Traduit Par Louis Dubeux Chronique DAbou-Djafar Mohammed Tabari, Tome 1 2003
Geomorphologisch-archäologischer Survey in Abu Tabari
description
Transcript of Geomorphologisch-archäologischer Survey in Abu Tabari
Freie Universität Berlin, Fachbereich Geowissenschaften (Dept. of Earth Sciences)
Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades eines Diplom-Geographen über das Thema
Geomorphologisch-archäologischer Survey in Abu Tabari
Aufbau und exemplarische Nutzung eines
Satellitendatengestützten Navigations-Informations-Systems
1. Gutachter: Prof. Dr. H.-J. Pachur 2. Gutachter: Prof. Dr. B. Meissner eingereicht von:
Name: David Haberlah Matrikel-Nr.: 3606131 Adresse: Liebigstraße 74
49074 Osnabrück Telefon: 0179-9260053 E-mail: [email protected]
INHALTSVERZEICHNIS I EINLEITUNG 1II ABSTRACT 3III ـةخالصـــــــــــ 5
1. DAS SATELLITENGESTÜTZTE NAVIGATIONS-INFORMATIONS-SYSTEM 7 1.1. Komponenten des Navigations-Informations-Systems 8 1.1.1. Globales Positionierungssystem 8 1.1.2. GPS-Empfänger 9 1.1.3. Laptop 9 1.1.4. Navigationssoftware 10 1.2. Aufbau der geografischen Informationsbasis 11 1.2.1. Kartengrundlage 11 1.2.2. Satellitenbildbasis 13 1.2.2.1. Konzeption der Satellitenbildkacheln 14 1.2.2.1.1. Kachelgröße 15 1.2.2.1.2. Bandkombinationen 15 1.2.2.2. Erarbeitung der Satellitenbildkacheln 17 1.2.2.2.1. Blattschnittsystem 18 1.2.2.2.2. Mosaikbildung 20 1.2.2.2.3. Wavelet-Transformation 21 1.2.2.3. Analoge Kartenserie 1:250000 22 1.2.3. Geografische Datenbank 24 1.2.3.1. Datenbankstruktur des Navigations-Informations-Systems 25 1.2.3.1.1. Kartenverzeichnis (map table) 25 1.2.3.1.2. Wegpunkte (waypoint table) 25 1.2.3.1.3. Tracks (track table) 26 1.2.3.1.4. Routen (route table) 27 1.2.3.1.5. Zeichnungen (drawing table) 27 1.2.3.1.6. Digitales Höhenmodell (DEM) 27 1.2.3.2. Verwaltung der Datensätze 28 2. DAS UNTERE WADI HOWAR 30 2.1. Geografische Einordnung und Beschreibung 32 2.1.1. Oberes Wadi Howar 32 2.1.2. Mittleres Wadi Howar 33 2.1.3. Unteres Wadi Howar 33 2.1.4. Abschließende Betrachtung 35
2.2.
Geologische Entwicklung
35
2.3. Klimaentwicklung im Holozän 40 2.3.1. Phase der Seenbildung 40 2.3.2. Anhaltende Feuchtphase 42 2.3.3. Nachlassende Feuchtphase 45 2.3.4. Einsetzende Aridifikation 45 2.3.5. Aktuelle klimatische Situation 46 2.3.6. Abschließende Betrachtung 47 2.4. Neolithische Besiedlungsgeschichte 48 2.4.1. Art der Fundplätze 48 2.4.2. Steinartefakte 49 2.4.3. Keramikchronologie und Subsistenzstrategien 51 2.4.3.1. Keramik erster Jäger und Sammler 52 2.4.3.2. Keramik rinderhaltender Pastoralisten 53 2.4.3.3. Keramik kleintierhaltender Pastoralisten und Jäger 55 3. BESCHREIBUNG DES SURVEYS IN DER REGION ABU TABARI 57 3.1. Surveyparameter 59 3.2. Geomorphologische Datensätze 61 3.2.1. Zur Topografie des Surveygebietes 62 3.2.1.1. Höhenangaben aus GPS-Messungen und DEM 62 3.2.1.2. Provisorische differenzielle GPS-Messung 64 3.2.1.3. Beschreibung der Topografie 67 3.2.2. Zur Sedimentologie des Surveygebietes 75 3.2.2.1. Lakustrine Ablagerungen 76 3.2.2.2. Playaartige Sedimente 78 3.2.2.3. Goethitausfällungen 81 3.2.2.4. Talsande 84 3.3. Archäologische Datensätze 84 3.3.1. Fundplätze mit Keramik vom "Early Khartoum Typ" 89 3.3.2. Fundplätze mit Keramik vom "Leiterband Typ" 89 3.3.3. Fundplätze mit Keramik vom "Handessi Typ" 90 3.3.4. Fundplätze mit unverzierter organisch gemagerter Keramik 90 3.3.5. Brunnen und Viehtränken 91 3.3.5.1. Brunnenprofil 93
3.3.5.2. 14C-Datierung 96 3.3.5.3. Tränkenprofil 97 3.3.6. Jüngere Besiedlungsspuren in der Region 98 4. INTERPRETATION UND FOLGERUNGEN AUS DEM SURVEY 105 4.1. Deutungen einzelner geomorphologischer und archäologischer
Beobachtungen 106
4.1.1. Deutung der lakustrinen Ablagerungen 106 4.1.2. Deutung der playaartigen Sedimente 108 4.1.3. Deutung der Goethitausfällungen 109 4.1.4. Deutung der "Talsande" 110 4.1.5. Deutungen der Profile auf Grabungsplatz "SO3/13" 112 4.2. Zusammenfassende geomorphologisch-archäologische Interpretation 114 4.3. Fazit und Ausblick 117 5. QUELLENVERZEICHNIS 122 6. MATERIALBAND (INHALTSVERZEICHNIS) 128 7. ANHANG 129
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN UND KARTEN
Abb 01: GPS Satellite Constellation 8
Abb 02: Spectral reflectance characteristics of common earth surface materials 16
Abb 03: Gegenüberstellung: Teilszenen und Satellitenbildkachel "ND35B Gebel Maidob"
20
Abb 04: Map of Western Nubia and adjacent Areas 32
Abb 05: Positionssystem und Schematisches Längsprofil des Unteren Wadi Howar
34
Abb 06: Structural Interpretation of Part of the Eastern Sahara 36
Abb 07: Generalized depositional model of Gebel Abyad Area 38
Abb 08: The Aptian Transgression and Paleogeography of Upper Jurassic to Lower Cretaceous [Wadi Howar Formation] (a) Paleogeography of Coniacian to Campanian [Kababish Formation] (b)
39
Abb 09: Radiocarbon dates representing 'relative lake status' at individual sites 41
Abb 10: Konzeptionelles Modell der Paläoniederschlagsgenese 44
Abb 11: Niederschlagsmengen in der Ostsahara 46
Abb 12: Cultural sequences of the Lower and Middle Wadi Howar and adjacent research areas
52
Abb 13: Verschiedene Arten der Wiegetechnik 55
Abb 14: Garmin 12XL Vertical Error Histogram 63
Abb 15: Ellipsoid Height 67
Abb 16: Visualisierung der Berechnungsparameter mit "CalPal Calibration Curve Composer"
96
Abb 17: Archäologische Grabungsflächen auf sandigen Anhöhen im östlichen Vorland der Grundgebirgsschwelle
112
VERZEICHNIS DER FOTOS Foto 01: Blick vom Surveypunkt "1954/632" nach Westen 68
Foto 02: Blick von einer "Wollsackburg" über die Ebene des Wadi Howar im Süden
69
Foto 03: Blick von "Umm Qussa" über das Wadi Howar im Norden 70
Foto 04: Dunkler Porphyr mit deutlichen Korrasionsformen 71
Foto 05: Oligomikte Konglomerate mit Quarzkiesen als Verwitterungsresiduum 72
Foto 06: Blick von der westlichen Begrenzung der kanalartigen Tiefenlinie nach Norden
73
Foto 07: Geologischer Aufschluss an der südwestlichen Kante der kanalartigen Tiefenlinie
74
Foto 08: Blick vom Surveypunkt "1932/630" nach Norden über die kanalartige Tiefenlinie
75
Foto 09: Carbonatische Limnite um wollsackartig verwitterte granitoide Ausbisse 77
Foto 10: Kalzifizierte Stängel im Randbereich lakustriner Sedimente 78
Foto 11: Playaartiges Sediment mit prismenförmigem Gefüge und sandverfüllten Trockenrissen unter einer Flugsanddecke
80
Foto 12: Linksgewundene große aquatische Gastropoden (Lanistes carinatus?) im playaartigen Sediment
81
Foto 13: Weiträumige Goethitausfällungen im Gebiet der NW-Kante der kanalartigen Tiefenlinie
82
Foto 14: Goethitkonkretionen im Profilanschnitt 82
Foto 15: Geschartes Band an Goethitausfällungen im östlichen Vorland 83
Foto 16: Blick über den östlichen Schenkel der Siedeldüne "S95BK25" nach Norden
86
Foto 17: Reibemulden in einem flachen Granitrücken am Surveypunkt "1950/654" 87
Foto 18: Kompakter Artefaktkörper zwischen Dünenzügen (Fundplatz "85/01"). 88
Foto 19: Kreisförmige Steinsetzungen aus Sandsteinbrocken 92
Foto 20: Rautenförmige Steinsetzung aus flachen Granitplatten 93
Foto 21: Brunnenprofil 95
Foto 22: Tundub (Capparis aphylla) 95
Foto 23: Arbeiten am Tränkenprofil 98
Foto 24: Versandeter Tiefbrunnen "Bir Abu Tabari" 99
Foto 25: Tiefbrunnen "Umm Bayada" 100
Foto 26: Aushubkegel von "Bir Abu Tabari" 101
Foto 27: Tränkbecken und Artefakte in der Senke von "Bir Abu Tabari" 102
Foto 28: Körper aus Flugsand mit Artefaktinventar am Fundplatz "S03ML107". 103
Foto 29: Kababish Mädchen an den "Rahib Wells" 104
1
I EINLEITUNG
Wissenschaftliche Expeditionen in der Sahara stehen vor der Herausforderung, ein
ausgedehntes, meist wenig erforschtes Gebiet innerhalb einer begrenzten Zeitspanne
unter vielfältigen Fragestellungen bearbeiten zu müssen. Als Teilnehmer verschiedener
Expeditionen konnte ich die Erfahrung machen, dass eine effektive Durchführung
solcher Forschungsaufenthalte im Gelände stark von der Qualität der im Vorfeld
erstellten bzw. zusammengestellten kartografischen und fernerkundlichen
Arbeitsgrundlage abhängig ist. Eine reibungslose Navigation mit der Möglichkeit
gezielt Lokationen anzusteuern, bestimmt in entscheidendem Maße wie viel Zeit für die
eigentliche wissenschaftliche Arbeit im Feld verbleibt. Bei der Durchführung eines
Surveys ist es sowohl während des Geländeaufenthaltes als auch in der Nachbereitung
von Vorteil, wenn die Aufzeichnungen der Geländeparameter und die Dokumentation
des Arbeitsablaufes in einem System zusammengeführt werden.
Mit der vorliegenden Arbeit wird die Konzeption eines Navigations-Informations-
Systems und seine Anwendung während einer knapp einmonatigen archäologischen
Kampagne in der nordwestsudanesischen Sahara zusammen mit den erhobenen
geowissenschaftlichen und archäologischen Daten vorgestellt. Das Untersuchungsgebiet
liegt etwa 300 km westlich des Nils in einem als "Abu Tabari" bezeichneten Bereich des
Wadi Howar. Die Expedition wurde vom Sonderforschungsbereich (SFB) 389 "Arid
Climate, Adaptation and Cultural Innovation in Africa" (ACACIA) im Rahmen des
Teilprojekts A2 "Wadi Howar: Settlement Area and Thoroughfare at the Southern
Margin of the Libyan Desert" unter der Leitung von Dr. Mathias Lange im Winter 2003
durchgeführt.
Zur Vorbereitung der Forschungsexpedition wurde ein auf die speziellen
Anforderungen des Unterfangens zugeschnittenes Navigations-Informations-System
entwickelt. Dieses aus GPS-Empfänger, Laptop, Navigationssoftware und einer
geografischen Datenbank bestehende System umfasst neben bestehenden Kartenwerken
eine aus Satellitenbilddaten aufgebaute Visualisierungsbasis. Die Beschreibung des
Aufbaus dieses satellitendatengestützten Navigations-Informations-Systems nimmt das
erste Kapitel der vorliegenden Arbeit ein. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der
Darstellung der Aufarbeitung des Satellitenbildmaterials, dem als Basis für die
Navigation im Gelände und die Visualisierung von Geodaten eine zentrale Rolle
zukommt. Parallel zu der für die besonderen Anforderungen des Navigations-
2
Informations-Systems entwickelten fernerkundlichen Visualisierungsbasis wurde eine
analoge Satellitenbildkartenserie im Maßstab 1:250000 erstellt.
Im zweiten Kapitel wird zunächst der aktuelle geowissenschaftliche und archäologische
Forschungsstand über das Untersuchungsgebiet dargestellt. Einer geografischen
Beschreibung der Wadi Howar Region mit dem Schwerpunkt auf seinem Unterlauf und
dem Gebiet von Abu Tabari folgt ein geologischer Abriss. Anschließend wird die
schwerpunktmäßig aus sedimentologischen Untersuchungen rekonstruierte holozäne
Klimaentwicklung ausführlich beschrieben. Dieser folgt eine Aufführung der eng mit
ihr im Zusammenhang stehenden neolithischen Besiedlungsgeschichte des Unteren
Wadi Howar. Sie wird unter dem Gesichtspunkt aufeinander folgender, auf die
Umweltveränderungen reagierender Subsistenzwirtschaftsweisen dargestellt. Bei den
mit Siedelplätzen vergesellschafteten Artefaktinventaren wird besonders auf die
Keramik eingegangen. Über die Art der Keramik lässt sich eine chronologische
Einordnung von Befunden vornehmen, die für die Einteilung der im Gelände
aufgezeichneten archäologischen Fundplätze angewandt wird.
Im dritten Kapitel erfolgt die Beschreibung geowissenschaftlicher und archäologischer
Geländeparameter, die während des Feldeinsatzes über einen Zeitraum von drei
Wochen systematisch erhoben wurden. Da die Dokumentation des Surveys nur zum
Teil direkt in dem Navigations-Informations-System erfolgte, werden in der
Nachbereitung alle zusätzlichen Aufzeichnungen wie Surveybögen und digitale Fotos in
das System miteingebunden. Die Datenbank wird so aufgearbeitet, dass sich sämtliche
Daten übersichtlich abfragen und thematisch visualisieren lassen. Um der
übergeordneten Forschungsfrage der Expedition nach der räumlich-zeitlichen
Verbreitung neolithischer Siedelaktivitäten zu entsprechen, werden aus den tabellarisch
aufgeführten Geländebeobachtungen exemplarisch die Daten herausgegriffen,
beschrieben und thematisch visualisiert, die in diesem Zusammenhang wesentlich
erscheinen.
Im vierten und letzten Kapitel der Arbeit werden die in verschiedenen thematischen
Komplexen abgehandelten Geländebeschreibungen interpretiert und miteinander in
Zusammenhang gebracht. Die Interpretationsansätze werden kritisch auf ihre Kohärenz
mit Aussagen in der Fachliteratur geprüft.
3
II ABSTRACT
Going on scientific expeditions to the Sahara one is faced with the challenge of working
in a vast area, which has been hardly explored so far. No matter how complex the
research field may be, the length of the expedition is always limited. As a participant of
various expeditions I have made the experience that the outcome of an expedition
highly depends on the quality of cartographic material and remote sensing images. An
efficient navigation system, which enables researchers to reach their targets via the
shortest way, is a crucial factor in how much time remains for the actual scientific
fieldwork. Both, the conduction of the survey as well as postprocessing and analysis of
the collected data benefit from an integrated recording of the field parameters and the
documentation within one Navigation-Information-System.
The aim of this degree dissertation is to present the development of a Satellite-based
Navigation-Information-System and its implementation during an archaeological
campaign in the Eastern Sahara of North-West Sudan. In addition, the recorded geo-
scientific and archaeological data will be presented and analysed.
The area surveyed over a period of three weeks is situated about 300 km west of the
Nile in a section of the "Lower Wadi Howar" called "Abu Tabari". The expedition was
conducted in winter 2003 by the multidisciplinary collaborative research centre "SFB
389 - Arid Climate, Adaptation and Cultural Innovation in Africa" (ACACIA). It was
set on the agenda as subproject A2 "Wadi Howar - Settlement Area and Thoroughfare at
the Southern Margin of the Libyan Desert" and headed by Dr. Mathias Lange.
Preparing for the expedition, a Navigation-Information-System needed to be developed,
which had to be custom made in accordance to the demands of the venture. The system
is composed of a GPS-receiver-processor, a laptop, navigation software and a specific
geographic database. The later includes both existing topographic and thematic maps
and a generated area-wide basis of satellite images as primary means of visualization.
Chapter 1 of this paper describes the development of the Navigation-Information-
System. The emphasis lies on the compilation of the satellite image basis. It is essential
both for navigations in the field and the visualisation of recorded geo-data for
4
postprocessing purposes. Parallel to the specific requirements of the remote sensing
image basis of the Satellite-based Navigation-Information-System, a series of analogue
satellite image worksheets has been developed with a scale of 1:250000.
