v.a.m.) oder aber eine auf bestimmte oder unbestimmte Dauer angelegte Tätigkeit.

Während also die Freiwilligenarbeit den Arbeitsbegriff aufnimmt und gewissermaßen

fokussiert, spricht das Bürgerengagement jegliches Engagement an, welches auf das

Gemeinwohl hin ausgerichtet ist. Kennzeichen eines solchen Engagements ist nicht

passive Teilhabe am gemeinnützigen Geschehen, sondern aktive Beteiligung. Ob

diese aber in Form von einmaliger oder wiederkehrender bzw. regelmäßiger Geld-

oder Sachspende oder aber in Form von temporär begrenzter oder dauerhafter

Arbeitsleistung erbracht wird, ist dabei unerheblich. Insofern unterscheiden sich das

Ehrenamt von der Freiwilligenarbeit und beide vom Bürgerengagement, umgekehrt

aber ist das Bürgerliche Engagement um Subsumierung beider zuvor benannten

Begriffe bemüht.

Alle drei Formen haben aktuell nebeneinander Bestand, schließlich existiert das

Ehrenamt, in den Köpfen der Menschen tief verankert, noch immer und ein

begriffliches, wie inhaltliches Ausklingen ist nicht abzusehen. Auch künftig wird es

Schöffen geben, kommunale Wahlhelfer und dergleichen mehr, auch weiterhin

werden Vereins- oder Stiftungsvorsitzende dauerhaft diese Ämter führen (vielleicht

nicht mehr ‚vererben’), das ‚Konzept bürgerschaftlicher Pflichten‘ hat nicht

ausgedient, daneben leisten Menschen auf lange Zeit, oft über Jahrzehnte, ihren

Arbeitseinsatz im technischen Hilfswerk, bei den Freiwilligen Feuerwehren im

Sanitätsdienst u. dergl. m., sind also freiwillig in irgendwelchen Arbeitseinsätzen

präsent und zu guter Letzt gibt es die beschrieben Formen des Bürgerlichen

Engagements, als einmalig Aktion, als Sach- oder Geldspende, als überschaubare

temporäre Bindung, welche gerade in eine bestimmte Lebensphase passt und

obendrein der Selbstfindung oder der eigene Entwicklung dient, insofern eine

Passung hergestellt werden konnte. Dies zeigt, dass kein Begriff den anderen

wirklich ersetzen kann, wenngleich diese Begriffe häufig synonym verwendet

werden.

Insofern erhält der Begriff des Freiwilligen Engagements zunächst einmal und bis

hierhin die Bedeutung einer Klammer, da dieser Terminus die Aspekte aller drei

Bereiche (Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und Bürgerschaftliches Engagement)

aufgreift. Er spricht die unterschiedlichen Motivationsebenen ebenso an, wie die

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verschiedenen zeitlichen Dimensionen und die Variationsbreite der unterstützenden

Optionen. Freiwillig ist das Engagement in allen drei begrifflichen Bereichen und in

allen drei Bereichen steht das Engagement der tätigen Menschen im Vordergrund –

dies muss nicht gewichtet und bewertet werden, im Freiwilligen Engagement steht

die Absicht und das daraus sich bildende Handeln im Fokus.

Evers greift aber nun die Begriffe Freiwilliges- und Bürgerliches Engagement auf und

weist diesen einen je anderen Kontext zu. Dazu schlägt er systematisierend

polarisierende Betrachtungsformen möglichen Engagements vor, klammert den

Ehrenamtsbegriff dabei nicht aus, sondern subsumiert diesen unter dem Begriff des

Bürgerlichen Engagement. „Auf der einen Seite steht ein individualistisch-liberales

Verständnis, das Neigungen und Interessen des Einzelnen in den Mittelpunkt stellt,

so dass soziales Engagement einen spezifischen ‚Markt der Möglichkeiten‘ darstellt.

Auf der anderen Seite steht ein stärker von der Debatte um Gemeinwohl und

Bürgersinn geprägtes Verständnis; es thematisiert soziales Engagement vor allem

unter den Blickpunkt von Anforderungen der Gesellschaft und Gemeinschaft“ (Evers

1998, S. 18610). Damit weist Evers dem Freiwilligen Engagement das

Passungsverhältnis zwischen individuellen Voraussetzungen und organisatorischen

Bedingungen zu (ein individualistisch-liberales Verständnis), dem gegenüber steht

das Bürgerliche Engagement, welches den anderen benannten Zusammenhang für

sich reklamiert (den Bürgersinn um das Gemeinwohl).

Anders gesagt basiert die erste Denkfigur auf der ökonomischen Vorstellung des

Tausches. „Engagement ist eine andere Form des Tausches, einer

interessengeleiteten Beziehung auf Gegenseitigkeit, bei der es immer um […]

ausgeglichene Bilanzen geht (ebd., S. 188). Die geleistete Solidarität findet im

Spiegel der Selbstfindung oder -verwirklichung statt, also in der Fokussierung

eigener Interessen, während die zweite Denkfigur von Evers eher als

psychologisches Argument verstanden werden kann und die Befriedigung durch

Engagement im Blick hat sowie den Gewinn von Lebenssinn durch solidarisches

Handeln. Diese neuen Muster lösen die Orientierung an moralischen Normen,

(preußischen) Pflichten bzw. Geboten ab. Da in unserer Zeit die Sinnfrage von

Engagement von jedem Menschen selbst geklärt werden muss, erlangt Befriedigung

Bedeutung. „Und schließlich ist das Streben nach persönlicher Befriedigung die

10 a.a.O.

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Antwort auf eine Gesellschaft von Fremden, in der viele Hilfebeziehungen nicht

mehr reziprok gedacht werden können“ (ebd., S. 189). Ein individualistisch-liberal

orientiertes Handeln erzwingt, innerhalb organisatorischer Rahmungen, ein

Umdenken, weil Machtinstrumente, wie Zwang und Verpflichtung hier zunehmend

nicht mehr greifen. Organisationen müssen verführen und das immer wieder aufs

Neue, da die Bindungsfähigkeit der freiwillig sozial handelnden Menschen „prinzipiell

unbeständig und kurzlebig ist“ (Beher/ Liebig/ Rauschenbach 2000, S. 2611). Jenseits

organisatorischen Managements geht es um die Gestaltung engagementfördernder

gesellschaftlicher Rahmungen, also um politische Gestaltung. Da Politik zunehmend

mehr an ihre Grenzen stößt (Ritscher 200512), ist sie aufgefordert

Entscheidungsfindungen partizipativ bürgernah zu organisieren und sich die

Gestaltungskräfte des bürgerlichen Engagements zum Eigennutz und Nutzen der

beteiligten und nicht beteiligten Menschen zu erschließen (Beck 199713).

Der zweite Diskurs, der dieser Betrachtung gegenüber steht, rückt das Gemeinwohl

in den Vordergrund und verknüpft dies mit dem (freiwilligen) Engagement der Bürger.

Die soziologische Verortung bezieht sich auf das Verständnis von Solidarität und

Hilfsbereitschaft, als Folge von geteilten Werten und sozialer Nähe. Das erbrachte

Engagement ist damit Ausdruck gesellschaftlicher Anteilnahme und der

Mitgliedschaft in einer Gesellschaft, in der dadurch ein symbolischer Beitrag zur

Stärkung, mit dem Ziel besserer Bedingungen, geleistet wird. Evers bringt das auf

die eingängige Formel, dass „wir nicht um unser, sondern um Unser Willen helfen“

(ebd., S. 193). Die politische Dimension dieses Ansatzes ist die Betrachtung des

Menschen als Bürger/in einer eben politisch verfassten Gesellschaft. In diesem

Zusammenhang erscheint das bürgerliche Engagement als Ausdruck politischer

Handlungsfreiheit im Gemeinwesen. Übergeordnete Politik soll demnach zur Bildung

von Motivation beitragen und gewissermaßen den „Unterbau einer Bürger- und

Zivilgesellschaft bereiten und zugleich eine neue Art von politischer und sozialer

Steuerung verwirklichen“ (Beher et al. 2000, a.a.O., S. 27). Mit diesem

Integrationsversuch von Gemeinwohl und (politischem) Bürgersinn, unter dem Begriff

des Bürgerschaftlichen Engagement und der parallelen Abgrenzung zu dem

11 a.a.O.

12 Ritscher, W. (Hrsg.): Systemische Kinder- und Jugendhilfe. Heidelberg 2005

13 Beck, U.: Kinder der Freiheit. Frankfurt a.M. 1997

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benannten individualistisch-liberalen Verständnis, ist auch der Versuch

unternommen, die Merkmale des Ehrenamtes zu subsumieren und sich damit

einzuverleiben. Es bleibt die Frage, „inwieweit auch heute (bürgerschaftliches)

Engagement für Ansehen und Geltung des Einzelnen mitbestimmend sein sollte“

(Evers, a.a.O., S. 193). Wenn nicht der Mensch aus soziologischer Sicht, aus dem

nachbarschaftlichen Netzwerk hilft, sondern sich dieser als Bürger, als ‚Citizens‘, also

politisch zu verstehen gibt, gelingt nicht durch diesen Haltungswechsel, dieses

andere Selbstverständnis, ein Perspektivenwechsel in Richtung von mehr

Bürgersinn, fragt Evers?

Diese Systematik der Zuordnungen individualistisch-liberaler Prägung versus des,

am Gemeinwohl orientierten Bürgersinns, zur Abgrenzung der Begriffe Freiwilliges

Engagement versus Bürgerschaftliches Engagement, wirkt gesetzt und scheint ohne

inhaltliche Verluste umkehrbar. Eine erkennbare Abgrenzung beider Begriffe

verschwimmt, es scheint geradezu so, als ob Bürgerschaftliches Engagement zur

quasi ‚eierlegenden Wollmilchsau‘ aufsteigt und gewissermaßen zum leuchtenden

Fixstern am Himmel aller freiwillig erbrachten (Dienst-)Leistungen erscheint. Oder

anders und sicherlich wissenschaftlich seriöser formuliert, „erscheint

Bürgerschaftliches Engagement als eine terminologische Kategorie, als eine

übergeordnete Klammer, die eine Begriffsdifferenzierung nur im Binnenverhältnis

kennt [14]“ (Beher et al. 2000, a.a.O., S. 27).

Diese Engagements, von Teilen der Bevölkerung eines Staates, werden heute vor

vier zu unterscheidenden Diskussionssträngen sowie Traditionslinien geführt und sie

werden als Bewältigungsstrategien gesellschaftlicher Veränderungen, Umbrüche und

Krisen diskutiert und verstanden. (1) Die Entwicklung des Freiwilligen Engagement

ist eingebettet in die Entwicklung der sozial- und ordnungspolitischen Debatte, damit

in die Frage nach einer zukünftigen Neuordnung des Sozialstaates, unter

Anerkennung seiner Ressourcenbegrenzungen und der Notwendigkeit einer

Neugestaltung des Welfaremix. (2) In einem zweiten Diskussionsstrang ist das

Freiwillige Engagement eingebunden in die Perspektive der Arbeitsmarktentwicklung

14 Beher et al. Verweisen an dieser Textstelle auf: Brosch, A.: Formen bürgerschaftlichen Engagements. In:

Hummel (1995a), S. 73-79; Hummel, K.: Bürgerengagement. Seniorengenossenschaften, Bürgerbüros und Gemeinschaftsinitiativen. Freiburg i. Br. 1995; Ueltzhöffer, J./Ascheberg, C.: Engagement in der Bürgergesellschaft. Die Geislingen-Studie. Ein Bericht des Sozialwissenschaftlichen Instituts für Gegenwartsfragen Mannheim. In: Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg.): Bürgerschaftliches Engagement, Bd. 3, Stuttgart 1996

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westlicher Konsumgesellschaften. Die neoliberale Kapitalismusdiskussion, die

Frage nach dem Wert des Geldes an sich, mit dem vom Produktionsmarkt losgelöste

Kapitalmarkt, mit der Folge so genannter ‚toxischer Wertschöpfung’ (oder anders:

verbrannten Geldes), der damit ausgelösten Wirtschaftskrise, die abermals

Arbeitsplätze vernichtet, verdeutlicht die scheinbare Notwendigkeit dieser

Diskussion. Freiwilliges Engagement entwickelt vor dem Hintergrund zunehmend

flexiblerer Arbeitszeiten, wachsender Teilzeit- oder Kurzarbeit sowie wachsende

Mobilität der Arbeitnehmer gleich mehrere Funktionen, dies betrifft die individuelle

Sinnkonstruktion, das befriedigende Ausfüllen von ‚zeitlichen Löchern‘, die soziale

Einbindung in vertraute Gruppen, auch an je anderen Orten, denn als Sanitäter des

DRK oder Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr wird man/frau an jedem Ort der

Republik wieder in vertraute Strukturen anerkennend eintauchen können. (3) Damit

rückt zugleich die Diskussion um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Blick.

Es geht hierbei um die Inszenierung von Gemeinschaft, um die Entstehung von

Solidarität, um die Entwicklung von gesellschaftlichem Verantwortungsbewusstsein,

um die individuelle soziale Sicherung. Schließlich konstruiert die Selbstkonstruktion

individueller Sicherung in einer Gemeinschaft, zirkulär die Sicherung dieser

Gemeinschaft. (4) Zu guter Letzt geht es um den gesellschaftlichen Diskurs

demokratischer (Weiter-) Entwicklung des politischen Systems, also um die Frage

der Legitimation bestehender Interessenvertretungen, um die Entwicklung von

Partizipation und künftigen Freiwilligen Engagements. Es braucht Visionen zur Zivil-

und Bürgergesellschaft (Beher/ Krimmer/ Rauschenbach/ Zimmer 2008, S. 39-4015).

Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Unzufriedenheit mit ‚der Politik‘, dem sich

ausweitenden Desinteresse an Parteien oder Verbänden, entsteht der Eindruck,

dass Bürgerinnen und Bürger ihre Anliegen zunehmend mehr selber in die Hand

nehmen (Klages 200016). Bei der Diskussion um die Zivil- und Bürgergesellschaft

stehen Formen des politischen Sich-Einmischens, des politischen Protestes und

zivilen Ungehorsams im Vordergrund, „die sich mit dem Begriff des

bürgerschaftlichen Engagements verbinden“ (Klein 200117). In diesem Verständnis,

15 a.a.O. (s. FN 3)

16 Klages, H.: Die Deutschen – ein Volk von Ehrenämtlern? Ergebnisse einer bundesdeutschen Studie. In:

Forschungsjournal NSB (Neue Soziale Bewegung), Jg. 13, 2000, H. 2, S.33-47

17 Klein, A.: Der Diskurs der Zivilgesellschaft. Münsteraner Diskussionspapiere zum Nonprofit-Sektor – Nr.6, In:

Der Diskurs der Zivilgesellschaft. Politische Hintergründe und demokratietheoretische Folgerungen. Reihe Bürgerschaftliches Engagement und Zivilgesellschaft, Band 4 Opladen 2001

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zur Förderung eines bürgerschaftlichen Engagements bedarf es einen

‚ermöglichenden‘ oder ‚aktivierenden Staat‘, damit findet in diesem

Diskussionsstrang die Abwendung vom konservativen ‚starken Staat‘, aber auch von

einem neoliberalen ’Minimalstaat‘ statt. „Politik in der Zivilgesellschaft […] muss

bereit sein, sich auf einen unbequemen Prozess des Daueraushandelns von

Entscheidungen einzulassen“ (ebd., S. 22).

Positiv gewendet werden die gewählten Interessenvertreter diese Zukunftsaufgaben

aufgreifen und gestalten und zwar mit Hilfe alter und neuer Beteiligungsformen,

regional verankert und regional übergreifend sowie unter Einbindung breiter

gesellschaftlich relevanter Bereiche, wie der Wirtschaft, der Wissenschaft, der

Gewerkschaften und den Wohlfahrtsverbänden. Wenn Politik dies versäumt, sich

weiterhin omnipotent darstellt, wird es zur weiteren Verdrossenheit der Bürger führen

und die Gesellschaft in ihren derzeitigen Strukturen gefährden. „Politik zeigt sich

zunehmend hilflos in diesem Gewirr von Widersprüchen und Anforderungen für

nachhaltiges, entwicklungsförderndes Handeln verstrickt. Sie hat ihre

Orientierungsfunktion für die BürgerInnen verloren, tut aber so, als sei sie Herrin der

Lage. Genau dies ist die Lebenslüge gegenwärtiger Politik – die Folge ist eine tief

gehende Politikverdrossenheit“ (Ritscher, S. 4018). Es gibt Zeichen, dass die

Ergebnisse des letzten Freiwilligensurveys (1999-2004) schon nicht mehr aktuell

sind19. Das WZB weist in seinem gerade vorgelegten Bericht (Juni 2009) darauf hin,

dass es „dramatische Einschätzungen zur Gewinnung ehrenamtlicher

Mitarbeiter/innen im Sportbereich gibt, dort sei die das Engagement der Aktiven um

21.1% zurückgegangen (WZB: Alscher et al., S.29-3020). Zunächst nun zu den

Definitionen der Begriffe Ehrenamt, Freiwilligenarbeit, Bürgerschaftliches

Engagement sowie in Abgrenzung dazu Freiwilliges Engagement.

1.1 Definition(en)

(1) Das Ehrenamt als Amt, welches einem (preußischen) Staatsbürger von Amts

wegen, ohne Bezahlung und damit der Ehre wegen dies ausführen zu dürfen bzw. zu

18 a.a.O.

19 Ein aktualisierter Freiwilligensurvey III wird gerade in 2009 erstellt.

20 Alscher, M./ Dathe, D./ Priller, E./ Speth, R. (BMFSFJ Hrsg.): Bericht zur Lage und zu den Perspektiven des

bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland. Berlin (August) 2009 (WZB Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung)

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müssen, auferlegt werden konnte, wurde gesetzlich erstmalig in der preußischen

Städteverordnung von 1808, im § 191, geregelt. Dort heißt es nämlich: „Jeder Bürger

ist schuldig öffentliche Stadtämter zu übernehmen, und solche, womit kein

Diensteinkommen verbunden ist, unentgeltlich zu verrichten.“21 Noch heute können

bestimmte öffentliche Aufgaben, Funktionen, Ämter auf den Bürger übertragen

werden, dazu gehören beispielsweise ehrenamtliche Richter, also die so genannten

Schöffen, Vormundschaften oder Wahlhelfer. Neben diesen Möglichkeiten

verordneter Ämter, existiert das Ehrenamt als staatlich kontrollierte amtliche Funktion

in organisatorischen Kontexten wie Vereinen und Stiftungen. Die von den Mitgliedern

dieser Organisationen auf Zeit gewählten Vertreter (Vorstände), werden dem örtlich

zuständigen Amtsgerichten notariell gemeldet und in Amtsgerichtsregistern geführt.

Diese Register sind quasi öffentlich, jeder Bürger hat das Recht einen

Registerauszug anzufordern und damit einzusehen. Diese gewählten Vorstände

entscheiden die Grundsatzfrage der Organisationen, führen die Geschäfte und sind

ggf. Arbeitgeber, also Lenker und Leiter auf Zeit. Auch in kirchlichen Kontexten

haben ehrenamtliche Funktionen in Form gewählter und zeitlich befristeter Ämter

eine wesentliche Bedeutung, führen doch die Kirchenvorstände die Geschäfte der

Kirchengemeinden, treffen alle Grundsatzentscheidungen, verteilen und verwalten

die Budgets, entscheiden über Kreditaufnahmen und deren Anträge und haben

Arbeitgeberfunktion.

Neben diesen klassischen Ehrenämtern, gegen die sich der Bürger schlecht wehren

kann oder in die er freiwillig hinein gewählt wird und die stets beschreibbare

Aufgabenprofile haben, gibt es auch noch ungebundene freiwillige Formen des

Ehrenamtes, welche jederzeit unkompliziert, weil nicht an Verfahren gebunden, auch

wieder aufgegeben werden können. Dazu gehört beispielsweise das Amt eines

Trainers in einem Sportverein oder der Sprecher eines spezifischen Bereiches einer

Organisation (z.B. der Spezialist für Finanzen oder Soziales oder Recht des

Ortsvereins einer politischen Partei) ebenso gehören dazu bestimmte

Funktionsbereiche im Hierarchiegefälle stark spezialisierter Organisationen, wie etwa

den Freiwilligen Feuerwehren oder dem Technischen Hilfswerk, um nur zwei große

Organisationen herauszugreifen.

21 Quelle: Preußische Städteverordnung von 1808 (DPWV)

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Der Blick auf einen wesentlichen Entstehungshintergrund beleuchtet einmal mehr,

dass ein Ehrenamt an bestimmte Aufgaben gebunden und im Ursprung an staatliche

Fürsorge gekoppelt war. Im preußischen Landrecht von 1794 wurde bereits ein

allumfassender Kontroll- und Versorgungsanspruch formuliert. „Dort heißt es in §1:

Dem Staat kommt es zu, für die Ernährung und Verpflegung derjenigen Bürger zu

sorgen, die sich ihren Unterhalt nicht selbst verschaffen und denselben auch nicht

von anderen Privatpersonen, welche nach besonderen Gesetzen dazu verpflichtet

sind, erhalten können“ (Wagner, 200722). Bereits hier wird das spätere

Subsidiaritätsprinzip erkennbar, erst kommt nämlich die private Fürsorge und

Versorgung und erst danach tritt eine staatliche Gewährleistung auf den Plan. Davon

unabhängig wird hier eine gesetzliche Grundlage der Armenfürsorge gelegt, wie sie

beispielweise in Hamburg seit 1788 existierte und im ‚Elberfelder System’ (Elberfeld/

Westfahlen), ab 1853 aufgegriffen und weiterentwickelt wurde. Diese systematische

Entwicklung der Armenfürsorge wurde innerhalb von etwa 50 Jahren auf alle großen

Städte Deutschlands übertragen und dort jeweils modifiziert angewendet (vgl.

Scherpner23). Das Prinzip, welches dahinterstand, um der zunehmenden Armut in

den wachsenden Ballungszentren während der Industrialisierung Herr zu werden,

war die Einteilung der Städte in definierte räumliche Quartiere, dabei wurde jedem

Quartier zur Erfassung und Betreuung der Armen ein ehrenamtlicher Armenpfleger

zugeordnet (vgl. Thiersch; Wagner; Heinze/ Olk, 198424). Während in Hamburg die

Armenpfleger auf drei Jahre gewählt wurden, wurden diese in anderen Städte vom

Magistrat bestallt (benannt).

Ein Definitionsvorschlag: Das Ehrenamt in seiner Funktion als Amt, also als eine

beschreibbare Funktion mit expliziter Aufgabenbenennung, in Abgrenzung zu

anderen Tätigkeiten des organisatorischen Kontextes einer spezifischen

Organisation, welches in der Regel temporär determiniert ist und unentgeltlich

geleistet wird, bei einem selbstbestimmten oder durch die Organisation definierten

(z.B. Schöffentätigkeit im Gericht) zeitlichen Aufwand, ist mit dieser Begrifflichkeit

angesprochen.

22 Wagner, S. F.: Kurze Geschichte der Ehrenamtlichkeit. Vortrag zur Jahreshauptversammlung des

Unionhilfswerk, 7. Mai 2007

23 Scherpner, H.: Geschichte der Jugendfürsorge. Göttingen 1979

24 Thiersch, R./ Wagner, G./ Heinze, R. G./ Olk, Th.: Wohlfahrtsverbände. Handbuch der

Sozialarbeit/Sozialpädagogik. Neuwied und Darmstadt 1984

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Ein solches Amt ist eine (öffentliche) Verpflichtung, es wurde der Ehre, dem

Ansehen und der Aufgabe wegen geleistet und hat noch heute eine ähnliche

Bedeutung, so finden sich zu den Motivlagen im zweiten Freiwilligensurvey der

Bundesregierung (Erhebungszeiträume 1999 & 2004), neben den Motiven die

Gesellschaft wenigstens im Kleinen mit gestalten zu wollen (66%) und mit anderen

Menschen in Kontakt kommen (60%), noch immer gleichberechtigt altruistische

Motive, diese betreffen Aufgaben, die der Pflicht wegen erfüllt werden und weil sie

sonst niemand machen würde (44%) entsprechend empfinden in der Umfrage 2004,

36% der Befragten den Begriff des Ehrenamtes passend (Geiss, Gensicke, Picot, S.

97; 2005) 25.

(2) Der Begriff der Freiwilligenarbeit gewann in den 80-ziger Jahren des

vergangenen Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung, immerhin entschieden sich im

Freiwilligensurvey 1999, 48% (50% in den NBL26) aller Befragten (n = 15.000) für

diesen Begriff, während es 2004 allerdings dann nur noch 43% (46% in den NBL)

waren (ebd., S. 92). Parallel zu einer begrifflichen Verschiebung, richtiger ist wohl

eine Sicht begrifflicher Ergänzung bzw. Erweiterung, bleibt der Begriff des

Ehrenamtes doch auch weiterhin bedeutsam, findet eine Renaissance des

freiwilligen Engagement der Bürger Einzug in ihr Handeln und gleichermaßen in den

wissenschaftlichen Diskurs (vgl. Beher/ Krimmer/ Rauschenbach/ Zimmer, 2008, S.

4027). Als Vorteile des Begriffs der Freiwilligenarbeit werden die relative Neutralität

des Begriffes gesehen, in ihm spiegele sich sehr klar wieder, worum es geht,

andererseits lehnt er sich an den international gebräuchlichen Begriff des

‚Volunteers’ an, so jedenfalls die Begründung für diese Begrifflichkeit von

Rosenkranz und Weber (Rosenkranz, D./ Weber, A. 2002, S.928). In der

fachwissenschaftlichen Rezeption wurde von einem Gestalt- und Formenwechsel

gesprochen, von der Verschiebung traditioneller Aufgabenorientierung hin zu einem

25 vgl. Geiss, S./ Gensicke, Th./ Picot, S.: Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999-2004. (II.

Freiwilligensurvey, durchgeführt im Auftrag des BFSFJ, vorgelegt von TNS Infratest Sozialforschung) BFSFJ. München 2005 26

NBL = Neue Bundesländer

27 Beher, K./ Krimmer, H./ Rauschenbach, Th./ Zimmer, A.: Die vergessene Elite. Führungskräfte in

gemeinnützigen Organisationen. Weinheim und München 2008

28 Rosenkranz, D./ Weber, A.: Freiwilligenarbeit. Einführung in das Management von Ehrenamtlichen in der

Sozialen Arbeit. Weinheim und München 2002

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modernen Verständnis eines „neuen“ Ehrenamtes (vgl. Rauschenbach, 199129).

Die Wiederentdeckung des Ehrenamtes ging einher mit einer sich wandelnden

Motivlage der Menschen, die sich freiwillig engagierten, Jakob sprach in diesem

Zusammenhang vom „Dienst zum Selbstbezug“ (Jakob 199330). Bedingt durch

veränderte gesellschaftliche Erwartungen, wie etwa der Loslösung von traditionellen

Bindungen und „dem Zwang zur Gestaltung der eigenen Biographie wurde das

Ehrenamt verstärkt als Medium für Prozesse der Identitätssuche und Selbstfindung“

begriffen und genutzt (Beher/ Krimmer/ Rauschenbach/ Zimmer, a.a.O., S.4231).

Damit aber ist freiwillige Arbeit nicht mehr an eine Aufgabe, an eine Organisation, an

eine Form sozial-kultureller Sozialisation in einem bestimmten Milieu mit spezifischen

Deutungsmustern gebunden, wird nicht mehr durch Pflichterfüllung und lebenslanges

Engagement gekennzeichnet, sondern orientiert sich an den individuellen

Bedürfnissen eines Menschen in einer bestimmten Lebensphase, einem

wechselnden sozial-kulturellem Milieu, wechselnden Interessen und Bedürfnislagen,

sich verändernden Interessen und gesellschaftlichen Einlassungen. Beher et al.

sprechen von einem „neuen Verständnis von Ehrenamtlichkeit, dem begrifflich mit

dem weiter gefassten Terminus der ‚Freiwilligenarbeit’ Rechnung getragen werden

soll“ und der den Organisationen spezifische Bedingungen abfordert (ebd. S. 42).

Organisationen, die mit Freiwilligen arbeiten, können sich nicht darauf verlassen,

dass diese Menschen von sich aus kommen und bleiben, weil altruistische Motive sie

antreiben, sondern sind gefordert aktive Formen der Akquise zu entwickeln, die

Menschen zeitlich befristet zu binden sowohl durch biographische Passungen, als

auch durch Qualifikationsmöglichkeiten und Entwicklung von Sinn. Damit stehen für

die Organisation nicht mehr nur die Aufgaben im Vordergrund, sondern

gleichermaßen die Menschen, welche die Aufgaben erfüllen sollen. Gemäß einer

Umfrage des DPWV32 zeigte sich die Zufriedenheit der freiwillig Tätigen mit den

Organisationen am größten, die sich explizit mit einer Fachkraft ausschließlich um

die Koordination der Freiwilligen kümmerten.

29 Rauschenbach, Th.: Gibt es das neue Ehrenamt? Zum Stellenwert des Ehrenamtes in einem modernen

System sozialer Dienste. In: Sozialpädagogik 1/1991, S.2-10

30 Jacob, G.: Zwischen Dienst und Selbstbezug. Eine biographieanalytische Untersuchung ehrenamtlichen

Engagements. Opladen 1993

31 a.a.O. (s. FN 9)

32 DPWV Umfrage 2004/2005 zitiert nach Wagner, S.: a.a.O.

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Ein Definitionsvorschlag: Freiwilligenarbeit ist freiwilliges Tätigwerden eines

Menschen für eine Aufgabe sowie für sich, unter der Prämisse biographischer

Passung und legitimer eigennütziger Motive, in einer Organisation und zwar in

Abgrenzung zum Ehrenamt, zeitlich befristet und, weil nicht formal bzw. verordnet,

jederzeit aufkündbar.

(3) Seit geraumer Zeit kursieren parallel zu den oben benannten Begriffen, die

synonymen Begriffe des Bürgerengagements bzw. des ‚Bürgerschaftlichen

Engagement’ durch virtuelle und wirkliche Welten, durch Organisationen und

Literatur. Im ‚Internationalen Jahr der Freiwilligen’ (2001), welches die Vereinten

Nationen 1997 ausriefen, wurde ein nationaler Beirat als zentrales Beratungs- und

Koordinierungsgremium gebildet. Die meisten Mitglieder dieses Gremiums gründeten

im Folgejahr das „Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement“ (kurz BBE33),

mit Sitz in Berlin. Vorausgegangen war die Stellungnahme der Enquete-Kommission

„Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagement“ des Deutschen Bundestages, sie

empfahl in ihrem Abschlussbericht die Gründung eines Netzwerkes zur „nachhaltigen

Förderung bürgerschaftlichen Engagements […]. Für die Organisationen des Dritten

Sektors steht dabei, neben dem Erfahrungs- und Informationsaustausch, vor allem

eine verbesserte Vertretung ihrer Interessen als Träger bürgerschaftlichen

Engagements im Mittelpunkt des Interesses“ (Deutscher Bundestag34). Dem BBE

gehören stimmberechtigt Bund, Länder und Kommunen an, weiterhin Akteure aus

der Bürgergesellschaft, dem Dritten Sektor und der Wirtschaft, außerdem nicht

stimmberechtigte so genannte kooperierende Mitglieder (vgl. hierzu den

Jahresbericht 200835). Dank des BBE und seiner vielfältigen Aktivitäten, wozu u.a.

auch eine Reihe von Fachveranstaltungen und Veröffentlichungen gehören, hat sich

in diesen sieben Jahren seines Bestehens zunehmend mehr der Begriff des

„Bürgerschaftlichen Engagement“ verfestigt. Die Stabsstelle für Bürgerengagement

und Freiwilligendienste des Ministeriums für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg

hat insbesondere diesen Begriff seit Jahren fest etabliert und spricht schon nicht

mehr vom Ehrenamt. Es gibt dort ein eigenes „Landesnetzwerk Bürgerschaftlichen

Engagements“, welches sich aus den Gemeinde-, Landkreis- und Städtenetzwerken

33 Vgl. Jahresbericht 2008 des BBE (s. FN: Olk, Th./ Klein, A.)

34 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode. Drucksache 14/8900, S.290

35 Olk, Th./Klein, A.: Jahresbericht 2008 mit einem Ausblick auf 2009. BBE Berlin 2009

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zusammensetzt und „in dem das Bürgerschaftliche Engagement lebt“ (vgl. hierzu

die Internetseite des Sozialministeriums36).

Der Diskurs um die Zivilgesellschaft37 und das (politische) Bürgerengagement leistet

ein Übriges. Ansgar Klein beschreibt den Begriff des bürgerlichen Engagements als

‚mehrdeutigen, programmatischen Arbeitsbegriff‘, der die freiwillige bzw.

ehrenamtliche Wahrnehmung öffentlicher Funktion genauso umfasst, wie die

„klassischen und neuen Formen des sozialen Engagement, der

gemeinschaftsorientierten, moralökonomischen bzw. von Solidarität geprägten

Eigenarbeit und der gemeinschaftlichen Selbsthilfe“ (Klein 2001, S. 1938). Trotz

dieser Vielschichtigkeit des Begriffs erkennt sie aber einen gemeinsamen

Bezugspunkt in dieser Debatte, denn „innerhalb der benannten Variationsbreite der

genannten Facetten trägt bürgerschaftliches Engagement zu den demokratischen

Qualitäten der Gesellschaft bei“ (ebd. S. 19). Für sie bleibt die Hoffnung der damit

verbundenen Wiederentdeckung des aktiven Bürgers, als Gewinn für die politische

Kultur der Bundesrepublik.

Im Abschlußbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages lässt sich

die dort gemeinte Tragweite des Bürgerschaftlichen Engagement nachlesen:

„Bürgerschaftliches Engagement bedeutet Vielfalt, und erst in diesem weiten

Verständnis, das all diese vielfältigen Tätigkeiten einbezieht, erschließen sich die

Dimensionen dieser Aktivitäten und ihre Bedeutung für unser Gemeinwesen. Die

Bürgerinnen und Bürger erneuern mit ihrem freiwilligen Engagement in allen

Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Tag für Tag die Bindekräfte unserer

Gesellschaft. Sie schaffen eine Atmosphäre der Solidarität, der Zugehörigkeit und

des gegenseitigen Vertrauens. Kurz, sie erhalten und mehren, was wir heute

„soziales Kapital“ nennen: die Verbundenheit und das Verständnis zwischen den

Mitgliedern einer Gesellschaft, die Verlässlichkeit gemeinsam geteilter Regeln,

Normen und Werte und nicht zuletzt das Vertrauen in die Institutionen des Staates“

36 www.sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/de/Nutzen_und_Struktur_der_...

37 Zivilgesellschaft verstanden „als eine weit ausholende und unabgeschlossene theoretische Suchbewegung

nach den politischen Handlungsmöglichkeiten gesellschaftlicher Akteure zur Herstellung und Fortentwicklung demokratischer Formen der Politik charakterisiert“ (Klein, A. 2001 a.a.O., S.1)

38 Klein, A.: Der Diskurs der Zivilgesellschaft. Münsteraner Diskussionspapiere zum Nonprofit-Sektor – 06 und

als Buch, Opladen 2001

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(Abschlußbericht 200239). Deutlich wird ein allumfassender Anspruch ‚freiwilligen

Engagement’, welcher unter dem Dach des ‚Bürgerschaftlichen Engagements’ zum

Konstrukteur des ‚Sozialen Kapitals’ stilisiert wird.

Evers40, wie bereits weiter oben gesehen, unterscheidet polarisierend zwischen den

Begriffen des ‚Freiwilligen Engagement‘ und des ‚Bürgerschaftlichen Engagements‘,

indem er beiden Termini spezifische Handlungsoptionen und Sinngebungen zuweist.

So steht das Freiwillige Engagement für die „Märkte der Möglichkeiten“

(Freiwilligenbörsen, -agenturen usw.), im Wortsinne eines Marktes, eines

Tauschgeschäftes, einer Konsumbefriedigung, damit einer ökonomischen

Perspektive, während das Bürgerschaftliche Engagement für immaterielle

Sinngebung, für Gemeinschaftsgefühl, Verantwortung und Pflichtenübernahme, für

den politisch aktiven, verantwortlichen Bürger (Citizens) steht. Ob beide Diskurse

einen unterschiedlichen normativen Gehalt aufweisen ist nicht klar, „bei genauerem

Hinsehen liegt der Unterschied wohl eher darin, dass die normativen Elemente eines

liberal-individualistischen Konzeptes lediglich deshalb weniger augenfällig sind, weil

sie mit den vorherrschenden Selbstbeschreibungen von Individuen und Politik besser

übereinstimmen“ (ebd., S. 198/199). In den alltäglichen politischen Diskussionen

findet sich diese Trennungslinie nicht, da werden synonyme Begriffe der ‚Märkte der

Möglichkeiten‘ parallel mit sozialen-, ökologischen-, zivilen- und militärischen

Pflichtjahren diskutiert. Und ob normative Differenzen wahrgenommen werden, ist

wohl kaum aus einer Metaperspektive, dem Blick von außen festzustellen, sondern

obliegt einer Binnenperspektive und damit dem Individuum. Was bleibt ist

Ungewissheit und eine Begriffsdiskussion, die für sich nichts reklamiert, sondern je

nach Adressat und Akteur vielschichtig geführt oder auch nicht geführt wird und

damit frei schwebend bleibt.

Eingebunden in den hier vorliegenden Text, soll Bürgerschaftliches Engagement,

in Differenz zu den anderen aufgeführten Begriffen, beschrieben werden als die

Form des Engagement, welches vielfältig bzw. vielschichtig ist, welches einmalig und

dauerhaft angelegt sein kann, welches in Form von personengebundenem Einsatz,

monetären Möglichkeiten, sachgebundenen Spenden erfolgen kann, das aber nicht

auf einen, auf Dauer angelegten spezifischen und qualifizierten Arbeitseinsatzes

39 Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“. Deutscher Bundestag: Bericht

Bürgerschaftliches Engagement: Auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft. Opladen 2002

40 Evers, A. 1998, a.a.O.

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basiert (wie beispielsweise im Sanitätsdienst, in den Rettungsdiensten, der

semiprofessionellen sozialen Arbeit u.a., also der Freiwilligenarbeit), das auch nicht

Pflichterfüllung im Sinne eines Ehrenamtes ist und deswegen auch nicht quasi per

‚Zwang’ auferlegt werden kann. Bürgerschaftliches Engagement orientiert sich am

‚Markt der Möglichkeiten‘.

(4) Wo lässt sich nun die Verbindungslinie zum Freiwilligen Engagement verorten?

Lassen sich alle oben benannten drei Termini unter einem Begriff subsumieren?

Gerät das nicht in Widersprüchlichkeiten beim Gebrauch dieses Begriffs? Ganz

gleich wie man sich hier entscheidet, es bedeutet offensichtlich in jedem Fall

Widersprüche ertragen zu müssen und den (jeweils) gewählten Begriff zu verbiegen

– es ist derzeit (noch) eine Unmöglichkeit eine klare Abgrenzung herzustellen. Wie

kann also in Anbetracht des Nichtmachbaren ein Definitionsvorschlag aussehen? Ein

solcher (synthetischer) Versuch bleibt allerdings ungenau, soll mit dieser

Begrifflichkeit doch die Klammer hergestellt werden, die alle zuvor benannten

Bereiche unter einem Dach versammelt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dieser

Begriff soll das Ehrenamt, die Freiwilligenarbeit und das Bürgerschaftliche

Engagement subsumieren, soll Synonym sein, allerdings auch nur für den hier

vorgelegten Text – er wird damit zu einem Arbeitsbegriff, mehr nicht. Mit dieser Idee

eines Arbeitsbegriffes steht er nicht isoliert und alleine da, schließlich hatte er diese

Funktion bereits im Abschlussbericht des Freiwilligensurvey 2004 übernommen.

Denn, so die Begründung dort, dieser Begriff weist „einen Bezug zum Konzept einer

‚Tätigkeitsgesellschaft’ im Unterschied zur Arbeitsgesellschaft“ auf; und „der Begriff

des freiwilligen Engagements erfasst darüber hinaus auch besser das individuelle

Moment der Motivation und den damit verbundenen Charakter freiwilliger

Selbstverpflichtung“ (Gensicke/Picot/Geiss 2006, S.5041). Der Begriff soll im Kontext

dieses Textes verdeutlichen was mit ihm alles angesprochen wird, wenn anderes

gemeint ist, wenn bestimmte Inhalte ausgeblendet werden sollen, verwendet dieser

Text die je anderen definierten Begriffe.

41 Gensicke, T./Picot, S./ Geiss, S.: Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999-2004. München 2006

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1.2 Abgrenzungen zu anderen Engagementbereichen

Freiwilliges Engagement ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass es sich auf

Organisationskontexte bezieht, dabei muss in diesem Zusammenhang der

Organisationsbegriff einerseits weit gefasst werden, indem er formal strukturierte-

(Vereine, Stiftungen, Parteien, u.a.) wie auch informelle Kontexte

(Netzwerkstrukturen, Initiativen, Bürgerforen, Runde Tische, Bewegungen,

Stammtische u.v.a.m.) einbezieht, andererseits muss er sich zu quasi privaten

Formen menschlicher Gruppierungen (wie Familientreffen und -feiern, familiärer

Unterstützung, Freundeskreise, Partys u.a.m.) ebenso abgrenzen, wie zu einmaligen

und eher zufälligem Zusammenkommen (wie etwas Festivals, Konzerte, Lesungen,

Poetryslams u. dergl. m.). Eine solche Abgrenzung verweist auf inhaltliche Aspekte,

welche offensichtlich erfüllt sein sollten, wenn von Freiwilligem Engagement die

Rede ist. Wesentliches Kennzeichen eines solchen Engagements ist der Bezug zum

Gemeinwohl, damit verbunden, die Idee der zur Verfügungsstellung des eigenen

Handelns sowie das Bereitstellens eigener Ressourcen und zwar nicht nur zum

Eigennutzen, sondern zum Nutzen für die Zivil- bzw. Bürgergesellschaft, die

jeweiligen communities. Die Motivation des Handelns umschließt somit das Interesse

am Anderen ebenso wie an der Gemeinschaft der Anderen, in die das Selbst

eingebettet ist, insofern existiert stets auch ein Eigenbezug, der aber an einem

Gemeinwohlinteresse gebunden ist. Die Verbindung zu den Anderen erhält damit

einen ideellen Charakter und passiert pragmatisch über identische oder ähnliche

Interessen, damit ist das gemeinsame Tun absichtsbedingt, wird also angestoßen

und betrieben durch (zunächst nur) angenommene gemeinsame Ziele. Diese Ziele

müssen nicht explizit benannt oder formuliert sein, sie können bereits Tragfähigkeit

erlangen, wenn sie lediglich vermutet werden. Erst im Prozess des gemeinsamen

Tun werden sie nach und nach sichtbarer und verstetigt sowie zum gemeinsamen

Gut und Fundament.

Neben dieser Gemeinwohlorientierung wird noch ein Zweites wesentlich und zwar

der Zeitbezug hinsichtlich des Handelns und der Zielannahme. Damit ist die

Koppelung der Gemeinwohlperspektive an dem beabsichtigten Nutzen für die

Gemeinschaft angesprochen und damit die Differenz zu einem punktuellen Nutzen

einer Gemeinschaft innerhalb einer spontanen Aktion oder einer kurzzeitigen

Zusammenkunft (wie beispielsweise dem Spaßbezug im Karneval). Zeitbezug meint

die Perspektive des Handelns über das jetzige Handeln hinaus. Erst der Zeitbezug

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im Gruppenkontext des Gemeinwohls macht Handeln absichtsvoll und nutzbar für

Künftiges sowie für andere.

Zu guter Letzt meint Gemeinwohlorientierung in diesem Zusammenhang nicht die

Haus- und Tischgemeinschaft (im weiteren Sinne von Patchworkfamilien,

Kommunarden, familiären Wochenendbezügen, Hausgemeinschaften u.v.a.

Lebensformen mehr), nicht die Institution des nahezu klassischen bürgerlichen

Familienbildes dieser Gesellschaft (Mutter & Vater mit Kind/Kindern), sondern spricht

den Bürgerbezug im nahen Umfeld an, also die „Kommune als zentralen Ort aktiver

Bürgerschaft“, denn „sie sind die ‚Keimzellen’ und der Kern einer vitalen

Bürgergesellschaft“ (Olk 200342).

Einer der größten, oftmals nicht hinreichend gewürdigten Engagementbereiche, ist

die Familie schlechthin, dabei sind hier alle familiären Bezüge angesprochen, also

gerade auch die, die über die eigentliche Kernfamilie hinausgehen. Dabei ist hier mit

der Kernfamilie das familiäre System gemeint, welches eine Haus- und

Tischgemeinschaft bildet. Kernfamiliäres Engagement bezieht sich auf die

Reproduktionsleistungen, also auf das Gebären von Kindern, das Pflegen derselben,

den Krankenbeistand, das Aufziehen und Erziehen, die Übernahme von

Entwicklungsaufgaben bis in das Erwachsenenalter hinein, das Bereitstellen aller

dafür notwendigen Ressourcen (Liebe, Anerkennung, Geborgenheit, Wohnung,

Nahrung, Geld, Zeit, Kraft, Geduld usw.). Familiäres Engagement geht aber oftmals

weit über diese Kernfamilie hinaus. Es unterstützt Angehörige im nahen und weiteren

Umfeld und zwar ideell, materiell und ganz praktisch, durch tätiges Handeln am

Anderen. Das betrifft die Kranken-, Alten- und Behindertenpflege ebenso, wie

beratende, administrative, handwerkliche und andere Unterstützungsformen. Und

last, but not least, werden Teile der eben beschriebenen Leistungen über die

familiären Bande hinaus auch noch im Freundeskreis erbracht, also in einem nahen

emotionalen Umfeld, welches aber durch die besondere Nähe der Menschen, durch

die emotionalen Betroffenheit, noch eine deutliche Distanz und damit Differenz zum

Bürgerengagement aufweist.

42 Olk, Th.: Perspektiven der Förderung bürgerschaftlichen Engagements in der Stadt Köln. Vortrag anlässlich

der KABE-Fachtagung am 20.03.2003 in Köln

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Das WZB für Sozialforschung43 befasst sich explizit erstmalig, im Zusammenhang

mit dem Bürgerschaftlichen Engagement, mit dem Familienkontext. In seinem

aktuellen Bericht zur Lage und den Perspektiven des BE widmet es der

Familienarbeit ein eigenständiges Kapitel (III): „Engagement im Kontext von Familie

und familiennahen Unterstützungsformen“. Um diese Formen bürgerschaftlichen

Engagements, welches außerhalb formaler Organisationsstrukturen stattfindet und in

enge private Bezüge eingebunden ist, auch noch einbeziehen zu können, schlagen

die Autoren des WZB eine erweiternde Begrifflichkeit vor und sprechen von

„Zivilengagement“ (vgl. S. 12, a.a.O.).

Abschließend müssen all diejenigen Engagementbereiche unterschieden werden, die

zwar ebenfalls unentgeltlich geleistet werden, die auch einen Bezug zu Gruppen

haben, welche möglicherweise nicht Familie sind, die aber zum einen spontan

erfolgen und zum anderen in der Absicht, es bei der Einmaligkeit zu belassen, also

keine Idee der Nachhaltigkeit implementieren (Nachhaltigkeit meint hier den Nutzen

für andere in der Zeit danach oder die planmäßige Wiederholung des Ereignisses in

einem bestimmten zeitlichen Rhythmus) und damit den Bezug zu einem Nutzen für

Viele über die Aktion hinaus nicht entwickeln können und/oder wollen. Gemeint sind

hiermit alle irgendwie gearteten Feierlichkeiten, die außerhalb organisatorischer

Kontextbindung passieren. Der Feuerwehrball, das planmäßig organisierte Dorffest,

das Vogelschießen und dergleichen mehr sind damit also nicht angesprochen.

2. Gesellschaftliche Bedeutung

Die Bedeutung Freiwilligen Engagement lässt sich mehrschichtig fassen.

Zahlenwerke, wie erhobene Studien zum Engagement sind ebenso bedeutend, wie

der Blick auf die Wirkungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum, für eben diesen Raum

oder die konstruktive Gestaltung des Sozialen Kapitals, wozu auch der

gesellschaftliche Zusammenhalt gehört. Soziales Kapital ist eine „Konstellation aus

Vertrauen, geteilten Normen und Werten sowie Netzwerken der Zusammenarbeit“

(Enquete-Kom., a.a.O., S.57). Diese Form von Vertrauensdividende benötigt einen

Nährboden, Formen der Ermöglichung, dazu einen ermöglichenden Staat, der aber

eben nur günstige Rahmenbedingungen schaffen darf, mehr nicht. Freiwilliges

43 Alscher, M./ Dathe, D./ Priller, E./ Speth, R. (BMFSFJ Hrsg.): Bericht zur Lage und zu den Perspektiven des

bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland. Berlin 2009 (WZB Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung)

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Engagement muss frei bleiben, dazu gehört Ungebundenheit, im Sinne freier

Bindung, ebenso wie unentgeltliches Tun. „Empirische Befunde zeigen, dass

gesellschaftliche Netzwerke zwischenmenschlicher Vertrauensbeziehungen, wie sie

im gemeinsamen Engagement von Bürgerinnen und Bürgern wachsen, ein

maßgeblicher Bestandteil sozialen Kapitals und damit Garant wirtschaftlicher

Prosperität und Motor der Entwicklungsfähigkeit einer Region sind“ (ebd., S.57).

Ein Blick auf die Umfrageergebnisse des letzten Freiwilligensurvey 2004 zeigen,

dass „70% der Bevölkerung über 14 Jahren, außerhalb beruflicher und privater

Verpflichtungen und Aktivitäten hinaus in Gruppen, Vereinen, Organisationen und

öffentlichen Einrichtungen aktiv beteiligt“ sind.44 Ein zweiter Blick offenbart allerdings,

dass darin eingeschlossen auch all diejenigen Bürger sind, die lediglich aktiv

beteiligt, nicht aber freiwillig Engagiert sind. Aktiv beteiligt aber ist bereits der Nutzer

einer Jugendfreizeiteinrichtung, eines Bürgercafes, eines kommunalen Kinos usw.

Freiwillig engagiert, also dauerhaft eingebunden und bestimmte Aufgaben

übernehmend, sind dann nur noch 36%, das sind immerhin 2% mehr als 1999.

Allerdings wären weitere 12% (1999 = 10%) immerhin mit Sicherheit bereit zum

freiwilligen Engagement und noch einmal weitere 20% (1999 = 16%) wären vielleicht

bereit. Dabei sind Differenzen unter den tatsächlich Engagierten, bezogen auf

Altersgruppierungen, zu beachten. So ist das Engagement bei den 14-25jährigen von

1999 bis 2004 um einen Prozentpunkt zurückgegangen, während es bei den 36-

45jährigen um 2 Prozentpunkte und bei den 66-75jährigen sogar um 5

Prozentpunkte anstieg. Dabei gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen den

alten und den neuen Bundesländern, während sich 36% in den alten Ländern

engagieren, sind es in den neuen Ländern nur noch 28% der Bevölkerung. Der

Genderblick erlaubt gleichermaßen Unterschiede, so sind „zwar […] die Männer mit

39% noch immer stärker als Frauen freiwillig engagiert, jedoch stieg seit 1999 das

freiwillige Engagement bei Frauen stärker als bei Männern. Das Engagement nahm

besonders bei erwerbstätigen Frauen zu (2004: 37%, 1999: 32%). Männer

engagieren sich zunehmend auch in Bereichen wie ‚Schule und Kindergarten’ sowie

im sozialen Bereich, die mehr vom Engagement der Frauen bestimmt sind“

(Gensicke/Picot/Geiss 2006, S.1545). Hinsichtlich der arbeitslosen Menschen ist die

44 Kurzzusammenfassung des BFSFJ von TNS Infratest, S. 1

45 a.a.O.

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Engagementquote von 23% im Jahr 1999, auf 27% im Jahr 2004 gestiegen,

während sich das Potential sogar von 37% auf 48% erhöhte, dies zeugt davon, dass

der Anspruch die eigenen Interessen zu vertreten deutlich angestiegen ist (ebd.).

Jenseits dieser Erhebungen, lässt sich die Bedeutung des Freiwilligen Engagement

prinzipiell ökonomisch erfassen, wenngleich dies nur sehr ungenaue Schätzungen

bleiben. „Wenn die Annahme des Caritasverbandes Deutschland zugrunde gelegt

wird und jeder freiwillig Engagierte in diesem Rahmen wöchentlich im Durchschnitt

3,5 Stunden tätig ist, davon ausgegangen wird, dass jeder Freiwillige in seinem

Urlaub diese Stunden nicht leistet wird, aber den Rest des Jahres, nämlich 46

Wochen zur Verfügung stünde, so würde jeder ehrenamtlich Tätige 161 Stunden per

anno für die Gesellschaft arbeiten. Dies multipliziert mit 23 Millionen Tätigen in

diesem Feld, so ergäbe eine Jahresstundenleistung von 3,703 Milliarden Stunden.

Würde diese Leistung gemäß TVöD bezahlt werden (lediglich die Eingruppierung 3

für ungelernte Hilfskräfte angenommen und diese Engagierten auch nur in die Stufe

1 für Berufsanfänger eingeordnet), so ergäbe sich ein Jahresbruttogehalt von

26.454,37 € (incl. der ca. 20%-igen Arbeitgeberanteile für die Sozialversicherungen).

Dies entspräche Kosten pro Stunde (bei einer Jahresarbeitszeit von 1611 Stunden in

2009) von Euro 16,42, diese Kosten nun mit der Jahresarbeitsleistung aller

Freiwilligen multipliziert, ergäbe einen Betrag von knapp 61 Milliarden € im Jahr. Es

bleibt zu vermuten, dass der tatsächlich erbrachte Gegenwert erheblich höher

ausfällt. Zum einen werden durchschnittlich vermutlich mehr Stunden geleistet, zum

anderen ist die hier angenommenen Vergütung nicht angemessen, vor allem nicht in

anspruchsvollen Bereichen wie beispielsweise dem Sanitätsdienst, der

Gefahrenabwehr oder dem Brandschutz“ (Schröder 2009, S.42/4346). Nun ließen

sich differenziertere Annahmen entwickeln und einzelne Engagementfelder je

unterschiedlich erfassen und berechnen, so dass sich durchaus ein etwas genaueres

Bild ergäbe, es bleibt dennoch eher Schätzung als rechnerische Erfassung.

Jenseits eines ökonomischen Blicks und monetären Kapitals ließe sich der Fokus

auch auf die Bildung eines Sozialen Kapitals richten, das sich in den Strukturen

einer Bürgergesellschaft bildet. „Die Vereine und Verbände sind das Herzstück einer

46 Schröder, J.-A.: Human Resource Management mit einem Bezug zur ehrenamtlichen Arbeit in

organisatorischen Kontexten. Hausarbeit an der HAW Hamburg, Fakultät Wirtschaft und Soziales, MBA Studiengang 2009

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lebendigen Demokratie, denn in ihnen werden ‚Bürgertugenden’ eingeübt. Mit dem

Begriff des sozialen Kapitals werden vornehmlich drei Dinge beschrieben: Netzwerke

bürgerschaftlichen Engagements, Normen generalisierter Gegenseitigkeit und

soziales Vertrauen. Mit diesen drei Elementen werden die gesellschaftliche

Koordination und die Kooperation zwischen Individuen erleichtert“ (Enquete-

Kommission 1999, a.a.O., S.34). Ein solches Soziales Kapital ist sowohl privates, wie

auch öffentliches Gut, es kann von jedem je unterschiedlich genutzt und eingebracht

werden und insofern auch in sozialen Netzwerken akkumuliert werden. „Als

öffentliches Gut erbringt soziales Kapital externe Effekte, beispielweise allgemeines

Vertrauen, das allen Individuen und Gruppen zugänglich ist. Und als öffentliches Gut

ist es Teil der Leistungsfähigkeit von Institutionen. Dies bedeutet, dass soziales

Kapital auch mit der Qualität von Politik zu tun hat. Politisches Handeln und der

Zustand von Institutionen, ihre Offenheit Bürgerinnen und Bürgern gegenüber, ihre

Transparenz, ihre Leistungsfähigkeit, hat für die Bildung von Sozialkapital –

Vertrauen, Netzwerkbeziehungen, Normen der Gegenseitigkeit – erhebliche

Bedeutung“ (ebd., S.34).

Freiwilliges Engagement ist öffentlich, es gewinnt seine Bedeutung geradezu erst im

öffentlichen Raum. Selbst dort, wo es versteckt stattfindet, etwa im Sterbezimmer

eines Hospiz oder in der Küche einer der Hilfe bedürftigen Familien, gewinnt es

öffentliche Bedeutung durch seine Existenz, durch sein unmittelbares Tun, durch

seine öffentliche Präsenz, im Sinne seines Daseins, seiner Existenz. Darüber hinaus

wirkt es öffentlich, weil es sich anmeldet, seine Stimme (mahnend) erhebt, weil es

sich einmischt, nicht stillhält, sondern weil es aktiv (mit-)gestaltet, Bürgerlichkeit

herstellt und diskursiv, im Sinne Habermas47, gesellschaftliche Prozesse gestaltet.

Das von Habermas entworfene Modell deliberativer Öffentlichkeit, meint die

Begegnung von Bürgern und Bürgerinnen in zivilgesellschaftlichen Foren, in welchen

sie argumentativ Sachfragen erörtern und in denen herrschaftsfrei der Diskurs, das

Argument zählt. Oftmals erst stellt bürgerschaftliches Engagement, wie

Protestkundgebungen oder -aktionen, in Gorleben oder anderswo, öffentliche

Diskussionen um AKWs oder Studiengebühren u. dergl. m., einen öffentlichen Raum

für Themen her, anders als Medien dies können.

47 Habermas, J.: Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen

Rechtsstaats. Frankfurt a.M. 1992

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2.1 Aufgaben gestern, heute, morgen

Freiwilliges Engagement früher war ehrenamtliche Tätigkeit und Bürgerpflicht.

Perikles wir der Ausspruch, „wer an den Dingen der Stadt keinen Anteil nimmt. Ist

kein stiller, sondern ist ein schlechter Bürger“ zugeschrieben (Perikles 500-429 v.

Ch.) Die Entstehungslinien dieser Tätigkeit, klammert man die Funktion der Polis im

alten Athen sowie das politische Engagement des freien Bürgers in den römischen

Städten, um nur zwei wesentliche Felder zu benennen, einmal aus, so entdecken wir

die Ursprünge des ehrenamtlichen Wirkens, in der Versorgung der Armen. Bevor die

Armenfürsorge säkularisiert und professionalisiert wurde, fand sie ihre Ursprünge vor

christlichem Hintergrund, insbesondere in den Klöstern. Stephan Wagner verweist

allerdings, in einem Vortrag, auf die Figur der ‚Elisabeth von Thüringen’, welche als

mildtätige Burgherrin, also jenseits religiöser Institutionen, aber möglicherweise aus

christlicher Überzeugung und Nächstenliebe, sich ebenfalls um die Armen kümmerte,

indem sie Brot verteilte48. Schon lange haben auch weltlich orientierte Menschen und

(Familien-)Systeme sich um die Versorgung Armer gekümmert. Ein bedeutendes

Beispiel für gelebte Fürsorge war die Augsburger Familie Fugger, welche bereits im

16. Jahrhundert 105 Wohnungen errichten ließ, die als erste Sozialsiedlung in die

Geschichte eingingen, noch heute existieren und zu den alten Bedingungen an

Bedürftige vermietet werden.

Am Ende des 18. Jahrhunderts schufen Städte wie Hamburg (1788) oder später

auch Elbingen (1853) Systeme der Armenversorgung, die von vielen anderen

Städten aufgegriffen und weiterentwickelt wurden. Parallel dazu ragten einige

Pastoren besonders heraus, wie beispielsweise Johann Hinrich Wichern

(Johannesstift Spandau, Rauhes Haus Hamburg, Armenhof in Detmold) oder in

London der Pfarrer Barnett, welche große Systeme und Anstalten für die Versorgung

der Armen errichteten. In dieser Zeit entwickelten sich unter anderen die Innere

Mission, später des Evangelische Hilfswerk (die sich nach dem zweiten Weltkrieg

zum Diakonischen Werk zusammenschlossen) sowie die Caritas. Die Versorgung

armer Menschen, nach dem Zerfall feudalistischer Herrschafts- und

Versorgungssysteme, mit ihrem Prinzip der Leibeigenschaft und der geknechteten

Bauernschaft (die versorgt werden mussten), während der zunehmenden

48 Wagner, S. F.: Kurze Geschichte der Ehrenamtlichkeit. Historische Entwicklung - frühe Quellen - Vorzeit und

Mittelalter. DPWV Berlin 2007 (Vortrag zur Jahreshauptversammlung des Unionhilfswerk am 7. Mai 2007)

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Industrialisierung, welche Zuströme vieler Menschen in die aufkommenden Städte

zur Folge hatte, der Entwicklung einer Arbeiter- und Kaufmanns- bzw. Bürgerklasse,

neben dem Adel und den Kirchenständen, führte zur Bildung von unerträglichen

Slums in städtischen Randgebieten und unvorstellbaren Lebensbedingungen (vgl.

hierzu beispielhaft den Roman: Die Weber. von Gerhart Hauptmann). Diese

Skizzierung soll genügen, um aufzuzeigen, das ehrenamtliche Tätigkeit zwei

historische Wurzeln kennt, nämlich die an christlichen Motiven orientierte Versorgung

Bedürftiger und die politisch geforderte Übernahme von Ämtern, wie im alten Athen,

Rom, und anderswo. Diese Entwicklungslinie lässt sich über die viel später

entstandene Preußischen Städteverordnung (verankert im § 191, a.a.O.) bis in

unsere Tage nachvollziehen.

Heute hat das Ehrenamt noch immer, im Kontext institutioneller Rahmungen, eine

echte Bedeutung. Es ist dort (noch) nicht wegzudenken und wird auch weiterhin

Bestand haben, solange sich die Strukturen dieser Organisationen nicht grundlegend

verändern. Noch immer werden viele Institutionen mit sozialem, gesundheitlichen

oder pädagogischen Hintergrund als eingetragene Vereine (e.V.) geführt, damit

agieren an der Spitze dieser Unternehmen, mit oftmals mehreren hundert

ArbeitnehmerInnen, ehrenamtliche Vorstande in der Funktion des Arbeitgebers und

des Lenkers dieser Organisationen. Sie sind ‚die vergessenen Eliten’ der Republik,

wie sie neuerdings in einer Studie grundlegend näher untersucht wurden49. Daneben

lebt der Sektor der Freiwilligenarbeit, wie weiter oben beschrieben, dazu gehören die

Rettungsdienste, wie die DLRG, Sanitäter verschiedener Organisationen (Samariter,

DRK, u.a.), die 26.500 lokalen Freiwilligen Feuerwehren, mit ihren etwa 1,3 Millionen

Angehörigen50, das Technische Hilfswerk, die Bergwacht wie die Deutsche

Seenotrettung u.v.a.m. Sie alle erfüllen tagtäglich wichtige Aufgaben, von denen alle

zehren, die von jedem Bürger benötigt und ggf. in Anspruch genommen wird.

Freiwilligenarbeit ist nicht wegzudenken und professionalisiert in diesem Umfang

nicht zu bezahlen. Sie stiftet Gemeinschaft, Zugehörigkeit, sozialen Frieden,

außerdem individuelle Befriedigung, das Gefühl gebraucht zu werden und Nutzen zu

49 Beher, K./ Krimmer, H./ Rauschenbach, Th./ Zimmer, A.: Die vergessene Elite. Führungskräfte in

gemeinnützigen Organisationen. Weinheim und München 2008

50 Olk, Th.: Perspektiven der Förderung bürgerschaftlichen Engagements . . . a.a.O., S. 2

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stiften, um nur die wesentlichsten Elemente aufzuführen. Sie wird uns auch

zukünftig begleiten, womit wir den Blick auch schon auf das Morgen richten.

