geophagus megasema

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Jörg Albering Einleitung Geophagus megasema gehört, zusammen mit Geo- phagus altifrons, zu den am längsten bekannten Erdfressern – zumindest, wenn man das Jahr der Erstbeschreibung als Kriterium betrachtet (abgese- hen von „Geophagusbrasiliensis, der bereits 1824 durch Quoy und Gaimard beschrieben wurde und Geophagus surinamensis (BLOCH, 1791)). Während sich G. altifrons zu einer beliebten und aquaristisch verbreiteten Cichlidenart entwickelte und zahlreiche Informationen über Verbreitung und Ethologie vorliegen, ist G. megasema wegen seines Vorkommens fernab der üblichen Fanggebiete immer noch ein Phantom, ein Mysterium! G. megasema wurde von Natterer (1778–1843) während seiner 19-jährigen Forschungstätigkeit in Südamerika (1817–1836) gesammelt und nur wenige Jahre danach von Heckel in seinem Werk „Johann Natterer’s neue Flussfische Brasiliens, (1840)“ beschrieben. Bis heute sind zu den oben genannten Erdfresser-Arten noch 20 weitere be- schriebene und eine nicht unerhebliche Anzahl noch unbeschriebener Arten hinzugekommen. Man sollte allerdings in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass die Arten der „G.“ steindachneri- Gruppe („G.“ steindachneri, crassilabris und pel- legrini) sowie die „G.“ brasiliensis-Verwandten („G.“ brasiliensis, iporangensis, itapicuruensis und obscurus) sicherlich in Zukunft noch in eigene Gattungen überführt werden. Die Zahl der wissen- schaftlich beschriebenen „echten“ Geophagus- Arten beläuft sich somit derzeit auf 16. Unsere Kenntnisse über die Erdfresser-Arten wur- den in den letzten zwei Jahrzehnten durch zahlrei- che Haltungs- und Zuchtberichte sowie durch Freilandbeobachtungen erweitert (für eine Über- sicht siehe: „Die Buntbarsche Amerikas, Band 3“, Stawikowski und Werner sowie „Südamerika- nische Erdfresser“, Weidner). Einige Arten aus den großen Zuflüssen zum Amazonas, wie z.B. G. alti- frons, G. sp. aff. altifrons und Geophagen aus der „Rotstirn-Gruppe“, sind heutzutage relativ pro- blemlos entweder im Handel oder über private Züchter erhältlich. Andere erhält man erst nach einigem Suchen und langen E-Mails und Tele- fonaten – und viele Erdfresser wird man nur dann „in natura“ zu sehen bekommen, wenn man selber DCG-Informationen 39 (6): 121–130 121 Geophagus megasema (HECKEL, 1840) Eine Rarität aus dem bolivianischen Tiefland 1. Teil

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Jörg Albering

EinleitungGeophagus megasema gehört, zusammen mit Geo-phagus altifrons, zu den am längsten bekanntenErdfressern – zumindest, wenn man das Jahr derErstbeschreibung als Kriterium betrachtet (abgese-hen von „Geophagus“ brasiliensis, der bereits1824 durch Quoy und Gaimard beschrieben wurdeund Geophagus surinamensis (BLOCH, 1791)).Während sich G. altifrons zu einer beliebten undaquaristisch verbreiteten Cichlidenart entwickelteund zahlreiche Informationen über Verbreitung undEthologie vorliegen, ist G. megasema wegen seinesVorkommens fernab der üblichen Fanggebieteimmer noch ein Phantom, ein Mysterium!G. megasema wurde von Natterer (1778–1843)während seiner 19-jährigen Forschungstätigkeit inSüdamerika (1817–1836) gesammelt und nurwenige Jahre danach von Heckel in seinem Werk„Johann Natterer’s neue Flussfische Brasiliens,(1840)“ beschrieben. Bis heute sind zu den obengenannten Erdfresser-Arten noch 20 weitere be-schriebene und eine nicht unerhebliche Anzahl