In chapter 2, the present outcome of geo-scientific and archaeological knowledge
concerning the survey area is presented. A geographical description of the Wadi Howar
focussing on its lower course and the area of Abu Tabari is followed by a geological
abstract. Hereon a reconstruction of the Holocene climate development, which is mainly
based on sedimentological studies, is subsumed. Finally, an account of the Neolithic
history of the Lower Wadi Howar, which is closely related to the climatic deterioration,
is forwarded. It is analysed in terms of successive subsistent economies reacting to
environmental changes. From the artefact inventory, associated with the surface finds,
ceramics are dealt with in more detail, since they allow a chronological classification
that is used in the process of assigning survey finds to certain time periods.
Chapter 3 deals with the description of the geo-scientific and archaeological parameters
recorded during the systematic survey. During the expedition, documentations could
only be partially entered directly to the Navigation-Information-System. Therefore
additional records such as survey sheets and digital photos had to be imported and
integrated into the system. The database is conceived in a way that enables the user to
visualise all relevant information in a well-organized interrelated structure. In order to
contribute to the key aim of the expedition – a "spatiotemporal distribution of Neolithic
settlement activities" – all relevant data of the tabulated survey records is pointed out
and interpreted. You will also find thematical visualisations of research topics generated
within the Navigation-Information-System.
In the final chapter of the dissertation, all descriptions of the region, which are linked to
geo-archaeological topics, are interpreted and re-examined in context. All hypothetical
statements are critically reviewed and illuminated in reference to approaches that can be
found in literature.
Keywords: Lower Wadi Howar, Abu Tabari, Sudan, Satellite-based Navigation
Information System, Holocene Environment, Neolithic Settlement Activities
5
III
مســـــــــح جيولوجى أثرى فى منطقة ابوتبارى شـــــــــــــــمال الســـــــودان
تطور وتطبيقات صور األقمار الصناعية باستخدام نظم معتمده على معلومات المالحة :الصــــــــــــــــــــــــــــــــةخ
للقيام برحلة علمية فى مناطق الصحراء يواجه االنسان بتحديات العمل فى مناطق شاسعه
أذا يجد الباحث أن .وهذا بغض النظر عن صعوبه العمل البحثى ونوعيته...لم يتم اآتشافها من قبلث مماثله يتضح أن نتائجها تعتمد دائما بأشتراآى فى عدة بحو.. وضعه دائما ضيق التمام البحث
هذا يعنى بالضرورة وجود -على نوعية المواد الطبوغرافية الموجودة و صور االقمار الصناعيةالذى يتيح للباحث الوصول الى المناطق بأقصر الطرق " Navigation System"نظام جيد لــ
آل ..ى والذى من اجله أجريت الدراسةوهذا بدوره يعطى فرصه اآبر للتفرغ للبحث العلم. وبالدقه تفيد فى -من العمل الحقلى والمعالجات المتأخرة للمعلومات ومن ثم تحاليل للمعلومات الحقليه
تداخل المعلومات وتكاملها وتسجيلها مقارنه مع المكتسبات الحقليه الدخالها فى منظومه واحدة معلومات مالحى أو نظام" Navigation Information System"للتوثيق فى نظام واحد لــ
.أرضى
حدث فى الهدف من الحصول على هذة الدرجه العلمية هو الحصول على التطور الذىنظام معلومات المالحة المعتمدة على صور االقمار الصناعية و استخدامها اثناء عمل المعسكرات
. بعد اتمام تحليلها االثارية فى نسق سجل ا لمعلومات الجيولوجية العلمية واالثارية آلم غرب النيل فى تقاطع مع وادى 300المنطقة تم بحثها فى حوالى ثالثه اسابيع وهى تبعد حوالى
.هور السفلى فى منطقة ابوتبارى بواسطة عمل مشترك بين مرآز الدراسات 2003 تم عمل الدراسات الحقلية فى شتاء
Arid Climate, Adaptation and Cultural"ومرآز) SFB 389(للمناطق الجافة Innovation in Africa".
.) ACACIA( Sub-Project A2 Wadi(تم وضع هذا البرنامج فى اجندة المشاريع تحت البند
Howar( وهى من المناطق المتاخمة لحدود ليبيا الجنوبية ويرأسها دآتور ..منطقة ايواءMathias Lange معلوماتى مالحى حتاج الى تطوير نظامللتجهيز لهذه المامورية العلمية ت
وهذا على حسب ماتحتاجه الرحلة ) custom made( بشرط ان يكون دقيق, ارضى جديد)venture.(
االدوات المستخدمه فى التجهيز للعمل الحقلى تتكون من جهاز النظام الجغرافى لتحديد ) Navigation Software(وبرامج مالحيه ) Laptop(وآمبيوتر محمول ) (GPSالوضع
.ومعلوماتية مجهزة خاصة بالجغرافيةالنظام الجغرافى يشمل ايضا آال من الخرائط الطبوغرافية الموجودة والخرائط األخرى
وخرائط اخرى واسعة مبنية على نسخ سلبيه ) Thematic Mapper 5(المبنية على ترجمة .طقة لصوراالقمار الصناعية ومعلومات اولية للرؤية الشاملة للمن
وتعتبر . الفصل االول من هذه الوراقة العلمية التطور فى مجال نظام المعلومات المالحيه
قاعدة صور االقمار الصناعية ذات اهمية آبرى لنظامى المالحة الحقلية وتسجيل ورؤية البيانات وراالستشعار باالضافة االحتياجات المعينية لص. االرضية وذلك ألهداف المعالجات المتقدمة الحقًا
6
تم تجهيز عدد من ,عن بعد والمعتمدة على النظام المعلومات المالحيه لصور االقمار الصناعيه .1:250,000اوراق البيانات لصور االقمار الصناعيه المتشابهة بمقياس رسم
فى الفصل الثانى يتم عرض المنتوج النهائى للمعلومات والمعرفة العلمية الجيولوجية
آذلك وصف جغرافى لوادى هور خصوصا . والتى تتعلق بالمنطقة التى تم مسحها واالثارية .المنطقةالسفلى فى الوادى وايضا منطقة ابوتبارى باالضافة لملخص جيولوجى للمنطقة
وهكذا تم ايضا اعادة ترآيب لطقس الهولوسين وتطورة والتى بنيت اساسا من المعلومات المستقاة .بيةمن دراسات الطبقات الرسو
لوادى هور السفلى ) Neolithic History(اخيرًا يتم عرض خالصة للتاريخ الحد يث
وهذا تم بتحليل التفاعل االقتصادى للموجودات الكائنة ..وهى ذات عالقه وثيقة بتدهور المناخ تى و من مكتشفات العينات االثرية باالضافة الى االشياء ال.باختالف البئيات .المتعاقبة وعالقتها
خاصة آمؤشرات لتصنيف تاريخى .تم التعامل مع السيراميك بكل دقة. وجدت على سطح االرض .على حسب التعامالت المسحية الوقات مؤآدة
الفصل الثالث يتعلق بالوصف العلمى الجيولوجى واالثارى والداالالت التى تسجل اثناء
لمعلومات جزئيا و ادخالها لنظام المعلومات اثناء العمل الحقلى يتم توثيق ل. العمل الحقلى المنظم .المالحية
ولذا اضافة معلومات اضافية آخرائط المساحة والصورالرقمية يجب اداخالها وتكاملها مع وقاعدة البينات الموجودة فى الكمبيوتر تقوم بأدراك . المعلومات الموجودة اصال فى النظام المالحى
.ولكى يتم المشارآة فى فهم هدف المامؤرية. م الترآيب واستنباط رؤيتها فى شكل منظم ومفهوومن ثم آل المعلومات ذات الصلة .نجد ان التوزيع الزمانى والمكانى لنشاط االيواءات الحديثة
ويمكن ايضا الحصول على رؤيه موضوعية . المميزة بالعمل الحقلى يتم عرضها وترجمتها .مالحىلمواضيع البحث مخلقة من نظام المعلومات ال
وفى الفصل االخير لرسالة الدآتوراة نجد آل االوصاف للمنطقة قيد الدراسة والتى لها عالقة بمواضيع الجيولوجيا واالثار تترجم ويعاد اختبارها فى السياق العام ومن ثم أعادة النظر فى
ا فى المكتبات الفرضيا ت وأنتقادتها العلميه وتم استبعادها بذآرها فى مقدمات يمكن ايجادها الحق .العلمية
:مصطلحـات هامـــــــــــــــــــةبئية الهولوسين , نظام معتمد على االقمار الصناعية, السودان, ابو تبارى ,وادى هور السفلى .االيواءات الحد يثة
7
1. DAS SATELLITENGESTÜTZTE NAVIGATIONS-
INFORMATIONS-SYSTEM
Jede systematische wissenschaftliche Geländeuntersuchung, im Weiteren als "Survey"
bezeichnet, sammelt "Geodaten". Geodaten sind nicht inhaltlich über die Art ihrer
thematischen Informationen definiert, sondern darüber, dass sie sich einer bestimmten
Lage oder Ausdehnung im Raum zuordnen lassen. Raumrelevante Daten mit einer
zeitlichen Dimension sind nach dem Verständnis der modernen Geowissenschaften
"Geoinformationen". So gesehen sind archäologische Daten Geoinformationen, die in
einem "Geoinformationssystem" (GIS) zusammengetragen und in Beziehung
zueinander und zu anderen Geodaten gebracht werden können. Durch ihren Bezug auf
den Raum lassen sie sich vor dem abstrahierten Abbild desselben auf Karten
zweidimensional oder in Höhenmodellen dreidimensional darstellen. Für die qualitative
Interpretation von geografischen Informationen erhält ihre thematische Visualisierung
auf dem Monitor (screen) eine besondere Bedeutung. Es ist wünschenswert, diese
flexible Bildschirmdarstellung mit einer direkten Eingabe neu erhobener Geodaten
schon während des Geländeeinsatzes kombinieren zu können. Dies ist insbesondere von
Bedeutung, wenn es sich um einen mehrwöchigen Survey handelt, und neu gewonnene
Daten die räumliche Ausrichtung des verbleibenden Geländeaufenthaltes beeinflussen
können.
Die ständige Positionsbestimmung während einer Expedition ist von immanenter
Wichtigkeit. "Voraussetzung zur Erfassung von Geländedaten ist die Orientierung im
Gelände" (MEISSNER et al. 1999:587). Bei der für den Survey erforderlichen
Genauigkeit erfolgt die Lagebestimmung über ein auf Satelliten basierendes "Globales
Positionierungssystem" (GPS).
Die Integration der Daten aus der laufenden Ortsbestimmung in ein bestehendes
Geoinformationssystem sowie ihre direkte bildliche Darstellung auf dem Monitor lassen
sich in einem Navigations-Informations-System realisieren.
8
1.1. Komponenten des Navigations-Informations-Systems
Das für den nachfolgend beschriebenen Survey konzipierte Navigations-Informations-
System besteht aus fünf Komponenten: Globales Positionierungssystem, GPS-
Empfänger, Laptop, Navigationssoftware und einer geografischen Informationsbasis.
1.1.1. Globales Positionierungssystem Bei dem Globalen Positionierungssystem (GPS) handelt es sich um ein nominell auf 24
Satelliten basierendes, von "Navstar" (https://gps.losangeles.af.mil/) betriebenes
Radiopositionierungssystem, das weltweit eine passive akkurate Bestimmung von
Position, Geschwindigkeit und Zeit (PVT-fix) erlaubt. Die 24 Navigationssatelliten
umlaufen zwei Mal täglich die Erde auf 6 orbitalen Bahnen, in einer Höhe von ca.
20200 km (s. Abb. 01).
(Quelle: U.S. COAST GUARD NAVIGATION CENTER 1996:1-3)
Abb. 01: "GPS Satellite Constellation" (U.S. COAST GUARD NAVIGATION CENTER 1996:1).
Sie senden aktiv Radiosignale auf den Bändern 1575,42 MHz (L1) und 1227,6 MHz
(L2) zusammen mit einer ergänzenden Navigationsnachricht der Kontrollstation (MCS)
der "Falcon Air Force Basis" in Colorado Springs auf 50 Hz. Die Navigationsnachricht
besteht aus Informationen über die Gesamtkonstellation der Satellitenflotte (almanac),
den aktuellen orbitalen Korrekturwerten der einzelnen Satelliten (ephemeris) und den
Signalstörungen durch die Ionosphäre. Zivile Nutzer können nur einen Teil des
9
unverschlüsselten L1-Bandes (coarse/acquisition code) mit einem GPS-Gerät
empfangen, decodieren und zur Positionsberechnung nutzen. Es besteht aus bestimmten
Satelliten zuordbaren Sendezeiten. Aus mindestens 4 solcher Signale kann der GPS-
Empfänger über Entfernungsberechungen (range measurement calculation) die eigene
3D-Position als Schnittpunkt der Entfernungssphären ermitteln (vgl. U.S. COAST
GUARD NAVIGATION CENTER 1996:1.1-1.5).
1.1.2. GPS-Empfänger Die Grundanforderungen an den GPS-Empfänger sind, dass die Positionsberechnung
aus einer möglichst hohen Anzahl von parallel empfangbaren Satellitensignalen erfolgt,
und dass eine Schnittstelle zur Übertragung der Daten an den Laptop vorhanden ist. Des
Weiteren ist ein gut verarbeitetes und robustes Gerät erforderlich, da es im täglichen
Geländeeinsatz in der Wüste unvermeidlich hohen Temperaturen sowie dem
allgegenwärtigen Sand ausgesetzt wird. Ferner ist es von Vorteil, wenn der GPS-
Empfänger auch ohne Anbindung an einen Laptop eingesetzt werden kann und die
Stromversorgung alternativ zu Akkus auch über Autobatterie möglich ist. Das "Garmin
12" ist ein diesen Anforderungen Genüge leistendes Gerät, auch wenn die
Datenübertragung auf ein serielles Kabel beschränkt und der interne Speicherplatz sehr
bescheiden bemessen ist (vgl. www.garmin.com/products/gps12/spec.html 05/2004).
1.1.3. Laptop Bei dem Laptop sind die Grundanforderungen eine serielle Schnittstelle (bzw. ein USB-
Adapter mit installiertem Treiber) und ein Stromadapter, mit dem das Gerät über
Autobatterie betrieben werden kann. Wichtig sind außerdem ein Bildschirm, der für den
Einsatz in lichtstarker Umgebung konzipiert wurde, eine qualitativ hochwertige
Festplatte, an die auf Grund unvermeidbarer Erschütterungen während der
Fahrtaufzeichnung im Gelände besondere Anforderungen gestellt werden, sowie eine
stabile und möglichst geschlossene Verarbeitung des gesamten Gerätes. Da der Laptop
auf den Knien des Beifahrers aufliegt, sollte die Lüftung die Luft nicht von unten
ansaugen und das Gerät ein möglichst geringes Gewicht haben. Die Prozessorleistung
ist dagegen nachrangig. Ein Arbeitsspeicher von 64 MB SDR-RAM (Single Data Rate
Random Access Memory) reicht für die eigentlichen Aufzeichnungen und die
Navigation aus. Die nachfolgend vorgestellte Navigationssoftware läuft auf "Windows
95" und allen nachfolgenden Betriebssystemen.
10
1.1.4. Navigationssoftware Die Navigationssoftware ermöglicht den Datentransfer zwischen Laptop und GPS-
Empfänger sowie die Darstellung und Verarbeitung der GPS-Signale. Die Navigation
im Gelände erfolgt vor einem auf dem Monitor visualisierten Bildhintergrund, der
wahlweise aus unterschiedlichen Karten, Fernerkundungsdaten und einem digitalen
Höhenmodell bestehen kann. Ein zentrales Kriterium für die Wahl eines bestimmten
Navigationsprogramms ist die Unterstützung einer Vielzahl von Bildformaten,
insbesondere solcher, die eine geografische Codierung zulassen. Bereits
georeferenzierte Daten sollten sich direkt über ihre Metainformationen (header) einlesen
und gescannte Karten beim Importieren kalibrieren lassen.
Neben einer Visualisierung der durch den GPS-Empfänger berechneten aktuellen Lage
im Raum hat die Navigationssoftware vielfältige Funktionen einer geografischen
Datenbank zu erfüllen. Die Positionsbestimmungen sollten übersichtlich in eine
Datenbank geschrieben und mit bereits vorhandenen Geodaten der Region zum Zwecke
interaktiver Visualisierung zusammengeführt werden. Das Programm sollte in der Lage
sein, möglichst viele unterschiedliche Formate importieren und exportieren zu können,
um eine breite Informationsbasis aus unterschiedlichen Quellen im Vorfeld aufzubauen
und eine Nachbereitung, auch durch andere Software, zu ermöglichen. Eine
Strukturierung der Datenbank unter formalen Aspekten sollte sich zudem in thematische
Bereiche gliedern lassen, die interaktiv als Ebenen (layer) über dem Kartenhintergrund
visualisiert werden können. Es ist wünschenswert, dass sich die Datensätze optional mit
einem Schreibschutz und Metainformationen versehen lassen.
Das Navigationsprogramm "TouraTech QV 3.0" (www.ttqv.com, s. CD02
…/software/ttqv/qv3.exe, 25 Tage Demomodus, im Materialband) erfüllt diese
Anforderungen neben einer Vielzahl weiterer nützlicher Funktionen, die teilweise im
direkten Austausch mit den Entwicklern der Software für die speziellen Ansprüche der
nachfolgend beschriebenen geografischen Informationsbasis und ihren Einsatz
entwickelt wurden.