Neben diesen benannten, auch zukunftsträchtigen Aufgaben, entwickelte sich, wie

bereits oben beschrieben, das bürgerschaftliche Engagement. Um Redundanzen zu

vermeiden soll auf eine Wiederholung der Inhalte des BE verzichtet werden, diese

wurden weiter oben schon hinreichend beschrieben, sondern es soll der Blick auf

mögliche Entwicklungslinien des BE zur Zivilgesellschaft/ Bürgergesellschaft und zur

Weltbürgerschaft gerichtet werden. Die Aufgaben von morgen, in der zweiten

Moderne (Beck) sind nicht nur die bislang benannten, die auch weiterhin Bedeutung

behalten, sondern sie entwickeln sich parallel zu etablierten politischen Systemen

und werden diese verändern. Mit der Bürgergesellschaft ist ganz wesentlich der

Partizipationsgedanke angesprochen, im Sinne außerparlamentarischer

Entscheidungen. Die dazu notwendigen Formen, wie Bürgeranhörungen, -

befragungen, Bürgerbeteiligung, Bürgerentscheidungen, Direktwahlen und

dergleichen mehr, entwickeln sich und werden weiter zu entwickeln sein. Damit ist

die Bürgergesellschaft zunächst eine kommunale Gesellschaft, die für sich und vor

Ort alle wesentlichen Entscheidungen diskutiert und trifft. Das setzt allerdings eine

„Repolitisierung der Kommunalpolitik“ voraus, „ja ihre Neufindung und

Neubestimmung, in dem Sinne, das Programme, Ideen und Menschen mobilisiert

werden müssen“ (Beck, S. 3051). Sie ist aber auch eine parlamentarische

Gesellschaft, jenseits nationalstaatlichen Denkens, die sich über Vertretungen in

Kontinentalparlamenten (EU, USA und künftig andere) und Weltinstitutionen

(Nichtregierungsorganisationen) einbringt und dort partizipative Strukturen aus dem

kommunalen Bereich überträgt, modifiziert und etabliert, im Sinne einer Verfestigung

dieser Struktur, nicht deren methodischem Handwerkszeug. Ein solcherlei

verstandenes Bürgerschaftliches Engagement benötigt den ‚ermöglichenden Staat’

bzw. den aktivierenden Staat (Klein, a.a.O., S. 21), aber die Wirkungen sind reziprok,

schließlich gilt diese Bedingung auch im Umkehrschluss. Der ermöglichende Staat

hat viele Gesichter, er ist auch ein gesetzgebender-, ein exekutiver-, ein Leistung

gebender Staat, ein Sozialstaat. Wenn es richtig ist, „dass Sozialpolitik es mit der

Vermittlung von Staat und bürgerlicher Gesellschaft zu tun hat, oder moderner

formuliert: mit der Abarbeitung der Folgeprobleme einer funktionsorientierten

51 Beck, U. (Hrsg.): Kinder der Freiheit. Frankfurt a. M. 1997

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Strukturdifferenzierung sich modernisierender Gesellschaften, so kann es nicht

genügen, die Dinge entweder aus der Sicht des Staates – also juristisch oder

politikwissenschaftlich – oder aus der Sicht der Marktwirtschaft bzw. einem breiter

angesetztem Konzept der Versorgung oder der Wohlfahrtsproduktion – also

ökonomisch oder soziologisch – zu betrachten“ (Kaufmann, S. 179-18052). Kaufmann

plädiert für eine „Verschränkung der disziplinären Perspektiven“ (ebd.), weil nur so

Sozialpolitik und Sozialstaat als „hybrides Gebilde“ zu fassen sei. Sozialpolitik hat

neben einer personalen – immer auch eine systemorientierte Funktion, die

zusammengedacht werden müssen. Wenn Sozialpolitik ‚zwischen Staat und

bürgerlicher Gesellschaft vermittelt’, so tut sie dies nach Kaufmann des ‚kollektiven

Nutzens’ wegen, nämlich ‚der Humankapitalbildung, der inneren Pazifizierung oder

der Verwirklichung akzeptierter Werte wegen’ (ebd., S. 180). Dies wird nur gelingen,

wenn „Betroffene zu Beteiligten“ gemacht werden, „statt ihnen – wie bisher –

politische ‚Sachzwänge’ im neuen rhetorischen Gewand schmackhaft machen zu

wollen“ (Klein, A. 2001, a.a.O., S. 23). Oder anders gesagt, die Ermächtigung zur

Zivilgesellschaft „läuft auf eine paradoxe Reformpolitik des staatlichen

Machtverzichts hinaus. Der Staatsapparat soll so ab- und umgebaut werden, dass

gesetzlich geschützte Räume für eine konkurrierende Gestaltungsmacht […]

entstehen, die gewaltfrei, selbstorganisiert, selbstreflexiv und in dauernder Spannung

miteinander und mit den staatlichen Behörden gesellschaftliche Kreativität und

Selbstverantwortung entfalten“ (Beck 200053). Dazu schreibt die Bundesregierung

2009 auf ihrer Internetseite: „Die Bundesregierung will das bürgerschaftliche

Engagement in Deutschland künftig noch attraktiver machen. […] Ziel ist eine

umfassende und zwischen Bund, Ländern und Kommunen abgestimmte

Engagementpolitik. Mit der Initiative Zivil-Engagement "Miteinander – Füreinander",

die im Sommer 2007 ins Leben gerufen wurde, hat das Bundesfamilienministerium

einen wichtigen Schritt zur Stärkung des freiwilligen Engagements getan. […] Das

Bundesfamilienministerium unterstützt daher die Anstrengungen des Nationale

Forums für Engagement und Partizipation, das vom Bundesnetzwerk

Bürgerschaftliches Engagement (BBE) gegründet wurde. Das Forum begleitet die

Abstimmung einer Engagementstrategie der Bundesregierung mit den

52 Kaufmann, F.-X.: Sozialpolitisches Denken. Frankfurt a.M. 2003

53 Beck, U.: Mehr Zivilcourage bitte. Ein Vorschlag an die Adresse Gerhard Schröders: Wir brauchen eine

Gesellschaft engagierter Individuen. In: DIE ZEIT, 25.05.2000

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Bundesländern, den kommunalen Spitzenverbänden, den Mitgliedern des

Deutschen Bundestags sowie den Trägern der Zivilgesellschaft, den Kirchen, der

Wirtschaft und Wissenschaft“ (BMFSFJ54). Damit ist die Zukunft des BE zwar offen,

niemand wird schließlich heute sagen können, wie dieses in 10, 20 und 30 Jahres

aussieht, dennoch wurden Weichen gestellt für eine partizipative Zivilgesellschaft,

was in Anbetracht der Tatsache, das Bürger zunehmend mehr ihre Belange selbst in

die Hand nehmen auch notwendig wird (Klein, a.a.O.). Die bestehenden Sorgen und

Ängste der Verwaltungen, der Behörden und vieler Politiker, insbesondere in den

kommunalen Parlamenten, werden mit wachsender Bürgerbeteiligung vermutlich

sinken.

2.2 Engagement und Potential in der BRD

Eine verlässliche Antwort auf diese Fragestellung ist kaum möglich, zwar gab es

noch nie so viele wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Thema, aber gleichzeitig

„bestehen zahlreiche Wissenslücken, sind existierende Daten oft nicht ausreichend

belastbar oder liegen nicht in der erforderlichen Differenziertheit vor“ (WZB: Alscher

et al., a.a.O., S.20). Unterschiedliche Studien kommen zu unterschiedlichen

Untersuchungsergebnissen, was sowohl an unterschiedlichen Fragestellungen liegt,

am jeweilig gewählten Ausschnitt bürgerschaftlichen Engagements, den

Forschungskonzepten und deren Operationalisierungen, an Unterschieden in den

Stichproben und den Erhebungsinstrumenten. Insofern differiert die

Engagementquote in Deutschland von 52% (Quelle: ‚Eurobarometer’ 2006,

European Commission 2007) bis hin zu 18% (Quelle: AWA-Institut für Demoskopie

Allensbach 2008), der Freiwilligensurvey von 2004, liegt mit 36% aller Bürger (über

14 Jahren) in etwa in der Mitte (ebd., S.21). Allerdings unterscheidet der

Freiwilligensurvey in aktive und freiwillig engagierte Bürger, addiert man diese beiden

Erhebungen, so kommt der Survey auf gar 66% aktive und freiwillig engagierte

Bürger (sic!). Aber Vorsicht ist geboten, denn aktiv ist bereits der Freizeitsportler in

einem Verein, der sich außer für sich selber, nämlich aktiv Sport treibend, sonst nicht

weiter engagiert. Ein anderes Beispiel verweist auf die Engagementquote der über

50-jährigen, die laut Freiwilligensurvey 2004, bei 32,9% liegt. Der ‚Survey of Health,

Ageing and Retirement in Europe’ (SHARE) ergab für die gleiche Altersgruppe

54 BMFSFJ: Bürgerschaftliche Engagement. 06.05.2009

(www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/BMFSFJ/Engagementpolitik/buergerschaftlich ... 06.08.2009

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lediglich 12,9% Engagierte. Bei dieser Erhebung wurde nach der Ausübung einer

ehrenamtlichen Tätigkeit in Verbindung mit einer Aktivität im Verein, im kirchlichen

Bereich oder einer politischen Organisation bzw. Bürgerinitiative gefragt (ebd.,

a.a.O., S.22). Je enger also die Fragestellung hinsichtlich des Engagements wird,

desto geringer wird zwangsläufig auch die Beteiligung am selben in der Bevölkerung.

Bezogen auf das Individuum lässt sich im Freiwilligensurvey ein

Engagementranking ablesen, so sind beispielweise 19,8% aller Aktiven im

Sportbereich engagiert, 13% in Schulen und Kindergärten, 10,4% in religiösen

bereichen und Kirchen, 10% im Sozialen Bereich, aber nur noch 5% in politischen

Interessenvertretungen, 1,6% im Gesundheitsbereich und noch 0,8% befassen sich

mit Justiz und Kriminalität (WZB, S.29). Bezogen auf Organisationsformen stehen

die Vereine ganz oben an, hier sind laut Freiwilligensurvey 2004 43,4% aller

Engagierten aktiv, gefolgt von jeweils 14,9% in Kirchen und religiösen Vereinigungen

sowie Selbsthilfegruppen/Initiativen/Projekte/Sonstiges und immerhin engagieren

sich noch 12% in staatlichen bzw. kommunalen Einrichtungen (ebd.). Ausgeklammert

wurden bisher die informellen Bereiche des Engagements. „Laut Freizeit-Monitor

2007 gaben 58% der Befragten in Deutschland an, handwerklich im Freundeskreis

tätig zu sein, darunter 19% täglich bis einmal pro Monat. Nach der gleichen Quelle

leisten 81% Nachbarschaftshilfe, darunter 34% von täglich bis einmal pro Monat (vgl.

BAT-Stiftung für Zukunftsfragen 2008)“ (WZB, S.32). Die längerfristige Entwicklung

des Engagements zeigt gemäß den Daten des Sozio-oekonomischen-Panels

(SOEP) eine Steigerung von 22,6% im Jahre 1985 auf 30,4% im Jahre 2007,

betrachtet man die Zahlen der sich regelmäßig (mind. 1x mtl.) Engagierten, so

stiegen die von knapp 14% 1985 auf 17,2% 2007 und immerhin engagieren sich

wöchentlich 9,1% im Jahre 2007. Ein wichtiger und vielleicht überraschender Befund

der SOEP Längsschnittanalysen ist die Dynamik in diesem Feld, also die relativen

kurzfristigen Ein- und Austritte in den Engagementbereichen. „Bei 55% der

Engagierten gab es in den genannten Zeiträumen sogar drei und mehr

Engagementepisoden, […]. Da die Frage zum Engagement nicht jährlich erhoben

wurde, ist die Anzahl der Aus- und Wiedereintritte noch höher anzusetzen (WZB,

S.35).

Die Engagementquote ist hinsichtlich ihrer Zuordnung auf das Lebensumfeld recht

unterschiedlich, so liegt die Quote in der dörflichen Bevölkerung bei 38,8%, in den

Landstädten bei 42,3%, in Kleinstädten bei 37,8% in Mittelstädten bei 30,5%, in

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Großstädten bei 30,1% (Freiwilligensurvey 2004). Bürgerliches Engagement hat

auch ein Geschlecht, dies zeigt sich sowohl in der Quote als auch in der

Bereichszuordnung des Engagements und zu guter Letzt in der

Geschlechterverteilung auf Leitungsebenen. Die Gesamtquote liegt im Jahre 2008

bei den Frauen bei 31,6%, bei den Männern sind es 37,9% (vgl. Prognos/Generali

200955). Dabei zeigt sich, dass Frauen in den Bereichen aktiv sind, die „eine Nähe

zum Sozialen bzw. zur Familie aufweisen. Damit reproduzieren sich die traditionellen

Rollenmuster im Engagement (horizontale Segregierung)“ (WZB, S.37). In Bezug auf

Leitungspositionen sind im Jahre 2004 nur 25,7% der engagierten Frauen dort

eingebunden, aber immerhin 42,1% der Männer. Dies wird besonders auffällig im

Sozialen Bereich, der ja von den Frauen dominiert ist, dort sind aber nur 19,1% der

Frauen in Leitungsfunktionen, aber dafür 43,4% der Männer (WZB, S.38). Betrachtet

man die Engagementquote nach Alter, so ergibt sich im Jahre 2004

(Freiwilligensurvey) folgendes Bild: bei den 14-29-jährigen ist die Quote mit 35%

angegeben (35% anno 1999), bei den 30-59-jährigen beträgt die Quote 39% (37%

anno 1999), bei den 60-69-jährigen liegt sie bei 37% (31% anno 1999), bei den 70-

75-jährigen ist sie angegeben mit 28% (24% anno 1999), bei den 76-79-jährigen

beträt sie 14% (10% anno 1999) und bei den 80-jährigen und älteren Bürgern liegt

sie bei 14% (10% anno 1999), gesamt bei 36% (34% anno 1999).

Will man das Potential für bürgerschaftliches Engagement in der Bevölkerung

betrachten, so ergibt sich kein eindeutiges Bild. Der Freiwilligensurvey beschreibt ein

deutlich gestiegenes Bereitschaftspotential in der Bevölkerung. So sind unter den 14-

24-jährigen 36% aktiv (37% anno 1999) und weitere 43% sind grundsätzlich an

einem Engagement interessiert (40% anno 1999), ähnlich verhält es sich auch in den

anderen Altersgruppierungen, „dies zeigt sicherlich auch, dass noch viel

Engagementpotential sozusagen ‚brachliegt’“ (Survey 2004, a.a.O., S.213).

Betrachtet man das Bereitschaftspotential bei den nicht Engagierten, so sind von

diesen, bei den 14-24-jährigen, 31% sicher bereit sich zu engagieren und weitere

42% sind vielleicht bereit, 27% wollen sich absolut nicht engagieren, bei den 25-59-

jährigen sind 22% sicher bereit, 39% vielleicht bereit und bei den 60-jährigen und

Älteren sind immerhin noch 9% bereit und weitere 19% vielleicht bereit Engagement

zu übernehmen. Bei den bereits jetzt schon Engagierten sind unter den 14-24-

55 In: WZB, a.a.O., S.37

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jährigen 67% bereit sich sicher noch mehr zu engagieren und 28% sagen das eine

Ausweitung ihre Engagement nicht möglich ist, 5% wissen es derzeit nicht zu sagen,

bei den 25-59-jährigen wollen 38% ihr Engagement ausweiten, 55% sehen sich dazu

nicht in der Lage und 7% wissen es nicht, bei den 60-jährigen und Älteren könnten

sich 30% offensichtlich noch mehr engagieren, 63% können das nicht und 7%

wissen es derzeit nicht. Diese Ergebnisse verweist zunächst auf mögliche, noch

brachliegende Potentiale. Hirschmann verweist darauf, dass Aufschwungphasen des

Engagements zusammenhingen mit einem anhaltenden individuellen wirtschaftlichen

Aufschwung56. Unabhängig von der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise, stellt sich

in diesem Zusammenhang die Frage, bei nämlich anhaltender neoliberaler

Wirtschaftpolitik und einer weiteren Abnahme der Mittelschicht, woher sich künftig

bürgerschaftliches Engagement rekrutiert? Das Schrumpfen der Mittelschicht hält

schon seit geraumer Zeit an, betrug der Bevölkerungsanteil 1985 noch 63%, so

waren es im Jahre 2007 nur noch 55% die vom Median des Einkommens um 70%

bis 150% abwichen, die armutsgefährdete Schicht blieb konstant bei etwa 18%,

während die Einkommensstarken von 19% im Jahre 1985 auf etwa 27% im Jahre

2007 angewachsen ist (Abweichung vom Median um +150% und mehr) (WZB,

a.a.O.; S.56-57). Außerdem müsste selbst bei gleichbleibendem Engagement (in

absoluten Zahlen) und dem Schwinden der Bevölkerung (demografischer Faktor) ein

hoher relativer Engagementzuwachs erfolgen, soll das derzeitige Niveau erhalten

bleiben. In diesem Zusammenhang macht zum einen das WZB auf das Potential der

älteren Menschen aufmerksam, die zum einen eine immer höhere Lebenserwartung

haben und immer länger gesund und fit bleiben, zum anderen verweisen

Mai/Swiaczny57 darauf, dass der demografische Wandel auch einen Wandel in den

Engagementbereichen nach sich zieht, so gehen beide davon aus, dass ein

Zuwachs nur noch im Sozialen Bereich erfolgen wird, in allen anderen

Engagementfeldern wird es deutliche Verluste geben, besonders groß werden diese

in den Kindergärten, Schulen, Unfall- und Rettungsdiensten sowie den Freiwilligen

Feuerwehren ausfallen. Ein weiteres Gefälle wird zwischen Land- und

56 Hirschmann, A. O.: Engagement und Enttäuschung. Über das Schwanken der Bürger zwischen Privatwohl und

Gemeinwohl. Frankfurt a.M. 1984

57 Mai, R,/ Swiaczny, F.: Demografische Entwicklung. Potentiale für Bürgerschaftliches Engagement. Materialien

zur Bevölkerungswissenschaft 126. Wiesbaden 2008 Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

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Stadtbevölkerung sowie Ost und West, also den neuen- und den alten

Bundesländern erwartet (vgl. Neu 200958).

3. Aufgaben der Organisationen in Bezug auf Freiwilliges Engagement

Bereits die Überschreibung dieses Kapitels verweist auf zwei Einschränkungen,

erstens auf einen organisatorischen Hintergrund freiwilligen Engagements, zweitens

auf die, mit dieser Perspektive verbundene Begrenzung desselbigen. Mit der

Betrachtung der Unterpunkte wird auch die Einordnung der Freiwilligen als quasi

Mitarbeiter einer Organisation deutlich. Während oben, einleitend, das breite

Spektrum ‚Freiwilligen Engagements’ skizziert wurde, geht es im Folgenden um die

Spezifika von Freiwilligen, welche gewissermaßen ihren freiwilligen ‚Dienst’ am

Nächsten innerhalb von (Nonprofit-)Organisationen leisten. Wie lassen sich

Freiwillige finden und gewinnen, wie können diese an die Organisation gebunden

werden, wie lassen sie sich dort aufgabenbezogen einbinden, wie lenken und führen,

ohne organisatorisch notwendige Abläufe zu behindern, wie können sie derart

entwickelt werden, dass sie der Organisation nützen und darüber Nutzen für sich

selber empfinden? Diesen Fragen soll im Folgenden mit Hilfe von Literatur und

Berichten nachgegangen werden. Im Kapitel B werden diese Fragestellungen in

Bezug auf den professionellen Kontext, also tatsächlich bezahlter und vertraglich

eingebundener Mitarbeiter/innen, beleuchtet. Als praktisches Beispiel dienen hier die

Frühen Hilfen (Kapitel C), welche dort skizziert werden. Auf der Basis dort gemachter

praktischer Erfahrungen, vor dem Hintergrund der Betrachtungen im Kapitel A und

den Erkenntnissen des professionellen Kontextes (Kapitel B), sollen im Kapitel D alle

drei Perspektiven zusammengeführt werden und in Empfehlungen für die Praxis

münden.

3.1 Akquise

Freiwillige gewinnt man nicht über (Stellen-)Ausschreibungen, es gibt ja auch nichts

zu besetzen (im Sinne einer ‚Stelle’). Wer sich freiwillig engagiert, wer Zeit,

Kenntnisse, Arbeitseinsatz und anderes mehr spendet, der tut dies für ein Projekt, für

eine spezifische Aufgabe und oft für eine bestimmte Organisation, von der er

58 Neu, C.: Demografischer Wandel in entlegenen ländlichen Räumen – Herausforderung für die

Zivilgesellschaft. In: BMFSFJ (Hrsg.): Zukunft gestalten – sozialen Zusammenhalt sichern. Nachhaltige Entwicklung durch bürgerschaftliches Engagement. BMFSFJ Internetdownload, S.125 ff.

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annimmt, dass sie seinen Wertvorstellungen möglichst nahe kommt, der tut dies

weil er vielleicht dazu gehören möchte, weil er helfen will, lernfreudig ist, sich

moralisch verantwortlich fühlt, neu am Ort ist und Menschen kennen lernen möchte,

weil er ein Macher-Typ ist oder gar ein Spezialist, der sich mit seinem Wissen und

Können einbringen will, vielleicht ist das auch seine Art zu entspannen, sich einfach

wohl zu fühlen. Heckhausen unterscheidet situative und personale Motive,

differenziert zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation59. Eine von außen

gesetzte Motivation wäre demnach die Mitwirkung an einem Projekt der sozialen

Kontakte wegen. Systemisch betrachtet wäre in diesem Beispiel der Wunsch nach

sozialen Kontakten ebenfalls ein im System liegender Aspekt, damit ein intrinsischer

und die Gruppe ein außen liegendes Ereignis, welches in das System integriert

werden kann oder eben nicht. Hier läge Motivation stets im System.

Wer werben will muss nicht nur sein eigenes Portfolio entwickelt haben, seine

eigenen Stärken und Schwächen kennen, er muss vor allem auch wissen, was der

umworbene Mensch will, warum er möglicherweise kommen (sollte), was seine

Motive für ein gewünschtes Engagement sein könnten und es muss sich eine

Passung herstellen lassen. Will eine Organisation Freiwillige werben, so wird sie sich

präsentieren müssen, sie muss sagen wer sie ist, was sie will, wofür sie steht.

Bestimmte Organisationen (NABU; BUND, Amnesty, WFF, Caritas, Malteser, Diakonie

u. a.) haben es da leichter, da sie über Jahrzehnte hinweg ein in der Öffentlichkeit

bekanntes Profil entwickeln konnten. Trotzdem muss jede Organisation ihre

Tätigkeitsfelder für die Freiwilligen präzise beschreiben sowie den gesellschaftlichen

Stellenwert und Nutzen darstellen. Dann wird sie den Nutzen für den Freiwilligen

herausarbeiten müssen, sie muss deutlich machen, was der Freiwillige von seiner

Mitarbeit hat. Um dies zu leisten sind einmalig und dauerhaft angelegte Verfahren

notwendig. Einmalige Aktionen können die Teilnahme an einem Freiwilligentag im

Land sein, mit einem eigenen Workshop, mit ausliegendem Werbematerial, mit

einem guten Referat und dergleichen mehr oder auch die Aktion im Ort, die

Präsentation eines Projektes in der örtlichen Presse. Dauerhafte Akquise gelingt

durch Freiwilligenagenturen, durch Internetpräsenz, also einer ansprechenden

Homepage, durch dauerhaft ausliegendes Werbematerial an festen und möglichst

günstigen Orten und alles bedarf der regelmäßigen Pflege und Aktualisierung.

59 Heckhausen, H.: Motivation und Handeln. Berlin 1989

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Die Institution, die erfolgreich werben will, muss allerdings mehr tun und wissen,

als das bisher Beschriebene aufzeigt, sie muss sich mit dem demografischen

Wandel auseinandersetzen, sie muss erfahren woher jetzt und künftig die

Freiwilligen kommen, sie sollte sich mit der Frage auseinandersetzen, wie soziales

Engagement überhaupt entsteht.

Eine repräsentative Befragung in Deutschland, aus dem Jahr 1996 ergab folgendes

Motivationsranking: 65% sagten: ‚Es macht mir wirklich Spaß’; 50% gaben an ‚Ich

treffe Menschen und gewinne Freunde’; 30% benannten: ‚Es hilft mir aktiv und

gesund zu bleiben’; weitere 30% meinten: ‚Es entspricht meinen moralischen

Prinzipien’; jeweils 27% benannten: ‚Es ist die Befriedigung, Ergebnisse zu sehen’

und ‚Es erweitert meine Lebenserfahrung’; zu guter Letzt sagten 20%: ‚Es gibt mir

Gelegenheit, neue Fertigkeiten zu erlernen’ (Gaskin, Smith, Paulwitz60). Die

Freiwilligensurveys 1999 und 2004 verweisen darauf, dass freiwilliges Engagement

mehr eine kultur- als eine strukturbestimmte Angelegenheit ist. „Hohes

Bildungsniveau, hohes Einkommen und gute persönliche wirtschaftliche Lage, hohe

Kirchenbindung, ein großer Freundes- und Bekanntenkreis, erhöhte Haushaltsgröße

gehen in Einzelanalysen mit erhöhtem freiwilligen Engagement einher, […]

(BMFSFJ, S.8861). Die signifikantesten Faktoren sind in folgender Rangfolge: ‚Größe

des Freundes- und Bekanntenkreises’, ‚Kirchenbindung’, ‚Kreativitäts- und

Engagementwerte62’ (ebd. vgl. Tabelle auf S. 90). Insgesamt dominieren Werte und

Bildung, weniger materielle Bedingungen, so das Fazit. Auffallend ist, dass die

Eingangsmotive sich offensichtlich eher nicht verschieben, sondern in ihrer

Bedeutung, mit der Länge freiwilliger Tätigkeit, steigen. „Eine mögliche Interpretation

besagt, dass ehrenamtliche Helfer durch ihre Erfahrung im Sinne eines Prozesses

der Selbstwahrnehmung zu einer stärkeren Beachtung und Betonung bestimmter

60 Gaskin, K./ Smith, J./ Paulwitz, I.: Ein neues bürgerliches Europa. Freiburg 1996

61 BMFSFJ (Hrsg.) Geiss, S./Gensicke, Th./Picot, S.: Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999-2004. (II.

Freiwilligensurvey, durchgeführt im Auftrag des BFSFJ, vorgelegt von TNS Infratest Sozialforschung) BFSFJ. München 2005 62

Dies ist eine Sammelvariable, gebildet aus der Wichtigkeit von Kreativität, Toleranz, sozialer Hilfebereitschaft und politischem Engagement.

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Motive für ihre Tätigkeit kommen, die ihnen anfangs in ihrer Bedeutung nicht

zugänglich waren, weil die konkrete Erfahrung fehlte“ (Bierhoff, S. 2763).

Woher kommen die Freiwilligen künftig? 35% der jungen Menschen (14-25 Jahre)

sind freiwillig engagiert, weiter 34% der 26-35-jährigen sind dies gleichermaßen.

Wollen wir davon ausgehen, dass sich diese Prozentsätze stabil halte, so wird bei

der derzeitigen demografischen Entwicklung und deren Vorausberechnungen der

‚Kuchen’ (aller jungen Menschen) kleiner, anders gesagt, stehen uns im Jahre 2040,

absolut betrachtet, erheblich weniger jungen Menschen zur Verfügung als heute,

nämlich nur noch 77% der heutigen Population, bei den 30-39-jährigen fällt der

Rückgang noch dramatischer aus, es werden dann nur noch 65% der derzeitigen

Population existieren. „Nimmt man alle Altersgruppen zusammen, reduziert sich die

Zahl der Freiwilligen in den Jahren bis 2040 in Deutschland um ca. 24%. Jeder

Vierte, der bislang zu den Aktiven oder dem Potential gerechnet wird, wir künftig

entfallen“ (Rosenkranz/ Görtler 2002, S. 3664). Die Autoren gehen parallel von einer

gesteigerten Bedeutung freiwilligen Engagements aus, denn die Sicherung des

bestehenden Engagements, bei Abnahme der tatsächlich Engagierten, wird ein

herausforderndes Thema werden, der künftige Ausbau, insbesondere in den

bereichen Sozialer Arbeit und Pflege, steht der Thematik oben in nichts nach,

außerdem vermutet das Autorenduo, dass künftig mehr Freiwillige zur Entlastung

professioneller Kräfte benötigt werden, da diese mehr Aufgaben zu bewältigen haben

werden als heute (was einer Fortsetzung des bestehenden Trend entspräche).

Das bedeutet für die Organisationen des Dritten Sektors sich mit strategischen

Planungen dieses Bereiches auseinandersetzten zu müssen. Dazu gehört die

Aufnahme der Thematik „Freiwilliges Engagement“ in die Lehrpläne (Modulpläne) der

Studiengänge und Ausbildungen in den Bereichen Gesundheit, Pflege, Soziales,

Pädagogik und ggf. Psychologie, also in den Feldern, die später mit hoher

Wahrscheinlichkeit mit Freiwilligen in beruflichen Kontexten zu tun haben werden.

Der Wandel der Fertiliät zwingt dazu sich mit der Substitution von jungen Freiwilligen

63 Bierhoff, H.-W.: Wie entsteht soziales Engagement und wie wird es aufrechterhalten? In: Rosenkranz, D./

Weber, A.: Freiwilligenarbeit. Einführung in das Management von Ehrenamtlichen in der Sozialen Arbeit. Weinheim und München 2002

64 Rosenkranz, D./ Görtler, E.: Woher kommen in Zukunft die Freiwillige? In: Rosenkranz, D./ Weber, A.:

Freiwilligenarbeit. Einführung in das Management von Ehrenamtlichen in der Sozialen Arbeit. Weinheim und München 2002

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durch alte Freiwillige zu beschäftigen. Immerhin lässt sich von 1999 auf 2004 eine

Steigerung des Engagement der 66-75-jährigen um 5%, auf nunmehr 31% dieser

Alterskohorte feststellen, bei den 76+-jährigen beträgt diese Quote 2% und macht

absolut 18% der Altersgruppe aus (Survey 1999-2004, a.a.O.). Da medizinische und

gesundheitliche Entwicklungen die Alterspyramide zunächst eher verfestigen

werden, liegt es auf der Hand, in dieser Alterskohorte gezielt Engagierte zu

akquirieren.

Weiterhin werden sich die Organisationen mit der sehr bewussten, gezielten

Rekrutierung Freiwilliger beschäftigen müssen, da die ‚Vererbung von Ehrenämtern’,

wie sie früher und zum Teil noch heute der Fall war bzw. ist, künftig zunehmend

mehr entfallen wird. Dies erfordert eine gezielte Suche und Ansprache in jeweils (je

nach Zweck und Aufgabenstellung) bestimmten Gruppen der Bevölkerung. Dazu

müssen einerseits neue Formen der Akquise entwickelt werden und es bedarf

zweitens einer genauen regionalen Kenntnis der Bevölkerungsstruktur, also

differenzierter regionaler Daten, die die derzeitigen Freiwilligensurveys nicht

hergeben. Diese Surveys sind eine wichtige und wertvolle Orientierungshilfe auf

Bundesebene, daneben aber braucht es regionale Erhebungen.

Einerseits engagieren sich zwar 35% aller 14-25-jährigen freiwillig, dennoch haben

andererseits 80% der Jugendlichen noch nie was von Informationsstellen zum

Ehrenamt gehört (Picot 200065). Insofern muss die Frage nach erhöhter

Erreichbarkeit Jugendlicher und insbesondere die Erreichbarkeit ausländischer

Jugendlicher gestellt und bearbeitet werden. Dies findet einerseits seine Bedeutung,

hinsichtlich der Steigerung von Handlungskompetenzen dieser Alterskohorte sowie

andererseits sein Bedeutung um gelungene Integration Jugendlicher, insbesondere

mit Migrationshintergrund.

Das Zusammenwirken sozialer Organisationen mit Wirtschaftsorganisationen der

(sozialen) Marktwirtschaft, also dem Corporate Volunteering oder dem Corporate

Citizenship gilt es künftig mehr Bedeutung beizumessen. Hier liegt ein noch nicht gut

genutztes Potenzial (sieh hierzu Schöning/ Kraus & Büchler & Wild66). Wenn es

65 Picot, S.: Jugend und freiwilliges Engagement. In: Rosenbladt, von B.: Freiwilligensurvey 1999. Stuttgart 2000

66 Schöning, B./ Kraus, G.: Corporate Volunteering. Wenn Soziale Arbeit und Wirtschaft voneinander

profitieren. In: Rosenkranz, D./ Weber, A.: Freiwilligenarbeit. Einführung in das Management von

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gelingt, Berufstätigen die Möglichkeit und Chance zu eröffnen, über ihren

Tellerrand hinwegzuklettern, sich in soziale Bereiche einzuklinken und dort nicht nur

ihren Horizont zu erweitern, sondern tatsächlich wertvolle Hilfe in (gut vorbereiteten)

Projekten zu leisten, haben sowohl diese Projekte einen Nutzen davon, als auch die

beteiligten Menschen ganz unmittelbar, aber auch die Firmen, da ihren Mitarbeitern

soziale Kompetenzerweiterung vermittelt wird und das öffentliche Bild einer derart

engagierten Firma, als eben auch sozial engagiertes Unternehmen sich verankert.

„Angesichts der insgesamt geringeren Beteiligung von Frauen am ehrenamtlichen

Engagement und der Geschlechterverteilung in den höheren Altersgruppen sind

auch Frauen als Potential für eine Umstrukturierung der Freiwilligenarbeit zu sehen.

Verstärkt z.B. als Teil der Frauenförderung, als Teil einer schrittweisen Integration in

den Beruf etwa nach der Elternzeit“ Rosenkranz/ Görtler 2002, a.a.O., S.41).

Tatsächlich engagierten sich 2004 32% aller Frauen und 39% der Männer. „Die

Anteile an freiwillig Engagierten in den weiblichen Altersgruppen unterschieden sich

1999 stärker als bei den männlichen Altersgruppen. Das ist auch 2004 so geblieben.

Nur 21% sind in der Altersgruppe der Seniorinnen engagiert, aber 41% der Frauen

im Alter von 35 bis 44 Jahren, eine Differenz von 20 Prozentpunkten“

(Freiwilligensurvey, a.a.O., S.264). In diesem Bereich scheint tatsächlich Potential

vorhanden, wenngleich der Blick auf die Lebenssituation von Frauen gerichtet

werden muss, denn was genau ist die Ursache für eine geringere Beteiligung der

Frauen, wie verhält es sich mit der Wechselwirkung von Rollenbildern,

Familienbindungen, (parallelen) beruflichen Werdegängen und freiwilligem

Engagement? Aber auch bei den über 65-jährigen engagierten sich im Jahre 2004

nur 21% der Frauen, aber 34% der Männer. Nun ist die absolute Zahl der Frauen in

diesen Jahrgängen höher als bei den Männern, so dass auch die absoluten Zahlen

von Frauen und Männern sich möglicherweise mit zunehmendem Alter angleichen,

dennoch bleibt der relative Unterschied beträchtlich. Insofern schlummert an dieser

Stelle durchaus ein Potential, welches strategisch mitbedacht werden muss.

Ehrenamtlichen in der Sozialen Arbeit. Weinheim und München 2002 & Büchler, Ch.: Das Beispiel HENKEL. In: derselbe (s.o.) & Wild, A.: Das Beispiel Siemens Unternehmensberatung: In: derselbe (s.o.)

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3.2 Personalentwicklung (Freiwilligenentwicklung)

In diesem Abschnitt geht es um die Entwicklung Freiwilliger in

Organisationskontexten, analog zu (PE) Personalentwicklungen (‚echter Mitarbeiter’)

gedacht. Schließlich sind auch die ‚gebundenen’ Freiwilligen (das sind nicht die

einmaligen Volunteers aus den marktwirtschaftlichen Bereichen i.S. eines corporate

citizenship oder die projektorientiert Engagierten) quasi Mitarbeiter einer

Organisation, leisten verbindliche und bedeutende Arbeit, zeigen Stärken und

Schwächen, bringen unterschiedliche Kompetenzen mit, müssen für ihre Aufgabe(n)

fit gemacht werden, sollen an die Organisation möglichst langfristig gebunden

bleiben und damit zur wertvollen Ressource derselben werden. Wie und mit welchen

Instrumenten gelingt Freiwilligenentwicklung? So wird beispielsweise in England ein

schriftlich fixiertes Volunteer Agreement vereinbart, das ist kein Vertrag, sondern

eine gegenseitige Verpflichtung. „Verabredet wird, dass die Organisation dem

Freiwilligen eine angemessene Anleitung, Aus- und Fortbildung, Begleitung,

Unterstützung und Partizipation garantiert sowie seine Fähigkeiten und Kenntnisse

achtet. Im Gegenzug stimmt der Freiwillige zu, im Sinne des Leitbildes der

Organisation zu arbeiten, die Schweigepflicht zu wahren und vereinbarte

Zeitvorgaben einzuhalten“ (Bliedermann 2002, S.8467).

Personalentwicklung, wie auch die Entwicklung Freiwilliger geschieht idealtypisch

systematisch und zielgerichtet, es geht um Weiterbildung (Qualifikation) von (quasi)

Mitarbeitern. Daneben bilden sich Menschen, intrinsisch motiviert, losgelöst von ihrer

Organisation weiter, um ihre Fähigkeiten und Kenntnisse zu vertiefen – diese Form

ist hier nicht gemeint. Anlass zur Personal- bzw. Freiwilligenentwicklung einer

(sozialen) Organisation kann in veränderten Marktbedingungen (Wettbewerb) liegen,

in neuen Produktionsformen (beispielweise pflegerischen – oder

sozialpädagogischen Angeboten), einem notwendigen Change Management (dem

radikalen Wechsel eines spezifischen Angebotes zu einem ganz Neuen) , einer

neuen strategischen Orientierung u.a.m, immer geht es aber um Übereinstimmung

(Passung bzw. matching) von vorhandenen Anlagen und Fähigkeiten der

Mitarbeiter/innen bzw. der Freiwilligen und den Anforderungen der Arbeitsplätze oder

Tätigkeitsfelder und Einsatzgebiete. Es geht also um betriebliche Bildung zur

67 Bliedermann, C.: Die Zusammenarbeit mit Freiwilligen organisieren. In: Rosenkranz, D./ Weber, A.:

Freiwilligenarbeit. Einführung in das Management von Ehrenamtlichen in der Sozialen Arbeit. Weinheim und München 2002

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Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit, der Flexibilität, der Erhöhung der Motivation

und Integration, der Sicherung eines qualifizierten Mitarbeiter- bzw.

Freiwilligenstammes unter Berücksichtigung der individuellen und bildungspolitischen

Ansprüche des jeweiligen Unternehmens (vgl. Staehle, S. 87468). Dabei handelt es

sich in allen Unternehmen um drei verschiedene Ebenen der PE, nämlich um

berufsvorbereitende -, um berufsbegleitende - und um berufsverändernde

Maßnahmen der Qualifizierung, dabei sind stets unternehmensbezogene Ziele mit

mitarbeiterbezogenen Zielen und den persönlichen Zielen der betroffenen Menschen

zu koordinieren. Bezogen auf Freiwilligenentwicklung handelt es sich gleichermaßen

um Tätigkeitsfeldvorbereitende, -begleitende und –verändernde Qualifizierungs-

maßnahmen, insofern lassen sich diese Strukturen des professionellen

Managements auf die Zusammenarbeit mit Freiwilligen durchaus übertragen.

Freiwillige, insbesondere jüngere Menschen, kommen u.a. um ihre Fähigkeiten und

Fertigkeiten zu erweitern, sie wollen was lernen, sich bilden, Kenntnisse und

Erfahrungen hinzugewinnen. Auf einer Skala von 5-1 (sehr wichtig bis vollkommen

unwichtig) lag der Wert für: ‚Das man seine eigenen Kenntnisse und Erfahrungen

erweitern kann’, bei 4 (Mädchen wie Jungen, 14-24 Jahre) (vgl. Picot, S. 24569).

Es lässt sich wohl festhalten, dass im Feld der Freiwilligenarbeit die qualifizierte und

wertschätzende Einführung in das jeweilige Tätigkeitsgebiet, sowie die dauerhafte

Begleitung (fachliche Beratung und ggf. Supervision), aber auch das Angebot

laufender (freiwilliger) Schulungen zur Erweiterung der Kenntnisse von großer

Bedeutung für die Freiwilligen und damit für die Organisationen sind. Schon während

der Akquirierung dürfte die Existenz eines Qualifizierungsprofils für Freiwillige, die

planmäßige Einbettung der Qualifizierung, ein ausschlaggebendes Kriterium für

Interessierte sein. Dies wäre ein wesentlicher Baustein für Organisationen, die mit

Freiwilligen dauerhaft arbeiten, um Freiwillige dauerhaft zu binden.

3.3 Motivation und Commitment

Pott und Wittenius verweisen auf die Notwendigkeit Bürgerschaftliches Engagement

als Ganzes (also nicht nur bestimmte Teilbereiche, wie Freiwilligenentwicklung, s.o.)

in ein Qualitäts-Managementsystem (QM) einer Organisation einzubauen (diese

68 Staehel, W. H.: Management. München 1999

69 Picot, S.: Freiwilliges Engagement Jugendlicher im Zeitvergleich 1999-2004. In: Freiwilligensurvey a.a.O.

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Forderung verweist einmal mehr auf begriffliche Unschärfen, findet BE doch auch

außerhalb von Organisationen statt, JAS)70. Sollen freiwillig tätige Menschen an

Organisationen gebunden werden, so werden sich diese selbst nur binden (lassen),

wenn es dafür eine Geschäftsgrundlage gibt. Nun ist das mit der Qualität so eine

Sache, es ließe sich, gemäß einer DIN-ISO Norm, eine Schwimmweste aus Beton

herstellen, die schwimmt zwar nicht, aber der überwachte Herstellungsprozess hielte

möglicherweise allen Kriterien stand und diese Weste würde ein DIN-ISO Zertifikat

erhalten. Es reicht offensichtlich nicht, wenn die Prozessqualität stimmt. Klammern

wir auch die Strukturqualität aus, weil im sozialen Sektor diese, ähnlich wie die

Prozessbeschreibungen, hinreichend bearbeitet wurde und sich stets gut darstellen

lässt. Wie aber sieht es mit den Ergebnissen aus? Das Qualitätssiegel ‚Made in

Germany’ war ursprünglich ein Produkt aus Großbritannien, mit dem dort, im

vorletzten Jahrhundert vor deutschen Produkten gewarnt wurde. Der alte

Managementzirkel, der später auf den Qm-Bereich übertragen wurde (Planen –

Handeln – Messen - Lenken/ Steuern), ist ja auch ein Prozessinstrument, wenngleich

am Ergebnis orientiert. Wie aber messe ich ein Beratungsergebnis in seiner auch nur

mittelfristigen Wirkung, wie das Erziehungsergebnis eines zweijährigen

Heimaufenthaltes, wie die längerfristige Auswirkung einer freiwilligen Hilfe in einer

Familie? Eine Antwort bleibt ausgespart. Dennoch und jenseits der kritischen

Anmerkungen, scheint das Instrument QM, welches die Bedingungen für

Freiwilligenarbeit in den Organisationsalltag integriert und damit auch festschreibt,

also Verbindlichkeit herstellt, schon deswegen ein Instrument für Commitment und

Motivation zu sein.

Ein Qm-System alleine wird es aber wohl nicht sein, es ist nur eine verbindliche

Grundlage für alle Beteiligten. Ich würde mich beispielsweise sicherlich nicht freiwillig

in einer Kameradschaft engagieren, die über ein gutes Qm-System verfügt, in

welches sie das freiwillige Engagement wunderbar hineingewoben hat, so dass für

beide Seiten Verbindlichkeiten entstehen, ein entsprechendes Volunteer Agreement,

welches sich hieraus ergibt, würde ich wohl kaum unterzeichnen, wenn diese

Organisation nicht meinen Werthaltungen entspricht. Damit aber haben wir ein

Zweites, was hinzukommen muss, damit nicht nur Akquise gelingt, sondern Bindung

70 Pott, L./ Wittenius, U.: Qualitätsmanagement in der Zusammenarbeit mit Freiwilligen. In: Rosenkranz, D./

Weber, A.: Freiwilligenarbeit. Einführung in das Management von Ehrenamtlichen in der Sozialen Arbeit. Weinheim und München 2002

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und Motivation entsteht. Der Freiwillige muss sich emotional und normativ

identifizieren können, er muss sich eingebettete fühlen, er muss mit der Organisation

und ihren Werten, ihrem Leitbild mitschwingen können, beide müssen die gleiche

Melodie erklingen lassen. Insofern haben es alte, große und bekannte

Organisationen leichter, Spenden und/oder Menschen an sich zu binden. Bei dem

Projekt ‚Brot für die Welt’, weiß jeder sofort um den Inhalt und die Anbindung an die

Organisation, dahinter stehen Werte und Botschaften, welche nicht mehr

kommuniziert werden müssten. Für kleine Organisationen bedeutet dies, dass sie um

ihre Projekte und Aktivitäten deutlich lauter und intensiver werben müssen und dies

immer im Zusammenhang mit der Organisation tun müssen, da beide, Projekt und

Organisation schließlich unbekannt sind.

Commitment spricht also diese beiden Ebenen an, nämlich die affektive Ebene

(emotionale Verbindung zu einer Organisation) und die normative Ebene (Akzeptanz

der Organisationswerte). Aber es kommt noch ein dritter Aspekt hinzu und zwar der

Bereich der Beständigkeit. Sogenannte Wechselkosten bei Verlass der Organisation

sind nicht gerade erwünscht. Verluste aber gelten schließlich für beide Seiten, die

Organisation verliert einen quasi Mitarbeiter, den sie geworben, ausgebildet und

begleitet hat, der bei schwieriger Trennung obendrein negative Werbung macht und

weitere Zuströme erschwert (hier gilt das Prinzip der ‚Stillen Post’) und die

Mitarbeiterin verliert Bindungen, möglicherweise Bekanntschaften, das

Eingebundensein in bestimmte gewohnte und vielleicht vertraute Strukturen, verliert

ihre Aufgabe, weswegen sie sich schließlich genau hier engagierte, fällt

gewissermaßen in ein, wie auch immer geartetes Loch, welches erst einmal wieder

gefüllt werden muss – auch dies kostet Energie und Anstrengung. Organisationen

sollten, das lässt sich wohl zusammenfassend nun sagen, ein zwingendes Interesse

an Beständigkeit haben, Commitment fördern, also gemeinsame Werte hochhalten,

Mitarbeitern Chancen zur Partizipation ermöglichen, sie wertschätzen und einbinden,

die Aufgaben gut abstimmen (eine Passung/ ein matching herstellen), für

Einarbeitung, Fortbildung und Begleitung sorgen, dafür einen festen (möglichst

hauptberuflichen) Ansprechpartner zur Verfügung stellen und für ein allgemeines

gutes (Betriebs-)Klima Sorge tragen.

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3.4 Führung

Auf den ersten Blick erscheint dieser Punkt brisant, denn Führung spricht immer den

Bezug zu Geführten an und findet seinen Ursprung im militärischen Bereich. Lassen

sich Freiwillige führen? Und wer sollte sie wohin und mit welchen Mitteln führen?

Mitarbeiterführung – ja, aber Freiwilligenführung – lieber nicht? Schon die

Verbindung von Bürgerschaftlichem Engagement und Führungsstrukturen erscheint

absurd, ist dieses Engagement im zivilgesellschaftlichem Kontext doch ur-

demokratisch und eher an einen herrschaftsfreien Diskurs gebunden, als an einen

Führungsgedanken.

Nun geht es an dieser Stelle aber nicht um Freiwilliges Engagement im Sinne

Bürgerschaftlichen Engagements, sondern um Freiwilligenarbeit und

Ehrenamtlichkeit in organisatorischen Kontexten, um das Zusammenwirken von

Ehrenamtlichen bzw. Freiwilligen, ggf. mit hauptberuflich Tätigen. Dabei handelt es

sich sowohl um eine Koordinierungsaufgabe als auch um die Gestaltung von

Prozessen, also um deren Planung, Durchführung, Kontrolle und Lenkung. In diesen

Prozessen sind entweder nur Hauptamtliche eingebunden, die als Mitarbeiter durch

die Organisation geführt werden oder es sind hauptamtliche und Freiwillige

gleichermaßen beteiligt, schließlich werden in einigen Prozessen auch ausschließlich

Freiwillige engagiert sein. In allen Fällen geht es um Prozessorganisation und

Prozessgestaltung, d.h. diese Tätigkeit ist mit dem oben genannten

Managementzirkel verbunden. Es muss jemanden geben, der den prozessualen

Ablauf initiiert, überwacht, alle relevanten Informationen erhält, ggf. lenkt und damit

führt. Insofern werden wohl auch Freiwillige mehr oder weniger geführt. Nur wie führt

man diese Menschen derart, dass Führung akzeptiert angenommen und Motivation

erhalten bleibt bzw. gefördert wird?

Zunächst gelingt dies vermutlich (relativ) konfliktfrei in Organisationen, die durchweg

von Freiwilligen, i. S. ehrenamtlicher Tätigkeit gemanagt werden, die eine quasi

‚natürliche’ (manchmal paramilitärische) Hierarchie entwickelt haben, die allerdings

praktisch jeden Freiwilligen offensteht. Solche Organisationen werden bereits beim

Eintritt der Mitglieder in ihren Grundwerten und Strukturen anerkannt, hier gibt es

trotz deutlicher Führung (Befehl und Gehorsam, insbesondere in Übungen und

Einsätzen) kaum Konflikte, jedenfalls nicht um die Führungsstruktur, sondern eher im

zwischenmenschlichen Bereichen – allerdings ist es auch völlig unproblematisch dort

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wieder auszuscheiden oder längerfristig zu pausieren (passive Mitgliedschaft).

Solche Organisationen sind beispielsweise die Freiwilligen Feuerwehren (26.500 FF

in Deutschland, mit 1,3 Millionen Mitgliedern) oder das Technische Hilfswerk, einige

Sanitätsdienste (z.B. bei den Malteser oder dem DRK), auch die Heilsarmee.

Weniger konfliktarm dürfte es in denjenigen Organisationen zugehen, die zwar auch

(irgendwie) führen müssen, die aber über oben beschriebene Strukturen (nämlich

‚Freiwillige führen Freiwillige’) nicht verfügen. An dieser Stelle gibt es zwei

unterschiedliche Konfliktfelder, denn zum einen können Freiwillige von

Hauptamtlichen geführt werden (so werden z.B. die Jugendverbände im

Malteserorden von hauptamtlichen Referenten geführt) oder Ehrenamtliche führen

hauptberuflich Tätige (so in Vereinsstrukturen, mit durch die Mitglieder gewählten

Vorständen), daneben gibt es Mischformen. So werden Kirchengemeinden

beispielsweise durch den Kirchenvorstand (in Arbeitgeberfunktion) geführt, diesen

Kirchenvorständen stehen die hauptamtlichen Pastoren per se vor und sie werden

durch gewählte Mitglieder der Gemeinde ergänzt, die ihre Funktion dort ehrenamtlich

ausführen.

Nun ließen sich ja quasi ‚Parallelgesellschaften’ in Organisationen denken, also an

den jeweiligen Mitgliedsstatus angelehnte unterschiedliche Verfahren, die

Hauptamtlichen werden nach allen Regeln der Kunst geführt, die Freiwilligen werden

lediglich koordiniert. Ab einer bestimmten Größenordung der jeweiligen Gruppe oder

mit spezifischer und komplexer werdender Aufgabenstruktur, welche eine

Prozessüberwachung nötig macht, wird das Koordinieren nicht mehr genügen. Was

nun? Hierzu soll zunächst eine (Führungs-)Definition vorgeschlagen werden. Im

Anschluss daran folgt ein kurzer Überblick über das was an Erkenntnis von

Führungskräften in diesem Feld vorliegt. Die Betrachtung von Führungskonzepten,

die für die Arbeit mit Freiwilligen geeignet scheinen, erfolgt im Kapitel D, nachdem

diese Konzepte im Kapitel B vorgestellt wurden.

Neuberger betrachtet Führung prozessual. Führung ist demnach nichts Endgültiges,

nichts Objektives sondern durchaus widersprüchlich, vielgestaltig und mehrdeutig.

Führung ist nichts Dingliches, kein beschreibbarer Gegenstand, sondern muss stets

aufs Neue sprachlich inhaltlich konstruiert werden, damit alle Beteiligte in etwa ein

gleiches Verständnis davon haben und Führung sollte als Notwendigkeit umrissen

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sein, damit sie sich legitimiert (Neuberger 2002, S 3-671). Hier soll „eine

synthetische handlungstheoretische Führungsdefinition“ vorgeschlagen werden, die

in sich ausgewogen und schlüssig ist und hier in ihrer Kurzform, von mir um den

zeitkritischen Faktor ergänzt wurde, der sich (eigentümlicherweise) nur in einer

langen Version Neubergers wiederfindet: ‚Personelle Führung ist legitimes

Konditionieren bestimmten Handelns von Geführten in schlecht strukturierten und

zeitkritischen Situationen mit Hilfe von Differenz zu anderen Einflüssen’ (ebd. a.a.O.

S. 47). Hier geht es also „um ‚personelle Führung’, damit um Führung von Personal,

also Führung im beruflichen Kontext (und nicht um andere Führungskontexte, bspw.

während einer Bergklettertour). Führung, so wird behauptet, ist vor diesem

Hintergrund ‚legitimes und bestimmtes Handeln’. Es ist ‚legitim’, weil es

kontextgebunden ist und alle Seiten darum wissen und sich per Vertrag damit

einverstanden erklärt haben, es ist ‚bestimmtes Handeln’ und nicht irgendwelches

Handeln, d. h. es verfolgt eine bestimmte Absicht, es ist methodisch orientiert, es ist

transparent in seiner Absicht (anders als bei Manipulationen). Außerdem ist es nur

relevant in ‚schlecht strukturierten Situationen, die auch noch zeitkritisch’ sind, denn

in allen anderen Situationen ist Führung überflüssiger Luxus, hier reichen Regeln,

Vereinbarungen (Ziele usw.), also Führungssubstitute. Erst wenn diese Substitute

(als Führungsersatz) nicht mehr reichen, wenn etwas „aus dem Ruder läuft“, wenn

der Zeitfaktor zu Buche schlägt und damit eine Rolle spielt, also in (hoch-

)komplexen, unübersichtlichen Situationen, bedarf es personaler Führung. Und diese

Führung handelt nun in Differenz zu anderen Einflüssen, also in expliziter

Führungsabsicht, methodisch begründet hinterlegt, durch die Organisationsstruktur

und vertragliche Gestaltung legalisiert, mit dem Ziel, die Komplexität der Situation

durchschaubar zu machen, scheinbares Chaos in Strukturen umzuwandeln und

vereinbarte Ziele zu erreichen. Damit ist für diesen Text erklärt, was unter

(professioneller) Führung verstanden wird, aber auch beschrieben, dass Führung

auch anders verstanden werden kann, also ein Prozess des Aushandelns bleibt“

(Schröder, S. 22-2372). Führung derart verstanden ermöglicht Spielräume des

freiwilligen, wie professionellen Handelns, ggf. auch Formen der Selbstverwaltung,

71 Neuberger, O.: Führen und führen lassen. Stuttgart 2002

72 Schröder, J.-A.: Human Resource Management mit einem Bezug zur Ehrenamtlichen Arbeit

(Freiwilligenarbeit) in organisatorischen Kontexten. Hausarbeit HAW HH, Fakultät Wirtschaft und Soziales, Studiengang MBA, Hamburg 2009)

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sie wird durch Substitute wie: Verhaltensanleitungen, Regelwerke,

Handlungskreisläufe, Verfahrensabläufe, Zielvereinbarungen, QM-Systeme u.a.m.

ersetzt. Diese Formen von Führung minimieren zwischenmenschliche Reibungen,

verhindern unnötige Diskussionsforen, sparen Zeit, erhöhen damit die Effizienz des

Handelns, mischen sich legitim nur ein, wenn es zu deutlichen Abweichungen im

Verhalten, den gesetzten oder ausgehandelten Regeln, den Handlungskreisläufen,

den Verfahren, den Zielen usw. kommt. Dass solch verstandene Führung allerdings

Abweichungen bemerken, setzt Beobachtungen, also Kontrollverfahren bzw.

Messungen voraus. Darüber muss im Vorfeld Einverständnis hergestellt worden sein,

gerade auch im Hinblick auf freiwillige Tätigkeit, in der keine arbeitsvertraglichen

Vereinbarungen gegenständlich werden. Hier hilft eine Verschriftlichung in Form

eines Volunteer Agreements, wie bereits weiter oben benannt.

Führungskonzepte lassen sich unter verschiedenen theoretischen Blickwinkeln

betrachten. Dazu gehören insbesondere die Eigenschaftstheorie, so genannte

Verhaltensgitter, situative Interaktionsansätze, Rollenkonzepte, kybernetische

Betrachtungen (vgl. Kapitel B). Später werden die dort dargestellten Ansätze auf ihre

Tauglichkeit für das Freiwillige Engagement geprüft (Kapitel D). Explizite Texte zur

Führungsthematik in diesem Feld der freiwilligen Arbeit lassen sich kaum finden73.

Das Führungspersonal gemeinnütziger Organisationen stellt ein noch weitgehend

unerforschtes Klientel dar (Beher et al. 2008, a.a.O. S. 214). Andererseits ist auch

die ‚Art und Weise’ der Führung sowie deren Wirkung im Feld des Freiwilligen

Engagements kaum untersucht. Insofern wird deswegen der Rückgriff auf

Führungsliteratur in professionellen Kontexten notwendig (Kapitel B) und der Blick

auf berichtetes praktisches Tun, beides soll dann miteinander diskursiv verschränkt

werden (Kapitel D).

Wer führt in Bereichen des Freiwilligen Engagements? Es führen Männer wie

Frauen, allerdings sind Männer überrepräsentiert. Im Verbandsbereich des Sports

73 Eine Ausnahme stellen die Texte von Beher/ Krimmer/ Rauschenbach/ Zimmer: ‚Die vergessenen Eliten’ dar

(a.a.O.); auch Beher/ Liebig/ Rauschenbach: ‚Strukturwandel des Ehrenamts’ (a.a.O.). Vergleiche hierzu auch die detaillierte Bibliografie zum Ehrenamt der Akademie für Ehrenamtlichkeit in Deutschland sowie die Literaturhinweise der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen, die Publikationsverweise des BBE. Außerdem wurde ein relativ neues Führungskräftenetzwerk gegründet, dazu folgende Pressemitteilung vom BBE: „Um den dritten Sektor in Europa professioneller und innovativer zu gestalten haben mehr als 120 Gründungsmitglieder aus 25 Ländern ein neues Netzwerk gegründet: »euclid«. Das »europäische Netzwerk für Führungskräfte des Dritten Sektors« wird seinen Sitz zunächst in London haben. Um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen, sollen »hochwertige Lernangebote« und »Führungskräfte-Entwicklungs-Workshops« angeboten werden. Hauptpartner des Netzwerkes ist die italienische Bankgruppe »Intesa Sanpaolo«“ (16.03.2007).

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sind es 91% Männer, die dort führen. Der Anteil ehrenamtlich tätiger Frauen in

Sportvereinen Deutschlands (differenziert in West und Ost) beträgt bei den 1.

Vorsitzenden 5% (West) bzw. 7% (Ost), bei den stellvertretenden Vorsitzenden 10%

(West) und 11% (Ost), bei den Schriftführern aber immerhin 36% (West) und 46%

(Ost). Dies wird bereichsspezifisch erklärt, dass Frauen sich zu anderen Sportarten

hingezogen fühlen, weniger den klassischen Sportverein und dafür mehr die

Fitnesscenter und Sportstudios besuchen, hier gibt es einen hohen Anteil reiner

Frauensportcenter (12%), während geschlechtsspezifische Frauensportvereine nur

einen Anteil von 1,2% (West) und 2,4% (Ost) ausmachen. Frauen bevorzugen

andere Sportarten als Männer, „kennzeichnend für Frauen ist ein instrumentelles

Sportverständnis, das sich darin äußert, etwas >für sich selbst<, die Figur, das

körperliche Wohlbefinden, die Gesundheit zu tun. Sie sind deshalb vermutlich

weniger für ein ehrenamtliches Engagement >für andere< zu gewinnen“ (vgl.

Dietrich/ Heinemann/ Schubert 1990; Endrikat 1995; Heinemann/ Schubert 1994, S.

17674). Jenseits des Sports steht es nicht so gut um Informationen zur Führung im

Ehrenamt. Der Freiwilligensurvey 1999-2004 verweist darauf, dass der Anteil der

Frauen in Leitungs- und Vorstandsfunktion 2004, im Vergleich zu 1999,

zurückgegangen ist und zwar in der ersten freiwilligen Tätigkeit von 32% (1999) auf

28% (2004), in der zweiten Tätigkeit von ehemals 30% auf nunmehr 25%, während

der Anteil der Männer stieg (a.a.O. S.280). Geht man dem Verweis auf eine erste

und zweite Tätigkeit nach, so stellt sich heraus, dass 70% der Mandatsträger (im

Sportbereich) parallel auch noch in anderen Bereichen (Soziales und Karitatives)

tätig waren, allerdings war der politische Bereich (Stadt- und Gemeinderäte)

besonders ausgeprägt (Beher/ Liebig/ Rauschenbach, a.a.O. S. 163; vgl. auch

Freiwilligensurvey, a.a.O. S. 269-272).

Es führen weiterhin überwiegend Menschen im mittleren Lebensabschnitt, die sich in

unbezahlter freiwilliger Tätigkeit den Wertetypen der ‚aktiven Realisten’ und der

74 Dietrich, K./ Heinemann, K./ Schubert, M.: Kommerzielle Sportanbieter. Eine empirische Studie zu Nachfrage,

Angebot und Beschäftigungschancen im privaten Sportmarkt. 1990; Endrikat, K.: Die >weibliche< Moral im

Sport. Wertvorstellungen jugendlicher Sportlerinnen und Sportler. Geschlechterunterschiede in der Einstellung

zu Fairnesswerten im Sport. In: Fair-Play-Initiative des deutschen Sports unter Federführung der Deutschen

Olympischen Gesellschaft (Hrsg.): Fair-Play für Mädchen und Frauen im Sport? Frankfurt a.M. 1995;

Heinemann, K./ Schubert, M.: Der Sportverein. Ergebnisse einer repräsentativen Untersuchung (Bundesinstitut

für Sportwissenschaft, Bd. 80) Schondorf 1994 In: Beher, K./ Liebig, R./ Rauschenbach, Th..: Strukturwandel des

Ehrenamtes. Weinheim und München 2000

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‚ordnungsliebenden Konventionalisten’ zuordnen lassen, stets gepaart mit einer

„guten Portion Idealismus“ (Beher et al., a.a.O. S.21875). Alle Führungskräfte weisen

einen vergleichsweise hohen Bildungsstatus auf, dies gilt auch für die ehrenamtlich

Tätigen, wenngleich in einem etwas geringerem Maße als die bezahlten Kräfte im

Dritten Sektor. Hinsichtlich der sozialen Herkunft gaben die meisten Befragten eine

Mittelschichtzugehörigkeit an, in der sie selbst auch verblieben, ein sozialer Aufstieg

war vermehrt bei den Frauen zu verzeichnen, gleichzeitig war die Chance aus der

Arbeiterschicht in Führungspositionen zu gelangen für Männer offensichtlich leichter

als für Frauen (ebd., S. 219). Ein wichtiges Kriterium schien der Sozialisationsaspekt

ehrenamtlicher Tätigkeit und damit der Vertrautheit eines solchen Handelns, im

Elternhaus zu sein. Auf die Fragestellung, wie denn die Zusammenarbeit zwischen

den Hauptberuflichen und den Ehrenamtlichen bewertet wird, zeigte sich auf beiden

Seiten eine äußerst positive Bewertung. Allerdings gilt einschränkend Folgendes:

„Als mögliche Quelle von Problemen bei der Kooperation identifizieren beide

Statusgruppen an erster Stelle die unterschiedliche Beurteilung von Sachfragen.

Daneben beschreiben die Befragten Defizite im Bereich der Koordination und

Kommunikation sowie Informationsrückstände auf Seiten der Geschäftsführung bzw.

des Vorstandes“, diesen Punkt bewerteten die Hauptberuflichen allerdings stärker als

die Ehrenamtlichen (ebd., a.a.O. S. 223).

4. Rèsümè

(1) Die Begriffsvielfalt des Sektors ist verwirrend und irreführend und bedarf dringend

einer Verständigung der beteiligte Akteure, wie bspw. dem BBE, der BAGFA, der

Wohlfahrtsverbände und des BMFJF. Dabei handelt es sich bei der Entwicklung

solcher Termini nicht um eine intellektuelle Spielwiese, sondern gewinnt im Kontext

besserer Verständigung aller Beteiligten, auch in wissenschaftlichen Diskursen,

seine Bedeutung und Berechtigung.

(2) Die Klärung wo Freiwilliges Engagement anfängt und wo es aufhört und welche

Engagementbereiche nicht mehr dazu gehören bzw. wann eine Tätigkeit, die a)

freiwillig geschieht und b) engagiert ist, noch in die definierten Bereiche fällt oder

75 Beher, K./ Krimmer, H./ Rauschenbach, Th./ Zimmer, A.: Die vergessene Elite. Führungskräfte in

gemeinnützigen Organisationen. Weinheim und München 2008

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wann eben nicht, erscheint im Zusammenhang einer terminologischen Diskussion

und Verständigung ebenso klärungsnotwendig.

(3) Die gesellschaftliche Bedeutung Freiwilligen Engagements, also der

ehrenamtlichen Arbeit (bspw. der Ämterübernahme), der Freiwilligenarbeit, des

bürgerschaftlichen Engagements im zivilgesellschaftlichem Hintergrund, der Bildung

neuer bürgernaher Entscheidungsformen (Direktwahlen, Bürgerbeteiligungen usw.),

die Entwicklung herrschaftsfreier diskursiver Plattformen zwischen Bürgern und

Politikfeldern im Sinne einer neuen außerparlamentarischen Opposition, sowie

differenzierter Protestaktionen als Foren bürgerlicher Willenskundgebung und dergl.

mehr, werden noch lange nicht öffentlich hinreichend genug gewürdigt. Der

>aktivierende und ermöglichende Staat< muss dringend den tatsächlichen

gesellschaftlichen Entwicklungen folgen. Die beiden Freiwilligensurveys sind zum

einen zeitlich überholt, da etwa sechs Jahre alt, zum anderen sind sie in ihrem

Erfassungsspektrum zu eng gefasst76. Künftige Erhebungen sollten den Focus weiter

fassen und neben den Tätigkeiten in organisationsgebundenen Formen (Sport,

Kindergärten/Schulen, Kirchen/Religionen u.a.m.), den Versuch machen und das

Bürgerschaftliche Engagement in seinen Erscheinungsformen zu beschreiben. Dies

kann nicht in ganzer Breite gelingen, denn dazu gehören Organisationen, die

eigentlich keine sind, wie bspw. ATTAC, Anti-AKW Gruppen, wie die NIX-Gruppe um

Gorleben, aber auch NGO wie GREENPEACE, Amnesty International, BUND, WWF

u.a.m., es sollte dennoch, Schritt für Schritt, die Bewegung und Entwicklung dieser

Erscheinungsformen nachgezeichnet, dokumentiert und in seiner Wirkung

beschrieben werden. Es handelt sich hierbei schließlich um nicht weniger, als eine

Zukunftsaufgabe demokratischer Entwicklung und Erhalt demokratischer Strukturen

im Wandel eines gesellschaftlichen Verständnisses bestehender Formen.

