Gustav Leonhardt obituary LVZ

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7/23/2019 Gustav Leonhardt obituary LVZ

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KULTUR   MDR

Einigung in Verhandlung über

Udo Foht Seite 15

Moderatoren-Trio

Nominierungen für den

Grimme-Preis Seite 14

Sonnabend / Sonntag, 21./22. Januar 2012 · Seite 11

AUSGEPRESST

Untergänge

Großen wie kleinen Katastrophen des

wahren Lebens folgt oft die nächste inForm ihrer künstlerischen Bewältigung.Lady Di, die Rose Englands, endete sonicht nur auf billigen Tassen und Tel-lern, sondern im Musical. Ins Kino zukommen, ist leichter: Margret Thatcher,deren Politik etwa die Hälfte der Britenals katastrophal einschätzt, ist ab 1.März auch in hiesigen Lichtspielhäusernzu betrachten. Das Treiben des derzeiti-gen EU-Internetbeauftragten zu Gutten-berg steht zur Verfilmung an. Auch dieCausa Wulff wird wohl im Hintergrundbereits auf ihr dramatisch-komödianti-sches Gewicht hin abgewogen.

Richtige Naturkatastrophen haben esda besser. Das Ende der Dinosaurierdurfte Jahrmillionen auf eine Themati-sierung in diversen Dokumentationenwarten. Der Untergang Pompejis brauch-te weit über 1800 Jahre, der der Titanicim Jahr 1912 nur noch Monate. Die be-rühmteste Verfilmung, die von JamesCameron, kommt pünktlich zum „Jubilä-um“ in Drei-D zurück in die Kinos.

Und noch etwas droht: Robin Gibbkomponierte ein Requiem, das zum100. Jahrestag des Auslaufens am 10.

April gespielt werden soll. 15 Sätze um-fasst das Werk, es beginnt mit „Tri-umph“, das den erfolgreichen Bau desdamals modernsten Schiffes der Weltsymbolisieren soll, und endet mit „ImParadies“ in Erinnerung an die vielenTodesopfer. In „Don’t Cry Alone“ singtRobin Gibb selbst mit.

Da muss die Welt wohl durch. Hof-fen wir aber, dass sich nun er und HerrCameron wenigstens vom Unglücksortder Costa Concordia fernhalten, dassman nicht plant, die Rolle des Kapi-täns mit Adriano Celentano zu beset-zen und so weiter. Zu befürchten ist esaber. Auch dies.  jkl 

TAGESTIPPS

„Neuland in Stereo (Teil II)“ heißt eine Aus-stellung, die am heutigen Sonnabend um 18Uhr in der Leipziger Galerie Naehring (Lütz-ner Straße 98) eröffnet wird. Zu sehen sindArbeiten von Yvette Kiessling und Uta Rein-hardt. Geöffnet ist Donnerstag und Freitag

von 16–20, Samstag von 14–18 Uhr.*„Wenn die wilden Kinder toben“, heißt dasMotto des Theaterfestes im Theater derJungen Welt am morgigen Sonntag ab 14Uhr (Eintritt: 1 Euro). Eine Bühnen-Show zeigtSzenen aus aktuellen Theaterstücken, einHistorischer Vergnügungspark im KleinenSaal lädt dazu ein, gemeinsam mit anderenalte Kinderspiele ausprobieren oder eineRunde auf dem Theaterkarussell zu drehen.Zwei Prinzen aus „Die zertanzten Schuhe“bringen in einem Workshop das Breakdan-cing bei – Auftritt am Ende des Festes.

KULTUR KOMPAKT

In der TV-Castingshow „Voice of Germany“ist die Leipzigerin Jasmin Graf wieder eineRunde weiter.

Die Beckmann-Ausstellung geht am morgi-gen Sonntag im Leipziger Bildermuseum zuEnde. Samstag und Sonntag gibt es jeweilsvon 10–18 Uhr die letzte Gelegenheit, diezum Teil weit gereisten Werke zu sehen.Museumsdirektor Hans-Werner Schmidtführt am Sonntag um 11 Uhr noch einmaldurch die Ausstellung.

Zehn Amateurfilmer werden mit der Online-Plattform Youtube ihre Videos beim Film-festival in Venedig im Spätsommer präsen-tieren können.

Nach mehr als zweijähriger Sanierung wirdmorgen das Brüder-Grimm-Museum in Kas-sel wieder eröffnet.