11
1.2. Aufbau der geografischen Informationsbasis
Der Begriff "geografische Informationsbasis" umfasst alle Geoinformationen, die in der
Datenbank des Navigations-Informations-Systems gespeichert sind. Dabei handelt es
sich um die im Vorfeld erarbeiteten Visualisierungsgrundlagen sowie um Geodaten
punktueller, linearer und flächenhafter Art.
1.2.1. Kartengrundlage Die räumliche Darstellung von Geodaten sowie die eigentliche Navigation erfolgt über
eine Visualisierung auf dem Monitor vor dem Hintergrund einer abstrahierten
Abbildung der betreffenden Geosphäre. Diese hat als möglichst detaillierte "latente
Karte" die beiden zentralen Aufgaben, die Orientierung im Feld zu unterstützen und als
Basis für die Darstellung gewonnener Surveydaten zu fungieren (vgl. LEHMANN
1993:16; MEISSNER 2002:363). Im Gegensatz zu analogen Arbeitskarten erfolgen
Datenerfassung und ihre Darstellung im Navigations-Informations-System zeitgleich.
Der Geländebefund kann auf diese Weise direkt mit der im Satellitenbild dargestellten
Oberflächenbeschaffenheit korreliert werden. Ein solcher Prozess setzt allerdings
Erfahrungen in der Satellitenbildinterpretation des jeweiligen Naturraumes beim
Navigator voraus (vgl. MEISSNER 1988:6/ 2002:366). Ein weiterer Vorteil des
Navigations-Informations-Systems gegenüber analogen Karten besteht in der
Möglichkeit, interaktiv flexibel zwischen diversen Visualisierungshintergründen zu
wechseln und diese miteinander zu kombinieren. Thematische Informationen
unterschiedlicher Karten können beispielsweise mit Satellitenbildern verschnitten und
diese bei Bedarf über digitale Höhenmodelle projiziert werden. Dabei gilt es kritisch die
unterschiedlichen Qualitäten und Maßstäbe der verwendeten Daten zu berücksichtigen
(vgl. LEHMANN 1993:15; MEISSNER 2002:368).
Eine wichtige Aufgabe im Vorfeld von Expeditionen ist es, eine möglichst breite und
flächendeckende Basis unterschiedlicher Karten zusammenzutragen oder zu erarbeiten.
"Geowissenschaftliche Forschung in ariden Räumen benötigt bereits bei der
Geländearbeit Karten zur Orientierung und zum Speichern der Geländedaten"
(MEISSNER 1988:7).
12
Um die Topografie des Geländes, die Lage und den Verlauf von Elementen wie
Brunnen oder Pisten einschätzen sowie Landschaftsmerkmale namentlich benennen zu
können, sind topografische Karten unersetzlich.
Das flächendeckende nationale Kartenwerk des Sudan liegt im Maßstab 1:250000 vor.
Die Karten weisen eine starke Variabilität der Informationsdichte und große
Lageungenauigkeiten auf und sind, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, über
50 Jahre lang nicht mehr aktualisiert worden (vgl. LEHMANN 1993:17). Aus diesem
Grund werden im Navigations-Informations-System die russischen topografischen
Militärkarten mit einem Maßstab von 1:500000 verwendet. Sie wurden Anfang der
achtziger Jahre erstellt und sind ebenfalls durch unterschiedliche Lagegenauigkeiten
gekennzeichnet. Teilweise sind Fehlplatzierungen von über 5 km, sowie
Interpretationsfehler der verwendeten Fernerkundungsdaten auszumachen. Von allen
zur Verfügung stehenden Kartenwerken besitzen sie dennoch die höchste
Informationsdichte.
Durch Kooperation zwischen dem "Sonderforschungsbereich 389" (ACACIA) und dem
"Institut für Geoforschung" der TFH Berlin (GEO3) konnten die im Rahmen des
"Sonderforschungsbereichs 69" ("Geowissenschaftliche Probleme in ariden und
semiariden Gebieten") Ende der achtziger Jahre erstellten, das Untersuchungsgebiet
flächendeckend behandelnden Arbeitskarten "Working Sheets 1:250000" gescannt und
in das Navigations-Informations-System integriert werden. Es handelt sich um
Satellitenbildkarten aus manuell erstellten Bildmosaiken monochromatischer
Darstellung des sechsten Bands (0,7–0,8 µm) der Landsat-Satelliten vom Typ
"Multispectral Scanner" (MSS), die handschriftlich mit topografischen Informationen
und einem geografischen Netz versehen wurden (vgl. MEISSNER 1988; LEHMANN
1993:13; LIST 1999:560; RICHARDS & JIA 1999:11-13, mündl. Mitt. B. MEISSNER
Berlin, 2002). Da es sich um eine kontrastarme, braunweiße, auf ein Band mit einer
geometrischen Auflösung von 79 x 79 m beschränkte Darstellung der
Satelliteninformationen mit beachtlichen Lageungenauigkeiten handelt, sind hier vor
allem die aus den Geländeaufenthalten resultierenden beobachtenden Bemerkungen von
Interesse.
Dank der guten Zusammenarbeit mit der "Geological Research Authority of the Sudan"
(GRAS) konnte außerdem die von dieser in Auftrag gegebene und vom "Robertson
Research Institute" erstellte geologische Kartenserie "Geological Map of the Sudan"
gescannt und als thematische Flächeninformation mit einem Maßstab von 1:1000000 in
13
das System importiert werden. Auch diese Kartenserie ist mit Lageungenauigkeiten im
Kilometerbereich behaftet und, allein auf Grund ihres kleinen Maßstabs, nicht als Basis
für einen regionalen Survey geeignet.
1.2.2. Satellitenbildbasis Die unbefriedigende Kartenbasis kann durch Generierung eigener, speziell für das
Navigations-Informations-System aufbereiteter Satellitenbilder verbessert werden.
Anstelle der bereits vorliegenden thematischen Informationen sollte hier der
Schwerpunkt auf einer optimalen Lagegenauigkeit sowie auf einer hohen geometrischen
und spektralen Auflösung liegen. Darstellungen in einem festgelegten Maßstab sowie
Projektionen von Gradnetzen sind nicht sinnvoll, da diese im Navigationsprogramm
selbst interaktiv bestimmt werden können.
Aus diesen Überlegungen heraus wurden Satellitenbildkacheln berechnet, welche sich
bei Bedarf zu einer flächendeckenden analogen Kartenserie weiterverarbeiten lassen.
Während des Bearbeitungszeitraums konnten über einen Server der "University of
Maryland" im Rahmen des Projekts "Global Land Cover Facility" (GLCF) kostenlos
flächendeckende "Landsat Thematic Mapper 5"-Aufnahmen des Sudan über das
Internet bezogen werden (http://glcf.umiacs.umd.edu/data/landsat/). Die Szenen, die den
Nordwesten des Landes abdecken, wurden in den Jahren 1984 bis 1987 jeweils in den
Wintermonaten September bis November aufgenommen. Ein großer Vorteil dieser
Daten gegenüber Daten des gleichen Aufnahmesystems, die im Rahmen der
verschiedenen Sonderforschungsbereiche angeschafft wurden, besteht in ihrer bereits
erfolgten geometrischen Korrektur. Während verschiedener Geländeaufenthalte im
Vorfeld konnte durch Vergleiche eine konstante Genauigkeit auf den (Misch-) Pixel,
also auf ca. 50 m genau, verifiziert werden. Dazu wurde die mit einem GPS-Empfänger
ermittelte Lage eindeutiger Geländepunkte (Ground Control Points) mit den
korrespondierenden Signalen im betreffenden Satellitenbild verglichen. Damit bilden
die vorliegenden Satellitendaten eine Basis, mit der sich Lagefehler in den bestehenden
Kartenwerken quantifizieren lassen. Es gilt unter allen Umständen bei den
Arbeitsschritten, die zu den Satellitenbildkacheln für das Navigations-Informations-
System und den analogen Arbeitsblättern einer neuen Satellitenbildkartenserie führen,
diese Kalibrierung beizubehalten.
14
1.2.2.1. Konzeption der Satellitenbildkacheln Die Satellitendaten liegen in Form von sich unterschiedlich stark überlappenden
Einzelszenen mit einer jeweiligen Ausdehnung von 170 x 183 km vor. Weder zu
Navigationszwecken am Bildschirm noch für die Ausgabe als Karten in einem
bestimmten Maßstab ist es vorteilhaft, mit den Originalsatellitenszenen zu arbeiten.
Bei der Konzeption von Satellitenbildkacheln und Kartenblättern ist es wichtig, im
Vorfeld einen Plan über den Ablauf der Arbeitsschritte (work flow) zu erstellen.
Dadurch wird ein Qualitätsverlust der Originaldaten durch die zu erfolgenden
Arbeitsschritte minimiert und keine Zeit durch Doppelarbeit verloren. Die
Satellitenbildkacheln sollten sich direkt zu einem analogen Kartenprodukt
weiterverarbeiten lassen. Nach eigenen Erfahrungen eignen sich "Thematic Mapper 5"-
Daten, bedingt durch ihre geometrische Auflösung, nur für kartografische Darstellungen
bis zu einem Maßstab von 1:200000. Bei größeren Maßstäben werden lediglich die aus
dem Aufnahmeprozess des Satelliten resultierenden Pixel (instantaneous field of view -
IFOV) vergrößert.
Unter diesen Gesichtspunkten bietet es sich bei der Entwicklung der
Satellitenbildkacheln an, das bestehende Blattschnittsystem des sudanesischen
nationalen Kartenwerks 1:250000 zu übernehmen. Dieses basiert auf dem
internationalen UTM-System (Universal Transversal Mercator Projection) mit jeweils
sechs Längengrade breiten Meridianstreifen ("Zonen"), die vom Mittelmeridian 177°
westliche Länge ausgehend Richtung Osten nummeriert werden. Die Surveyregion liegt
in der vom Mittelmeridian 27° östliche Länge gebildeten "Zone 35". Die Zonen sind in
breitenkreisparallele "Bänder" untergliedert (vgl. HAKE et al. 2002:77f). Die
Benennung des sudanesischen Blattschnittsystems weicht von der internationalen Norm
ab, indem mit einem Breitenkreisunterschied von jeweils 4° vom Äquator nach Norden
("N") Buchstaben, beginnend mit "A" in alphabetischer Reihenfolge vergeben werden.
Die sich ergebenden "Felder" werden in Anlehnung an die geografischen
Blattschnittkoordinaten alle 1,5° Länge und 1° Breite unterteilt. Von der linken oberen
Ecke aus wurden die Kacheln zeilenweise beginnend mit "A", mit Buchstaben versehen.
Die Kachel, die die Surveyregion abdeckt, hat somit die Bezeichnung "NE35K" mit
dem Namenszusatz "Gebel Rahib" (s. Fototafel 01: "Sheet Line System").
15
1.2.2.1.1. Kachelgröße Die durch diese Kartenserie vorgegebene Größe der Satellitenbildkacheln eignet sich
gleichermaßen für die Navigation auf dem Monitor. Das relative Kantenverhältnis von
1.5° Breite zu 1° Länge entspricht in dieser geografischen Breite ungefähr dem
Standardbildschirmverhältnis von 4/3 (SVGA 800/600, XGA 1024/768, SXGA
1400/1050, UXGA 1600/1200). Im Gegensatz zu den analogen Kartenblättern sollten
die digitalen Kacheln die geometrische Originalauflösung der Satellitendaten
beibehalten. Bei einer 1:1 Darstellung auf dem Laptopmonitor bildet ein
Bildschirmpixel einen "IFOV" ab, was bei einer Auflösung von 96 dpi (dots per inch)
und der Kantenlänge eines "IFOV" von 28,5 m einem Maßstab von 1:107717 entspricht.
Selbstverständlich können die Kacheln durch die stufenlose Zoom-Funktion der
Navigationssoftware auch in anderen Maßstäben dargestellt werden.
Im Rahmen der Erarbeitung der Satellitenbildkacheln muss auch die Dateigröße
beachtet werden. Bei der Arbeit an Laptops mit kleinerem Arbeitsspeicher sind
Bildabmessungen einer Kachel von etwa 5600 x 3900 Pixel bei einer Farbauflösung von
24 Bit problematisch. Bei der Verwendung herkömmlicher Kompressionsformate
müssten ca. 62 MB im RAM geöffnet werden.
Als weiterer Punkt kommt hinzu, dass der Speicherplatz älterer Laptops knapp
bemessen ist. Um die Georeferenzierung beizubehalten, würden normalerweise die
Kacheln als *.GEOTIFF-Dateien (geographic data embedded tagged image file format)
gespeichert werden. Bei drei verschiedenen Bandkombinationen, die für das
Navigations-Informations-System jeweils als eigenständige Datei abgespeichert werden
müssen, ergibt sich schon bei fünf Kartenblättern ein Speicherplatzbedarf von knapp 1
GB. Sowohl das Problem eines kleinen Arbeitsspeichers als auch das eines
beschränkten Speicherplatzes auf der Festplatte können jedoch durch die Verwendung
eines neuen kommerziellen Formates (ECW), welches "TouraTech QV 3.0" über ein
"Plug-In" unterstützt, gelöst werden (vgl. Kapitel 1.2.2.2.3.).
1.2.2.1.2. Bandkombinationen Aus den 7 spektralen, jeweils diskret mit 8 Bit aufgezeichneten Bändern der Landsat-
Satelliten vom Typ "Thematic Mapper" (TM) können immer nur 3 den
Bildschirmfarbkanälen R (rot), G (grün) und B (blau) zugeordnet werden. Da das
thermale sechste Band ("TM6" 10,4–12,5 µm) mit 120 x 120 m eine geringere
16
geometrische Auflösung als die anderen 6 Bänder mit 28,5 x 28,5 m aufweist, wurde es
für die Erstellung der Satellitenbildkacheln nicht verwendet. Bei einem großen Anteil
der vorliegenden Satellitenszenen im weiteren Untersuchungsgebiet wurde das fünfte
Band ("TM5" 1,55–1,75 µm) auf Grund von Sensorproblemen nur binär aufgezeichnet.
Damit konnten letztendlich nur die drei Bänder aus dem visuell sichtbaren
elektromagnetischen Wellenlängenbereich ("TM1" 0,45-0,52 µm, "TM2" 0,52-0,6 µm,
"TM3" 0,63-0,69 µm), ein Band aus dem Nahen Infrarotbereich ("TM4" 0,76-0,9 µm)
und eines aus dem Kurzwelligen Infrarotbereich ("TM7" 2,08-2,35 µm) miteinander
sinnvoll kombiniert werden (vgl. RICHARDS & JIA 1999:13).
Eine Standardkombination für aride Gebiete ist "TM7", "TM4", "TM1" (R, G, B), da
diese Bänder bei einem relativ natürlichen Erscheinungsbild den größtmöglichen
aufgezeichneten Spektralbereich abdecken (vgl. LIST 1999:570). Eine weitere häufige
Kombination ist das vor allem unter Vegetationsgesichtspunkten interessante
"Falschfarbenkomposit" („false color composite“) aus einer Kombination der Bänder
"TM4", "TM3" und "TM2" (R, G, B). Bei dem "Falschfarbenkomposit" wird das
ausgeprägte Reflexionsmaximum von Chlorophyll im nahen Infrarotbereich (red edge)
dem roten Bildschirmkanal zugeordnet. Dadurch erscheint die Vegetation auf dem
Satellitenbild in Abhängigkeit von ihrem Chlorophyllgehalt in roten Abstufungen und
lässt sich leicht von anderen Geländemerkmalen unterscheiden (s. Abb. 02).
(Quelle: RICHARDS & JIA 1999:3, abgeändert durch HABERLAH)
Abb. 02: "Spectral reflectance characteristics of common earth surface materials in the visible and near-
to-mid infrared range. […] The positions of spectral bands for common remote sensing instruments are
indicated" (RICHARDS & JIA 1999:3).
17
Eine dritte Kombination, die sich aus den flächendeckend zur Verfügung stehenden
Bändern anbietet, ist "TM3", "TM2", "TM1" (R, G, B). Einerseits befinden sich alle
drei Bänder im begrenzten Spektralbereich des sichtbaren Lichts (VIS), womit die
Information aus der Kombination ihrer Signale stark redundant ist. Andererseits ergibt
sich aus der Zuordnung auf die ihnen entsprechenden Farbkanäle ein Abbild, welches
der menschlichen Wahrnehmung der Geosphäre am nächsten kommt. Im Vergleich mit
generell aussagekräftigeren Bandkombinationen zeigt sich, dass bestimmte Phänomene
wie dünne Wolkenschleier oder Eisenoxidvorkommen vom menschlichen Auge besser
in einem Satellitenbild der Bandkombination "TM3", "TM2", "TM1" (R, G, B)
bestimmt werden können.
Weitere Kombinationen sind für spezifische Fragestellungen sinnvoll. Die besten
Ergebnisse werden erzielt, wenn in einem möglichst eng begrenzten Raum (spatial
subset) manuell abgestimmte Kontrastmodifikationen und Generierung neuer Bänder
mit Hilfe mathematischer Operationen zwischen den korrespondierenden Pixelwerten
unterschiedlicher Kanäle (vector space operation) durchgeführt werden (vgl.
RICHARDS & JIA 1999:89-110,133-153). Ein solches Vorgehen bietet sich nicht für
eine kontinuierliche, großräumige Kartenserie an (vgl. LIST et al. 1987:912).