(4) Gemeinnützige Organisationen, die mit Freiwilligen arbeiten, haben neben ihren

originären Aufgaben, nämlich ihrer eigentlichen Funktion, auch noch sekundäre

Aufgaben hinsichtlich ihrer freiwilligen Mitarbeiter bzw. Helfer zu erledigen. Eine

funktionierende Akquise, die Entwicklung der Freiwilligen, mit dem Ziel einer

notwendigen Qualifikation und der Herstellung von Commitment sowie der

Motivationssteigerung bzw. Motivationserhaltung und die Konstruktion gelingender

76 Ein dritter Freiwilligensurvey wird in diesem Jahr (2009) erhoben, mit der Veröffentlichung ist in 2010 zu

rechnen; inwieweit dieser neue Survey inhaltlich weiter gefasst ist, ist augenblicklich noch nicht zu sagen.

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Führung, sind Aufgaben, für die nicht nur ein jeweils spezifisches Profil entwickelt

werden muss, sondern, die auch nicht irgendwie und nebenbei gemacht werden

können, dies zeigen die Ausführungen weiter oben sehr deutlich. Ohne einen

hauptamtlichen Ansprechpartner, der über die notwendigen Kenntnisse und

Qualifikationen verfügt, für innerbetrieblich Kontinuität sorgt, den Freiwilligen die

notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellt und selber für die Freiwilligen

Ressource ist, werden solche Aufgaben künftig wohl nicht mehr gelingen –

Freiwilliges Engagement ist nicht kostenneutral zu haben. ‚Freiwilligen Management’

ist offensichtlich professionelles Management, nur unter anderen Vorzeichen, also

mit spezifischen Kenntnissen dieses Sektors. Daran schließt sich die Frage an, wie

kleinere Organisationen, die nicht über entsprechende monetäre Mittel verfügen,

diesen Spagat künftig hinbekommen?

Dieses Kapitel konnte hinsichtlich der Fragestellungen dieser Arbeit zunächst

verdeutlichen, was Freiwilliges Engagement in der BRD ist, welche Dimensionen und

Bedeutung es hat und welch breites Spektrum es erfasst. Es konnte gezeigt werden,

dass es zunehmend mehr (teil-)professionalisiert wird, wobei Professionalisierung

mindestens zwei Ebenen anspricht. Zum einen handeln bestimmte Organisationen,

welche überwiegend oder ausschließlich mit Freiwilligen arbeiten, nach

professionellen Standards (beispielsweise die Freiwilligen Feuerwehren, das

Technische Hilfswerk oder Sanitäter Dienste u.a.m.), zum anderen werden viele

Freiwilligenprogramme durch Professionelle geführt (so etwa Jugendorganisationen

der Malteser, der Kirchen u. a. Verbände, ebenso wie Opstapje, Hippy, FiS u.v.a.m.).

Neben diesen organisationsgebundenen Engagement existieren viele weitere

Formen, die jenseits formaler Organisationen Bestand haben und zum Teil sich seit

vielen Jahren aktiv engagieren (Attac, Bürgerinitiativen jeglicher Art usw.). Damit

wurde gewissermaßen in die Thematik eingeführt, bereits ein Blitzlicht auf HRM

Elemente, nämlich Akquise, PE, Motivation und Führung geworfen. Diese Elemente

werden im folgenden Kapitel expliziter beleuchtet und mit Theorien verknüpft,

außerdem wird erweiternd zunächst erklärt, was unter dem Begriff des HRM zu

verstehen ist.

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B Human Resource Management (HRM)

Die Vorstellung von ‘Personal’ als verfügbare Masse sowie als

Unternehmensnotwendigkeit zur Produktion von Gütern oder zur

Dienstleistungserstellung, beherrscht auch heute noch das Denken mancher

Unternehmen. Unter diesem Blickwinkel lässt sich Personal in einer gesonderten

Abteilung des Unternehmens verwalten und managen, ggf. als Dienstleistung auch

auslagern. Akquise, Auswahl und Bereitstellung muss nicht notwendigerweise intern

geschehen, Qualifizierung, Aus- und Fortbildungen können, müssen aber nicht im

Unternehmen eingebettet sein, Personalbuchhaltung haben viele Betriebe bereits

schon lange ausgegliedert. Unter diesem Blickwinkel erhalten

Planstellenberechnungen, Kennzahlensysteme, Controllinginstrumente, die zeitliche

Erfassung von Arbeitsschritten, die Planung und Berechnung der Arbeitsabläufe u.

dergl. m. Bedeutung. Dahinter steckt die Annahme, dass Personal jederzeit, an

jedem Ort, in jeder notwendigen Menge und in gewünschter Qualität, als unendliche

Ressource, zur Verfügung steht. Diese kurze Skizzierung soll beschreiben, was unter

Personalwesen besser Personalverwaltung, wie Staehle (S.736)77 es nennt, in

Unternehmen verstanden wird.

Demgegenüber steht das Denken vom Personal als menschlicher Ressource, die

endlich ist, die regional in unterschiedlicher Qualität und eben nur begrenzt zur

Verfügung steht. Während Personal im ‚herkömmlichen’ Personalwesen eine stets

vorhandene und formbare Masse ist, geht der Ansatz des HRM davon aus, dass

Individuen in heterogenen Gruppen zusammenkommen, mit je unterschiedlicher

Motivation ihre Arbeiten verrichten, sich unterschiedlich an das Unternehmen binden.

Diese Menschen sind in die Prozessstrukturen der Unternehmen eingebunden,

erfüllen dort eine Funktion, wollen aber indem was sie tun auch Sinn entdecken.

Weiterhin geht dieser Ansatz davon aus, dass neben den Prozessstrukturen auch

noch informelle und gruppendynamische Strukturen existieren, die unter Umständen

kontraproduktiv wirken können, d. h. auch diese müssen beachtet, erkannt und

bearbeitet werden, soll die jeweilige Gruppe, das jeweilige Team im Sinne der

Unternehmensziele produktiv sein und bleiben. Zu guter Letzt wird derart

verstandenes Personal als knappes Gut betrachtet, welches qualifiziert und motiviert

77 Staehle, W. H.: Management. (7. Aufl.) München 1994

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sowie an das Unternehmen emotional gebunden, eine wertvolle Ressource und

einen Wettbewerbsvorteil darstellt, wenngleich Staehle darauf verweist, dass sich an

den Abhängigkeitsverhältnissen nichts geändert hat und lediglich die Wertschätzung

des Personals gestiegen sei sowie dessen Anerkennung als strategischem

Erfolgsfaktor für die Unternehmung (vgl. Staehle a.a.O., S.777). HRM lässt sich auch

als eine neuere Interpretation von Personalwesen (als Tool-Box verstanden)

bewerten, so wie Breisig dies tut. „Im Gegensatz zum tayloristischen Ansatz stehen

die Mitarbeiter in ihrem Potential an Fähigkeiten, Fertigkeiten und kreativen Energien

im Mittelpunkt der Betrachtung. Diese Ressourcen sollen zur Erreichung der

Unternehmensziele bestmöglich zur Entfaltung gebracht werden“ (Breisig78).

Wie kommt es zur Transformation der Personalverwaltung, d.h. zum

Perspektivenwechsel hin zu einem Human Ressource Managements bzw. zur

parallelen Entstehung eines solchen (verhältnismäßig neuen) Paradigmas? Zum

einen verändern sich Menschenbilder und Werte in den Gesellschaften, was zu

neuen Unternehmensperspektiven vom Menschen und seinem Wert an sich (also

gewissermaßen einem Wert a priori) führt, aber dies führt auch zu einer

Verschiebung individueller Werte, eben aus der Perspektive des einzelnen

Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin, zum anderen verändern sich Arbeitswelten

dramatisch, so gibt es immer weniger ‚simple jobs for simple people’ die

Anforderungen an den Einzelnen steigen seit geraumer Zeit und noch immer stetig

weiter an, durch die IT Entwicklungen wird Raum und Zeit zunehmend mehr

entkoppelt, Dienstleistungen nehmen stetig weiter zu, ganzheitliche Leistungen

werden zunehmend mehr gefordert, was bei gleichzeitiger Spezialisierung eine

notwendige Arbeitsteilung im Team oder in virtuellen Teams auf Zeit zur Folge hat,

der hierdurch entstehende Kooperationszwang muss mit den dazugehörigen

kommunikativen Fähigkeiten ausgestaltet werden (vgl. Drumm 200179). Wir haben es

weiterhin mit einer Internationalisierung zu tun sowie mit der Zunahme virtueller

Märkte. Diese Veränderungen haben Folgen für die Unternehmen, sie benötigen

neben einem funktionierenden und mediengestützten Wissensmanagement,

sozusagen einem ‚organisatorischen Gedächtnis’, welches also an das Unternehmen

gebunden ist und nicht mit den Individuen wandert, auch noch differenzierte

78 Breisig, T.: Personal. Oldenburg 2007

79 Hans Jürgen Drumm: Szenarioprognosen für ein künftiges HR-Management. In Personalführung 5/2001.

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Anreizsysteme um Menschen zu binden, also Commitment herzustellen. Für

Staehle sind folgend skizzierte Punkte ausschlaggebend für die Notwendigkeit zum

Paradigmenwechsel: „Wettbewerbsverschärfung (…); neue Technologien und

Produktionskonzepte (…); Probleme mit Produktivität und Qualität, demographische

Veränderungen (Altersaufbau, Frauenerwerbstätigkeit), Wertewandel, neue

Lebensstile, veränderte Erwartungen an die Arbeitswelt“ (Staehle a.a.O., S.779).

Allerdings gilt es darauf hinzuweisen, dass ein solcher Ansatz Wurzeln hat, diese

gehen auf die Human-Relations-Bewegung zurück, „die den Menschen als soziales

Wesen und nicht als Quasi-Maschine versteht. Die Kernaussage dieses

Managementkonzepts lautet, dass eine positive Einstellung gegenüber der Arbeit

und dem sozialen Umfeld zu einer hohen Arbeitszufriedenheit führt, die wiederum

eine hohe Arbeitsleistung bewirkt. Als Beeinflussungsfaktoren von Zufriedenheit und

Motivation werden in erster Linie das Verhalten des Vorgesetzten, die Beziehungen

innerhalb der Arbeitsgruppe und materielle Anreize gesehen“ (Vahs, S.3180). Diese

HR-Bewegung hat die Arbeits- und Organisationspsychologie ins Leben gerufen,

deren wichtigste Gebiete die „Arbeitsmotivation, Erfassung psychischer Belastungen

im Arbeitsprozess und Maßnahmen ihrer Reduzierung, Führung, Einflüsse der

Arbeitsgruppe auf das Arbeitsverhalten ihrer Mitglieder, Gestaltung von Technik

unter Berücksichtigung psychischer Auswirkungen, Entscheidungsverhalten von

Individuen und Gruppen, Feststellung der Eignung von Personen für bestimmte

Tätigkeiten, Qualifizierung, Konfliktmanagement“ sind (Kieser, S. 15081). Staehle

erkennt zwei wesentliche Wurzeln des HRM, die auch er zum einen in den

Verhaltenswissenschaften (Arbeits- und Organisationspsychologie) ausmacht und

zum anderen in der ökonomischen Perspektive, welche auch das Personal als

Ressource des Unternehmens ausmacht, welche es zu erhalten und zu entwickeln

gilt. Demnach stellt Personal keinen Kostenfaktor dar, sondern entspricht dem

Anlagevermögen (vgl. Staehle a.a.O., S.768).

5. Definition

Der Begriff des HRM ist vielfach mit Theorien und (pragmatischen) Ansätzen

hinterlegt und insofern nicht prägnant zu (be-)greifen. Er spricht das Personalwesen

80 Vahs, D.: Organisation. Einführung in die Organisationstheorie und –praxis. Stuttgart 2001

81 Kieser, A./ Ebers, M.: Organisationstheorien. Stuttgart 2006

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in breiter Form an und umfasst damit sowohl die (herkömmliche)

Personalverwaltung, wie auch die „Humanisierung der Arbeit“ (HdA) (vgl. Kieser

a.a.O., S.164 ff.), die Qualifizierung der ArbeitnehmerInnen, den Wissenstransfer

sowie die Wissenssicherung in der Organisation, die Konstruktion von

Motivationsanreizen, die Ermöglichung von Commitment und Capabilities sowie

Clarity (vgl. Rosenstiel, S.667ff.82), das Führungsverhalten, die Beachtung

gruppendynamischer Prozesse, Organisationsentwicklung u.v.a.m., darüber hinaus

und das ist wohl das Entscheidende am neuen Paradigma des HRM, wird die

Verantwortung für diesen Bereich nicht mehr einer spezifischen Abteilung

(Personalbüro) übertragen, sondern das Personalwesen (im Sinne des HRM) wird

als Wettbewerbsfaktor erkannt und damit als strategischer Faktor der Unternehmung

bewertet, es erhält Einzug in alle Führungsgremien und findet seine Verantwortung

im obersten Vorstand, d.h. es spiegelt sich in allen Bereichen des Unternehmens, so

ist das spezifisch Neue die „Sicht der Humanressourcen aus einer General

Management-Perspektive und nicht aus einer Funktionsperspektive (wie

Personalwesen) sowie die Einbindung des Managements in die HR-Verantwortung“

(Staehle, S.78683).

Der Versuch einer Arbeitsdefinition könnte so lauten: ‚HRM befasst sich mit den

Unternehmensthemen: Akquise, Personalauswahl, Einstellung, Arbeitsplatz-

gestaltung, Arbeitsplanung, Prozessorganisation, Qualifizierung, Wissens-

management, Changemanagement und Freisetzungen. Es schließt wissen-

schaftliche Erkenntnisse aus den unterschiedlichen Feldern der Arbeits- und

Organisationspsychologie, den Sozialwissenschaften, dem Management, der

Organisationswissenschaft, der Betriebswirtschaftslehre sowie der Ökonomie ein. Es

erhält seinen Stellenwert in den Unternehmen durch die Implementierung in allen

Führungsebenen und erfährt dadurch eine General Management-Perspektive’,

allerdings gewichten verschiedene Ansätze das HRM unterschiedlich.

82 Rosenstiel von L./ Regnet, E./ Domsch, M.: Führung von Mitarbeitern. Stuttgart 2003

83 Staehle, W. H.: Management. (8. Aufl.) München 1999

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5.1 Verschiedene Ansätze des HRM

Im Folgenden sollen drei HR-Management-Forschungsrichtungen vorgestellt werden:

Das so genannte Michigan-Konzept, die Harvard-Konzeption und der

ressourcenbasierte Ansatz (resource based view). „Im Michigan-Konzept ist eine

integrative Verknüpfung von Organisationsstruktur, Unternehmensstrategie und dem

Management der Humanressourcen vorgesehen, um diese drei Felder im Sinne

eines >best fit< zusammenzubringen (Fombrun/Tichy/Devenna 198484)“ (Breisig

a.a.O., S. 29). Die Priorität in diesem Ansatz erhält allerdings die

Unternehmensstrategie (‚Mission and Strategy’) Die Organisationsstruktur und das

HRM folgen der Strategie. In der Konsequenz eines solchen Ansatzes werden der

Personalbeschaffungsplan, die Leistungsbeurteilungs-systeme sowie die

Anreizsysteme aber auch das Personalentwicklungsprogramm aus der

Unternehmensstrategie abgeleitet. „Folgt man der Einteilung […] in

Strategieformulierung und –implementation85, dann sehen Tichy et al. im HRM

eindeutig einen Beitrag zur Implementation und nicht zum Strategieentwurf“ (Staehle

a.a.O., S.789). Schreyögg86 spricht davon, dass im Sinne einer linearen

Planungsphilosophie nur noch die Planungsumsetzung im Focus steht, der

Planungszusammenhang aber außer Acht bleibt. Damit reduziert sich HRM in

diesem Ansatz auf vier Teilfunktionen: Personalauswahl, Leistungsbeurteilung,

Belohnung bzw. Anreize, Personalentwicklung. Alle vier Funktionen sind in einem

Zyklus miteinander verwoben, dies soll folgende Skizze verdeutlichen (Abb. 1).

84 Fombrun, C./ Tichy, N./ Devenna, M.: Strategie Human Resource Management. New York 1984

85 vgl. hierzu auch Mintzberg, H.: Stratgy Safari. Wien 1999

86 Schreyögg, G.: Verschlüsselte Botschaften – Neue Perspektiven einer strategischen Personalführung. In: ZfO

3/1987, S.151-158

Personal-

auswahl Leistung Leistungs-

beurteilung

Belohnung, Anreiz

Personal-

entwicklung

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Abb.: 1: Quelle: Staehle a.a.O., S.789, nach Tichy et al. 1982, S.5087

Dieser Ansatz übersieht die Rückkoppelungswirkungen, die durch personalpolitische

Maßnahmen auf die Strategieentwicklung entstehen. Die Entwicklung von Strategien

geschieht nicht vorraussetzungslos, sie ist gebunden an Vorverständnis, an

Analysen und an vorhandene Ressourcen, gleich welcher Art. Damit wirken

Personalressourcen in Umfang und Qualität, in der Beschaffungs- und

Entwicklungsmöglichkeit unmittelbar auf Strategieentwicklung zurück – dieser Aspekt

bleibt allerdings ausgeklammert.

Das Harvard-Konzept rückt die General Management-Perspektive in den

Vordergrund „und personalpolitische Maßnahmen werden als Folge und als Ursache

von strategischen Entscheidungen gesehen“ (Staehle a.a.O., S.791). Mit einem

solchen Verständnis stellt die Unternehmensstrategie nur noch einen bestimmten

situativen Faktor neben anderen Faktoren dar. Die zentrale Annahme in diesem

Konzept ist die Gestaltung der human resource als wesentliche

Managementaufgabe. „Das Management muss die Wirkungen und Entwicklungen

aller relevanten Faktoren im organisatorischen Gesamtzusammenhang betrachten

und vor allem auch die Führungskräfte auf mittleren und unteren Ebenen anleiten

und ermutigen, die Auswirkungen ihrer Entscheidungen und ihres Verhaltens auf die

Mitarbeiter zu bedenken und zu berücksichtigen. Die Führungskräfte gelten als die

entscheidenden Träger der Personalfunktion, nicht etwa die Personalabteilungen,

denen vielmehr eine unterstützende Funktion zukommt“ (Breisig a.a.O., S.30).

Bereits 1981 hat die Harvard Business School einen neuen Pflichtkurs in den MBA

Studiengang eingeführt, folgenden theoretischen Bezugsrahmen entwickelt (Abb. 2).

Abb.: 2: Quelle: Breisig a.a.O., S.30 und Staehle a.a.O., S.790, beide nach Beer et al. 1985, S.1788

87 Tichy, N. et al.: Strategy human resource management. In: SMR 2/1982, S.47-61

Stakeholder

Interests

Situational Factors

HRM Policiy Choises

(HR-Politikfelder)

HR Outcomes

(Ergebnisse)

Long-therm

Consequences

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Beer et al. definiert vier HR-Politikfelder: Partizipationsphilosophie

(Mitarbeiterbeteiligung), Human Ressource Bewegungen (Personalbeschaffung, -

einsatz, -entlassung), Belohnungssysteme (Anreiz, Entgelt- und

Beteiligungssysteme), Arbeitsorganisation (Arbeitsstrukturierung). Diese Politikfelder

sind einerseits miteinander verzahnt, andererseits werden sie beeinflusst durch die

Steakholder (Organisationsteilnehmer89) sowie durch „situative Faktoren, wie

Beschäftigungsstruktur, Unternehmensstrategie, Managementphilosophie,

Arbeitsmarktbeteiligung, Gewerkschaftseinflüsse, Technologien (und deren

Entwicklung, d. Verf.), Gesetze, gesellschaftliche Werte“ (Staehle a.a.O., S.791).

Sowohl die Steakholder-Interessen, wie auch die Verzahnung der ‚situativen

Faktoren’, wie Staehle diese nennt, entwickeln Rückkoppelungsschleifen, d.h. sie

beeinflussen sich gegenseitig. Solche Feedback-Prozesse gilt es zu erkennen, zu

entschlüsseln und in die Analysen einfließen zu lassen, um daraus fundierte neue

Entscheidungen zur integrativen Abstimmung der vier Politikfelder entwickeln zu

können. Allerdings verweist Staehle darauf, das es „keinen one best way des HRM

gibt“, sondern das es eher von Bedeutung sei, „dass die Politikfelder in sich

konsistent sind“ (Staehle, a.a.O., S.791).

Die ressourcenbasierten Ansätze gehen zunächst davon aus, dass Unternehmen nur

dann erfolgreich sind, wenn sie sich nachhaltige Wettbewerbsvorteile durch

Ressourcen erwirtschaften. Solche Ressourcen müssen nach Barney90 und Hart91

den Unternehmen einen Nutzenzuwachs ermöglichen, weiterhin muss die Ressource

für Mitbewerber knapp sein, das bedeutet, deren Beschaffung muss mit Kosten

verbunden sein, außerdem sollte sie möglichst einzigartig sein und sie soll zu guter

Letzt durch Wettbewerber nicht substituierbar sein. Dies ist ein sehr weitgefasstes

Ressourcenverständnis, um die HR einordnen zu können ist eine Unterscheidung

der Ressourcenarten hilfreich, wie Staehle sie vorschlägt: Nach dieser

Differenzierungsidee lassen sich Ressourcen gliedern als intangible (immaterielle)

88 Beer, M./ Spector, B./ Lawrence, P.R./ Mills, D.Q./ Walton, R.E.: Human resource management. New York u.

London 1985

89 Dazu gehören Anteilseigner, das Management, die Mitarbeiter/innen, Gewerkschaften, der Staat, die

Kommunen u.a.

90 Barney, J.B.: Firm resources and sustained competetive advantage. In: Journal of Management 17, 1991,

S.99-120

91 Hart, S.L.: A natural-resource-based view of the firm. In: AMR 20, 1995, S.986-1014

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Ressourcen, diese nämlich umfassen sowohl Vermögen, als auch Fähigkeiten.

Vermögen können Patente, Copyrights, der Markenname oder das Image eines

Unternehmens sein, zu den Fähigkeiten gehören mögliche Leistungspotentiale der

Mitarbeiter/innen, wie deren Know-how, die Innovationsfähigkeit, spezifische

Erfahrungen und spezifisches Können. Solche Ressourcen verfügen über eine große

Einsatzbreite und Flexibilität im Vergleich zu den tangiblen Ressourcen, diese

meinen physische und materielle Bedingungen, Anlagen, Ausstattungen, Zugang zu

Rohmaterial. Weiterhin gibt es finanzielle Ressourcen, sie werden unterschieden

hinsichtlich ihrer Verfügbarkeit (Liquidität oder Einlagen, Rückstellungen,

Risikokapital), diese Ressourcen sind sehr begrenzt und lösen sich bei Gebrauch auf

(Mittelabfluss). Die letzte Unterscheidung betrifft die organisationalen Ressourcen,

dies „sind strukturelle Arrangements (Makro- und Mikrostruktur der Unternehmung)

sowie die Arten der Verknüpfung von Unternehmungen (Vernetzung); hinzukommen

allgemein steuerungs- und Kontrollsysteme einschließlich der

Personalmanagementinstrumente sowie ‚weiche’ Koordinationsverfahren

(Organisations- oder Unternehmenskultur)“ (Staehle a.a.O., S.793).

Die Übertragung dieser Differenzierungsidee und deren Anwendung auf den

Humanbereich, beinhaltet die Option der Gestaltung von spezifischen

Humanressourcen mit den Möglichkeiten des Personalmanagements und der

jeweiligen Organisation und ihrem Hintergrund (Lage, Struktur, Kultur u.a.), zu einer

einmaligen, nicht nachahmbaren und damit wertvollen Ressource. Sie würde somit

zum knappen Gut, wäre für das Unternehmen ein nachweislicher Nutzenzuwachs,

sicherlich verursacht die Herstellung eines solchen Gutes auch Kosten, aber sie

wäre schwer imitierbar, also einzigartig und insofern von keinem Wettbewerber zu

substituieren. Ein Unternehmen welches unter der Prämisse der Wertsteigerung

solche HR entwickeln will, muss dies in sehr spezifischer Weise tun „und nicht durch

die Anwendung von me-too Techniken und Ansätzen“, es hat keinen Sinn

„Managementsysteme anderer Unternehmungen lediglich nachzuahmen (vgl.

Capelli/Crocker-Hefter 199692)“ (Staehle a.a.O., S.793). Einzigartigkeit lässt sich nur

erreichen, wenn die Entwicklung des HRM kompatibel zur Ausrichtung des

Unternehmens, zur Gesamtstrategie, zur gewollten Außendarstellung, zur Kultur und

92 Capelli, P./ Crocker-Hefter, A.: Distinctive human resources are firms` core competencies. In: ODY 24, 1996,

S.7-22

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den Werten des Unternehmens u. dergl. m. gestaltet wird. Ein solcher

ressourcenbasierte Ansatz verfügt über die Chance, das Harvard-Konzept mit

weiteren Kontexten zu verknüpfen und insofern zu erweitern (vgl. ebd, S. 794),

allerdings ohne dass dabei deutlich würde, ob ein Kontextverständnis positive

Auswirkungen auf die Entwicklung von HRM hätte.

5.2 Strategisches Personalmanagement

Staehle spricht von zwei differierenden Problembereichen, die hier

aufeinandertreffen, zum einen „die marktorientierte, strategische

Unternehmensplanung und die ressourcenorientierte Personalplanung“ (ebd. S.796).

Das Umdenken von einer ressourcenorientierten personalen Planung, hin zu einem

strategischen personalen Management und damit zu einer gleichberechtigten

Sichtweise beider strategischen Faktoren, ließen ein Denken zu, welches

beispielsweise Humane Ressourcen als ein Mittel zur Erreichung der

Unternehmensziele erkennen ließen. Bislang waren Marktgesetze, materielle

Ressourcenbeschaffung, Standortfragen, Zeitfaktoren, Arbeitsorganisation,

Marketing u.v.a.m. erfolgstreibende Faktoren. Dennoch darf diese Grundannahme

nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zum einen unterschiedlich gewichtete

Betrachtungsweisen gibt (1. das Personal folgt der Unternehmensstrategie; 2. die

Unternehmensstrategie folgt der Personalstrategie; 3. beide beeinflussen sich

wechselseitig), zum anderen gibt es, je nach Unternehmensentwicklung (Gründung,

funktionales Wachstum, kontrolliertes Wachstum, funktionale Integration und

strategische Integration) unterschiedliche HR-M-Orientierungen mit je

unterschiedlichem Führungsverhalten der Manager. Auch hinsichtlich der jeweiligen

Unternehmensstrategie (Verteidiger, Prospektoren, Risikostreuer, Reagierer; eine

Typologie nach Mils/Snow93 1978) in Verbindung mit unterschiedlichen

Entscheidungsvariablen (Personalentwickler, Personalverwalter, Personalforscher,

Personalbeurteiler) ergaben sich nach Ackermann94, der 80 Großunternehmen diese

Variablen zur Selbsteinschätzung gab und mit Hilfe einer Faktorenanalyse aus 25

personalwirtschaftlichen Entscheidungsvariablen Zusammenhänge erschloss,

folgende Ergebnisse: „Verteidiger präferieren die Personalverwaltungsstrategie;

93 Hinweis aus Staehle 1999, S.797

94 Ackermann, K.F.: Konzeptionen des strategischen Personalmanagements für die Unternehmenspraxis. In: H.

Glaubrecht/D. Wagner: Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung. Freiburg i. Br. 1987

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Prospektoren präferieren die Personalbeurteilungsstrategie; Risikostreuer

präferieren die Personalentwicklungsstrategie; Mischtypen präferieren die

Personalforschungsstrategie.“ Kritisch bleibt dabei zu betonen, dass diese Annahme,

das Personal folgt der Unternehmensstrategie optimistisch orientiert ist und davon

ausgeht, dass notwendige Personal sei jederzeit am jeweiligen Ort in ausreichender

Menge und Qualität zu beschaffen. Eine solche Annahme aber, so Staehle, ist

unrealistisch – „gerade die Ressource Personal erfordert eine langfristige

Betrachtung und ist mit eine Ursache für das Scheitern anspruchsvoller Strategien.

Insofern ist es nahe liegend, den umgekehrten Weg einer Strategieentwicklung aus

den vorhandenen Ressourcen heraus zu prüfen (vgl. Hayes95 1985)“ (Staehle a.a.O.

S. 798). Bühner96, wie auch Schreyögg97 verweisen auf die Notwendigkeit

qualifizierter personaler Ressourcen und empfehlen den Weg der

Personalentwicklung, um die Unternehmensstrategie daran auszurichten, da dies der

realistischere Weg sei um unternehmerische Ziele zu verwirklichen (vgl. Staehle

a.a.O. S. 798-799).

6. Politikfelder des HRM

Am Personal führt kein Weg vorbei. Ein solcher Satz wirkt zunächst, in seiner ersten

und vordergründigen Grundannahme, dass nämlich Unternehmen Personen

benötigen, die für dieses tätig werden, trivial. In diesem Satz steckt aber auch noch

eine zweite Grundannahme, dass neben der Personalbeschaffung, also dem

Vorhandensein von Personal, an dem vorhandenen Personal kein Weg vorbeiführt,

weil es weder beliebig austauschbar ist, noch zum Spielball eines erfolgreichen

Unternehmens werden kann, d. h. Personal kann weder beliebig freigesetzt und

wiedereingestellt werden, noch steht es in unterschiedlichen Produktionsprozessen

bzw. Dienstleistungsprozessen in je geforderter Qualifikation jederzeit zur Verfügung.

Der (oft beschworene) ‚demografische Faktor’ wird diese Situation, nämlich der

Verknappung humaner Ressourcen, in Zukunft noch verdeutlichen. Erfolgreiche

Unternehmen aber haben einen hohen Bedarf an qualifizierten und motivierten Fach-

und Führungskräften. „Eine systematische Personalplanung und –entwicklung ist

95 Hayes, R.H.: Strategie planning – forward in reverse? In: HBR 6/ 1985, S.111-119.

96 Bühner, R. (1987): Personalmanagement für neue Produktionstechnologien. In: BFuP 3/1987, S.249-265

97 Schreyögg, G.: Botschaften – Neue Perspektiven einer strategischen Personalführung. In: ZfO 3/ 1987, S.151-

158

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daher für die kurz-, mittel- und langfristige Sicherung und den Ausbau des

Unternehmenserfolges unabdingbar. […] Mit einer systematischen Personalplanung

und –entwicklung werden daher im Wesentlichen zwei Zielrichtungen verfolgt: (1.) -

Differenzierte Ermittlung des erforderlichen Bedarfs an Fach- und Führungskräften

der unterschiedlichsten Qualifikationen unter Berücksichtigung des vorhandenen

Personalbestandes; (2.) - Berücksichtigung unternehmensorientierter und

mitarbeiterorientierter Ziele im Hinblick auf einen verbesserten Einsatz am jetzigen

Arbeitsplatz und/oder zur Vorbereitung auf einen nationalen bzw. internationalen

Positionswechsel. Eingeschlossen sind damit Aus- und Weiterbildungsaktivitäten

ebenso wie Laufbahnentwicklungsüberlegungen und deren Umsetzung“ (Domsch,

S.47698). Im Folgenden sollen vier entscheidende Personalstrategien dargestellt

werden, an denen wohl kein Unternehmen tatsächlich vorbeikommt:

Personalbeschaffung, Personalentwicklung, Commitment und Motivation sowie

Personalführung.

6.1 Personalbeschaffung

„Die Funktion der Personalbeschaffung besteht darin, rechtzeitig (Bedarfszeitpunkt)

für die Erfüllung von Aufgaben an nicht besetzten Stellen (Bedarfsort) benötigtes und

geeignetes Personal (qualitativ und quantitativ) bereitzustellen“ (Ridder/Bruns, S.

39399). Solch eine Definition klingt technisch und machbar, vorausgesetzt es gibt

Verfahren und Handwerkszeug für die Umsetzung und einen gesellschaftlichen

Rahmen, der diese Umsetzung gestattet.

Dem gegenüber problematisiert Drumm in seinen ‚Szenarioprognosen für ein

künftiges HR-Management’ eine solch technische Herangehensweise und verweist

auf neuerer gesellschaftliche Entwicklungen. Er beschreibt die Notwendigkeit einer

Arbeitsmarktforschung, „um die qualitative und quantitative regionale Verteilung von

Mitarbeiterpotentialen erkennen zu können“ (Drumm a.a.O., S.66). Hinsichtlich des

akquisitorischen Potentials erlangen nach seiner Einschätzung künftig ältere

Mitarbeiter, Akkulturationsprogramme sowie Unterstützung für Mitarbeiter/innen in

der Familienphase erhebliche Bedeutung. Bei der Auswahl wird künftig von

98 Domsch, M.E.: Personalplanung und Personalentwicklung für Fach- und Führungskräfte. In: Rosenstiel, L.

von/ Regnet, E./ Domsch, M.E.: Führung von Mitarbeitern. Stuttgart 2003

99 Ridder, H.-G./ Bruns, H.-J.: Personalbeschaffung. In: Eichhorn, P./ Seelos, H.-J./ Schulenburg, Graf von der J.-

M.: Krankenhausmanagement. München, Jena 2000

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Bewerberinnen bzw. Bewerbern nicht nur eine genügende Qualifikation Bedeutung

erlangen, sondern gleichermaßen vom Unternehmen gewünschte Werthaltungen, in

diesem Zusammenhang empfiehlt Drumm die Entwicklung eines ‚Patensystems’, um

unternehmensspezifisches Wissen (Baustein eines Wissenstransfer) und

unternehmensspezifische Werte (Wertetransfer) vermitteln zu können. Die Chance,

welche die Probezeit eröffnet, sollte künftig besser genutzt werden, um die primären

und sekundären Schlüsselqualifikationen der neuen Mitarbeiter/innen

kennenzulernen, um entscheiden zu können, welche noch entwickelt bzw. aufgebaut

werden können. Bezüglich künftiger Führungskräfte sind neben deren

Schlüsselqualifikationen und deren Fachkompetenz auch Sozialkompetenzen und

‚pädagogische Fähigkeiten’ von Bedeutung. „Hinzu kommt, dass Führungskräfte

bereits über jene Werthaltungen verfügen sollten, die vom Unternehmen erwünscht

sind und mit Blick auf die Werte der neuen und jüngeren Mitarbeiter kompensatorisch

wirken sollen. Effizientes Mitwirken am ökonomischen Unternehmenserfolg wird

somit als alleiniges Auswahlkriterium für Führungskräfte in Zukunft zwar notwendig,

aber nicht mehr hinreichend sein (ebd., S. 68). Eine solche prognostische Sicht geht

einerseits von einer spürbaren Verknappung qualifizierter Arbeitskräfte im

Arbeitsmarkt aus, andererseits auch von einer Verknappung geeigneter Kräfte, wobei

die Eignung sich eben nicht nur auf die Qualifikation bezieht, sondern den Fokus auf

Werthaltungen, Lernfähigkeit sowie neue und zusätzliche Kompetenzen (Soziales

und Pädagogik) ausrichtet.

Ein Blick auf die bislang gängigen Annahmen der Personalbeschaffung geht von den

Prämissen genügender Auswahlmöglichkeiten, ausreichender Qualifikationen,

gleichbleibend stabiler Rahmenbedingungen (Bildungssektor, Gesetze,

Verordnungen, Tarife u.a.), hinreichender Ausbildungsressourcen und dergl. mehr

aus. Insofern war Personalbeschaffung eher ein (administrativer) Verwaltungsbereich

im Unternehmen (‚Personalbüro’), welches überwiegend von Juristen ausgeübt

wurde. „Bis zur Rezession Ende der 1980er, Anfang 1990er Jahre war der

Personalbereich oft einfach der ‚Beschaffer’. Im Personalbereich herrschten

Zentralisierung, Verrichtungs- bzw. Funktionalmodell und Eindimensionalität vor“

(Ehmann/Eisele, S. 33100). Augenblicklich beschreibt das Autorenpaar die Situation

100 Ehmann, H.-M./ Eisele, D. S.: Personalmanagement im Rückblick – Augenblick – Ausblick. In: Personal

5/2003, S.32-35

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des Personalbereichs als Beratungsfunktion für die Unternehmensführung und

Führungskräfte, im Sinne eines Dienstleistungsbereiches. Scholz101. spricht in

diesem Zusammenhang von ‚unternehmerischer Triebfeder’ des Personalbereiches,

dem die Rolle des Partners in der Umsetzung der Unternehmensstrategie zukommt.

Die künftige Entwicklung wird nach Ehmann/Eisele gekennzeichnet sein durch

steigende Diversity in den Unternehmen, durch weitere Internationalisierung, durch

Virtualisierung (Technologiedynamik), durch wachsenden Hedonismus. Sie

prognostizieren einen Changeprozess vom Personalbereich zu einem „Competence

Center Personalmanagement“ (ebd., S.35).

Was ist nun das (noch) gängige Handwerkszeug der Personalbeschaffung und

welche Phasen sind in diesem Prozess angesprochen? Es lassen sich zunächst

sieben Phasen differenzieren: Erstens ist der Beschaffungsbedarf (Neu- oder

Ersatzbedarf) festzulegen, dazu müssen Anforderungsprofile ermittelt oder

bereitgestellt werden sowie die Zeitpunkte bzw. Zeiträume definiert werden; zweitens

ist der Beschaffungsweg festzulegen, damit ist die Entscheidung über interne

oder/und externe Verfahren zu treffen, außerdem sind strategische Vorgaben

einzubeziehen; drittens ist die Art und Weise der Kontaktaufnahme festzulegen

(Beauftragung externer Personalvermittler, der Arbeitsagentur, eigene

Stellenausschreibungen, Festlegung der Medien wie Zeitungen, Fachzeitschriften,

Internetportale usw.), in diesem Zusammenhang ist der Umgang mit den

eingehenden Bewerbungen zu regeln (Annahme, Sammeln und Aufbewahren,

Eingangsmitteilungen schreiben, Zeitfenster festlegen u.a.m.); viertens ist das

Verfahren der Bewerberauswahl festzulegen (Entscheidung für Auswahlmethoden,

Vorauswahl anhand von Kriterien, welche durch die Fachabteilung vorgegeben

werden, Durchführung der Auswahl nach der Vorentscheidung durch

Bewerbungsgespräche oder Assessmentcenter, Entscheidung treffen); fünftens ist

die Kontrahierung zu regeln (ggf. ist eine Einstellungsuntersuchung zu veranlassen,

in jedem Fall ist ein Arbeitsvertrag anzufertigen sowie beidseitig zu unterzeichnen);

sechstens ist die Arbeitsaufnahme zu regeln (Einarbeitung, Mentorsystem oder

Patensystem, Beurteilung währen der Probezeit); siebtens ist die Evaluation

101 Scholz, C.: Personalmanagement in virtualisierenden Unternehmen: Paradigmawechsel plus gradueller

Wandel! In: Information Management & Consulting, 4/1998, S.7-13

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sicherzustellen Ausfertigung der Probezeitbeurteilung, Evaluation des gesamten

Beschaffungsprozesses und generelle Evaluation der Personalbeschaffung)102.

Nach Dahlgaard103 sind folgende Arbeitsschritte und Entscheidungen notwendig: Die

Analyse von Anschreiben und Lebenslauf. Im Anschreiben sollte bereits ein Bezug

der eigenen Person zum Unternehmen erkennbar werden. In einem zweiten Schritt

sollen die Zeugnisse ausgewertet werden. In der Folge einer ersten Vorauswahl

können die verbleibenden Bewerber mit Hilfe von standardisierten Fragebögen einer

zweiten Vorauswahl unterzogen werden. In einem nächsten Schritt sind

Bewerbergespräche (Interviews) möglich oder Testverfahren, wie sie

Assessmentcenter nutzen. Als weitere Option wären Hospitationen ebenso denkbar

wie die Vereinbarung einer (befristeten) Probearbeit, in bestimmten Bereichen sind

auch Arbeitsproben denkbar (z.B.: im Marketing, in der Werbung, im Designebereich,

weiterhin können Broschüren, Flyer, Plakate, auch handwerklich hergestellte Werke

beurteilt werden usw.).

Im Rahmen aller oben benannter Optionen in den Auswahlverfahren, sind nach

Weuster Fairness und Gerechtigkeit auf allen Prozessebenen sicherzustellen. Alle

Verfahren haben stets den Arbeitsplatzbezug zu wahren, ein Eindringen in die

Privatsphäre ist nicht gerechtfertigt. Sie haben die Qualität zu sichern, indem sie die

Verfahren (möglichst) objektiv, reliabel und valide gestalten sowie für eine

konsistente Anwendung auf alle Bewerber sicherstellen. Vorurteile lassen sich

einschränken, indem mehrere Beurteiler in die Verfahren eingebunden werden unter

anderem auch die Interessenvertretung der Arbeitnehmer. Über die Verfahren sollte

im Übrigen Transparenz bestehen. Darüber hinaus sind ethische Aspekte zu

beachten und sicherzustellen; wer sich bewirbt verdient Respekt, Vertraulichkeit und

Ehrlichkeit, weiterhin hat jeder Bewerber Anspruch auf ein abschließendes

Feedback. Nicht nur der Bewerber liefert Informationen, dieser Prozess ist ein

wechselseitiger, denn auch das Unternehmen gibt Auskunft über sich, seine

Erwartungen, seine Rahmenbedingungen (wie Arbeitszeit, Bezahlung u. dergl. m.).

102 Dahlgaard, K.: Phasen der Personalbeschaffung. Manuskript/Modulunterlagen MBA Studiengang HAW HH

SS 2008

103 Dahlgaard, K.: Personalarbeit im Krankenhaus. S.14-18; In: Trill, R./Tecklenburg, A.: Das erfolgreiche

Krankenhaus. Neuwied, Köln, München 2000

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Zu guter Letzt sollten Korrekturmöglichkeiten eingebaut werden (evtl. ein weitere

Bewerbergespräch o.a.) (vgl. Weuster, S. 44-49104).

6.2 Personalentwicklung

Personalentwicklung (PE) ist nicht vorraussetzungslos, sie muss vom Unternehmen

als notwendig erkannt werden sowie gewollt und geplant sein und es muss vom

Mitarbeiter bzw. der Mitarbeiterin gewünscht sein, aber auch geleistet werden

können (und zwar mental, zeitlich und im Kontext der Lebenssituation), zwischen

beiden berechtigten Interessen und der Notwendigkeit zur PE sollte ein

bestmöglicher Fit hergestellt werden können. „Personalentwicklung bedeutet eine

systematische Förderung und Weiterbildung der Mitarbeiter. Dazu zählen sämtliche

Maßnahmen, die der individuellen beruflichen Entwicklung der Mitarbeiter dienen und

ihnen unter Beachtung ihrer persönlichen Interessen die zur Durchführung ihrer

Aufgaben erforderlichen Qualifikationen vermitteln“ (Menzel, S.2105). Auch PE ist, so

Staehle, ähnlich wie Motivation und Führung, „eine zielgerichtete Beeinflussung

menschlichen Verhaltens“ (ebd., S. 872). Er weist gleichermaßen auf die geplante

betriebliche Fort- und Weiterbildung hin, damit gehören Selbst-Qualifikationen sowie

ungeplantes, nicht organisiertes Lernen nicht zur PE. Allerdings weist Staehle der

Selbst-Qualifikation einen hohen Stellenwert zu, schließlich geschieht sie intrinsisch

hoch motiviert. Er empfiehlt dazu befristete Teilzeitbeschäftigungen bzw. flexible

Arbeitszeiten zu vereinbaren: „Dabei wäre es durchaus naheliegend, den durch

Arbeitszeitverkürzung gewonnenen Spielraum nicht (nur) für Freizeit- sondern

verstärkt für Weiterbildungsaktivitäten zu nutzen, oder den temporären Übergang von

Vollzeit- zu Teilzeitbeschäftigung auch deshalb anzustreben, um

Qualifikationsdefizite zu beseitigen und/oder notwendige Bildungsabschlüsse

nachzuholen“ (ebd., S.987).

Nicht alle Unternehmen gehen einen Personalentwicklungsweg. Es gibt

Unternehmen, welche so lange warten, bis sich personelle Engpässe ergeben, die

dann mehr oder weniger zufällig mit vorhandenem oder neu eingestellten Personal

besetz werden (‚Jungle Method’); andere Unternehmen werben quasi ‚fertige’

Mitarbeiter/innen an und trennen sich wieder von diesen bei nicht ausreichender

104 Weuster, A.: Gerechtigkeit und Fairness bei Auswahlverfahren. In: Personalführung , Heft 10/2004

105 Menzel, W.: Personalentwicklung. Erfolgreich motivieren, fördern und weiterbilden. München 2005

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Leistung (gem. von Versuch und Irrtum; ‚Purchasing Method’), beide Formen

greifen nicht auf PE Maßnahmen zurück. Daneben gibt es Unternehmen, die

gewissermaßen halbfertige Mitarbeiter/innen werben, ausprobieren und bei Bedarf

selektiv schulen (‚Manufacturing Method’); zu guter Letzt stellen andere

Unternehmen junge Nachwuchskräfte mit möglichst hohem Wachstumsmöglichkeiten

ein, sorgen für Unterstützung und Förderung dieser Menschen und schaffen sich

damit hoch qualifizierte Ressourcen (Agricultural Method’), diese Unternehmen

betreiben PE und OE planvoll, differenziert und eng miteinander verzahnt (vgl.

Staehle a.a.O., S. 878).

PE wendet sich prinzipiell an alle Mitarbeiter, allerdings in sehr unterschiedlicher

Qualität und Intensität, anders als die Führungskräfte Entwicklung (Management

Development), welche in der Regel umfassend und intensiv ist. „Entsprechend

definiert Heymann/Müller (1982, S.151f.106): ‚Unter der Personalentwicklung eines

Unternehmens sind alle Maßnahmen zu verstehen, die der individuellen beruflichen

Entwicklung der Mitarbeiter aller Hierarchieebenen dienen und ihnen unter

Beachtung ihrer persönlichen Interessen die zur Wahrnehmung ihrer aktuellen und

auch zukünftigen Aufgaben notwendigen Qualifikationen vermitteln’“ (zit. nach

Staehle a.a.O., S.873). Hierbei darf nicht verkannt werden, dass die Interessen der

Unternehmen und die der Mitarbeiter/innen nicht identisch sind. Eine Definition, wie

sie von Heymann und Müller propagiert wird, geht von einem Harmoniemodell aus,

welches es so nicht gibt, dementsprechend konstatiert Staehle, „diese Sichtweise

deckt sich nur unzureichend mit der Praxis“, denn „Mitarbeiterziele werden in der

Regel nur insofern und insoweit berücksichtigt, als sie nicht der Erreichung der

Unternehmensziele entgegenstehen“ (S.873). Es dominieren also doch die Ziele des

Managements und diese betreffen (1.) die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit, (2.)

der Flexibilität, (3.) der Motivation und Integration, (4.) der Sicherung eines

qualifizierten Mitarbeiterstammes und (5.) das unter Berücksichtigung individueller

und bildungspolitischer Ansprüche (vgl. ebd., S.874). Auf unterschiedliche Ziele

106 Heymann, H.-H./ Müller, K. G.: Betriebliche Personalentwicklung. In: WiSt 4/1982, S.151-156

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zwischen Individuum und Organisation verweist auch Strehmel107, sie geht aber,

mit Hinweis auf Kais108, davon aus, dass diese größtenteils miteinander vereinbar

sind.

PE hat unterschiedliche Funktionen, sie kann sowohl berufsvorbereitend agieren

(Ausbildung, anlernen nicht qualifizierter Menschen, Anleitung von Praktikanten bzw.

Volontären, Einarbeitung von jungen Hochschulabsolventen durch Paten oder

Mentoren); als auch berufsbegleitend stattfinden (Anpassungs- oder

Aufstiegsqualifikation i. S. einer Karriereentwicklungsplanung) und sie kann drittens

berufsverändernd notwendig werden (Umschulung oder Rehabilitation). Staehle

unterscheidet in diesem Zusammenhang ‚institutionell-unternehmerische Faktoren’

und ‚personell-politische Faktoren’, zu den ersten gehören demnach technologische

Veränderungen, Änderungen der Märkte und des Managements, zu den zweiten

Faktoren gehören Veränderung des Betriebsklimas (Fluktuation, Zufriedenheit) und

bildungspolitische Entwicklungen (Vorschriften, Gesetze, Tarife, u.a.m.) (vgl. ebd.,

S.874-876).

Der PE stehen unterschiedliche Instrumente zur Verfügung. Heymann/Müller

unterscheiden die Instrumente nach dem jeweiligen Ziel der Maßnahme: Die

Erhaltungsentwicklung hat die Aufrechterhaltung der Leistung zum Ziel; die

Anpassungsentwicklung soll den Mitarbeiter an veränderte Anforderungen anpassen;

die Aufstiegsentwicklung eröffnet die Option für höherwertige Tätigkeitsfelder. PE-

Maßnahmen können an unterschiedlichen Orten organisiert und geplant werden und

unterschiedliche Funktionen haben. Eine berufliche Ausbildung oder die Einführung

eines Mitarbeiters in ein Tätigkeitsfeld wird von Conradi109 PE-into-the-job genannt,

während PE-on-the-job Maßnahmen während des beruflichen Tätigseins meint,

Maßnahmen im Unternehmen, aber nicht am originären Arbeitsplatz, werden als PE-

near-the-job bezeichnet, während betriebliche und überbetriebliche

Ausbildungen/Weiterbildungen hier PE-off-the-job sind, daneben gibt es noch

laufbahnbezogene PE sowie PE-out-off-the-job, womit entweder Outplacement

angesprochen ist oder Ruhestandsvorbereitungen gemeint sind (vgl. Staehle, S.880).

107 Strehmel, P.: Personalmanagement in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen. Teil 1: Psychologische

Grundlagen. Remagen 2006, S.72

108 Kais, E.: Arbeits- und Organisationspsychologie. Workbook. Weinheim 2006

109 Conradi, W.: Personalentwicklung. Stuttgart 1983

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Weiterbildung, das wird hier deutlich, hat unterschiedliche Funktionen, es geht um

Ergänzungs- oder Anpassungsweiterbildung, damit die/der Arbeitnehmer/in an

ihrem/seinem Arbeitsplatz verbleiben kann oder es geht um Aufstiegsweiterbildung,

damit höherwertige Tätigkeiten übernommen werden können, auch Umschulungen

gehören dazu, ebenso Maßnahmen der berufliche Rehabilitation (erkrankter oder

behinderter Menschen) sowie der Resozialisation (berufliche Wiedereingliederung

straffällig gewordener Menschen) auch Maßnahmen zur beruflichen Reaktivierung

von Langzeitarbeitslosen oder Wiedereinsteigern nach Familienpausen oder

Sabbatjahren sind hier gemeint. Dabei spricht Weiterbildung drei verschiedene

Ebenen an, die getrennt voneinander aber auch verknüpft miteinander gemeint sind.

Es geht um Vermittlung von Sachwissen (knowledges), um die Verbesserung von

Fähigkeiten (skills) und um die Bildung neuer Einstellungen (attitudes). Zu den

internen PE-Maßnahmen gehören, je nach Unternehmensform bzw.

Organisationsart, auch Supervisions- und Coachingprozesse sowie

Teamentwicklung u.a. „durch Team- oder Konzepttage sowie interne Fortbildungen“,

aber auch ein planvoller veränderter Personaleinsatz zählt dazu, dessen

„Grundformen sind: Jobrotation: Fachkräfte wechseln innerhalb der Organisation in

ein anderes Aufgabenfeld; Job-Enlargement: Das Aufgabenfeld wird durch

zusätzliche Aufgaben erweitert; Job-Enrichment: Die Aufgabe wird auf ein höheres

Niveau gehoben, die Fachkraft erhält mehr Verantwortung“ (Strehmel a.a.O., S. 73).

Grundlagen für PE-Maßnahmen sind zum einen die unternehmerischen Planungen

hinsichtlich künftiger Märkte, modernerer Produktionstechnologien, neuer

strategischer Ausrichtungen, notwendiger Change-Prozesse, der

Mitarbeiterplanungen der Abteilungen oder strategischer Geschäftseinheiten und der

MA-Planungen insgesamt, wozu auch Karriereplanungen und/oder

Laufbahnplanungen gehören, andererseits ist es der Abstimmungsprozess mit dem

jeweiligen Mitarbeiter, der jeweiligen Mitarbeiterin. Diese Abstimmungsprozesse

können ganze Abteilungen bzw. Bereiche oder Teams betreffen, können gemeinsam

mit den Vertretungsgremien der Mitarbeiter entworfen und entwickelt werden, können

aber ebenso einzelne Mitarbeiterinnen betreffen, beispielsweise im Rahmen einer

Karriereplanung, wobei Karriere nicht zwingend laufbahnorientiert sein muss,

sondern auch andere Formen meinen kann. Dazu gehört nicht nur ein vertikaler

Aufstieg, sondern auch ein Versetzung auf gleicher Ebene, eine neue anders

geartete Aufgabe, die Übernahme einer Projektleitung (zeitlich befristet) u. dergl. m.

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Karriereplanung „soll die improvisierten, zufälligen Beförderungs- oder

Versetzungsentscheidungen bei Vakanzen oder neu zu schaffenden Stellen ablösen.

Karriereplanung ist insofern ein PE-Instrument, als jeder Stellenwechsel dem

Mitarbeiter mit neuen Anforderungen konfrontiert, auf die er sich durch

Weiterbildung on- oder off-the-job vorbereiten muß“, allerdings erfolgen

Beförderungen, so Staehle kritisch, tatsächlich „häufig auf Grund von Loyalität

(Anpassung an Normen und Werte der Unternehmung oder des Vorgesetzten) oder

Beziehungen (Kooperation, Cliquen, Koalitionen, Seilschaften)“ (ebd., S.888). Das

Kerninstrument dafür ist das Personalentwicklungsgespräch oder auch

Fördergespräch genannt. Es dient der gemeinsamen Erörterung der Bedeutung von

Zusammenarbeit und Team, der Anforderungen und Erwartungen an die Aufgaben

und das Arbeitsumfeld, der Identifikation der Entwicklungsperspektiven der

Mitarbeiterin, der Beurteilung der Qualifikation im Hinblick auf die

Entwicklungsmöglichkeiten und der Erörterung der Fördermöglichkeiten und

gezielten Fördermaßnahmen. Mit diesem Instrument kann die Passung zwischen

Unternehmensplanung und individuellen Entwicklungswünschen gelingen

(vorausgesetzt das Unternehmen und die Unternehmensumwelt ist stabil, nicht von

Rezession, Restrukturierungen, ggf. Mitarbeiterfreisetzungen u.ä. betroffen). Ein

solches Fördergespräch wird nur dann zu einem (Arbeits-)Instrument, wenn die

Organisation und das Verfahren (Ablauf) einheitlich und klar geregelt sind, alle

Beteiligten darum wissen und es als Werkzeug im Unternehmen eingeführt wurde

(vgl. hierzu Tschumi110). Im folgenden Abschnitt geht es um eine andere Größe

zielgerichteter Einflussnahme, nämlich um Motivation und Bindung.

6.3 Motivationsansätze und Commitment

Nicht jeder, der etwas bewegt, ist allein schon deswegen motiviert (es ließen sich auf

einem Schreibtisch Papierstapel, ohne jegliche Motivation, von links nach rechts und

umgekehrt bewegen), aber jeder der motiviert ist, bewegt etwas, denn Motivation

spricht „die Gesamtheit der intrapsychischen Beweggründe“ an (Neuberger 2002,

S.533111) und schließlich geht der Begriff auf das lateinische movere (= bewegen)

zurück (Staehle 1999, S.219). Dabei stellt sich zugleich die Frage, ob jemand

110 Tschumi, M.: Praxisratgeber der Personalentwicklung. Zürich 2005

111 Neuberger, O.: Führen und führen lassen. Stuttgart 2002

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motiviert werden kann, lässt sich Motivation von außen anstoßen, gar herstellen,

wenn es sich doch dabei um intrapsychische Angelegenheiten handelt? Was wären

Bedingungen für einen generativen (Herstellungs-)Prozess, i.S. vom lateinischen

generare (= erzeugen), wie also lässt sich Motivation erzeugen? Und wie verhält es

sich mit dem Commitment, welche organisationalen und individuellen Inhalte werden

hiermit angesprochen, was verbirgt sich dahinter? Neuberger deutet diesen

Terminus i.S. von innerer Verpflichtung, Engagement und Hingabe (ebd. S.191; 273;

324) und beschreibt Commitment als einen ‚zwischenzeitlich zentralen Terminus in

der organisationspsychologischen Diskussion’ (vgl. ebd. S.384). Zunächst sollen

Motivationstheorien besprochen werden, im Anschluss folgt ein Abschnitt zum

Commitment.

Motivation als psychische Dimension des Einzelnen verstanden, bewegt innere

Dialoge, welche im Äußeren nicht sichtbar werden, führen diese ‚Selbstgespräche’

allerdings zu Ergebnissen, können diese sich im Außen durch Handlungen und/oder

gezeigten Haltungen spiegeln und damit sichtbar werden. Diese Annahme verweist

auf ein Problem der Messung von Motivation, auf die Staehle hinweist, denn

„Motivation ist wie Lernen und Wahrnehmen ein hypothetisches Konstrukt, eine

intervenierende Variable, zwischen situativen/personalen Bedingungen und

beobachtbaren Verhalten, die sich nicht unmittelbar messen läßt“ (ebd. S.219). Was

hier zunächst an eine Black-Box erinnert, weil nur Input und Outcome sichtbar

scheinen, lässt sich trotz dieser Vermutung transparenter denken, da neben den

Messmethoden der (1.) Verhaltensbeobachtung, (2.) der Analyse der

Verhaltensergebnisse und (3.) physiologischer Methoden auch noch die (4.)

Introspektion (Selbstbeobachtung) als Option vorhanden bleibt (vgl. Rosenstiel,

S.80ff.112). Zu 1: Eine Verhaltensbeobachtung erlaubt zwar mehrere Personen in der

Beobachterrolle, aber die zugrundeliegende Motivationsstruktur entzieht sich der

Beobachtung und wer will von dem beobachteten Verhalten auf die

Motivationsstruktur Rückschlüsse ziehen, kann ein und dasselbe Motiv durchaus

verschiedenes Verhalten erzeugen. Zu 2: Dieses Verfahren nimmt nicht das

Verhalten, sondern dessen Ergebnisse in den Fokus (Arbeits-, Leistungs- oder

Testergebnisse). So werden, in Hinblick auf Testergebnisse, den Vpn, bei dem von

112 Rosenstiel, L. von: Die motivationalen Grundlagen des Verhaltens in Organisationen. Leistung und

Zufriedenheit. Berlin 1975

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Murray entwickelten thematischen Auffassungstest (TAT), Bilder mit festgelegten

Zeitfenstern gezeigt, zu denen sie eigene Geschichten assoziieren. Diese

Assoziationen erlauben den geschulten Psychologen, so die Annahme,

Rückschlüsse auf die Gedanken und damit auf die Motive der Vpn. Zu 3: Es ist dies

der Versuch, aus physiologisch messbaren Daten, ähnlich der Idee des

Lügendetektors, Rückschlüsse auf vorhandene Motivationen zu ziehen (vgl. hierzu

Staehle, S. 229f.). Zu 4: Das Problem der Selbstbeobachtung bleibt allerdings die

subjektive schriftliche Beschreibung eigener Erlebnisphänomene durch die

Betroffene Person, aber auch eine schriftliche oder mündliche Befragung durch

Außenstehende macht das Ergebnis nicht objektiver. Die Überprüfung der

festgehaltenen Ergebnisse bleibt intersubjektiv, da es nur einen Beobachter gibt.

Nach diesem Hinweis auf Probleme der Messung von Motivation sollen nun

Motivationsansätze skizziert werden.

In der Literatur werden zwei verschiedene Ansätze besprochen bzw. diskutiert, dabei

handelt es sich um Inhaltstheorien (I1 bis I3) sowie um Prozesstheorien (P1 bis P 5).

Die so genannten Inhaltstheorien der Motivation knüpfen an Triebe und Bedürfnisse

des Menschen an. Damit ist die Spanne von den elementaren Grundbedürfnissen bis

hin zur kulturellen Selbstverwirklichung und Transzendenz angesprochen (i.S. von:

‚Erst kommt das Fressen, dann die Moral’ [s. Rosenstiel 2003, S.202]). Zunächst zu

den Inhaltstheorien:

(I-1) Die wohl bekannteste dieser Inhaltstheorie ist die Maslowsche

Bedürfnispyramide, „die besonders große Akzeptanz in Praktikerkreisen gefunden

hat“, denn es ist nicht „verwunderlich, dass vor allem die Manager bei der großen

Uneinigkeit der Wissenschaftler über den empirischen Bestätigungsgrad einzelner

Theorien auf dieses Gütekriterium völlig verzichten und nur das aus der Fülle der

Motivationsansätze praktizieren, was ihnen plausibel und mit dem gesunden

Menschenverstand vereinbar scheint. Dass das nicht immer (fast nie) die unter

wissenschaftlichen Aspekten ‚richtigen’ Modelle sind, ist gerade im Bereich der

Motivationstheorien besonders auffällig“ (so Staehle 1999, S.219).

Maslows Idee und entwickelter Ansatz diente zunächst nicht einer Theoriebildung der

Arbeitsmotivation in Organisationen, sondern hatte die Intention individuellen

Wachstumsmöglichkeiten nachzuspüren.

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Abb.: 3 nach Maslow

Maslow113 bewerte die ersten drei Stufen als Grundbedürfnisse, die befriedigt werden

können (‚denn wenn der Durst gelöscht ist, besteht kein Bedürfnis mehr zum

Trinken’), die anderen Bedürfnisse allerdings sind unstillbar, erneuern sich stets oder

können nicht abgeschlossen werden (ein kreativer Künstler beispielsweise wird nicht

nach einer Anzahl von Bildern, Musikstücken oder Statuen befriedigt sein und seine

Kunst an den Nagel hängen, sondern eher weiterhin nach Selbstverwirklichung

streben oder gar seine Kunst hin zur Transzendenz öffnen wollen). Soziale

Anerkennung beispielsweise, muss stets aufs neue errungen werden, da sie an das

Gegenüber oder an eine Gruppe gebunden ist, ändern sich die Bedingungen in der

Gruppe oder die Gruppenmitglieder oder die Gruppen selbst, ist sie stets neu zu

konstruieren. Bezogen auf Unternehmen lässt sich diese Hierarchie wie folgt

übertragen:

Bedürfnisse Anreize

Grundbedürfnisse z. B. Entgelt, Gestaltung des Arbeitsplatzes,

Abschirmung von Belästigungen und Störungen,

verbilligte Einkaufs- und Wohnmöglichkeiten,

Kantine, ärztliche Betreuung

Sicherheitsbedürfnisse z. B. Vertrauen in die Zukunft des

Unternehmens, Versicherung gegen Krankheit,

Unfall. Invalidität und Alter, Sicherheit des

Arbeitsplatzes

113 Maslow, A. H.: Motivation and personality. New York 1954 deutsch: Motivation und Persönlichkeit.

Olten/Freiburg 1977

Sicherheit

Soziale Beziehungen

Soziale Anerkennung

Selbstverwirklichung

Körperliche Bedürfnisse

Abb. 2: Bedürfnispyramide nach Maslow (1943 in der Fassung von 1970 zzgl. der Transzendenz)

Transzende

nz

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Kontaktbedürfnisse z. B. Möglichkeiten der Kommunikation am

Arbeitsplatz, angenehme Kollegen,

mitarbeiterorientierte Vorgesetzte,

Problemlösungsgespräche

Anerkennungsbedürfnisse z. B. Aufstiegsmöglichkeiten, übertragene

Kompetenzen, Ehrentitel, Gehaltshöhe,

Dienstwagen

Selbstentfaltungsbedürfnisse z. B. Delegation, Mitbestimmung bei der Arbeit,

partizipative Führung, gleitende Arbeitszeit,

abwechslungsreiche Tätigkeit,

Fortbildungsprogramme

Abb.: 4 Tabelle nach Staehle 1999, a.a.O., S. 818

Die Kritik an diesem Modell richtet sich zum einen gegen die hierarchische Struktur,

die Entwicklung stets nur stufenweise denkt, demnach können menschliche

Bedürfnisse nicht nebeneinander stehen, zum anderen richtet sie sich gegen die

mangelhafte Überprüfbarkeit, für die es individuelle Längsschnittsuntersuchungen

bräuchte (die es aber hierzu nicht gibt) und gegen die ungenügende Validität, da

lediglich unsystematische klinische Erfahrungen vorliegen (vgl. Rosenstiel 2003,

S.202 und Staehle 1999, S.222).

(I-2) Die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg114 (auch Motivationstheorie genannt)

ist eine andere Inhaltstheorie, die allerdings der Maslowschen Bedürfnispyramide

sehr nahe kommt, teilte man diese in Wachstumsbedürfnisse und Defizitbedürfnisse

ein (vgl. Staehle 1999 S.227). Herzberg et al. stellten in einer empirischen Studie

fest, dass es nicht nur ein Kontinuum zwischen Zufriedenheit und Unzufriedenheit

gibt, sondern dass es Faktoren gibt, die Unzufriedenheit zwar verhindern, damit aber

nicht automatisch Zufriedenheit herstellen, diese Faktoren nannte er Hygiene-

Faktoren, dazu gehören die Unternehmenspolitik, Personalführung, Entlohnung,

Arbeitsbedingungen. Das Gegenteil von Unzufriedenheit war demnach eben nicht

Zufriedenheit, sondern das Fehlen von Unzufriedenheit. Die Zufriedenmacher nannte

er Motivatoren, dazu gehören Leistung, Anerkennung, interessante Arbeitsinhalte,

Verantwortung, Aufstiegsmöglichkeiten. Allerdings zeigte sich später in einer Vielzahl

von Replikationen, dass die Annahmen von Herzberg nur selten bestätigt werden

114 Herzberg, F./ Mausner, B./ Snyderman, B.: The Motivation of Work. New York 1959

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konnten. Ganz offensichtlich ist ein Zufriedenmacher für den einen noch bei

weitem keiner für einen anderen, d.h. dass die Faktoren auch personenabhängig

sind. So lässt sich „festhalten, dass Herzbergs Aussagen zwar nicht valide, aber sehr

erfolgreich in der plausiblen Erklärung von Alltagserfahrungen sind“ (Staehle 1999,

S.226). In der Praxis der Unternehmen führte dies zu einer Fokussierung auf die

Motivatoren (z.B. i.S. von job-enrichment).