Das Klavier-Festival Ruhr widmet sich fünffranzösischen und US-Komponisten des20. Jahrhunderts. Werke von Claude De-bussy, Maurice Ravel, George Gershwin,John Cage und Philip Glass prägen das Pro-gramm vom 5. Mai bis zum 14. Juli.

Der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa will das renommiertespanische Cervantes-Institut nicht leiten.Wie der Sender Radio Nacional gestern be-richtete, habe Vargas Llosa den ihm ange-botenen Vorsitz des Instituts abgelehnt. Esließe sich nicht mit seinem Schreiben ver-einbaren.

Blues-Sängerin Etta Jamesmit 73 gestorben

Los Angeles (AFP). Die Blues- und Soul-sängerin Etta James ist tot. Sie sei gesternim Alter von 73 Jahren an ihrer Leukä-mie-Erkrankung in Los Angeles gestor-ben, teilte ihr Manager Lupe De Leon mit.Ihr Ehemann und ihre beiden Söhne sei-en an ihrer Seite gewesen. Etta James,die mit richtigem Namen Jamesetta Haw-kins heißt, war unter anderem durch ihreInterpretation des Songs „At Last“ be-rühmt geworden. Im Januar 2009 sangBeyoncé diesen Klassiker zur Amtsein-führung von US-Präsident Barack Obama.James gewann vier Grammys und 17Blues-Auszeichnungen.

„Fast alle berufen sich auf ihn“Christoph Wolff zum Tode des Alte-Musik-Pioniers Gustav Leonhardt

Gustav Leonhardt ist tot. Bereits An-fang der Woche starb der 1928 gebo-rene Pionier der musikalischen Auf-führungspraxis in Amsterdam.  Peter Korfmacher  sprach über ihn mitChristoph Wolff, Direktor des Leipzi-ger Bach-Archivs und über Jahr-zehnte Freund und Weggefährte Le-onhardts.

Frage: Seit wann kannten Sie Gustav Leonhardt?

Christoph Wolff: Wir haben uns in den60ern kennengelernt, und der Kontakt istnie abgebrochen. Wir hatten bis zuletztBriefverkehr. Noch im Dezember hat ermir eine Grußkartegeschrieben und istdarin ganz offen mitseiner Krankheitumgegangen: „Es streiten nun zwei ver-schiedene Krebse um den Vorrang“ hater mir geschrieben. Die Behandlungenhätten sich über Monate gezogen. Das hatihn zu dem Entschluss gebracht, sichnicht behandeln zu lassen. Nur seineKonzerte wollte er noch spielen. Das al-lerletzte hat er am 12. Dezember in Parisgegeben, es ist in Ausschnitten auf Youtu-be zu sehen.

Was, glauben Sie, ist für seinVermächtnis, für sein Nachwir-ken wichtiger? Der Musikeroder der Forscher?

Mann kann das nicht trennen.Gustav Leonhardt war musizie-render Forscher und forschender

Musiker gleichermaßen. Er hatals erster eine ganz neue Musi-zierhaltung systematisiert.

Was meinen Sie damit?

Im 19. Jahrhundert hat manBach romantisch musiziert, in der erstenHälfte des 20. Jahrhunderts war das nochimmer der Maßstab. Entweder durchFortführung dieses Ansatzes oder durch Abgrenzung, wodurch der sachliche, derNähmaschinen-Bach entstand. Leonhardtund seine Mitstreiter dagegen habenBach nicht vom 19. Jahrhundert aus ge-dacht, sondern vom 17., von der so über-aus fruchtbaren und expressiven Zeit vonHeinrich Schütz oder Dietrich Buxtehudeoder Jan Pieterszoon Sweelinck her.

 Bei den ersten Aufnahmen lässt dastechnische Niveau bisweilen zu wün-schen übrig ...

Das hängt damit zusammen, dass AlteMusik in den 50ern noch als Domäne derLaienmusiker galt. Es ist Gustav Leon-hardt und Nikolaus Harnoncourt zu dan-ken, dass zunehmend Profis sich dieserMusik annahmen. Sie haben Mitgliederdes Concertgbouworkest in Amsterdamoder der Wiener Philharmoniker dazu ge-bracht, Blockflöten zur Hand zu nehmen,Darmsaiten aufzuspannen, sich mit auf-

führungspraktischen Fragen auseinan-derzusetzten. Heut ist das für Orchester-musiker ganz selbstverständlich.

Gustav Leonhardt hat 2003 die erste Bach-Medaille der Stadt Leipzig erhal-ten ...