noch unbeschriebener Arten hinzugekommen. Mansollte allerdings in diesem Zusammenhang nichtvergessen, dass die Arten der „G.“ steindachneri-Gruppe („G.“ steindachneri, crassilabris und pel-legrini) sowie die „G.“ brasiliensis-Verwandten(„G.“ brasiliensis, iporangensis, itapicuruensisund obscurus) sicherlich in Zukunft noch in eigeneGattungen überführt werden. Die Zahl der wissen-schaftlich beschriebenen „echten“ Geophagus-Arten beläuft sich somit derzeit auf 16.Unsere Kenntnisse über die Erdfresser-Arten wur-den in den letzten zwei Jahrzehnten durch zahlrei-che Haltungs- und Zuchtberichte sowie durchFreilandbeobachtungen erweitert (für eine Über-sicht siehe: „Die Buntbarsche Amerikas, Band 3“,Stawikowski und Werner sowie „Südamerika-nische Erdfresser“, Weidner). Einige Arten aus dengroßen Zuflüssen zum Amazonas, wie z.B. G. alti-frons, G. sp. aff. altifrons und Geophagen aus der„Rotstirn-Gruppe“, sind heutzutage relativ pro-blemlos entweder im Handel oder über privateZüchter erhältlich. Andere erhält man erst nacheinigem Suchen und langen E-Mails und Tele-fonaten – und viele Erdfresser wird man nur dann„in natura“ zu sehen bekommen, wenn man selber

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GGeeoopphhaagguuss mmeeggaasseemmaa ((HHEECCKKEELL,, 11884400))

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Präpariertes Exemplar von Geophagus megasema ausdem Rio Guaporé. Exponat des Museo Ictícola derUniversidad Técnica del Beni.

zu den entsprechenden Biotopen reist. Und zu die-sen Arten gehört auch Geophagus megasema(HECKEL, 1840), der im Folgenden im Detail vor-gestellt werden soll.

Geophagus megasema – ein paarPhantome und wenig InformationenSucht man in der aquaristischen und wissenschaft-lichen Literatur nach Hinweisen auf G. megasema,so finden sich nur sehr dürftige Informationen.Abgesehen von der Erstbeschreibung durch Heckelund wenigen Datenbankeinträgen findet diese Artkaum Erwähnung in Publikationen. Stawikowskiund Werner weisen jedoch auch darauf hin, dass ineinigen wissenschaftlichen Untersuchungen (Hase-mann, 1911; Pearson, 1937; Kelly, Swing, Ramsey,1984) im Einzugsgebiet des Rio Guaporé wahr-scheinlich G. megasema mehrfach nachgewiesen,aber aufgrund von Fehlidentifikationen nicht aus-drücklich als G. megasema bezeichnet wurde. Offensichtlich hat sich kaum jemand die Mühegemacht, explizit nach dieser Geophagus-Art füraquaristische und/oder ethologische Untersuchun-gen zu forschen und sie lebend nach Europa zuimportieren. Wenn sie bei uns oder den USA auf-getaucht sein sollten, wurden sie nicht als solcheerkannt, bzw. andere Arten wurden fälschlicher-weise als G. megasema bezeichnet. Ich selber habediese Art zum ersten Mal in Form eines präparierten

Exemplars in der ichthyologischen Sammlung derUniversidad Autónoma del Beni gesehen. Über dasFortpflanzungsverhalten von G. megasema war biszu diesem Zeitpunkt ebenfalls nichts bekannt – esgab nur Spekulationen, die auf der äußeren Ähn-lichkeit zwischen G. proximus und G. megasemaberuhen bzw. auf der fälschlichen Zuordnung vonanderen Importtieren zur letztgenannten Art (sieheunten).Der Leser möge selber urteilen, inwiefern das hierabgebildete, konservierte Tier aus dem Guaporé(Präparat des „Museo Ictícola de la UniversidadAutónoma del Beni“), das lebende Exemplar ausdem Rio San Martin und die Aquarienexemplare(ebenfalls vom gleichen Fundort wie das adulteTier aus dem San Martin bei Bella Vista) überein-stimmen. Dazu sei hier der Original-Text vonHeckel zitiert:„... Etwas höher als die Mitte des Rumpfes liegt eingroßer, runder, schwarzer Fleck von wenigstenszwei Augendiametern, dessen oberes Drittheil dieSeitenlinie mit der 9.-14. Schuppe durchzieht.“ Aufder Caudale befinden sich „7-8 schwärzlicheLängsstreifen. die sich bald mehr, bald weniger zueinem sehr unregelmäßigen, netzförmigen Gewebeverbinden, das an der Flossenbasis zuweilen sogar