(I-3) McClelland/Atkinson115 haben eine Leistungsmotivationstheorie aufgestellt,

indem sie eine Vielzahl hoch Leistungsmotivierter auf für sie typische

Verhaltensweisen und Persönlichkeitszügen hin untersuchten. Zunächst stellten sie

fest, dass es drei verschiedene zentrale Motivationen gäbe, das Streben nach

Leistung, das soziale Streben und das Machtstreben. Sie haben diesen drei

Grundmotiven geeignete Betätigungsfelder zugeordnet sowie motivationale

Vorraussetzungen. Im organisationalen Zusammenhang interessierte sie allerdings

in erster Linie das Leistungsstreben. Was sorgte dafür, dass es recht

unterschiedliche Leistungsbedürfnisse bzw. Leistungsmotivationen gibt? In ihren

empirischen Untersuchungen zeigte sich, dass hoch Leistungsmotivierte folgende

Charakterzüge aufwiesen: „♦ gehen gut kalkuliertes, überschaubares Risiko ein; ♦

bevorzugen mittelschwere Aufgaben, die aber einen gewissen Neuigkeitsgehalt

aufweisen und persönliche Initiative und Kreativität verlangen; ♦ konzentrieren sich

auf Arbeit/Aufgabe selbst und weniger auf Mitarbeiter, ♦ vertragen keine

Arbeitsunterbrechung; ♦ bevorzugen Arbeitssituationen, in denen sie selbstständig

und eigenverantwortlich arbeiten und entscheiden können; ♦ benötigen unmittelbaren

Feedback, häufig eigene und fremde Beurteilungen der Arbeitsergebnisse; beziehen

hohe Befriedigung durch Arbeit selbst (intrinsisch motiviert); ♦ Geld ist nur als

Indikator für Leistung von Bedeutung“ (Staehle 1999, S.228f.). Demnach scheinen

erfolgsmotivierte Menschen mittelschwere Aufgaben zu bevorzugen (die auch

wirklich zum erhofften Erfolg führen) und die Misserfolgsmotivierten bevorzugten

entweder sehr leichte oder sehr schwere Aufgaben (die einen verhindern Misserfolg,

die anderen provozieren ihn), somit unterscheiden sie sich in der Wahl des jeweiligen

Anspruchsniveaus.

115 McClelland, D. C./ Atkinson, J. W./ Clark, R. A./ Lowell, E. L.: The archievement motive. New York 1953

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(I-&-P) Die Brücke von den Inhaltstheorien zu den Prozesstheorien ist die

Erwartungs-Valenz-Theorie (Atkinson 1975116), welche an die

Leistungsmotivationstheorie anknüpft und von den gleichen Autoren formalisiert

weiterentwickelt wurde. Nach dieser Annahme ist die Tendenzintensität eines

Menschen, Erfolg zu suchen (T) abhängig von der Stärke des Grundmotivs Erfolg zu

erreichen (M), sowie von den Erwartungen der Erfolgswahrscheinlichkeit (P) und der

Anreizstärke des Ziels für die betroffene Person (I) [ein definiertes Ziel bewirkt bei

jeder Person eine je andere Anreizstärke], daraus ergibt sich T = M x P x I. Die

Stärke der Leistungsmotivation ist für McClelland (1961117) ausschlaggebend für

Stärke und Wachstum des Unternehmens und weitergegriffen für die gesamte

Volkswirtschaft. „Er fand im internationalen Vergleich, daß das Niveau der

Leistungsmotivation einer Bevölkerung positiv mit dem Niveau der wirtschaftlichen

Entwicklung eines Landes korreliert; allerdings mit einem time lag von etwa 50

Jahren“ (Staehle 1999, S.229f.).

Prozesstheorien sind Gebäude, die ihre Aufmerksamkeit stärker auf die Umwelt, den

Lebensraum richten, dabei wird der Mensch als ein rational entscheidendes, Nutzen

maximierendes Individuum verstanden (im Gegensatz zu den behavioristischen

Motivationsansätzen der Inhaltstheorien, die, stark verkürzt gesagt, das Individuum

als bedürfnis- und triebgesteuert verstehen). Menschliches Verhalten ist im

Lebensraum der jeweiligen Person stets auf hin Ziel hin orientiert. Solche Ziele

können leicht oder schwer erreichbar sein (Entfernung des Ziels) und sie werden in

unterschiedlicher Qualität wahrgenommen, diese Beurteilung ist abhängig von der

Wertigkeitsannahme (Valenz) des Ziels.

(P-1) Gewissermaßen ist die Valenz-Instrumentalitäts-Erwartungs-Theorie (VIE-

Theorie) von Vroom118 (1964) das Grundmodell der Prozesstheorien (vgl. Staehle

1999, S. 231). Sie entspringt der rationalen Entscheidungstheorie (einer

mathematisch fundierten Entscheidungstheorie nach Bernoulli). Das rationale Kalkül

des Bernoulli-Prinzips wird in dieser Theorie psychologisiert, indem es hierbei nicht

um objektive monetäre Werte (wie bei Bernoullis Lotterieentscheidungen) geht,

116 Atkinson, J. W.: Einführung in die Motivationsforschung. Stuttgart 1975

117 McClelland, D. C.: The achieving society. Princeton, New York 1961

118 Vroom, V. H.: Work and motivation. New York 1964

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sondern um subjektive Erwartungen und Nutzenbewertungen. Jeder Mensch steht

immer wieder im (beruflichen) Alltag vor vielerlei Handlungsalternativen und muss

sich für eine entscheiden, dabei spielt der subjektiv erwartbare Nutzen (Valenz) eine

wichtige Rolle sowie die Wahrscheinlichkeit (Erwartung) des Eintretens eines

Ergebnisses. Für jede wählbare Handlungsalternative muss nun die jeweilige

Wahrscheinlichkeit des angestrebten Ergebnisses kalkuliert werden. Entscheidend

aber ist nicht die Erreichbarkeit eines bestimmten Ergebnisses, sondern die

Wertigkeit (die Valenz, der Nutzen) dieses Ergebnisses. Die Wertigkeit eines

Ergebnisses kommt zum Ausdruck als ein Produkt aus ‚Instrumentalität’ und Valenz

der Ziele. Die Instrumentalität ist dabei ein Korrelationsfaktor der zwischen -1 und +1

schwanken kann. Wird das Ergebnis im gewünschten Umfang erreicht, würde es mit

+1 versehen werden, tritt das Gegenteil ein, so würde es mit -1 bewertet, dazwischen

liegen vielerlei Stufen. Folgendes Schaubild soll dieses komplexe

Abwägungsverfahren visuell verdeutlichen:

Abb.: 5 Grundstruktur der VIE-Theorie nach Neuberger 2002

Im Alltag werden diese Abwägungsprozesse zwar ständig gelebt, aber doch jenseits

eines rationalen Kalküls. Die Komplexität würde dermaßen erhöht, dass wohl kaum

ein Mensch mehr zu einem ‚vernünftigen’ Handeln fähig und nur noch in

Abwägungsprozessen verfangen wäre. Normalerweise „ist wohl mit Gewohnheiten,

Schemata, Routinen und unreflektierten Programmierungen zu rechnen, die den

Gang der Dinge regulieren“ (Neuberger 2002, S. 537), in aller Regel also wird jede

Person quasi automatisch handelnd Entscheidungen treffen. Aber auch

automatisierte Entscheidungsfindung basieren in dieser Erwartungstheorie auf

bestimmten Grundannahmen: „♦ Individuen haben unterschiedliche Präferenzen für

unterschiedliche Ergebnisse (Ziele); ♦ Individuen haben Erwartungen über die

Wahrscheinlichkeit, daß eigene Handlungen zu einem erwünschten Verhalten

Handlungsmotivation (mögliche Handlungen)

Ergebnisse

Valenz ₁ Valenz ₂

Erwartungen Instrumentalität Korrelationskoeffizient

Ziele/Werte

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führen; ♦ Individuen haben Erwartungen über die Wahrscheinlichkeit, daß einem

bestimmten Verhalten ein bestimmtes Ereignis folgen wird (Instrumentalität); ♦ in

jeder Situation werden die von einem Individuum gewählten Handlungen von seinen

momentanen Erwartungen und Präferenzen bestimmt“ (Staehle 1999, S.235). Diese

Erwartungsannahmen verdeutlichen, dass diese Theorie ausgeprägte normative

Züge aufweist, denn das Mittel-Zweck-Denken der Entscheidungsfindung wird als

vernünftige Handlungsoption anerkannt – andere Entscheidungsverfahren

(Entscheidung durch Willkür oder im Losverfahren, Entscheidung emotional

bestimmt, also ‚aus dem Bauch heraus’ oder durch Beeinflussung von außen,

Entscheidungen in Konfusion, also nicht rationale Entscheidungen usw.) werden in

diesem Ansatz ausgeblendet.

(P-2) Der wichtige Forschungsgegenstand einer Zieltheorie der Arbeitsmotivation

(Locke119) befasst sich mit dem Einfluss von Zielen auf das Leistungsverhalten. Die

Grundannahme dieser Idee ist zunächst die Existenz einer Spannung, die auf das

Ziel hin orientiert ist und solange erhalten bleibt, bis das Ziel erreicht wurde. Diese

Spannung, auch als Kraft auf das Individuum bezeichnet ist die Motivation. Die

Intensität der Motivation ist abhängig von der Valenz (Wertigkeit) des Zieles. Die

zentrale These lautet nun: Je anspruchsvoller das Ziel, desto höher die Leistung.

Dabei bleibt unklar, was ein anspruchsvolles Ziel ausmacht, denn das ist vom

jeweiligen Betrachter anhängig und muss von diesem auch als solches anerkannt

sein. „Ziele beeinflussen die Leistung, indem sie Richtung, Intensität und Ausdauer

von individuellen Aktivitäten bestimmen und zu Zielerreichungsstrategie anregen.

Dieser Prozeß wird positiv verstärkt, wenn der Bearbeiter sich mit den Zielen

identifiziert (…) und wenn der Bearbeiter die Ziele akzeptiert (…)“, Ziel gewinnen

demnach für sich genommen Motivationskraft, diese wird unterstützt durch

Zielklarheit und durch die Fähigkeit des Bearbeiters sowie durch Feedback (Staehle

1999, S. 236f.). Zusammenfassend impliziert dies, das Ziel nicht per se zu hohen

Anstrengungen und Leistungen führen, sie müssen von der betroffenen Person klar

als solche erkannt und akzeptiert werden, die damit verbundenen Schwierigkeiten

dürfen nicht verschleiert werden und ein Feedback der Zielerreichung hat hohe

Bedeutung.

119 Locke, E. A.: The nature and causes of job satisfaction. In: Dunnette, M. D.: HIOP 1976, S.1297-1349

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(P-3) Weil das Motivationsmodell nach Porter/Lawler120 sowohl durch eigene

Studien, als auch durch Dritte bestätigt worden ist, soll es in seinen Grundzügen kurz

vorgestellt werden. Vier zentrale Variablen bestimmen dieses Modell ♦ Anstrengung;

♦ Leistung; ♦ Belohnung; ♦ Zufriedenheit. Dieses Modell geht von der Annahme aus,

dass ein Individuum große Anstrengungen unternehmen wird, wenn es annehmen

kann, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Anstrengungen die gewünschte

Belohnung bewirken wird. Eine Leistung in diesem Modell ist der Output, das

Ergebnis einer Handlung. Die Qualität wird bestimmt durch die Fähigkeiten und

Fertigkeiten des Handelnden sowie durch sein Rollenverständnis und seine

Persönlichkeit (seine Art und Weise). Diese Vorraussetzungen erlauben, trotz hoher

Anstrengung, eine schlechte Qualität des Leistungsergebnisses, weil es dem

Handelnden möglicherweise an der notwendigen Fertigkeit (dem Können) fehlt. Ob

eine extrinsische Belohnung, als Folge einer erbrachten Leistung, als solche

anerkannt wird, hängt von der mitgebrachten Vorstellung des Handelnden ebenso

ab, wie von den vorab getroffenen gemeinsamen Vereinbarungen. Die Belohnung

wird nur dann als gerecht wahrgenommen, wenn sie den Vereinbarungen entspricht

(wobei vorab auch der Aushandlungsprozess als fair empfunden werden muss).

Daneben gibt es auch intrinsische Belohnungen, welche durch das eigenen

Erfolgserleben genährt werden. Zufriedenheit tritt hiernach ein, wenn die

Belohnungen den Erwartungen entsprechen, also als angemessen erlebt werden

oder die Erwartungen übersteigen.

(P-4) Als nächstes folgt ein Blick auf die Attributionstheorien, ein Teilgebiet der

kognitiven Sozialpsychologie, welches sich in den 70-iger und 80-iger Jahren „zu

einem der meistbeachteten Forschungsgebiete der Sozialpsychologie entwickelte“

(Neuberger 2002, S.547). Heider121 entwickelte 1958, in seiner (zunächst nicht

beachteten) ‚Psychologie interpersonaler Beziehungen’ Rekonstruktionsmöglich-

keiten von Handlungen. Dabei ging er davon aus, dass Handlungen eine

Koproduktion von Bemühen und Können darstellen. Eine Person kann sich

unterschiedlich stark bemühen, je nachdem welche Absicht sie damit verfolgt, aber

alles Bemühen nutzt nichts, wenn nicht das notwendige Können hinzukommt,

andererseits darf die Aufgabe nicht zu schwer sein und es dürfen keine Störungen

120 Porter, L. W./ Lawler, E. E.: Mangerial attitudes and performance. Homewood 1968

121 Heider, F.: The Psychology of Interpersonal Relations. New York 1958

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auftreten, also unerwartete externe Bedingungen. Bemühen und Können (‚try and

can’) müssen harmonisch zusammen passen. Dieses Modell wurde von Kelly122

(1973) (in seiner varianzanalytischen Attributionstheorie) weiter entwickelt.

(P-5) Die Dimensionen ‚Bemühen’ und ‚Können’ reichen nach Kelly nicht aus, um

Abweichungen in Organisationen hinreichend zu erklären, denn jenseits dieser

Ebenen lassen sich Abweichungen nur im Vergleich zu anderen Personen mit

gleichen Tätigkeitsmerkmalen, im temporären Vergleich erkennen, wobei die

Besonderheit der jeweiligen Situation berücksichtigt werden muss. Der Beobachter

(Vorgesetzte) interpretiert seine Beobachtungen im Vergleich zu durchschnittlichen

Verhaltensvarianzen, anhand von drei Dimensionen: Distinktheit (Besonderheit der

situativen Umstände); Konsistenz (zeitliche Beständigkeit); Konsens

(Übereinstimmung mit anderen Personen). Eine solche Analyse lässt Abweichungen

auf allen drei Ebenen zu, so kann beispielsweise eine Person zu allen Zeitpunkten

und innerhalb aller Aufgaben von den anderen Personen abweichen, es könnten

aber auch alle Personen bei nur einer Aufgabe zu allen Zeitpunkten von den

Sollerwartungen hinsichtlich dieser Aufgabe abweichen oder aber es weichen alle

Personen von allen Aufgaben zu nur einem Zeitpunkt ab, während sie die gleichen

Aufgaben zu den anderen Zeitpunkten zufriedenstellend erledigen, hier wäre dann

nach der Ursache zu dem auffälligen Zeitpunkt zu suchen (vgl. auch Neuberger

2002, S.547ff.).

Das Motivation und Arbeitszufriedenheit wechselseitig miteinander

zusammenhängen, wird vermutlich jeder vermuten, nun verhält es sich aber nicht so,

das motivierte Menschen gleichzeitig, auf Grund ihrer Leistungsbereitschaft, eine

hohe Arbeitszufriedenheit aufweisen oder arbeitszufriedene MitarbeiterInnen, auf

Grund ihrer Zufriedenheit, hoch motiviert sind. Aus diesem Grunde soll ein Blick auf

die Arbeitszufriedenheit geleistet werden, der sich daran orientiert, wie Arbeit erlebt

und vom Subjekt interpretiert wird. Bruggemann (1974123)konzipierte zunächst ein

Konzept, welches Arbeitszufriedenheit „als Ergebnis eines Abwägungs- und

Erlebnisverarbeitungsprozess betrachtet. Verschiedene Formen der

Arbeitszufriedenheit entstehen in einem Prozess, der in drei Stufen verläuft: 1. die

122 Kelly, H. H.: The Process of Causal Attribution. American Psychologist 28, S.107-128

123 Bruggemann, A.: Zur Unterscheidung verschiedener Formen von Arbeitszufriedenheit. Arbeit und Leistung,

Heft 28/1974, S.281-284

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Befriedigung oder Nichtbefriedigung von Bedürfnissen und Erwartungen (IST-

SOLL-Diskrepanz), 2. infolgedessen, Aufrechterhaltung oder Senkung des

Anspruchsniveaus und 3. im Falle einer weiter bestehenden IST-SOLL-Diskrepanz:

Problemlösung, Problemfixierung oder Problemverdrängung“ (Strehmel 2006124,

S.36). Dieses Konzept haben Bruggemann et al.125 differenziert weiterentwickelt, wie

nachfolgende Abbildung zeigt:

Abb.: 6 nach Agnes Bruggemann In: Rosenstiel 2003, S.220

Was hier deutlich wird ist die Zentralität des Anspruchsniveaus. „Man kann mit

durchaus unbefriedigenden Arbeitsverhältnissen zufrieden sein, wenn man seine

Ansprüche senkt. […] Die Differenzierung der verschiedenen Formen von

Arbeitszufriedenheit zeigt aber auch, dass je nach biografischer Situation und nach

Persönlichkeitsmerkmalen bei aufrechterhaltenen hohen Ansprüchen der eine in

seiner Unzufriedenheit beharrt und keine Versuche unternimmt die Zustände zu

verbessern (fixierte Arbeitsunzufriedenheit), während ein anderer sich darum

bemüht, die Situation positiv zu gestalten (konstruktive Arbeitsunzufriedenheit), was

jeweils zur Beziehung zwischen Arbeitsleistung und Arbeitszufriedenheit anderer

Annahmen rechtfertigt. Bei der Analyse von Arbeitszufriedenheit (oder

124 Strehmel, P.: Personalmanagement in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen. Teil 1: Psychologische

Grundlagen. Remagen 2006

125 Bruggemann, A./ Groskurth, P./ Ulrich, E.: Arbeitszufriedenheit. Bern 1975

Vergleich der Erwartungen mit der Arbeitslage

Günstiges Ergebnis Ungünstiges Ergebnis

Steigerung des

Anspruchs-niveaus

und Erwartung

seiner Erfüllung

Verbleiben auf

bisherigem Anspruchs-

niveau

Senkung

des

Anspruchs-

niveaus

Aufrechterhaltung des Anspruchsniveaus

Verfälschung

der Situations-

wahrnehmung

Streben nach

Überwindung

der Lage

Verharren

ohne

Problem-

lösungs-

versuche

stabilisierte

Arbeitszu-

friedenheit

progressive

Arbeitszu-

friedenheit

resignative

Arbeitszu-

friedenheit

Pesudo-

arbeits-

zufriedenheit

fixierte

Arbeitszuun-

friedenheit

konstruktive

Arbeitsun-

zufriedenheit

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Arbeitsunzufriedenheit, JAS) in der Praxis geht es also darum zu ermitteln, um

welche Form von Arbeits(un)zufriedenheit es sich handelt“ (Rosenstiel 2003,

S.220f.). Für eine solche Analyse benötigt man aber Felder der Analyse, schließlich

basiert eine Zufriedenheit oder Unzufriedenheit auf bestimmten Annahmen oder

Erlebnissen, so kann es durchaus sein, dass es bestimmt Bereiche gibt, mit denen

man trotz eine bestehenden Unzufriedenheit durchaus zufrieden ist, die aber die

Unzufriedenheit nicht kompensieren können. Neuberger & Allerbeck (1978126)

schlagen folgende solcher Variablen vor: Kollegen, Vorgesetzte, berufliche

Weiterbildung, Bezahlung, Arbeitszeit, Arbeitsplatzsicherung, Tätigkeit, äußere

Arbeitsbedingungen, Organisation und Leitung; weitere Optionen sind sicher denkbar

(Interessenvertretung, Tarifwerk, Urlaubsanspruch, Sabbatoptionen usw.). Wenn

man Verbesserungen vornehmen will, so konstatiert Rosenstiel (2003) ist es ratsam

die einzelnen Felder getrennt zu analysieren. Und Verbesserungen haben nicht nur

eine ethische Bedeutung (Rosenstiel) sondern auch eine ganz praktische, denn es

können (möglicherweise) Fehlzeiten, Fluktuation und Unfallhäufigkeit gesenkt sowie

Leistungsfähigkeit gesteigert werden, daneben entwickelt sich eher eine Identifikation

mit dem Unternehmen und/oder dem Wirtschaftssystem insgesamt, insofern hat

Arbeitszufriedenheit auch eine hohe gesellschaftliche Bedeutung.

Zu guter Letzt folgt ein Blick auf den manchmal zu überschreitenden ‚Rubikon’127

schließlich muss man manchmal Dinge tun, zu denen man eigentlich nicht bereit ist,

weil sie keine Freude bereiten, lästige Pflichterfüllung bedeuten und vielleicht auch

noch mit hoher Anstrengung verbunden sind oder die einfach notwendig sind, da hilft

dann Motivation und Volition. Das Volitionsmodell ist in vier Phasen gegliedert:

(1.)„die vor der Entscheidung legende (prädezisionale) Motivationsphase“; (2.)„die vor

der Handlung liegende (präaktionale) Phase“; (3.)„die Umsetzungsphase (aktionale

Volitionsphase)“; (4.)„die nach der Handlung liegende (postaktionale) Phase“

(Strehmel 2006 a.a.O. S.42).

126 Neuberger, O./ Allerbeck, M.: Messung und Analyse der Arbeitszufriedenheit. Bern 1978

127 Bekannt wurde der Rubikon durch den römischen (Bürger-)Krieg, den Gaius Iulius Caesar ab 49 v. Chr. gegen Gnaeus

Pompeius Magnus führte. Als der Römische Senat am 7. Januar 49 v. Chr. beschloss, dass Caesar sein Heer entlassen und sein Imperium für Gallien und Illyrien niederlegen müsse, ehe er erneut für das Konsulat kandidieren dürfe, überschritt dieser am 10. Januar 49 v. Chr. den Rubicon, der damals die Grenze zwischen Gallia Cisalpina und Italien bildete. Die bewaffnete Überquerung des Flusses in Richtung Süden - und damit in Richtung Rom - war gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung an den römischen Senat. Caesar war sich bewusst, dass es ab diesem Punkt kein Zurück mehr gab, was er in dem berühmten Zitat „alea iacta est“ („Der Würfel ist geworfen“) zum Ausdruck brachte.

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Abb.: 7 nach Strehmel 2006, S. 42

In der prädezisionale Phase geht es um das Abwägen, des Anspruches, des

Wunsches, der Realisierbarkeit, des Einklanges mit anderen Wünschen und

Bedürfnissen der eigenen und anderer Personen usw., es ist die Phase der

Informationssammlung und –verarbeitung, eine Phase der Abwägungen, der

Entschlossenheit oder Unentschlossenheit, der Frage nach der Ausdauer, die das zu

erreichende Ziel erfordert und der Frage nach der Widerstandsfähigkeit gegen

Unwägbarkeiten und andere Verlockungen bzw. Verführungen, also eine Phase der

Lageorientierung. Danach folgt die Entscheidung, mit der dann, sofern die

Entscheidung für das Ziel fällt, der Rubikon (die Hemmschwelle) überschritten wird.

Im Anschluss daran geht es über in die Planungsphase (präaktionale Phase), welche

die Handlung(en) vorbereitet, um das angestrebte Ziel zu erreichen, also

Handlungsorientierung herstellt und sichert. Die Handlungsphase (aktionale

Volitionsphase) verfolgt das Ziel, wobei die Intensität der Zielverfolgung sehr

differieren kann, je nach dem, ob andere parallele Ziele, welche ggf. höher oder

stärker sind (Querkonkurrenzen), dies beeinträchtigen oder nicht. Dabei müssen

diese anderen Ziele nicht zwangsläufig bewusst sein. Weiterhin ist von

Entscheidung, ob das Individuum nicht durch andere Handlungsoptionen

beeinträchtigt oder abgelenkt wird bzw. ob diese anderen Optionen nicht einen

höheren Reiz zur Ausführung haben oder entwickeln und damit die eigentlich

gewollte/geplante Handlung verhindern (Längskonkurrenzen). Die letzte,

postaktionale Phase folgt, nachdem das Ziel erreicht wurde, um dieses und den Weg

dorthin zu bewerten, aber auch, um vorausschauend Neueinschätzungen

vorzunehmen, die mit neuen Zielen und Gelegenheitswahrnehmungen verbunden

sein können bzw. werden. Keine Phase läuft stets so wie geplant, immer können

Hindernisse auftauchen und Korrekturen erforderlich machen, ggf. auch durchaus

mehrfach innerhalb einer Phase. Für die Praxis erlaubt das Volitionsmodell eine

Rubikon/Entschluss

Abwägen Planen Handeln Bewerten

prädezisionale präaktionale aktional postaktionale Motivationsphase Volitionsphase Motivationsphase

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Reihe kritische Fragen und damit einen analytischen Blick, welcher es ermöglicht,

ggf. Hilfestellungen abzuleiten, um jede einzelne Phase kritische begleiten zu

können. Damit unterstütz es Führungskräfte ebenso wie einzelne MitarbeiterInnen

und Teams, denn es ermöglicht eine jeweilige Standortbestimmung und kann mit

anderen Inhalten (Leitbildentwicklung, Zielformulierung u. dergl. m.), im Sinne einer

Überprüfung und Korrektur jeder Phase verknüpft werden. Die Umsetzung von

Motivation „kann – volitionstheoretisch begründet – durch entsprechende

Gelegenheitsstrukturen auf der einen Seite und das Fernhalten von Längs- und

Querkonkurrenzen auf der anderen Seite unterstützt werden“ (Strehmel 2006,

S.45f.). Die Volitionsstärke, so Rosenstiel (2003, S.208), lässt sich außerdem durch

Training und Maßnahmen des Selbstmanagements entwickeln, sie ist nicht

determiniert.

In organisationalen Kontexten wird Commitment oftmals in einem Atemzug mit

Identifikation genannt und manches Mal auch synonym verwendet. In beiden

Konzepten geht es um die Bindung an die Organisation. Eine organisationale

Identifikation beschreibt eine ganzheitliche Bindung an die Organisation, sowohl

hinsichtlich verschiedener Ziele (Karriere, die Arbeitsgruppe, das Unternehmen), als

auch bezüglich unterschiedlicher Dimensionen (kognitiv, affektiv, evaluativ,

verhaltensbezogen), sie bezieht sich vordergründig auf Beziehungen zu Anderen.

Ein organisationales Commitment (Organisationsbindung) beschreibt wieweit sich

Menschen der Organisation zugehörig und verbunden fühlen, es kann in drei

Dimensionen unterschieden werden: affektiv, normativ und fortsetzungsbezogen. Der

Überschneidungsbereich von Identifikation und Commitment kann eher in der

affektiven Dimension verortet werden. Allen/Meyer128 (1990) treffen im Rahmen von

Organisationsbindung diese Differenz und verstehen unter affektivem Commitment in

erster Linie die emotionale Bindung an die Organisation, das kann bis zu einem

quasi familiären Gefühl führen, so dass man ‚Teil dieser Organisationsfamilie’ wird.

Normatives Commitment meint demnach die Bindung an die Organisation aus

moralisch-ethischen Gründen (weil die Firma die Ausbildung finanziert hat oder der

Vorgesetzte nicht enttäuscht werden soll oder . . .). Fortsetzungsbezogenes

Commitment hingegen meint die Bindung an die Organisation weil entweder die

128 Allen, N. J./ Meyer, J. P.: The measurement and antecedents of affective, continuance and normative

commitment to the organization. Journal of Occupational Psychology 63 1990, S.1-18

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Kostenabwägung mit dem Verlassen dieser Organisation zum eigenen Nachteil

ausfällt (weil man Gewohnheiten, Vertrautes, Nischen und Vergünstigungen

aufgeben muss) oder weil auf Grund des Alters oder der Ausbildung, der

mangelnden Flexibilität, des Arbeitsmarktes keinerlei angenommene Chance auf

eine andere angemessene Stelle besteht. Commitment und Identifikationen weisen

sicherlich Überschneidungen auf (affektiv), grenzen sich aber in den anderen

Bereichen der beschriebenen Commitmentformen voneinander ab. Van

Knippenberg129 (nach van Dick130), bemisst den Unterschied darin, dass Identifikation

die Person als Ganzes anspricht, welche sich dadurch definiert, dass sie Teil einer

bestimmten Organisation ist, ihr Sein wird stark durch die Organisation bestimmt

(„Wir von Porsche, Nike o.a.“). Dieser selbst-definitorische Aspekt tritt beim Konzept

des Commitment eher nicht auf, schwingt lediglich im affektiven Commitment ein

wenig mit. Van Dick verweist auf eine weitere Differenz: Identifikation basiert auf

wahrgenommener Ähnlichkeit und geteilten Überzeugungen, m.a.W. stellt die

Verbindung des Individuums zu Anderen her (Beziehung rückt in den Fokus),

Commitment lebt von diesen Verbindungen nicht, sondern stellt zwei andere

Elemente ins Licht, nämlich zum einen die Summe aller Merkmal, die einen Job

interessant und wertvoll machen (job-enrichment, Autonomie, Betriebsklima usw.),

zum anderen geht es um den Austausch, also um (Arbeits-)Leistung und

Engagement gegen Gehalt bzw. Entgelt, Dienstwagen, Bahncard, Telefon, Boni,

Arbeitserfüllung u. dergl. m. Schließlich scheint Commitment relativ überdauernd und

gefestigt, wenn es sich erst einmal entwickelt hat, während Identifikation stark

kontextabhängig zu sein scheint und insofern eher instabil wirkt, insbesondere dann,

wenn beispielsweise Projektgruppen oder Teams wechseln und die Identifikation mit

der einen Projektgruppe anders ist als in der zweiten Projektgruppe (vgl. van Dick

2004, S.5). Neben den beiden genannten Begriffen taucht in diesen

Zusammenhängen häufiger auch noch der Begriff des Involvement auf. Dieser wird

auch als eine Form von Identifikation bezeichnet, „im Unterschied zur Identifikation

129 van Knippenberg, D.: Work motivation and performance: a social identity perspective. Applied Psychology:

An International Review, 49, 2000, S.357-371

130 van Dick, R.: Commitment und Identifikation mit Organisationen. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle 2004

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mit der Organisation wird unter Involvement aber vor allem die Identifikation mit der

Tätigkeit verstanden (vgl. Moser131 1996, S.49)“ (ebd. S.7).

Was bedeutet das nun für das Personalmanagement, wenn es Commitment

und/oder Identifikation entwickeln, fördern und erhalten will? Dabei soll diese Absicht

angenommen und nicht normativ, ethisch oder ökonomisch begründet werden,

vielleicht nur soviel: MitarbeiterInnen, die sich mit ihrer Organisation identifizieren

werden Freiräume (insbesondere in flachen Hierarchien oder virtuellen Teams bzw.

in Projektgruppen) weniger zugunsten persönlicher Interessen nutzen, sondern sich

stärker im Sinne der Organisation engagieren. Häufig fallen für (hoch) qualifizierte

MitarbeiterInnen hohe Beschaffungs- oder Bildungskosten an, so dass Unternehmen

ein hohes Interesse entwickeln müssen, diese MitarbeiterInnen möglichst lange zu

binden. Selbst im Rahmen von Outplacing sind die Unternehmen darauf angewiesen,

dass die Qualität der Arbeit, die zwar außerhalb, aber doch für das Unternehmen

geleistet wird von hoher Qualität ist, insofern ist ein Commitment und Involvement

bezüglich der zu erledigenden Aufgabe nötig (vgl. van Dick, S.8f.). Wollen

Organisationen Commitment, Identifikation und Involement fördern und (mit-)

gestalten, so bedarf es im Rahmen des HRM dazu einiger grundlegender

Maßnahmen, die hier skizziert werden sollen: (1) Die Werte und Ziele (im Sinne einer

Corporate Identity, eines Image) müssen klar kommuniziert werden, ein Leitbild stellt

die Möglichkeit dar dies für alle nach innen und außen sichtbar zu tun; (2) Kognition:

damit ist die Wahrnehmung und Feststellung einer Person als Mitglied einer sozialen

Kategorie angesprochen, also die kognitive Einschätzung und Bestimmung einer

bestimmten Gruppe; (3) Evaluative Dimension: Ist die Gruppenzugehörigkeit erfolgt,

so wird bewertet, welche Attribute dieser Gruppe von außen zugeschrieben werden;

(4) affektive Dimension: Nach der Selbstkategorisierung und parallele Evaluation der

Gruppenattribute folgt die Identifikation mit der Gruppe, damit verbunden eine

gefühlsmäßige Bewertung der Gruppe; (5) konative Aspekte: beschreiben die

Dimension, wie sehr man sich im eigenen Verhalten für die Werte und Ziele der

Gruppe einsetzt; (6) bereits während der Personalauswahl sollten Realistic Job

Previews gegeben werden, Bewerber müssen sich ein realistisches Bild der

Organisation machen können, um zu überprüfen ob sie zum Unternehmen bzw. das

Unternehmen zu ihnen passt; (7) faire Prozeduren in allen, die Mitarbeiter

131 Moser, K.: Commitment in Organisationen. Bern 1996

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betreffenden Verfahren, sollten selbstverständlich sein (Auswahl, interne

Ausschreibungen u.a.m.); (8) offene und transparente Kommunikation und

Kommunikationswege haben eine hohe Bedeutung; (9) Menschen müssen innerhalb

der Organisationsstrukturen miteinander in Kontakt kommen, neben den informellen

Optionen muss es auch legitime und formal eingerichtete Formen geben

(Teamsitzungen, Entwicklungsworkshops, Feiern, Beschwerdekultur usw.)132. Neben

diesen basalen Leitideen zur Förderung von Identifikation und Commitment weisen

Meyer/Allen133 darauf hin, dass die Grundlagen für ein Commitment-Management in

der Veränderung der Überzeugungssysteme bzw. der Wahrnehmungen der

MitarbeiterInnen liegen, insofern ist es entscheidend, dass diese

Wahrnehmungssteuerung gezielt und planmäßig erfolgt. Ein und dieselbe PE-

Maßnahme kann demnach unterschiedlich gesendet bzw. empfangen werden (vgl.

hierzu ausführlicher van Dick, S.46f.). An dieser Stelle wird ein solcher Ansatz

manipulativ, denn „entscheidend ist hier nun, dass ein und dieselbe Maßnahme von

den Mitarbeitern ganz unterschiedlich interpretiert werden und sich dadurch

unterschiedlich auswirken kann. Die Organisation kann diese Erkenntnis nutzen,

indem sie bei der Interpretation ansetzt und die jeweiligen Maßnahmen so darstellt,

dass sie bei den Mitarbeitern richtig ‚ankommen’“ (ebd. S. 47). Neben einem

fragwürdig manipulativen Aspekt, blendet diese Idee den systemtheoretischen

Ansatz (Informationsverarbeitung selbstrefernzieller Systeme) gänzlich aus und

ignoriert gleichermaßen kommunikationstheoretische Variablen bezüglich der

Optionen zwischen Sender und Empfänger.

6.4 Personalführung

Personalführung ist Menschenführung, wenngleich Personal sich als Mensch nur

bedingt einbringt, schließlich fordern Organisationen nicht den ganzen Menschen,

denn ihre Prozesse erfordern Spezifisches, insofern werden Menschen, welche in

Organisationen eintreten nach bestimmten Kriterien selektiert. Organisationen wollen

funktionieren und benötigen dazu Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, über die sie

nicht per se verfügen und sich deswegen beschaffen müssen. Menschen verfügen

über diese gewünschten Optionen, treten (temporär) Organisationen bei und bringen

diese in gewünschter Form, am gewünschten Ort in dem Maße ein, wie die Prozesse

132 vgl. van Dick a.a.O., S.44ff.

133 Meyer, J. P./ Allen, N. J.: Commitment in the workplace. Thousand Oakes: Sage. 1997

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der Organisation es erfordern. Damit wird deutlich, dass der Mensch innerhalb

eines organisationalen Gebildes auf das Wissen, Können und die Fertigkeiten

reduziert wird, die gerade dort, wo dies benötigt wird, gebraucht werden. Insofern

zählt nicht der Mensch, sondern das was er für die Organisation notwendigerweise

mitzubringen hat. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass nicht alles Wissen und

Können, nicht alle Fähigkeiten, über die der Mensch verfügt benötigt werden,

sondern lediglich die am Ort benötigten Kompetenzen abgerufen werden, andere

sind nicht erwünscht, ja würden möglicherweise gar stören. Der Fließbandarbeiter

bei Ford, mit vogelkundlichen Kenntnissen oder der Müllmann der Stadtwerke,

welcher am Wochenende in seiner Band virtuos Schlagzeug spielt oder der Manager

von Nèstle, der in seiner Freizeit Lyrik verfasst und Lesungen zelebriert, sind mit

ihren anderen Interessen und Talenten nicht gefragt, ebenso wenig wie deren

emotionales Leben, Gefühlsduseleien im Freundeskreis, beim Fußball, im

Liebesleben, dies alles wird zwangsläufig ausgeblendet, es interessiert die

Organisation ebenso wenig wir deren Sexualleben, Familienleben, Krankheiten,

Siechtum und Strebeprozesse. Dies alles darf stattfinden, aber außerhalb des

Organisationskontextes. Und dennoch ist dies alles da, auch in der Organisation,

denn niemand gibt diese Dinge an der Garderobe ab! Es sind dies implizite

Bestandteile des Menschen in der Organisation, welche explizit selektives Tun und

Denken verlangt. Insofern steht der Mensch als Ganzes in der Organisation,

wenngleich er nur in Teilfunktionen von der Organisation benötigt wird, im Extremfall,

am Fließband, mit nur drei, immer wiederkehrenden, Handbewegungen. Personal

verkörpert immer beides: Mensch und Funktion. Insofern bleibt es dabei,

Personalführung ist Menschenführung.

6.4.1 Was ist Führung

Eine eingängige und allgemeingültige Definition darf nicht erwartet werden, eine

solche Erwartung wäre mit einer Täuschung verbunden, in sofern ist eine

Enttäuschung angemessener. Wer in einschlägiger Literatur sucht, findet eine

Vielzahl, wer die gängigen Ratgeber noch hinzuzieht, wird unter mehreren hundert

Definitionen wählen können. So einfach also lässt es sich nicht erschließen. Dazu

seien zwei Bonmots aus Neuberger134 benannt: ‚Es gäbe inzwischen mehr Bücher

134 Neuberger, Oswald: Führen und führen lassen. Stuttgart 2002

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als Wissen über Führung und der Heizwert von Büchern über Führung übersteigt

deren Erkenntniswert’ (ebd. S.2). Auf Grund dieser bunten, vielfältigen aber auch

problematischen Situation schlägt er vor, Führung als einen prozessualen

Gegenstand zu betrachten. Führung sei nichts Endgültiges, nichts Objektives,

sondern sollte als widersprüchlich, vielgestaltig und mehrdeutig begriffen werden;

Führung ist eben ‚kein Ding wie ein Schuh oder ein Auto, sondern ein Konstrukt (vgl.

ebd. S.3ff.). Das zuletzt genannte ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass der Begriff,

dort wo er Bedeutung hat, gemeinsam über Sprache inhaltlich konstruiert werden

muss, damit alle Beteiligten wenigstens in etwa ein gleiches Verständnis davon

haben, zumal ein Begriff nicht nur ein sprachliches Konstrukt ist, sondern, je nach

Einbettung in soziale oder andere Kontexte, auch noch einmal je anders verstanden

wird. Eine solche Verständigung auf hinterlegte Inhalte führt zu einer Definition, aber

diese gewinnt dann nicht allgemeine Gültigkeit, sondern gewinnt ihre Bedeutung im

Umfeld der Begriffskonstruktion für dieses Umfeld.

Bevor eine sprachliche Verständigung möglich wird, bedarf es eines

Führungsverständnisses, einer Idee dazu in jedem Einzelnen. Ein solches

Verständnis kommt nicht von ungefähr, es basiert auf ‚Etwas’. Dieses ‚Etwas’ kann

sehr unterschiedlich sein, es kann sich u. a. auf Erfahrungen, Beobachtungen,

Erlebten ebenso begründen, wie auf Erzählungen, Konzepten und Theorien. Jeder

(Mensch) kennt Führung, sofern er in sozialen Kontexten aufgewachsen ist (und das

ist jeder, die Idee eines Kaspar Hauser einmal ausgeklammert) und trägt insofern

dieses ‚Etwas’ in sich, damit ist auch ein jeder in der Lage an der Konstruktion eines

Führungsbegriffes (einer Definition) mitzuwirken. Wer diese Idee, der Möglichkeit

einer gemeinsamen begrifflichen Definition, ernst nimmt, wird im Nachhinein

feststellen, dass man in dieser Gruppe und in Bezug auf diesen (gemeinsam

definierten) Begriff nicht mehr so schnell aneinander vorbeiredet (was gleichermaßen

für alle nicht eineindeutigen Begriffe gilt).

Neuberger (a.a.O. S.15-46), der diesen Schritt für sich und seine Leser im Alleingang

tun muss, näht sich seinen Definitionsvorschlägen dennoch ganz ähnlich, indem er

seine Leser mit auf die Reise nimmt und diesen Begriff verschiedenen

Entschlüsselungsmöglichkeiten unterwirft. Dazu schlägt er fünf Schritte vor, die hier

nur angedeutet werden können. Unter den Überschriften (1) Operationalisiere und

Handle; (2) Differenziere und Hierarchisiere; (3) Konstelliere und Relationiere; (4)

Typisiere und ‚Erzähle eine Geschichte’ sowie (5) Integriere und Theoretisiere,

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beschreibt er unterschiedliche Optionen der Herangehensweise an denselben

Begriff, um diesen aus je unterschiedlicher Perspektive auszuloten.

Unter der (1) ersten Überschrift ist dann auch keine sprachliche Analyse des Begriffs

gemeint, sondern eine Handelnde i. S. von: ‚Schau zu, ich zeige dir wie Führung

geht’, mit der operationalen Definition ist eher ein (möglichst erschöpfender)

Handlungskatalog angesprochen. Mit seiner (2) zweiten Überschrift spricht er die

Methode begrifflicher Ein- und Abgrenzungen an. Hier lautet seine Maxime, du sollst

eine Unterscheidung treffen, sowohl in der Negation (‚das ist nicht …’) wie auch in

der Affirmation (‚das ist …’) und du sollst den Begriff in eine Rangordnung vom

Oberbegriff zu nachfolgenden dazugehörigen Unterbegriffen bringen. Auf diese Art

und Weise lässt sich auch jede Definition visualisieren und in ein solches Schemata

zergliedern (vgl. ebd. S.18). Den (Führungs-)Begriff (3) zu konstellieren heißt ihn zu

vernetzen, ihn in Beziehung zu bringen, Referenzbegriffe zu suchen, diese in

Relation zum Kernbegriff (hier: Führung) und zu anderen benachbarten Begriffen zu

bringen. „Führung hat etwas von Macht, von Liebe, von Kommunikation, von

Konsequenz, von Zwang, von Manipulation usw. Es ist ein wichtiger Teil der

Sozialisation in einer Gesellschaft oder Kultur, mit den immer interpretationsfähigen

und interpretationsbedürftigen Deutungsmustern und Beziehungsstrukturen vertraut

zu werden, sodass man am Ende kompetent mit ihnen spielen kann“ (ebd. S.26). (4)

Typisiere den Begriff und: ‚Erzähle eine Geschichte’, spricht prägnante Schemata an

(Prototypen oder Archetypen), wie es sie in jedem Kulturkreis gibt und die eine

schnelle Orientierung ermöglichen. Kinder, die mit dem Kasperletheater vertraut sind,

wissen um den Typus des Kaspars, der Großmutter, des Räubers, der Gretel usw.,

Begriffe wie Despot oder Held sind gleichermaßen mit Eigenschaften hinterlegt, die

mit dem Begriff unmittelbar präsent werden. Diese Eigenschaften aber werden nicht

isoliert gelernt, sondern werden in Geschichten (Sagen, Märchen, Fabeln etc.)

vermittelt, die zum Teil auf uralte Traditionen zurückgehen. Auf diese Art und Weise

wurde Kulturgut tradiert und damit erhalten. Heute übernehmen Massenmedien die

Funktion der Erzähler/innen (und definieren damit was erhaltenswert ist und was

nicht). Zu guter Letzt (5) bleibt noch das Integrieren und Theoretisieren, wohl die

anspruchvollste Strategie, da sie die Kenntnis von Theorien, deren Kernaussagen

und Architektur voraussetzt. Um die Strukturkerne von Theorien identifizieren zu

können, schlägt Neuberger acht Heuristiken vor (die im Übrigen auch für andere

sozialwissenschaftliche Theorien genutzt werden können). Zuerst gilt es demnach

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das Problem zu beschreiben, welches die Theorie lösen möchte; danach soll die

Traditionslinie der Theorie betrachtet werden; dann geht es um die Definition der

Kernbegriffe, Begriffe also, die Kontextgebunden sind und in anderen

Zusammenhängen andere Bedeutungen tragen; in einem nächsten Schritt geht es

um die Beziehungsanalyse der relevanten Kernbegriffe; spannend sind auch die

unausgesprochenen ‚Basisannahmen’, die sich oft hinter den Theorien verbergen

und damit gewissermaßen deren Voraus-Setzungen sind; dann gilt es die

Aussageebene(n) zu benennen, also worüber wird etwas ausgesagt (Gruppe,

Organisation, Individuum usw.); Danach gilt der Blick auf die Selektionen des

Theorieansatzes (also worüber sagt er nichts aus, was lässt er weg?) und zu Letzt ist

die Frage nach Beziehungsaussagen zu beantworten (Wenn-Dann-Sätze u. a.).

Mit Hilfe der benannten Instrumente lassen sich zum einen Definitionen entwickeln

bzw. zum anderen lassen sich Definitionen damit gut analysieren.

Eingrenzend soll „eine synthetische handlungstheoretische Führungsdefinition“ von

Neuberger ausgewählt werden, die in sich ausgewogen und schlüssig ist und hier in

ihrer Kurzform, allerdings um den zeitkritischen Faktor ergänzt wurde, der sich

(eigentümlicherweise) nur in einer langen Version Neubergers wiederfindet:

>‚Personelle Führung ist legitimes Konditionieren bestimmten Handelns von

Geführten in schlecht strukturierten und zeitkritischen Situationen mit Hilfe von

Differenz zu anderen Einflüssen’< (ebd. S.47).

Es geht hier also um ‚personelle Führung’, damit um Führung von Personal, also

Führung im beruflichen Kontext (und nicht um andere Führungskontexte, bspw.

während einer Bergklettertour). Führung, so wird behauptet, ist vor diesem

Hintergrund ‚legitimes und bestimmtes Handeln’. Es ist ‚legitim’, weil es

kontextgebunden ist und alle Seiten darum wissen und sich per Vertrag damit

einverstanden erklärt haben, es ist ‚bestimmtes Handeln’ und nicht irgendwelches

Handeln, d. h. es verfolgt eine bestimmte Absicht, es ist methodisch orientiert, es ist

transparent in seiner Absicht (anders als bei Manipulationen). Außerdem ist es nur

relevant in ‚schlecht strukturierten Situationen, die auch noch zeitkritisch’ sind, denn

in allen anderen Situationen ist Führung überflüssiger Luxus, hier reichen Regeln,

Vereinbarungen (Ziele usw.), also Führungssubstitute. Erst wenn diese Substitute

(als Führungsersatz) nicht mehr reichen, wenn etwas „aus dem Ruder läuft“, wenn

der Zeitfaktor zu Buche schlägt, also in (hoch-)komplexen, unübersichtlichen

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Situationen, bedarf es personaler Führung. Und diese Führung handelt nun in

Differenz zu anderen Einflüssen, gemeint ist, in expliziter Führungsabsicht,

methodisch begründet hinterlegt, durch die Organisationsstruktur und vertragliche

Gestaltung legalisiert, mit dem Ziel, die Komplexität der Situation durchschaubar zu

machen, scheinbares Chaos in Strukturen umzuwandeln und vereinbarte Ziele zu

erreichen. Damit ist für diesen Text erklärt, was unter Führung verstanden wird, aber

auch beschrieben, dass Führung auch anders verstanden werden kann, also ein

Prozess des Aushandelns bleibt.

6.4.2 Führungskonzepte

Jeder der führt, aber auch jeder, der sich führen lässt, wird über eine Definition,

zumindest doch über eine Idee von Führung verfügen, dies wurde oben bereits

besprochen. Ein Konzept geht allerdings darüber hinaus, das könnte ein in sich

geschlossenes Konstrukt sein, es könnte sich allerdings auch öffnen und Neues

aufnehmen, es könnten Mischkonzepte existieren, also Sammelsurien verschiedener

Konzepte, aus denen Mensch sich das heraussucht, was (zu) ihm passt.

Wahrscheinlich gibt es in den Unternehmen so viele Führungskonzepte wie Führer.

Aber auch jenseits gelebter Praxis, in Wissenschaft und Forschung gibt es eine

Vielzahl von Konzepten, die mit Führung verbunden sind, dazu gehören

Persönlichkeitsmanagement, Work-Life-Balance und Stresshandhabungen sowie

Zeitmanagement, MitarbeiterInnenauswahl, Arbeit in und mit Gruppen (Teams,

Projekten) aber auch Rollen- und Identitätskonzepte, systemtheoretische Ansätze,

Konzepte symbolischer Führung, Mikropolitik, zwei- und dreidimensionale

Verhaltensmodelle (Verhaltensgitter), Eigenschaftsansätze, situative

Interaktionsansätze u.a.m. Im vorliegenden Rahmen sollen thematisch relevante

Führungskonzepte Beachtung finden, es sollten insofern Konzepte sein, welche in

Bezug auf Freiwilliges Engagement (Ehrenamtlichkeit) Bedeutung haben (könnten)

und zwar sowohl im Hinblick auf die Geführten (die freiwilligen ‚MitarbeiterInnen’) als

auch auf die Führer im Ehrenamt oder vor professionellem Hintergrund (d.h. Profis

führen Ehrenamtler bzw. ‚Freiwillige’). Beide Arten von Führern (professionelle und

ehrenamtliche) sind mit (1.) Eigenschaften ausgestattet, die sie bestimmen,

möglicherweise zu Führern mach(t)en und die für die Geführten, welche sie zum

Führer wählten (im Falle der ehrenamtlich Tätigen), gleichermaßen Relevanz haben,

insofern soll das Konzept der Führereigenschaften skizziert werden. (2.) In vermutlich

allen Führungskontexten haben Aufgabenorientierung und Mitarbeiterorientierung

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eine (bedeutende) Funktion, ganz gleich, ob MitarbeiterInnen durch Ehrenamtliche

oder durch Professionelle geführt werden, vor diesem Hintergrund erfahren die

situativen Ansätze (diese kombinieren Person und Situation) ihre Bedeutung,

insofern werden diese Ansätze beleuchtet. (3.) Das systemtheoretische Konzept wird

beschrieben, es wirkt in beiden Bereichen, ganz gleich ob freiwillig und unbezahlt

gearbeitet wird oder (un-freiwillig) gegen Entlohnung. (4.) Rollenkonzepte haben für

beide Seiten von Arbeit-Nehmenden und ihren Führenden Bedeutung, es wird

deswegen gleichermaßen skizziert, sowie (5.) im Anschluss die Möglichkeit

symbolischer Führung. (6.) Die Auswahl von MitarbeiterInnen ist für jede

Organisation relevant und (7.) zu guter Letzt auch die Anwendung der (informellen)

Mikropolitik, sie konstruiert Entscheidungen und Macht, jenseits der formalen Wege.

6.4.2.1 (1) Der Eigenschaftsansatz ist der historisch älteste Ansatz zur Erklärung von

erfolgreicher Führung. Seine Grundlagen bezieht er „aus individualistischen

Persönlichkeitstheorien, Unternehmerideologien und dem Sozialdarwinismus135“

(Staehle 1999 a.a.O. S.332). Die Eigenschaftstheorie(n) beschäftigen sich mit

Persönlichkeitsmerkmalen, die offensichtlich mit guter Führung, d.h. mit

Führungserfolg korrelieren. Bereits Stogdill136 (1948), darauf weist Rosenstiel137

(2003) hin, versuchte Eigenschaften (isoliert) mit Führungserfolg in Verbindung zu

setzen, dies lässt sich am Beispiel der Intelligenzeigenschaft zeigen. In 15 Studien

hierzu wies Stogdill eine Korrelationsdifferenz von .90 bis -.14, bei einer

durchschnittlichen Korrelation von .26 nach. Die Streuung ist groß, sie reicht von

einer sehr engen Beziehung zwischen Eigenschaft und Führungserfolg bis hin zu gar

keiner Beziehung. Stogdill hat über 100 Studien zur Thematik erstellt, darauf verweist

Staehle (1999) und „tatsächlich sind direkte Zusammenhänge zwischen einzelnen

Persönlichkeitszügen und Führungspositionen in den Studien nur selten in

konsistenten Mustern auffindbar, und es zeigt sich immer wieder der nicht zu

unterschätzende Einfluß der Situation“ ebd. S.333). Ob es zu einem Führungserfolg

kommt oder eben nicht, hängt scheinbar nicht von einer (isolierten) Eigenschaft ab,

135 “Der Sozialdarwinismus ist eine auf Ch. Darwin zurückgehende soziologische Richtung, die davon ausgeht,

dass im Kampf ums Dasein sich nur solche Gesellschaftsmitglieder durchsetzen, die in der Lage sind, sich durch vererbbare Variationen ihrer Anlagen an die sich wandelnden Umweltverhältnisse anzupassen (survival of the fittest). Die so Überlebenden, hier auf Führer bezogen, werden als die biologisch Tauglichsten angesehen“ Staehle 1999 a.a.O. S.331).

136 Stogdill, R. M.: Personal factors associated with leadership. In: Journal of Psychology, 25/1948, S.35-71

137 Rosenstiel, L. von et al. (2003) a.a.O. S.3-25

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sondern von bestimmten Eigenschaftskombinationen in bestimmten

Führungskontexten, immer muss, so Rosenstiel (2003), die Führungssituation

mitgedacht werden. „Die Führungseigenschaften bestimmen zwar das Verhalten,

aber nur im Zusammenspiel mit der konkreten Führungssituation bedingen sie das

Führungsverhalten. Dieses Führungsverhalten hat in bestimmten Situationen Erfolg,

in anderen Misserfolg zur Konsequenz“ (ebd. S.8). Um im Auswahlverfahren von

Führungskräften diesen komplexen Situationen näher zu kommen und die Verfahren

etwas genauer zu konstruieren, wird heute auf situative Verfahren (Assessment

Center) oder multimodale Interviews zurückgegriffen (vgl. hierzu Schuler138 2001 und

2003). Unabhängig derartig situativer Relativierungen, scheint es

Persönlichkeitsmerkmale zu geben, die einen Führungserfolg zwar nicht garantieren,

für diesen allerdings sehr nützlich sind. Rosenstiel (2003) verweist auf folgende

Eigenschaften, „- eine überdurchschnittliche intellektuelle Befähigung, - eine hohe

Motivation im Sinne einer Bindung an Ziele und der Bereitschaft, Pläne auch

umzusetzen, - soziale Kompetenz als Fähigkeit, mit unterschiedlichen Personen

rasch in Kontakt zu treten, - Lernfähigkeit und Lernbereitschaft als Kompetenz, sich

selbstorganisiert auf neue Situationen einzustellen und sich von alten –bisher

erfolgreichen – Handlungsroutinen zu verabschieden (Schuler139 2001)“ (S.10).

Hofmann (2000) befragte 335 Führungskräfte (überwiegend in Deutschland, aber

auch Frankreich und Finnland) nach für sie bedeutende Kriterien bei der Auswahl

zukünftiger Führungskräfte, dabei nahmen folgende Eigenschaften Spitzenwerte ein:

Fähigkeit andere zu motivieren, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, gefolgt von

Lernfähigkeit, Organisationsfähigkeit und Konfliktfähigkeit. In einer Rangskala von 1

= völlig unwichtig bis 6 = überaus wichtig, hatten diese, in der Rangfolge ihrer

Bedeutung aufgezählten Eigenschaften, alle einen Rang zwischen 5 und 5,6 (vgl.

Tabelle in Hofmann140, S. 275). Regnet (2003) verweist, mit Blick auf (auch

gesellschaftliche) Veränderungen141, die auf Führungskräfte zurückwirken, die

Notwendigkeit von Verlagerungen der Tätigkeitsfelder in diesem Bereich, so wird

138 Schuler, H.: Auswahl von Mitarbeitern. In Rosenstiel, L. von et all (2003) a.a.O. S.151-176

139 Schuler, H.: Psychologische Personalauswahl. Göttingen 2001

140 Hofmann, L. M.: Führungskräfte in Europa. Empirische Analyse zukünftiger Anforderungen. Wiesbaden 2000

141 Regent (2003) beschreibt folgende Felder: „Zunehmende Komplexität der Arbeitsabläufe/technologische

Veränderungen; Konkurrenz- und Kundenorientierung; Rationalisierungen; Internationalisierung und Globalisierung; Arbeitsmarktentwicklung; weibliche Berufstätigkeit; demografischen Entwicklung; Wertewandel; Anforderungen an Mitarbeiter; Halbwertzeit des Wissens“ (S.53-57).

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zunehmend häufiger nicht mehr der Fachmann, sondern der Koordinator

gebraucht, „der Vorgesetzte wird zum Moderator, Berater und Coach seiner Gruppe“,

interdisziplinär denkende Generalisten werden für Führungsaufgaben wichtiger und

diese sollen „über starke kommunikative Fähigkeiten und Sensibilität verfügen, um

Mitarbeiter in die Entscheidungsfindung auch einbeziehen zu können“, daneben

erlangt das Informationsmanagement zunehmend mehr Bedeutung. Zu guter Letzt

benötigt die (neue) Führungskraft „mehr Zeit und Energie […] für die menschliche

Führung der Mitarbeiter […]. Fragen der Zusammenarbeit und der Kommunikation

mit anderen, internen und/oder externen Abteilungen erfordert einen steigenden

Führungsaufwand; mehr Menschenkenntnis ist erforderlich“ (Regent142, S. 57f.).

Was an diesem Ansatz schwierig ist, ist zumindest zweierlei, zum einen ist es der

Rückgriff auf (angeborene) Eigenschaften, die Führung legitimieren und damit die

Annahme, dass Führungseigenschaften einem Menschen mit in die Wiege gelegt

werden. „Dabei vertreten schon deutsche Management-Autoren um 1900 die

Auffassung, Organisations- und Verwaltungsfähigkeiten seien lehr- und lernbar und

keine angeborenen oder durch Erfahrung erworbene Kunst (Kocka143 1969)“

(Staehle 1999 S.331). Die Eigenschaftstheorie, als ontologisches Elitekonzept144,

eignet sich sehr gut dafür, einsame Elite-Entscheidungen in der Wirtschaft, beim

Militär oder der Politik, zu rechtfertigen. Auf solcherlei Annahmen begründet, basiert

die Plausibilität des großen Mannes (weniger der Frau!), der allein nur in der Lage ist

eine Armee, ein Unternehmen oder einen Staat zu führen. Das diese Idee noch

immer und vor allem in der Praxis lebendig wirkt, scheint einerseits an ihrer langen

Traditionslinie zu liegen, andererseits an ihrer einfachen Verstehbarkeit, insofern ist

die aktuelle Renaissance charismatischer Konzepte und der Attributionstheorien

nachvollziehbar (vgl. Staehle 1999 S.334). Alternativ wäre auch ein

konstruktivistisches Konzept denkbar, welches die gewünschten Eigenschaften

einem Subjekt diskursiv zuschreibt, um Privilegien zu sichern, bestehende

Verhältnisse zu schützen (vgl. Neuberger 2002 S.226). Aber sowohl die behaupteten

142 Regent, E.: Der Weg in die Zukunft – Anforderungen an die Führungskraft. In: Rosenstiel, L. von et al. 2003

a.a.O. S.51-66

143 Kocka, J.: Industrielles Management: Konzeptionen und Modelle in Deutschland vor 1914. In:

Vierteljahreszeitschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 56/1969, S.332-372

144 Ein solches Konzept geht davon aus, dass es diese Eigenschaften tatsächlich gibt (Ontologie ist die Lehre

vom Existierenden oder Bestehenden, Seinslehre).

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angeborenen Fähigkeiten, wie die nachträglich zugewiesenen würden ad

absurdum geführt, betrachtete man die jeweiligen Personen genauer, dies lehrt die

Geschichte, Brown (1956) weist darauf hin: „Wenn wir an Männer wie Hitler,

Napoleon, John Knocks, Oliver Cromwell, oder an Frauen wie Mary Baker, die erste

Königin Elisabeth und Mrs. P… denken, wird es uns fast grotesk anmuten, einer

Führerpersönlichkeit Eigenschaften wie innere Ausgeglichenheit, Sinn für Humor

oder Gerechtigkeitssinn zuzuschreiben. Einige der erfolgreichsten Führer in der

Geschichte sind Neurotiker, Geisteskranke und Epileptiker gewesen. Waren

humorlos, engstirnig, ungerecht und despotische […] Männer wie H. Ford, Carnegie

und Morgan waren keineswegs Musterbeispiele an Tugend oder innerer Gesundheit“

(Brown145 1956, S.132, zitiert nach Neuberger 2002, S.224). Das zweite Problem

bezieht sich auf die Ausklammerung der Kontextfaktoren von Führung, schließlich

sind Führungseigenschaften nur ein Aspekt im Führungsgeschehen, andere

wirksame Faktoren sind beispielsweise die Geführten selbst, die selbst

Eigendynamiken entwickeln, die Aufgaben in ihrer Art, ihrem Anspruch, ihrem

Umfang erledigen. Die KollegInnen die wohlwollend unterstützen oder argwöhnerisch

beobachtend teilhaben, die ihre Vorgesetzten mit ihren Haltungen, Ansprüchen,

Erwartungen usw. sowie die Kapitalkraft des Unternehmens und viele andere

Bedingungen und Umstände mehr beeinflussen.

6.4.2.2 (2) (Führungs-)Orientierungen könnten linear fokussiert werden und sich

entweder an die Aufgabe oder an den Mitarbeiter binden (Michigan-Schule, Likert146

1961), ebenso ließe sich ein Modell paralleler Orientierung denken (Ohio-Schule,

Fleishman 1471973; Reddin148 1970/d.1977; Neuberger149 2002).

145 Brown, J. A. C.: Psychologie der industriellen Leistung. Reinbek 1956

146 Likert, R.: New Patterns of Management. New York 1961

147 Fleishman, E. A./ Hunt, J. G.: Current developments in the study of leadership. Carbondeale1973

148 Reddin, W. J.: Managerial Effectiveness. New York 1970; deutsch: Das 3-D-Programm zur

Leistungssteigerung des Managements. München 1977

149 Neuberger, O.: Führen und führen lassen. Stuttgart 2002

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Abb. 8 MA-Orientierung linear und MA-Orientierung zweidimensional

Reddin unterteilt beide Dimensionen noch einmal hälftig und gelangt derart zu vier

Führungsstilen, welcher auf einer Vier-Felder-Matrix sichtbar werden (s. Zeichnung

unten). In Feld I findet sich ein Rückzug aus beiden Dimensionen, Lewin bezeichnet

diesen Stil als „Laissez-fair“; Feld II orientiert den Führenden an der Leistung, seinen

Aufgaben, um den Mitarbeiter aber kümmert er sich nicht; Feld III akzentuiert die

Orientierung umgekehrt und Feld IV schließlich manifestiert gleichrangig beide

Orientierungen.

Abb.: 9 nach Reddin I

In einem weiteren Schritt entwickelt Reddin eine dritte Dimension. Er verwirft den

normativen Ansatz einer unterschiedlichen Gewichtung der Stile, sondern geht

zunächst von einer Gleichwertigkeit aus, denn jeder Stil muss zur jeweiligen Situation

passen. „Es gibt Situationen, in denen sehr hohe Aufgabenorientierung für die

Leistung gut ist, in anderen verstellt sie dieses Ziel; es gibt Situationen, in denen die

Mitarbeiterorientierung sehr stark zur Zufriedenheit der Mitarbeiter beiträgt, in

anderen tut sie es kaum; die Partizipationsorientierung150 erweist sich bei hoch

150 Die Partizipationsorientierung wurde im deutschsprachigen Raum zusätzlich von Fittkau-Garthe (Fragebogen

zur Vorgesetzten-Verhaltens-Beschreibung. Göttingen 1971) eingeführt. Dabei werden Mitarbeiter an

Entscheidungsprozessen beteiligt, dies begünstigt die Identifikation mit dem Unternehmen und seinen Zielen

(vgl. hierzu Rosenstiel et al. 2003, S.14).