... er musste dererste sein, das warganz klar. Fast alle,die sich mit alter

Musik im Allgemeinen und mit Bach imSpeziellen auseinandersetzen, berufensich auf ihn. Er hat den Weg aufgezeigt,auf dem heute manche weiter gehen oderin andere Richtungen. Aber es ist sein Weg.

Vor einem halben Jahrhundert blühtedie Alte Musik noch in geographischen

 Zentren: Leonhardts Amsterdam, Har-noncourts Wien, dann Gardi-ners London oder Goebels

 Köln. Wohin ist die Karawanenun weitergezogen?

Nirgendwohin. Die Zentrengibt es nicht mehr, weil die AlteMusik und die Kenntnis ihreraufführungspraktischen Beson-

derheiten international gewor-den sind. Beinahe könnte mansagen: Allgemeingut.

 Also ist Leonhardts Saataufgegangen?

Uneingeschränkt! Das hat er auch sogesehen und sich sehr darüber gefreut. Indiesem Bewusstsein ist er nun auch ge-gangen.

Wird das Leipziger Bachfest auf sei-nen Tod reagieren?

Ja. Wir haben beschlossen, das KonzertTon Koopmans, der ja sein Schüler war,dem Andenken Gustav Leonhardts zuwidmen.

9. Juni, 20 Uhr, Nikolaikirche: Ton Koopmanund das Amsterdam Baroque Orchestra musi-zieren im Gedenken Gustav Leonhardts Bach-Kantaten. Das Bachfest Leipzig 2012 findetvom 7.–17. Juni statt. www.bachfestleipzig.de

INTERVIEW

ChristophWolff 

   F  o   t  o  :   A  n   d  r   é   K  e  m  p  n  e  r

ZUR PERSON

Gustav Leonhardt, geboren am 30. Mai1928 in ’s-Graveland, gestorben am 16.Januar 2012 in Amsterdam. 1947–1950

Studium von Orgel und Cembalo bei Edu-ard Müller an der Schola Cantorum Basi-liensis. Danach widmet sich Leonhardtmusikwissenschaftlichen Studien in Wienund wird 1952 zum Professor an der dor-tigen Staatlichen Musikakademie, derheutigen Universität für Musik und dar-stellende Kunst Wien, berufen. 1954Professor für Cembalo am AmsterdamerKonservatorium, darüber hinaus ist erOrganist an der dortigen Waalsekerk. Er

gründet 1955 das Leonhardt-Consortund wird als Interpret der Werke Bachsbekannt. 1969 wird er auf eine Gastpro-

fessur an die Harvard-University in denUSA berufen. Zwischen 1971 und 1990realisiert er mit Nikolaus Harnoncourtdas Projekt der Aufnahme sämtlicher Kir-chenkantaten Johann Sebastian Bachs.Ab 1988 lehrt er an der Accademia Musi-cale Chigiana in Siena. Anfang Dezember2011 gibt er seinen Rückzug aus demöffentlichen Konzertleben bekannt. Seinletztes Konzert spielt er am 12. Dezem-ber in Paris.

Mit breitem QuastSemyon Bychkov dirigiert im Großen Concert des Gewandhausorchesters Schönberg und Strauss

Eigentlich hätte Christian Thielemann diedrei Großen Concerte dieser Woche diri-gieren sollen. Doch da es mit dem Leip-zig-Dresdner Dirigentenaustausch einst-weilen „aus organisatorischen Gründen“Essig ist, sprang Semyon Bychkov ein.Beileibe keine Notlösung, sondern ein in-ternational gefragter Pultstar, und dersetzte statt der für Thielemann vorgese-

henen Fünften Bruckners kurzerhand ei-nen nachromantischen Dauerrausch:Schönbergs „Verklärte Nacht“ in der Fas-sung für Streichorchester (was bei Bych-kov heißt: Riesenstreichorchester) undStrauss’ maßlose Alpensinfonie.

Zweimal Programmmusik also. Da diebis zum Bersten gespannte Reflektion ei-nes bei näherem Hinsehen recht schwererträglichen Gedichts von Richard Deh-mel, dort die eher robust angegangene Wanderung auf den Berg und wieder hi-nunter. Beides Endpunkte: Für Schönbergder, an dem er erkennen musste, dasssein Weg ihn aus der Tonalität hinaus-

führen musste, wollte er weiter so roman-tisch komponieren. Denn was hätte nochkommen können nach diesem vor innererErregung flirrenden, bebenden, bersten-den Streichsextett? Für Strauss der, andem er sich endgültig nach anderen Gefä-ßen für seine grandiose Kunst umsah, mitder Symphonischen Dichtung war er nunfertig. Was hätte auch kommen sollen

nach diesem sinfonischen Monster, daszwischen Genie-Pose und Augenzwinkernso gekonnt wechselt?.

