Grundwassergefährdung – ist unser kostbares Gut in Gefahr? · Grundwassergefährdung – ist...
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Grundwassergefährdung – ist unser kostbares Gut in Gefahr?
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Grundwassergefährdung – ist unser kostbares Gut in Gefahr?
5.1 Einträge ins Grundwasser: Wie stark ist unser Grundwasser belastet?
Die Grundwasserbeschaffenheit wird durch eine Vielzahl von
Einflüssen natürlicher und menschlicher Art bestimmt. Im dicht
besiedelten Ballungsraum von Berlin können folgende natürli-
che und t anthropogen verursachte Einflüsse auf die Grund-
wasserbeschaffenheit wirken:
Anreicherung von Luftschadstoffen im Regenwasser,
Hydrogeologische Randbedingungen (Fließgeschehen,
Spannungszustand),
Entnahme von Grundwasser in den Einzugsgebieten
der Wasserwerke,
Infiltration von Oberflächenwasser in das Grundwasser,
Altablagerungen mit nachgewiesenen
Grundwasserkontaminationen,
Bau- und Trümmerschuttablagerungsflächen
(Trümmerberge, -halden u. ä.),
hoher Bebauungsgrad (Emissionen aus Baustoffen),
Verluste von Abwasser aus dem innerstädtischen
Kanalsystem (Exfiltrationen),
direkte Versickerung von Straßenablaufwässern,
Rieselfelder in den Randbereichen der Stadt
und des Umlandes (z. T. historisch),
Regenwasserversickerungs- bzw. -rückhaltebecken.
Um eine Abschätzung der Bedeutung diffuser und punktueller
Stoffeinträge in das Grundwasser Berlins vornehmen zu kön-
nen, werden auf Grundlage der vorhandenen hydrochemi-
schen Daten des landesweit betriebenen Grundwasserbeschaf-
fenheitsmessnetzes der aktuelle Zustand des Grundwassers für
alle t Grundwasserkörper charakterisiert (s. a. Kap. 2.4). Vor-
handene Daten und Erkenntnisse aus den Bohrprogrammen der
Siebziger- bis Neunzigerjahre sind in die Untersuchung mit ein-
gegangen. Des Weiteren ist die Datenbasis noch um Daten der
Berliner Wasserbetriebe (BWB) in den Einzugsgebieten der
Wasserwerke, um Daten aus Altlastensonderuntersuchungen
sowie aus dem Brandenburger Umland ergänzt worden. Insge-
samt konnten 1.364 Messstellen ausgewertet werden. Zudem
wurden weitere hydrogeologische und hydrodynamische
Aspekte einbezogen. Bedeutende Punktquellen wurden geson-
dert ausgewertet und eine Einschätzung vorgenommen, inwie-
weit durch diese die Grundwasserkörper insgesamt signifikant
belastet werden (HYDOR 2003).
Auswahl der Indikatoren
Im Rahmen einer umfassenden statistischen Analyse aller
Messdaten des Basismessnetzes wurden ca. 150 Parameter ber-
linweit ausgewertet, mit folgenden Ergebnissen:
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Die Nitratgehalte im Grundwasser Berlins sind
grundsätzlich unproblematisch.
Die organischen Spurenstoffe einschließlich
der Pflanzenschutzmittel sowie die Schwermetalle sind
nur an wenigen Messstellen und lokal sehr begrenzt
nachweisbar.
Diese Aussage stützt die Einschätzung, dass durch die Punkt-
quellen Berlins – nach jetzigem Kenntnisstand – keine flächen-
hafte Beeinträchtigung der Grundwasserkörper verursacht wird.
Bei der Auswahl der Parameter für eine umfassendere Bewer-
tung wurden nur die als potenzielle Problemstoffe im Grund-
wasser Berlins erkannten Parameter näher ausgewertet: elektri-
sche Leitfähigkeit, Sulfat, Chlorid, Ammonium, Kalium,
Oxidierbarkeit, Ortho-Phosphat und Bor.