I

II

IV

III

Mitarbeiterorientierung

Aufgabenorientierung

0 +

+

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qualifizierten und hochmotivierten Mitarbeitern als sehr wichtig, während wenig

motivierte und wenig qualifizierte Personen dadurch eher irritiert werden“ (Rosenstiel

2003 a.a.O. S.15). Reddin beschreibt vier verschiedene aber gleichwertige

Führungsstile, diese können sowohl produktiv genutzt, als auch ins Gegenteil

verkehrt werden, je nachdem, wie man diese ausformt. So kann also aus der

Aufgabenorientierung sich ein ‚Autokrat’ herausbilden, aber auch ein ‚Macher’ oder

aus dem Integrationsstil kann sich ein ‚Kompromissler’ entwickeln, aber eben auch

ein wirklicher ‚Integrierer’ usw., jeder Stil kann demnach effektiv oder ineffektiv

genutzt werden. Folgende Skizze soll dies veranschaulichen:

Abb.: 10 nach Redddin II (zzgl. dritter Dimension)

Was Reddins Ansatz kennzeichnet ist die Dualität der Orientierung (stets ist Beides

in unterschiedlicher Gewichtung vorhanden. Ein und dieselbe Führungskraft kann, je

nach Situation, die Gewichtung verlagern. Außerdem kann jede Orientierung effektiv

oder weniger effektiv entwickelt werden, dies allerdings ist nicht so sehr

situationsabhängig, sondern vielmehr an der Persönlichkeit orientiert.

Blake & Mouton haben (1968) dieses Gitter aufgegriffen und weiter entwickelt, indem

sie 2 x 9 Raster entwickelten, von den 81 möglichen Varianten aber beschrieben sie

dann tatsächlich nur fünf (1,1-9,9).

Förderer

Bürokrat

Macher

Integrations

-stil

Aufgaben-

stil

Verfahrens-

stil

Beziehungs

-stil

Kompro-

missler

Gefällig-

keits-

apostel

Autokrat

Kneifer

Integrierer

B

O

A

O

Effektivität

-

+

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9 1,9 9,9

8

7

6

5 5,5

4

3

2

1 1,1 9,1

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Abb.: 11 nach Neuberger (2002) S. 511

Die Felder werden wie folgt beschrieben: „1,1 Führungsstil: geringst mögliche

Einwirkung auf Arbeitsleistung und auf Menschen; 9,1 Führungsstil: wirksame

Arbeitsleistung wird erzielt, ohne dass viel Rücksicht auf zwischenmenschliche

Beziehungen genommen wird; 5,5 Führungsstil: genügende Arbeitsleistung möglich

durch das Ausbalancieren der Notwendigkeit zur Arbeitsleistung und zur

Aufrechterhaltung der zu erfüllenden Arbeitsleistung; 1,9 Führungsstil: sorgfältige

Beachtung der zwischenmenschlichen Beziehungen führt zu einer bequemen und

freundlichen Atmosphäre und zu einem entsprechendem Arbeitstempo; 9,9

Führungsstil: hohe Arbeitsleistung von begeisterten Mitarbeitern. Verfolgung des

gemeinsamen Zieles führt zu gutem Verhalten“ (zitiert nach Staehle a.a.O. S. 840).

Dieses so genannte „Grid-Modell, ist ein eingängig gestyltes Designer-Modell, das

insbesondere im Trainingsbereich große Resonanz gefunden hat“ (Neuberger a.a.O.

S. 513). Es ist aber eben auch ein normatives Modell, welches die Führungsstile

bewertet und deutlich den Stil 9,9 prädestiniert, damit den ‚Königsweg’ der

gelungenen Führung vorgibt.

Situativen Ansätze orientieren sich an Interaktionen und Situationen, sie greifen

einerseits das Reddin Modell auf und führen es weiter fort, indem dieser Ansatz nun

auch noch die Reife der Mitarbeiter/innen zu integrieren versucht, andererseits, und

das macht vielleicht ihren Fortschritt aus, stellen sie nicht mehr den ‚Great man’ in

ihren Focus, sondern die unendliche Zahl möglicher Situationen und Interaktionen.

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Fiedler151 traute einer Führungspersönlichkeit diese Bandbreite an

Verhaltensvariationen nicht zu, sondern vertrat den Ansatz, die Situation an die

Führungskraft anzupassen, insofern hielt er auch nichts von PE-Maßnahmen (vgl.

Neuberger 2002, S.498). Er bestimmte die Führungspersönlichkeit, seine

Orientierung mit Hilfe seiner LPC-Skala (welche aus 18 Polaritäten bestand und von

der Führungskraft ausgefüllt wurde). Aus allen 18 Werten wurde ein Mittelmaß

errechnet, welches den LPC-Wert ergab (LPC = last preferred coworker), es war der

Einschätzungswert des Mitarbeiters, mit dem die Führungskraft bisher am

schlechtesten Zusammenarbeiten konnte. Vorgesetzte, welche ihren Mitarbeiter

durchgängig abwerteten, galten als aufgabenorientiert, wer sich in der Beurteilung

von Sympathie, Einfühlung und/oder Mitleid leiten ließ, galt als mitarbeiterorientiert.

Ob nun ein Führungsstil effektiv ist, hängt von drei situativen Bedingungen ab,

„nämlich den FührerIn-Mitglieder-Beziehungen, […] der Aufgabenstruktur (…) und

schließlich der Positionsmacht. Dichotomisiert man die Werte dieser drei

Situationsfaktoren, erhält man 2³ = 8 mögliche Situations-Konstellationen …“

(Neuberger, S.498).

1. Fü.-MA-Bez. + + + + - - -

2. Aufgabenstruktur + + - - + + - -

3. Positionsmacht + - + - + - + -

situative Günstigkeit

I II III IV V VI VII VIII

sehr günstig mittelmäßig sehr schlecht

Abb.: 12 nach Neuberger 2002 (S.498)

Fiedlers Hypothese, welcher er immer wieder zu bestätigen bemüht war. die aber

lediglich durch ihn und seine Schüler bestätigt wurde, nicht durch andere Forscher

(vgl. Neuberger, S.499f.), sagte aus, dass in mäßig günstigen Situationen

Vorgesetzte mit einem hohen LPC-Wert (beziehungsorientierte) effektiver seien,

während in günstigen und in ungünstigen Situationen Vorgesetzte mit einer

Aufgabenorientierung effektiver auf die Arbeitsergebnisse ihrer MA wirkten. Fiedlers

Arbeit, so Neuberger, sein ein „gutes Beispiel dafür, dass Theorien erst grundlegend

151 Fiedler, F. E.: A theory of leadership effectiveness. New York 1967 (Fiedler war vor seiner Auswanderung in

die USA Wiener Psychotherapeut, der sich mit sozialer Wahrnehmung beschäftigte)

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geändert oder aufgegeben werden, wenn ihre Begründer gestorben“ seien, in

solchen Konstellationen würde der Theoriekern verteidigt und in den Randzonen

würden stützende Rettungsoperationen durchgeführt (ebd. S.501). Rosenstiel

verweist trotz vielerlei Kritik darauf, dass Fiedler der erste gewesen sei, der aus

einem „Es kommt drauf an“ ein nachprüfbares „Auf dies und jenes kommt es an“

konstruiert hat. „Dadurch machte er begründete Kritik an seinem Ansatz möglich und

regte zu weiteren Arbeiten an situativen Führungsmodellen an“ (ebd. S.17). Eine

bekannte Weiterentwicklung stammt von Vroom & Yetton152 (1973), sie entwickelten

einen ‚normativen’ (vorschreibenden) Ansatz, welcher insbesondere in

Trainingszusammenhängen genutzt wurde (vgl. Rosenstiel 2003 S.18ff.). Sie

definierten fünf Entscheidungsoptionen und sieben situationsdiagnostische Fragen,

mit deren Beantwortung man unmittelbar zu einer ‚richtigen’ Entscheidungsoption

geführt wird. Dieser mechanistische ‚Wenn-Dann-Ansatz’ wurde vermutlich auf

Grund relativ einfacher Handhabung populär.

Abb.: 13 aus Rosenstiel (2003) S.19

Die fünf Entscheidungsoptionen, in der Zeichnung dargestellt als AI; AII; CI; CII; G,

beinhalten Folgendes: AI: Der Vorgesetzte entscheidet ohne Einbeziehung der

Mitarbeiter autoritär; AII: Der Vorgesetzte entscheidet nach Einholung von

Informationen bei den Mitarbeitern autoritär, den Mitarbeitern wird im Vorwege nicht

mitgeteilt, um welche Entscheidung es gehen wird; CI: Nach Beratung mit

(ausgewählten) Mitarbeitern findet eine konsultative Entscheidung statt; CII: wie CI,

152 Vroom, V. H./ Yetton, P. W.: Leadership and decision-marking. London 1973

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allerdings werden nun alle Mitarbeiter konsultiert; G: Gruppenentscheidung. Die

dazugehörigen situativen Fragen (A bis G) lauten: „(A) Gibt es ein

Qualitätserfordernis: ist vermutlich eine Lösung rationaler als eine andere? (B) Habe

ich als Vorgesetzter genügend Informationen, um eine qualitativ hochwertige

Entscheidung zu treffen? (C) Ist das Problem strukturiert? (D) Ist die Akzeptierung

der Entscheidung durch die Mitarbeiter bedeutsam für die effektive Ausführung der

Entscheidung und für das, was der Entscheidung folgt? (E) Wenn ich als

Vorgesetzter die Entscheidung allein treffen würde, würde sie dann von den

Mitarbeitern akzeptiert werden? (F) Teilen die Mitarbeiter die Organisationsziele, die

durch eine Lösung des Problems erreicht werden sollen? (G) Werden die

bevorzugten Lösungen vermutlich zu Konflikten zischen den Mitarbeitern führen?“

(Rosenstiel 2003 S.19f.). Auf diese Art und Weise, wenn alle Fragen beantworten

sind, kommt der Vorgesetzte zu einer Handlungsempfehlung hinsichtlich seiner

Entscheidungsart, diese ist situationsabhängig und insofern, so die Annahme, der

Situation angemessen. Rosenstiel verwiest darauf, dass Scholz153 (2000) die

Nützlichkeit dieses Ansatzes hat nachweisen können, während Neuberger auf die

diesem Modell zugrundeliegende „normative Irrationalität“ verweist, da die Ziele des

Führungshandelns nicht analysiert werden, insofern unbewertet und ausgeblendet

bleiben. Es beschränkt sich auf ein Entscheidungsverfahren, klammert Aspekte des

Führungsgeschehens (Koordination, Durchsetzung, Kontrolle u.a.m.) aus, außerdem

müsse es für Führungskräfte eine „Horrorvision“ bedeuten, da sie nach diesem

Modell durch „einen Automaten ersetzt werden“ könnte (Neuberger 2002 S.508f.).

In einer zusammenfassenden Kritik bewertet Neuberger den situativen Ansatz, gleich

welcher Art, als trivialisierendes „asymbolisches“ Grundkonzept, welches auf einer

Maschinenmetapher basiert, soziale Systeme als rational konstruierbar und

deswegen als beherrschbar begreift. Abwertend polemisch beschreibt er den situativ

führenden Manager als „ein Jenachdemer“. Ein derart Führender sei „kein spiritus

rector, sondern ein quasi-automatischer spiritloser Reaktor“ (ebd. S.529 und 530).

Dieses Konzept sei insofern gefährlich, weil es Managern Glauben macht, dass sie

an den jeweiligen Situationen unschuldig seien und nur noch re-agieren könnten.

Das diese Konzepte einen vordergründigen pragmatischen Nutzen für deren

Anwender zu verzeichnen haben, verschweigt Neuberger nicht, so reduzieren sie die

153 Scholz, C.: Personalmanagement. München 2000

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Komplexität des (Führungs-)Alltags, schaffen eine gemeinsame Sprache (unter

Führenden), machen Mut, weil sie Steuerungsillusionen nähren, fokussieren das

Führungshandeln, konstruieren darüber Sicherheit und da Führende für die

Umstände nicht verantwortlich sind, sondern diese lediglich analysieren, um ‚richtige’

Entscheidungen zu treffen, entlasten sie an dieser Stelle – das macht sie in der

Praxis beliebt.

6.4.2.3 (3) Im nun folgenden Abschnitt wird ein anderes Konzept besprochen, es soll

die Architektur des systemtheoretischen Ansatzes skizziert werden. In diesem Ansatz

finden die personifizierten ‚Macher’ (‚the great men’) keinen prädestinierten Platz und

aus Hierarchien (der ‚heiligen Herrschaft’) werden Heterarchien, aus Linien werden

Netze, Selbstorganisation bestimmt das Handeln usw. „Die Frage ist also nicht mehr,

durch welche klugen Interventionen die Führungskraft die Gruppe steuert, sondern

eher, ‚wie sich ein soziales System selbst steuert’154“ (Dahlgaard/Stratmeyer 2007

S.30155). Nicht Menschen bilden Organisationen sondern Organisationen sind

‚Soziale Systeme’, die sich über Kommunikation konstituieren und aufrechterhalten.

Die basalen Elemente einer Organisation sind dann Kommunikation,

Entscheidungen, Erwartungen, Handlungen. So betrachtet werden nicht Menschen

konditioniert, sondern (gewünschte) Beeinflussung von Kommunikation,

Entscheidung, Erwartung und Handlung erfolgt über Kontextsteuerung, ohne

Sicherheit ihrer erwünschten Wirkung. Wie diese Annahme zustande kommt soll im

Folgenden skizziert werden. Dazu erfolgt ein Blick auf systemtheoretische

Annahmen.

In diesem Zusammenhang werden nicht Systeme irgendwelcher Art, wie

beispielsweise biologische-, psychische-, einfache- und nicht einfache-, offene- oder

geschlossene Systeme betrachtet, sondern explizit ‚Soziale Systeme’, da diese

Abbild von Organisationen sind (oder umgekehrt156). Dabei handelt es sich um (so

genannte) geschlossene Systeme157, die über eine (geschlossene) Systemgrenze zu

154 Arnold, Rolf: Stellvertretende Führung – Führung zur Selbstführung. In: Personalführung 6/ 2000, S.18-22;

zitiert nach Dahlgaard/ Stratmeyer a.a.O. S.30

155 Dahlgaard, K./ Stratmeyer, P.: Kooperatives Prozessmanagement im Krankenhaus. Kooperation und

Führung. Band 6 Neuwied, Köln, München 2007

156 Denn auch eine Selbsthilfegruppe stellt ein ‚Soziales System’ dar, ist aber nicht gleich eine Organisation, da

diese an bestimmte Ziele, Vereinbarungen, Verträge, Mitgliedschaften u. d. g. m gebunden ist.

157 Operational geschlossene, selbstreferenzielle Einheiten der 3. Generation

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ihrer Umwelt verfügen und ihre Einheiten bzw. Elemente, die sie ausmachen

(kennzeichnen), auch selbst reproduzieren, damit identifizieren sie sich über ihre

Grenze und dem was sie im Kern (im Inneren) ausmacht. Diese Geschlossenheit

bedeutet nicht, dass diese Systeme, ihre sie umgebende Umwelt nicht wahrnehmen,

sie reproduzieren sich lediglich selbst und sie beschäftigen sich überwiegend mit sich

selbst158. Eine weitere wichtige Annahme bezieht sich auf die Erkenntnisfähigkeit

dieser Systeme, die stets selektiv funktioniert. Damit gibt es nicht eine Welt an sich,

auch keine allgemeingültige(n) Wahrheit(en), sondern stets nur das, was

komplexitätsreduzierend, in der Unterscheidung zu etwas Anderem, wahrgenommen,

(an-)erkannt und integriert wird, womit über die Art und Weise der Wahrnehmung

und der Integration noch nichts gesagt ist, aber auch nichts zur Unterscheidung.

Unterscheidung bedeute Auswahl, diese Selektion macht das System

handlungsfähig, es entscheidet worüber es kommunizieren will, blendet aber etwas

anderes dafür aus. Insofern existiert die Welt nur in der gewählten Perspektive.

Hierüber muss im System (aber auch in Verbindung mit anderen Systemen)

Konformität hergestellt werden, dies gelingt über Kommunikation.159 ‚Soziale

Systeme’ bestehen nicht aus Menschen, sondern aus Kommunikation. Ein

selbstreferenzielles System erzeugt (und erhält) sich selbst. Eine Organisation kann

nicht Menschen erzeugen, sondern Elemente der Interaktion, der Kommunikation,

insofern kann ein solches so genanntes autopoietisches (im Wortsinn: sich selbst

erzeugendes) System auch nicht aus Menschen bestehen. Für Luhmann160 besteht

Kommunikation aus dreifacher Selektion, die er in Information,

Mitteilung/Übermittlung und Verstehen untergliedert. Da die Welt nicht nur komplex,

158 Anmerkung: Behörden sind hierfür ein gutes Beispiel, da jeder deren Funktion erlebt und kennt.

Exemplarischer dafür sind ‚totale Institutionen’ (vgl. zu diesem Begriff Paul Watzlawick), wie Krankenhäuser, Gefängnisse oder das Militär.

159 Soll diese Selektion, die auf Beobachtung basiert, im System mitgedacht werden, erfordert dies einen

Beobachter, der die Systembeobachtung beobachtet, denn das System ist dafür blind. Auch der Beobachter (zweiter Ordnung) ist an genau dieser Stelle für sich selbst blind und benötigt einen Beobachter usf. Organisationen gestalten solche Prozesse durch Hinzunahme externe Beobachter (Berater), ganze Branchen leben davon.

160 Luhmann, Niklas: Ökologische Kommunikation. Opladen 1986 / Das Element der Beziehung, wie Schulz von

Thun es in seinen Kommunikationstheorien verwendet, taucht bei Luhmann nicht auf. Beziehung ist an psychische Systeme gebunden, Luhmann aber interessiert sich nicht für den Menschen als solchen (er verzichtet auf das Subjekt), sondern fokussiert sein Interesse auf Kommunikation schlechthin. Auf die Frage, ob es etwas gäbe was ihn gänzlich kalt lasse, antwortete Luhmann, „Ich lehne alle Einladungen ab, die mich veranlassen wollen, über den Menschen zu sprechen. Also der Mensch interessiert mich nicht, wenn ich das so sagen darf“ (aus: Hagen, W.: Was tun, Herr Luhmann? Vorletzte Gespräche mit Niklas Luhmann. Berlin 2009).

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sondern auch kontingent161 ist, muss auf der Informationsebene eine

Entscheidung über das zu Vermittelnde getroffen werden, es muss selektiert werden.

Die Maxime könnte lauten: ‚Lege dich fest worüber du sprechen willst’. In Bezug auf

die Mitteilung, auf die Übermittlung, ist die Art und Weise der Übermittlung

angesprochen (diese kann, aber muss nicht sprachlich geschehen), schließlich gibt

es verschiedene Modalitäten der Mitteilung (auch das ist eine Form der Selektion).

Und im Hinblick auf die Verstehensebene geht es um die Dekodierungsleistung des

Empfängers, um das Einordnung des Gehörten in das eigene Bezugssystem bzw.

Referenznetz. Dabei kann der Sender nie sicher sein, dass seine Mitteilung den

Empfänger so erreicht, wie er sie gemeint hat, zumal Begrifflichkeiten in

unterschiedlichen Kontexten unterschiedlich gedeutet werden können

(Begriffsbesetzung) oder möglicherweise nicht bekannt sind. Wenn beispielsweise

Begriffe wie biologisch-dynamisch, nachhaltig, ressourcenschonend in der

Organisation einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) nicht

vorkommen, können diese in diesem systemischen Zusammenhang nicht

eingeordnet, verstanden und verwendet werden, es gibt dafür keinen Sensor und

keinen Code und damit sind diese Begriffe im System nicht anschlussfähig, bleiben

singulär, unverstanden und folgenlos. Diese Beschreibung verdeutlicht, dass

Führungen in Organisationen Strukturen und Regularien entwickeln müssen, die sie

regelmäßig auf ihre Anschlussfähigkeit hin überprüfen sollten. Organisationen

können die Rahmenbedingungen, die Kontexte verändern, „die das selbstgesteuerte

Operieren von Systemen anstoßen und orientieren“, denn „die Möglichkeit der

direkten Beeinflussung von Mitarbeitern ist durch die Theoriearchitektur der

Systemtheorie genommen“ (Neuberger 2002 S.632). Der Langzeiterfolg von

Unternehmen hängt in diesem Konzept nicht vom Einzelnen (an der Spitze) ab,

sondern davon, dass Organisationswissen breit und zugängig angelegt ist, von allen

in der Organisation genutzt werden kann, so dass die Selbstorganisationsfähigkeit

gestärkt wird und damit die Gefahr des Scheiterns an unbewältigter Komplexität und

Kontingenz minimiert wird. Wer Führung unter diesem Blick betrachtet, setzt auf

Kontextsteuerung und kann dennoch nie sicher sein, ob der beabsichtigte Zweck

bzw. Nutzen oder die beabsichtigte Intention gelingt. Solch verstandene Führung ist

wohl nicht jedermann Sache, denn sie setzt nicht nur ein gehöriges Maß an

161 Kontingenz bezeichnet ein Optionsspektrum von Wahrnehmung und meint damit, dass alles was ist, auch

anders sein kann.

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Gleichmut und Ich-Stärke voraus, um derlei Situationen auszuhalten, sondern sie

bedarf einer fortwährenden Beobachtungs- und Interventionskraft, wohl wissend,

dass alle (gute) Absicht ins Leere verlaufen kann.

6.4.2.4 (4) Das Rollenkonzept arbeitet, respektive ‚denkt’ anders, indem es den Blick

enger auf die Interaktionen in Rollenkontexten richtet. Führungspersonen, also

Vorgesetzte werden, nach Neuberger (2002), vor-gesetzt, insofern gibt es

Vorsetzende, Vorgesetzte und Unterstellte. Diese Vorgesetzten sind nicht frei in

ihrem Tun, denn dies ist vielfältig an (Rollen-)Erwartungen gebunden (vgl. ebd.

a.a.O. S.313). Dieses Konzept geht somit von Erwartungen an die jeweiligen Rollen

aus und stellt damit die Struktur, nicht die Persönlichkeit in sein Zentrum, insofern

erhalten Rollenerwartungen einen beurteilenden Stellenwert, am ihnen wird Führung

gemessen. Wenn Erwartungen zur zentralen Perspektive werden, dann wird Führung

instabil, weil nämlich jede Person, jede Abteilung, jeder Stab und jede Ebene andere

Erwartungen an eine bestimmte Position hat. Hemphill/Coons162 haben neun

Rollenerwartungen an Führende lokalisiert: 1. Initiativen ergreifen; 2. Leistung

erbringen; 3. Organisation leisten (Aufgabefestlegung u.a.); 4. Kommunikation

gestalten (Informationsfluss sichern); 5. Anerkennung leisten; 6. Dokumentation

erbringen; 7. Verbundenheit herstellen (Kontakte ermöglichen, gestalten, pflegen

usw.); 8. Integration ermöglichen und 9. Repräsentationsaufgaben (angemessen)

übernehmen. Mintzberg163 (1979) definiert 10 Führungsrollen, unterteilt diese in drei

Kategorien (interpersonale Rollen: Repräsentator, Führer, Liaison; informelle Rollen:

Beobachter, Verteiler, Sprecher; Entscheidungsrollen: Unternehmer, Störungsregler,

Ressourcenzuordner, Verhandler). Eine Balance und damit relative Stabilität kann

die Rolleninhaberin nur erlangen, wenn sie sich verdeutlicht, nicht alle diese

Erwartungen gleichermaßen erfüllen zu können (erst recht nicht im Sinne Aller), sich

zwischen diesen Erwartungen, mit dem was sie mitbringt, was sie ausmacht, was

und wer sie ist, als Person etabliert. Wenngleich auch der Rollenbegriff dem Theater

entlehnt ist, unterscheidet er sich doch in diesem Konzept erheblich dadurch, dass er

nicht eine allen bekannte Rolle, in einem in sich abgeschlossenen Theaterstück

162 Hemphill, J. K.; Coons, A. E. (1957): Development of the leader behaviour description questionnaire. In:

Stogdill, R.M.; Coons, A.E.: Leaders behaviour. Columbus In: Staehle, Wolfgang: Handbuch Management. Wiesbaden 1991

163 Mintzberg, H.: The structuring of organizations. Englewood Cliffs 1979 In: Staehle, W.: Handbuch

Management. Wiesbaden 1991, S.373

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repräsentiert, sondern sich die jeweils betroffene Person zunächst orientieren

muss, herauszufinden hat, in welchem Stück sie gerade spielt, darin ihre eigenen

Anteile finden und für sich definieren muss und außerdem über die Möglichkeit

verfügt, jederzeit, an beliebiger Stelle aussteigen zu können. Diese

subjektgebundene Gestaltung einer Rolle ist „nötig und möglich, weil die

Rollenanforderungen grundsätzlich nicht exakt und ein für alle Mal definiert werden

können (daran scheitern auch die Versuche, präzise Stellenbeschreibungen und

Anforderungsprofile für Führungskräfte vorzugeben)“ (ebd. S.316).

Nach Wunderer lassen sich zwei Kernaussagen (zentrale Rollenerwartungen)

ableiten: Führer sollen Vorwärtsgehen, damit eine Lokomotions-Funktion

übernehmen und sie sollen Zusammenhalt (Kohäsion) ermöglichen, wenn dies

gelingt würden Führer als erfolgreich anerkannt (vgl. Wunderer164 S.368). Mit dem

Vorwärtsgehen soll „das Ziel der gesamten Gruppe erreicht werden, die Arbeit soll

vorangehen, das Ganze soll sich positiv entwickeln“ und „zum anderen soll die

Führungskraft den Bestand und den Zusammenhalt der Gruppe fördern sowie den

Einzelnen im Team stärken“ Dahlgaard/Stratmeyer165, S.14). Solcherlei

Erwartungshaltungen gestatten individuelle Spielräume, indem sie zwar das Wohin

(Zielbestimmung) vorgeben, aber nicht das Wie (die Art und Weise der

Zielerreichung). Für dieses Wie gibt es nach Wunderer (1991) keine ‚goldenen

Regeln’, wie sie die Praxis der Führung stets gerne hätte, er empfiehlt einen anderen

Weg, nämlich sich den Weg im Gehen zu erschließen oder anders gesagt, der Weg

entsteht beim Gehen. Eine solche Metapher spricht die Notwendigkeit einer steten

selbstkritischen Reflektion des eigenen Handelns, im Kontext der Handlungen und

Handlungsbedingungen anderer Beteiligter an. Das erfordert Rollenanalysen (nicht

nur der eigenen, sondern auch die der anderen), Analysen der Handlungen, der

vorgelagerten Entscheidungen, der Kommunikationsstrukturen (-wege, -inhalte, -

formen) vor dem Hintergrund der Organisationsgeschichte und –kultur. Solche

analytischen Rekonstruktionen (einsam oder gemeinsam) sind an Geschehnisse

gebunden, haben also einen konkreten Hintergrund und Anlass. Solche Anlässe

164 Wunderer, R.: Managementrolle: Führender. In: Staehle, W.: Handbuch Management. Die 24 Rollen der

exzellenten Führungskraft. Wiesbaden 1991

165 Dahlgaard, Knut & Stratmeyer, Peter: Kooperatives Prozessmanagement im Krankenhaus. Kooperation und

Führung. Themenband 6, Neuwied, Köln, München 2007

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könnten nach Wunderer166 sinnvollerweise Konflikte sein, denn diese treten

immer auf und sie sind die Schnittstellen nach innen und nach außen, insofern

stellen sie für das Handlungsverstehen ideale Parameter dar. Die Betrachtung und

Analyse der Konflikte schafft ein lebendiges Lernfeld für alle beteiligten Rollenträger,

insbesondere für Führungskräfte, es ermöglicht explizites Lernen und beeinflusst

künftiges Handeln. Wunderer beschreibt, mit Verweis auf Neuberger ‚typische

strukturelle Rollen-Konflikte’: Intra-Sender-Konflikt, Inter-Sender-Konflikt, Inter-

Rollen-Konflikt, Personen-Rollen-Konflikt. Neuberger167 (2002) ergänzt diese Reihe

um zwei weitere Konfliktfelder: Rollen-Ambiguität, Rollen-Überlastung. Derselbe

erklärt den Intra-Sender-Konflikt als ein in der Person angelegtes und in ihr, mit sich

selbst divergierendes Spannungsfeld, welches zwar von außen kommend initiiert

werden kann, dass aber danach in der Person von derselben bearbeitet werden

muss, sie muss für sich eine Lösung entwickeln um inneren Frieden zu finden. Als

Beispiel sei eine Vorgesetzte benannt, die einer Unterstellten ein höheres

Anforderungsprofil benennt, diese soll nun in kürzerer zeit, bei gleichbleibender

Qualität mehr Produkte herstellen. Eine solche Anforderung kommt zwar von außen,

bewirkt aber im Inneren dieser betroffenen Person Spannungen, welche Konflikte in

dieser erzeugen können, die sie in der Folge nun zu bearbeiten hat. Mit dem Inter-

Sender-Konflikt werden Konfliktfelder zwischen Personen angesprochen. So können

in einer Abteilung verschiedene Mitglieder dieselbe Erwartungshaltung an die

Vorgesetzte haben (beispielsweise hinsichtlich Mitarbeiterpartizipation), allerdings ist

der Ausprägungsgrad dieser Erwartung bei jeder beteiligten Person unterschiedlich

(Muss-, Soll- oder Kann-Erwartung). Diese Differenz, sofern mitgeteilt, konstruiert

zwischen den Teammitgliedern Konfliktpotential und parallel zwischen diesen und

der Vorgesetzten (die hierzu eigene Vorstellungen hat und diese müssen nicht

kompatibel sein). Neuberger verweist auf ein zweites Spannungsfeld dieser Art,

welches zwischen der Organisation und der Institution Familie liegen kann, denn

Letztere hat Erwartungen an die Mutterrolle der Person und die Organisation an die

Führungsrolle derselben Frau, so dass diese unterschiedlichen Rollenerwartungen

zwischen den Institutionen und in der Person (als Mutter und Führungskraft)

divergieren, insofern gilt hier eine gleich dreifache Konfliktform, was verdeutlicht,

166 Wunderer 1991 a.a.O. S.371f.

167 Neuberger 2002 a.a.O. S.321ff.

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dass diese Trennung der Konfliktarten lediglich analytischen Charakter hat. Diese

dritte Konfliktform bezieht sich auf das Inter-Rollen-Geschehen, also auf Konflikte,

die dadurch entstehen, dass eine Person unterschiedliche Rollen wahrnimmt

(Juniorchef im elterlichen Betrieb, Vater zweier Töchter, Ehemann einer Frau, aktives

Mitglied einer Religionsgemeinschaft, Vorsitzender des örtlichen Turnerverbandes

usw.). Jedes Betätigungsfeld, Interessengebiet, jede Mitgliedschaft und

Zugehörigkeit wird von der betroffenen Person unterschiedlich gewichtet werden,

muss aber insgesamt von derselben miteinander in Einklang gebracht, also

irgendwie ausbalanciert werden. Der Personen-Rollen-Konflikt beschreibt die

Differenz zwischen den Ansprüchen, welche von unterschiedlicher Seite an die

unterschiedlichen Rollen einer Person gestellt werden und den ureigensten innersten

Haltungen der Person dazu. Sofern diese nahezu identisch sind, ist alles im ‚grünen

Bereich’, problematisch und konfliktträchtig wird es erst, wenn unterschiedliche

Erwartungen, Vorstellungen, Meinungen hergestellt werden. Ein Familienvater, der

die Rollenerwartungen seiner Kinder und seiner Frau nicht erfüllt, weil er sich der

beruflichen Karriere verschrieben hat und wöchentlich 70 Stunden arbeite (also mit

der Firma verheiratet ist), wird mit den Personen der Familie in Konflikt geraten, aber

auch mit sich selber, mit seiner Rollenbalance und den Rollenerwartungen zwischen

den Institutionen (Familie und Organisation). An dieser Stelle hat er es mit multiplen

Konflikten zu tun, da werden zeitgleich alle bisher besprochenen Ebenen lebendig

und vereinigen sich zur Konflikt-Synthese. Mit dem Begriff der Rollen-Ambiguität

verbindet Neuberger die Vorstellung, dass Rollenerwartungen nicht stets präzise

benannt sind, dies kann zwar durchaus und gerade in organisationalen

Zusammenhängen sein, aber zeitgleich wird die gleiche Organisation auch implizite,

eben nicht deutlich ausgesprochene Erwartungen haben. Dieses Ambiguitätsmuster

ist übertragbar auf alle Rollenerwartungen und in diesen schwammigen (weil eben

mehrdeutigen) Erwartungshorizonten muss sich jeder Mensch bewegen und

trotzdem Sicherheiten gewinnen. Zu guter Letzt wir die Rollen-Überlastung

angesprochen, womit die „schiere Anhäufung positionsspezifischer Erwartungen“

gemeint ist (ebd. S. 324). Möglich wird dies sowohl durch eine quantitative

Überlastung, eines zu großen Rollenspektrums aber auch durch Überforderung

inhaltlicher Forderungen/Erwartungen bzw. eines eigenen Anspruchdenkens.

Wem es gelingt, die zentralen Anforderungsprofile (Lokomotion und Kohäsion) mit

den Führungsaufgaben, wie sie Hemphill/Coons und Mintzberg benennen und

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beschreiben zu verknüpfen, der verfügt über ein rollenspezifisches Bild von

Führungserwartungen. Dieses Bild gilt es mit den eigenen Ansprüchen und

Möglichkeiten in Verbindung zu bringen, um ein Selbstverständnis zu entwickeln. Ein

solchermaßen entstandenes Bild kann in der Folge mit den stetigen Konfliktfeldern,

wie sie oben skizziert wurden, analytisch abgeglichen werden, um daraus neue,

subjektiv gebundene (persönliche) Sicherheiten und Handlungsoptionen zu

schöpfen.

6.4.2.5 (5) Der Begriff symbolische Führung weckt Assoziationen in Hinsicht auf

gegenständliche Symbole, welche unmittelbar mit Führung zu tun haben und

insofern, als ein solches Symbol, einen ganzen Erwartungshorizont eröffnen, man

denke beispielsweise an Zepter, Krone, Thron, Bischofsstab u. dergl. m., ganz in der

Analogie zu Nicht-Führungssymbolen, welche auch für etwas stehen, wie der

Ehering für Liebe, Treue und Verlässlichkeit, das Holländerrad für intellektuelle

Weitsicht (schließlich war dieses Rad, im Gegensatz zum von Niederländern

verachteten Rennradsport der Engländer, ursprünglich nur für den wohlhabenden

niederländischen Bildungsbürger konzipiert, der aufrecht sitzend weit über die

Landschaft blickend, die Übersicht und den Weitblick behielt) die Zigarre, als

Phallussymbol für männliche Potenz, Sättigung und Wohlstand usw. Weil Führung

nicht sichtbar ist, muss sie personifiziert und mit Symbolen versehen werden, damit

sie sie auch bei Abwesenheit der Führungsperson sichtbar bleibt und wirkt. „Führung

kann man nur sehen, wenn man gelernt hat sie zu sehen, d.h. mit Attributen

(Privilegien, Pflichten, Haltung, Kleidung, Sprache …) zu versehen, die in ihrer

Zusammenstellung prototypisch nur Führungskräften zukommen“ (Neuberger 2002,

S.643). Führung wird also symbolisiert und sie symbolisiert. Im ersten Fall wird

Führung mit Hilfe von Symbolen offengelegt, sichtbar gemacht, symbolisch

hergestellt, im anderen Fall macht Führung Gegenteiliges, sie verbirgt, verschleiert,

versteckt, denn Symbole sind nur für diejenigen sichtbar, erkennbar, interpretierbar,

die in ihre Deutung eingeführt wurden. Das Symbol dient der Ver-, wie der

Entschlüsselung, es gilt nur für Eingeweihte, das war auch ihr historische Sinn, man

hat sich am Symbol erkannt. Es war bzw. ist ein ‚Ausweis’, ein ‚WahrZeichen’, wie

Neuberger sagt (vgl. ebd. S.645), aber eben nur für Eingeführte bzw. Eingeweihte,

für alle anderen sind Symbole bedeutungslos, das ist ihr Doppelcharakter. Ein

Symbol ist ein Sinn-Bild für Etwas und stiftet somit Sinn. Sinn-Stiftung ist keine

individuelle Leistung sondern setzt soziale Verbindlichkeit und Verständlichkeit

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voraus, aber so wie jeder Sinn nicht statisch ist, sondern von der Gemeinschaft

dekodiert werden muss, um verstanden zu werden, trifft dies für die sinn-bildliche

Kodierung eines Symbols, also das hineinlegen von Sinn, gleichermaßen zu, damit

aber bleibt beides (das Ent- und das Verschlüsseln) stets Wandlungen, inhaltlichen

Verschiebungen oder Neubestimmungen unterworfen, das macht zugleich ihre

soziale Flexibilität aus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Aufhebung (Verflüssigung)

von Sinn (Umdeutung oder Neudeutung) Verunsicherung oder auch Angst bewirkt,

also destabilisiert, Widerstände, ggf. Restaurationsanstrengungen auslöst, insofern

muss verflüssigter Sinn immer auch wieder verfestigt werden. Neuberger (2002)

spricht in diesem Zusammenhang von „Sinn-Entbindung“, im Sinne von „Geburt

eines neuen Sinns“, also der gemeinsamen Konstruktion von (akzeptiertem) Sinn.

„Symbolische Führung ist deshalb ein Kreisprozess, der zwischen Verfestigung …

und Verflüssigung … dialektisch oszilliert“ (ebd. S.668). Sinn ist nicht nur sozial,

sondern auch kulturell gebunden. „(Führungs-)Kultur beginnt mit Tat-Sachen, in

denen das Wort (Sinn) steckt. Über Symbolische Führung sprechen heißt somit nicht,

idealistisch zu spekulieren, sondern von empirischen Fakten auszugehen und sie zu

deuten, ihren Sinn zu verstehen“ (Neuberger 2002, S.649). Fakten aber unterliegen

gleichermaßen einer Zweideutigkeit, denn zum einen sind sie wie sie sind (also mit

sich selbst identisch), zum anderen aber können Fakten interpretiert, also gedeutet

und in neue Zusammenhänge gestellt werden, damit sind sie wandelbar, allerdings

ist solch eine Wandlung nur im sozialen Kontext möglich, denn als einsame

Entscheidung wird diese Wandlung nicht nachvollzogen und insofern von den

anderen nicht verstanden. Es bedarf der Kooperation, des Miteinanders, der

gemeinsamen (Um-)Deutungsarbeit, Führung in diesem Sinne gelingt nicht im

Alleingang. Symbolisches Management bedeutet immer zweierlei, Fakten bzw.

Tatsachen sind zum einen mit sich selbst identische (beispielsweise soll ein AC stets

zu objektiven, nachvollziehbaren, wiederholbaren Ergebnissen kommen), zum

anderen verweisen Fakten/Tatsachen auf einen dahinterliegenden Sinngehalt (das

AC-Konzept ist das Lieblingsprojekt des Personalchefs, mit dem er sich profiliert). Im

vordergründigen faktischen Sinn stehen gerechte, objektive Messergebnisse, diese

Ergebnisse erzeugen Wirkungen, denn sie dienen und nutzen den Bewerbern und

der Firma, steuern damit die Personalauswahl. Im dahinterliegenden symbolischen

Sinn, welcher mit aufwändigen Formblättern und Techniken zelebriert wird, steht die

Heraushebung dieses Instrumentes/Konzeptes (AC) vor allen anderen Alternativen,

als das Instrument schlechthin, es gewinnt eine Bedeutung für den (genialen)

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Personalchef und steuert seinen Führungsanspruch, insofern gewinnen die

Handlungen des Personalchefs symbolische Bedeutung. Das AC symbolisiert

Objektivität, Modernität, Fairness, Qualität u.a.m. für sich und für seinen Einführer,

Entwickler und Gestalter. Immer ist beides da und während die Fakten als Symbol

chiffriert werden müssen, muss das Symbol dechiffriert und damit zu Fakten

verwandelt werden, dies ist ein fortwährender zirkulärer Prozess und es ist eine

originäre Führungsfunktion, welche nur in sozialer Interaktion, einem lebendigen

Aushandlungsprozess, denkbar ist.

6.4.2.6 (6) MitarbeiterInnen sind Menschen, welche vertraglich gebunden (in

Schriftform oder per ‚Handschlag’), bestimmte Leistungen, in einem definierten

temporären und inhaltlichen Umfang, für jemanden oder für eine Organisation

(Arbeitgeber) erbringen und im Gegenzug dafür von ihrem Arbeitgeber eine

Gegenleistung erhalten (i.d.R. monetär, gekoppelt mit mind. gesetzlich definierten

Urlaubsansprüchen bzw. tarifl. Vereinbarungen sowie sonstigen betrieblichen

Leistungen). Wie kommt eine Organisation, ein Unternehmen an Menschen, die für

es zu Mitarbeitern werden? Dem Prozess der MitarbeiterInnengewinnung vorweg

geht eine Bedarfsermittlung notwendiger Arbeitszeit, welche in so genannte Stellen

umgerechnet wird. Eine Stelle beschreibt Einsatzort, Tätigkeitsmerkmale, Können,

Fähigkeiten, Fertigkeiten, Bezahlung, Arbeitszeit u.a.m., sie wird oftmals in

Stellenbeschreibungen festgehalten und hinterlegt. Die Art der Bedarfsermittlung

kann relativ einfach über einen Stellenplan erfolgen (wird eine ‚Stelle’ frei, so ist

diese wieder zu besetzten) oder auch aufwändig über Arbeitszeitermittlungen, mit

Hilfe genauer Ablaufschemata und exakten Zeitberechnungen (insbesondere in

tayloristischen Arbeitssystemen mit Hilfe von Berechnungen der REFA168). Bedarfe

entstehen bei Neugründung, durch Weggang (Kündigungen oder Altersruhestände),

durch Kapazitätserweiterung oder Erschließung neuer Marktsegmente, durch

Marktveränderungen von außen, durch Revision der Geschäftstätigkeit,

andersherum kann es auch zur Notwendigkeit personeller Freisetzungen kommen.

Diese Planung erfolgt stets vor der Folie eines Managementzirkels (Ziele setzten,

planen, realisieren, kontrollieren). Solche Bedarfsermittlung ist häufig nicht

unproblematisch, insbesondere wenn der Arbeitsplatz hinsichtlich der Arbeitsmenge

168 Der REFA-Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung e. V. (1924

gegründet als Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung)

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deutlichen Schwankungen im Tagesablauf unterliegt oder die Arbeitsproduktivität

schwer messbar ist oder es nicht um Arbeitsleistung sondern Arbeitsbereitschaft

geht, man also nicht weiß, wann aus der Bereitschaft Arbeitsnotwenigkeit wird oder

es Schnittstellenprobleme mit anderen Abteilungen oder Tätigkeitsfeldern gibt usw.

Neben den Personalbemessungsformen und dem Stellenplan existieren noch

Kennzahlenmethoden, globale Bedarfsprognosen oder schlichte Schätzverfahren.

Ist der Bedarf bekannt, müssen die Beschaffungswege (interne oder externe

Ausschreibungen) sowie die Kontaktaufnahme zu den Menschen, die man gewinnen

möchte, festgelegt werden (Stellenausschreibungen in Zeitungen, Zeitschriften,

Fachzeitschriften, Internetportalen oder über Zeitarbeitsfirmen, Arbeitsagenturen

usw.), dann ist die Art der Bewerberauswahl, also die Auswahlmethode zu planen

(Auswahlkriterien werden durch die Fachabteilung vorgegeben, oder

Stellenbeschreibungen bilden die Grundlage, Interviews, Bewerbergespräche

werden in einem bestimmten Rahmen geführt, wer ist dabei, wer führt die

Gespräche, mit welcher Methode oder werden alternativ Assessment-Center

beauftragt), außerdem sind die Fragen nach möglicher Hospitation, Probearbeit oder

Praktika, ggf. auch einer Arbeitsprobe zu entscheiden, zuletzt ist der Kontrakt zu

schließen, die Arbeitsaufnahme zu bestimmen, die Einarbeitung zu regeln. Jede

Organisation wünscht sich effektive Verfahren, möchte möglichst viele validen

Informationen über die Bewerber erhalten und zwar über das hinaus, was schriftlich

vorliegt, parallel sollen die Verfahren wenig personalaufwändig, schnell, also effizient

sein, gleichzeitig stellt sich die Organisation, das Unternehmen im Rahmen dieser

Verfahren immer auch selbst dar und es will in aller Regel eine gute Außenwirkung.

Die Bewerberin will gleichermaßen ein positives Bild abgeben, will sich aber auch

authentisch darstellen mit dem was sie ist und kann, schließlich sollen

Fehleinschätzungen vermieden und die wahre Eignung ermittelt werden. Der

beabsichtigte Trainingsaspekt für die Bewerberin mit solchen Situationen darf auch

nicht unterschätzt werden, insofern hat die Bewerberin einen Anspruch auf eine

angemessene Rückmeldung (verdient), darf diese auch erwarten. Im Sinne von

Gerechtigkeit und Fairness empfiehlt Weuster169 (2004) folgende zehn Leitlinien: 1.

Arbeitsplatzbezug wahren, nicht in die Privatsphäre eindringen; 2. Qualität des

169 Weuster, A.: Gerechtigkeit und Fairness bei Auswahlverfahren. In: Personalführung 10/2004, S.44-49

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Verfahrens sichern, es soll objektiv, reliabel und valide sein170; 3. Konsistente

Anwendung auf alle Bewerber garantieren; 4. Vorurteile minimieren (möglichst

vermeiden) durch mehrere Beurteiler; 5. Transparenz über das Verfahren herstellen;

6. Ethische Aspekte wie Respekt, Vertraulichkeit, Ehrlichkeit beachten und

herstellen; 7. nach dem Abschluss unbedingt Feedback geben; 8. Dem Bewerber

alle relevanten Informationen zugängig machen (Gehalt, Arbeitszeit und

Arbeitsbedingungen usw.); 9. Korrekturmöglichkeiten einbauen (ggf. zweites

Gespräche, im Nachgang Nachfragen stellen, weitere Informationen einholen); 10.

Betriebliche Interessenvertretung einbinden. Schuler171 (2006) empfiehlt ein

Bewerbergespräch (Multimodales Einstellungsinterview) analytisch in acht Schritte zu

zergliedern: 1. Gesprächsbeginn: kurze informelle Unterhaltung dient der

atmosphärischen Aufwärmung, das Verfahren skizzieren; 2. Selbstvorstellung des

Bewerbers: Beurteilung nach anforderungsbezogenen Dimensionen; 3.

Berufsorientierung und Organisationswahl: Standardisierte Fragen zur Berufswahl,

Berufsorientierung, Organisationswahl und Bewerbung; 4. Freies Gespräch: offene

Fragen, summarische Eindrucksbeurteilung; 5. Biographiebezogene Fragen:

„Erfahrungsfragen“, Beurteilung an Hand einer Skala; 6. Realistische

Tätigkeitsinformationen: ausgewogene Informationen über das Unternehmen und

den Arbeitsplatz; 7. Situative Fragen: auf critical-incident-Basis172, Beurteilung an

Hand einer Skala; 8. Gesprächsabschluss: Fragen der Bewerberin,

Zusammenfassung, weitere Verabredungen. Die Gesprächsphasen knüpfen

praktisch aneinander an, so erfolgt beispielsweise die Überleitung zwischen Phase 6

und 7 mit dem Hinweis: ‚Ich habe Sie jetzt über einige wichtige Aspekte Ihrer

möglichen künftigen Tätigkeit informiert. Um Ihnen einige Beispiele anspruchsvoller

170 Objektiv meint hier, dass bei Wiederholung des Verfahrens durch andere Personen, diese zu gleichen

Ergebnissen kommen; Reliabilität meint die Zuverlässigkeit der Methode bzw. des Verfahrens, d.h. eine Wiederholung würde zu gleichen Ergebnissen führen; ein valides Verfahren misst nur das, was auch gemessen werden soll (berufsbezogene Daten erfährt man beispielsweise nicht in einem informellen Plausch über Hobbys der Bewerberin usw.).

171 Schuler, H./Marcus, B.: Biografieorientierte Verfahren der Personalauswahl. In: Schuler, H.: Lehrbuch der

Personalpsychologie. Göttingen 2006, S.189-229

172 Was will nun ein critical incident bzw. ein kritisches Ereignis sagen? Auf beruflicher Ebene wird es damit

beschrieben, dass jede Aufgabe spezifische Situationen beinhaltet, in denen der Aufgabeninhaber zeigen muss, was er oder sie wert ist. In diesen realen Lebenssituationen sind spezielle Qualitäten (dieses Inhabers) entscheidend, um erfolgreich zu sein oder auch nicht. Genau diese Situationen werden als critical incidents bzw. kritische Ereignisse benannt. Kritisch, weil sie entscheidend sind und weil sie nur in diesen bestimmten Situationen die Anforderungen aufzeigen, die in dem spezifischen Job notwendig sind.

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oder schwieriger beruflicher Situationen zu geben, werde ich Ihnen jetzt noch

mehrere Fragen stellen, in denen jeweils eine solche mögliche Situation geschildert

wird. Sagen Sie mir bitte, wie Sie sich in der betreffenden Situation verhalten

würden.’

Schlussendlich sollen Bewerbungsverfahren für beide Seiten gewinnbringend sein,

denn sie liefern dem Unternehmen die Menschen, die es für seine Existenz benötigt,

um erfolgreich am Markt bestehen bleiben zu können und sie verschaffen den

Bewerben die Möglichkeit einer passgenauen Entscheidung bzw. verdeutlichen im

Prozess, dass dieses Unternehmen oder dieses Stellenprofil nicht den Erwartungen

der Bewerberin entspricht. In jedem Fall soll die Bewerberin das Verfahren als

Trainingsfeld für weitere Verfahren verstehen können.

6.4.2.7 (7) Ist Mikropolitik ein expliziter Führungsstil? Erinnert es nicht unmittelbar an

Niccolò Machiavelli173 (1469-1527), der in seinem Buch „Il principe“ (aus heutiger(?)

Sicht) moralisch verwerfliche Ratschläge zum Machtaufbau und Machterhalt

vermittelte? Bosetzky174 (1991) unterstellt diesen Rat-Schlägen „amoralische und

anti-demokratische“ Qualitäten, nichts desto trotz scheinen sie zeitlos und noch

immer gültig, ‚das Sosein der Welt ist mit Machiavelli immer noch hervorragend zu

verstehen’ (ebd. S.295). Machiavelli macht doch nur deutlich, wie Macht konstruiert

werden kann, worauf man/frau also zu achten hat, was achtsam bedacht werden

sollte, wobei sich die Beachtung auf politische Strukturen und im Wechselspiel auf

die eigene Person bezieht. „Die Anwendung von Macht in Organisationen wird als

Politik, genauer als Mikropolitik, bezeichnet“ (Staehle 1999 a.a.O. S.406). Und

Mikropolitik wird in allen Organisationen, gleich welcher Art gelebt (Parteien, Kirchen,

Unternehmen, Vereinen, Wohlfahrtsverbänden u.a.m.), sie ist zugehöriger

Bestandteil dieser (Organisations-)Formen, sie „ist keine bloß individuelle Option, die

man auch ausschlagen könnte, und schon gar nicht ein spezifischer Charakterzug

(‚Die Führungskraft als Mikropolitikerin’), sie ist unausweichlich und unverzichtbar.

Das impliziert, dass Mikropolitik nicht reduziert wird auf illegale opportunistische

Machenschaften, sondern als ‚Extra-Rollen-Verhalten’ konzipiert wird: Über formal

173 Machiavelli, N.: Der Fürst. Stuttgart 1955 (Das Buch Der Fürst wurde, um 1513 von Niccolò Machiavelli

verfasst und 1532 postum publiziert. Es gilt es als eines der ersten Werke der modernen politischen Philosophie.

174 Bosetzky, H.: Managementrolle: Mikropolitiker. In Staehle, W.: Handbuch Management. Wiesbaden 1991,

S.287-299

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definierte Erwartungen hinaus, versuchen die Akteure ihre Vorhaben zu

realisieren“ (Neuberger 2002 a.a.O. S.728). Derselbe verweist darauf, dass auch die

klassische Führungsforschung schon immer verschiedene Wege der Zielerreichung

und somit Handlungs- und Entscheidungsspielräume unterstellte. „Der Diskurs über

verschiedene Führungsstile und deren unterschiedliche Erfolgswirksamkeit wäre

anders nicht denkbar“ (ebd. S.729). Mikropolitik unterstellt den Akteuren die Absicht,

persönlicher Zielerreichung (organisationsbezogene und individuelle), mit Hilfe von

Seilschaften, Promotionsbündnissen und dergleichen mehr, schneller und/oder

besser zu bewirken. Menschen ‚spielen’ in Organisationen um Gewinne (Prestige,

Macht, Geld, die Euphorie des Sieges), auf diese Spiel-Metapher verweist Bostzky

(1991 a.a.O. S.287). Neuberger charakterisiert Mikropolitik als „mikroskopisch klein,

unauffällig, unmerklich […]; unterhalb der sichtbaren Ebene offizieller Politik

(subpolitik), […]; verborgen, heimlich, versteckt, lichtscheu […]; ‚von unten’ […]; von

Einzelnen […] gestaltet und auf sie bezogen; kurzsichtig und ohne Gemeinsinn auf

den eigenen Vorteil gerichtet, ohne das Große und Ganze im Auge zu haben; im

Gegensatz zur formellen Großen Politik: informell, interpersonal-kleinräumig, von

Angesicht zu Angesicht, unter vier Augen; nicht auf makropolitische

Grundsatzentscheidungen aus […]; sie propagiert nicht den grenzenlosen Kampf

aller gegen alle und schon gar nicht gegen die übergreifende stabile Ordnung,

sondern ist auf lokale und kurzfristige individuelle Manöver beschränkt“ (ebd. S.685-

687). Staehle (1999) beschreibt, mit Verweis auf Nord175 (1978) den politischen

Charakter von Organisationen wie folgt, „Organisationen setzten sich aus Koalitionen

zusammen, die um Einfluß und Macht kämpfen. Koalitionen versuchen, ihre

Interessen und Positionen durchzusetzen, indem sie Umweltanforderungen

manipulieren. Machtausübung in Organisationen ist eine zentrale Form

gesellschaftlicher Machtausübung“ (ebd. S.406). Wobei ungleiche Machtverteilungen

nach Nord enthumanisierende Effekte haben, denn die weniger Mächtigen werden

von den Mächtigeren in wenig humanen Abhängigkeitsverhältnissen gehalten. Wie

machen die Mächtigen dies? Neuberger176 (2003) beschreibt 2 x 7 Items, die den

Mächtigen dafür zur Verfügung stehen. Die ersten Sieben konnotieren eher negative

Assoziationen: 1. Informationskontrolle (verfälschen und/oder selektieren).

175 Nord, W. R.: Dreams of humanziation and the realities of power. In: AMR 1978, S.674-679

176 Neuberger, O.: Mikropolitik. In: Rosenstiel, L. von et al. a.a.O. S.44f.

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2. Kontrolle von Verfahren, Regeln, Normen (Entscheidungsverfahren

kontrollieren/ändern, Präzedenzfälle schaffen, günstige Kriterien konstruieren und

einführen usw.); 3. Beziehungen nutzen oder stören; 4. an einer guten

Selbstdarstellung arbeiten; 5. Situationskontrolle wahren, Sachzwang schaffen

(Sabotage, Fehler und/oder Fakten vertuschen usw.); 6. Handlungsdruck erzeugen

(dazu gehören Einschüchterungen, Schikanen, heute würde man eher von

Mobbingtechniken sprechen, Termine setzten/kontrollieren usw.); 7. Timing, das

meint richtige Zeitpunkte abzupassen oder zu setzen, andere überraschen und für

Momente handlungsunfähig machen, irritieren oder Entscheidungen hinauszögern

(aussitzen) bzw. umgekehrt richtig Zeitdruck machen. Dagegen setzt er nun sieben

positiv assozierend wirkende Elemente: 1. Rationales Vorgehen (systematisches,

differenziert kluges argumentieren, Expertisen erstellen bzw. anderen fundierte

Ausarbeitungen vorlegen); 2. Begeistern (Charisma haben und nutzen, ebenso

Visionen aufzeigen und Inspirationen versprühen, hohe Werte verkörpern, daran

glauben und appellieren usw.); 3. Koalition und Partizipation (Menschen motivieren,

Mitbestimmung ernst nehmen, eine gute förderliche Atmosphäre schaffen usw.); 4.

Personalisieren (Identifikationen ermöglichen, Vorbilder präsentieren, hohe Werte

verkörpern und vorleben, an diese appellieren, Selbstverpflichtungen einfordern

u.a.m.); 5. mit eigener Bestimmtheit antreten, selbstsicher sein, klar und fordernd

auftreten, Konfrontationen nicht aus dem Weggehen, Konflikte nicht meiden,

Führung für sich beanspruchen; 6. Mit Belohnungen arbeiten, Anerkennung geben,

den richtigen Rahmen dafür wählen, Anderen Vorteile verschaffen, ihnen bei der

Karriere behilflich sein, sie in die Pflicht nehmen, schuldig machen usw.; 7. Beraten

(Mentor sein, Ratschläge annehmen und weitergeben, hilfreich sein, wichtige

Tipps/Hinweise geben).

Dass Politik sich vielfältig gestalten lässt, zeigen diese 14 Optionen politischen

Handelns, die alle miteinander, je nach Situation und Kontext parallel oder

nacheinander Bedeutung haben können und in das Repertoire eines guten

Mikropolitikers gehören. Das politisches Führen situativ ist, erklärt sich beinahe von

selbst, denn es geschieht immer in irgendwelchen Situationen oder konstruiert

Situationen, ist aber nicht ‚situative Führung’, diese Form des Führens ist versucht

alles Geschehen verstehbar zu machen, zu ‚rationalisieren’, wie Neuberge es nennt.

‚Situative Führung’ hält fest „an der Macher- und Kontroll-Illusion, die glaubt, das

Führungsgeschehen als technischen Prozess optimieren zu können, indem in

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buchhalterischer Pedanterie für typisierte Situationen Erfolge versprechende Stile

empfohlen werden. Insofern sind sie eine Schrumpf und Kümmerform des politischen

Ansatzes […]“ (ebd. S.48f.). Mikropolitik ist nicht nur etwas Reales, etwas, was

immer da ist, das sich oft dem Blick entzieht, aber stets anders spürbar wird. Sie

sichert dem Einzelnen die Möglichkeit in der Organisation Einfluss zu nehmen und

aufzusteigen. Ein Aufstieg ohne solchen Einsatz gelingt oftmals nicht, bzw. ist

zumindest „sehr unwahrscheinlich, denn ohne mikropolitische Aktivitäten wird auch

der/die Beste nicht weit kommen“ (Bosetzky 1991, S.297). Nicht jeder in

organisationalen Kontexten ist ein Mikropolitiker, aber jeder hat irgendwie damit zu

tun, wird damit konfrontiert und muss sich entscheiden, diesem Geschehen, so gut

es eben geht auszuweichen, nicht mitzumachen, Strömungen rechtzeitig zu

entlarven oder sich dem zu stellen und für sich das Blatt so zu wenden, dass er nicht

zu denen gehört, die Bosetzky wie folgt beschreibt: „Der Umgang mit

MikropolitikerInnen ist ‚menschlich’ oft enttäuschend, weil sie stets dazu neigen, den

anderen zu instrumentalisieren und fallenzulassen (Schreibweise wie im Original, d.

Verf.), wenn er keinen Nutzen mehr bringt […]. Da sie ständig auf der Hut sein

müssen, Fehler zu begehen und Minuspunkte einzuheimsen, sind sie zumeist ‚ohne

Ecken und Kanten’, ‚Plastikmenschen’, ‚nach allen Seiten hin offen’ und scheuen die

Nähe zu Personen, die sich irgendwie ‚gesellschaftlich bedenklich (also zumeist sehr

weit ‚links’) profiliert haben. Freunde und Freundinnen, die offen die Meinung sagen,

schätzen sie mit zunehmender Machtkumulation immer weniger: Bestätigung ist

ihnen alles. […] Der Wert eines anderen bemisst sich immer danach, wie sehr er im

mikropolitischen Spiel von Nutzen ist […]“ (ebd. S.298f.). Staehle (1999) betrachtet

die mikropolitischen Erscheinungen weniger emphatisch, er geht eher pragmatisch

davon aus, dass Spiele und/oder Kämpfe um Macht, Status, Privilegien und Konflikte

alltäglich zu allen Organisationsformen weltweit gehören, der Mensch sich damit also

abfinden muss, gut, wenn er darum nicht nur weiß, sondern diese Prozesse auch

erkennt (sich dadurch zum Teil entziehen kann oder Lenkungsfunktionen für sich

entwickelt) (ebd., S.409). Mikropolitik findet schließlich immer ‚unter der Decke’ statt.

Neuberger (2002) spricht deswegen auch von einem ‚Rumpelstilzchen Effekt’: „In

dem Moment, wo sie (die Mikropolitik, d. Verf.) bei ihrem Namen genannt

(aufgedeckt) wir, verliert sie viel von ihrer Kraft. Entscheidend ist nicht so sehr die

Heimlichkeit des Geschehens – denn viele der Beteiligten wissen, was alles läuft -,

sondern die Exkommunikation des Themas. Es darf nicht offiziell […] darüber

geredet werden“ (ebd., S.712). Denn nur wenn der Schleier der Verschwiegenheit

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darüber verbleibt, sind alle Deutungen dem Vorbehalt der Vermutungen

unterworfen. Die Kraft der Mikropolitik liegt in ihrer Verschwiegenheit (‚Extra-Rollen-

Verhalten’/Neuberger) – insofern darf die Eingangsfrage verneint werden, denn

Mikropolitik hat zwar mit Macht und insofern auch mit Führung zu tun, kann aber

nicht als expliziter Führungsstil bezeichnet werden. Über Führungsstile wird offen

debattiert, sie sind ein Feld wissenschaftlicher Auseinandersetzung, Forschung,

Lehre, Tagungen besetzen dieses Feld, differenzierte Diskurse werden zur Thematik

geführt, Fortbildungen, Seminare, Ratgeber runden es ergänzend ab. Mikropolitik

macht in den Führungsspektren einen schmalen Anteil aus, ist ein spezifisches Feld,

zu dem sich schwer forschen lässt, da diese Form der Machtausübung eben nicht

explizit zelebriert wird. Neuberger wendet dieses Spiel, ins Notwendige und

konnotiert es positiv, indem er darauf verweist, dass politisches Handeln auf soziale

Ordnung gerichtet ist. „Aber eben keine mechanische oder bürokratische, sondern

eine, die aus dem ‚Spiel’ der Kräfte resultiert. Eine solche Ordnung ist beweglich, sie

passt sich neuen Lagen schneller an als ein starres formales Regelwerk. Darin liegt

ein unverzichtbarer Beitrag zur Systemstabilisierung: Stabilität durch Instabilität“

(ebd., S.714).

6.4.3 Führertypen

Ein Typus ist eine Figur, eine Form oder eine (Merkmals-)Ausprägung. Führung lässt

sich beobachten, Verhalten verfügt über beschreibbare Merkmale, diese lassen sich

möglicherweise bündeln und insofern kategorisieren (vermutlich wenig trennscharf),

solcherlei Kategorien könnten (Merkmals-)Typen bilden und mit Überschriften

versehen werden. In der Tiefenpsychologie, der Philosophie aber auch der

Literaturwissenschaft finden sich Archetypen, wie sie auch Neuberger (2002)

beschrieben und auf Führungsausprägungen hin untersucht hat. Er beschreibet die

Archetypen: Vater/Mutter, Held und Geist (mit den Ausprägungen der Vision,

Transformation, Askese, Erleuchtung). Sicherlich wären auch weitere solcher

Typisierungen, wie etwa Kaiser, König, Prinz, Götter, Erzengel (Michael oder

Luzifer/Satan) u.a.m. denkbar, aber es sei müßig darüber zu spekulieren, denn

„Archetypen sind Rückwärtsprojektionen“ und insofern ungeeignet für

vorwärtsgerichtete Erklärungsmodelle (ebd. S.135). Neuberger177 (2002) verdeutlicht

diese Idee am Beispiel des Typus Vater, der noch vor einigen Jahrzehnten für

177 vgl. Neuberger 2002 a.a.O., S.106-136

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Merkmalsausprägungen wie Mann, Patriarch, Alter, Erzeuger, Beschützer,

Ernährer stand, verbunden mit Attributen wie mächtig, (be-)herrschend,

kraftvoll/stark, männlich, usw., der aber eine Rollen(um)wandlung erleben musste

und im konstruktivistisch-emanzipativen Diskurs nicht mehr per se und Geburt ‚Mann’

ist, sondern als ‚Mann’ erst kulturell, sozial und sprachlich geschaffen wird (vgl. de

Beauvoir178). Wenn Frauen den ‚Mann’ neu attributieren, weil sie sich andere

Zuschreibungen wünschen und Männer anders (haben) wollen, gerät auch das

archetypische Vaterbild durcheinander, ja, es wird abgeschafft und damit der Vater,

in seiner archetypischen Form, gleich mit. Frauen, die selbstständig leben,

wirtschaftlich autonom sind, brauchen weder Fahrer, Beschützer, Ernährer usw. und

wollen Frauen sich einen Kinderwunsch erfüllen, so suchen sie sich den für sie

passenden ‚Erzeuger’, der muss aber nicht zwingend Vater werden oder gar

(Lebens-)Partner, nicht Bett und Wohnung teilen, er wird funktional auf seine

biologische Notwendigkeit reduziert. Soziale Väter können wechseln, sind (für die

Frau, möglicherweise nicht für das Kind) austauschbar, werden zu

Lebensabschnittspartnern, noch nie waren Familien derart heterogen (negativ

konnotiert: zerrissen). Kurzum, Archetypen können für Führungserklärungen nicht

ernsthaft herangezogen werden, es sind Bilder und Metaphern, die hierfür nicht

taugen.