Beides sind Werke, die wie geschaffenscheinen für die Klangpalette des Ge-wandhausorchesters. Und tatsächlichsind die Schattierungen und Nuancen, diegleißenden Spiegelungen und Visionen,die silbrigen Soli der Verklärten Nachtselten so unmittelbar sinnlich zu erfahrenwie an diesem Donnerstagabend. Dahängt der Spannungsbogen in keinemTakt durch – obwohl es ums Zusammen-spiel der vielen Gewandhausstreichernicht immer zum Besten steht. Was zum

Teil daran liegt, dass Bychkov das Tempobeständig moduliert, was sich bestensverträgt mit der atemlosen Unruhe dieserMusik. Zum Teil ist es aber auch pure Un-achtsamkeit, die da die Pizzicati klappernlässt, die Akzente verwischen, die Kantensich runden – was sich kein bisschen ver-

trägt mit der disziplinierten Klarheit, diediese Musik eben auch auszeichnet.

Im Grunde ist es bei Strauss nicht an-ders: Bychkov, hier mit Stab dirigierend,setzt auf Farbe und die große Geste desInstrumentations-Titanen. Und es ist eine Wonne, wie sich die Holzbläser zu immer

neuen Mischungen finden, wie die Strei-cher um Frank-Michael Erben glühenund strahlen und schmeicheln, wie dasBlech das imaginäre Alphorn in den Saalzerrt und das Jäger-Halali, wie alle zu-sammen sich zum machtvollen Unwetterzusammentun, aber Zartheiten am We-gesrand durchaus im Auge behalten.

Jedenfalls in Umrissen. Denn um die

Details dieser Partitur ist es Bychkov ehernicht zu tun. Er geht mit dem breitenQuast auf die Leinwand los, ohne dabeidie Dynamik ins Extreme zu treiben. Dasist für satt ausgemalte Flächen gut, überdie sich immer wieder grandiose Soli er-heben, lässt den Binnenstrukturen aberwenig Raum. Subtil ist diese Sicht nicht. Aber eindrucksvoll, sehr, sehr eindrucks-voll, was notgedrungen in erheblichen Applaus mündet.  Peter Korfmacher

Das Große Concert wird heute, Samstag, 20Uhr wiederholt. An der Abendkasse oder unterTel 0341 1270280 gibt’s noch Restkarten.www.gewandhaus.de

International gefragt: Semyon Bychkov. Foto: gh

 A us Angst vor einem Mordanschlag hatder britische Schriftsteller Salman

Rushdie seine Teilnahme an einem Lite-raturfest im nordwestindischenJaipur abgesagt. Er sei vom Ge-heimdienst informiert worden,dass zwei bezahlte Mörder aus

der Unterwelt Mumbais auf dem Weg nach Jaipur seien, um ihnzu töten, sagte der Autor desvon Muslimen als blasphemischkritisierten Romans „Die satani-schen Verse“ gestern in einervon den Organisatoren veröf-fentlichten Mitteilung.

Er habe zwar einige Zweifel an diesenInformationen, ergänzte der in-dischstämmige Autor. „Es wäreaber dennoch meiner Familie,dem Publikum und meinen

Schriftsteller-Kollegen gegenüberunverantwortlich, unter diesenUmständen zu dem Festival zukommen.“ Er werde sich statt-dessen per Videokonferenz zu Wort melden. Die Absage sei einegroße Tragödie, bedauerten die Veranstalter.

Die geplante Teilnahme des 64-Jähri-gen an dem wichtigsten Literaturfest Süd-asiens hatte zu heftiger Kritik von Musli-men geführt. Die einflussreiche islamischeHochschule Darul-Uloom-Deoband hatte

die Regierung in Neu Delhi aufgefordert,Rushdie die Einreise zu verweigern. Vorder Wahl im bevölkerungsreichsten indi-schen Bundesstaat Uttar Pradesh – wo 19Prozent der Einwohner dem Islam an-hängen und die Darul-Uloom-Deobandihren Sitz hat – unterstützten auch politi-sche Parteien die Forderung. Die Regie-

rung des Bundesstaates Rajasthan hattewegen der Kontroverse Sicherheitsbeden-ken angemeldet, sollte Rushdie an demFestival in Rajasthans Hauptstadt Jaipurteilnehmen.