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Für die flächenhafte Verteilung (Regionalisierung) wurde ein
Modell verwendet, das häufig im Bereich der Umweltwissen-
schaften eingesetzt wird (Kriging-Modell).
Große Aufmerksamkeit wird dabei der Datenprüfung und -auf-
bereitung gewidmet. Da insbesondere die altlastenbezogenen
Sondermessstellen in Berlin gehäuft auf engem Raum mit hohen
hydrochemischen Variabilitäten angesiedelt sind, musste hier in
Vorbereitung der geostatistischen Analyse eine individuelle Prü-
fung von Einzelmesswerten bzw. -analysen vorgenommen wer-
den. Räumlich und zeitlich nicht plausible Werte wurden aus der
Datenbasis eliminiert. Räumliche Zusatzinformationen wurden
zur Interpretation der Berechnungsergebnisse herangezogen.
Die Datenbasis wurde anschließend einer t Variogrammanaly-
se unterzogen.
Für eine Beurteilung der flächenhaften Verteilung von poten-
ziellen Belastungsparametern wurde eine Klassenbildung in
sechsstufige Intervalle gemäß Tabelle 5.1-1 festgelegt. Diese
feine Abstufung dient vorrangig der besseren räumlichen Dar-
stellung von konzentrationsähnlichen Bereichen. Des Weiteren
können Hochlastbereiche so besser abgeschätzt werden. Die
Abstufung in sechs Bereiche wurde folgendermaßen angepasst:
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Tab. 5.1-1 Grenzen der Intervalle der Konzentrationen bzw. Überschreitungswahrscheinlichkeiten
Klasse Leitf. Chlorid Sulfat Ammonium CSV-Mn Kalium o-Phosphat Bor
μS/cm mg/l mg/l Überschrei-
tungswahr-
scheinlichkeit
einer
Konzentration
von 0,5 mg/l
mg/l mg/l Überschrei-
tungswahr-
scheinlichkeit
einer
Konzentration
von 0,3 mg/l
μg/l
< 500 < 20 < 50 < 10 % < 1.0 < 1.0 < 10 % < 50
500 - 750 20 – 50 50 – 120 10 – 25 % 1.0 - 1.5 1.0 - 2.0 10 – 25 % 50 - 75
750 - 1000 50 – 75 120 - 180 25 – 50 % 1.5 - 2.5 2.0 - 3.0 25 – 50 % 75 - 100
1000-1500 75 – 125 180 - 240 50 – 75 % 2.5 - 4.0 3.0 - 6.0 50 – 75 % 100 - 200
1500-2000 125 - 250 240 - 360 75 – 90 % 4.0 - 5.0 6.0 - 12.0 75 – 90 % 200-500
> 2000 > 250 > 360 > 90 % > 5.0 > 12.0 > 90 % > 500
Ergebnisse
In den folgenden Abschnitten werden die flächenhaften Kon-
zentrationen beispielhaft an den drei Parametern Sulfat, Chlorid
und Bor mit dem Ziel einer hydrochemisch orientierten Bewer-
tung beschrieben.
Sulfat
Ursache für die deutlich erhöhten Sulfatkonzentrationen im Ber-
liner Grundwasser ist primär der großflächig über die Stadt ver-
teilte Bau- und Trümmerschutt des 2. Weltkrieges (SENSTADTUM
1986); untergeordnet wird auch der Einfluss häuslicher Abwäs-
ser genannt (WURL 1995). Charakteristisch für die meist gips-
haltigen Ablagerungen ist, dass sie mehr oder weniger diffus
verstreut über die gesamte Stadt verteilt sind.