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Portrait eines frisch gefan-genen Geophagus megase-ma aus dem Rio SanMartin.

Unten:Geophagus megasemagehört sicherlich zu denschönsten Erdfressern.

Fotos: Dan Woodland

Seite 121:Geophagus megasema imAquarium. Diese Exemplaresind etwa 2 ½ Jahre altund stammen aus dem RioSan Martin, einem Zuflussdes Rio Guaporé.

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in geschlängelte Querbinden sich gestaltet undrückwärts erst gerade oder schiefe Längsstreifenvorherrschen lässt. ... Die eigentliche Farbe aber,nach einer während dem Leben gefertigten Abbil-dung, ist sehr schön. Den Rücken färbt ein hellesGrün, das gegen den Bauch in ein noch helleresblaulich-grün und am Oberkopfe in das Graugrüneübergeht; den ganzen Rumpf durchziehen schmalegelbe Längsstreifen, der Mittelfleck ist schwarz.Die ganze Rückenflosse ist aschgrau, gegen dieBasis dunkler, alle Fahnen der Stachelstrahlen undder Rand zwischen den getheilten sind hochroth.

Die Bauchflossen sind Türkis-blau und roth derLänge nach gestreift, nach hinten zu aber und gegendas Ende der Strahlen verwandelt sich das schöneBlau in ein weiss; auch die fadenförmige Verlän-gerung des ersten weichen Strahlen ist weiss. DieAnalflosse ist den Bauchflossen ähnlich nur blas-ser gefärbt, und sämmtliche Streifen laufen schiefin die Quere. Die Grundfarbe der Schwanzflosseist blass blaulich-grün, nach dem Ende zu röthlich,und die netzförmigen Streifen dunkel-violett“.Eindeutiger könnte man das Aussehen eines adul-ten G. megasema auch in modernerem Deutsch

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Astronotus crassipinnis(HECKEL, 1840). Auch dieseArt wurde bereits vonNatterer im Einzugsgebietder Rio Guaporé gefangenund durch Heckel beschrie-ben. Wir fanden sie zusam-men mit Geophagus mega-sema und Satanopercapappaterra.

Unten: Männchen von Satano-perca pappaterra aus demRio San Martin. Diese Auf-nahme zeigt eingeschlechtsreifes, etwazwei Jahre altes Tier.

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kaum beschreiben! Berücksichtigt man die verblas-sten Farben des konservierten Exemplars und dieTatsache, dass die Aquarienexemplare sicherlichnoch deutlich jünger sind als das voll ausgewach-sene Exemplar auf dem Foto von Dan Woodland,kann man nur zu dem Schluss kommen, dass es sichbei den Tieren aus dem Rio San Martin definitiv umGeophagus megasema handelt. Der Fundortstimmt weitgehend – zumindest das Einzugsgebiet

– und die Übereinstimmung mit der Erstbeschrei-bung ist ebenfalls perfekt gegeben! Ein weiteresArgument für die These, dass es sich bei den hiervorgestellten Tieren tatsächlich um den „echten“Geophagus megasema handelt, ist, dass weitereCichliden-Arten, die während der Natterer-Expedition im Jahr 1828 zeitgleich mit den Typus-Exemplaren von G. megasema nahe Vila Bela doMato Grosso aufgesammelt wurden, ebenfalls im