1.2.2.2. Erarbeitung der Satellitenbildkacheln Der erste Schritt bei dem Aufbau der Visualisierungsbasis für das Navigations-
Informations-System ist die Datenakquisition. Sie erfolgte für das genannte Projekt
durch Download der benötigten Satellitendaten vom GLCF-Server
(http://glcfapp.umiacs.umd.edu) über das Internet. Für den zeitaufwendigen Transfer
dieser beachtlichen Datenmengen erweist sich die kostenlose, sich über Werbung
finanzierende Software (adware) "NetAnts 1.25" (www.netants.com, s. CD02
…/software/netants/setup.exe) als hilfreich, da sich alle einzeln auf dem Server
gespeicherten Bänder einer Satellitenszene über ein "Plug-In" aus dem Standardbrowser
(z.B. "Internet Explorer 6") heraus in einem Arbeitsschritt anwählen und in einer
Stapelverarbeitung (batch) herunterladen lassen. Die Anzahl der Dateien, die simultan
geladen werden, lässt sich, der Beschränkungsauflage des "Host Servers" entsprechend
einstellen, und abgebrochene Downloads können zu einem späteren Zeitpunkt nahtlos
fortgesetzt werden.
18
Daran anschließend folgt eine Vielzahl von Arbeitsschritten der Datenaufbereitung,
deren Ziel ein Produkt ist, das sich in die Datenbank von "TouraTech QV 3.0"
importieren lässt.
Die einzelnen Bänder der Satellitenszenen liegen auf der Festplatte im komprimierten
*.ZIP-Format vor. "ZIP" ist ein populäres, verlustfreies Kompressionsverfahren. Um
diese Dateien bearbeiten zu können, müssen sie dekomprimiert werden. "UltimateZip
2.71" (http://ultimatezip.com, s. CD02 …/software/uzsetup.exe) ist ein kostenloses
Dienstprogramm (utility), welches ermöglicht, ganze Verzeichnisse (folder) zu einer
Satellitenszene gehörender komprimierter Bänder in einem itineraren Durchgang zu
entpacken.
Alle 7 Bänder einer Szene liegen nun als einzelne georeferenzierte *.TIFF-Dateien
(tagged image file format) vor. Zu ihnen gehört eine gesonderte Textdatei, die
Metainformationen zu den Bilddaten enthält (header file). Da die Software, mit der
später verschiedene Satellitenszenen zu einem Mosaik zusammenfügt werden sollen,
keine Satellitendaten aus verschiedenen Einzeldateien unterstützt, müssen diese in den
nächsten Arbeitsschritten zu einer mehrlagigen *.TIFF-Datei zusammengefasst werden.
Hierfür bietet sich die professionelle Fernerkundungssoftware "ENVI 3.4"
(http://www.rsinc.com) an. Die Umformatierung kann damit verbunden werden,
spektrale Bänder, die für die Endresultate Satellitenbildkacheln und Kartenblätter nicht
benötigt werden ("TM5" und "TM6"), auszuschließen (spectral subsetting). Die
verbleibenden Bänder werden vorerst als virtuelle Datei (meta file) abgespeichert.
Dabei handelt es sich um eine einfache Textdatei, die dem Programm mitteilt, in
welcher Form und Reihenfolge die Bänder theoretisch vorliegen. Dieses Vorgehen
erspart Rechenzeit und Speicherplatz, da im nächsten Arbeitsschritt dieses
programminterne Format ohnehin als mehrlagige *.TIFF-Datei ausgegeben wird (vgl.
ENVI Online Help Navigator 3.4).
1.2.2.2.1. Blattschnittsystem Der folgende Arbeitsschritt besteht darin, die Satellitenszenen so zu zerschneiden, dass
später aus ihren Einzelstücken die Kacheln der unterschiedlichen Kartenblätter
zusammengesetzt werden können. Hierfür müssen zuerst die Schnittkanten der
Kartenblattausschnitte berechnet werden. Theoretisch handelt es sich dabei um
geografische Koordinaten; mit jedem vollen Breitengrad und alle anderthalb
Längengrade beginnt das nächste Kartenblatt. Praktisch erfordern Software, Kachel-
19
und Kartenausgabe aber gerade Schnittlinien. Diese werden durch geodätische UTM-
Koordinaten umgesetzt. Eine Eck-UTM-Koordinate bestimmt dabei den vollständigen
Verlauf zweier Schnittlinien der Satellitenbildkachel. Bei der Darstellung eines
Gebietes, das sich über anderthalb Breitengrade erstreckt, ergibt sich in der Region der
Wendekreise gegenüber den geografischen Koordinaten eine Diskrepanz von über 2000
m, bei einem Längengrad sind es etwa 1900 m. Um sowohl Überlappungen wie auch
Versatzverluste zwischen den Kacheln zu verhindern, muss ein geradliniges,
rechtwinkliges Blattschnittsystem konzipiert werden, welches die verwendeten Werte
zwischen benachbarten Kachelblättern, auch denen unterschiedlicher UTM-Zonen,
einheitlich festschreibt. Dies erfolgt, indem die umgerechneten Koordinaten der NW-
Ecke einer Kachel die nördliche und westliche Schnittkante des Ausschnittes festlegen,
während deren südliche und östliche Schnittkante den UTM-Koordinaten der NW-Ecke
der süd-östlich anschließenden Kachel entsprechen (s. Fototafel 01: "Sheet Line
System", verkleinertes Abbild der Karte "Sheet Line System 1:250.000 and Landsat TM
Index of NW Sudan").
Problematisch wird es im Grenzbereich zwischen zwei verschiedenen UTM-Zonen, im
vorliegenden Fall der Zonen 34, 35 und 36. Satellitenszenen, die diese Region
abdecken, sind nach ihrem maximalen Flächenanteil jeweils einer der beiden Zonen
zugeordnet und müssen für die Kachelteilstücke, die in der benachbarten UTM-Zone
liegen, bedingt durch die Anforderung eines rechtwinkligen Schnitts, vorher
umprojiziert werden. Unvermeidlich erfolgt dabei ein Umrechnungsschritt (resampling),
der auf Pixelebene eine geringfügige Lageverschiebung bewirkt. Um keine neuen
spektralen Signale in Form von Mischpixeln in das Bild zu übernehmen, wird hierfür
der lineare Interpolationsalgorithmus verwendet (vgl. RICHARDS & JIA 1999:58-60).
Damit können im Zweifelsfall diese Teilszenen später bei der Mosaikbildung
(mosaicking) auch als Referenzbild (baseline for contrast matching) verwendet werden.
Die Berechnung der UTM-Koordinaten für das gesamte Blattschnittsystem erfolgt im
Programm "TouraTech QV 3.0", da dieses ermöglicht Koordinaten ganzer Datensätze
flexibel umzuprojizieren und sich daraus ergebende Blattschnitte in Form eines
Gitternetzes als Kontrolle bildlich darzustellen (vgl. FLEMMING 2003).
Nach erfolgter Berechnung der Blattschnitte werden alle Satellitenbilder in bis zu 6
verschiedene Teilszenen (spatial subset) zerschnitten und als erwähnte mehrlagige
*.TIFF-Dateien in Ordner, die den jeweiligen Namen des Kartenblattes führen,
gespeichert.
20
1.2.2.2.2. Mosaikbildung Im nächsten Arbeitsschritt werden die Teilszenen auf Ebene der einzelnen Bänder zu
einer physischen Datei zusammengefügt. Dieser Prozess wird „Mosaikbildung“
(mosaicking) genannt und erfolgt in der Regel vor dem Schneiden der erwünschten
Teilausschnitte (spatial subset).
Das hier vorgestellte Verfahren ist zwar durch die vorangehende Zergliederung der
erwünschten Kachelausschnitte in ihre Teilstücke arbeitsaufwendiger, aber mit der
hohen Qualität der Resultate zu rechtfertigen. Nur durch eine zuerst erfolgte
Generierung unabhängiger Teilstücke kann für jedes Kartenblatt individuell die
Reihenfolge ihrer gegenseitigen Überdeckungen in den Überlappungsbereichen
bestimmt werden. Die Abfolge richtet sich nach der Qualität der Teilstücke, die durch
die Parameter "Wolkenbedeckung", "Verhältnis von Störsignalen zu Bildsignalen"
(noise ratio), "erfolgte Umrechnungsschritte an UTM-Zonengrenzen" sowie
"Aufnahmezeitpunkt" bestimmt wird. Dadurch lassen sich die besten Aufnahmesignale
in der Fläche maximieren und störende Faktoren begrenzen.
Genauso wichtig ist allerdings, dass die bei der Mosaikbildung für alle Bänder
individuell erfolgende Spektralangleichung zwischen Teilszenen (contrast matching)
ausschließlich Grauwerte (digital number) und deren Häufigkeitsverteilung (image
histogram) in die Berechnungen mit einbezieht, die im Endprodukt der jeweiligen
Kachel vorkommen. Dieses Vorgehen führt zu einer merklich geringeren
Farbwertverschiebung und Redundanz sowie zu besser angeglichenen Übergängen
zwischen den Teilszenen. Das Resultat ist ein insgesamt zuverlässigeres, farbkräftigeres
und optisch gefälligeres Satellitenbildmosaik (s. Abb. 03).
Abb. 03: Gegenüberstellung: Teilszenen und Satellitenbildkachel "ND35B Gebel Maidob" in frei
bestimmter Abfolge (a) vor und (b) nach der Mosaikbildung (HABERLAH)
21
Die Mosaikbildung erfolgt mit "Erdas Imagine 8.5" (www.erdas.com), einer
professionellen Fernerkundungssoftware, die im Vergleich zu konkurrierenden
Programmen nach eigenen Erfahrungen in diesem Anwendungsbereich die besten
Resultate liefert. Sie ermöglicht dem Anwender unter anderem die Bestimmung eines
Referenzbildes (baseline for contrast matching) für die Berechnung der
Spektralangleichung. Dieses Referenzbild sollte immer eine störungsfreie Teilszene mit
möglichst alle Spektralsignale der Satellitenbildkachel proportional umfassenden
Histogrammen sein (vgl. ERDAS INC. 1999).
Die Ausgabe der Mosaike erfolgt im programminternen *.IMG-Format (Erdas Imagine
image file). Aus diesem werden die 3 erwünschten Bandkombinationen
("TM7"/"TM4"/"TM3", "TM4"/"TM3"/"TM2" und "TM3"/"TM2"/"TM1") als einzelne
*.TIFF-Dateien exportiert. Im Gegensatz zu der flexibel über "Nachschlagtabellen"
(look-up table - LUT) gehandhabten kontrastreichen Darstellung der Daten in den
verwendeten Fernerkundungsprogrammen erfolgt nun im letzten Ausgabeschritt mit
"Erdas Imagine 8.5" eine physische, lineare Kontrastverbesserung. Bei dieser werden
zugleich jeweils die 2 Prozent der größten und kleinsten Grauwerte der einzelnen
Bänder respektive mit "255" (weiß) oder "0" (schwarz) gleichgesetzt (2% saturating
linear contrast enhancement) (vgl. RICHARDS & JIA 1999:95, ERDAS INC. 1999).
Über alle Rechenschritte und Formatwechsel hinweg bleibt die ursprüngliche
Georeferenzierung erhalten.
1.2.2.2.3. Wavelet-Transformation Die resultierenden Kacheln müssen für Navigationszwecke in ein Format umgewandelt
werden, das bei maximaler Reduzierung der Dateigröße mit einer minimalen
Dekomprimierungszeit während der Nutzung alle Details im Originalmaßstab beibehält.
Hierfür bietet sich ein neues Grafikformat mit dem Namen "ECW" an. "ECW" steht für
"Enhanced Compressed Wavelet" und ist ein kommerzielles Bildformat der Firma
"Earth Resource Mapping" (www.ermapper.com), welches speziell für die
Komprimierung großer Rasterbilder und deren arbeitsspeicherextensive Betrachtung am
Bildschirm entwickelt wurde. Das Format verwendet eine Wavelet-Transformation, bei
der die Bildsignale unter Beibehaltung der Lokalitätseigenschaften in verschiedene
Auflösungsebenen (Frequenzmodi) zerlegt werden (vgl. DGK Systemtechnik 200X).
Die Vorteile der "Wavelet-Technologie" gegenüber anderen Bildkompressionsverfahren
sind im Anwendungsbereich der Navigation folgende:
22
- Der Informationsverlust dieses Kompressionsverfahrens (lossy compression) ist im
Vergleich zur Verringerung der Dateigröße sehr gering und über den
Kompressionsfaktor frei bestimmbar. Damit wird dem eng bemessenen Speicherplatz
auf der Festplatte des Laptops Rechnung getragen.
- Die Dekomprimierung der Bilddatei erfolgt interaktiv ausschließlich für den
aktuell auf dem Bildschirm dargestellten Bildausschnitt (subset region) in dem
jeweiligen Zoom-Faktor (level of detail). Daraus resultiert im Gegensatz zu
herkömmlichen Bildformaten eine Arbeitsspeicherbelastung (memory footprint) von
nur 2 MB, so dass auch ältere Laptops mit nur 32 MB RAM mit den großen
Satellitenbildkacheln arbeiten können. Die Bildinformationen liegen gebündelt vor
(clustering), so dass sie sogar von einem langsamen Speichermedium wie dem CD-
Laufwerk schnell eingelesen werden können, falls der Speicherplatz auf dem Laptop
nicht ausreichen sollte (vgl. UEFFING 2001).
- Die Georeferenzierung der Kacheln wird beibehalten. Eine Karte im *.JPEG-Format
(joint photographic expert group) hingegen müsste erst einmal mit "TouraTech QV
3.0" neu kalibriert werden; ein zeitaufwendiger Schritt über Passpunkte und mit
Lageungenauigkeiten behaftet, die über die Blockbildung des *.JPEG-Formates
hinausgehen.
Das Programm "TouraTech QV 3.0" unterstützt das *.ECW-Format über ein
kostenloses Plug-In ("ECW ActiveX Controls", www.ermapper.com, s. CD02
…/software/ECWActiveXControls.exe).
Die drei Kacheln unterschiedlicher Bandkombinationen jedes Kartenblattes werden mit
dem kostenlosen Dienstprogramm "ECW Compressor 2.6" mit der Zielvorgabe einer
zwanzigfachen Kompression in das *.ECW-Format umgewandelt und können in dieser
Form direkt in das Navigations-Informations-System importiert werden
(www.ermapper.com, s. CD02.../software/ECW_Compressor_2.6_RC1_20020926.exe).
1.2.2.3. Analoge Kartenserie 1:250000 Eine auf die Monitorausgabe beschränkte Navigation hat verschiedene Nachteile. Die
wichtigsten sind gruppenkommunikativer und sicherheitstechnischer Art.
Zum Gelingen einer Expedition ist es wichtig, dass alle Teilnehmer in die Tagesplanung
mit einbezogen werden und sich ein räumliches Bild der Arbeitsregion machen können.
23
Eine ausschließliche Beschränkung der Visualisierung auf dem Monitor eines
Expeditionsteilnehmers wird diesem nicht gerecht. Die interaktive Kartendarstellung am
Bildschirm ist ein laufender Prozess zwischen dem einzelnen Anwender und der
Software. Sie lässt sich auf Grund der eingeschränkten Größe des Monitors und seiner
kontrastarmen Darstellung im Sonnenlicht schlecht für Gruppenberatungen nutzen. Eine
große analoge Arbeitskarte, die beispielsweise mit Magneten auf der Motorhaube
befestigt werden kann, und auf der sich Untersuchungsobjekte markieren und
Fahrtrouten eintragen lassen, ist als Diskussionsgrundlage bisher nicht digital zu
ersetzen.
Gegen eine ausschließliche Beschränkung auf das satellitengestützte Navigations-
Informations-System zur Orientierung spricht die jederzeit gegebene Möglichkeit eines
Ausfalls. Nur durch das reibungslose Zusammenspiel einer Vielzahl empfindlicher
Komponenten wie Prozessor, Festplatte, Monitor, Schnittstellen, Datenkabel,
Spannungsumwandler, Akku und GPS-Empfänger kann die Navigation über den Laptop
betrieben werden. Neben Ersatzkomponenten sollten somit immer auch analoge Karten,
Kompass und Geodreieck zum Zwecke der Positionsermittlung und
Zielrichtungsbestimmung mitgeführt werden (vgl. MEISSNER et al. 1999:587).
Aus diesen Gründen wurde von vornherein die Weiterverarbeitung der
Satellitenbildkacheln zu analogen Karten im Maßstab 1:250000 geplant. Diese
Kartenserie, die mit ihrem Blattschnitt der nationalen sudanesischen Vorgabe entspricht,
soll weitgehend standardisiert aus den vorliegenden Satellitenbildkacheln generiert
werden (vgl. HINKEL, 1979:160 "Map Illustrating the Numbering System of 1:250.000
Maps of the Sudan").
Ihre Ausgabe weist sowohl geografische Koordinaten, zur allgemeinen Orientierung
und Einordnung in einen großräumigen Kontext als auch ein Gitternetz aus UTM-
Koordinaten zur einfachen visuellen Bestimmung von Entfernungen in Kilometern auf.
Die Benennung der Kartenblätter und ihre Nummerierung sind mit den sudanesischen
Karten weitgehend identisch und links oben platziert, so dass sie im gefalteten Zustand
auf der Vorderseite erscheinen (vgl. LEHMANN 1993:20). Zusätzlich zu einem
Linearmaßstab und Copyrightangaben werden Informationen zu den jeweilig
verwendeten Satellitenszenen, Bandkombinationen, Projektionsgrundlagen sowie der
Kontrastverstärkung zum besseren Verständnis für die Kartennutzer angegeben (s.