Indien war nach Erscheinen der „Sata-nischen Verse“ im Jahr 1988 das erste

Land, das das umstrittene Werk verbot.1989 verhängte der iranische Revoluti-onsführer Ayatollah Khomeini ein „Todes-urteil“ gegen Rushdie, weil das BuchMuslime beleidige. Der Autor lebte da-raufhin jahrelang unter extremem Poli-zeischutz im Londoner und New YorkerUntergrund. dpa

Salman Rushdie: Angst vor MordanschlagThomaner-Kalendarium 15

Eine kostbareHandschrift

2012 istThomaner-Jahr. Dennder berühmte Knabenchor an derThomaskirche feiert seinen 800. Ge-burtstag. Im Thomaner-Kalendariumleuchten wir hinein in 800 Jahre imDienste Gottes und der Musik.

*Die Universitätsbibliothek Leipzig

bewahrt einen der kostbarsten Schät-ze der Thomana-Geschichte: das400-seitige St.-Thomas-Graduale ausdem 13. und 14. Jahrhundert – eineder umfangreichsten erhaltenen mit-telalterlichen Choralhandschriften.Besonders hervorgehobene Gesängefür den Apostel Thomas deuten daraufhin, dass die mit großer kalligraphi-scher Sorgfalt ausgeführte Handschriftam Thomasstift selbst entstanden ist.

Das St.-Thomas-Graduale ist nichtnur ein Dokument des außergewöhn-lichen musikalischen Könnens derLeipziger Chorherren, es ist auch einBeleg für eine eigene Aufführungspra-xis des gregorianischen Chorals, die

sich von der römischen Art unter-schied. Anhänge zeigen zudem, dassdie Handschrift zweieinhalb Jahrhun-derte lang ständig in Gebrauch war,1533 erhielt der Kodex sogar einenneuen Einband. Auch nach der Ein-führung der Reformation in Leipzigwurde das Thomas-Graduale nochgenutzt, und selbst Bach hat sich mög-licherweise mit der alten Handschriftbeschäftigt. Denn im Credo seiner h-Moll-Messe, die der berühmteste allerThomaskantoren 1748 als Erweite-rung einer früheren Missa brevis zu-sammenstellte und die heute als einesder Hauptwerke geistlicher Barock-musik gilt, zitiert Bach zu den Worten„confiteor unum baptisma in remis-sionem peccatorum“ notengetreu einespezifische liturgische Wendung ausLeipzig, wie sie im St.-Thomas-Gra-duale überliefert wird. haku

Alle bisherigen Beiträge finden Sie auf:www.lvz-online.de. Zum Thomana-Jubiläumist die 52-seitige Broschur „800 Jahre Tho-mana – Kirche, Schule, Chor“ erschienen.Sie ist in den LVZ-Geschäftsstellen sowieim Buchhandel für 9,95 Euro erhältlich.

„Mein Kampf“

Bayern willNeuabdruck verhindern

Das Land Bayern will die Veröffentli-chung von Auszügen des Hitler-Buches„Mein Kampf“ verhindern. Der bayeri-sche Finanzminister Markus Söder (CSU)betonte gestern, dass der Freistaat alsRechteinhaber dies ablehne. „Ziel ist, die

 Veröffentlichung zu verbieten“, sagte erin Nürnberg zu den Plänen des briti-schen Verlages Albertas Limited. Bayernwerde auch gegen diesen Versuch, Teileaus „Mein Kampf“ zu veröffentlichen,mit allen juristischen Mitteln vorgehen,sagte Söder nach Angaben des Ministe-riums.

Der Verlag sei schriftlich aufgefordertworden, zu der geplanten Veröffentli-chung bis Montag Stellung zu nehmen.Danach werde man versuchen, im Rah-men des Einstweiligen Rechtsschutzeseine Veröffentlichung zu unterbinden,kündigte der Finanzminister an. BisEnde des Jahres 2015 werde der Frei-staat Bayern weiterhin gegen Verstößedes Urheberrechts rigide und entschlos-sen vorgehen. Denn erst dann laufe dasUrheberrecht aus. Am 26. Januar sollder erste Teil der Auszüge aus „MeinKampf“ nach Verlagsplänen in einem15-seitigen Booklet zusammen mit derhistorischen Wochenzeitung „Zeitungs-zeugen“ veröffentlicht werden. dpa

Gustav Leonhardt 2003 bei der Verleihung der Bach-Medaille im Rahmen des LeipzigerBachfestes. Foto: Wolfgang Zeyen

SalmanRushdie

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