Bennis/Nanus (1985) haben typische Anforderungsprofile für transformative Führer

benannt, nachdem sie mit 90 Führern unstrukturierte Interviews durchgeführt und

ausgewertet haben. Beide haben sich charismatischen, transformativen Führern

zugewandt (wenngleich dies eine normative Setzung ist), weil sie davon ausgehen,

dass nur diese Sinn vermittelnde soziale Architekten sind, welche Mitarbeiter zum

Handeln bewegen, Geführte in Führer verwandeln und Führer zu Change Agents

machen (vgl. ebd. S.3179). Sie benennen vier Anforderungen: 1. „mit Visionen

Aufmerksamkeit wecken“; 2. „durch Kommunikation Sinn vermitteln“; 3. „einen

Standpunkt einnehmen“; 4. „Entfaltung der Persönlichkeit durch - positives

Selbstwertgefühl, - Lernen aus Fehlern, - Erkennen von Stärken und Kompensation

von Schwächen, - Entwickeln von Talenten, - Übereinstimmung von Qualifikationen

178 „Man wird nicht als Frau geboren, man wird es“ („On ne naìt femme, on le devient“) Simone de Beauvoir In:

Schwarzer, A.: Simone de Beauvoir. „Das andere Geschlecht.“ Hamburg 2007, S.161

179 Bennis, W. G./ Nanus, B.: Leaders: The straegies for talking charge. New York 1985; deutsch: Führungskräfte.

Frankfurt 1987 zitiert nach Staehle 1999 a.a.O. S.867

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und Anforderungen“ (Staehle 1999, S. 867). Zu ganz ähnlichen Ergebnissen sind

Tichy/Devanna180 (1986) nach 12 Interviews gekommen, sie zeichnen sieben

Charakteristika, bezogen auf transformative Führer auf: 1. „Sie verstehen sich als

Change Agents“; 2. „Sie sind couragiert“; 3. „Sie vertrauen anderen Menschen“; 4.

„Sie handeln wertorientiert“; 5. „Sie sind lebenslange Lerner“; 6. „Sie können mit

Komplexität, Ambiguität und Unsicherheit umgehen“; 7. „Sie haben Visionen“ (ebd.,

S. 867). Beide Autorenteams klären allerdings die notwendigen organisatorischen

Bedingungen nicht, unter denen transformative Führung möglicherweise gelingen

könnte. Weil diese Spezifikation fehlt, ordnet Staehle sie eher der „Management-

Folklore“ zu (S.867). Kakabadse181 (1984) erarbeitete eine differenziertere

Klassifizierung von Führertypen, indem er diese an Persönlichkeitsstrukturen

koppelte, allerdings wirken diese synthetisch und idealisiert. Er beschreibt zunächst

den Traditionalisten: dies ist ein Bewahrer, der jede Veränderung als Bedrohung

erlebt, er besitzt spezifische Kenntnisse, ist genau aber unflexibel, steht für Stabilität

und ist anderen gegenüber loyal. Es folgte der Teamcoach, dieser benötigt Nähe von

Gleichgesinnten, tritt in Gruppen missionarisch auf, gilt als flexibel, informell,

persönlich, ist seiner Gruppe gegenüber loyal. Der dritte Typ ist der Company Baron,

dieser denkt ganzheitlich, ist eher ein Generalist ohne Detailkenntnisse, entwirft

strategische Pläne, allerdings sollen Veränderung allmählich, gewissermaßen

evolutionär geschehen, er gilt als opportunistisch und statusbewusst. Der letzte Typ

wird von dem Autoren als Visionär bezeichnet, auch diese sehen die Organisation

als Ganzes und wollen diese, gemäß ihren Visionen am liebsten dramatisch

verändern, sie sind kaum loyal und arbeiten sehr isoliert (vgl. Staehle 1999, S. 867f.).

Luthans/Hodgetts/Rosenkrantz182 (1988) begleiteten 44 Manager während ihrer

Tätigkeiten, haben diese Beobachtungen dokumentiert und sowohl 12

Verhaltensformen, als auch 4 zentrale Aktivitäten herausgearbeitet, folgende Tabelle

verdeutlicht dies.

180 Tichy, N. M./ Devanna, M. A.: The transformational leader. New York 1986 zitiert nach Staehle 1999 a.a.O.

S.867

181 Kakabadse, A. P.: The politics of management. Aldershot, Hants 1984

182 Luthans, F./ Hodgetts, R. M./ Rosenkrantz, St. A.: Real managers. Cambridge, Mass. 1988

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Beobachtete Verhaltensformen Manageraktivitäten

Informationen austauschen

Routine-Kommunikation Papierkram erledigen

Planen

traditionelle

Managementfunktionen

Entscheiden

Kontrollieren

Interagieren mit Externen

Beziehungspflege Soziale Kontakte pflegen/ Politik machen

Motivieren

Human Resource Management

Disziplinieren

Konflikte handhaben

Personal beschaffen

Personal entwickeln

Abb.: 14 nach Staehle 1999 a.a.O. S.870

In der nachfolgenden Tabelle wird die Häufigkeit der Manageraktivitäten den

unterschiedlichen Managertypen zugeordnet.

Manageraktivitäten

alle Manager Erfolgs-Manager

Leistungs-Manager

Erfolgs- und Leistungs-Manager

N = 248 N = 52 N = 178 N = 15

Routine-Kommunikation

29 28 44 31

traditionelle Managerfunktionen

32 13 19 34

Beziehungspflege 19 48 11 20

Human Resource Management

20 11 26 15

in % 100 100 100 100

Abb.: 14 nach Staehle 1999 a.a.O. S.870

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Wer mit sich beschäftigt ist, an seiner Karriere baut, wie dies Erfolgsmanager tun,

verbringt beinahe die Hälfte seiner Zeit mit Beziehungspflege, also mit Mikropolitik.

Leistungsmanager verbringen beinahe soviel Zeit mit Routinekommunikation und

immerhin noch ein Viertel ihrer Zeit mit Tätigkeiten des HRM, kümmern sich also um

Mitarbeiter, das wiederum tun die Karrieristen kaum. Der Idealtypus des Autorentrios

(ganz rechts in der Tabelle, von denen gab es nur etwa 6% im erwählten Kreis der

beobachteten Manager (während die Karrierebastler etwa 72% ausmachten),

verbringt immerhin ein gutes Drittel seiner Zeit mit Routinekommunikation und ein

weitere (sehr gutes) Drittel mit den traditionellen Managerfunktionen

(Managementzirkel). Die Autoren fordern die Auswahlverfahren zu verändern und

das Augenmerk mehr auf die Förderung der leistungs- und erfolgsorientierten

Manager zu legen. Staehle konstatiert in diesem Zusammenhang, dass es

offensichtlich eine Rückbesinnung auf Personalisierung der Führung und damit auf

die Eigenschaftstheorien gibt, die während einer kognitiv-rationalen Phase eher

marginale Bedeutung hatten.

6.5 Résumé

Einerseits eröffnet ein retrospektiver Blick auf dieses Kapitel, neben einer Vielfalt

unterschiedlicher Ansätze, insbesondere hinsichtlich von Führungskonzepten (wie

also geht der (Führung-)Mensch mit Menschen um, die zu Mitarbeitern bzw.

Unterstellten werden), den Verdacht, das es neben dem (klassischen)

Personalmanagement, der Personalverwaltung, der Personalwirtschaftslehre, etwas

gibt, das dem Human-Relations-Ansatz entwachsen ist, diesen zum Human-

Ressource Management weiterentwickelt hat. Andererseits wird ein solcher (HRM-)

Ansatz in der einschlägigen Literatur längst nicht flächendeckend aufgegriffen183, so

dass gar nicht klar ist, ob es diesen Ansatz wirklich gibt bzw. ob diese Idee nicht nur

ein ideelles Konstrukt ist und ob diese unterschiedlichen, nebeneinander

existierenden Konzepte, sich zu einem wirklichen Ansatz einmal verbinden lassen

werden. HRM ist zunächst eine Idee (auch ein Ideal), die Idee nämlich, das es sich

183 Das einschlägige Lehrbuch von Vahs, D.: Organisation. Stuttgart 2007 verzichtet auf diesen Ansatz; Alfred

Kieser/ Mark Ebers: Organisationstheorien. Stuttgart 2006 tun dies gleichermaßen; Wunderer, R./ Dick, P.: Personalmanagement. Quo vadis? Analysen und Prognosen zu Entwicklungstrends bis 2010. Neuwied 2006; Drumm, H. J.: Personalwirtschaft. Berlin, Heidelberg 2005; Bühner, R.: Personalmanagement. Oldenburg, München, Wien 2005; Neuberger, O.: Führen und führen lassen. Stuttgart 2002 u.v.a.m klammern diese Begrifflichkeit aus; hingegen findet sich bei Staehle, W.: Management. München 1999 (!) bereits ein eigenständiges Kapitel.

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beim Personal um Menschen handelt, welche einen Wert in sich (gewissermaßen

a priori) haben. Dieser Wert an sich basiert in der Aufklärung (steht in Verbindung zur

Idee der „Gleichheit, Brüderlichkeit und Freiheit“), fand seinen Niederschlag in der

UNO-Konvention der Menschenrechte und ist Ausdruck demokratischer

Staatsstrukturen. Ein solcher ‚Wert an sich’ ist in der westlichen Welt an die

Vorstellung individueller Daseinsform gebunden, erklärt das Interesse am Einzelnen

und der Entwicklung bürgerschaftlicher Ideale und Rechte. Solche Entwicklungen

gehen an Organisationen und Unternehmen nicht spurlos vorbei, schließlich

unterliegen auch diese den gleichen Entwicklungen, zumal diese

Globalisierungstendenzen aufweisen, was dem (virtuellen) Informationsfluss

geschuldet ist (‚die Welt wird zum virtuellen Dorf’). HRM ist aber nicht nur eine Idee,

sondern gewinnt seinen Praxisbezug durch sich verändernde gesellschaftliche

Rahmenbedingungen. Staehle (1999) verweist in diesem Zusammenhang auf

Wettbewerbsverschärfung, neue Technologien, Produktivitäts- und

Qualitätsprobleme, Demografie und Wertewandel (vgl. ebd. S.779). Regnet (2003)

benennt folgende Veränderungen: zunehmende Komplexität der Arbeitsabläufe,

technologische Veränderungen; Konkurrenz- und Kundenorientierung; Rationalisier-

ungen; Internationalisierung und Globalisierung; Arbeitsmarktentwicklung; weibliche

Berufstätigkeit; demografischen Entwicklung; Wertewandel; Anforderungen an

Mitarbeiter; Halbwertzeit des Wissens (vgl. ebd. a.a.O. S.53-57). HRM soll für die

Unternehmen und Organisationen die Antwort auf komplexe Veränderungen und

Anforderungen sein, indem es diese erkennt, analysiert und mit Mitteln der

Personalentwicklung, sowie der Organisationsentwicklung, in Verbindung mit einem

systematischen Wissensmanagement (organisationales Wissen) diesen

Anforderungen derart entgegenwirkt, dass die jeweiligen Anforderungsprofile im

Unternehmen erreicht werden. Dahinter steckt die Annahme, dass jetzt und in

Zukunft nicht mehr genügend qualifiziertes Personal, an jedem beliebigen Ort (der

Welt) und zu jeder beliebigen Zeit zur Verfügung steht. Menschen müssen insofern

beschafft und gebunden werden, dazu müssen sie motiviert werden, sich motivieren

lassen (wollen) und Commitment entwickeln können, sie müssen stetig entwickelt,

fortgebildet, qualifiziert werden. Bindung, Commitment, Loyalität sollen sie für die

Organisation (er-)halten, also für das Unternehmen sichern und darüber das

Unternehmen sichern. Da die Produktivität gesichert und gesteigert werden soll, wird

eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen und seinen Leitlinien und Zielen

verlangt, die Menschen sollen für ihre Firma (wie für ihre Familie) da sein und sich

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124

um es (sie) sorgen. Die Bezahlung soll leistungsgerecht, fair und anerkannt sein,

die Arbeitszeiten flexibel. Dies alles vor dem Hintergrund prekärer Arbeitsverträge,

zeitlichen Befristungen, Projektorientierung, multiprofessionellen Teams,

Diversityansätzen, hohen Leistungsanforderungen, hoher Fachlichkeit, bei

Lohnkürzungen durch Kurzarbeit, hoher örtlicher Mobilität, dem Wunsch nach ‚work-

life-balance’ usw. Diese vielen Facetten, von denen hier nur einige wesentliche

genannt wurden, miteinander zu vereinen, gleicht dem Wunsch nach der Quadratur

des Kreises (oder der Verkugelung des Würfels, wie A. Merkel dies kürzlich nannte).

HRM wird dies wohl kaum richten können, zumal es das HRM gar nicht gibt. Die

Komplexität der anstehenden Probleme benötigt zur Problembewältigung ein ebenso

komplexes Vorgehen, HRM ist darin lediglich ein Baustein.

HRM ist eher ein Gedanke, eine Idee, eine Leitlinie, vielleicht ein Konzept, eher das

Ergebnis philosophischer Haltungen, die der humanistischen Idee nahe stehen und

damit einem ähnlichen Menschenbild, bei unterschiedlichen theoretischen

Hintergründen (vgl. hierzu Charlotte Bühler; Abraham Maslow; Carl Rogers, Fritz

Perls; Martin Buber; Vorläufer: Comenius; Rousseau; Pestalozzi; Fröbel). HRM geht,

sollte es in den Unternehmen verankert werden, insofern über das Personalwesen

weit hinaus, weil es mit genau diesen humanistischen Haltungen verwoben wäre,

weil es dann in den Leitbildern der Unternehmen verankert sein sollte und zur

‚Chefsache’ der Vorstände erhoben werden müsste, soll es breit und dauerhaft

Wirkung zeigen. Das äußere Zeichen dieser Haltung zeigt sich durch den

‚Seitenwechsel’ des Personalverstehens, es steht nämlich in gedanklicher

Bilanzierung auf der Kapitalseite des Unternehmens, es steigert das (ideelle)

Vermögen.

Dieses Kapitel hier zeigt allerdings eine Heterogenität des HRM-Ansatzes, die (noch)

nicht den Mut aufkommen lässt, ein solches Konzept flächendeckend in den

Unternehmen in den nächsten Jahren anzunehmen. Dennoch kann es Mut machen,

Teile davon zu nehmen, die sowohl in ihren Ideen und konzeptionell

zusammenpassen, um eine Entwicklung anzustoßen, die es erlaubt solche Ideen

aufzugreifen, lebendig werden zu lassen, um sie zum Wachsen zu bringen und zu

formen. Auch in diesem Feld lassen sich, wie oft auch anderswo, keine fertigen

Produkte erwerben, sondern lediglich Samen – alles andere ist Prozess und

liebevolle Begleitung.

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Hinsichtlich der Fragestellung dieser Arbeit, konnte aufgezeigt werden, was sich

hinter der Begrifflichkeit des HRM vielfältig verbirgt, um dies später auf die

Übertragbarkeit in personale Prozesse des Freiwilligen Engagements zu überprüfen

(Kapitel D). Zunächst aber wird das Freiwillige Engagement konkretisierend auf ein

spezifisches Feld bezogen, dazu werden die (so genannten) Frühen Hilfen

herausgegriffen und erläutert. Innerhalb dieses sozialen Segments wird ein

spezifisches Projekt184 genauer beleuchtet. An diesem verwirklichten Praxisprojekt

soll sich zeigen, welche Elemente des HRM für diesen Engagementbereich tauglich

sind und welche möglicherweise nicht.

C Frühe Hilfen

7. Arbeitsfeld Frühe Hilfen

Von einer ‚Geschichte’ Frühen Hilfen lässt sich ebenso wenig reden, wie von

terminologischer Sicherheit, Einheit oder einem je gleichen Verständnis der Inhalte.

Will Mensch sich mit seinesgleichen über Frühe Hilfen verständigen, wird er sich

zunächst über einen gemeinsamen Definitionsversuch und Verständigung von

Inhalten annähen müssen. Während Frühe Hilfen im Sinne von Frühberatung und

Frühförderung im Bereich behinderter Kinder schon seit geraumer Zeit begrifflich

bewegt werden und verankert waren, hat dieser Begriff nun einen Bedeutungswandel

vollzogen und sich zur Frühförderung und Frühberatung deutlich abgegrenzt. Frühe

Hilfen meinen heute Kinderschutz, Verhinderung von Kindeswohlgefährdungen,

Vermittlung aller relevanten Informationen rund um Vorsorge, Geburt, den Säugling

und das kleine Kind für Eltern und Angehörige, bedarfsgerechte Unterstützung der

Eltern, Förderung des Kindes in den Bereichen Gesundheit, Entwicklung und

Bildung. Damit sind Frühe Hilfen eine Querschnittsaufgabe des Gesundheitswesens

und der Jugendhilfe (i.S. des SGB VIII).

Diese erste Skizzierung Früher Hilfen konnotieren den Begriff noch positiv,

schließlich geht es um Information, Unterstützung, Förderung und Bildung sowie

gesundheitliche Vorsorge, allerdings wird damit der wahre Sinn verschleiert, denn

Frühe Hilfen sind verbunden mit dem Begriff der sozialen Frühwarnsysteme, wie sie

184 Das Bremerhavener Modell: Familie im Stadtteil (FiS)

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im Koalitionsvertrag vom November 2005 bestimmt wurden. Seinerzeit wurde

parallel die Idee der Frühen Hilfen geboren und im gleichen Vertrag festgeschrieben.

Diese sollten in einem bundesweiten Aktionsprogramm entwickelt, wissenschaftlich

begleitet, beraten und evaluiert sowie auf Fachtagungen vorgestellt, verglichen und

diskutiert werden (vgl. Sann et al. 2007185). Um für die seinerzeit geplanten

bundesweiten Modellprojekte eine koordinierende Plattform zur Verfügung stellen zu

können, wurde gleichzeitig der Beschluss geformt ein Nationales Zentrum Früher

Hilfen186 (NZFH) zu erschaffen. Die Kommunen187 und Kreise der BRD sind vielfach

darum bemüht, mit der Idee der Frühen Hilfen möglichst flächendeckend alle

BürgerInnen (und Kinder) zu erreichen, nichts desto trotz will man aber von

öffentlicher Seite mit diesen Initiativen Frühwarnsysteme188 konstruieren, um

Vernachlässigungs- bzw. Todesfälle wie Jessica aus Hamburg, Kevin aus Bremen

(um nur zwei spektakuläre Tragiken beispielhaft herauszugreifen) zukünftig möglichst

zu verhindern. Damit sind Frühe Hilfen ein behördlich verlängerte Arm, um das

grundgesetzliche Wächteramt der staatlichen Gemeinschaft189, auszuüben und zwar

in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Ein Problem dabei ist die intendierte

flächendeckende Kontrolle, die zunächst einmal alle BürgerInnen unter den

Generalverdacht möglicher Kindeswohlgefährdung stellt. Ein flächendeckendes

Screening (beispielweise über den Gesundheitsbereich, wie medizinische Dienste,

Hebammen, Krankenhäuser/Geburtskliniken u.a.m.) ist notwendig, sollen alle (Hoch-)

Risikofamilien entdeckt werden190. Damit werden Frühe Hilfen zu einem

185 Sann, A./ Schäfer, R./ Stötzel, M.: Zum Stand der Frühen Hilfen in Deutschland – ein Werkstattbericht.

Interdisziplinäre Fachzeitschrift der DGgKV Jahrgang 10, Heft 2, 2007, S.4

186 NZFH (www.fruehehilfen.de) c/o Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Ostmerheimerstraße 220,

51109 Köln Dieses NZFH arbeitet in engster Kooperation mit dem DJI München zusammen. Es wurde 2007 eingerichtet.

187 Geradezu berühmt geworden ist das Konzept der Stadt Dormagen, Beispiel und Muster vieler anderer Orte

in der BRD (s. Internetseite der Stadt).

188 Ein Frühwarnsystem ist eine Einrichtung, die als Warnsystem aufkommende Gefahren frühzeitig erkennt

und Gefährdete möglichst schnell darüber informiert. Es soll durch rechtzeitige und umfassende Reaktion helfen, Gefahren abzuwenden oder Folgeerscheinungen zu mildern. Dies betrifft traditionelle den militärischen Bereich, heute auch Unwettervorhersagen, insbesondere aber Vorhersagen von Erd- bzw. Seebeben usw.

189 GG Artikel 6: „(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. (2) Pflege

und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. …“.

190 vgl. hierzu Helming et al. a.a.O. S.38ff; auch Kindler, H.: Wie könnte ein Risikoinventar für frühe Hilfen

aussehen? Kurzfassung einer Expertise. In Frühe Hilfen interdisziplinär gestalten. Tagungsmaterialien. Deutsches Institut für Urbanistik Berlin 2008

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Kontrollinstrument staatlicher Aufsicht und alle Familien zur potentiellen

Gefahrenquelle für Kinder stilisiert. „Umfang und Genauigkeit von Screenings

müssen an ihrer Praxistauglichkeit und ihrer Legitimierbarkeit in Bezug auf den

Eingriff in Persönlichkeitsrechte gemessen werden. Ausschlaggebend ist in jedem

Fall die Validität in Bezug auf die sichere Identifizierung von Familien mit

psychosozialen Risiken, die eine Gefährdung des Kindeswohls bedeuten könnten“

warnte das DJI in seiner Kurzevaluation191 (2007). Eine solche

Generalverdachtsaussage wird selbstredend kein Politiker und in Ausführung auch

kein Behördenmensch tätigen, was allerdings an der Logik der Konstruktionen

Früher Hilfen nichts ändert. Wer Kinderschutz will, soll das Kind beim Namen

nennen, wenn damit die guten gemeinschaftlichen Absichten von

Informationsgestaltung im Sinne von Aufklärung sowie Unterstützung, Förderung und

Bildung, aber auch gesundheitliche Vorsorge verbunden sind, wird dies (vermutlich)

auf breites Verständnis und (relativ) wenig Widerstand stoßen - Freiwilligkeit

vorausgesetzt.

7.1 Definition

Das NZFH hat 2008 eine Arbeitsdefinition entwickelt und veröffentlicht, dem nach

sind Frühe Hilfen „präventiv ausgerichtete Unterstützungs- Hilfeangebote für Eltern

ab Beginn einer Schwangerschaft bis etwa zum Ende des dritten Lebensjahres eines

Kindes. Sie richten sich vorwiegend an Familien in belasteten Lebenslagen mit

geringen Bewältigungsressourcen. Die aus diesen Bedingungen resultierenden

(statistischen) Risiken für ein gesundes Aufwachsen der Kinder sollen frühzeitig

erkannt werden. Außerdem gilt es, die Eltern zur Inanspruchnahme passender

Angebote zur Stärkung ihrer Erziehungskompetenz zu motivieren. Auf diese Weise

soll der präventive Schutz der Kinder vor einer möglichen Vernachlässigung

und/oder Misshandlung erhöht werden. Frühe Hilfen sind im Idealfall Bestandteil

eines integrierten Kinderschutzkonzeptes, das sowohl präventive Angebote als auch

Interventionen zum Schutz des Kindeswohls umfasst“ (Arbeitsdefinition des NZFH,

2008192).

191 Helming, E./ Sandmeir, G./ Sann, A./ Walter, M.: Kurzevaluation von Programmen zu Frühen Hilfen für Eltern

und Kinder und sozialen Frühwarnsystemen in den Bundesländern. Abschlussbericht. München 2007

192 NZFH: Frühe Hilfen. Modellprojekte in den Ländern. Köln 2008, S.9

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Frühe Hilfen bilden lokale und regionale Unterstützungssysteme mit koordinierten

Hilfsangeboten für Eltern und Kinder ab Beginn der Schwangerschaft und in den

ersten Lebensjahren mit einem Schwerpunkt auf der Altersgruppe der 0- bis 3-

Jährigen. Sie zielen darauf ab, Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Eltern in

Familie und Gesellschaft frühzeitig und nachhaltig zu verbessern. Neben

alltagspraktischer Unterstützung wollen Frühe Hilfen insbesondere einen Beitrag zur

Förderung der Beziehungs- und Erziehungskompetenz von (werdenden) Müttern und

Vätern leisten. Damit tragen sie maßgeblich zum gesunden Aufwachsen von Kindern

bei und sichern deren Rechte auf Schutz, Förderung und Teilhabe.

„Frühe Hilfen umfassen vielfältige sowohl allgemeine als auch spezifische,

aufeinander bezogene und einander ergänzende Angebote und Maßnahmen.

Grundlegend sind Angebote, die sich an alle (sic! d. Verf./ werdenden) Eltern mit

ihren Kindern im Sinne der Gesundheitsförderung richten (universelle/primäre

Prävention). Darüber hinaus wenden sich Frühe Hilfen insbesondere an Familien in

Problemlagen (selektive/sekundäre Prävention). Frühe Hilfen tragen in der Arbeit mit

den Familien dazu bei, dass Risiken für das Wohl und die Entwicklung des Kindes

frühzeitig wahrgenommen und reduziert werden. Wenn die Hilfen nicht ausreichen,

eine Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden, sorgen Frühe Hilfen dafür, dass

weitere Maßnahmen zum Schutz des Kindes ergriffen werden.

Frühe Hilfen basieren vor allem auf multiprofessioneller Kooperation, beziehen aber

auch bürgerschaftliches Engagement und die Stärkung sozialer Netzwerke von

Familien mit ein. Zentral für die praktische Umsetzung Früher Hilfen ist deshalb eine

enge Vernetzung und Kooperation von Institutionen und Angeboten aus den

Bereichen der Schwangerschaftsberatung, des Gesundheitswesens, der

interdisziplinären Frühförderung, der Kinder- und Jugendhilfe und weiterer sozialer

Dienste. Frühe Hilfen haben dabei sowohl das Ziel, die flächendeckende Versorgung

von Familien mit bedarfsgerechten Unterstützungsangeboten voranzutreiben, als

auch die Qualität der Versorgung zu verbessern“ (Walper193 et al. 2009).

193 Die Begriffsbestimmung wurde auf der 4. Sitzung vom Wissenschaftlichen Beirat des NZFH verabschiedet.

Sie wurde von ihm gemeinsam mit dem NZFH erarbeitet und mit dem Fachbeirat des NZFH besprochen. Die Begriffsbestimmung spiegelt den derzeitigen Stand der Diskussion über Frühe Hilfen wider. (Mitglieder der Arbeitsgruppe ''Begriffsbestimmung Frühe Hilfen'' im Wissenschaftlichen Beirat des NZFH: Prof. Dr. Sabine Walper, Prof. Dr. Peter Franzkowiak, Dr. Thomas Meysen, Prof. Dr. Mechthild Papoušek) Aus: http://www.fruehehilfen.de/4010.0.html

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7.2 Begründungen für Frühe Hilfen

„Die verstärkte Diskussion der vergangenen Jahre um gravierende Fälle von

Kindesvernachlässigung und Kindstötung hat die Verantwortung der staatlichen

Gemeinschaft, Kinder besser als bisher zu schützen, in das öffentliche Bewusstsein

gerückt. Im Koalitionsvertrag haben die Koalitionsfraktionen der Bundesregierung

vereinbart, Projekte zur frühen Förderung gefährdeter Kinder und soziale

Frühwarnsysteme weiterzuentwickeln. Dafür sollen Leistungen des

Gesundheitswesens, der Kinder- und Jugendhilfe sowie zivilgesellschaftliches

Engagement besser miteinander verzahnt werden. Im Fokus stehen Kinder aus

sozial benachteiligten Familien, die besonders häufig von Vernachlässigung und

Misshandlung betroffen sind. Die Schwerpunkte der Vorhaben liegen dabei zum

einen auf der Stärkung der Erziehungskompetenz von Eltern und zum anderen auf

dem frühzeitigen Erkennen von familiären Risikosituationen durch Fachkräfte

unterschiedlichster Arbeitsfelder, die Kontakt zu Familien haben“ (NZFH194 2009).

Diese politische (nicht fachliche) Begründung basiert auf dem Koalitionsvertrag vom

November 2005 und wird vom NZFH zitierend aktuell ins Feld geführt.

Die Datenlage gibt folgende Informationen her: Im Rahmen von HzE (Hilfe zur

Erziehung) wurde deutschlandweit 40.000 Familien ‚familienunterstützende

Maßnahmen’ gewährt (§§ 30 bzw. 31 SGB VIII); jährlich wird 2.200 Eltern das

Sorgerecht entzogen, dies seit 2004 mit steigender Tendenz; jährlich werden mehr

Kinder in Obhut genommen, alleine bei den Kindern bis zum sechsten Lebensjahr

steig diese Zahl in den Jahren 2005 bis 2007 um 30%, auf absolut 4.443 Kinder;

wurde 1990 noch 600 Fälle von Kindesmisshandlung angezeigt, stieg diese Anzahl

auf 1.707 Fälle im Jahr 2007; bis zu 20 Kinder kommen alljährlich durch

Misshandlungen zu Tode und die Schätzungen einer Dunkelfeldstudie195 gehen

davon aus, dass 5 bis 10% aller Kinder vernachlässigt werden, das entspräche heute

bis zu 400.00 Kindern (vgl. NZFH/DJI 2008 a.a.O. S.8-9).

Frühe Hilfen sollen präventive Hilfen sein, mit der Intention Vernachlässigung und

Misshandlung (weitgehend) zu verhindern. Dazu wäre der Blick auf unterschiedliche

194 http://www.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=644&Jump1=LINKS&Jump2=30

195 Esser,G./ Weinel, H.: Vernachlässigende und ablehnende Mütter in Interaktion mit ihren Kindern. In:

Martinus, J./ Frank, R.: Vernachlässigung, Missbrauch und Misshandlung von Kindern. Erkennen, Bewusstmachen, Helfen. Bern 1990

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Ebenen familiären Alltags notwendig, wie etwa die Versorgungslage der Familien

(monetär, Lebensmittel, Heizung, Kleidung u. dergl. m.), die Wohnsituation

(Wohnung, Umfeld, Infrastruktur usw.), Gewalt im familiären System,

Erziehungskompetenzen, Bildung und anderes mehr. Auch eine Unterversorgung mit

lebensnotwenigen Mitteln (s.o.) ist bereits eine Form von Vernachlässigung (nicht nur

der, der Familien, sondern auch der des staatlichen Schutzauftrages, wie es etwa die

Definition des Regelsatzes im ALG II für Kinder verdeutlicht196). „In der Umsetzung

Früher Hilfen spielt jedoch eine allgemeine Kompetenzförderung bei den Eltern eine

zentrale Rolle, da das Erziehungsverhalten der Eltern als vermittelnde Größe

zwischen Risiko und tatsächlich eintretender Gefährdung angesehen wird“ (Sann et

al. 2008, S.8). Ja, möchte man zurufen, sicher, aber frei nach Brecht ‚kommt doch

erst das Fressen und dann die Moral’. Frühe Hilfen müssen sich zunächst um die

Grundbedarfe kümmern (und die gehen über die gesetzliche ‚Grundsicherung’

hinaus), erst wenn diese sichergestellt sind, lassen sich Sinne für Bildung

erschließen. Kompetenzerweiterungen tragen den Bildungsgedanken in sich, Mütter

die häusliche Gewalt erleben, die in permanenter Angst existieren, die traumatisiert

werden (und deren Kinder gleich mit) verfügen nicht über Bildungsressourcen (vgl.

hierzu Kindler197 2007). Als empirisch belegte Risikofaktoren für Vernachlässigung

und Misshandlung werden benannt, „belastete Biografien der Eltern

(Gewalterfahrung, eigene Vernachlässigung, Beziehungsabbrüche),

Partnerschaftsgewalt; psychische Probleme der Eltern (Sucht, Depression),

fehlendes Erziehungswissen, unrealistische Erwartungen an das Kind, Merkmale des

Kindes: Behinderung, schwieriges Temperament, Isolation, Gefühle von Überlastung,

Merkmale der familialen Lebenswelt: Armut, Alleinerziehen, kinderreiche Familie“

(John 2007198). All diesen Risikofaktoren sollen Frühe Hilfen entgegenwirken, sie

196 Es wurde keine Bedarfsanalyse erstellt, sondern lediglich der Regelsatz eines Erwachsenen angenommen

und prozentual (60%) gekürzt, insofern gibt es in diesem Satz keine Position für Bildung, Schule, Spielzeug usw. Ein Staatswesen, welches einerseits Frühe Hilfen propagiert und entwickelt, andererseits Kinderarmut nicht zu verhindern weiß, handelt selbst (grob) fahrlässig. An dieser Stelle die Ursachenfrage zu individualisieren und dafür individuelle Unterstützungsprogramme zu konstruieren lenkt von der eigentlichen Problematik ab. Es ist wohl keine Unterstellung, dass dies politisch intendiert ist.

197 Kindler, H.: Partnergewalt und Beeinträchtigungen kindlicher Entwicklung: Ein Forschungsüberblick. In:

Kavemann,B./ Kreyssig, U.: Handbuch Kinder und häusliche Gewalt. Wiesbaden 2007, S.36-53

198 John, S.: Editorial. In: Frühe Hilfen interdisziplinär gestalten. Zum Stand des Aufbaus Früher Hilfen in

Deutschland. Deutsches Institut für Urbanistik, Tagungsmaterialien November 2008

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sollen Teil einer Präventionskette199 sein, die von Hilfen im Vorfeld der Hilfen zur

Erziehung (gem. §§ 27ff. SGB VIII) bis hin zu anspruchsvollen Einzelfallhilfen reicht

(vgl. Sann et al. a.a.O. S.8). Zusammenfassend lässt sich wohl sagen, Frühe Hilfen

sollen entwickelt und eingerichtet werden, um Kindern in prekären Lebenssituationen

bessere Chancen des Aufwachsens zu ermöglichen, dazu gehört die Teilhabe an

Gesundheitsprävention, Sicherung der Grundbedürfnisse eines Kindes sowie

angemessene Förderung und Bildung. Dahinter steht die (nicht öffentlich

formulierte200) Annahme, dass diese Kinder dem teuren einzelfallbezogenen

Jugendhilfesystem (§§ 27ff. SGB VIII) nicht mehr anheim fallen, stattdessen

gesellschaftstauglich werden und der Gesellschaft Nutzen bringen.

7.3 Formen Früher Hilfen

In diesem Zusammenhang sind Hilfen angesprochen, die das Aktionsprogramm der

Bundesregierung meint und für die das NZFH eingerichtet wurde, also nicht etwa

Frühberatung oder Frühförderung für Kinder mit Behinderung oder solche die von

Behinderung bedroht sind (gem. § 35a SGB VIII). In diesem Zusammenhang gilt es

zwischen den zehn geförderten Bundesprojekten und den vielfältigen Formen

‚zwischen’ diesen Projekten zu unterscheiden. Frühe Hilfen wurden bzw. werden

zwischenzeitlich an vielen Standorten in Deutschland entwickelt. Die meisten

regionalen Entwicklungen werden nicht publiziert, manche werden auf regionalen

Fachtagen den örtlichen Fachleuten vorgestellt, oftmals aber kaum oder nicht zur

Kenntnis genommen. Die Bundesmodelle sind gleichermaßen regionale Modelle,

welche allerdings wissenschaftlich gut beraten und begleitet wurden bzw. noch

werden und in ihren Ergebnissen der allgemeinen Öffentlichkeit präsentiert werden.

Dies ist intendiert, sollen diese Modelle doch Lern- und Erfahrungsplattformen sein,

an denen andere Kommunen, Kreise und Länder sich orientieren können, die

Signalwirkungen ausstrahlen, um in anderen Regionen so oder auch anders weiter

entwickelt zu werden, schließlich hat jede Kommune und jeder Kreis andere

gewachsene Strukturen in der Gesundheits- und Jugendhilfe, muss also vorhandene

Modell pragmatisch an diese Bedingungen anpassen. Letztendlich, so das Fazit der

199 Dabei ist der Begriff einer Präventionskette mehr als nur unglücklich gewählt, schnell werden damit

Assoziationen wachgerufen, wie Unfreiheit, Überwachung, angebunden sein, schließlich wird man (symbolisch) ‚an-die-Kette-gelegt’ und welcher Elternteil möchte solche Notwendigkeit für sich reklamieren?

200 Eine solche Aussage lässt sich nirgendwo schriftlich fixiert finden, wird aber in jedem Jugendamt/ASD, auf

einschlägigen Foren und in Diskussionsrunden jederzeit benannt.

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Kurzevaluation des DJI, geht es nicht um die Schaffung neuer Angebote, sondern

um eine Bestandaufnahme vorhandener Möglichkeiten, der Vernetzung dieser

Optionen und Angebote, einer Veröffentlichung und Weiterentwicklung bestehender

Infrastrukturen. „Nicht einzelne Modelle für sich können eine gute Versorgung von

Familien mit Unterstützungsangeboten (besser: Unterstützungsbedarfen, d. Verf.)

gewährleisten und den Schutz von Kindern verbessern, dies gelingt nur in einem

umfassenden und differenzierten Netzwerk „Frühe Hilfen“ (Helming et al. a.a.O.

S.79). Diese Aussage verdeutlicht, dass es kein Referenzmodell gibt, keines,

welches das Beste und einzig Wahre wäre. Es kommt darauf an, alle

Angebotsstrukturen zu vernetzen, an einen Tisch zu bringen, miteinander zu reden,

sich auszutauschen, dadurch voneinander zu wissen, sich kennenzulernen, um auf

einander verweisen zu können, erst auf diese Art und Weise gelingt ein potenzierter

Nutzen für den Bürger (ohne, dass dies wesentlich mehr kostet). Zum Nulltarif ist das

dennoch nicht zu haben, es wird schon eine hauptamtliche Stelle geben müssen, die

diese Zusammenkünfte terminiert, organisiert, moderiert, protokolliert und stets aufs

neue diesen Austausch gestaltet, außerdem für die Öffentlichkeitsarbeit da sein

muss, Pressesprecherin ist, an die Schulen, in die Kindergärten, zu den Ärzten usw.

geht, um Eltern jeglicher Couleur zu erreichen, die dann vielleicht auch diejenigen

Eltern erreichen, die andere nicht wahrnehmen. Die professionell Beteiligten stellen

arbeitszeitliche Ressourcen zur Verfügung und ehrenamtlich Tätige müssen

koordiniert und angeleitet werden etc., auch das kostet alles in allem Geld.

In folgender Tabelle werden die einzelnen Bundesprojekte namentlich benannt,

ebenso die betroffenen Bundesländer und die Förderungszeiträume der

wissenschaftlichen Begleitung und im Anschluss in aller Kürze skizziert:

1. Guter Start ins Kinderleben Baden-Würtemberg/ Rheinland-

Pfalz/ Bayern/ Thüringen

11/06 bis 04/10

2. Wie Elternschaft gelingt

(Wiege-Steep™ = Steps toward

effective, enjoyable parenting)

Brandenburg 07/07 bis 06/10

3. Wie Elternschaft gelingt

(Wiege-Steep™)

Hamburg 10/07 bis 09/10

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4. Evaluation Früher Hilfen und

sozialer Frühwarnsysteme in

NRW und Schleswig-Holstein 10/07 bis 03/09

5. FrühStart: Familienhebammen

im Land

Sachsen-Anhalt 10/07 bis 05/09

6. Familienhebammen. Frühe

Unterstützung – frühe Stärkung?

Niedersachsen 11/07 bis 10/10

7. Frühe Interventionen für

Familien (= PFIFF)

Hessen/ Saarland 01/08 bis 12/10

8. Evaluation und Coaching zum

Sozialen Frühwarnsystem

Berlin-Mitte 02/08 bis 12/09

9. Chancen für Kinder psychisch

kranker und/oder suchtbelasteter

Eltern

Mecklenburg-Vorpommern 08/08 bis 12/09

10. Pro Kind Niedersachsen/ Bremen/ Sachsen 01/06 bis 12/11

Abb.: 15 aus: Frühe Hilfen. Modellprojekte in den Ländern. NZFH 2008, S.14

Zu 1. Das Projekt >Guter Start ins Kinderleben< dient zur frühen Förderung

elterlicher Erziehungs- und Beziehungskompetenzen in prekären Lebenslagen und

Risikosituationen. Insbesondere ist es ausgerichtet auf die Prävention von

Vernachlässigung und Kindeswohlgefährdung im frühen Lebensalter. Es soll in erster

Linie belastete Eltern, wie beispielsweise sehr junge und/oder alleinerziehende

Mütter, möglichst früh unterstützen. Dabei wird auf bestehende Regelstrukturen

zurückgegriffen, diese sollen mit interdisziplinären Kooperationsformen und

Vernetzungsstrukturen, welche zu entwickeln sind, verknüpft werden.

Zu 2. und 3. Das Projekt >WIEGE Brandenburg< richtet sich an (werdende) Mütter

bzw. Paare, deren Lebensbedingungen durch eine Kumulation verschiedener

Risikofaktoren gekennzeichnet sind. Zu diesem Zweck wird auf ein in den USA seit

Jahren erfolgreich erprobtes Programm namens STEEP™ (Steps towards effective

and enjoyable parenting) zurückgegriffen. STEEP™ zielt auf die Vorbereitung hoch

belasteter Familien auf das Zusammensein mit ihrem Kind. Mithilfe von

Videoaufnahmen von Eltern-Kind-Interaktionen soll versucht werden einfühlsames

Verhalten zu vermittelt und zu festigen. Seit 2004 wird STEEP™ in einem

hochschulübergreifenden Verbund der HAW Hamburg zusammen mit der FH

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Potsdam in Praxiseinrichtungen eingeführt und in einer aufwendigen

Begleitforschung bewertet.

Zu 4. Die >Sozialen Frühwarnsysteme in NRW< sowie die >Schutzengel für

Schleswig Holstein< bestehen bereits aus einer Vielzahl von bereits vorhandenen

Angeboten in den Bereichen Gesundheit und Jugendhilfe. Das gemeinsame Ziel

beider Projekte ist es, Kindern und deren Familien durch eine wirksame und

verbindliche Vernetzung von Hilfesystemen des Gesundheitswesens und der Kinder-

und Jugendhilfe frühzeitig passende und flexible Hilfen anzubieten und diese Kinder

so besser vor Gefährdungen zu schützen.

Zu 5. Anfang 2006 wurde im Rahmen des Landesbündnisses für Familien Sachsen-

Anhalt vom Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes und dem

Landeshebammenverband Sachsen-Anhalt e.V. dieses Projekt: >Familienhebammen

im Land Sachsen-Anhalt: Aufsuchende Familienhilfe durch qualifizierte Hebammen

mit erweitertem Tätigkeitsfeld< initiiert und aufgebaut. Übergreifendes Ziel ist zum

einen die Förderung der gesundheitsbezogenen Chancengleichheit von stark

belasteten Familien und zum anderen die Mobilisierung und Stärkung von

individuellen und sozialen Ressourcen. Zu diesem Zweck soll ein niedrigschwelliges

Hilfeangebot entwickelt werden, welches Kontinuität in der Betreujung sicher stellt,

außerdem soll ein interdisziplinäres Netzwerk entwickelt werden.

Zu 6. Familienhebammen bieten insofern eine sehr gute Unterstützung für hoch

belastete Familien, weil sie einer stark ausgeprägten Bereitschaft von Müttern bzw.

Eltern und Kindern begegnen, diese Hilfen anzunehmen. Dank dieser hohen

Akzeptanz können positive Impulse mit nachhaltigen Wirkungen stabilisiert und

weiterentwickelt werden. Das trägt zur Risikosenkung für Säuglinge und Kleinkinder

bei, durch die eigenen Eltern geschädigt zu werden. Weiterhin soll das Projekt dazu

beitragen, den Kreislauf der sogenannten vererbten Armut und ihrer Symptome

aufzubrechen.

Zu 7. >Keiner fällt durchs Netz (KFDN)< richtet sich an werdende Mütter und Väter

aber auch an Eltern von Neugeborenen. Auch hier liegt der spezielle Fokus auf

Familien mit besonderen Belastungen. Auf den Geburtshilfe-Stationen in den acht

Projektlandkreisen werden Eltern mithilfe einer Risikocheckliste (Screening) für zwei

Interventionsformen ausgewählt, entweder für eine Elternschule (diese steht aber

allen offen) und/oder für eine Begleitung durch eine Familienhebamme (für stark

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belastete Familien). In allen Landkreisen werden Koordinationsstellen und ein

Netzwerk für Eltern eingerichtet, an diesen Orten kommen die VertreterInnen der

Frühen Hilfesysteme zusammenarbeiten.

Zu 8. Das Berliner Gesamtkonzept >Netzwerk Kinderschutz Berlin< zielt auf den

Schutz von Kindern vor Verwahrlosung, Misshandlung und Gewalt. Dazu wurde ein

integriertes Konzept zur Prävention, Beratung, Früherkennung, Krisenintervention

und rechtzeitigen Hilfegewährung entwickelt. Das hier vorliegende Teilprojekt

>Coaching des Sozialen Frühwarnsystems in Berlin Mitte< will das stadtteilbezogene

Zusammenwirken von Institutionen und Einrichtungen zur Prävention und

Früherkennung erwirken, mit dem Ziel, Kindern und ihren Familien in

Belastungssituationen adäquate Lösungsmöglichkeiten und rechtzeitige

Hilfeangebote zur Verfügung zu stellen.

Zu 9. Ziel des Modellprojekts ist die Etablierung eines möglichst niedrigschwelligen

Angebots für die Zielgruppe psychisch kranker Eltern mit Säuglingen bzw.

Kleinkindern. Der Blick geht dabei auf eine frühe Förderung elterlicher Erziehungs-

und Beziehungskompetenzen und damit auf die Prävention von daraus resultierender

Vernachlässigung und Gefährdung des Kindes. Parallel soll ein

Koordinierungskreises >Kindeswohl< entwickelt werden.

Zu 10. Dieses Projekt >Pro Kind< dient einerseits der frühen Prävention,

andererseits der ganzheitlichen Förderung von erstgebärenden schwangeren Frauen

und ihren Familien in schwierigen Lebenslagen. Die Teilnehmerinnen werden im

Rahmen eines Hausbesuchsprogramms von so genannten Familienbegleiterinnen

(das sind Hebammen und Sozialpädagoginnen) von der Schwangerschaft bis zum 2.

Geburtstag des Kindes kontinuierlich begleitet. Das in den USA seit etwa 30 Jahren

erfolgreich etablierten und evidenzbasierten Hausbesuchsprogramms >Nurse Family

Partnership< ist gewissermaßen die Mutter des Modells (vgl. NZFH 2008 a.a.O.

S.18-37).

Parallel zu diesen Bundesmodellen gibt es, neben den oben benannten

Entwicklungen in den Kommunen und Kreisen, weitere Modelle oder Programme,

welche bereits mehr oder weniger etabliert sind. Diese kommen zum Teil aus dem

amerikanischen Raum oder auch aus Großbritannien, manches Mal über die

Niederlande, nach Deutschland. Hierzu gehören beispielsweise die Modell

>Opstapje< bzw. >Schritt für Schritt< (ein Familien aufsuchendes und begleitendes

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Programm für 0- bis 3-jährige Kinder), welches sich an Mütter (Väter) richtet, die

bei der Entwicklung ihres Kindes im ersten Lebensjahr begleitet werden wollen

(sollen). Ein weiteres Programm ist >Swimmy< aus Bremen, ein Beratungsprojekt für

junge Eltern (vgl. Maetze/Petermann201). Die Seestadt Bremerhaven entwickelt

derzeit ein eigenes Modell Früher Hilfen, welches alle bestehenden Programme,

Konzepte, Angebote der Stadt erfasst und um einige wenige neue Dinge ergänzen

wird. Die Erarbeitung geschieht aktuell durch eine dafür eingerichtete koordinierende

Stelle. Ein Baustein dieser Hilfen ist das Programm >Familie im Stadtteil< (FiS),

welches im Folgenden vorgestellt werden soll.

8. Das Programm202 Familie im Stadtteil (FiS ein Modell aus Bremerhaven)

8.1 Darstellung des Programms

FiS wurde an der FH-Frankfurt von Gehrmann/Müller203 Ende der 90-iger Jahre in

Anlehnung an FAM und FiM204 entwickelt, im Gegensatz zu diesen, als allerdings

sehr niedrigschwelliges Programm. Es wurde erstmalig im Jahre 2000

veröffentlicht205, im Jahre 2008 erschien das Handbuch206 dazu. FiS beruft sich auf

Programme wie HSP (Groß Britannien) und Emma (Schweden), dazu unten gleich

mehr. Dieses Programm konnte anno 2005, mit Hilfe der EU und des Daphne II

Programms, in Bremerhaven installiert werden. Für die (von der EU) geforderte

Nachhaltigkeit garantierte die Seestadt, führte dieses Modell über den

Förderzeitraum (ein Jahr) hinaus bis heute fort (vgl. Schröder207).

201 Maetze, M./ Petermann, F.: ‚Swimmy’ – frühe Elternberatung. In: Spielräume Heft 36/37 03/2007, S.48-50

202 „Wir sprechen vom ‚Programm FiS’, wenn wir konzeptuell das Modell meinen. Mit dem Begriff ‚Projekt FiS’

bezeichnen wir die praktische Umsetzung des Programms in der Stadt Bremerhaven“ (Gehmann, G./ Müller, K. D./ Säuberlich, U.: Familie im Stadtteil. Methodenhandbuch. Prävention familiärer Gewalt gegenüber Kindern. Regensburg 2008, S.213).

203 Müller.K. D. und Gehrmann, G. sind Professoren an der FH, heute HAW, in Frankfurt, sie lehren am

Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit, Studiengang Sozialpädagogik. Gehrmann ist seit 2008 emeritiert.

204 FAM = Familien-Aktivierungs-Management/ FiM = Familie im Mittelpunkt (beide Programme wurden

ursprünglich von Müller und Gehrmann entwickelt, die Recht für FAM sicherte sich allerdings die Institution St. Wendel.

205 Müller, K. D./ Gehmann, G.: Familie im Stadtteil. In: Sozialmagazin, Heft 9/2000

206 Gehmann, G./ Müller, K. D./ Säuberlich, U.: Familie im Stadtteil. Methodenhandbuch. Prävention familiärer

Gewalt gegenüber Kindern. Regensburg 2008

207 Schröder, J.-A.: FiS – Familie im Stadtteil. In: Spielräume Heft 36/37 03/2007, S.53-55

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Selten entstehen Hilfeprogramme ohne Praxisbezug sowie ohne ‚Mütter und

Väter’, so hat auch FiS (mindestens zwei explizit benannte) verschiedene Wurzeln.

Die Idee des Ansatzes stammt aus Großbritannien und dem dort bewährten ‚Home-

Start-Program’ (HSP). Dieses Programm wurde 1973 begonnen. Zwischenzeitlich

gibt es dort über 200 Home-Start Agenturen. Jede Agentur verfügt über mindestens

eine/n hauptamtlichen Mitarbeiter/in (Fachkraft und Koordinator/in), die/der die

Verantwortung und für das Funktionieren Sorge trägt. Diese Person rekrutiert die

Freiwilligen, schult und begleitet diese Menschen in ihrer Aufgabe. Die Freiwilligen

sind diejenigen, die unmittelbar in den Familien arbeiten und helfen. Diese Arbeit ist

auch für die Familien, welche Unterstützung erhalten absolut freiwillig, sie muss von

den Familien angefordert werden und ist für die Familien kostenlos. Die Familien

müssen bestimmte Bedingungen aufweisen, um anspruchsberechtigt zu sein. Dazu

gehört, dass sie mindestens ein kleines Kind unter fünf Jahren versorgen müssen.

HSP hilft isolierten, evtl. neu in das Stadtviertel hinzugezogenen Familien, es hilft bei

Zwillings- oder Mehrfachgeburten, es hilft Familien mit gesundheitlichen

Einschränkungen oder Behinderungen, Müttern mit postnataler Depression, allein

Erziehenden mit verschiedenen Belastungen. Wie hilft nun HSP genau? Die

freiwilligen Helfer/innen kommen nach Aufforderung durch die jeweilige Familie in der

Regel einmal wöchentlich für einige Stunden in die Wohnung und bieten ihre

freundliche Unterstützung an. Die konkrete Hilfeform wird gemeinsam besprochen,

die Familien melden ihre Bedürfnisse an. Das Gute an diesem Projekt ist die

nachbarschaftliche Orientierung, keine Behörde überwacht und greift ein.

Informationen werden nicht weiter getragen, es sein denn, und das ist die

Ausnahme, dass Kinder unmittelbar in Gefahr sind. Für die freiwilligen

Familienhelfer/innen ist diese Form der Arbeit, oftmals nach einer Phase der

Kindererziehung, eine gute Einstiegsmöglichkeit in Beschäftigung und Arbeit. Die

Gefahren liegen auch auf der Hand, denn ohne qualifizierte Schulung und Begleitung

verkommt ein solches Programm zu einem ‚Billigangebot’ für Familien und

überfordert die Helfer/innen sehr schnell. Die Belastung für die Helfer/innen ist nicht

zu unterschätzen, eine gute Beratung (Supervision) ist unabdingbar, sonst ist die

Gefahr eines relativ hohen Verschleißes der Helfer/innen sehr groß. Außerdem ist

durch die Beraterinnen der Familienhelfer/innen sicherzustellen, dass eigene

‚Mittelstandsnormen’ nicht auf die Familien übertragen werden oder dass die

Familien zur Bewältigung eigener psychischer Dispositionen/Problematiken

missbraucht werden.

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Als nächstes notwendigerweise Anmerkungen zu ‚Emma’, da Müller & Gehrmann

den wesentlichen Ursprung von FiS aus HSP und Emma herleiten (vgl.

Sozialmagazin a.a.O.). ‚Emma’ wurde Anfang der achtziger Jahre in Stockholm

entwickelt, zeitgleich zur Abschaffung geschlossener psychiatrischer Einrichtungen.

Alternativ wurden die Menschen der ehemaligen Anstalten in Wohnungen

untergebracht und ambulant betreut. Man setzte in Schweden nicht nur auf die

Akzeptanz der Bevölkerung, die durch entsprechende Kampagnen gewährleistet sein

sollte, sondern wollte parallel eine Begleitung dieser Menschen sicherstellen, so

entstand die Entwicklung des Modells ‚Emma’. ‚Emma’ ist ein so genanntes ‚day care

centre’, gewissermaßen ein Haus als Stadtteilbüro, als Anlaufstelle und als

Beschäftigungsinstitution konzipiert. Die Kunden des Hauses, die außerhalb keine für

sie geeignete Arbeit finden, können innerhalb des Hauses wichtigen Aufgaben

nachgehen. Das ist auch notwendig, weil alle Bereiche des Hauses, Freizeit, Küche,

Cafeteria usw. von ehemaligen Patienten abgedeckt werden. In diesem Haus gibt es

fest eingestellte, professionelle Sozialarbeiter/innen, die die Kunden in ihrem Tun

unterstützen. Zusätzlich gibt es viele Freiwillige aus der Nachbarschaft, die ebenfalls

konkrete Unterstützungsarbeit leisten. Diese Freiwilligen, oft Nachbarn der

ehemaligen Patienten, erhalten eine Art Ausbildung für ihre Tätigkeit und werden im

Anschluss in ihrer Arbeit beratend begleitet, außerdem erhalten sie für ihre Arbeit ein

kleines Entgelt. Eine wichtige Aufgabe dieser Helfer/innen ist die Mediation im

Wohnumfeld sicherzustellen, da es doch immer wieder Probleme im gemeinsamen

Umgang zwischen den ehemaligen Patienten und den übrigen Mitbewohnern der

Wohnblöcke gibt. Soweit in aller Kürze einige Hinweise auf Home Start und ‚Emma’,

wir wollen uns nun aber FiS zuwenden, so wie es entwickelt und im Modelljahr

umgesetzt wurde.

Zur Organisation von FiS: Dieses gewaltpräventive Projekt ist ein stadtteilorientiertes

Konzept nachbarschaftlicher Hilfe für junge Familien208. In Bremerhaven gab es bis

zum Ende der Projektphase drei hautberufliche Sozialpädagoginnen, die verteilt auf

drei Stadtteilbüros ihre Arbeit leisten. In den folgenden zwei Jahren der

Nachhaltigkeitszusicherung, wurde diese Kapazität zunächst auf 1,5 Stelle reduziert,

um sie im Anschluss und bis heute wieder auf das ursprüngliche Volumen

auszuweiten. Die Büros sind im Stadtgebiet (Nord, Mitte, Süd) gleichmäßig verteilt,

208 Vgl. hierzu: Schröder, J.-A.: Gewalt und Gewaltprävention. In: Spielräume Heft 36/37 03/2007, S.51f.

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so dass eine relativ gute Erreichbarkeit der BürgerInnen gewährleistet erscheint.

Die drei Stellen wurden auf fünf SozialpädagogInnen verteilt, um eine besserer

Vertretungssituation zu gewährleisten. Die koordinierende Kollegin arbeitet mit voller

Stelle. Diese hauptamtlichen Kräfte (FiS-Teamerinnen genannt, sie verantworten die

Helferteams) haben die Funktion, FiS im Stadtgebiet bei allen, für junge Familien,

relevanten Stellen bekannt zu machen (= Öffentlichkeitsarbeit), weiterhin akquirieren

sie die ehrenamtlichen Helferinnen (FiS-Assistentinnen leisten freiwilliges

bürgerschaftliches Engagement), bilden diese gemäß eines dafür entwickelten

Ausbildungsprogramms aus, setzen sie in den Familien ein und überwachen deren

Arbeit, begleiten und beraten diese, weiterhin sorgen sie für die Erhebung der

relevanten Daten für die Evaluation, welche bis heute von der HAW Frankfurt

(Gehrmann) geleistet wird. Die FiS-Assistentinnen leisten die praktische Arbeit in den

Familien mit bis zu vier Wochenstunden je Familie, sie erhalten dafür eine

Aufwandsentschädigung in Höhe von Euro 50 je Monat und Familie. Jede Assistentin

begeleitet in der Regel zwischen einer und maximal drei Familien. Die Familien

müssen bestimmte Bedingungen erfüllen: sie können diese Hilfe nur selber in einem

FiS-Büro beantragen, sie müssen ihren Bedarf selbst bestimmen und damit einen

Auftrag erteilen, dieser Auftrag muss realistisch zu erfüllen sein, mindestens eines

ihrer Kinder muss jünger als 10 Jahre sein. Die Hilfe kann durch die Familie jederzeit

beendigt werden.

8.2 Leit- und Menschenbild

Das Programm und Projekt erfordert eine Orientierung am Ethik-Code der Sozialen

Arbeit und es fordert „eine durchgängig wertschätzende Grundhaltung gegenüber

den Familien und den FiS-Assistentinnen“ (Müller/Gehrmann 2008 a.a.O. S.48). Die

Werte, die FiS verkörpert, sind weitgehend mit denen von ‚Families first’, ‚Home

Start’, ‚Video Home Training’ u. a., die von der ‚Internationalen Initiative’

(Scheveningen 1991) gefördert werden identisch, es sind dies: das positive

Menschenbild der humanistischen Psychologie (i.S. Rogers); die Sicht der Klienten

als Partner; die Orientierung an den Resilienzen; Respekt vor den Lebensstilen

und Lebensentwürfen der Familie; daraus ergibt sich die Akzeptanz der Klienten;

sowie die Achtung der Lebenswelt und der Privatsphäre; die Notwendigkeit nur

dann zu Handeln, wenn ein Auftrag des Klienten vorliegt; die Berücksichtigung des

eigenen Gaststatus in fremder Wohnung; ein Bewusstsein entwickeln über die

Polaritäten: Hilfe und Repression sowie Nutzen und Schaden der Intervention; die

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Vorrangigkeit der Sicherheit der Kinder und anderer Familienmitglieder (vgl.

Müller/Gehrmann 2000)209.

8.3 Zum Verlauf des Projektes

Das Programm konnte erstmalig, gefördert durch die EU (über das Programm

Daphne II), 2005 als Projekt in Bremerhaven installiert werden. Bereits 2001 begann

der Auftakt hierzu mit einer Fachtagung für die Sozialen Dienste, gemeinsam mit

dem Helene-Kaisen-Haus (einem Wirtschaftsbetrieb des Magistrates) und dem Amt

für Jugend und Familie (heute: und Frauen). Bereits im Dezember des gleichen

Jahres fand die erste AnleiterInnenausbildung durch die Professoren Müller und

Gehrmann in Bremerhaven statt (vgl. Vorwort des damaligen Amtsleiters

Bremers210). Nach der Beendigung der EU-Förderung wurde es durch

Magistratsbeschluss der Seestadt nachhaltig gesichert und existiert in inhaltlich leicht

veränderter Form bis heute (Stand: Oktober 2009).

Entwicklung des Personalstandes: Mit Beginn des Jahres 2009 wurde der

Personalstand der Hauptamtlichen um 100%, auf nunmehr 3 Vollzeitstellen

angehoben. Im letzten Evaluationsbericht 2007/2008 wurden 35 Assistentinnen

benannt, nach aktuellem Stand sind 58 Assistentinnen ausgebildet und davon sind

zurzeit 38 im Feld tätig. Die parallel laufenden Schulungen wurden gemäß des

Berichtes im Durchschnitte von etwa 80% der Assistentinnen besucht.

Entwicklung der Familien: Im Evaluationszeitraum wurden 96 Familien betreut, davon

wurden 68 Familien neu in das Projekt aufgenommen, bei 49 Familien konnte die

Hilfe abgeschlossen werden. „Das entspricht einem erheblichen Zuwachs gegenüber

dem Vorjahresbericht. Von 72 (im Berichtszeitraum 2006/2007) Familien ist die

Inanspruchnahme von FiS (2007/2008) auf 96 gestiegen, was eine Zunahme von

33% bedeutet“ (Gehrmann 2009211 S.6). In den beiden Jahren 2006 und 2007

konnten 168 Familien mit etwa 400 Kindern begleitet werden. Die Betreuungsdauer

der Familien informiert folgende Tabelle:

209 Sozialmagazin 9/2000, a.a.O.

210 Bremer, K.: FiS – eine wahre Erfolgsgeschichte. In: Gehrmann et al. a.a.O. S.11f.

211 Gehrmann, G.: Evaluationsbericht 09/2007 bis 09/2008. Manuskript. Frankfurt und Bremerhaven 2009

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Betreuungsdauer

abgeschlossene Hilfen

absolut in Prozent

bis 3 Monate 11 Fam. 22,4%

bis 6 Monate 27 Fam. 55,1%

bis 9 Monate 11 Fam. 22,4%

∑ 49 Fam. 100%

Abb.: 16 Evaluationsbericht Gehmann S.7

Die Unterstützung der Familien war programmgemäß wenig intensiv (in der Regel 1-

2 Kontakte pro Woche) und erstreckte sich auf mehrere Monate. Gemäß der

Vereinbarung mit der Stadt ist eine Begleitung der Familien bis zu einem halben Jahr

vorgesehen. „In fast drei von fünf Fällen ist sie auch entsprechend eingetreten. In

einigen Fällen (etwa ein Fünftel) war eine Hilfe nur ganz kurz erforderlich, wenige

Wochen oder nur ein bis dreimal. Bei einem weiteren Fünftel äußerten Familien den

Wunsch nach längerer Betreuung“ (Gehrmann 2009 a.a.O. S.7). Von den 96

Familien des Berichtszeitraumes hatten 50 Familien mehr als drei Kinder, 46

Familien hatten ein bis zwei Kinder, insgesamt verfügten die betreuten Familien über

240 Kinder. Über die ethnische Herkunft der Familien gibt folgende Tabelle Auskunft:

ethnische Herkunft 2007/2008 2006/2007

türkisch 38 40% 27 37%

deutsch 31 32% 31 43%

osteuropäisch 17 18% 9 12%

bi-national 7 7% 0 0%

afrikanisch oder asiatisch 3 3% 0 0%

westeuropäisch 0 0% 5 7%

Abb.: 17 Gehrmann 2009 S.6

Wie Fis die Familien unterstützte, lässt sich an der nachfolgenden Tabelle ablesen,

dabei ist darauf zu verweisen, dass die Unterstützungsbedarfe von den Familien

selbst benannt werden.

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Geleistete Hilfen 2007/2008 2006/2007

Hilfe beim Transport von Kindern zur Kita oder Schule 5 14

Entlastung 13 0

Kinderbetreuung 20 10

Mit Kindern spielen 9 4

Unterstützung durch Hausaufgabenbetreuung 11 9

Hilfe bei der Erziehung 4 10

Hilfe und/oder Begleitung bei Behördenangelegenheiten 4 10

Hilfe und Begleitung beim Umgang mit Kita bzw. Schule 7 1

Rat und Tat im Alltag 10 5

Freizeitaktivitäten 4 10

andere Eltern treffen 9 8

Abb.: 18 Gehrmann 2009 S.9

Der Schwerpunkt geleisteter Hilfen liegt bei der Entlastung junger Eltern (13),

insbesondere Alleinerziehender, gefolgt von der zeitweiligen Kinderbetreuung:

Aufsicht, mit Kindern spielen, während die Mütter anderes tun können. Hier hat sich

die Anzahl der Hilfen (29) gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Auch ‚Rat und Tat im

Alltag’ wurde doppelt so oft geleistet. Eine deutliche Erhöhung hat es bei der

Unterstützung im Umgang mit Kita und Schule gegeben. Hausaufgabenbetreuung ist

gegenüber dem Vorjahr gleich geblieben. Bedeutsam ist die Abnahme bei Hilfen bei

der Kindererziehung.

Die Kundenzufriedenheit mit dem Projekt war groß, denn von den 49

abgeschlossenen Hilfen fühlten sich 43 Familien durch die Assistentinnen

respektiert, 33 dieser Familien haben noch ausführliche Kommentare geschrieben.

Aus unterschiedlichen Gründen haben alle das Projekt als für sie hilfreich

eingeschätzt. Besonders deutlich wurde die Funktion von FiS bei der Bildung von

informellen Netzwerken hervorgehoben. Eine Mutter wünschte sich eine andere

Assistentin, dem wurde entsprochen.