Kartenbeilage Blatt "NE35K (Sudan) Worksheet 1:250000 (TM7/TM4/TM1) GEBEL
RAHIB" – im Materialband).
24
Die Berechnung der analogen Kartenserie erfolgt mit dem Kartenmodul von "Erdas
Imagine 8.5" über die Erstellung einer Schablone (template), in welche die
unterschiedlichen Kacheln geladen werden. In dieser müssen nur der Titel,
kartenblattspezifische Informationen sowie das Gradnetz (grid) jeweils neu bestimmt
werden, bevor die jeweilige Karte über den Zwischenschritt des programminternen
*.IMG-Formats als *.TIFF-Datei exportiert werden kann. Für die Ausgabe der
unterschiedlichen Bandkombinationen eines Kartenblattes können diese direkt aus dem
Kartenmodul heraus ausgewählt werden.
Zum Abschluss wird die *.TIFF-Datei mit der auf Rasterdaten spezialisierten
Bildbearbeitungssoftware "Adobe Photoshop 7.0" (www.adobe.com) geöffnet. Das
Verhältnis der Kartenbildgröße (Kantenlänge in cm) zur Auflösung (in dpi) muss
korrigiert werden (75 x 60 cm/300 dpi), ohne dabei die eigentliche Pixelmatrix neu zu
berechnen. Im Anschluss werden die Logos an der Kartenherstellung beteiligter
Institute platziert und eingearbeitet (merge).
Als letzter Arbeitsschritt erfolgt die Ausgabe der Satellitenbildkarte als *.PDF-Datei
(printible data format). Dieses Format ist unter anderem für den
betriebssystemunabhängigen farbgleichen Druck von Dateien entwickelt worden und
kann mit der kostenlosen Software "Adobe Acrobat Reader" (www.adobe.com, s. CD02
…/software/AdbeRdr60_enu.exe) geöffnet werden. Moderne Plotter unterstützen das
*.PDF-Format, so dass auf eine zeitintensive Umrechnung in ein druckereigenes Format
aus dem "Adobe Acrobat Reader" heraus verzichtet werden kann.
1.2.3. Geografische Datenbank
Auf die Datenaufbereitung folgt das Datenmanagement, welches aus dem Aufbau und
der Verwaltung der geografischen Datenbank besteht (vgl. MEISSNER et al. 1999:587).
Eine geografische Datenbank ist eine geordnete Kombination unterschiedlicher
Raumdaten, die unter methodischen, thematischen und funktionalen Gesichtspunkten in
verschiedene Datensätze gegliedert werden. Sie umfasst Visualisierungsgrundlagen in
Form digitaler georeferenzierter topografischer und thematischer Karten,
Satellitenbildkacheln, digitale Höhenmodelle sowie punktuelle, lineare und flächenhafte
Geodaten.
25
1.2.3.1. Datenbankstruktur des Navigations-Informations-Systems In der Terminologie des Navigations-Informations-Systems werden Raumdaten in
folgende Datensätze unterteilt: "Karten" (map table), "Wegpunkte" (waypoint table),
"Tracks" (track table), "Routen" (route table), "Zeichnungen" (drawing table) und
digitale Höhenmodelle (digital elevation model).
1.2.3.1.1. Kartenverzeichnis (map table) Bei Karten handelt es sich im Vergleich zu den anderen Datensätzen um große Dateien.
Es ist sinnvoll, diese nicht in einer Datenbank zu internalisieren, sondern auf ihren
Speicherort durch eine Verzeichnisangabe (link) zu verweisen. Dieses Vorgehen
ermöglicht eine flexible Handhabung der Kartendatensätze. Sie können auf einem
anderen Laufwerk als das auszuführende Programm und die restlichen Datensätze
gespeichert werden um Zugriffszeiten zu verkürzen und die Festplatte mechanisch
weniger zu beanspruchen. Sie können aber auch alternativ von einer CD eingelesen
werden (s. CD01: Geografische Datenbank "rs_maps.qu3" im Materialband).
Um die Datenbankstruktur von "TouraTech QV 3.0", den so genannten "X-plorer"
optimal zu nutzen sind alle Visualisierungsgrundlagen in einer eigenen Datenbank in
Form von verschiedenen Kartendatensätzen gespeichert. Die unterschiedlichen
Bandkombinationen der Satellitenbildkacheln bilden jeweils einen eigenen Datensatz
mit einer Übersichtskarte. Dieses Vorgehen ermöglicht bei der Navigation im Gelände,
sich wahlweise nur innerhalb einer Bandkombination zu bewegen. Beim
Positionswechsel wird das Satellitenbild der sich anschließenden Kachel aus demselben
Datensatz automatisch geöffnet (automap modus). Auf Anfrage haben die
Programmentwickler von "TouraTech QV 3.0" die Möglichkeit integriert, mit der
"F10"-Taste über ein eingeblendetes funktionales Fenster (pop up window) zwischen
den unterschiedlichen Bandkombinationen einer Satellitenbildkachel zu wechseln, ohne
dass sich der fokussierte Ausschnitt dabei verändert. Die unterschiedlichen
Kanalkombinationen werden dabei von der Navigationssoftware als Karten gleicher
Maßstabsebene einer Datenbank behandelt.
1.2.3.1.2. Wegpunkte (waypoint table) Unter "Wegpunkte" werden alle Einzeldaten verstanden, die sich einer bestimmten
Koordinate zuordnen lassen. Neben Koordinatenangabe und Namen lassen sich über
26
GPS-Empfänger oder Höhenmodell ermittelte Höhenangaben integrieren. Zusätzlich
kann eine ergänzende Beschreibung eingefügt werden. Mit dieser kann der "Wegpunkt"
über Verknüpfungspfade (links) mit weiteren digitalen Dokumenten verbunden werden.
"Wegpunkte" lassen sich mit diversen Symbolen unterschiedlicher Größe und Farbe
versehen und in verschiedene thematische Datensätze untergliedern, welche als Ebenen
(layer) interaktiv vor dem Visualisierungshintergrund ein- und ausgeblendet werden
können (vgl. FLEMMING 2003).
1.2.3.1.3. Tracks (track table) Unter einem "Track" versteht man eine automatisch generierte kontinuierliche Abfolge
aufgezeichneter geografischer Koordinaten mit einer genauen Zeitangabe. In
"TouraTech QV 3.0" werden zudem die zurückgelegte Geschwindigkeit und Richtung
zwischen den einzelnen "Trackpunkten" (track points), sowie ihre vom GPS-Empfänger
übertragene Höhenangabe mitgeschrieben. Das Aufzeichnungsintervall zwischen den
"Trackpunkten" kann als Zeitspanne oder programmintern als eine Funktion
zurückgelegter Entfernung oder Abweichung von der jeweiligen Kurslinie bestimmt
werden. Letztere Einstellung führt zu einer genaueren und gleichmäßigeren
Aufzeichnung der Strecke.
Für den nachfolgend beschriebenen Survey wurde ein Intervall von 200 m Entfernung
beziehungsweise eine Richtungsänderung von mehr als 2° mit einem Puffer von 5 m
ausgewählt. An einem Surveytag wurden mit dieser Konfiguration im Durchschnitt
3000 "Trackpunkte" aufgezeichnet, welche in der internen Datenbank etwa 150 KB
Speicherplatz benötigen. Die Tracks lassen sich in "TouraTech QV 3.0" unter anderem
farblich als Funktion der zurückgelegten Fahrgeschwindigkeit oder der jeweiligen
Geländehöhe darstellen (s. Fototafel 05: "GPS-Altitudes and DGPS-Tracks", im
Materialband).
Das Navigationsprogramm verfügt ferner über eine Funktion, die ermöglicht, digitale
Fotos über ihr Aufnahmedatum (EXIF-tag) korrespondierenden "Trackpunkten"
zuzuordnen und als verkleinerte Abbilder (thumbnail) vor dem Kartenhintergrund
einzublenden (vgl. FLEMMING 2003, s. CD01: Geografische Datenbank,
"abu_tabari.qu3").
27
1.2.3.1.4. Routen (route table) Wie bei den "Tracks" handelt es sich auch bei "Routen" um lineare Elemente. Sie
bestehen allerdings aus einer vom Nutzer festgelegten Abfolge von "Wegpunkten". Die
Erstellung einer "Route" bietet sich beispielsweise an, um Segmente durch ein
Höhenmodell zu ziehen und als Funktion von Höhe und Entfernung in einem Diagramm
zu visualisieren.
1.2.3.1.5. Zeichnungen (drawing table) "TouraTech QV 3.0" bietet mit dieser Form von Datensätzen die Möglichkeit, über
Koordinaten bestimmte Flächen zu bilden oder kartografische Symbole zu platzieren.
"Zeichnungen" werden nachfolgend verwendet um Flächen zu berechnen und um Text
aus thematischen Karten zu erfassen und interaktiv über die Satellitenbildkacheln
einzublenden (s. CD01: Datenbank, Beispielanwendung: "gis_info.qu3").
1.2.3.1.6. Digitales Höhenmodell (DEM) Eine dreidimensionale Darstellung kann bei bestimmten Fragestellungen zu einer
verbesserten Visualisierung und damit Interpretierbarkeit von Fernerkundungsdaten
führen (vgl. LIST 1999:556). "TouraTech QV 3.0" unterstützt den Import einer Vielzahl
von "digitalen Höhenmodellen" (digital elevation model - DEM), über die sich
zweidimensionale Karten beziehungsweise Satellitenbilder projizieren lassen.
Über das Internet kann das kostenlose digitale Höhenmodell "GTOPO30" von dem zum
"U.S. Geological Survey" gehörenden "EROS-Data Center" (Earth Resources
Observation Systems Data Center – http://edc.usgs.gov) bezogen werden. Dieses
Höhenmodell hat eine horizontale geometrische Auflösung von 30 Arc-Sekunden, was
im Gelände einer Fläche von ca. 920 x 920 m entspricht. Der gemittelte Höhenwert über
diese Ausdehnung wird auf den Meter genau angegeben. "GTOPO30" wurde aus
verschiedenen Datensätzen mit jeweils unterschiedlichen Genauigkeiten kompiliert. Das
Surveygebiet wird von der Kachel "E020N40"1 abgedeckt. Ihr liegt das Rasterbild
"DTED – Digital Terrain Elevation Data" mit einer absoluten vertikalen Genauigkeit
von 30m (90%) zu Grunde. Die relative Genauigkeit der Höhenangaben zueinander
wird als "besser" eingestuft (vgl. LPDAAC 2004).
1 zu beziehen unter http://edcdaac.usgs.gov/gtopo30/e020n40.asp
28
Auf Anfrage haben die Programmierer von "TouraTech QV 3.0" das 3D-Modul um eine
Funktion erweitert, mit der sich der betrachtete Ausschnitt des Höhenmodells bis zu
einer metergenauen Höhenangabe "fluten" lässt. Momentan gibt es diese
Programmerweiterung allerdings nur als "Entwickler Version" (develop) (vgl. Kapitel
3.2.1.1., s. Fototafel 04: "Flooding of DEM", im Materialband).
1.2.3.2. Verwaltung der Datensätze Alle aufgeführten Datensätze können auf verschiedene Datenbanken verteilt werden. Es
ist ratsam, die laufenden Tagesaufzeichnungen immer in eine bestimmte Datenbank zu
schreiben und sie täglich, nach erfolgter Bereinigung, als thematisch geordnete
Datensätze in andere Datenbanken zu verschieben. Die Datenbanken können in
"TouraTech QV 3.0" mit einem Schreibschutz versehen werden. Gelöschte Daten
werden nur solange ausgeblendet, bis die gesamte Datenbank zusätzlich komprimiert
wird. Selbst bei diesem Schritt wird jedoch im Datenbankverzeichnis eine
Sicherungskopie (back up) mit der Dateiendung *.BAK erstellt, so dass ungewollter
Datenverlust auf verschiedenen Ebenen verhindert wird.
In "TouraTech QV 3.0" werden alle Datensätze intern als Access-Datenbank verwaltet.
Sie können durch Abänderung der Endung *.QU3 in *.MDB (Microsoft Database
Format) in ihrer Originalform mit "Microsoft Office Access 95" bearbeitet werden.
Alle Geodaten werden programmintern unter ihren geografischen Koordinaten in Form
von Dezimalgraden (dd.ddddd°) verwaltet. Für ihre Auflistung im "X-Plorer" sowie für
die interaktiv einblendbaren Gradnetzlinien (grid) können allerdings eine Vielzahl
anderer Darstellungsformen ausgewählt werden. Damit lassen sich beispielsweise
Surveypunkte, die nach den Richtlinien von ACACIA in Grad und Dezimalminuten
(dd°.mm,mmm') notiert werden, in UTM-Koordinaten umrechnen.
Alle über den GPS-Empfänger berechneten oder von mir erstellten Datensätze
einschließlich der Satellitenbildkacheln basieren auf dem globalen, von der "U.S.
Defense Mapping Agency" (DMA) modellierten Ellipsoid "World Geodetic System
1984 - WGS84" (vgl. U.S. COAST GUARD NAVIGATION CENTER 1996:Annex
B1; WILSON 2000).
Der Austausch von Datensätzen zwischen verschiedenen Computern erfolgt über die
Verzeichnisstruktur des "Windows Explorer", wo sie in dem Ordner (folder) "qu3" im
installierten Programmverzeichnis unter dem gleichen Namen wie in der Datenbank
("X-Plorer") abgespeichert sind (vgl. FLEMMING 2003).
29
Als Vorbereitung für den Feldaufenthalt werden alle verfügbaren relevanten Geodaten
zusammengetragen und in das Navigations-Informations-System importiert. Neben
Trackaufzeichnungen vorangegangener Expeditionen werden die relevanten
archäologischen Datensätze im *.XLS-Format (Microsoft Office Excel) über den Schritt
einer durch Tabstopps unterteilten (tab-delimited) *.TXT-Datei importiert. "TouraTech
QV 3.0" unterstützt auf meine Anregung hin seit dem "Update 3.0.7.5" die Möglichkeit,
alle Datensätze mit Metainformationen zu versehen. In diesen kann die Herkunft und
Qualität der Daten, vor allem die der Lagegenauigkeit von Koordinaten, vermerkt
werden (s. CD01 Geografische Datenbank, alle Beispielanwendungen). Durch
Beachtung von Metadaten können Fehlinterpretationen, die aus dem Verschnitt von
Datensätzen inhomogener Qualität und unterschiedlicher Maßstäbe resultieren,
vermieden werden (vgl. MEISSNER 2002:368; Diskussionen im Forum "TTQV3
Support" http://www.ttqv.com/phpBB2/index.php 2003/2004).
30
2. DAS UNTERE WADI HOWAR
Das Gebiet "Abu Tabari", in dem die nachfolgend beschriebenen
Geländeuntersuchungen stattfanden, liegt im Unterlauf des Wadi Howar. Bei dem Wadi
Howar handelt es sich um das weitläufigste autochthone Entwässerungssystem der
östlichen Sahara und deren südlichem dynamischen Grenzsaum zwischen
Dornstrauchsavanne und vollarider Wüste (vgl. PACHUR & KRÖPELIN 1987:298;
KRÖPELIN 1999:446). Obwohl Anfang des letzten Jahrhunderts die lokale
Bevölkerung noch über das Wissen einer ehemaligen Nilanbindung des Wadilaufes
verfügte, erfolgten erst 70 Jahre später auf Basis von Satellitenbildinterpretationen
(Landsat 1 - ERST "Earth Resources Technological Satellite") erste sedimentologische
Feldbestimmungen um den genauen Verlauf zu bestimmen (vgl. KING 1913:278;
MEISSNER & SCHMITZ 1983:90-93; PACHUR & RÖPER 1984:275).
Dem reisenden Briten KING und seinem einheimischen Führer ist die erste schriftliche
Erwähnung des Namens "Howar" zu verdanken: "The Howar wadi is a long valley, said
by the Arabs to be an old watercourse, that runs into the Nile slightly north of Dongola.
[…] in places it is as deep and wide as the Nile valley" (KING 1913:278). Der Name
"Howar" kann auf Grund seiner arabischen Schreibweise mit unterschiedlichen "H-
Konsonanten" am Anfang des Wortes und einem gerollten "R-Laut" am Ende, der auch
im Namen des lokalen Stammes der "Howawir" vorkommt, nicht, wie bei
verschiedenen Autoren durch die Transkription "Wadi Hawa" angespielt, mit dem
arabischen Wort für Wind "hawa'" übersetzt werden (mündl. Mitt. verschiedener
Sudanesen, Khartoum 2003; vgl. NEWBOLD; SHAW; Aufstellung aller alternativen
Schreibweisen und Namen bei HINKEL 1977:131). Die durch ARKELL erfolgte
Zurückführung des Namens auf die Worte "au" für Tal und "ûré" für Schaffel in der
Sprache der "Zaghawa", die er mit "ein die Wüste durchziehendes Wadi" übersetzt,
erscheint unter etymologischen Gesichtspunkten stimmiger (vgl. SHAW 1936:199).
Die Region "Abu Tabari" liegt 100 km östlich vom "Gebel Rahib" und 250 km westlich
vom Nil. Hier befindet sich auch der einzige größere gleichnamige Brunnen im Unteren
Wadi Howar, der mittlerweile versandet ist.