Der Einfluss dieser Ablagerungen soll anhand eines Beispieles
verdeutlicht werden: SIEBERT (1956) kommt zu dem Ergebnis,
dass die riesigen ab 1949/50 angefahrenen Trümmerschutt-
massen im Bereich des Teufelsberges im Grunewald noch kei-
nen Einfluss auf die Grundwasserbeschaffenheit haben. Eine
direkt im westlichen Abstrom des Teufelsberges gelegene
Grundwassermessstelle wies damals einen Sulfatgehalt von
etwa 50 mg/l auf. Im Rahmen des hydrogeologischen Struktur-
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Abb. 5.1-1 Flächenhafte Verteilung von Sulfat
modells für das Wasserwerk Tiefwerder (GCI & AKS 1998) hinge-
gen wird darauf verwiesen, dass in der gleichen Messstelle der
Sulfatgehalt mittlerweile auf über 400 mg/l angestiegen ist.
Abbildung 5.1-1 zeigt die berechneten Sulfatgehalte.
Das Bild bestätigt weitgehend die o. g. Erkenntnisse. Sulfatgehal-
te unterhalb von 100 mg/l finden sich im Stadtgebiet mit Aus-
nahme kleiner bewaldeter Areale im Nordwesten sowie im Süd-
osten nicht mehr. Innerhalb des gesamten Innenstadtbereiches
liegen die Werte oberhalb von 180 mg/l; kleinräumige Ausnah-
men finden sich entlang der innerstädtischen Spree. Räumliche
Bezüge zu Altlastenverdachtsflächen und zu Bauschuttdeponien
sind an vielen Stellen erkennbar.
Die höchsten Sulfatgehalte (oberhalb von 360 mg/l) finden sich
flächenhaft in den dicht bebauten Innenstadtgebieten. Hiervon
betroffen ist z. B. ein ca. 30 km2 großes Gebiet beiderseits des
Unterlaufes der Panke nach Osten bis nach Friedrichshain. Die
Sulfatgehalte reichen hier punktuell bis oberhalb von 800 mg/l.
Bei der Berechnung der Verweilzeiten des Sickerwassers (BTU
2003) wurden hier, am Südrand des Barnims, Zeiträume von
weniger als 50 Jahren ermittelt, so dass das Eintragsszenarium
aufgrund des Stoffinputs der Ablagerungen nach dem zweiten
Weltkrieg plausibel erscheint.
Insgesamt betrachtet muss von einer (auch aktuell) sehr hohen
Sulfatbelastung ausgegangen werden, welche für die Qualität
der Ressource Grundwasser im Stadtgebiet von nicht zu unter-
schätzender Bedeutung – auch für die zukünftige Trinkwasser-
versorgung – ist.
Chlorid
Quellen von Chlorid für erhöhte Konzentrationen im Grundwasser
können Chloridlaugen sein, die im Rahmen des Winterdienstes
auf Straßen eingesetzt werden; dies wird jedoch in Berlin seit
einer Reihe von Jahren nur noch in sehr geringem Maß und nur
auf Straßen mit Regenwasserkanalisation durchgeführt. Stark
erhöhte Chloridgehalte im Grundwasser, die nicht geogen durch
aufsteigende Tiefenwässer bedingt sind, können daneben auch
als Indikatoren für Abwassereinleitungen oder für Belastungen
aus Deponien gewertet werden.
Konzentrationen unterhalb von 50 mg/l finden sich in der Stadt
fast ausschließlich in den bewaldeten Außenbereichen. In Bran-
denburg überwiegen diese Konzentrationen im unmittelbaren
Umland. Jedoch finden sich auch Gebiete südlich der Stadt, wo
die Konzentrationen großflächig höher als 50 mg/l liegen, hier
deutet sich ein Bezug zu den zumeist bis 1990 betriebenen Rie-
selfeldern an (Abb. 5.1-2).