Aus dem Erleben der Assistentinnen: In ihrer Arbeit treffen die Assistentinnen

häufiger auf mehrfach belastete Familien. Dies führt dazu, dass die Assistentinnen

ihre Arbeit manches Mal als ‚Tropfen auf den heißen Stein’ erleben und das Gefühl

von Überwältigung eigentlich notwendiger Arbeit erfahren. „Die Ehrenamtlichen

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können auch diesen Familien Alltagswissen und Kompetenzen auf den

unterschiedlichen Ebenen vermittelt und können Mut zusprechen, um Gefühlen der

Hilflosigkeit zu begegnen Für die Teamleiterinnen entstehen daraus besondere

Coachingbedarfe: eine kontinuierliche Begleitung der Assistentin, um ihnen den Sinn

ihres Tun zu verdeutlichen und am Auftrag zu bleiben (Gehrmann 2009 S.11).

Bezüglich der Vernetzung wurden im Berichtszeitraum die Kontakte zu den Schulen

aufgebaut. Dies wurde notwendig, da die Zugangsvoraussetzungen für die Familien

vorher bei einer Altershöchstgrenze ihrer Kinder von 6 Jahren lagen und diese

Grenze 2007 auf 10 jährige Kinder erweitert wurde. Die Schulen fassten FiS als

Option für Hilfen bei schulschwierigen Kindern auf. Allerdings ist dies weder der

originäre FiS-Auftrag, noch wäre dies eine niedrigschwellige Hilfe, sondern es bedarf

diese Aufgabe ganz anderer Professionen. Diese Abgrenzung musste zunächst

erklärt und damit vermittelt werden. Die Kontakte zu den Familienzentren, den

Frühförderprogrammen, wie Opstapje (in Bhv. für bis zu 1-jährigen Kinder), ‚Schritt

für Schritt’ (in Bhv. für 1- bis 3-jährige Kinder), Hippy wurden ausgebaut und

regelmäßig gepflegt (das Büro-Süd teilt sich die Räumlichkeiten mit den benannten

anderen Hilfsangeboten – insofern sind diese unter einem Dach). Weiterhin arbeiten

die TeamerInnen im ‚Arbeitskreis gegen Kinderarmut’ aktiv und regelmäßig mit. Es

besteht darüber hinaus ein Austausch mit den Sozialen Diensten, dabei geht es

darum gegenseitig bekannt zu sein, es werden selbstredend keinerlei Daten oder

Namen der Familien ausgetauscht. Zu guter Letzt besteht ein regelmäßiger Kontakt

zu den Familienhebammen sowie dem ‚Cafe Mosaik’, einem alternativen Treffpunkt

für Menschen mit Migrationshintergrund in Altlehe (vgl. Gehrmann 2009 S.12f.).

Hinsichtlich informeller Netzwerkarbeit verhält es sich so, dass etwa „ein Fünftel aller

Mütter/Familien durch und über FiS ihre privaten Netzwerke erweitern können. In den

meisten Fällen wurde der Kontakt zu Gesprächskreisen hergestellt, die im Stadtteil

bereits bestanden oder die durch Aktivitäten von FiS gegründet wurden. In einigen

Fällen haben die Mütter mit den auf nachbarschaftlicher Ebene arbeitenden

Assistentinnen persönliche Freundschaften geschlossen. Dies ist im Programm als

eine mögliche positive Folge vorgesehen und ein wesentlicher Vorteil der Arbeit mit

halbprofessionellen Laien. Für professionelle Sozialarbeiter, insbesondere in der

Kinder- und Jugendhilfe, sind solche Freundschaften mit Klienten nicht erlaubt. Fast

die Hälfte, nämlich 17 von 36 Familien, die dazu Angaben gemacht haben, gaben an,

sie hätten das Programm auch genutzt, weil sie neue Bekannte kennen lernen wollte.

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Davon haben 16 Familien über FiS neue Bekannte oder Freunde gewonnen. 22

Familien gaben an, dass sie durch FiS keine neuen Freundschaften geschlossen

haben. Bei 15 Familien bestehen die Freundschaften auch weiterhin“ (Gehrmann

2009 S.13). Es konnten Feiern und Feste sowie Treffen der Familien begleitet oder

initiiert werden. Ein Kreis alleinerziehender Frauen konnte sich etablierten sowie ein

Kreis türkischer Frauen, die insbesondere um sprachliche Integration bemüht waren,

wurde ins Leben gerufen.

Ergänzend ist noch anzumerken, dass im Berichtszeitraum vier Assistentinnen den

Sprung über FiS in das reguläre Berufsleben schaffen konnten. Für diese Frauen war

die Arbeit im Programm eine Form des Wiedereinstiegs in das Berufsleben und das

qualifizierte Zeugnis von FiS hat die Vermittlung in bezahlte Arbeit deutlich

unterstützt.

8.4 Bestandsaufnahme: Einschätzung der Assistentinnen

8.4.1 Fragestellung der empirischen Untersuchung

Befragt wurden in dieser Einzelfallstudie212 die Assistentinnen 1. in Hinblick auf ihre

Einbindung in die Trägerstruktur des Projektes; 2. bezüglich der Bedeutung ihrer

Tätigkeit für sie; 3. sollte Zufriedenheiten bzw. Unzufriedenheiten erkundet werden.

Im Hintergrund steht die Annahme, dass diese freiwillig engagierten BürgerInnen nur

dann längerfristig an das Programm und Projekt gebunden werden können, wenn sie

beim Träger gut eingebunden sind, ihren Platz finden, nicht das Gefühl entwickeln

‚fünftes Rad am Wagen’ zu sein, außerdem Ihre Tätigkeit als wichtig bzw. bedeutend

erleben, sich mit ihrem Tun identifizieren können, nicht überfordert werden, sich nicht

allein gelassen wahrnehmen und mit dem was sie leisten zufrieden sind, motiviert

ihrer Tätigkeit nachgehen, Lust auf Neues sowie Spaß am Lernen haben und über

möglichst wenige Unzufriedenheiten verfügen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass

allein die Ausbildung dieser Menschen etwa ein halbes Jahr benötigt, sofern 14-

tägige Ausbildungstreffen organisiert sind, und damit nicht nur zeitliche Ressourcen

der Assistentinnen bindet, sondern auch die der TeamerInnen bzw. AusbilderInnen

und insofern Fachpersonal, mit seinem tariflichen Kosten bindet. Die hierzu

212 Stigler,H./ Reicher, H.: Praxisbuch empirische Sozialforschung in den Erziehungs- und

Bildungswissenschaften. Innsbruck 2005 Die Autoren bezeichnen eine Einzelfallstudie als Untersuchungsform, die in einer Analyse einzelner Untersuchungseinheiten besteht (Individuen, Gruppen, Institutionen), vgl. S.93f.

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gehörigen hypothetischen Aussagen sind folgende: 1. Wenn Freiwillige

(Ehrenamtliche) in die Strukturen einer Organisation nicht gut eingebunden sind,

werden sie dieser Organisation nicht auf Dauer angehören. 2. Freiwillige

(Ehrenamtliche) lassen sich auf Dauer nur dann auf ihre Aufgaben ein, wenn sie

diese als bedeutend bzw. wichtig wahrnehmen. 3. Nicht zufriedene Freiwillige

(Ehrenamtliche) werden weder Motivation noch Commitment entwickeln und ihr

Engagement einstellen.

8.4.2 Design

Diese Querschnittserhebung richte sich an alle im Feld tätigen Assistentinnen.

Insgesamt stehen aktuell 58 Assistentinnen zur Verfügung, von denen sind allerdings

nur 38 in dem Feld der familiären Hilfen freiwillig (ehrenamtlich) tätig. Bei dieser

kleinen Population entfällt eine Stichprobe. Die Grundgesamtheit der zu befragenden

Assistentinnen beträgt somit 38 Personen (N = 38). Als Forschungsmethode kam die

Befragung der betroffenen Personen in den Fokus. Dazu wurde ein

teilstandardisierter Fragebogen (s. Anlage) entwickelt. Die Rücklaufquote des

Fragebogens betrug ca. 82% (81,57%), in absoluten Zahlen sind das 31 Bögen. Die

Bögen wurden über die TeamerInnen ausgegeben, diese haben den Assistentinnen

die Inhalte und den Sinn der Erhebung individuell kurz erläutert und diese um

Bearbeitung gebeten. Die Assistentinnen hatten die Möglichkeit ihren Bogen anonym

im Briefumschlag den TeamerInnen zurückzugeben oder diesen per Post in die

Geschäftsstelle zu senden, auch eine persönliche Abgabe in der Geschäftsstelle des

Trägers wäre eine Option gewesen. Nur eine Assistentin hat von diesen Angeboten

Gebrauch gemacht, alle anderen Bögen wurden unverschlossen den TeamerInnen

zurückgegeben, diese brachten die Bögen in die Geschäftsstelle.

8.4.3 Empirische Methoden

Die erwünschten Daten wurden durch einen teilstandardisierten Fragebogen

erhoben, dieser ist in drei Abschnitte untergliedert (A-B-C) und fragt nach der

Einbindung in die Trägerstruktur (A), nach der erlebten Bedeutung der Tätigkeit (B)

und nach Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheiten (C). Da dieses Projekt (FiS) während

der EU geförderten Zeit (1 Jahr) in Trägerkooperation durch das Helene-Kaisen-

Haus (HKH, Magistratsbetrieb) und der Initiative Jugendhilfe e.V. (IJB) gemeinsam

vorangetrieben wurde, dies in vielen Köpfen der Menschen verankert war, wird nach

dem heutigen Träger des Projektes (IJB) gefragt, dies ist nicht nur ein Indiz für

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Informationspolitik des Trägers, sondern auch ein Zeichen qualitativer Einbindung

in den Träger. Da es im Stadtgebiet drei Stadtteilbüros gibt, wird nach deren

Kenntnis gefragt, es wäre denkbar, dass FiS-Assistentinnen nur ihr Büro kennen und

von der Existenz der anderen nichts wissen (das wäre auch ein Zeichen nicht

geglückter Trägerintegration). Im Anschluss wird danach gefragt, mit welchem Träger

sie ihren privatrechtlichen Vertrag haben, dies sichert die erste Frage nach der

Einbindung in Trägerkooperationen noch einmal ab. Interessant wird es im

Folgenden, wenn nach dem Leistungsspektrum des FiS-Trägers gefragt wird, weil

dies die Kenntnis über den Träger verdeutlicht, dazu gehört ergänzend die Frage

nach den Kontakten bzw. den Kontakt oder Informationswünschen zu anderen

Bereichen. Hinsichtlich der Bedeutung des Handelns für die Assistentinnen (B) wird

zunächst geklärt, wie sie auf FiS aufmerksam wurden. Im Anschluss erfolgt die

Abfrage nach den Bedeutungen von FiS für die Assistentinnen, abschließend wird

nach der Dauer ihrer Teilnahme im Projekt gefragt. Im Abschnitt C

(Zufriedenheiten/Unzufriedenheiten) haben die Teilnehmer die Möglichkeit zu

konkreten Fragestellungen, wie etwa der Tätigkeit in den Familien, der Begleitung

und Beratung, der Schulungen usw. Schulnoten zu vergeben. Dieser Bogen

eröffnete im Bereich der Zufriedenheits- bzw. Unzufriedenheitsabfragen auch die

Möglichkeit persönlicher Anmerkungen. Diese Option wurde von 14 Assistentinnen

(37%) genutzt. Die Anmerkungen wurden gesammelt und nebeneinander gestellt,

dabei wurde eine Kategorienbildung versucht. Da die Datenmenge verhältnismäßig

überschaubar war, erfolgte die Auswertung der Bögen manuell durch Auszählung

und Anfertigen von Listen und Tabellen213.

8.4.4 Ergebnisse

Zunächst zur Einbindung in die Trägerstruktur(en) (A). 29 von 31 Teilnehmern

(93,5%) wissen, das die IJB Träger des Projektes ist, allerdings waren 4 (12,9%) der

Ansicht, dass auch das HKH noch Träger sei und weitere 3 Teilnehmer (9,7%)

glaubten, dass noch andere Träger beteiligt seien. Bezüglich der drei Stadtteilbüros

kannten 26 Teilnehmer das Büro NORD, 27 das Büro MITTE und 28 das Büro SÜD.

Nicht allen Teilnehmern ist deutlich, dass es neben ihrem Büro auch noch andere

Dependancen gibt. Allen war deutlich, mit welchem Träger sie ihre privatrechtliche

213 Das hierzu erworbene SPSS 15.0 Familiy kam nicht zum tragen.

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Vereinbarung getroffen hatten. 17 Teilnehmer (54,8%) gaben an, die IJB nur als

Träger von FiS zu kennen, allerdings kreuzten einiger, genau dieser Teilnehmer

auch an, andere Arbeitsfelder des Trägers zu kennen. Offensichtlich wurde die

Fragestellung nicht eindeutig erkannt bzw. verstanden. Den Bekanntheitsgrad der

Teilnehmer, hinsichtlich anderer Arbeitsfelder des Trägers lässt sich folgender

Tabelle entnehmen:

Arbeitsfelder absolut Prozent

Familienhilfen 7 22,58

Tagesgruppen 6 19,35

Kindergarten und Krippe 14 45,16

Heimerziehung 1 3,22

Betreutes Jugendwohnen 7 22.58

Projektarbeit (Erlebnispädagogik im Ausland) 0 0

Beratungsangebote 3 9,67

Mädchentelefon 11 35,48

Jungentelefon 9 29,03

Kinder- und Jugendnotdienst 10 32.25

Andere 0 0

Abb.: 19 Bekanntheitsgrad anderer Arbeitsfelder des Trägers von FiS

Von den TeilnehmerInnen, die andere Arbeitsfelder des Trägers kannten, hatte 12

Kontakt zu mindestens einem dieser Felder, 4 hatten keinen Kontakt, 6 wünschten

sich diesen Kontakt (benötigten dazu aber offensichtlich Unterstützung) und 5

wünschten sich keinen Kontakt, aber mehr Informationen darüber, 1 Person hätte

gerne mehr Informationen und zusätzlich auch den Kontakt.

Im Rahmen der Bedeutung ihrer Tätigkeit (B) in diesem Feld, wurde zuerst danach

gefragt, wie die Teilnehmer auf das Projekt aufmerksam wurden. Interessanterweise,

anders als wir das vermutet hätten, spielten Ärzte, insbesondere Kinderärzte (0

Nennungen) und Hebammen (1 Nennung) keine Rolle, dabei wurde FiS in diesen

medizinischen Bereichen vorgestellt und Flyer wurden dort ausgelegt. 10 der 31

Teilnehmenden, das sind gut 32 Prozent, wurden über den Kindergarten auf FiS

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aufmerksam, 21 Teilnehmer nannten unter ‚Sonstige’ andere Quellen. Folgende

Nennungen gingen ein: „Tochter/ Frau Uske (Teamerin)/ FiS-Assistentin/ meine

Bekannte, eine FiS-Assistentin/ durch eine andere FiS-Assistentin/ andere

Assistentin/ durch Jugend- und Familienarbeit/ meine Freundin/ Gabi Spangenberg/

Bekannte/ AWO/ Frauenhaus/ durch die Frauengruppe/ Zeitungsanzeige/ Fa.

Borkowski/.“ Durch andere Assistentinnen wurden 4 Personen (12,9%) aufmerksam,

eine weitere Person erfuhr durch eine Teamerin vom Projekt, durch Bekannte oder

Freundinnen wurden 3 Personen aufmerksam und durch andere Institutionen (AWO/

Frauenhaus/ Frauengruppe) weiter 3 Personen.

Im Anschluss wurde unmittelbar nach Bedeutungsinhalten von FiS für die

Assistentinnen gefragt, dabei gab es am Ende die Option freier ergänzender

Antworten, diese Möglichkeit wurde nur einmal genutzt dabei betrachtete eine

Teilnehmerin das Projekt als Orientierungsphase zur eventuellen beruflichen

Veränderung („Orientierung beruflich sich evtl. zu verändern.“(4)). Die folgende

Tabelle veranschaulicht, in der Rangfolge der Nennungen, die verschiedenen

Bedeutungen (Mehrfachnennungen waren möglich).

Rang Bedeutungen

absolute Nennungen

prozentuale Werte

1 Etwas Sinnvolles tun können. 25 80,64%

1 Kontakt zu anderen Menschen haben. 25 80,64%

2 Anderen helfen können. 23 74,19%

3 Schulungen erfahren, sich weiterbilden. 21 67,74%

4 Beratung/Begleitung in der Tätigkeit/Arbeit erfahren. 20 64,51%

5 Einbindung in Teamstrukturen. 16 51,61%

5 Das Leit- und Menschenbild von FiS. 16 51,61%

6 FiS als Wiedereinstieg in quasi berufliches Handeln. 11 35,48%

7 Die Aufwandsentschädigung. 10 32,25%

0 Sonstiges: „Orientierung beruflich sich evtl. zu verändern.“(4)

Abb.: 20 Bewertungen und Nennungen der Bedeutung des ehrenamtlichen Handelns im Projekt FiS

Die Frage nach der Dauer der Zugehörigkeit zum Projekt erweckt gleich ein

doppeltes Interesse, denn zum einen werden die Beurteilungen glaubwürdiger,

sofern die Beurteiler längere Zeit im Projekt sind und dies insofern stabiler bewerten

können, zum zweiten lebt Freiwilliges Bürgerengagement davon, dass die

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Freiwilligen sich möglichst lange an ihr Tätigkeitsfeld und damit an die

Organisation binden, zumal die Akquiseanstrengungen und vor allem die

Ausbildungsinvestitionen in einem semiprofessionellen Handlungsfeld einen

bedeutenden Stellenwert ausmachen. FiS arbeitet als eigenständiges Projekt in der

derzeitigen Trägerstruktur seit dem Sommer 2006, also seit nunmehr gut drei Jahren

(38 Monaten/ 10/2009). Es wurde hinsichtlich der Dauer nach Zeiträumen gefragt,

wie sie nachfolgender Tabelle zu entnehmen sind:

Seit wann sind Sie im Projekt FiS?

Dauer absolut Prozentwerte

3 bis 6 Monate 5 16,12%

6 bis 12 Monate 5 16,12%

12 bis 18 Monate 5 16,12%

Bis 24 Monate 8 25,80%

Mehr als 24 Monate 6 19,35%

2 x erfolgte keine Angabe. ∑ 29 93,54%

Abb.: 21 Projektzugehörigkeit in Monaten

Die Bemühung um ein arithmetisches Mittel sind bei diesen weiten Zeitspannen

problematisch, zumal die Kategorie 24(+) nach oben hin (bis zu möglichen 38

Monaten) offen ist. Damit eine durchschnittliche Zugehörigkeitsdauer dennoch in

etwa möglich wird, wurden zu den jeweiligen Zeitspannen die Mittelwerte ermittelt

(also 5; 9; 15; 21; 31 Monate) und mit den Nennungen multipliziert, so ergeben sich

499 Monate der Zugehörigkeit, was einer durchschnittlichen Zugehörigkeit von etwa

17 Monaten entspricht, wohl wissend, wie ungenau diese Annahme ist. Für die

mediale Ermittlung wurden die beiden äußeren Werte ignoriert, die drei mittleren

zeitlichen Durchschnittswerte addiert und durch die zugehörigen Nennungen

dividiert, so dass sich ein medialer Wert von 16 Monaten ermitteln lässt.

Im letzten Abschnitt (C) des Fragebogens wurden acht Fragen vorgelegt, die analog

zu Schulnoten bewertet wurden. Diese Fragen erlaubten eine erste Annährung an

bestimmte Zufriedenheiten. Anschließend gab es zur Vertiefung die Möglichkeit

eigene Anmerkungen für Zufriedenheiten, Unzufriedenheiten und ggf. Lösungen zu

formulieren, weiterhin wurde konkret nach der Aufwandentschädigung gefragt sowie

nach erfahrener Anerkennung ihres Handelns. Zunächst aber nun zu den

vorgegebenen Frage.

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(1) Zuerst wurde nach der Zufriedenheit mit der Tätigkeit der Assistentinnen in

den Familien gefragt.

0

10

20

30

40

50

600

1

2

3

4

5

6

Abb.: 22 Grafik 1214

Aus der Grafik wird erkennbar, dass mehr als 50% der Befragten ihre Tätigkeit in den

Familien mit gut bewerten und weitere knapp 26% sogar mit sehr gut, insgesamt

bewerten über 76% ihre Tätigkeit dort mit gut und besser, immerhin sind weitere

knappen 10% der Assistentinnen zufrieden, so das es eine Zufriedenheitsquote mit

der Tätigkeit von etwa 86% gibt. Es erfolgten 3 x keine Nennungen und 1x wurde

eine Fünf vergeben. [Prozentwerte der Grafik: 0 = 9,67%/ 1 = 25,80/ 2 = 51,61/ 3 = 9,67/ 4 = 0/ 5

= 3,22/ 6 = 0 ∑ 100%]

(2) Als nächstes wurde nach der Zufriedenheit mit dem Tun, d.h. mit der ‚Art und

Weise’ des Handelns, dem methodischen ‚Handwerkszeug’ (z.B. nach den

Gesprächsführungsmöglichkeiten usw.) gefragt.

0

20

40

60

80

0

1

2

3

4

5

6

Abb.: 23 Grafik 2

Mit ihrem Handeln, das heißt mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, sind

beinahe 97% mindestens zufrieden, 19% gaben an sehr gut handeln zu können,

knapp 68% beurteilten ihr Können mit gut und immerhin noch 9,7% sind zufrieden,

schlechtere Beurteilungen existieren nicht. Einmal erfolgte keine Nennung. Die

Assistentinnen scheinen ausgesprochen selbstbewusst ins Feld zu gehen, wobei

hieraus nicht erkennbar wird, woher diese Sicherheit kommt. [Prozentwerte der Grafik: 0 =

3,22/ 1 = 19,35/ 2 = 67,74/ 3 = 9,67/ 4 = 0/ 5 = 0/ 6 = 0 ∑ 100%]

214 Der erste (lila) Balken zeigt stets die Anzahl nicht abgegebener Stimmen an, die folgenden Balken zeigen in

der Reihenfolge die möglichen Bewertungen von 1 (= sehr gut) bis 6 (= ungenügend/ entsprechend der

jedermann bekannten Schulnoten) an.

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(3) Nun wird nach der Zufriedenheit mit der Auswirkung des Handelns der

Assistentinnen gefragt, also quasi nach der Ergebnisbewertung ihrer Arbeit in den

Familien.

0

20

40

60

0

1

2

3

4

5

6

Abb.: 24 Grafik 3

Ganz offensichtlich gibt es eine ausgesprochen hohe Ergebniszufriedenheit, denn

90,3% beurteilen dies mit zufriedenstellend und besser (mit gut 54,83% und mit sehr

gut noch immerhin 22,58%). Eine Person beurteilte ihr Ergebnis mit ausreichend und

2 enthielten sich ihrer Stimme. Werden alle drei Fragen gemeinsam betrachtet,

nämlich die Zufriedenheit mit der Tätigkeit in den Familien, dem handwerklichem Tun

im Feld sowie die resultierenden Ergebnisse, so lässt sich eine ausgesprochen hohe

Zufriedenheit in allen drei Bereichen feststellen. Da diese Zufriedenheit quer durch

alle Büros und somit Stadtteile geht, muss es dementsprechende Rückmeldungen

aus den Familien und ggf. auch durch die FiS-Teamerinnen geben, zumal der

Austausch zwischen den Büros von den Assistentinnen teilweise bemängelt wird

(dazu später mehr). [Prozentwerte der Grafik: 0 = 6,45/ 1 = 22,58/ 2 = 54,83/ 3 = 12,90/ 4 = 3,22/

5 = 0/ 6 = 0 ∑ 100%]

(4) Als nächstes wurde nach der Einbindung in Teamstrukturen gefragt, wobei sich

diese Frage auf die jeweilige Gruppe der Assistentinnen im jeweiligen Stadtteilbüro

bezieht, denn nur diese treffen sich untereinander zur Schulung und zum

Erfahrungsaustausch.

0

10

20

30

40

0

1

2

3

4

5

6

Abb.: 25 Grafik 4

Knapp 84% aller Assistentinnen beurteilt ihre Einbindung in die Gruppe der anderen

Teilnehmer mit zufriedenstellend und besser, dabei fällt der hohe Anteil der sehr

zufriedenen (ca. 35%) auf, dennoch gibt es zwei Teilnehmerinnen, die ihre Situation

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mit vier bzw. mit fünf beurteilt und somit ausgesprochen unzufrieden scheinen.

Dies wäre durch genaueres Nachfragen zu erschließen. [Prozentwerte der Grafik: 0 = 9,67/

1 = 35,48/ 2 = 25,80/ 3 = 22,58/ 4 = 3,22/ 5 = 3,22/ 6 = 0 ∑ 100%].

(5) Alle Assistentinnen werden während ihres Arbeitens in den Familien fachlich

begleitet und beraten. Es wird im Folgenden danach gefragt, wie zufrieden sie mit

dieser Begleitung und Beratung sind.

0

10

20

300

1

2

3

4

5

6

Abb.: 26 Grafik 5

Während eine Teilnehmerin die Unterstützung durch die Teamerin mit mangelhaft

(fünf) beurteilt, bewerten gut 80% diese Begleitung mit gut und besser und noch

immerhin knapp 13% vergeben ein Befriedigend (einmal wurde keine Nennung

vergeben). [Prozentwerte der Grafik: 0 = 3,22/ 1 = 54,83/ 2 = 25,80/ 3 = 12,90/ 4 = 0/ 5 = 3,22/ 6 = 0

∑ 100%]

(6) In Ergänzung dazu wird folgend nach der subjektiv empfundenen Qualität der

Schulungsmodule in Bezug auf deren Inhalte für die Praxis gefragt. Die Schulungen

werden ebenfalls von den Teamerinnen (also den Profis im Feld) geleistet, es sind

die gleichen Personen, welche auch begleiten und beraten.

0

10

20

30

400

1

2

3

4

5

6

Abb.: 27 Grafik 6

Während jeweils eine Person die Inhalte mit vier und fünf bewertet, scheint die

überwiegende Mehrheit, nämlich knapp 84% die Inhalte praxistauglich zu finden, sie

bewerten dies mit zufriedenstellend und besser, immerhin sagen beinahe 61% die

Inhalte sind gut oder besser für die praktische Arbeit in den Familien zu gebrauchen

[Prozentwerte der Grafik: 0 = 9,67/ 1 = 32,25/ 2 = 38,70/ 3 = 12,90/ 4 = 3,22/ 5 = 3,22/ 6 = 0 ∑ 100%].

Dies Ergebnis korreliert vermutlich mit den ersten drei Fragestellungen, in denen

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nach der Zufriedenheit mit dem Tun und Handeln sowie den Ergebnissen im Feld

gefragt wurde.

(7) Im Folgenden wird nach der Zufriedenheit mit der Dauer der Ausbildung gefragt,

welche sich schließlich über 12 Module (à 4 Stunden) hinzieht und je nach Situation

14-tägig oder monatlich stattfindet und insofern entweder ½ Jahr oder gar ein ganzes

Jahr an Zeit benötigt.

0

20

40

60

0

1

2

3

4

5

6

Abb.: 28 Grafik 7

Etwa 70% der Assistentinnen finden die Ausbildungsdauer gut oder sehr gut, weitere

19% sind damit zufrieden. Zwei Teilnehmerinnen gaben kein Statement dazu ab und

eine Teilnehmerin beurteilte die Dauer mit mangelhaft. [Prozentwerte der Grafik: 0 = 6,44/

1 = 22,58/ 2 = 48,38/ 3 = 19,35/ 4 = 3,22/ 5 = 0/ 6 = 0 ∑ 100%]

(8) Zu guter Letzt wurde nach dem äußeren Rahmen der Schulungen gefragt, also

nach den Räumlichkeiten, den Materialien, der Vorbereitung und dergleichen mehr.

Das Ergebnis fiel zufriedenstellend aus, aber nicht wirklich gut, folgende Grafik

veranschaulicht dies:

0

10

20

30

40

0

1

2

3

4

5

6

Abb.: 29 Grafik 8

[Prozentwerte der Grafik: 0 = 6,44/ 1 = 12,9/ 2 = 38,7/ 3 = 32,25/ 4 = 3,22/ 5 = 6,44/ 6 = 0 ∑ 100%]

Nach den ‚Benotungen’ dieser Fragestellung gab es eine offene Möglichkeit für

Kommentare bzw. Anmerkungen, diese wurde kaum genutzt bzw. nicht wirklich

themenbezogen genutzt, so dass keine weiteren Erkenntnisse daraus gezogen

werden konnten.

In einem nachfolgendem Schritt wurde nach der Aufwandsentschädigung gefragt,

zunächst nach der Richtigkeit einer solchen Entschädigung oder ggf. nach der

Möglichkeit des Wegfalls dieses Instrumentes. Offensichtlich aber hat diese

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Entschädigung (in Höhe von € 50 je Monat und Familie) eine erhebliche

Bedeutung für die Assistentinnen, denn immerhin waren alle 31 Befragten der

Ansicht, dass dieses Instrument notwendig sei. 22 der Befragten empfanden die

Höhe der Entschädigungsleistung angemessen, weiter 9 Teilnehmer sagten aus,

diese sei zu niedrig.

Im Anschluss sollte der Bogen in Erfahrung bringen, durch wen die Assistentinnen

Rückmeldung und Anerkennung erfahren. 25 Assistentinnen gaben an, dies durch

ihre Anleiterinnen (Teamerinnen) zu bekommen sowie durch die Familien, in denen

sie tätig sind (28 Nennungen). Es bestand die Option andere Nennungen zu

formulieren, dies erfolgte sechsmal, mit den folgenden (wörtlichen) Aussagen: „(4)

Aufwandentschädigung; (9) Familie (eigene) und Freunde, Lehrer in meiner

Ausbildung; (11) Freundeskreis, Familie; (14) meine Familie, meine Kollegen in der

Schule (Schulassistentin); (21) Teamkolleginnen; (24) eigene Familie und Freunde“

(die zahlen in den Klammern verweisen auf die jeweiligen Bögen, welche nummeriert

wurden).

Abschließend wurde offen nach solchen Zufriedenheiten gefragt, nach denen im

Fragebogen nicht gefragt wurde, diese Möglichkeit wurde viermal genutzt, hierzu gab

es folgende Nennungen: „(4) Die Schulungen finden in einem gemütlichen Rahmen

statt; (5) Die gute Bewirtung bei den Schulungen (Getränke, Gebäck).; (6) Ich bin

zufrieden mit FiS.; (7) Möglichkeit zur beruflichen Eingliederung.“

Zu guter Letzt wurde explizit nach Unzufriedenheiten gefragt, dabei wurden 15

Anmerkungen formuliert (stets wörtliche Wiedergabe): „(1) Ich verstehe alles nicht;

(2) Ich verstehe alles gut; (2) [Ausbildungssituation]; (3) Ich verstehe nicht alles; (4)

Größere Reflektion meiner Person. Wie kann ich etwas besser machen? (4) Meine

fachliche Weiterentwicklung; (5) der festgesetzten Stundenzahl pro Woche.; (6) Ich

bin zufrieden; (7) Entfernung zum Büro; (7) Problem Besuch der Austauschgruppen.;

(7) Vertragslaufzeit; (8) den Endgesprächen nach Beendigung der Familienzeit.; (10)

der Aufwandsentschädigung; (10) dem Austausch mit anderen FiS-Assistentinnen;

(11) Da unsereins mit der Aufwandsentschädigung genau rechnet, wäre es schön,

wenn diese auch rechtzeitig ausgezahlt wird!“

Und es wurde nach Lösungsideen gefragt, dabei wurden folgende Anmerkungen

formuliert (wörtliche Wiedergabe): „(1) Ich wünsche mit Übersetzungshilfe; (2) Ich

wünsche mir alles verstehen und möchte ich alle Menschen helfen; (2) Ich wünsche

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2 Gruppen; (3) Übersetzungshilfe; (4) Mehr Fachwissen zu lernen; (4) Durch

Sprachverständnis evtl. weiterhin getrennte Gruppentreffen bei ‚FiS-Treffen’

Schulung; (5) Wenn unbedingt erforderlich, eine Erweiterung um 1-2 Stunden pro

Woche; (6) Ich möchte noch mehr Familien helfen; (7) Stadtteilbüro Geestemünde

Süd; (7) Austauschgruppe Legoland und Umgebung; (7) Verlängerung auf 1 Jahr,

Nachfrage nach 1 Jahr; (8) Ein gutes Gespräch – ob man gut oder schlecht war –

was kann geändert werden; (10) Bei Betreuung in Familien mit mehreren Kindern,

gestaffelte Aufwandsentschädigung, z.B. ein Kind 50 Euro, zweites Kind 20 Euro

usw, (10) Alle halbe Jahre ein Treffen mit den FiS-Assistentinnen aus allen

Stadtteilen zwecks Austausch von Erfahrung in den Familien; (12) Ich möchte mehr

Beschäftigung haben.“

Diese Aussagen wurden nach ‚Überschriften’ geclustert, dies zeigt folgende Tabelle:

Unzufriedenheiten Lösungsvorschläge

Thema Geld/ Aufwandsentschädigung

(10) pro Kind 50 Euro, nicht pro Familie

(14) Die Höhe der Entschädigung sollte nach

Leistung gezahlt werden, es gibt ja

unterschiedliche Forderungen in den Familien.

Auch spielt eine Rolle ob man 1 oder mehrere

Kinder betreut und wie groß das Engagement ist.

(10) der Aufwandsentschädigung

(11) Da unsereins mit der

Aufwandsentschädigung genau rechnet, wäre es

schön, wenn diese auch rechtzeitig ausgezahlt

wird!

(10) Bei Betreuung in Familien mit mehreren

Kindern, gestaffelte Aufwandsentschädigung,

z.B. ein Kind 50 Euro, zweites Kind 20 Euro usw.

Sprache

(1) Ich verstehe alles nicht

(2) Ich verstehe alles gut

(3) Ich verstehe nicht alles

(1) Ich wünsche mit Übersetzungshilfe

(2) Ich wünsche 2 Gruppen

(3) Übersetzungshilfe

Reflexion des Handelns

(4) Größere Reflektion meiner Person. Wie kann

ich etwas besser machen?

(7) Problem Besuch der Austauschgruppen

(8) den Endgesprächen nach Beendigung der

Familienzeit

(8) Ein gutes Gespräch – ob man gut oder

schlecht war – was kann geändert werden.

(10) Alle halbe Jahre ein Treffen mit den FiS-

Assistentinnen aus allen Stadtteilen zwecks

Austausch von Erfahrung in den Familien.

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(10) dem Austausch mit anderen FiS-

Assistentinnen

Schulungen/ Ausbildung

(2) [Ausbildungssituation]

(4) Mehr Fachwissen zu lernen

(4) Meine fachliche Weiterentwicklung

(1) Ich wünsche mit Übersetzungshilfe

(4) Mehr Fachwissen zu lernen

Umfang der Tätigkeit

(5) der festgesetzten Stundenzahl pro Woche

(7) Verlängerung auf 1 Jahr, Nachfrage nach 1

Jahr

(5) Wenn unbedingt erforderlich, eine

Erweiterung um 1-2 Stunden pro Woche

(6) Ich möchte noch mehr Familien helfen.

(7) Verlängerung auf 1 Jahr, Nachfrage nach 1

Jahr

(12) Ich möchte mehr Beschäftigung haben.

Lage der Büros/ Erreichbarkeit

(7) Entfernung zum Büro

(7) Stadtteilbüro Geestemünde Süd

(7) Austauschgruppe Legoland und Umgebung

Abb. 30 genannte Unzufriedenheiten und Lösungsideen

9. Resümee: Herausforderungen für das HRM im Bremerhavener Modell (FiS)

a) Das Programm Familie im Stadtteil ist durch doppelte Freiwilligkeit

gekennzeichnet. Zum einen kommen die Nutzer des Projektes, also die Familien, die

ihren Hilfebedarf anmelden, direkt, unmittelbar, ohne Fremdeinwirkung, eben

freiwillig. Sie können insofern die erwünschte Hilfe auch jederzeit beenden, ohne

dass dies irgendwelche Folgen hätte. Zum anderen kommen die Menschen, die sich

freiwillig engagieren möchten, die ein für sie passendes Tätigkeitsfeld suchen,

freiwillig. Sie geben ihre Zeit, ihr Können und Wissen, stellen sich in ihrer Person, in

ihrem Sosein für andere zur Verfügung. Die Anderen sind die Familien, der Träger

des Projektes mit seinen Menschen, die Stadt, welche diese Hilfe will. Dies ist

Freiwilliges Engagement, zwar nicht im Sinne eines klassischen Ehrenamtes, in

welches ‚Mensch’ hinein gewählt wird und das längere Zeit an ihm haftet, dafür aber

in einer sich selbst verpflichtenden Form, welche jederzeit wieder beendbar ist.

Genau das ist ein Problem der Träger, die unterschiedliche Ressourcen in die

Akquise, Ausbildung und Begleitung investieren und von daher ein hohes Interesse

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entwickeln, die Freiwilligen zu binden. Dieses Interesse ist eine erste Schnittstelle

zum HRM.

b) Die Anbindung dieses Projektes an einen Träger der Kinder- und Jugendhilfe

erschwert für die Freiwilligen Helfer, die sich bürgerschaftlich engagieren möchten,

die Anbindung an die Organisation, weil sie diese in aller Regel nicht kennen und

weil eine Identifikation, mit ihnen unbekannten Werten, zunächst nicht gelingen kann.

Diese sind nicht nur nicht bekannt, sie lassen sich, für einen Außenstehenden, auch

nicht ohne weiters mal eben erschließen. Der Träger von FiS gehört keinem

Wohlfahrtsverband an, geschweige denn das er einer wäre. Träger, welche direkt der

DIAKONIE, dem DEUTSCHEN-ROTEN-KREUZ, dem DPWV, der CARITAS; der AWO,

dem Zentralverband der Juden unterstellt sind oder einer der großen Kirchen

angehören, um nur die wichtigste Verbände und Organisationen in der BRD zu

benennen, die das jeweilige, allgemein bekannte LOGO prangernd auf dem Briefkopf

und anderswo zeigen, haben es erheblich leichter, da ihnen bestimmte Werte a priori

unterstellt werden. Alle diese alten Organisationen verfügen an dieser Stelle über

einen enormen Ansehensvorsprung, man weiß dort eben einfach wofür die

Organisation steht und kann sich deswegen gezielt dort einbringen, weil der Glaube

an eine mögliche Identifikation mit dem (angenommenen) ‚Leitbild’ von vornherein da

ist und nicht erst mühsam erworben bzw. hergestellt werden muss. Ein Träger, der

keinem Wohlfahrtsverband angeschlossen ist, muss da erheblich mehr an Vorarbeit

leisten und muss nach gelungener Akquise erhebliche Anstrengungen unternehmen,

um die freiwillig engagierten Bürger einzubinden und zu halten. Das Projekt FiS ist

durch Dezentralität gekennzeichnet, es verteilt sich auf drei Stadtteilbüros, die nicht

strukturell miteinander verwoben sind, das bedeutet, dass es keinen strukturell

notwendigen Austausch zwischen den Freiwilligen gibt, sondern, dass ein solcher

Austausch hergestellt werden muss. Die Bedeutung eines solche Austausches, die

Konstruktion eines ‚Wir-Gefühls’, ist für die Bindung an die Organisation nicht zu

unterschätzen. Darüber und über den Wert der gemeinsam geleisteten Arbeit, ihren

Nutzen für die Familien und darüber hinaus, für die Stadtgemeinde, also die

Allgemeinheit, gelingt über vielfältige Formen von Anerkennung. Wenn diese nicht

per se vorhanden ist, weil die Verbundenheit mit einer Organisation, wie den oben

benannten, als Selbstverständnis nicht da ist, wird diese auf anderen Wegen

entwickelt werden müssen und zwar in erster Linie über das individuelle und doch

gemeinsame Tun, in zweiter Linie über eine Anerkennungskultur. Damit ist eine

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zweite Schnittstelle zum HRM benannt.

c) Wenn also nicht analog einer Bergpredigt auf eine solche gegründet werden kann,

kein wie auch immer gearteter Glaube trägt, keine ‚gemeinsame’ sozialistische

Geschichte vereint oder auf andere Wurzeln mehr zurückgegriffen werden kann,

aber trotzdem Sinn geschaffen werden muss, gelingt dies nicht nur über die Option

des Handelns, über das gemeinsame Tun, wie etwa in den Freiwilligen Feuerwehren,

in denen Gemeinsinn, Feiern und Freude am Nutzen für alle im Vordergrund stehen

sowie die unmittelbare Anerkennung der (Dorf-)Gemeinschaft, sondern gelingt dies

über eine Ethik das Handelns. Denn unmittelbare Anerkennung einer urbanen

Gemeinschaft bleibt vermutlich eher aus. Solcherlei Ethikarbeit ist Leitbildarbeit, ist

Sondierung ethischer Möglichkeiten des eigenen, gut gemeinten Tun, Entwurf von

Grenzen, Verständigung auf Menschenbilder, kritische Reflexion des Handelns und

seiner erlaubten Möglichkeiten, ist Diskussion und gemeinsames Ringen um zu

entwickelnder Standards – da hilft es wenig, programmatisch (humanistische)

Menschenbilder ins Programm zu schreiben. Diese gemeinsame Arbeit kennzeichnet

eine dritte Schnittstelle.

d) Die Bewegungen der freiwillig Engagierten im Projekt, also ihre Unmittelbarkeit,

ihre Freiheit vor Ort, ihre Möglichkeit sich als Werkzeug zu verstehen, mit alldem was

ihre Personen kennzeichnet, kurzum, ihre Autonomie, den hohen Grad an

Selbstverantwortung, verweist auf die Unzumutbarkeiten eines Projektes für dieses

Projekt, dass den Anspruch an sich stellt, nach einem bestimmten Wertesystem

aufzutreten und zu handeln. Der Frage nach einer verzahnten, in sich geschlossenen

Haltung, dem Wunsch, alle Mitglieder mögen doch nach gleichem Verständnis

handeln, wird sich ein Programm zwar stellen dürfen, es muss aber in Anbetracht der

Vielfalt menschlichen Denkens und Handelns Abstriche machen. Dass dies auch

nicht im Kontext christlichen Glaubens gelungen ist, beweisen die vielen Richtungen

und Gruppierungen in diesem Segment. Daraus lässt sich lernen. Was also kann FiS

tun, um den oben benannten Dingen zu begegnen? Dabei geht es nicht um

Vermeidung von Vielfalt, nicht um Nivellierung, sondern eher um die Schaffung eines

Kodex sowie einer Corporate Identity, eine vierte Schnittstelle ist damit benannt.

e) Will das Projekt FiS auch zukünftig erfolgreich wirken, benötigt es Menschen, die

sich engagieren. Solche Menschen müssen gefunden und gewonnen werden, sie

müssen angesprochen und überzeugt werden, sie müssen sich auch überzeugen

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lassen, müssen das Gefühl haben, dass dies nicht nur eine gute Sache ist,

sondern sie selbst auch etwas davon haben. Es geht um gegenseitigen Nutzen, um

gegenseitigen Gewinn. Dazu bedarf es spezifischer Beschaffungswege und in der

Folge um Auswahlverfahren, diese fünfte Schnittstelle wird im Kapitel D noch breiter

beleuchtet.

f) Eine sechste Herausforderung besteht darin, die gewonnenen Menschen derart zu

entwickeln, dass sie semiprofessionell tätig werden können. Dazu bedarf es

bestimmter Strukturen, Ausbildungsprogramme und Verfahren hinsichtlich

notwendiger Feedbacks. Im Kontext Freiwilligen Engagements sind Jahresgespräche

vermutlich eher obsolet, dennoch Entwicklungsgespräche mit gemeinsamer

Zielerarbeitung denkbar, deren Anerkennungsstruktur muss besonders deutlich

werden und die temporären Bestimmungen müssen passen und ggf. individuell

anders gefüllt werden.

g) Hieran schließt sich zwingend das Feld motivationaler Einflussnahme an, also die

Auseinandersetzung damit, wie Motivation gelingt. Im HRM gibt es, wie im Kapitel B

zu sehen war, unterschiedliche Ansätze, diese sind für das Feld des Freiwilligen

Engagement zu überprüfen (dies geschieht im Kapitel D 11.3).

h) Eine, an dieser Stelle, letzte Herausforderung für das Feld des freiwilligen

Engagements soll noch benannt werden, dabei handelt es sich um den Aspekt der

Führung. Das Projekt FiS ist in dieser Hinsicht nicht untypisch, es verfügt über

Merkmale wie die Einbindung in organisationale Kontexte, Zielformulierungen,

definierte Werte, strukturierte, professionelle und halbprofessionelle Arbeit,

Ansprüche hinsichtlich Ergebnisorientierung, (existenzielle) Nachweis-

verpflichtungen, vereinbarte Leistungsrahmungen, Team- und Gruppenorientierung

u.a.m. Diese Merkmale verweisen auf die Existenz von Organisationsebenen,

Hierarchien, Planungswesen, Ausführungsebenen, Kontrollinstrumenten,

Berichtswesen, Steuerungs- und Lenkungsfunktionen usw., allein diese Aufzählung

weist auf die Existenz von Führung hin. Wie ist das mit Freiwilligem Engagement

vereinbar?

In diesem Kapitel konnte zunächst nachgespürt werden, was unter Frühen Hilfen

derzeit verstanden wird, warum es sie gibt und wie sie entwickelt wurden bzw. noch

werden. Daneben konnte an einem konkreten Beispiel und mit Hilfe der Ergebnisse

einer Erhebung gezeigt werden, welche Elemente des HRM dort Bedeutung

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gewinnen. Damit wurden die Grundlagen gelegt, um im folgenden Kapitel den

anfangs benannten Fragestellungen nachzugehen.

D HRM ein Gestaltungsinstrument für Profession und freiwilliges

Engagement?

10. HRM im Kontext von Freiwilligem Engagement

„Alles, was mehr aus uns macht, ist Gnade für uns.“ Rainer-Maria Rilke

Diese Aussage schlägt eine Brücke zwischen den beiden Bereichen, die doch sehr

unterschiedlich sind, aber dennoch aufeinander bezogen. Unterschiedlich sind sie

bereits in ihrer gesellschaftliche Zuordnung, während Freiwilliges Engagement eine

gesellschaftliche Querschnittsaufgabe darstellt, die im Grundsatz alle Menschen

unseres Staatswesens anspricht, quer durch alle (soziologisch beschriebenen)

Gesellschaftsschichten, in den unterschiedlichsten Betätigungsfeldern möglichen

Engagements und in je unterschiedlicher Intensität, meint HRM etwas Spezifisches,

das sich ausschließlich in organisationalen Zusammenhängen aufspüren lässt und

insofern etwas exklusives und nicht für jedermann Zugängiges darstellt.

Beides aber gereicht, im Sinne Rilkes, dem Menschen zur Gnade, da es den Keim

zur weiteren individuellen Entfaltung in sich trägt. Während im Freiwilligen

Engagement eines Menschen, dieser über sich hinauswachsen kann, sich neue

Felder erschließt, neue Erfahrungen macht, neues Wissen generiert, neue soziale

Kontakte knüpft, sich neu und anders erfährt, wachsen ihm gewissermaßen Flügel,

welche es ihm ermöglichen, über das bisher Gewesene hinwegzuschweben, ohne es

ablegen zu müssen. Die Idee der Rollenkonzepte erlaubt es ihm in unterschiedlichen

Rollen zu verweilen und diese dennoch in seine Persönlichkeit integrieren zu

können. Diese neuen Erfahrungen, geknüpft an veränderte Selbstwahrnehmung,

erlaubt es dem Menschen „mehr aus sich zu machen“, über sich hinauszuwachsen,

zwar kein Anderer, aber anders zu werden. Unter dem Begriff des HRM lässt sich

viel fassen, wie dies im Kapitel B beschrieben wurde, dennoch trägt es sowohl

organisatorische -, als auch individuelle Wachstumspotentiale in sich. Weil HRM

unter anderem auch Personalentwicklung meint, weil es Rückmeldungs- und

Anerkennungsverfahren entwickelt, weil es sich an unterschiedlichen Zielebenen

orientiert, spricht es stets Wachstumspotentiale an, insofern trägt auch dieser

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Ansatz, als Gedanke, Idee, Leitlinie, Konzept, die Möglichkeit in sich „mehr aus

sich zu machen“.

Dieser individuelle Aspekt ist die eine Seite der Münze, die andere Seite bezieht die

Allgemeinheit ein. Es geht nicht um individuelles Wachstum, nur des Wachstums

wegen, sondern immer ist damit ein Wachstumsnutzen angesprochen, welcher über

das Individuum hinausgeht. Freiwilliges Engagement geschieht nicht nur zum

Selbstzweck, sondern geschieht im Spiegelbild des Anderen, es leistet eine

Gemeinwohlaufgabe, dient der Gemeinnützigkeit im weitesten Sinne, ist Dienst am

Nächsten215, ganz gleich wo es stattfindet. Im HRM geschieht alles individuelle

Wachstum für den Nutzen der Organisation, allerdings auch hier nicht zum

Selbstzweck derselben, denn diese hat Aufgaben (Dienstleistungs- oder

Produkterstellung) in den Gesellschaften zu erfüllen, für die sie konstruiert wurde.

Die Differenz besteht in der unterschiedlichen Gewichtung der Gewinnabsicht. Dabei

darf nicht verkannt werden, dass Gewinne auf beiden Seiten intendiert sind, während

ein Wirtschaftsunternehmen, um zu überleben, mindestens kostendeckende

Einnahmen erwirtschaften muss, darüber hinaus aber bestrebt ist einen monetären

Mehrwert zu erzielen, will eine gemeinnützig wirkende Institution nicht nur

gleichermaßen ihre Kosten decken, sondern zusätzlich einen ideellen Mehrwert

herstellen, der als Nutzen für die Allgemeinheit bezeichnet werden kann. In

Organisationen eingebundenes Freiwilliges Engagement (er-)schafft solchen

Mehrwert.

11. Differenzen zum Professionskontext

11.1 Wirtschaftlich arbeitende Unternehmen, also alle Organisationen, welche

Kosten verursachen und diese über Einnahmen decken, benötigen Menschen, die

für sie tätig werden und zwar unter Bedingungen gemeinsamer Absprachen,

gemeinhin als Personal bezeichnet. Der Mensch, der zum Personal wird, wird dies in

einer ihm zugewiesenen Rolle und Funktion. Diese funktionale Zuweisung basiert auf

einer Vertragsgestaltung, die in aller Regel auf gesetzlichen, verfahrensrechtlichen

sowie tariflichrechtlichen Grundlagen ruht, insofern ist diese nicht frei gestaltbar, d.h.

215 Solch ein Dienst kann mittelbar oder unmittelbar geleistet werden, denn dieser Dienst am Nächsten kann

sich auch auf Umwegen zeigen, so leistet auch ein unbezahlter, freiwillig arbeitender Vogelwart im

Wattenmeer einen indirekten Dienst am Nächsten, wenngleich er mit einem anderen Menschen, während

seines Dienstes, in keinen Dialog eintritt.

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162

Rechte und Pflichten sind für beide Seiten definiert. Als zu Personal gewordene

Person unterstellt er sich diesen Regeln, füllt seine Rolle und Funktion aus, ganz

gleich mit welcher Identifikation, Neutralität oder Ablehnung er diesen Job verrichtet

– er leistet ihn gegen Entlohnung, die wirtschaftlichen Verhältnisse erzwingen

gewissermaßen diese Rollen- und Funktionsübernahme (im Idealfall decken sich die

betrieblichen Erwartungen mit den persönlichen Ansprüchen, dies kann aber nicht

erwartet werden). Derart betrachtet ist der Begriff der Personalbeschaffung

angemessen. Das HRM hat für diesen Bereich unterschiedliche Verfahren entwickelt,

diese wurden im Kapitel B dargestellt.

Anders verhält es sich beim Freiwilligen Engagement, denn die freiwillig agierende

Person kommt mit ihrer Persönlichkeit als Ressource. Sie will sich mit ihrem Sosein

einbringen, sich für eine selbst gewählte Aufgabe zur Verfügung stellen. Sie

bestimmt selber den Umfang ihrer Tätigkeit, den Beginn und das Ende. Sie erhebt

den Anspruch auf freie Selbstbestimmung. Ihr Engagement unterliegt keinen

normierten, gesetzlich definierten, tariflichen Regelungen216. Die Gewinnung solcher

Personen ist schlecht steuerbar, es gibt keine normierten Verfahren, sondern nur

Erfahrungswerte, die in Seminaren, schriftlichen Empfehlungen u. dgl. m.

weitergegeben werden. Insofern ist der Begriff des Akquirierens von Menschen

angemessener, denn diese werden nicht systematisch beschafft, sondern tatsächlich

gewonnen. Menschen die von sich aus, des Projektes und ihres Engagements

wegen kommen, sind gleichermaßen, wie diejenigen Menschen, welche durch

Akquiseanstrengungen gewonnen werden können, ein Geschenk. Sie sind es, weil

sie sich (ver-)schenken, indem sie ihre individuellen Möglichkeiten, ihre

Persönlichkeit, ihre Zeit u.a.m. im Grundsatz kostenlos zur Verfügung stellen.

11.2 Vermutlich kommen sich die Bereiche des HRM und des Freiwilligen

Engagements in den Inhalten, die sich hinter dem Begriff der Personalentwicklung

(PE) verbergen, am nächsten. Zwar passt die Begrifflichkeit des Personals nicht zum

Freiwilligen Engagement, aber ersetzte man diesen gegen den Begriff der

>Entwicklung menschlicher Ressourcen<, was der Intention des HRM entgegen

käme, würde deutlicher, welche Intentionen damit verbunden sind. Es bleibt aber die

Frage nach der jeweiligen Absicht bzw. dem Interesse.

216 Mit Ausnahme eines gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes in gemeinnützig anerkannten

Organisationen.

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>„Personalentwicklung bedeutet eine systematische Förderung und Weiterbildung

der Mitarbeiter. Dazu zählen sämtliche Maßnahmen, die der individuellen beruflichen

Entwicklung der Mitarbeiter dienen und ihnen unter Beachtung ihrer persönlichen

Interessen die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Qualifikationen

vermitteln“< (Menzel a.a.O. S.2217). Diese Aussage verdeutlicht, worum es einem

Unternehmen geht, es sollen die erforderliche Qualifikationen vermittelt werden,

damit die betrieblichen Aufgaben reibungslos erfüllt werden können. Selbstredend

stehen die Ziele des Unternehmens im Fokus, nicht die persönliche Verwirklichung

der/des jeweiligen Mitarbeiterin/Mitarbeiters. Staehle verdeutlicht dies unverblümt, in

dem er formuliert, dass sich solche Sichtweise nur unzureichend mit der Praxis

deckt, denn „Mitarbeiterziele werden in der Regel nur insofern und insoweit

berücksichtigt, als sie nicht der Erreichung der Unternehmensziele entgegenstehen“

(Staehle 1999 a.a.O. S.873). Das originäre Interesse eines Unternehmens ist sein

Überlebensziel, dem ordnet sich auch die PE unter, eine solche Intention aber ist

nicht schon deswegen verwerflich, weil sie nicht den individuellen Mitarbeiter in den

Mittelpunkt rückt, sondern ihr Überleben (oder Wachstum). Dennoch rückt das

Personal zentral ins Blickfeld, ist es doch die Instanz, welche den Erfolg des

Unternehmens sichert. PE hat unterschiedliche Funktionen, sie kann sowohl

berufsvorbereitend, als auch berufsbegleitend stattfinden und sie kann drittens

berufsverändernd notwendig werden (vgl. ausführlicher B 6.2). Grundlagen für PE-

Maßnahmen sind zum einen die unternehmerischen Planungen hinsichtlich künftiger

Märkte, modernerer Produktionstechnologien, neuer strategischer Ausrichtungen,

notwendiger Change-Prozesse, der Mitarbeiterplanungen der Abteilungen oder

strategischer Geschäftseinheiten und der MA-Planungen insgesamt, wozu auch

Karriereplanungen und/oder Laufbahnplanungen gehören, andererseits ist es der

Abstimmungsprozess mit dem jeweiligen Mitarbeiter, der jeweiligen Mitarbeiterin.

Damit sind die Absichten und Interessen aus Unternehmersicht skizziert.

Die Perspektive einer gemeinnützigen Organisation, die innerhalb ihrer Strukturen

Projekte zum Nutzen der Allgemeinheit vorantreiben will, erstellt mit diesem Wirken

eine Dienstleistung für eine je spezifische Gruppe der Gesellschaft. Im Unterschied

zu ihren professionellen Abteilungen wird diese Dienstleistung nicht von Personal

erfüllt, sondern von Menschen, die sich freiwillig engagieren. >‚Die Entwicklung

217 Menzel, W.: Personalentwicklung. Erfolgreich motivieren, fördern und weiterbilden. München 2005

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menschlicher Ressourcen bedeutet eine systematische Förderung und

Weiterbildung. Dazu zählen sämtliche Maßnahmen, die der individuellen Entwicklung

der Freiwilligen dienen und ihnen unter Beachtung ihrer persönlichen Interessen die

zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Qualifikationen vermitteln’<. Diese

minimal abgewandelte Definition von Menzel, die wir weiter oben in Bezug auf

Personal vorfinden, verdeutlicht, wie mit wenigen Veränderungen ein ähnlicher

Sachverhalt formuliert werden kann. Die Absicht und das Interesse einer

gemeinnützig tätigen Organisation, entfernt sich nicht allzu weit von anderen

Unternehmen, in Bezug auf ihr Tätigkeitsfeld mit freiwillig Engagierten verhält es sich

nicht anders. Auch hier wird eine Dienstleistung erstellt, die in möglichst

gleichbleibender Qualität für die Nutzer dieser Leistung erbracht werden soll, insofern

ist die Entwicklung der Freiwilligen daraufhin ausgerichtet. Wenn dies transparent ist

und sich mit dem Interesse der Freiwilligen deckt, gewinnen beide Seiten. Der

Unterschied ist, dass die Entwicklung der freiwilligen Helfer nicht verordnet werden

kann und sich als Zielformulierung im Protokoll eines Jahresgespräches

niederschlägt, sondern, dass stets ein gemeinsamer Aushandlungsprozess im

Vordergrund steht und niemand zur Entwicklung verpflichtet werden kann.

11.3 Gibt es eine Differenz zur Motivation und zum Commitment in personalen

Strukturen zu solchen in freiwilligen Kontexten? Betrachtet man die im Kapitel B

dargestellten Theorien, Modelle, Annahmen, so wird deutlich, dass diese zunächst

nicht auf Organisationen beschränkt sind. Motivation entsteht oder entwickelt sich,

wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind und zwar nicht in jedem Fall

kontextgebunden im Hinblick auf Organisationen. Motivation ist beeinflusst von

personengebundenen Bedingungen, wie auch von äußeren Rahmenbedingungen.

Sie lässt sich von außen beobachten, Verhaltensergebnisse lassen sich beurteilen,

sie lässt sich möglicherweise physiologisch messen und durch Introspektion

feststellen – nichts davon aber erklärt wie sie entsteht, sondern bestenfalls ob sie

vorhanden ist. Für den Bereich der Freiwilligen Engagement ist solche

Motivationsmessung eher irrelevant, denn wer nicht motiviert ist, kommt nicht oder

geht. Interessanter ist deswegen ihr Entstehungsprozess, wie lassen sich Menschen

für etwas interessieren, wie lässt sich aus einem entfachten Interesse eine

Begeisterung für eine Sache entwickeln, wie entsteht aus einer Begeisterung

Überzeugung und aus Überzeugung die Stärke und Ausdauer, die es benötigt um

lang andauernd, trotz möglicher Rückschlägen, motiviert bei der Sache zu bleiben.

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Wie unterstützt man Menschen darin einen Entschluss zu fassen, also ihren

Rubikon zu überschreiten (vgl. Volitionsmodell in B 6.3). Gemäß der Maslowschen

Bedürfnispyramide ist bei den freiwillig Engagierten vermutlich davon auszugehen,

dass deren Grundbedürfnisse (in Bezug auf Körperlichkeit, Sicherheit, soziale

Beziehungen) befriedigt sind, so dass diese nun nach sozialer Anerkennung und

Selbstverwirklichung streben, aber nicht alle Menschen, deren Grundbedürfnisse

befriedigt sind, entwickeln freiwillige Ambitionen im sozialen Sektor. Viele gehen

andere Wege der Selbstverwirklichung oder Transzendenz. Die Zwei-Faktoren-

Theorie von Herzberg verweist in erster Linie auf die intrinsischen

Bewertungskategorien der Menschen, denn was zufrieden oder unzufrieden macht

bzw. was Unzufriedenheit abstellt, aber dennoch nicht Zufriedenheit herstellt, ist von

außen nicht herstellbar. Die Leistungsmotivationstheorie verweist uns lediglich auf

drei unterschiedliche Motivationsarten (Leistungsstreben, soziales Streben und

Machtstreben). Jede Form von Motivation scheint an Ziele geknüpft, schließlich ist

man auf etwas hin motiviert, will etwas erreichen bzw. bewirken, wobei die Stärke der

Motivation von der Zielvalenz abhängig ist, so zumindest die Annahmen der

Zieltheorie (vgl. Locke, B 6.3). Inwieweit Umweltfaktoren und im Individuum ruhende

Bedingungen im Wechselspiel dieser Kräfte wirken, sich beeinflussen, bleibt

unscharf. Theorien und Modelle erfüllen für diesen spezifischen Bereich stets nur

punktuelle Erklärungen, gleichen eher einem Puzzle.

Was einen Menschen wann, wie, wofür motiviert, ist in Teilbereichen möglicherweise

zu erkennen (durch Beobachtung oder Selbstbeobachtung), aber nicht planbar, es

lässt sich nicht festschreiben. Und dennoch ergibt sich eine Ursachendifferenz

zwischen Freiwilligem Engagement und Professionskontext, der Unterschied wird

sichtbar dadurch geprägt, dass jemand, der sich freiwillig engagieren möchte, nicht

nur bereits seinen Rubikon überschritten hat, sondern darüber hinaus, ohne

organisatorisches Einwirken, sich autonom Ziele setzte und nun eine dafür passende

Institution/Organisation wählt. Verändern sich die Ziele, so wird er eine andere, dazu

passende Organisation wählen, d.h. dieser Mensch ist nicht nur frei in seiner

Zielbestimmung, sondern auch in der Wahl seiner Mittel zur Zielerreichung. Die

Tatsache seines konkreten Engagements ist ein Hinweis auf eine hohe Zielwertigkeit

(Valenz). Interessanterweise darf davon ausgegangen werden, dass er in Hinblick

auf seine Anstrengungs- und seine Leistungsbereitschaft bereits eine hohe

Motivation mitbringt, die zunächst nicht abhängig scheint von einer entsprechenden

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(extrinsischen) Belohnung, welch in der Folge Zufriedenheit herstellt (gem. dem

Motivationsmodell von Porter/Lawler a.a.O.). Die Belohnung erfolgt über sein Tun.

Der Freiwillige kommt mit einem Auftrag an sich selbst und an die Organisation, er

will Handeln, will etwas bewegen, bewirken, verändern, wenn ihm das gelingt, erfährt

er über das Gelingen bereits Anerkennung. Diese wird im sozialen Kontext des

Handelns durch die Gemeinschaft der Handelnden und deren Ergebnisbewertungen

verstärkt.

Commitment entwickelt sich im professionellen Bereich über die Möglichkeit der

Identifikation mit dem Leitbild, den Zielen, dem Handeln einer Organisation, wobei

die Unterscheidung von affektivem-, normativen- und fortsetzungsbezogenem

Commitment getroffen werden kann (vgl. hierzu B 6.3). Ein stabiles Commitment

scheint die Bindung an die Organisation zu festigen, insofern bekommt es Bedeutung

für Organisationen, welche Menschen an sich binden wollen. Der Unterschied tritt in

der Differenz der Commitment-Formen zutage. Organisationen, die mit Freiwilligen

arbeiten und umgekehrt, werden ein hohes Interesse am affektiven Commitment

entwickeln, also an emotionaler Bindung, die zu einem quasi familiären Gefühl führen

kann, so dass der Freiwillige ‚Teil dieser Organisationsfamilie’ wird. Ein normatives

Commitment, welches eine organisationale Bindung anspricht, die moralisch

determiniert ist („die Org. hat mir meine Ausbildung finanziert, da kann ich nicht so

einfach das Handtuch werfen“) ist eher nicht von Interesse, da der Freiwillige, derart

gebunden, sich nicht mehr im Sinne der Zielerreichung engagieren wird. Eine Form

der gegenseitigen Kostenabwägung, wie im fortsetzungsbezogenen Commitment,

darf im Freiwilligen Engagement getrost ausgeklammert werden. Spannender ist die

Frage, ob sich Commitment herstellen lässt oder ob es derjenige, der es hat, nur aus

sich selbst heraus erwerben kann. Wenn sich jemand an eine Organisation bindet,

weil er diese in ihren Zielen und in ihrem Handeln gut findet (Commitment entwickelt)

und/oder diese als Familie erlebt, ‚Wir-Gefühle’ entwickelt (Identifikation herstellt), tut

er dies zunächst aus sich selbst heraus - möglich ist dies prinzipiell in jeder

Organisation. Allerdings bedarf es zur Identifikation über soziale Bindungen eine

ausgeprägte informelle Kultur in Wirtschaftsunternehmen, während diese für die

Commitmentbildung nicht notwendig ist. In Handlungsfelder des Freiwilligen

Engagements ist diese informelle Kultur Bestandteil der Organisation (zumindest in

diesem Bereich der Org.), anders wäre ein Zusammenkommen und gemeinsames

freiwilliges Arbeiten schwer vorstellbar. Freiwilliges Engagement verlangt in beinahe

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allen Bereichen nach sozialen Kontakten und sozialer Anerkennung – ja wird

überwiegend deswegen geleistet (vgl. auch Abb. 20 S.148). Insofern ist im Kontext

Freiwilligen Engagements die Identifikation mit der Organisation möglicherweise

höher als das Commitment.