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Rio San Martin, dem Rio Blanco und dem RioSan Joaquin nachgewiesen werden konnten.Namentlich seien hier Satanoperca pappaterra,Aequidens viridis, Cichla monoculus, Chaeto-branchus flavescens und Astronotus crassi-pin(n)is, Mesonauta festivus und Heros cory-phaeus (alle: HECKEL, 1840) erwähnt. Siehehierzu auch die Ergebnisse der Unter-suchungen von Staeck am Rio San Martin im

Bereich von Bella Vista (Staeck 2006). Zumindestder Unterlauf des Rio San Martin scheint also eineidentische Cichlidenfauna wie der Rio Guaporé(oder Rio Iténez, wie er in Bolivien genannt wird)zu besitzen. Ähnlich gute Übereinstimmungen inder Cichliden-Begleitfauna sind mir von anderenAufsammlungen, in denen sich Geophagen fanden,die möglicherweise als Geophagus megasemabezeichnet werden könnten, nicht bekannt.

Ein echter Biotodoma cupi-do - gefangen am Rio SanMartin bei El Prado. DiesesAnwesen wird von einigenamerikanischen Aquaria-nern als biologische „For-schungsstation“ betrieben.

Unten: Eine Augenweide:Aequidens viridis aus demRio San Martin. Diese Artgehört ebenfalls zu denwunderschönen Raritäten,die Bolivien zu bieten hat.

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Als zusätzliche Information möchte ich mit derschematischen Abbildung der Bänderzeichnungvon G. megasema und G. proximus (erstellt anhandmeiner Exemplare aus dem oberen Rio Negro)noch die Arbeit von Lopéz-Fernández und Taphorn(enthalten in der Erstbeschreibung von G. winemil-leri, G. abalios und G. dicrozoster) ergänzen.Bezüglich der Bänderzeichnung unterscheiden sichG. megasema und G. proximus deutlich voneinan-der. In dem Artikel von Lopéz-Fernández undTaphorn fehlt jedoch außer der Bänderzeichnungnoch ein weiteres Detail: zumindest adulte, brut-pflegende oder aggressiv gestimmte G. megasemabesitzen eindeutig einen - wenn auch leicht verwa-schenen - Präopercularstreifen.Damit haben wir nun endlich einen Bezugspunktfür die Identifizierung von G. megasema und dieUnterscheidung von anderen Erdfresser-Arten. Beiden Tieren, die Numrich (laut Stawikowski &Werner) 1996 aus Brasilien importierte und diesich wie G. proximus vermehrten, kann es sichnach den im vorliegenden Artikel gezeigten Faktennicht um G. megasema gehandelt haben. Auch dasTier aus dem Einzugsgebiet des Rio Jaçiparaná,das Stawikowski und Werner im dritten Band derBuntbarsche Amerikas auf Seite 303 abbilden,gehört aufgrund seiner Schwanzflossenzeichnung

Schematische Darstellung der Bänderung und sonsti-gen schwarzen Zeichungsmerkmale von G. megasema(a) und G. proximus (b). Trotz der oberflächlichen Ähn-lichkeit der beiden Arten wegen des großen Lateral-flecks sind die Unterschiede sehr deutlich. (Zeichnungverändert nach López-Fernández und Taphorn).

Die Bänderzeichnung von G. megasemaist unverkennbar und unverwechselbar.

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Jungtier von G. megasemadirekt nach dem Fang ineiner Küvette fotografiert.Man erkennt sehr gut dietypische Bindenzeichnungdieser Art.

UInten:An solchen überfluteten,grasbewachsenen Ufer-abschnitten kann mannachts Geophagen fangen.Tagsüber gehören zahlrei-che andere Cichliden sowieSalmler, Welse und Rochenzur Fangausbeute.

(eindeutig gepunktet!) höchst wahrscheinlich nichtzur Art G. megasema – man sollte eher bei der vonEvers (2002) gewählten Bezeichnung G. sp. aff.proximus bleiben. Auch mit den sehr ähnlichenErdfressern (z.B. Geophagus sp. „Aripuana I“,Weidner (2000)) aus dem Madeira-Einzugsgebietkann es keine Verwechselungen mehr geben, dennbei diesen Arten handelt es sich um ovophile Maul-brüter im Gegensatz zu G. megasema (siehe unten).