Innerhalb der Stadt korrespondieren die Flächen mit erhöhten
Chloridgehalten mit erhöhten Leitfähigkeiten. Jedoch sind Berei-
che mit deutlich erhöhten Gehalten oberhalb von 100 mg/l
kleinräumiger ausgeprägt. Lediglich in Spandau (Hahneberg)
sowie in Mitte (Nordbahnhof) und Prenzlauer Berg finden sich
einige dieser Gebiete. Nur eine Fläche wurde mit Gehalten ober-
halb des Schwellenwertes von 250 mg/l ausgewiesen.
Angesichts dieses Ergebnisses kann bei Chlorid nicht von einer
relevanten flächenhaften Belastung des Berliner Grundwassers
aufgrund diffuser Schadstoffquellen gesprochen werden.
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Abb. 5.1-2 Flächenhafte Verteilung von Chlorid
Bor
Bor ist im Grundwasser ein Problemstoff, weil es als Bestandteil
der Waschmittel (Perborate) in großen Mengen über das Abwas-
ser in die Umwelt freigesetzt wird. Wegen seiner geringen geoge-
nen Konzentration (außer in tiefensalinar versalzenen Wässern)
ist es ein geeigneter Indikator für anthropogene Beeinflussungen
des Grundwassers. Nach Schätzungen stammen etwa zwei Drit-
tel des in der Umwelt vorhandenen Bors aus anthropogenen
Quellen (LFU 2001). In Reinigungsmitteln wird es für Desinfektion
und Bleichung verwendet. Außerdem ist es Bestandteil von Dün-
gemitteln.
Auf Grund der vielseitigen Verwendung ist Bor häufig in Abwäs-
sern zu finden. Bor gelangt über undichte Abwasser- und Abfall-
anlagen und über die Infiltration von Oberflächenwasser in das
Grundwasser. So treten erhöhte Borwerte oft in Gebieten mit
hoher Besiedlungs- und Industrialisierungsdichte auf. Beeinflus-
sungen zeigen sich ab etwa 80 μg/l (SCHLEYER & KERNDORFF 1992).
Die Untersuchungen von FUGRO & HYDOR (2002) deuten auf Korre-
lationen zu den Sulfatgehalten hin; räumlich wurde festgestellt,
dass die dicht bebauten Innenstadtareale erkennbar höhere Bor-
gehalte zeigen. Abb. 5.1-3 zeigt die berechnete flächenhafte Ver-
teilung.
Da zu den brandenburgischen Messstellen im Umland von Ber-
lin zumeist keine Borwerte vorliegen, konnten die Berechnun-
gen hier weitgehend nur für das Stadtgebiet vorgenommen
werden.
Diese räumlichen Inhomogenitäten zeigen sich auch im Stadt-
gebiet: Besonders niedrige Konzentrationen finden sich im Gru-
newald und im Norden (Tegeler Forst, Frohnau), besonders hoch
vor allem entlang der innerstädtischen Spree, aber auch im land-
wirtschaftlich genutzten Gebiet um Lübars und Blankenfelde.
In den ungespannten Bereichen der Innenstadt finden sich fast
durchgehend Gehalte oberhalb von 100 μg/l und damit eine
erkennbare diffuse Beeinflussung, die mit undichten Kanal-
systemen in Verbindung stehen könnte. Hier muss eine Einzel-
fallanalyse der besonders belasteten Messstellen (oberhalb von
250 μg/l) durchgeführt werden.
Die Ergebnisse der Flächenberechnung zeigen in der Zusam-
menfassung sehr deutlich das flächenhafte Ausmaß des lang-
jährigen Stoffeintrages in das oberflächennahe Grundwasser in
Berlin an: Während bei Chlorid und Bor vorwiegend von lokalen
Belastungen gesprochen werden kann, sind vor allem bei Sulfat
große Bereiche des Stadtgebietes von drastischen Konzentrati-
onserhöhungen bis weit oberhalb der Schwellenwerte gekenn-
zeichnet – primäre Ursache ist hier die großflächige Verbringung
von Bau- und Trümmerschutt.
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Abb. 5.1-3 Flächenhafte Verteilung von Bor