11.4 Besteht im Hinblick auf Freiwilliges Engagement Führungsnotwendigkeit und

wenn ja, wie führt man Freiwillige? Der erste Teil der Frage lässt sich nicht

uneingeschränkt mit einem ‚Ja’ beantworten, ist die Beantwortung dieser Frage doch

abhängig vom Hintergrund des Engagements. So gibt es basisdemokratische

Engagementbereiche, die explizite Führung nicht benötigen. Diese Formen lassen

sich beispielsweise in vielen Bürgerinitiativen und anderen

Interessengemeinschaften unterschiedlichster Couleur finden (Attac-Deutschland

steht exemplarisch dafür). Daneben gibt es ‚klassische’ Engagementbereiche, die

quasi paramilitärisch organisiert sind, die sicherlich eindrucksvollsten Beispiele

hierfür sind die Freiwilligen Feuerwehren oder das Technische Hilfswerk. Zwischen

den Feuerwehren und Attac ist das Spektrum breit, obgleich die Wahrscheinlichkeit,

dass eine Feuerwehrfrau gleichzeitig auch Mitglied in Attac ist, relativ groß scheint.

Diese Formen widersprechen sich nicht, sie sind auch keine Frage der Gesinnung,

sondern der organisatorischen Notwendigkeit (man stelle sich nur einen Feuerwehr-

oder Katastropheneinsatz vor, der basisdemokratisch organisiert wird).

Wohlfahrtsverbände, Kirchen und andere gemeinnützigen Organisationen, welche

orientiert an konkreten Projekten, im Rahmen einer Managementplanung definierte

Ziele verfolgen, den Zielerreichungsgrad kontrollieren, Qualitätsstandards wollen und

regelnd eingreifen, kommen nicht umhin Führung zu wollen und diese zu

implementieren. Was aber trennt Führung in Personalorganisationen von

Organisationen des Freiwilligen Engagement? Das die zuletzt genannte Organisation

ganz häufig auch eine Organisation der Personalwirtschaft ist, darauf wurde bereits

verwiesen, heißt das aber auch, dass sie Führung möglicherweise unterschiedlich

handhaben und herstellen muss?

Führung, daran sei erinnert, scheint ein sehr altes Konstrukt der Menschheit zu sein.

Der Konstruktbegriff verweist darauf, dass sie hergestellt werden muss. Sie ist ein

soziales Konstrukt, welches zum (Über-)Leben Akzeptanz benötigt218. Für Führung,

218 Ohne soziale Akzeptanz bildet sich Widerstand, Rebellion, Umsturz u. dergl. m., Führung gelingt auf Dauer

nur im sozialen Einverständnis aller Beteiligten (der Führer und der Geführten).

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dies konnte oben differenziert gezeichnet werden, gibt es kein zentrales Konzept

(vgl. B 6.4.2). Jenseits aller Annahmen, was Führung ist und wie sie funktioniert,

bleibt im Konkreten nur die gegenseitige Verständigung darüber, also ein

Aushandlungsprozess. Dieser erfolgt nicht immer explizit, schließlich wird in allen

Organisationen täglich irgendwie geführt und dennoch bestimmen reziproke

Wirkungen zwischen Umwelteinflüssen und der Organisation sowie zwischen den

Geführten und den Führern, die ‚Art und Weise’ von Führung. Die Aussage also,

dass Führung allerorten doch da ist und sich tagtäglich behaupten muss, darf nicht

darüber hinwegtäuschen, dass diese nicht statisch ist, sich also ständig verändert

und entwickelt. Diese Veränderungsdynamik betrifft sowohl das Individuum als

Führender, wie auch die Organisation selbst (schließlich besteht diese aus

Individuen). Die Führungskonzepte von Organisationen verändern sich allerdings

nicht nur deswegen, weil sich Individuen in ihnen verändern (interne Dynamik),

sondern auch weil Einflüsse von außen, aus Forschung und Beratung auf sie

einwirken (externe Dynamik). Insofern lässt sich behaupten, gibt es hinsichtlich eines

Führungsanspruches, einer Führungsnotwendigkeit und seiner Umsetzung

(konzeptuell und in Bezug auf Aushandlungsprozesse) in der Personalwirtschaft und

vor dem Hintergrund Freiwilligen Engagements keine Differenz. Das überrascht nur

auf den ersten Blick, gibt es doch Unterschiede im Selbstverständnis und seiner

Umsetzung. Denn die oben angesprochene Reziprozität zwischen den Freiwilligen

und ihren Führern, ganz gleich, ob diese professionell agieren oder gleichermaßen

freiwillig, bestimmt in einer inneren Dynamik den Aushandlungsprozess. Das

gesellschaftliche und individuelle Selbstverständnis Bürgerschaftlichen

Engagements, nimmt als externe Dynamikgröße gleichermaßen unmittelbaren

Einfluss auf die Art des organisationalen Führungsselbstverständnisses in diesem

Feld. In vorliegenden Forschungen zu Führung im Bereich Freiwilliger, lässt sich

ablesen wer führt, aber nicht wie geführt wird (vgl. A 3.4). Beher et al. (a.a.O.) zeigen

im Rahmen ihrer Forschungsarbeit die Weiterbildungswünsche von Führern in dem

Segment gemeinnütziger Organisationen, sie unterscheiden dabei zwischen

hauptamtlichen - und ehrenamtlichen Führern. Daraus ließen sich Rückschlüsse

ziehen, was aus Sicht der Führenden denselben an (Führungs-)Können und

(Führungs-)Wissen fehlt. Folgende Tabelle gibt die Wünsche in Prozentangaben

wieder:

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Weiterbildungswünsche hauptamtlich ehrenamtlich

Inhaltliche Weiterbildung im Aufgabenfeld der Organisation

Öffentlichkeitsarbeit (PR, Außenvertretung, Repräsentation)

Förderung ehrenamtl. Engagements/ Freiwilligenmanagements

Projektmanagement

Interessenvertretung, Kontaktaufbau und –pflege

Leitbildformulierung und strategische Planung

Finanzen (Controlling, Kostenrechnung, Fundraising)

Sitzungsplanung/ Moderation

50,4

46,7

33,6

54,2

39,0

41,7

46,9

29,8

59,3

56,7

55,3

45,4

49,5

42,8

34,6

28,6

Abb.: 31 Beher et al. a.a.O. S. 177

Die genannten Fortbildungswünsche der Führenden beziehen sich in nur einem

Punkt, nämlich dem Wunsch zur Thematik des Freiwilligenmanagements, auf

explizites Führungshandeln, alle anderen genannten Bedarfe spiegeln andere

Bereiche, die nicht originär mit Führungshandeln befasst sind, sondern Wissen und

Können um Führung herum meinen.

Betrachtet man die Zukunftssorgen der Führenden, so steht auch dort nicht

erkennbar die Sorge um die ‚richtige’ Art des Führens im Fokus, sondern es sind

ganz andere Dinge wie: Erschließung neuer Finanzquellen, Gewinnung von

Freiwilligen, mangelnde politische Unterstützung, zunehmende Bürokratisierung und

wachsender Konkurrenzdruck (vgl. ebd. S. 184).

Dabei ist die Art und Weise des Führens von zentraler Bedeutung für den Verbleib

der gewonnenen Freiwilligen sowie für zukünftige Gewinnung derselben. Die Sorge

vor der Konkurrenz wird vermutlich erst dann erdrückend, wenn die Freiwilligen

gehen und Neue nicht kommen, wenn das Tätigkeitsfeld brach liegt, das Renommee

schwächelt und Gelder in der Folge nicht mehr fließen.

12. Erfahrungen im Programm FiS

In diesem Projekt werden aktuell (Herbst 2009) zeitgleich etwa 90 Familien begleitet,

dazu stehen 38 ausgebildete freiwillige Assistentinnen zur Verfügung, weiter 20

wurden gewonnen, werden parallel eingeführt und ausgebildet. Zwar sind diese

Freiwilligen auf drei Stadtteilbüros verteilt, dennoch müssen in jedem Stadtteilbüro

rechnerisch ca. 13 Assistentinnen und künftig vermutlich 19 koordiniert, beraten,

begleitet, angeleitet, geführt werden. Wie gelingt dies in diesem Projekt? Mit Blick auf

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die Umfrageergebnisse (vgl. C 8.4.4) wird erkennbar, dass die Zufriedenheit der

Assistentinnen mit ihren Teamerinnen mit über 80% angegeben wird, weiter 13%

sind zumindest zufrieden. Ähnlich verhält es sich mit dem Aspekt der Ausbildung und

auffallend zufrieden sind die Assistentinnen mit ihrer Tätigkeit in den Familien, ihren

Möglichkeiten dort fachlich zu agieren und mit den Auswirkungen ihres Handelns.

Diese freiwillig engagierten Menschen kamen in erster Linie um ‚etwas Sinnvolles tun

zu können’ und um ‚Kontakt zu anderen Menschen zu haben’; erst danach folgte der

Wunsch ‚anderen helfen zu können’ und sich ‚weiterzubilden’, das Leit- und

Menschenbild des Programms rangierte immerhin noch auf Platz 5 der Liste und

hatte damit die gleiche Bedeutung wie der Wunsch nach ‚Einbindung in

Teamstrukturen’. Gleichzeitig liegt der Mittelwert (Median) ihrer Zugehörigkeit bei 16

Monaten, wobei 14 Assistentinnen 24 Monate und länger im Projekt sind, das

verweist auf relative Stabilität der Zugehörigkeit. Im Kapitel C 9. wurden acht

Herausforderungen beschrieben, auf die an dieser Stelle eingegangen werden soll.

Benannt wurden: a) Bindung der Freiwilligen; b) Annerkennungskultur; c)

Leitbildarbeit; d) Corporate Identity; e) Gewinnung Freiwilliger; f) Entwicklung der

Freiwilligen; g) Motivation; h) Führungsverständnis.

a) Oben wurde bereits ausgeführt, dass die Dauer des Verbleibs im Projekt,

insbesondere im Vergleich zum zeitlichen Bestand des Projektes (38 Monate), relativ

hoch ist. Was hält die Menschen dort? Betrachtet man die Wünsche der Freiwilligen

(s.o.), so werden diese offensichtlich im Projekt erfüllt, d.h. die Erwartungen der

Menschen decken sich mit dem, was sie dort vorfinden. Die Freude am Handeln, das

Erleben von (scheinbarer) Effizienz des Handelns scheint ein zweiter Faktor zu sein.

Die unmittelbare Rückmeldung aus den Familien, wie es der Fragebogen aufzeigt,

aber auch der Evaluationsbericht Gehrmanns (s. Kundenzufriedenheit), die positive

Verstärkung durch die Teamerinnen (vgl. Erhebungsauswertung in C) und die

offensichtlich vielen positive Rückmeldungen aus dem persönlichen Umfeld sowie zu

guter Letzt, die als wichtig beurteilte Aufwandsentschädigung, sorgen offensichtlich

für ein hohes Zufriedenheitsgefühl im Projekt. Dies wird ergänzt durch die positive

Beurteilung der Schulungen, deren Inhalte für die praktische Arbeit sowie die

angenehme Atmosphäre. Da auch die Einbindung ins Team von 84% der Befragten

als positiv eingeschätzt wurde, erfüllt sich auch an dieser Stelle die Erwartung von

positiven sozialen Kontakten, diese werden gleich dreifach erfüllt: im Team, in den

Familien und durch die Teamerinnen. Bindungsfaktoren, so lässt sich wohl sagen,

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wären damit Zufriedenheit mit dem Engagementfeld, den Auswirkungen des

eigenen Handelns (Selbstwirksamkeit), der sozialen Einbindung (in die Organisation)

und positive Rückmeldungen hinsichtlich des Engagements.

b) Von einer Annerkennungskultur lässt sich dann sprechen, wenn über ein solches

Kulturverständnis Einigung erzielt wurde und dies im Anschluss etabliert werden

kann und zwar in der gesamten Organisation (nicht nur bezogen auf ein Projekt oder

gar nur ein Stadtteilbüro). Das setzt einen aktiven und offensiven Diskurs voraus, der

zu einem Ergebnis führen muss, dass dann von allen gleichermaßen getragen wird.

Derart betrachtet existiert eine Anerkennungskultur im Projekt FiS (noch) nicht.

Anerkennungsansprüche bzw. Forderungen, sind im Leit- und Menschenbild des

Programms verankert, insofern sind sie Bestandteil des Projektes, allerdings eben

nicht im Sinne eines lebendigen Diskurses, der auch Anpassungsprozesse und

Weiterentwicklungen ermöglicht (vgl. 8.2) und nicht im Sinne einer

Unternehmenskultur. Das dennoch mehrschichtig Anerkennung existiert und im

Projekt wirkt, ließ sich weiter oben zeigen, dies bedeutet zunächst scheinbar einen

Widerspruch zu der Forderung nach einer Kultur der Anerkennung in der

Organisation, der allerdings lässt sich insofern auflösen, als dass die praktische

Wirksamkeit von Anerkennung im Feld, wenn sie denn dort erfolgt, nicht gleich zu

setzten ist mit systematischer Entwicklung und Absicht einer solchen

Anerkennungsinstrumentes in einer Organisation. Anders gesagt: will man das

Funktionieren von Anerkennung nicht dem Zufall überlassen, so kommt man um die

(gemeinsame) Entwicklung eines solchen Instrumentes nicht herum.

c) Eine Leitbildarbeit stand am Anfang der Programmentwicklung von FiS, allerdings

war diese Arbeit auf die Programmväter (Gehrmann et al.) beschränkt, diese

wiederum haben im Rückgriff auf andere Modelle (‚Home-start’, ‚Emma’) Anleihen

genommen. Insofern ist zwar ein Leitbild determiniert, es kam nur bislang über diese

Festschreibung nicht hinaus, es wurde bisher nicht (weiter-)entwickelt, sondern

gewissermaßen tradiert. Dabei bleibt die Frage unbeantwortet, ob Leitbildarbeit im

Projekt, als lebendiger Prozess aller Interessierten, möglich ist, wenn diese Arbeit

nicht vorab für die Organisation selbst geleistet wurde? Muss sich nicht ein

projektbezogenes Leitbild in ein organisationales Leitbild (inhaltlich) eingliedern

lassen?

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d) Eine Corporate Identity soll verdeutlichen, ‚wer wir sind’ (vgl. Vahs 2007219).

FiS ist ein patentiertes Programm, es verfügt über ein eingetragenes (geschütztes)

Logo, ist darum bemüht, analog einer personalen Identität, stets erkannt zu werden,

also über eine Corporate Identity zu verfügen. Dazu gehört ein Corporate Design,

also eine einheitliche Farbgestaltung auf Flyern, Postern, Stellwänden und Schirmen

sowie anderen Werbeträgern. In diesem Zusammenhang wäre auch ein einheitliches

Erscheinungsbild der Menschen von erheblicher Bedeutung. Alle FiS Assistentinnen

und die Teamerinnen wären beispielsweise an einem identischen Halstuch bzw.

Schal, Mütze, T-Shirt, Pullover, an einheitlich gestalteten Arbeitstaschen (ob City-

Rucksäcke oder wahlweise Stofftaschen) usw. erkennbar. Ein solch erweitertes

Corporate Design wurde bisher nicht umgesetzt. Allerdings wurden und werden die

Werte, das Leitbild, wird das Verhalten, werden Umgangsformen in den Schulungen

thematisiert und in Rollenspielen trainiert, so dass sich eine Programmkultur, im

Sinne eines Corporate Behaviour entwickelte. Erhebliche Anstrengungen sind noch

im Bereich des Public Relations zu entwickeln und zwar im Sinne der Einbeziehung

aller beteiligten Stakeholder. Dies betrifft die persönliche und nicht persönliche

interne Öffentlichkeitsarbeit (informelle und formale Zusammenkünfte; regelmäßige

Beteiligung an der internen Betriebszeitung u.a.m.) ebenso wie die persönliche und

nicht persönliche externe Öffentlichkeitsarbeit (Pressearbeit, ‚Tage der offenen

Türen’ oder Beteiligung an anderen öffentlichen Veranstaltungen, interaktive

Internetpräsens, gespendete Anzeigen usw.), zur Letzteren gehört auch der Bereich

des Sponsoring.

e) Mit der Akquise Freiwilliger scheint das Projekt die geringsten Schwierigkeiten zu

haben, der Zulauf bzw. die Gewinnung von Menschen scheint noch immer gut zu

gelingen. Zum Teil werben Assistentinnen neuen Nachwuchs, zu einem anderen Teil

kommen Engagierte überwiegend aus dem Kindergartenbereich, dies war dem

Erhebungsbogen zu entnehmen (vgl. im Bogen die Auswertung zur Rubrik B).

Darüber hinaus gab es 21 Hinweise auf Sonstige Zugänge zu FiS, dazu gehörten vor

allem Bekannte und Freundinnen, aber auch andere Institutionen. Für dieses Projekt,

so ließe sich ein Fazit ziehen, wäre es gut, sich hinsichtlich seiner

Gewinnungsabsichten von Freiwilligen, verstärkt weiteren Kindergärten sowie

anderen Institutionen zuzuwenden.

219 Vahs, D.: Einführung in die Betriebswirtschaftslehre. Stuttgart 2007, S.27

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f) Hinsichtlich der ‚Entwicklung personaler Ressourcen’, wurde im Kapitel C (9.

Herausforderungen) darauf hingewiesen, dass „es bestimmter Strukturen,

Ausbildungsprogramme und Verfahren“ bedarf, außerdem „Entwicklungsgespräche

mit gemeinsamer Zielerarbeitung“. Das Projekt scheint im Hinsicht auf Ausbildung

relativ weit entwickelt zu sein, so gibt es definierte Inhalte und Verfahren für die

Schulungen der Freiwilligen (vgl. Gehrmann et al. 2008 a.a.O.). Diese

Schulungsinhalte scheinen den Freiwilligen Sicherheit im Umgang mit den Familien

zu geben, denn im Rahmen der Erhebung wurde deutlich, dass die Assistentinnen

sowohl im Umgang mit den Familien, ihrer Arbeit, als auch mit den Ergebnissen ihres

Handelns ausgesprochen zufrieden waren. Die Schulungen selbst wurde ebenfalls

positiv bewertet (vgl. Rubrik C der Auswertungen). Entwicklungsgespräche finden

zwar statt, allerdings sind diese weder explizit eingeführt, noch systematisch

dokumentiert und hinterlegt.

g) Scheinbar gelingt es im Projekt FiS, die Freiwilligen irgendwie zu binden und

motiviert ‚bei der Stange’ zu halten, dafür spricht die Verweildauer einerseits und die

Ergebnisse der Zufriedenheitsabfrage unterschiedlicher Ebenen andererseits (vgl.

Erhebungsauswertung in C). Die positiven Rückmeldungen erfahren die Freiwilligen,

so die Auswertung, sowohl aus ihrem privaten Umfeld (Familie, Freunde, Bekannte),

als auch unmittelbar durch die Familien, welche sie begleiten und gleichermaßen

auch durch die FiS-Teamerinnen. Darüber hinaus scheinen sich die Freiwilligen

gegenseitig zu motivieren. Mit anderen Worten, es erfolgt eine massive

Rückmeldung durch unterschiedliche Seiten, so dass hierüber die gewünschte

notwendige Anerkennung erfolgt. Es ist zu vermuten, dass dies die intrinsische

Motivation unmittelbar beeinflusst. Ein weiterer Aspekt, der von allen Freiwilligen

benannt wurde, ist die materielle Anerkennung über die Aufwendungspauschale. Zu

guter Letzt wird diese Tätigkeit als Wiedereinstieg in berufliches Handeln bewertet

und als Chance verstanden, ggf. woanders Fuß zu fassen. Wir wissen nichts

Genaues über den sozioökonomischen Status der Freiwilligen, so dass hinsichtlich

bestimmter Motivationsannahmen an dieser Stelle keine Annahmen bestätigt werden

können. Allerdings wissen wir etwas über motivationale Absichte, da diese erfragt

und beantwortet wurden (vgl. Kapitel C Auswertungen). Zusammenfassend lässt sich

an dieser Stelle feststellen, dass die ‚mitgebrachten’ Motivationen offensichtlich erfüllt

werden konnten, m. a. W., es konnte offensichtlich ein bestmöglicher Fit hinsichtlich

dem Programmdesign und den Freiwilligen hergestellt werden.

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h) Das Führungsverständnis der TeamerInnen im Projekt, so die Einschätzung

der im Unternehmen für FiS verantwortlichen Geschäftsführung, basiert auf einem

Verständnis der Begegnung mit den Freiwilligen auf Augenhöhe. Der konsequente

Verzicht auf hierarchische Strukturen, das stete Bemühen um partnerschaftliche

Begegnung, spiegelt diese Haltung und zwar auch im Kreis der beteiligten

TeamerInnen, wenngleich es dort eine formale (gesetzte) Teamleitung gibt. Obwohl

die Professionellen einen Ausbildungs- und Wissensvorsprung haben, sie die

Schulungen gestalten und die Begleitung bzw. Beratung der Freiwilligen

sicherstellen, insofern also in diesen Prozessen eine Metaebene einnehmen, gelingt

es im täglichen Miteinander offensichtlich, dieses Wissensgefälle nicht in den

Vordergrund zu transportieren und die Metaebene nur punktuell im

Beratungsprozess herzustellen, um sie gleich auch wieder verlassen zu können. Die

Professionellen führen die Erstgespräche mit den Familien, entscheiden über das

Zustandekommen von Hilfeprozessen, bestimmen die jeweilige Assistentin für eine

Familie, überwachen den Hilfeprozess und evaluieren denselben, sie beenden

möglicherweise vorzeitig die Hilfe oder entscheiden im Beratungsprozess mit der

Assistentin, ob diese im System verbleibt oder nicht bzw. ob die geleistete Hilfe noch

dem Auftrag entspricht und intervenieren wenn dies nicht mehr der Fall ist, d.h. sie

greifen regelnd oder steuernd ein. Dies alles sind Führungsfunktionen, welche von

den Freiwilligen offensichtlich akzeptiert werden. Diese Akzeptanz scheint auf dem

ansonsten partnerschaftlichen Umgang gegründet zu sein, schließlich bestimmen die

Freiwilligen selbst über ihren grundsätzlichen Einsatz und den Umfang ihres

Tätigseins im Projekt. Möglicherweise liegt der Schlüssel zum Führungserfolg in

dieser Kunst der Herstellung von Partnerschaft im Umgang mit dem freien Bürger in

diesen Engagementformen und der punktuellen Begrenzung von Führungsverhalten

auf die Stellen und Ebenen, wo dieses notwendig ist, vielleicht gelingt genau

deswegen die Akzeptanz von Führungsverhalten bei den Freiwilligen in diesem

Projekt.

12.1 Herausforderungen von FiS für das HRM (oder andersherum?)

Ob HRM eine Herausforderung für Bürgerschaftliches - bzw. Freiwillige Engagement

ist oder dieses für das HRM ist eine Überlegung wert, schließlich hat sich das, was

sich hinter dem Begriff des HRM entwickelt hat, in professionellen Kontexten für

eben diese entwickelt. Mit HRM werden ideelle Ansätze verknüpft und zwar in

Verbindung mit Verfahren, Methoden und Techniken des Personalwesens. Beides,

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die (quasi) ‚Philosophie’ und die methodischen Optionen, stehen somit in einer

Traditionslinie organisatorischer Entwicklung, insofern dient beides Organisationen

bzw. Unternehmen. Mit einer solchen Fokussierung fordert HRM nicht Freiwilliges

Engagement heraus, da es selbst diesen Bereich stets ausblendete. Umgekehrt

benötigt Freiwillige Engagement, insbesondere in organisationalen Kontexten,

Konzepte für den Umgang mit Menschen. Solche Konzepte lassen sich unmöglich

vereinheitlichen, sind doch die Strukturen in den unterschiedlichsten Feldern des

Freiwilligen Engagements zu different (vgl. Kapitel A). Diese vielfältigen

Engagementformen der Bürger fordern das HRM heraus, da sie aus

Effizienzgründen ‚das Rad nicht neu erfinden’ können und sich an Bestehendes

anlehnen müssen. Insofern greift auch das Projekt FiS auf Inhalte des HRM zurück,

diese Inhalte wurden in C unter Herausforderungen skizziert und in diesem Kapitel

unter 12. von a bis h thematisiert. Die anstehenden Herausforderungen für das

Projekt lassen sich daher aus diesen Beschreibungen heraus benennen: (1.)

Einführung und Begleitung einer lebendigen Leitbildarbeit und Werte-Entwicklung;

(2.) Entwicklung einer Kultur der Anerkennung für alle Ebenen des Projektes

(beginnend bei den Projektentwicklern, bis hin zu den Familien, welche die

Unterstützung erhalten), eingebunden in eine Anerkennungskultur des

Unternehmens; (3.) Entwicklung einer CI mit den dazugehörigen C-Formen (s.o.);

(4.) Erhalt und Weiterentwicklung der z.Zt. gelingenden Herausforderungen: Akquise,

Entwicklung menschlicher Ressourcen, Motivationsförderung, Führung.

12.2 Strukturelle Probleme von FiS

Ein formales Problem, welches in der Struktur eines Projektes liegt, ist seine Laufzeit.

‚Projekte’ werden fiskalisch zeitlich stets befristet, sie existieren nur dann fort, wenn

sie sich derart bewähren, dass sie in eine Regelleistung (der Produkt- oder

Dienstleistungserstellung) übergehen, dann sind sie aber kein Projekt mehr. FiS

befindet sich noch immer in einem Projektstatus und wird von Jahr zu Jahr neu in

den Haushalt des Magistrats aufgenommen, damit ist die Existenz von FiS

unbestimmt.

Ein zweites, ebenfalls formales Problem besteht darin, dass FiS jährlich neu

beweisen muss, dass sich sein Aufwand220 lohnt. Solche evaluierenden Erhebungen

220 1. Im Sinne eines Geschäftsvorganges des Magistrates, der zu einer Verminderung des haushalterischen

Reinvermögens führt. 2. Im Sinne einer Arbeitsaufwendung/ -leistung, die sich nur lohnt, wenn ‚sie sich

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und Berichterstellungen kann das Projekt aus sich selbst heraus durchführen,

allerdings wirkt es glaubwürdiger, wenn einmal jährlich, von außen schauend, dies

geleistet wird. Solche Evaluation ist mit Kosten hinterlegt, welche sich nicht im

Haushalt spiegeln. Diese Evaluation, obgleich notwendig, muss also anders

finanziert werden.

Ein drittes, diesmal inhaltliches Problem, besteht darin, dass dieses Programm

Allgemeingültigkeit für sich reklamiert, d.h. es soll vom Anspruch her in jeder

Gemeinde sinnvoll eingesetzt werden können und dort funktionieren. Dazu muss es

im Kern seiner Aussagen und Intentionen derart beschnitten sein, dass dies gelingt,

ganz gleich, über welche Strukturen die jeweilige Kommune verfügt. Inhaltliche

Anpassungen müssen dann später, jeweils vor Ort und für den jeweiligen Ort

entwickelt werden. Solange das Programm aber an nur einem bundesweiten

Standort besteht, sind solche Anpassungsleistungen dort zwar richtig und für das

Projekt produktiv, für das Modellprogramm sind sie kontraproduktiv und verlangen

nach Erläuterungen. Dies steht einer lebendigen Leitbild- und Werte-

Entwicklungsarbeit ebenso im Wege, wie einer inhaltlichen Anpassung an

kommunale Bedingungen, schließlich entfernt sich damit das Projekt vom Programm

(was vor Ort richtig sein kann, für den Modellstatus aber schwierig ist).

Ein viertes und letztes Problem dieser Art zeigt sich in der Einbindung des Projektes

in eine bestehende Trägerstruktur, besonders nachdem im ersten Jahr eine

Trägerkooperation zuständig war. Jeder dieser Träger verfügt über eine andere

Geschichte, Entwicklung und Kultur. Ein neues Projekt entwickelt diese Elemente für

sich selbst und muss diese an seinen Träger anpassen. Eine solche

Anpassungsleistung kann nicht gelingen, wenn es sich um zwei sehr

unterschiedliche Trägerformen handelt, insofern werden Entwicklungen im Projekt

entweder negiert oder entwickeln sich als Parallelstrukturen zu den bestehenden

Trägerstrukturen, weil Integration strukturell nicht gelingt. Eine solche Startphase

weist Folgeprobleme in den Folgejahren auf und zwar in Hinsicht auf ein

eigenständiges Entwicklungsdefizit und bezüglich einer möglichen

Integrationsleistung in bestehende Trägerstrukturen. Die Entwicklung einer CI sowie

einer Kultur der Anerkennung gelingt nicht im Alleingang, sondern kann nur

rechnet’, d.h. sie muss den Nachweis erbringen (im Evaluationsbericht), dass sie bestimmte Sollvorgaben (gem.

einer Leistungsvereinbarung) erfüllt.

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eingebettet sein in eine derartige Entwicklung im Unternehmen. Insofern kann FiS

die Notwendigkeit zwar anmahnen, aber nicht selbst initiieren, Integration gelingt

nicht monokausal, sie ist ein reziproker Prozess.

13. Grenzbereiche des HRM in Bezug auf Freiwilliges Engagement

Unter 12.1 wurde erläutert, dass HRM seine Entwicklung in und für Organisationen

genommen hat. Ein rekursiver Blick auf die Inhalte von HRM lässt erkennen, dass es

sich um spezifische, z. T. von einander deutlich abgegrenzte Bereiche bzw. Inhalte

handelt. Dort, wo es im Prinzip um gleiche oder ähnliche Inhalte geht, handelt es sich

dennoch um verschiedene Konzepte, erinnert sei beispielsweise an die Unterschiede

des Michigan- und des Harvard-Konzeptes (vgl. Kapitel B 5.1). Das HRM basiert auf

dem Konstrukt des Personals. Es betrachtet Personal als Vermögen, als Kapital des

Unternehmens (nicht mehr als Kostenfaktor), das aber darf nicht darüber

hinwegtäuschen, dass es sich dennoch immer nur um diese spezifische funktionale

Zuweisung handelt. HRM interessiert sich nicht für den Menschen als Individuum, in

all seiner Ganzheitlichkeit. Genau darin liegt die Zumutung für den

Anwendungsbereich des HRM in Bezug auf Bürgerschaftliches – bzw. Freiwilliges

Engagement. Der Freiwillige ist kein Personal, er versteht sich auch nicht als

solches, er grenzt sich zu seinem personalen Status, den er in aller Regel woanders

auch noch hat, im Kontext Freiwilligen Engagements deutlich ab. Er kommt als

Person, nicht als Personal. Er will als (ganzheitlicher) Mensch wahrgenommen

werden nicht in einer spezifischen Funktion. Bezugspunkt ist eine informelle und

persönliche Rahmung und eben nicht ein eingrenzender formaler Status. HRM trägt

zwar das Menschliche im Namen, meint aber nicht die Ressourcen des Einzelnen

oder den Einzelnen als Ressource, sondern betrachtet aus einer

Unternehmensperspektive die Menschen im Unternehmen als eine Ressource für

das Unternehmen, - das ist eine ganz andere Betrachtungsweise als sie der Mensch

im Freiwilligen Engagement für sich beansprucht. Derart betrachtet ist das HRM als

Ganzes ein einziger Grenzbereich des Freiwilligen Engagements.

Andersherum ließe sich fragen, welche Elemente des HRM kann das

Bürgerschaftliche – bzw. Freiwillige Engagement für sich nutzen, auf was kann es

sinnvoll zurückgreifen? Dies scheinen mir diejenigen Elemente zu sein, welche in

den bisherigen Kapiteln stets erneut in den Blickwinkel genommen wurden, dabei

handelt es sich um die Bereiche der Gewinnung von Freiwilligen (Akquise),

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deren Entwicklung, die Auseinandersetzung um Motivation, Bindung,

Identifikation und Commitment sowie um Führung.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Grenzbereiche des HRM, bezüglich der

Arbeit mit Freiwilligen, diejenigen Bereiche sind, welche sich spezifisch um Personal

in seiner Funktion für das Unternehmen kümmern und welche Personal als

Vermögen in seiner Vermögensdimension für das Unternehmen ermitteln wollen.

Letzteres verbiete sich im Freiwilligen Engagement schon deswegen, weil ein

Unternehmen zwar mit einer personalen Größenordnung kalkulieren kann und davon

ausgehen muss, dass dies jederzeit zu beschaffen oder zu erhalten bzw. zu

entwickeln ist, Organisationen, die mit Freiwilligen arbeiten dies aber gleichermaßen

so nicht können, denn ob sich Freiwillige für bestimmte Aufgaben jeweils gewinnen

lassen, ist von vielen Faktoren221 abhängig, keine gemeinnützige Organisation kann

in ihrem Selbstverständnis davon ausgehen, das dies stets in gleichbleibender Weise

gelingt. Der vorhin zuerst benannte Bereich, nämlich die Einsatzplanung sowie

Entwicklungsplanung der personalen Funktionen für ein Unternehmen ist

gleichermaßen ein Grenzbereich in diesem Zusammenhang, da sich Freiwillige

schlecht verplanen lassen (wollen). Die Planungsgrundlage, nämlich eine

determinierte Aufgabe und deren Größendimension sowie die Perspektive dieser

Aufgabe in einem bestimmten zeitlichen Horizont, lassen sich zwar planen, mit

Zahlen hinterlegen, aber die Freiwilligen, welche die Organisation zur Ausführung

benötigt sind nicht zu verplanen. Wer das trotzdem tut, begibt sich auf einen eher

unbestimmten Untergrund, es bleibt ihm nur die Hoffnung auf relative Stabilität. Mit

anderen Worten lässt sich sagen, dass die Grenze des HRM bezüglich des

Freiwilligen Engagement, im Gegensatz zu personalen Unternehmensbereichen, in

der grundsätzlichen Nichtplanbarkeit des Engagements liegt. In diesem

Zusammenhang liegt es auf der Hand, dass bezüglich eines strategischen

Personalmanagements diese beschriebene Planungsbegrenzung ebenfalls gilt.

Kurzum, eine gemeinnützige Organisation, die mit Freiwilligen arbeitet, wäre gut

beraten ihre Unternehmensziele an den Menschen auszurichten, über die sie verfügt.

Es erscheint in diesem Zusammenhang problematisch Unternehmensperspektiven

221 Solche Faktoren sind abhängig von der jeweiligen Region (ländlicher Raum, Stadt, Flächenland,

Metropolenverschmelzung wie im Ruhrgebiet), anhängig von gesellschaftlichen Stimmungen und Strömungen, Meinungsbildung, der Einflussnahme durch die Medien, von Katastrophen in der Welt, welche plötzlich Einfluss auf Spendenverhalten und Engagement nehmen u.v.a.m.

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zu entwickeln, die an den (vorhandenen) Menschen vorbeigehen, es sei denn, die

Erwartung, für diese neuen Ziele neue Freiwillige zu finden, die mit Interesse und

Können diese Ziele verfolgen, ist realistisch.

14. Zusammenfassung und Empfehlungen

Die bisherigen Darstellungen erlauben den Hinweis darauf, dass Bürgerschaftliches

– bzw. Freiwilliges Engagement (FE) in Organisationszusammenhängen222 mit

Human Ressource Management zusammen gedacht werden dürfen. Dabei darf nicht

verkannt werden, dass beide Bereiche unterschiedliche Wurzeln haben und je

andere Intentionen verfolgen. HRM will in Unternehmenszusammenhängen für das

Unternehmen wirken, während Freiwilliges Engagement für sich wirkt, sich selbst

genügt und zwar in der Sache, zeitlich begrenzt und auf sich bezogen. Diese

Aussage hat einen doppelten Bedeutungszusammenhang, denn sie gilt für das

Engagement, welches eine spezifische Perspektive hat und möglicherweise von

verschiedenen Menschen verfolgt wird und sie gilt für das Individuum, welches sich

in einem bestimmten Umfeld sowie Umfang für eine bestimmte Sache engagiert.

FE ist in Organisationskontexten keine stabile Planungsgröße. Dies ist eine

wesentliche Differenz zum Personal in (möglicherweise den gleichen)

Organisationen, d.h. mit Personal lässt sich rechnen, mit Freiwilligen ist ggf. zu

rechnen oder eben auch nicht. Freiwilligkeit ist nicht kalkulierbar, sie ist ein

Geschenk und mit solchem rechnet man nicht (wenngleich die Wahrscheinlichkeit,

ein Geschenk zu einem bestimmten Anlass zu erhalten relativ hoch ist, wer aber

damit rechnet, kann sich leicht verkalkulieren).

14.1 FE lässt sich grundsätzlich auf Ziele hin ausrichten, solche Ziele können

Unternehmensziele sein, insofern kann eine Organisation planen, sowohl inhaltlich

als auch mit Bedacht im Umfang, d.h. der ‚Art und Weise’ der Zielerreichung. Die

222 Freiwilliges Engagement außerhalb formaler Organisationen, wie dies beispielweise in vielen

Bürgerinitiativen der Fall ist, bei Attac oder anderswo, entwickelt vor diesem Hintergrund Ziele oder übernimmt vorhandene Zielperspektiven, welche von allen Beteiligte in je unterschiedlicher Weise verfolgt werden. Gemeinsam ist diesen Initiativen, dass sie über keine formalen Strukturen verfügen, sich basisdemokratisch verstehen und sich aktuell in aller Regel virtuell organisieren und miteinander kommunizieren. Über diese Ebenen gelingt es, in unbestimmten Zeitabständen und nicht regelmäßig, wirkliche Treffen und Protestaktionen zu initiieren. Da es keine Organisation als (formale) Organisation gibt, sondern Menschen sich themenspezifisch irgendwie verhalten und organisieren, gibt es auch keine Mitgliedschaften. Zwar verstehen sich Menschen als (oft vages) Mitglied einer solchen Initiative, aber aus diesem Verständnis heraus sind sie diese Initiative. Ein solches Verständnis verbietet Planungen der quasi ‚Mitglieder’ dieser Initiative (es sei denn, jeder verplant sich irgendwie selbst– was vermutlich jeder praktisch tut).

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personale Planung in diesem Zusammenhang ist eine Planung von Personen,

welche sich ganz unterschiedlich intensiv zur Verfügung stellen. Diese Personen

bestimmen zwar nicht die Organisationsziele, sondern entscheiden sich für diese,

aber sie bestimmen die Intensität ihrer Weggestaltung dorthin und damit die

Gestaltung des Weges schlechthin, es sei denn, die quantitativen Ressourcen von

Freiwilligen sind nicht endlich.

Personalbeschaffung im Sinne von Personenbeschaffung ist also möglich, allerdings

sind die Beschaffungswege des HRM zur Gewinnung von Freiwilligen eher

untauglich. Ausschreibungen, Bewerbungsverfahren, Assessmentcenter u.a.m. darf

der Werber in seiner Schublade belassen, wenn er Menschen bewerben will, um sie

für freiwilliges Engagement zu gewinnen. Hier gibt es keine Bewerber für eine Stelle

sondern den Werber auf einer Stelle, der für freiwillige Projekte seiner Organisation

wirbt. Dieser muss Begeisterung herstellen, Menschen von seiner und für eine Sache

überzeugen, muss ihnen helfen ihren Rubikon zu überschreiten, sie locken,

bewerben, muss sich und seine Initiative hervorheben, den Nutzen und die

Notwendigkeit mit Begeisterung darstellen – hier wird das Verhältnis des Bewerbers

verdreht, geradezu auf den Kopf gestellt. Menschen müssen gewonnen werden.

Jeder Mensch der kommt, der sich einbringt, dabei bleibt, die Organisation durch

sich, durch sein Sosein223 bereichert, ist ein Gewinn, sowohl für die Organisation, als

auch für die Nutzer. In diesem Sinne ist Akquise zu entwickeln.

14.2 Personalentwicklung und Freiwilligenentwicklung sind nicht identisch. Die

Differenz tritt dort zutage, wo es um die Ausrichtung der Entwicklung auf

Unternehmensziele geht und diese in den Fokus rücken, Personal also angepasst

werden muss (an neue Produktionsverfahren, im Rahmen von notwendigem

Changemanagement, an neue Technologien, an veränderte Märkte usw.) Freiwillige

lassen sich auch entwickeln, wollen sich aber im Vorwege für das dahinterliegende

Ziel entscheiden. Sie kommen, wenn sie kommen, eines Ziels wegen, ändert sich

dies, dann sind sie (im Grundsatz) weg. Haben sie sich aber für ein Ziel, ein Projekt,

eine Hilfeform entschieden, sind sie bereit, um sich diesem Ziel anzunähren, sich

dafür fortzubilden. Solcherlei Bildung ist aber immer auch Selbstzweck. Freiwillige

223 Im Sinne von Sein als Konstruktionsbegriff, wie er im Existenzialismus Verwendung findet, also Sein als

Selbstentwurf, Selbstbestimmung in Freiheit des Einzelnen. Wie der Mensch sein Sein bestimmt, bestimmt er

auch sein Sosein und damit seine Art und Weise des sich Einbringens und das Feld, welches er bestellen will.

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bilden sich auch mit dem Ziel der Selbstverwirklichung, weil sie die Inhalte

interessieren – sonst kämen sie nicht, schließlich stellen (bzw. ‚opfern’) sie ihre

unbezahlte Zeit zur Verfügung, die sie auch anders verbringen könnten.

Andersherum bedeute dies aber, wenn sich Menschen für ein Projekt entschieden

haben, sie sich innerhalb dieser Strukturen verwirklichen wollen, Passgenauigkeit

besteht, wollen sie sich fortbilden (lassen), genau an diesem Punkt, werden

Planungen, Methoden, Festschreibungen (Vereinbarungen) u.a.m. möglich, ab hier

greifen Möglichkeiten der personalen Entwicklungen des HRM, einschließlich des

Wissenstransfers und der Wissenssicherung in der Organisation.

14.3 Im Rahmen des HRM werden unterschiedliche Motivationsansätze, Modelle und

Theorien diskutiert, ebenso bezüglich Identifikation und Commitment (vgl. die Kapitel

B und C). Diese Erklärungsansätze finden ihren Nutzen sowohl in dem Segment des

Personalwesens, als auch im Umgang mit Freiwilligem Engagement. Sie lassen sich

nicht eins-zu-eins übertragen, sondern erlauben jeweils ein partielles Verstehen.

Gerade deswegen ermöglichen sie vielleicht einen Nutzen sowohl für das HRM, wie

auch für das FE. Mit anderen Worte lässt sich formulieren, dass die beschriebenen

Motivationsmodelle (Kapitel B 6.3) jeweilige Erklärungsansätze darstellen, die weder

nahtlos ineinander greifen, noch aufeinander aufbauen. Sie dienen entweder der

Analyse wahrgenommener motivationaler Verluste oder dienen vorausschauender

Planung motivationaler Steuerungsabsichten. Das entscheidend Andere im Kontext

freiwilligen Engagement ist die ‚mitgebrachte’ Motivation (für etwas), d.h. Freiwillige

sind in aller Regel hoch motivierte ‚Mitarbeiter’ einer Sache (vgl. auch in diesem

Kapitel 11.3 und auch 12 g).

14.4 Der Führungsbegriff durchzieht jedes Kapitel dieser Arbeit auf je andere Art, er

scheint geradezu ein Schlüsselbegriff für Organisationen zu sein und ebenso scheint

es unvorstellbar, dass Führung nicht stattfindet. FE innerhalb von Organisationen

benötigt Führung so die Annahme, aber lassen sich Freiwillige führen? In diesem

Zusammenhang kann im Verweis auf die unterschiedlichen Führungstheorien und

Führungsmodelle (vgl. Kapitel B 6.4) festgestellt werden, dass diese jeweiligen

Ansätze nur als heterogene Verstehens- und Analysemodell begriffen werden

können. In Bezug auf Führungsmöglichkeiten im freiwilligen Engagementbereich

kommt es nicht so sehr darauf an, das Führungskonzept für diesen Bereich

schlechthin zu bestimmen, sondern zunächst ein Verständnis von Führungsoptionen

zu entwickeln. Auf dieser Grundlage erst, wird Führungsentwicklung in diesem Feld

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möglich. Oben wurde dies beschrieben und es wurde konkret im Zusammenhang

mit dem untersuchten Projekt gezeigt, was Führung leisten kann und wo deren

Grenzen liegen. Führung muss sich im Kontext von FE beschränken aber sie gelingt

in ihrer Beschränkung, Dank ihrer Beschränkung224.

14.5 Es ließe sich zu jedem beschriebenen Punkt der Zusammenfassung eine

explizite Empfehlung aussprechen, dies würde allerdings allzu schnell zu (nicht

gewollten) Redundanzen führen, sind diese doch implizit benannt. Wenn sich in

diesem bunten Reigen der Möglichkeiten und Begrenzungen von HRM im FE etwas

Weiteres empfehlen ließe, dann ist es, neben den oben benannten Hinweisen (14.1

bis 14.4), die Orientierung an der Menschlichkeit.

Dies mag zunächst altmodisch erscheinen oder vordergründig vor christlichem

Hintergrund Akzeptanz erwarten. Aber Menschlichkeit ist nicht nur ein großes Wort,

es ist ein modernes Konzept, ein Ideal, es bedürfte sicherlich einer gemeinsamen

Verständigung darüber. Allerdings macht es der verwandte Begriff der

Menschenrechte einfacher, miteinander Einvernehmen zu erzielen, wird er doch seit

der Aufklärung entwickelt und wurde zwischenzeitlich225 durch die Vereinten

Nationen verankert. Neben einer europäischen Menschenrechtsabsicherung, gilt

solche grundgesetzlich auch für die BRD, insofern lässt sich begrifflich darauf

zurückgreifen. Was bedeutet das aber in diesem Zusammenhang? Freiwilliges

Engagement, ganz gleich wo immer es auch stattfindet, leisten Menschen für

Menschen, damit ist es gelebte Menschlichkeit im Sinne von Menschenliebe. Solch

philanthropisches Engagement bedarf der Achtung, des Respekts, der Anerkennung.

Die Tatsache, dass sich hinter dieser Menschlichkeit, gelebte Menschenliebe im

doppelten Sinn verbirgt, schmälert die Sache nicht. Das Handeln eines Menschen für

einen Anderen ist gelebte Liebe am Nächsten und auch Liebe gegen sich selbst. Die

oft benannte Selbstverwirklichungsabsicht in diesem Tun ist ein Zeichen dafür, aber

hat diese Intention nicht ihre Berechtigung? Wer will einem anderen Menschen seine

Selbstverwirklichungsabsicht streitig machen? Das Streben nach Verwirklichung oder

gar Transzendenz ist eine starke Kraft, die sich in ihrer Wirkung auch auf andere

224 Selbst dort, wo Führung offensichtlich explizit gelebt wird, wo sie unhinterfragt dazugehört, wie etwa bei

den Freiwilligen Feuerwehren (mit Uniformen und Rangabzeichen), gelingt sie nicht per se, sondern in ihrer Beschränkung auf den (Übungs-)Einsatz, sie gilt nicht zuvor und nicht danach, d.h. sie ist kontextgebunden.

225 1948

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richten kann und diesen dann ggf. zum Nutzen gereicht (vgl. hierzu auch Maslow

a.a.O.).

Wenn im Feld des Freiwilligen Engagements (und Frühe Hilfen sind ein kleiner

Teilbereich davon) etwas tragende Kraft erhält, dann ist es die Kraft der

zwischenmenschlichen Begegnung im Sinne eines Dialogischen Prinzips226, sie liegt

in eben dieser Begegnung, des sich Einlassens auf den Anderen, des verstehen

Wollens, des bedingungslosen Annehmens (auf Zeit), des wieder loslassen

Könnens, des für sich sein Wollens, des Wechselspiels von Nähe und Distanz – dies

alles kennzeichnet Menschlichkeit. Diese muss auf beiden Seiten gelebt werden,

sowohl in der Organisation, als auch in der Begegnung mit ihren Nutzern.

Menschlichkeit ist im Feld des HRM nicht der zentrale Begriff, er ist es für das

Freiwillige Engagement und nur auf diesem Feld ist er es in Verbindung mit

bestimmten Absichten und Möglichkeiten des HRM.

14.6 Es ergibt sich eine weitere Empfehlung aus dem bisher Gesagten, nämlich die

Akzeptanz der Gnade des Geschenks und in Verbindung damit, die Demut vor den

sich daraus ergebenden Möglichkeiten. Auch dies klingt zunächst wenig modern und

unzeitgemäß, allerdings verkennt das Klangbild (und möglicherweise archaisch

anmutende Assoziationen) die Kraft der Moderne227, welche darin steckt. Modernität

in säkularisierten (westlichen) Gesellschaften ist gekennzeichnet durch einen hohen

Grad individueller Autonomie, durch vielfältige Lebensentwürfe und diesbezüglicher

Entscheidungsoptionen, durch Flexibilität, Mobilität, Ungebundenheit und

Spontaneität, kurzum, durch die Freiheit menschlicher Seinsentscheidung.

Modernität besagt, dass alles auch anders möglich ist und vermittelt insofern

Freiheit, nämlich die Freiheit sich stets aufs Neue anders zu entscheiden (vgl. den

systemischen Kontingenzbegriff in 6.4.2.3). Die Kehrseite dieser Medaille ist die

Entscheidungsnotwendigkeit. Vor einer Entscheidung steht die Informationssuche,

226 Vgl. hierzu Buber, Martin: Das Dialogische Prinzip. Gütersloh 1999

227 Die Moderne steht in Abgrenzung zur Postmodernen oder zweiten Moderne. Dieser Diskurs spricht den

Bezug gesellschaftliche, kultureller, wissenschaftlicher, philosophischer Entwicklungen in den postindustriellen Gesellschaften an. Die zweite Moderne hat die Gläubigkeit an Systeme jeglicher Art überwunden, damit sind übergeordnete Idee und allgemeingültige Erkenntnisse obsolet und die großen Geschichten der Geschichte überwunden. Was gilt ist die Konstruktion von Wirklichkeit, ohne Anspruch auf Gültigkeit. Einer der bekanntesten Vertreter dieses Ansatzes ist Jean-Francois Loytard (‚Das postmoderne Wissen.’ Wien 1979/1999). Die Moderne steht im Spannungsfeld der Geschichte und Zukunftsbildung, an der sie webt und zugleich die Fäden dazu aus der Vergangenheit aufgreift. Sie ignoriert die großen ‚Erzählungen’ nicht.

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das Ringen um Möglichkeiten, das Abwägen von Für und Wider – also ein

Entscheidungsprozess228. Kommt es am Ende eines solchen Prozesses zu einer

Entscheidung, ist diese fundiert und (zumindest vorläufig) stabil. Gnade meint in

ihrem ursprünglichen Sinn nicht nur den Achtungsbezug vor Gott, sondern Gnade

spricht auch die Güte, die Gunst, das Wohlwollen an, welches aus sich selbst heraus

geschenkt wird, sie ist ‚ein erteiltes Privilegium’ bzw. die freiwillige Vergabe von

‚Almosen’, damit knüpft sie an die Absicht des Verteilens, des Verschenkens an. Ein

begnadeter Mensch ist mit einer besonderen Gabe ausgestattet, er wurde von der

Natur beschenkt. Wenn ein Mensch der Moderne sich am Ende seines

Entscheidungsprozesses für ein Freiwilliges Engagement entscheidet, handelt es

sich um eine freiwillige Vergabe bestimmter Ressourcen, es ist Ausdruck seines

Wohlwollens und ein Privileg im dreifachen Sinn, denn er selbst verfügt über das

Privileg, sich dieses Einsatz leisten zu können, die Organisation ist privilegiert, weil

sie von ihm bedacht (beschenkt) wird und der Nutzer dieser verschenkten

Ressourcen erhält das Privileg des nutzen Könnens einer Dienstleistung. Solche

Geschenke sind nur in arbeitsteiligen modernen Gesellschaften möglich, da nur

diese solche Grundbedingungen zur Verfügung stellen, die es jedem Bürger

erlauben sowohl zu verschenken, als auch etwas geschenkt zu bekommen.

Diese Möglichkeiten erfordern Demut, denn Demut erst ermöglicht den Blick auf die

Gnade und verhindert die Annahme solcher Geschenke als Selbstverständlichkeit.

Demut vor den sich aus der Gnade ergebenden Möglichkeiten spricht den

Achtungsbezug zu dem Ermöglichenden an. Eine Organisation kann Freiwilligkeit

nicht fordern, sie kann lediglich dazu ermuntern, kann werben, vielleicht überzeugen.

Wenn sie Menschen gewinnt, die sich freiwillig einer Sache hingeben, kann sie deren

Hingabe lediglich in Dankbarkeit und Ergebenheit, in Demut eben, annehmen. Der

Begriff der De-mut (dio-muoti ‚dienstwillig’) beinhaltet den Dienst, also das Dienen für

etwas, dies enthält eine zweifache Bedeutung, es geht nämlich einerseits um das

Empfangen des Dienstes, die Empfängnis dieses Leistungswillens ist gleichzeitig die

Geburt des Dienstes am Nächsten und andererseits ist der Dienstgeber, derjenige,

der sich in den Dienst begibt, der Freiwillige also, er erhält im Verschenken das

228 Sicherlich kann nicht jede Entscheidung fundiert getroffen werden, der Mensch muss sich permanent für

oder gegen etwas entscheiden, die gewöhnlichen Alltagsentscheidungen finden routiniert und gewohnheitsgemäß statt, andere spontan oder beeinflusst durch äußere Bedingungen bzw. Einflüsse – hier sind bewusste Entscheidungen angesprochen.

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Geschenk seiner Wirksamkeit. Erst die Moderne ermöglicht dem Menschen diese

freie Entscheidung und eröffnet die Möglichkeit diese freie Entscheidung zu

verwirklichen.

14.7 Jenseits von ‚Menschlichkeit’, die sich in der Gunst des Geschenkes spiegelt

und der erfahrenen sowie bewusst wahrgenommenen Begünstigung einer

Organisation durch die Organisation, bleibt, als letztes Element im Bunde, die

Empfehlung HRM als Instrument oder vielleicht besser, als Werkzeug des

Freiwilligen Engagement zu begreifen. Zwar verbirgt sich hinter dem Begriff des HRM

eine Idee im Sinne eines Ideals, dieses aber ist zum einen heterogen (jedes

Unternehmen versteht darunter vermutlich etwas anderes), zum anderen ist es nicht

mit der Intention von Freiwilligem Engagement kompatibel, darauf wurde weiter oben

in verschiedenen Zusammenhängen mehrfach verwiesen. Zwar kann das HRM zu

einem strategischen Faktor in einem Unternehmen erklärt werden und von oberster

Stelle implementiert und überwacht, es kann aber im Rahmen Freiwilligen

Engagements dieses nicht (ideell) überflügeln. Was wäre, wenn die Freiwilligen

gingen und nur noch das HRM in der Organisation verbleibt? HRM ohne Freiwillige

ist in diesem Kontext nichts. Freiwilliges Engagement ohne HRM bleibt Freiwilliges

Engagement – es funktioniert vermutlich (irgendwie) trotzdem. FE braucht

Überzeugung und etwas, wofür sich Engagement lohnt. HRM kann für FE Werkzeug

sein, kann dazu beitragen, dass FE mit nur geringen Reibungsverlusten gelingt.

Welche Elemente taugen und welche eher nicht, wurde weiter oben genauer

ausgeführt. Ein solches Verständnis wäre angemessene Bescheidenheit, sozusagen

instrumentale Verwendung von HRM in Demut.

JAS

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186

Abbildungsverzeichnis

Abb.: 1: Quelle: Staehle a.a.O., S.789, nach Tichy et al. 1982, S.50 53

Abb.: 2: Quelle: Breisig a.a.O., S.30 und Staehle a.a.O., S.790, beide nach Beer et al. 1985, S.17 54

Abb.: 3 nach Maslow 62

Abb.: 4 Tabelle nach Staehle 1999, a.a.O., S. 818 69

Abb.: 5 Grundstruktur der VIE-Theorie nach Neuberger 2002 74

Abb.: 6 nach Agnes Bruggemann In: Rosenstiel 2003, S.220 78

Abb.: 7 nach Strehmel 2006, S. 42 79

Abb.: 8 MA-Orientierung linear und MA-Orientierung zweidimensional 93

Abb.: 9 nach Reddin I 94

Abb.: 10 nach Redddin II (zzgl. dritter Dimension) 95

Abb.: 11 nach Neuberger (2002) S. 511 96

Abb.: 12 nach Neuberger 2002 (S.498) 97

Abb.: 13 aus Rosenstiel (2003) S.19 98

Abb.: 14 nach Staehle 1999 a.a.O. S.870 119

Abb.: 15 aus: Frühe Hilfen. Modellprojekte in den Ländern. NZFH 2008, S.14 130

Abb.: 16 Evaluationsbericht Gehmann S.7 138

Abb.: 17 Gehrmann 2009 S.6 139

Abb.: 18 Gehrmann 2009 S.9 140

Abb.: 19 Bekanntheitsgrad anderer Arbeitsfelder des Trägers von FiS 145

Abb.: 20 Bewertungen und Nennungen der Bedeutung des ehrenamtlichen Handelns im Projekt FiS 146

Abb.: 21 Projektzugehörigkeit in Monaten 147

Abb.: 22 Grafik 1 148

Abb.: 23 Grafik 2 148

Abb.: 24 Grafik 3 149

Abb.: 25 Grafik 4 149

Abb.: 26 Grafik 5 150

Abb.: 27 Grafik 6 150

Abb.: 28 Grafik 7 151

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Abb.: 29 Grafik 8 151

Abb.: 30 genannte Unzufriedenheiten und Lösungsideen 153

Abb.: 31 Beher et al. a.a.O. S. 177 167

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Ich versichere, dass ich vorliegende Arbeit ohne fremde Hilfe selbständig verfasst

und nur die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Wörtlich oder dem Sinn nach aus

anderen Werken entnommene Stellen sind unter Angabe der Quellen kenntlich

gemacht.

_______________________________________________

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1

Anhang

Erhebungsinstrument (Fragebogen)

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Sehr geehrte FiS-Assistentinnen, Der folgende Fragebogen dient der wissenschaftlichen Arbeit zu dem Programm FiS, welches ein Baustein der Frühen Hilfen ist, die derzeit überall in Deutschland eingerichtet bzw. ausgebaut werden. Er richtet sich unmittelbar an Sie, als FiS-Assistentin und ist anonymisiert, d.h. es lässt sich nicht zurückverfolgen, wer den Bogen ausgefüllt hat. Wir bitten Sie um etwa 15 Minuten Ihrer Zeit, um den Bogen auszufüllen. Geben Sie den ausgefüllten Fragebogen bitte in einem verschlossenem Umschlag an Ihre FiS-Teamerin zurück oder senden ihn direkt an die Geschäftsstelle der IJB e.V., z.Hd. J.-A. Schröder, Kurt-Schumacher-Straße 80, 27578 Bremerhaven.

Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung. Fragebogen zum Programm „Familie im Stadtteil“ (FiS) zur A) Einbindung in Trägerstrukturen

B) Bedeutung der Tätigkeit

C) Zufriedenheiten/ Unzufriedenheiten

A) Einbindung in Trägerstrukturen Das Programm FiS gibt es z.Zt. ausschließlich in Bremerhaven, dieses Programm existiert hier seit dem Jahre 2005. Es war zunächst im Helene-Kaisen-Haus, einer Magistratseinrichtung (Wirtschaftsbetrieb) und der IJB e.V., einem freien Träger der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, angebunden. Kennen Sie den aktuellen Sachstand? FiS wird heute von folgenden Trägern realisiert: ▒ Helene-Kaisen-Haus

▒ IJB e.V.

▒ Andere Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Bremerhaven

Der oder die Träger bieten FiS für folgende Regionen der Stadt Bremerhaven an: ▒ Nord

▒ Mitte

▒ Süd

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Meinen Vertrag habe ich mit ▒ der IJB e.V.

▒ dem Helene-Kaisen-Haus

▒ einem anderen Träger

Die IJB e.V. kenne ich ▒ nur als Träger von FiS

▒ auch in anderen Zusammenhängen und zwar als Träger von:

(Mehrfachnennungen möglich)

▒ Familienhilfen

▒ Tagesgruppen

▒ Kindergarten und Krippe

▒ Heimerziehung

▒ Betreutes Jugendwohnen

▒ Projektarbeit (Erlebnispädagogik, auch im Ausland)

▒ Beratungsangeboten

▒ Mädchentelefon

▒ Jungentelefon

▒ Kinder- und Jugendnotdienst

▒ Anderes

Zu den benannten anderen Bereichen habe ich ▒ Kontakt

▒ keinen Kontakt

▒ wünsche ich mir Kontakt

▒ wünsche keinen Kontakt, aber hätte gerne mehr Information

B) Bedeutung Ihrer Tätigkeit (im Programm FiS) Zunächst einmal möchten wir von Ihnen gerne erfahren, wie Sie auf FiS zuerst aufmerksam wurden. ▒ (Kinder-)Arzt

▒ Hebamme

▒ Kirchengemeinde

▒ Kindergarten

▒ Sonstige: _________________________________________________________

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Als nächstes interessiert uns welche Aspekte für Sie Bedeutung haben. Mir sind folgende Dinge im Zusammenhang mit FiS wichtig:

(Mehrfachnennungen möglich)

▒ das Leitbild und das Menschenbild

▒ die Tätigkeit des Helfen Könnens

▒ der Kontakt mit anderen Menschen

▒ die Einbindung in ein Team

▒ die Beratung und Begleitung meiner Arbeit

▒ die Schulungen

▒ etwas sinnvolles tun zu können

▒ das ich eine Aufwandsentschädigung erhalte

▒ für mich ist dies wie ein Wiedereinstieg in berufliches Handeln

▒ Sonstiges: ________________________________________________________

___________________________________________________________________

Verraten Sie uns bitte noch, seit wann Sie bei FiS sind? ▒ weniger als 3 Monate

▒ 3 bis 6 Monate

▒ 6 bis 12 Monate

▒ 12 bis 18 Monate

▒ bis 24 Monate

▒ mehr als 24 Monate

C) Zufriedenheiten/ Unzufriedenheiten Wir möchten abschließend von Ihnen erfahren, wie zufrieden Sie mit verschiedenen Bereichen in diesem Programm sind. Beurteilen Sie Ihre Zufriedenheit auf einer Skala von 1 bis 6, also ähnlich wie im Bereich der Schulnoten. Vergeben Sie bitte eindeutige Noten (nicht 2,5), machen Sie bitte einen Kringel um Ihre Zahl.

Zufriedenheit mit Ihrer Tätigkeit:

1---------------2---------------3---------------4---------------5--------------6

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Zufriedenheit mit Ihrem Tun (mit der Art und Weise, dem methodischen ‚Handwerkszeug‘, Ihrer Gesprächsführung . . . ):

1---------------2---------------3---------------4---------------5--------------6

Zufriedenheit mit der Auswirkung Ihres Handelns (Ergebnisorientierung)

1---------------2---------------3---------------4---------------5--------------6

Meine Einbindung in das Team beurteile ich wie folgt:

1---------------2---------------3---------------4---------------5--------------6

Beurteilen Sie nun die fachliche Begleitung und Beratung:

1---------------2---------------3---------------4---------------5--------------6

Wie beurteilen Sie die Module (Inhalte) der Schulungen?

1---------------2---------------3---------------4---------------5--------------6

Und wie beurteilen Sie die Dauer (Zeitachse) der Ausbildung

1---------------2---------------3---------------4---------------5--------------6

Beurteilen Sie bitte den äußeren Rahmen der Schulungen (Räume, Moderationsmaterial, Technik)

1---------------2---------------3---------------4---------------5--------------6

Nun noch Ihr Wort zur Aufwandsentschädigung. halten Sie diese für richtig (Dienstleistung gibt es nicht zum Nulltarif) oder sollte sie gänzlich entfallen (Ehrenamt ist schließlich Ehrenamt)? ▒ Die Zahlung einer Aufwandsentschädigung ist richtig.

▒ Eine Aufwandsentschädigung sollte entfallen.

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Wenn Sie diese Entschädigung grundsätzlich als richtig erachten, wie beurteilen Sie die Höhe dieser Leistung? ▒ angemessen

▒ zu niedrig

▒ zu hoch

Wenn ich Anerkennung erfahre, dann durch folgende Personen: ▒ FiS Teamerin

▒ Familien, denen ich helfe

▒ andere: __________________________________________________________

___________________________________________________________________

▒ ich erfahre keine Anerkennung Nennen Sie uns an dieser Stelle Zufriedenheiten, die wir bislang nicht erfragt haben, die für Sie aber bedeutend sind: ___________________________________________________________________

___________________________________________________________________

___________________________________________________________________

___________________________________________________________________

___________________________________________________________________

Nun fragen wir noch einmal anders herum, womit sind Sie unzufrieden, was sollte also verändert werden?

Unzufrieden bin ich mit: ________________________________________________

___________________________________________________________________

Ich wünsche mir folgende Veränderung: ___________________________________

___________________________________________________________________

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Unzufrieden bin ich mit: ________________________________________________

___________________________________________________________________

Ich wünsche mir folgende Veränderung: ___________________________________

___________________________________________________________________

Unzufrieden bin ich mit: ________________________________________________

___________________________________________________________________

Ich wünsche mir folgende Veränderung: ___________________________________

___________________________________________________________________

Wir danken Ihnen für Ihre Mitarbeit! Steckern Sie nun diesen Fragebogen in einen Umschlag, verschließen Sie diesen und übergeben ihn Ihrer FiS-Teamerin oder senden diesen an die IJB e.V., z.Hd. J.-A. Schröder, Kurt-Schumacher-Straße 80, 27578 Bremerhaven, vielen Dank. Bremerhaven, im Juli 2009