Der arabische Wortstamm des Namens "Tabari" besteht aus den drei Radikalen "t-b-r",
wobei für den "T-Konsonanten" eine emphatische Variante möglich und das "R"
stimmhaft ist. Je nach Betonung und Schreibweise kann "Tabari" aus dem klassischen
Arabischen entweder mit "Beil, Axt", mit "zerstören, vernichten" oder "Erz und
31
Rohmetall" übersetzt werden (WEHR 1976:500,78). Zusammen mit einer
Interpretation, nach der "Tabari" auf das sudanesische mundartliche Wort "Täbar"
zurückgeführt werden kann, welches einen "großen Krug zur Wasseraufbewahrung"
(KRÖPELIN 1993:72) beschreibt, lassen sich alle Übersetzungsvarianten als Hinweise
auf die reichen neolithischen Hinterlassenschaften in diesem Gebiet verstehen. Das
Wort "Abu" wird im geografischen Kontext als "Region von" übersetzt.
Bei einem Gespräch mit einem Kababish Nomaden (Unteres Wadi Howar, 2002) wurde
mir mitgeteilt, dass sich der Begriff "Tabari" auf die Vegetation dieses Gebietes
beziehe. Diese Aussage stimmt mit einem Vermerk von TOTHILL (1952:953) überein,
nach der "tabr" ein als Kamelfutter dienendes Gras bezeichnet: "tabr, col. Ar., a
convolvulaceous weed and good camel fodder, Ipomoea cordofana" (vgl. auch
TOTHILL 1952:398; KRÖPELIN 1993:72).
32
2.1. Geografische Einordnung und Beschreibung
Der etwa 1050 km lange Lauf des Wadi Howar kann auf Grund geomorphologischer
und quartärgeologischer Kriterien in drei Hauptabschnitte unterteilt werden: Oberlauf
(Upper Wadi Howar), Mittellauf (Middle Wadi Howar) und Unterlauf (Lower Wadi
Howar) (s. Abb. 04).
(Quelle: HOELZMANN 2002:376, abgeändert durch HABERLAH)
Abb. 04: "Map of Western Nubia and adjacent areas showing site[…] of sample
collection"(HOELZMANN 2002:376).
2.1.1. Oberes Wadi Howar Die Quelläste des Wadi Howar befinden sich im Oberlauf auf einer Höhe von knapp
1000 m in den bergigen Regionen zwischen dem Tafelbergland des Ennedi und dem
vulkanischen Gebel Marra. Der gegenwärtig durch Dornstrauch- und Baumsavanne
gekennzeichnete Einzugsbereich nimmt bis zum letzten, das Wadi nur episodisch
erreichenden Tributär eine Fläche von weniger als 40000 km² ein. Damit ist der
Einzugsbereich bezogen auf die Länge des verbleibenden Verlaufs des Wadi Howar von
über 800 km Länge außergewöhnlich kleinflächig (vgl. KRÖPELIN 1993:32-35).
33
2.1.2. Mittleres Wadi Howar Der Mittellauf des Wadi Howar durchzieht mit 400 km Länge in nordöstlicher Richtung
700 m bis 500 m hoch liegende weite sandige Ebenen. Im Norden schließen die
überwiegend inaktiven Dünengebiete des "Erq Ennedi" an, wobei der "Ptolemäus
Paläosee" als Becken nördliche Zuflüsse in das Mittlere Wadi Howar verhindert. Im
Süden schließt der "Erq Tageru" mit einer Qozdünen-artigen Oberflächenfixierung an
(vgl. PACHUR 1990:243; KRÖPELIN 1993:20,35). Der Wadiverlauf und die
Böschungen sind gegenwärtig überwiegend durch Bewuchs mit Büschen wie Salvadora
persica gekennzeichnet: "The shau bush is so common that this part of the Wadi Hawa
is also known to the Arabs as Wadi Shau." (NEWBOLD 1924:55; vgl. auch
KRÖPELIN 1993:37-38).
Im Verzahnungsbereich zwischen den südlichen Ausläufern der Grundgebirgsketten des
Gebel Rahib und den nördlichen Auslegern des Sandstein-Plateaus des Gebel Tageru
verengt sich das Tal auf 2 km und wird von einem breiten Dünenriegel gequert und
versperrt (vgl. KRÖPELIN 1993:20,35).
2.1.3. Unteres Wadi Howar Bis zur Einmündung in das im Osten liegende Niltal zwischen dem dritten und vierten
Katarakt auf der Höhe von "Dunqula al-Aguza" (ca. 250 m über NN) überwindet das
quasi vegetationslose Wadi Howar in seinem Unterlauf weitere 400 km Strecke. Die
Höhendifferenz zwischen dem Dünenriegel des Gebel Rahib und dem Nil beträgt dabei
etwa 230 m, was einem durchschnittlichen Gefälle von unter 0,06 % entspricht (s. Abb.
05).
34
(Quelle: KRÖPELIN 1999:448, abgeändert durch HABERLAH)
Abb. 05: "Positionssystem (oben), schematisches Längsprofil mit topographischen Orientierungspunkten
(Mitte), Gliederung und geologischer Untergrund (unten) des Unteren Wadi Howar. Zahlen entlang des
vermutlichen Talwegs zeigen die Entfernung von der Mündung in den Nil in Kilometern" (KRÖPELIN
1999:448).
An die Dünenbarriere schließt zuerst ein breites sandiges Flachmuldental bis zur als
"äußerst unübersichtlich" (KRÖPELIN 1993:72) charakterisierten Talschwelle von Abu
Tabari an. Breite Schotterbänder mit einem aus dem Gebel Rahib in das Wadi Howar
verlaufenden Hauptstrang namens "Wadi Saiyal" charakterisieren das nördliche
Gelände, während das südliche Ufer durch das Ansetzen dichter mobiler Barchan-
Felder gekennzeichnet ist.
Westlich von Abu Tabari stehen quer zur Passatwindrichtung drei bis zu 60 m hohe und
500 m lange Quarzitrippen an, deren Leedünen als Sandfahnen quer über das ganze
Wadi streichen (vgl. PACHUR et al. 1987:359; KRÖPELIN 1993:70-72, 81-82/
1999:462). Weit verbreitete Vorkommen carbonatischer Seeablagerungen werden etwa
100 km östlich von Abu Tabari von kanalartigen Talungen im Hauptbett mit einem
weiten Spektrum an semilakustrinen bis fluvialen Akkumulationen abgelöst. Es handelt
35
sich bei den Talungen um strukturell angelegte Tiefenzüge im Anstehenden ohne
einheitliches Gefälle (vgl. KRÖPELIN 1993:93-95).
Etwa 100 km vor der Nileinmündung quert ein breites Barchan-Feld das Wadibett. Der
Mündungsbereich überschneidet sich mit dem fossilen Flusslauf einer alten kiesreichen
Nilschlinge, die etwa 50 km westlich und 20 bis 30 m oberhalb des heutigen Nilverlaufs
liegt (vgl. PACHUR et al. 1987:359; KRÖPELIN 1993:167-169/ 1999:449).
2.1.4. Abschließende Betrachtung Als möglichen Erklärungsansatz für die Formenabfolge des Wadi Howar mit einem
vergleichsweise begrenzten Einzugsgebiet im Oberlauf, einer auffälligen Talverengung
zum Ende des Mittellaufes und den einzigartigen strukturell geprägten Paläokanälen
teilweise gegenläufigen Gefälles im Unterlauf schlägt KRÖPELIN (1999:454) eine
ursprüngliche Anlage des Unteren Wadi Howar mit umgekehrter Abflussrichtung und
Schüttungen aus den Red Sea Hills vor. Das Obere Wadi Howar wurde dieser
Interpretation zufolge später, möglicherweise zu Beginn der quartären Feuchtzeiten,
vom Talsystem des Unteren Wadi Howar südlich des Gebel Rahib angezapft.
2.2. Geologische Entwicklung
Das Untere und Mittlere Wadi Howar sind Teil eines bereits prä-panafrikanisch
konsolidierten Kratons des alten Gondwanakontinents. Die wichtigsten tektonischen
Elemente wurden bereits in präkambrischer Zeit angelegt und bei plattentektonischen
Großereignissen seit dem Paläozoikum reaktiviert. In Abhängigkeit von der jeweiligen
strukturgeologischen Situation wurden dabei epirogene und bruchtektonische
Bewegungen ausgelöst, die zur Bildung von Becken und Schwellen sowie Gräben und
Horsten führten. Diese steuerten als Sedimentations- beziehungsweise Erosionsräume
die Faziesverteilung und Stratigraphie der Sedimente und die Geomorphologie des
Reliefs (vgl. KLITZSCH 1984:31; KLITZSCH & WYCISK 1987:97,130). Die Anlage
der in späteren Zeitaltern herauserodierten metamorphen Ketten des Gebel Rahib fällt in
das Präkambrium (4560-570*106a2). Nicht nur im Untersuchungsgebiet, sondern auch
im gesamten Sudan wird, abgesehen von den rezenten Sedimentdecken, der größte
2 vgl. http://www.palaeos.com/Timetable/timetable.html
36
Flächenanteil von präkambrischem kristallinem Grundgebirge eingenommen (vgl.
WHITEMAN 1971:5)(s. Abb. 06).
(Quelle: KLITZSCH 1984:28, abgeändert durch HABERLAH)
Abb. 06: "Structural Interpretation of Part of the Eastern Sahara" KLITZSCH 1984:28.
Im Kambrium (570-510*106a) gehörte das Gebiet des heutigen Sudans und weite Teile
Ägyptens zum nördlichen Rand von Gondwana. In diesem Zeitraum entwickelten sich
NNW-gerichtete Graben- und Horststrukturen (vgl. KLITZSCH & WYCISK
1987:130).
Gegen Ende des Paläozoikums (570-248*106a) wurde das Gebiet zwischen Gebel
'Aweinat und Aswan mit dem Einsetzen herzynischer plattentektonischer Ereignisse
weiträumig gehoben. Dabei wurden die paläozoischen Sedimente und präkambrischen
Primärgesteine erodiert und vorwiegend nach Süden in einen rein kontinentalen Trog
geschüttet. Die Hebung ging mit Bruchtektonik einher, die zu großräumigen OW-
streichenden Verwerfungen führte, in welche im Oberen Perm (256-245*106a) sowie in
37
der Unteren Trias (245-241*106a) phonolitisches bis trachytisches Magma intrudierte
(vgl. KLITZSCH & WYCISK 1987:130-131).
Während des Mesozoikums (245-65*106a) kam es im Jura (208-146*106a) im Rahmen
des Auseinanderbrechens von Pangaea zu einer Umkehrung der vertikalen epirogenen
Bewegung. Der kontinentale "nubische Trog" wurde herausgehoben und mit einer
leichten Neigung nach Norden in die kratonale Beckenbildung Südägyptens
einbezogen. Die paläozoischen Sedimente wurden wieder abgetragen und in breiten,
verflochtenen Flusssystemen nordwärts verlagert, wo sie weiträumige fluviale
Sandsteinserien bildeten (vgl. KLITZSCH 1984:23,27, KLITZSCH & WYCISK
1987:131, WYCISK et al. 1990:45).
Im Zuge der tektonischen Neuorientierung Afrikas im Jura, die mit vielen ONO-WSW-
streichenden Verwerfungen in Westnubien einherging, kam es seit der Mittleren Kreide
(Apt – 124,5-112*106a) wiederholt zu flachmarinen Transgressionen aus dem Norden
bis in das Gebiet des heutigen Gebel Abyad (vgl. KLITZSCH 1984:23,27,29). Das
weitere Gebiet der Surveyregion durchlief eine rasche und wiederholte Veränderung der
Umweltbedingungen, aus denen Ablagerungsmilieus resultierten, die zur Bildung der
"Nubischen Sandstein Formation" führten: "fluvial and deltaic deposition was followed
by beach and swamp environments and shallow marine conditions, regressions locally
resulted in erosion or in the formation of paleosoils … these [are] the sediments which
constitute the typical Nubian Sandstone" (KLITZSCH 1984:29). Faziell handelt es sich
um diskordant auf dem "Basement Complex" liegende klastische Sedimente
kontinentaler oder flachmariner Herkunft, teilweise mächtige Paläoböden sowie,
begrenzt auf das Gebiet des Gebel Abyad, um alttertiäre Carbonatgesteine (vgl.
KLITZSCH & WYCISK 1987:97; KLITZSCH 1984,23).
BARAZI (1985) untergliedert die "Nubische Sandstein Formation" in Westnubien in
drei Formationen: die "Wadi Howar Formation", die "Kababish Formation" und die
"Gebel Abyad Formation". Die gesamte Abfolge umfasst oberkretazische bis alttertiäre
Sedimente (s. Abb. 07).
38
(Quelle: KLITZSCH & WYCISK 1987:129, abgeändert durch HABERLAH)
Abb. 07: "Generalized Depositional Model of Gebel Abyad Area, illustrating the lateral Facies
Distribution within Wadi Howar, Kababish and Gebel Abyad Formations" (KLITZSCH & WYCISK
1987:129).
Die Sedimente der "Wadi Howar Formation" überlagern in der Region von Abu Tabari
diskordant das kristalline Grundgebirge teilweise metamorph überprägter granitischer
Zusammensetzung und proterozoischen Alters. Sie weisen eine Mächtigkeit von knapp
50 m im westlichen bis hin zu 150 m im östlichen Bereich des Beckens auf. Grob- bis
mittelkörnige fluviale, dünn- bis mittelbankige graue, seltener auch braune und gelbe
Sandsteine kennzeichnen die Formation. Sie werden von eingeschalteten Silt- und
Tonsteinserien mit hohem Kaolinitanteil sowie Konglomeratlagen von geringer
Mächtigkeit unterbrochen. Vorkommen von Eisenoolith weisen auf einen Übergang
39
zwischen fluvialem und litoral geprägtem Environment hin. An der Basis steht ein etwa
2 m mächtiges Konglomerat aus vorwiegend schlecht bis angerundeten Komponenten
(~ 6 cm) an. Die Beschränkung der Oligomikte auf Quarzkomponenten ist ein Indikator
für tiefgründige Verwitterung und einer langsam erfolgten Abtragung. Der obere Teil
der Sedimentabfolge ist zunehmend kontinental geprägt und schließt die Formation mit
graubraunen Paläoböden und Wurzelhorizonten ab (vgl. BARAZI 1985:1,10, 16-18;
KLITZSCH & WYCISK 1987:126; WYCISK et al. 1990:56) (s. Abb. 08a).
Am südlichen Rand des Abyad Plateaus werden diese Paläoböden diskordant von den
feinkörnigen Sand-, Silt- und Tonsteinen der "Kababish Formation" überlagert. Es
handelt sich um flachmarine Ablagerungen einer Küstenebene mit Stränden und
Lagunen. Diese Sedimente bezeugen eine weitere stark in den Süden reichende
Transgressionsphase der Tethys in der Oberkreide (97-65*106a) (s. Abb. 08 b).
(Quelle: KLITZSCH & WYCISK 1987:8,110, abgeändert durch HABERLAH)
Abb. 08: a) "The Aptian Transgression and Paleogeography of Upper Jurassic to Lower Cretaceous
[Wadi Howar Formation]" – b) "Paleogeography of Coniacian to Campanian [Kababish Formation]"
(KLITZSCH & WYCISK 1987:8,110)
40
Nach oben wird die "Kababish Formation" konkordant von den Carbonatlagen der
"Gebel Abyad Formation" überlagert (vgl. BARAZI 1985:1/19; KLITZSCH 1984:23;
KLITZSCH & WYCISK 1987:128-132; WYCISK et al. 1990:72).
Im Tertiär (65-1,64*106a) und Quartär (1,64*106a bis heute) waren erosive Prozesse in
Westnubien vorherrschend. Das eozene Meer verlagerte sich immer weiter zurück nach
Norden und die großen gegenwärtigen geomorphologischen Landschaftsformen
bildeten sich heraus. Mit dem Einsetzen des "Roten Meer Riftsystems" kam es entlang
älterer Verwerfungen vereinzelt zu basaltischem Magmatismus (vgl. KLITZSCH
1984:31, KLITZSCH & WYCISK 1987:133). Die Entstehung des Gebel 'Aweinat
nördlich und der Maidob Hills südlich vom Wadi Howar fallen in diesen Zeitraum.
2.3. Klimaentwicklung im Holozän
Im Unteren Wadi Howar fanden im Holozän einschneidende klimatische
Veränderungen statt.
Von 26000 a BP bis zum Beginn des Holozäns war die Ostsahara durch ein hyperarides
Klima (entspricht N/PET < 0,05, vgl. United Nations Environment Programme3)
geprägt. Aus diesem resultieren mächtige Sandakkumulationen. Vor allem die
ausgedehnten, von Qoz-Dünen eingenommenen Areale im Umland des Mittleren Wadi
Howar bezeugen, dass die pleistozäne Aridifikation weiter in den Süden reichte als in
der Gegenwart. Neben den äolischen Akkumulationen prägten Deflationsprozesse die
Geomorphologie der spätpleistozänen Landschaft (vgl. PACHUR 1984:249, PACHUR
et al. 1987:331).