FangAus der Literatur war bekannt (s.o.), dass G. mega-sema im Einzugsgebiet des Rio Guaporé vor-kommt. Dass dazu wohl auch der Guaporé-ZuflussRio San Martin mit seinen Nebenflüssen gehört,konnten schon die Untersuchungen von Guggen-bühl (persönliche Mitteilung) im Jahr 2005, diezeitgleichen Fangergebnisse amerikanischer Aqua-rianer (Kutty, Woodland, 2007 – persönliche

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Mitteilungen) und die Beobachtungen von Staeckin diesem Fluss-System zeigen. Stawikowski /Werner bilden im dritten Band der BuntbarscheAmerikas das Foto eines Geophagen ab, denGuggenbühl im Rio San Martin gefangen hatte.Leider konnten zu jener Zeit ausschließlich adulteExemplare gesammelt werden, die sich als nichttransporttauglich erwiesen. Eines der Ziele derBolivien-Reise im Januar 2006 (durchgeführt vonRöbi Guggenbühl, Anton Oberleuthner, DirkNeumann und dem Autor) war demzufolge, in derRegenzeit juvenile Exemplare von G. megasema zufangen und lebend nach Europa zu bringen. In derTrockenzeit gelang dieses ja bislang leider nicht.Viele unserer Freunde hielten anfangs unserenPlan, anstatt in der Trockenzeit in der regenreichen,feuchten Periode eine Sammelreise durchzuführenfür „schwer durchführbar“ über „wenig Erfolg ver-sprechend“ bis hin zu „unsinnig“. Sicher – es istwesentlich komplizierter sich in einem über-schwemmten Land fortzubewegen und verschiede-ne Biotope zu untersuchen als während der trocke-nen Jahreszeit. In der Trockenzeit kann man auchzu Land reisen, was gerade im bolivianischenTiefland zur Regenzeit eher schwer zu bewerkstel-ligen ist. Dort steigt der Wasserspiegel der Flüsse

teilweise um bis zu acht Meter und die schwerenRegenfälle verwandeln einen großen Teil desLandes in einen Sumpf. Aber wo ein Wille ist, fin-det sich auch eine „Avionetta“ (kleines Flugzeugz.B. eine Cessna) oder ein Boot. Man findet sicher-lich in der Trockenzeit leichter gut zu befischendeBiotope – dafür erschließen sich jedoch in demüberfluteten Tiefland während der Hochphase derregenreichen Zeit auch interessante neue Lebens-räume, wie das überflutete Grasland an den Ufernvon Flüssen und stehenden Gewässern. Dort kannman teilweise vollkommen anders zusammenge-setzte Fischgesellschaften beobachten als in derTrockenzeit. Man findet nicht nur laichende undJunge führende Paare von Apistogramma,Aequidens, Laetacara und Bujurquina, sondernauch zahlreiche Jungtiere von größeren Cichliden,Welsen und Salmlern, die die reichen Nahrungs-ressourcen und den Schutz vor Fressfeinden in denflachen Uferzonen nutzen. Außerdem gelang es uns,in diversen Biotopen interessante limnologische

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Auf der Luftaufnahme des Dorfes Bella Vista erkenntman den Zusammenfluss des schlammigen Rio Blancomit dem Schwarzwasser führenden Rio San Martin. Anden gerodeten Flussufern nahe der Ortschaft findetman Geophagus megasema.

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Daten – z.B. über die Wasser-Temperaturprofileund physikalisch-chemische Parameter im Laufeeines Tropentages mit reichlichen Regenfällen – zusammeln. Doch dies ist eine andere Geschichte undsoll ein anderes Mal erzählt werden.Das „Hauptquartier“ für unseren Aufenthalt imTiefland des Guaporé-Einzugsgebietes war das„Hotel Internacional“ in Magdalena, einem winzi-gen Ort am Rio Itonamas. Von Magdalena aus istnach einem relativ kurzen Flug der noch kleinereFlecken Bella Vista am Rio San Martin zu errei-chen. Wir schlugen dort unser Quartier für einigeTage bei Claude Brosse in der Anlage „El Tucu-naré“ auf - einem wunderschön gelegenen und sehrangenehmen kleinen Hotel und Basis für reisendeWissenschaftler, Fotografen, Angler und Aqua-rianer (www.tourisme-amazonie.com). Claudestellte uns sein Boot mit Außenborder und zweierfahren Steuermänner zur Verfügung, mit denenwir in den nächsten Tagen Fang-Touren auf demRio San Martin und dem Rio Blanco durchführten(einer der zahllosen „Rio Blancos“ Südamerikas,

dieser hier mündet bei Bella Vista in den Rio SanMartin (siehe Luftaufnahme). Der Rio San Martin besitzt zum Höhepunkt derRegenzeit einen sieben bis acht Meter höherenWasserstand als zur Trockenzeit. Die flachen Sand-bänke, die Prallufer und die großen Felsen – allesliegt zu diesem Zeitpunkt tief unter Wasser. DerGaleriewald ist überflutet und macht das Anlandeneines Bootes schwierig bis unmöglich. Man kannmit einem Zugnetz nur an Stellen fischen, an denender Fluss angrenzendes Grasland überschwemmtoder an besonders hoch gelegenen sandigenStellen. Dies schränkt die Auswahl geeigneterFangplätze stark ein – man findet jedoch an denwenigen befischbaren Plätzen dennoch eine hoheIndividuendichte an diversen Fischarten. DieWassertemperatur schwankt nur leicht im Tages-verlauf im Bereich von 26 bis 28° C, die elektri-sche Leitfähigkeit beträgt etwa 50 µS/cm. Der pHliegt bei 5,7 bis 6,1, die Gesamthärte ist kleiner als1 °dH, die Karbonathärte liegt unter 0.5° dH.Nitrat, Nitrit, Ammonium und Phosphat sind nichtnachweisbar. Der Boden des Flusses ist in denUferbereichen teils schlammig bis sandig, meistensjedoch mit Vegetation überwuchert. Hierbei han-delt es sich größtenteils um Landpflanzen bzw.

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Vergnügliche Fangversuche mit Rahmenkeschern amUfer das Rio San Martin. Anton Oberleuthner und DirkNeumann mühen sich redlich, interessante Cichlidenins Netz zu bekommen.

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Fischfang in der Regenzeitbedeutet unter anderem,dass man immer wiedervon schwerem Tropenregenüberrascht wird. Die Welt-untergangsstimmung hältaber niemals lange an.

Unten: Ergiebiger Fundort für Geo-phagen und Chaeto-branchus bei der OrtschaftBella Vista.

Fotos: Jörg Albering

Pflanzen, die sowohl emers als auch submerswachsen können (wie Echinodorus und Ludwigia). Direkt vor der Anlage des „El Tucunaré“ und angerodeten Uferbereichen in der Nähe des DorfesBella Vista finden sich gut befischbare Zonen. Dortkann man sowohl schnorcheln, mit dem Zugnetzarbeiten als auch mit dem Rahmenkescher aufFischfang gehen. Fischt man tagsüber, gehen zahl-reiche Salmler ins Netz. Sie machen den größtenTeil der Biomasse im Netz aus. Zudem zählen auchCichliden wie Aequidens viridis, Astronotus crassi-pinnis, Apistogramma-Spezies, Biotodoma cupido,Cichla monoculus, Cichlasoma boliviense, Meso-

nauta festivus und Laetacara cf. dorsigera zu demFang. Selten einmal findet sich auch ein juvenilerSatanoperca pappaterra – Geophagus megasemahaben wir bislang tagsüber überhaupt nicht fangenkönnen. Auch Heros coryphaeus zählte nicht zuden gefangen Tieren, obwohl es diese Art zurTrockenzeit an den untersuchten Fangplätzen defi-nitiv gibt. Der Beweis schwamm in dem Aquariumvon Claude Brosse in Form eines Exemplars, das erin eben jener Jahreszeit nur wenige Meter entferntvon seinem Anwesen fangen konnte.

Fortsetzung folgt

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