2.3.1. Phase der Seenbildung Um 11500 a calBP (14000 a BP nach THORWEIHE & HEINL 1999:514) setzte ein
abrupter, den größten Teil der Ostsahara bis 24°N erreichender Klimawechsel ein. Eine
Intensivierung und Nordwärtsverlagerung des SW-Monsuns führten zu tropischen
Sommerniederschlägen und zur Bereitstellung großer Feuchtigkeitsmengen in diesem
stark kontinental geprägten Raum. Aus dem erhöhten Aufkommen an Niederschlägen 3 United Nations Environment Programme: Convention on Biological Diversity, http://www.biodiv.org/programmes/areas/dryland/definitions.asp, 2002)
41
resultierte, über Auffüllen der lokalen Aquifere, ein rascher Anstieg des
Grundwasserspiegels (vgl. KRÖPELIN 1999:487, HOELZMANN 2002:375,384). Da
nur wenige Millimeter pro Jahr (THORWEIHE & HEINL 1999:518) in Form von
Grundwasserströmen großräumig aus der Region abgeführt werden konnten,
verursachten die lokalen Niederschläge ein Einsetzen von Grundwasseraustritten (vgl.
PACHUR & RÖPER 1984:277; PACHUR et al. 1987:300; PACHUR 1990:206;
KRÖPELIN 1993:234). Breitenkreisunabhängig entwickelten sich innerhalb weniger
Jahrzehnte zwischen 9450 und 9300 a BP Süßwasserseen, die in Erq-Gebieten dem
Dünensand, ansonsten dem anstehenden Gestein direkt auflagen. (vgl. HOELZMANN
1992:69, KRÖPELIN 1993:239, PACHUR 1997:229/ 1999:4294), (s. Abb. 09).
(Quelle: HOELZMANN 2002, Abb.6. Beilage) Abb. 09: "Radiocarbon dates (calBP) representing 'relative lake status' at individual sites within regions
A [Selima Oasis, Dry Selima; Lat 21˚30'N, Alt ca. 300m, Σ of radiocarbon dates 54], B [Western Nubia
>18˚N; Lat 18˚-21˚N, Alt 400-600m, Σ of radiocarbon dates 79] and C [Western Nubia <18˚N; Lat 16˚-
18˚N, Alt 400-600m, Σ of radiocarbon dates 43]. The radiocarbon dates and the 'relative lake status'
originate from the interpretation of multiple lines of evidence […]. Only radiocarbon dates of lacustrine
sediments are presented. The radiocarbon dates were calibrated according to STUIVER et al
4 vgl. hier insbesondere: Abb. 10.18 "Nord-Süd-Transekt radiometrisch datierter Playa- und Seesedimente […]"
42
.(1998:1041ff. [INTCAL98-Radiocarbon age calibration 24,000-0 calBP. Radiocarbon 40]) using CALIB
4.3. The midpoint of the 1 sigma range taken from the probability method is shown and the error bars
define the age range" (Hoelzmann, 2002:384).
Sites:
1 Selima Oasis (21˚25'N/29˚18'E – HAYNES et al. 1989:109ff. [Holocene paleoecology of the Eastern
Sahara; Selima Oasis. Quaternary Science Reviews 8], PACHUR et al. 1990:203ff.);
2 Dry Selima (21˚20'N/29˚20'E – PACHUR & WÜNNEMANN 1996:1ff. [Reconstruction of the
palaeoclimate along 30˚E in the Eastern Sahara during the Pleistocene/Holocene transition.
Palaeoecology of Africa 24]);
3 Wadi Shaw – Wadi Sahal (20˚30'N/27˚30'E – GABRIEL & KRÖPELIN 1994:131ff. [Jungquartäre
limnische Akkumulationsphasen im NW-Sudan. Zeitschrift für Geomorphologie Neue Fassung 48]);
4 Oyo (19˚16'N/29˚11'E – RITCHIE et al. 1985:352ff. [Sediment and pollen evidence for an early to mid-
Holocene humid period in the Eastern Sahara. Nature 314]);
5 Wadi Fesh-Fesh (18˚45'N/25˚26'E – HOELZMANN 1993[a]:142ff.);
6 West-Nubian-Palaeolake (18˚23'N/25˚34'E – HOELZMANN et al. 2000:105ff. [Precipitation estimates
for the Eastern Sahara based on a water balance model of the West Nubian Palaeolake Basin. Global
and Planetary Change 26], HOELZMANN et al. 2001:193ff. [Environmental change and archaeology:
lake evolution and human occupation in the Eastern Sahara during the Holocene. Palaeogeography,
Palaeoclimatology, Palaeoecology 169]);
7 Atrun (18˚10'N/25˚39'E – RITCHIE et al. 1985:352ff. GOSCHIN 1988:1ff. [El Atrun {Nubien} – Ein
frühholozäner See. PhD thesis, Freie Universität Berlin]);
8 Ridge Lake N15 (16˚59'N/27˚47'E – HOELZMANN 1993[a]:102ff.);
9 Tageru (17˚02'N/27˚47'E – HOELZMANN 1993[a]:107ff.);
10 N22-Gureinat (17˚N/27˚18'E – HOELZMANN 1993[a]:88ff.);
11 Lake Sidi[q] (16˚55'N/26˚46'E – HOELZMANN 1993[a]:144.ff)
(HOELZMANN 2002:384f).
Nur in den hygrisch begünstigten Gebirgen wie den Maidob Hills im Süden setzte die
Seenbildung schon im Spätpleistozän ein, und speiste aus diesem Einzugsgebiet zudem
Fluss-Seen im Wadi Maqrur (vgl. PACHUR 1999:432; HOELZMANN 2002:375). Mit
dem Einsetzen der Niederschläge und dem daraus resultierenden Grundwasseranstieg
kam es entlang solcher bevorzugter Migrationsbahnen zum Vorrücken der sahelischen
und sudanischen Savanne bis südlich des 22. Breitengrades (vgl. NEUMANN
1989:143).
2.3.2. Anhaltende Feuchtphase Der Zeitraum zwischen 10000 und 8000 a calBP kann als anhaltende Feuchtphase
betrachtet werden. Tropische Monsunregen prägten durch eine bis zu 800 km reichende
43
Verschiebung des Monsungürtels nach Norden innerhalb weniger Jahrhunderte ein
Landschaftsbild mit stabilen Süßwasserseen (vgl. KRÖPELIN 1994:491;
HOELZMANN 2002:384), (s. Abb. 09). Silikatischen bis semilakustrischen
Ablagerungen nördlich von Selima und östlich des Kufra-Beckenrandes (ca. 21°30'N)
standen zeitgleich carbonatische Seesedimente im Süden gegenüber. Daraus ergibt sich
ein Gradient abnehmender Niederschläge von Süden nach Norden; die monsunalen
Regenfälle blieben im Norden eher aus. Zugleich war auf der Höhe der Wendekreise ein
Gradient abnehmender Niederschläge von West nach Ost entwickelt (vgl. PACHUR &
RÖPER 1984:249; PACHUR 1997:240; HOELZMANN 1993b:573/ 1993a:172). Eine
jährliche Niederschlagsmenge von 400 bis 450 mm ist für das regionale Klimaoptimum
um 8000 a BP für das Untere Wadi Howar anzunehmen (vgl. KRÖPELIN
1993:239,244/ 1999:489).
Unter diesen semiariden Verhältnissen erfolgte während der Wintermonate weiterhin
eine aktive Sandakkumulation von Parabeldünen (vgl. BESLER 2002:396), während
zeitgleich lokal gespeiste Quellen Sinterbildungen ausfällten (vgl. PACHUR &
KRÖPELIN 1987:299). Das Untere Wadi Howar wurde durch lokale Niederschläge
eines sich nördlich erstreckenden Einzugsgebietes gespeist. Es bestand aus einer Kette
von flachen ineinander übergehenden Fluss-Seen und Hochwasserpfannen, die saisonal
über fließende Gewässer miteinander verbunden waren und episodisch, mit räumlichen
Unterbrechungen, bis in den teilweise rückstauenden Nil entwässerten (vgl. PACHUR
& RÖPER 1984:249; PACHUR et a1. 1987:298/ 1990:204-206,233; PACHUR &
HOELZMANN 1991:257; KRÖPELIN 1993:20,234f./ 1999:484-485; KUPER
1995:129). In der Tiefenlinie im Engpass der Überleitung des Mittleren Wadi Howar
zum Unteren Wadi Howar stehen lakustrine Sedimente mit einem Alter von 9430±85 a
BP unter dem spätpleistozän angelegten, wenn auch später modifizierten Dünenriegel
an (s. Abb. 05). Aus diesem Befund und auf Grund der gut drainierenden
Beschaffenheit des Wadibetts im westlichen Anschluss ist eine holozäne Anbindung des
Unteren Wadi Howar an den Oberlauf auszuschließen (vgl. PACHUR & KRÖPELIN
1987:298/ 1990:233, KRÖPELIN 1993:221-223).
Von stabilen, bis über 15 m höher als heute liegenden Grundwasserhöhen zeugen die
massiven und kontinuierlichen Süßwassercarbonate aller Paläoseen der Region. Von
ihnen ist das als "Ptolemäus See" bezeichnete westnubische Seen-Archipel nördlich des
Mittleren Wadi Howar von überregionaler Bedeutung (s. Abb. 04). Das Areal von
schätzungsweise 30000 km² fungierte nicht nur als Grundwasserneubildungsgebiet
44
sondern auch als Wasserdampfquelle und bewirkte bis ins Mittelholozän durch
Auslösung konvektiver Niederschlagsereignisse in Form von "Squall Lines" eine
klimatische Bevorzugung der umliegenden Gebiete (vgl. HOELZMANN 1993a:177,
PACHUR 1997, PACHUR 1999:388), (s. Abb. 10).
(Quelle: PACHUR 1997:246)
Abb. 10: "Konzeptionelles Modell der Paläoniederschlagsgenese, basierend auf den rezenten
Windverhältnissen und rekonstruierten altholozänen Wasserdampfquellen in Form von Seen und
riparinen Landschaften" (PACHUR 1997:246).
Diese hygrische Sondersituation kann neben der erwähnten hochkontinentalen Lage ein
weiterer Grund dafür sein, dass die um 7000 a BP in der Westsahara einsetzende
tausendjährige niederschlagsärmere Phase (vgl. PACHUR et al. 1990:246, PACHUR
1999:428) sich kaum in den lakustrinen Profilen der sudanesischen Ostsahara
abzeichnet.
NEUMANN (1989:143,150-152) folgert aus Holzkohleuntersuchungen, dass zwischen
7000 und 6500 a BP ein Maximum der Savannenausbreitung erreicht wurde, welche mit
einer zonalen Verschiebung von mindestens 500 km das Wadi Howar teilweise in den
Bereich der Laubsavannen der Sudanzone brachte. Gegen die Ableitung einer
breitenkreisparallelen Vegetationsverschiebung spricht, neben verschiedenen
45
methodologischen Überlegungen (vgl. KRÖPELIN 1993:219), der sich azonal
erstreckende Gunstraum zwischen dem Maidob Gebirge über das Wadi Maqrur bis zum
Ptolemäus See. In diesem grundwassergesteuerten Vegetationsrefugium konnten viele
Arten "fossil" eine zonale Aridifikation überdauern sowie ökologisch anspruchsvolle
Großsäuger migrieren (vgl. PACHUR & RÖPER 1984:249/ 1990:208; PACHUR
1997:241/ 1999:427).
2.3.3. Nachlassende Feuchtphase Zwischen 8000 und 5000 a calBP wurden die oberflächennahen Aquifere immer
unregelmäßiger durch lokale Niederschläge aufgefüllt und liefen zunehmend aus. Das
Absinken des Grundwasserspiegels war nur in zentralen Hochlagen und Tiefenlinien
mit überregionalen Einzugsgebieten verlangsamt oder zeitweise unterbrochen (vgl.
THORWEIHE & HEINL 1999:520,523). Im Gegensatz zum fast simultanen Einsetzen
der holozänen Feuchtphase war ihr Ausklingen deutlich eine Funktion der
Breitenposition. Im Norden (21.5°N) endete eine kontinuierliche lakustrine
Sedimentation um 7600 a calBP, wohingegen diese im Süden (18°N) noch 1300 Jahre
länger anhielt (vgl. HOELZMANN 2002:386). Alle lakustrinen Ablagerungen wurden
seit dem frühen Holozän korrasiv bearbeitet und deflativ ausgeräumt, so dass das
terminale Stadium der Süßwasserseen nur indirekt, beispielsweise über das Einsetzen
des Sebkha-Stadiums in Al-Atrun, auf 4000 a BP geschätzt werden kann (vgl.
PACHUR et al. 1990:244; PACHUR & HOELZMANN 1991:271; HOELZMANN
1993a:177).
Datierungen pflanzlicher und faunischer Proxydaten halten den Erwartungen
entsprechend länger an (vgl. PACHUR 1999:432).
2.3.4. Einsetzende Aridifikation Das Ende der holozänen Feuchtphase setzte 5400 a calBP mit einem kontinuierlichen
Rückzug der monsunalen Regen auf einer Breite von 24°N ein (O. BUBENZER & S.
KRÖPELIN Königswinter, 20035) und erreichte das Untere Wadi Howar rund 2000
Jahre später. Dieser initialen Aridifikation folgte eine nur noch graduelle
Südwärtsverlagerung der Klimazonen, die in einer späteren feuchten Klimaepisode (100
bis 200 mm/a) um 2000 a BP kurzfristig sogar reversibel war (vgl. KRÖPELIN
5Vortrag auf der Konferenz "Climatic and Environmental Change in North-East Africa" in Köniswinter vom 01.-03.10.2003
46
1993:235-236,245/ 1999:475,490). Die perennierende Vegetation kontrahierte auf die
wenigen Stellen, an denen noch oberflächennahes fossiles Grundwasser anstand
(NEUMANN 1989:29).
2.3.5. Aktuelle klimatische Situation Gegenwärtig verläuft der oszillierende Südrand der Sahara (< 150 mm/a) etwa 300 km
südlich des Wadi Howar. Mit einer vor allem in den Feuchtjahren ausgeprägten hohen
Variabilität erhält das Untere Wadi Howar nach der stark gemittelten
Isohyetendarstellung von LEROUX (1983) zwischen 20 und 40 mm Jahresniederschlag
(vgl. auch WHITEMAN 1971:46 (s. Abb. 11).
(Quelle: JESSE 2003:45, nach KRÖPELIN 1993:29, abgeändert durch HABERLAH)
Abb. 11: "Die Niederschlagsmengen in der Ostsahara" (JESSE 2003:45).
Die seltenen und lokal begrenzten Niederschläge und säkularen Starkniederschläge
(rainstorm) während der Sommermonate Juli, August und September sind auf nordwärts
6 vgl. hier insbesondere: Abb. 3 "Climatic map – mean monthly rainfall map in mm (Based on Sudan Topographic Survey Map and Meteorological Department data. Selected information)"
47
ausbrechende Monsunausläufer zurückzuführen, die ihre Ursache in einer
außergewöhnlichen Lage der innertropischen Konvergenzzone und des Easterly Jets
haben (vgl. KRÖPELIN 1993:29-30/ 1999:451; HOELZMANN 1993a:18-19). Sie
ermöglichen einen ephemeren krautigen Pflanzenwuchs mit hohem Anteil an
Sukkulenten, die so genannte "Gizzu-Vegetation" (vgl. NEUMANN 1989:39;
PACHUR et al. 1990:209-213). Dem Niederschlag steht eine potentielle Evaporation
gegenüber, die theoretisch den Jahresniederschlag innerhalb eines Tages wieder der
Atmosphäre zuführen könnte. Nach PICHE beträgt diese in Wadi Halfa im
Jahresdurchschnitt 19,8mm/d (KRÖPELIN 1993:21 nach PICHE).
Gegenwärtig ist demnach das ganze Untere Wadi Howar, obwohl es die potentielle
Sammelader aller nördlichen Niederschläge bildet, weit entfernt vom
Grundwasserspiegel. Nur in der Tiefenlinie südlich des Gebel Rahib steht es in den
„Rahib Wells“ nur 9 m unter der Geländeoberfläche an (vgl. PACHUR & RÖPER
1984:275; KRÖPELIN 1993:231).
2.3.6. Abschließende Betrachtung Der grobe zeitliche Rahmen des Einsetzens und Ausklingens der holozänen
Feuchtphase im weiteren Untersuchungsgebiet korreliert mit Daten aus der Zentral- und
Westsahara sowie Bohrkernen von der Westküste Afrikas und dem Arabischen Meer.
Durch die extreme kontinentale Position wurden bestimmte Klimafluktuationen
gepuffert oder setzten erst mit einer beachtlichen Verzögerung von ca. 1000 Jahren ein:
"… thus only the largest-scale climatic changes were recorded. The maximum monsoon
intensification was reached ca. 1000 years later in Western Nubia (ca. 8000-8500
calBP) when compared to other Saharan sites and the marine records" (HOELZMANN
2002:386; vgl. auch PACHUR et al. 1990:208; PACHUR 1999:433).
Die im Spätholozän einsetzende Klimaverschlechterung wurde wahrscheinlich durch
menschliche Eingriffe wie einer extensiven Weidewirtschaft, Abholzung von Bäumen
und Buschbränden lokal nicht unerheblich verstärkt (vgl. NEUMANN 1989:152;
KRÖPELIN 1993:236; KEDING 1997:250). Desertifikation dürfte schon ab früher Zeit
eine Rolle gespielt haben und selbst heute wird das Ökosystem im quasi
menschenleeren Wadi Howar durch Beweidung der Gizzu-Vegetation durch Kamele
der Kababish Nomaden und durch Jagd auf das letzte Wild negativ anthropogen
beeinflusst.
48
2.4. Neolithische Besiedlungsgeschichte
Das Siedlungsverhalten der Menschen im Neolithikum in der Ostsahara erklärt sich vor
dem Hintergrund der beschriebenen ökologischen Veränderungen im Holozän. Neben
Umwelteinflüssen spiegeln die archäologischen Zeugnisse allerdings auch eine
kulturelle Entwicklung wieder (vgl. KEDING 1995:83/ 1997:18/ 1998:4). Der Begriff
"neolithisch" wird im Folgenden auf alle Keramik führenden Gruppen, unabhängig von
der Art ihrer Subsistenz angewandt (vgl. JESSE 2003:38).
Bald nach dem Einsetzen holozäner Niederschläge wurde die östliche Sahara wieder
von ersten Menschen besiedelt (vgl. KUPER 1995:135). Eine Auswertung der bisher
vorliegenden Radiokarbondaten weist darauf hin, dass das Wadi Howar seit dem siebten
Jahrtausend BP kontinuierlich bis in das dritte Jahrtausend BP besiedelt war. In
Anbetracht der klimatischen Gunstlage dieses Raumes ist der Zeitpunkt des Einsetzens
der Besiedlung als relativ spät zu bewerten (vgl. KEDING 1998:11/ 2000:102).
Während der Besiedlungsdauer im Neolithikum nahmen die Menschen unterschiedliche
Subsistenzformen an, welche sich archäologisch in Siedlungsmustern und
Materialzusammensetzung der Fundplätze widerspiegeln. Das Untere Wadi Howar war
bevorzugtes Siedlungsgebiet im frühen und mittleren Holozän, während sich später die
Siedelaktivitäten zunehmend in das Mittlere Wadi Howar verlagerten (vgl. JESSE
2002:82). Ab 3000 a BP war eine dauerhafte Besiedlung des Unteren Wadi Howar aus
klimatischen Gründen nicht mehr möglich (vgl. KUPER 1995:127).
2.4.1. Art der Fundplätze Im Unteren Wadi Howar lassen sich zwei Arten von Fundplätzen unterscheiden;
Oberflächenfundplätze und Siedeldünen.
Den überwiegenden Teil archäologischer Zeugnisse findet man locker über ein Areal
unterschiedlicher Ausdehnung – nicht selten mehrere km² - verstreut. Abhängig vom
Deflationsgrad und der Funktion des Standortes handelt es sich neben Keramik und
Knochen vorwiegend um Steinartefakte. Fundplätze dieser Art werden unter dem
Begriff "Oberflächenplätze" (surface find) zusammengefasst. Die Hinterlassenschaften
weisen überwiegend keine Stratigraphie auf (vgl. KEDING 2000:91). Ihre Funktion und
49
Lage im Raum erschließt sich meistens erst nach Anlage von Bodenprofilen in der
häufig eingeebneten und flugsandüberdeckten Landschaft.
Bei der zweiten Form von Fundplätzen handelt es sich um eine geomorphologisch-
archäologische Besonderheit des Unteren Wadi Howar: die so genannten "Siedeldünen"
(dune habitat), bis zu 15 m hohe Parabeldünen, deren Sandkörper auf einer meist
sandfreien Rumpffläche aufsitzen. Die Sichelform ist mit ihrer Luvseite nach NNO
(20°) geöffnet und damit spiegelverkehrt zu den umliegenden gegenwärtig mobilen
Barchanen, deren Leeseite mit dem Nordostpassat zusammenfällt. Es handelt sich um
einen fossil ererbten Relieftyp, der auf Grund einer stabilisierenden Deckschicht aus
neolithischen Artefakten bis in das vollaride Klima hinein konserviert wurde. Die
Genese der Parabeldünen dürfte zeitgleich mit der Seenbildung eingesetzt haben, wobei
die äolisch mobilen Sande des vorangegangenen hochariden Klimaabschnitts durch
niedrige, aber dichte Vegetationsbildung gebremst wurden. Noch in ihrer aktiven
Akkumulationsphase wurden die Parabeldünen von prähistorischen Gruppen besiedelt.
Zum Klimaoptimum um 8000 a BP fixierte eine Pflanzendecke ihre Oberflächen, bevor
diese dann durch zunehmende Artefaktstreu ersetzt wurde (vgl. GABRIEL &
KRÖPELIN 1985:111; RICHTER 1989:434; BESLER 2002:397). Im Gegensatz zu den
Oberflächenfundplätzen weisen Siedeldünen zumindest im Plateaubereich eine bis zu
mehrere Dezimeter mächtige Kulturschicht auf, die neben menschlichen und tierischen
Knochen und Keramikfragmenten hauptsächlich aus unretuschierten Abschlägen und
Trümmerstücken, die aus der Produktion von Werkzeugen hervorgingen, sowie
Feuerstellen besteht (vgl. GABRIEL & KRÖPELIN 1985:107-108; KRÖPELIN
1993:87).
2.4.2. Steinartefakte Neben den eben genannten unretuschierten Abschlägen und Trümmern gibt es eine
Reihe weiterer Steinartefakte, die in großer Anzahl in weiten Bereichen des Unteren
Wadi Howar anzutreffen sind.
Zu den bemerkenswertesten gehören fein gearbeitete Beile unterschiedlicher Größe mit
spitzovalem Querschnitt, einer breiten Schäftungsrille, abgerundetem Nacken und
breiter, meist scharf zugeschliffener Schneide (vgl. NEWBOLD 1924:60ff./Pl.IV,
HINKEL 1979:133ff; KEDING 1997:195). Sie wurden von KUPER (1981:273) als
"Beile vom Darfur Typ" benannt und bestehen häufig aus einer besonderen, noch nicht
50
lokalisierten Trachytvarietät (Sölvsbergit) oder aus Diorit (vgl. KEDING 1997: 191-
192). Eine Analogie zu der in altägyptischen Quellen erwähnten Nutzung von Beilen
mit scharfer Klinge zu Zwecken der Holzbearbeitung liegt nahe (vgl. KEDING
1997:195 nach KÜHNERT-EGGEBRECHT 1969:48), (s. Fototafel 02: "Stone
Artefacts" a, im Materialband).
Außer Reibschalen und Mahlsteinen unterschiedlicher Form und Größe (s. Fototafel 02:
"Stone Artefacts" b) sind rundlich ovale Artefakte mit glatter Arbeitsfläche und mittig
eingetieftem Narbenfeld häufig. Als mögliche Funktionen werden das Knacken von
Ziziphus-Kernen, das Zerreiben und Zerstoßen fester Stoffe, aber auch die Verwendung
als Paletten und als mit tierischem oder pflanzlichem Fett betriebene Lampen diskutiert
(vgl. KEDING 1997:196-197), (s. Fototafel 02: "Stone Artefacts" c).
Ferner findet man auf quasi allen Fundplätzen eine bemerkenswerte Anzahl von gut
gerundeten, etwa faustgroßen Kugeln aus harten Steinvarietäten, so genannte „Bola-
Kugeln“. Sie wurden wahrscheinlich zum Aufrauen der Reibschalen, möglicherweise
aber auch als Schleuderkugeln zum Jagen verwendet (s. Fototafel 02: "Stone Artefacts"
d).
Seltener sind dagegen Rillensteine zu finden. Dabei handelt es sich um Schleifgeräte
zum Glätten von Holz-, Horn- oder Knochengeräten und zum Abrunden und Normieren
von Straußeneiperlen (s. Fototafel 02: "Stone Artefacts" e).
Diverse Mikrolithe sowie Bohrer, Kratzer, Schaber, Klingen und Pfeilspitzen runden
das Spektrum der wichtigsten Steinartefakte ab (vgl. KEDING 1997:197-201), (s.
Fototafel 02: "Stone Artefacts" f).
Das Rohmaterial der Steinartefakte ist an lokale Ausbisse gebunden und besteht im
Unteren Wadi Howar zu einem großen Anteil aus Gangquarzen, Quarzit, Sandstein,
Chalcedon und manchmal fossilem Holz (vgl. KUPER 1981:238-239). Ausnahmen
bilden kleine Beile aus grünem Jaspis und die erwähnten "Darfur Beile" aus
Sölvsbergit.
Steinartefakte sind schwer zu datieren und mit Ausnahme der "Darfur Beile", welche in
einem konkreten Fundzusammenhang mit Knochen auf 5000 bis 4000 a BP datiert
wurden, durch die Persistenz ihrer Nutzung bestimmten Besiedlungsphasen nur schwer
zuzuordnen (vgl. KEDING 1997:195).
51
2.4.3. Keramikchronologie und Subsistenzstrategien Die zweite große Fundgruppe bilden Keramikscherben. Sie sind in Bezug auf
chronologische Fragestellungen sehr aussagekräftig, da von den ersten bis zu den letzten
Bewohnern des Wadi Howar im Holozän jede neolithische Bevölkerungsgruppe eine ihr
eigene Keramikform nutzte (vgl. RICHTER 1989:440; KEDING 1995:91). Ein großer
Teil der Keramikgefäße wurde auf der Oberfläche in einer jeweils typischen Art und
Weise, die über Jahrhunderte, teilweise sogar über Jahrtausende über weite Gebiete
anhielt, verziert. Zu einer Veränderung des Keramikstils kam es in erster Linie durch
eine Veränderung der Bevölkerungsstruktur, die ihrerseits mit Wanderungsbewegungen
und der Ablösung unterschiedlicher Subsistenzstrategien zusammenfiel. Beziehungen
zwischen Keramikphasen und Wirtschaftsweisen lassen sich aus dem
Fundzusammenhang mit zoologischen und botanischen Resten, aber auch aus der Art
und geomorphologischen Lage der Siedelplätze erschließen (vgl. KEDING 2000:100,
JESSE & KEDING 2002:279). In diesem Kontext erhalten Keramikstile
paläoökologische Aussagekraft.
Auf der Siedeldüne "Conical Hill 84/24" gelang es vor 20 Jahren durch Anlage einer
110 cm tiefen Grabung im Plateaubereich eine chronologisch-stilistische Abfolge der
frühen Keramikentwicklung des Unteren Wadi Howar zu gewinnen. Sie bildete lange
die einzige vertikale archäologische Stratigraphie (vgl. GABRIEL & KRÖPELIN
1985:108-110; KEDING 1997:241). Mit Hilfe des Seriationsverfahrens der
Korrespondenzanalyse und durch regionale und überregionale Vergleiche absolut
datierter Fundinventare konnte diese zeitliche Abfolge um weitere Keramikstile
erweitert und verfeinert werden (vgl. KEDING 1995:94/ 1997:252). Spätere Grabungen
des Kölner Forschungsprojektes ACACIA bestätigten und ergänzten die erarbeitete
Keramikstratigraphie (vgl. KEDING 2000), (s. Abb. 12).
52
(Quelle: JESSE & KEDING. 2002:280)
Abb. 12: "The cultural sequences of the Lower and Middle Wadi Howar and adjacent research areas. 'n'
shows the sum of find spots in each area. The percentages indicate the share of sites with each pottery
main group in the four areas." (JESSE & KEDING. 2002:280)
Die Keramikstratigraphie bildet für das Wadi Howar die Basis chronologischer und
kultureller Klassifikationen (KEDING 1998:4). Im Weiteren werden zusammenfassend
die drei wichtigsten Keramikkomplexe behandeln, die jeweils für eine bestimmte
Subsistenzwirtschaftsweise stehen und damit auch die paläoökologische Situation im
Unteren Wadi Howar widerspiegeln.
2.4.3.1. Keramik erster Jäger und Sammler Keramik ist seit dem Ende des 10. Jahrtausends BP in der Zentralsahara und dem Niltal
bekannt. Die als "Early Khartoum Typ" bezeichnete Keramik prägt den ältesten
Keramikhorizont der Sahara und erstreckt sich vom Niltal bis zum Atlantik (vgl.
KEDING 1998:4). Im Wadi Howar kommt dieser Keramikkomplex quasi
ausschließlich im unteren Wadilauf vor, wo im Jahre 2002 113 Fundplätze bekannt
waren (vgl. JESSE 2002:80,82).
Die Fundzusammenhänge zeugen von einer aneignenden Wirtschaftsform der
damaligen Talbewohner. Als wenig spezialisierte Fischer, Jäger und Sammler waren sie
53
in großer Mehrheit auf Siedeldünen nahe Flussläufen und kleineren Süßwasserseen
sesshaft (vgl. KEDING 1998:4; JESSE & KEDING 2002:279-280; RICHTER
1989:438).
Die Keramik, von der nur Fragmente, nie ganze Gefäße erhalten sind, ist
flächendeckend in Wiegetechnik (rocker-stamp application) mit den Rückenflossen von
Welsen (Synodontis schall), in Wellen und Bögen ("Dotted Wavy Line") oder mit
gepunktetem Zickzack ("Packed Zig Zag") verziert (HINKEL 1979:IV nach ARKELL).
Sie ist relativ dickwandig, stark quarzgemagert, sehr hart und rotbraun bis grauschwarz
mit geglätteter Innen- und Außenwand (s. Fototafel 03: "Pottery Groups" a/b, im
Materialband). Eine zeitgleiche und die vorangehenden Stile ersetzende Entwicklung ist
der so genannte "Laqiya Typ", dessen auf eine NS-Achse beschränkte Verbreitung vom
Gebel Tageru im Süden über das Wadi Howar nach Laqiya im Norden auffällig ist (vgl.
JESSE 2002:85-87/ 2003:283).
2.4.3.2. Keramik rinderhaltender Pastoralisten
Der nächstjüngere Horizont wird durch Leiterbandkeramik geprägt und ist
charakteristisch für Siedelplätze zwischen 5200 und 4000 a BP. Die Verbreitung dieser
Keramik ist eng an das Wadi Howar gebunden und erfolgte in ostwestlicher Richtung.
Die Oase al-Atrun ist ihre nördliche Ausbreitungsgrenze (vgl. RICHTER 1989:438-
440). Die ältere Leiterbandkeramik weist Parallelen zu einem Keramikkomplex im
Niltal ("Khartoum Shaheinab" – 5000 bis 4000 a BP) auf, ihr Vorkommen ist aber auf
ein Gebiet bis 250 km westlich des Niltals begrenzt. Jüngere Stilentwicklungen breiten
sich nach Osten, vom Mittleren Wadi Howar über das Ennedi Gebirge, Borkou Plateau
und Djourab, bis nach Mali aus (vgl. KEDING 1998:10/ 2000:103).
Leiterbandkeramik ist mit Hinterlassenschaften rinderhaltender Pastoralisten
vergesellschaftet. Die Rinder wurden wohl ursprünglich vom Nil als Notreserve
("emergency food") in das Wadi Howar getrieben, wo sie gejagt wurden (A. GAUTIER
Königswinter, 20037) Die Nahrungsgrundlage rinderhaltender Pastoralisten bestand
zum Großteil aus Milch. In der Trockenzeit wurde zusätzlich durch "Anzapfen" der
Venen der Rinder nahrhaftes Blut konsumiert. Fischfang und pflanzliche Nahrung, auf
welche abgearbeitete Reibschalen und -mulden sowie Celtis-Kerne hinweisen, waren
Nahrungsergänzung, während der Verzehr von Fleisch wahrscheinlich auf kultische
7 Vortrag über "Animal Domestication in North Africa" im Rahmen der Konferenz "Kultur- und Landschaftswandel im ariden Afrika" vom 01.-03.10.2003 in Königswinter.
54
Gelegenheiten beschränkt war (vgl. KEDING 1995:101-102/ 1997:244-246/ 1998:9; N.
PÖLLATH & H. RIEMER Königswinter, 20038,). Der westliche Abschnitt des Unteren
Wadi Howar wies noch ganzjährig offene Wasserstellen auf, die Ufer waren mit
Akazien gesäumt und das Umland bestand aus grüner Savanne, in der die Rinder
weiden konnten. Erst mit zunehmender Aridität, die mit einer Beschränkung der
Weidemöglichkeiten, Abnahme der Vielfalt und Menge an Wildgräsern und einer
zunehmenden Knappheit an Holz einherging, musste zuerst saisonal in das Mittlere
Wadi Howar gewandert und schließlich ganz umgesiedelt werden (vgl. KEDING
1995:101-103/ 1998:5ff: JESSE & KEDING 2002:281).
Bei der Leiterbandkeramik handelt es sich um qualitativ hochwertige, sehr homogene,
dünnwandige, überwiegend rotbraune fast ausschließlich sandgemagerte Ware. Die
Oberfläche der häufig noch vollständig erhalten im Sediment steckenden rundbodigen
kugeligen Töpfe ohne Halsansatz ist überwiegend mit horizontal angeordneten
Bänderungen bedeckt, die in Wiegetechnik mit Spatel und Kämmen eingedrückt
wurden (vgl. KEDING 1995:91,94-95/ 1997:252/ 1998:7), (s. Fototafel 03: "Pottery
Groups" c/d). Der Keramikstil ist eine Entwicklung, die sich aus der Tradition der Zick-
Zack-Verzierungen im Wadi Howar vollzogen zu haben scheint (vgl. RICHTER
1989:437), (s. Abb. 13).
8 Vortrag über "Animals and the Desert: Evidence from Egypt and Sudan" im Rahmen der Konferenz "Kultur- und Landschaftswandel im ariden Afrika" vom 01.-03.10.2003, in Königswinter)
55
(Quelle: KEDING 1998: Abb.1)
Abb. 13: "Verschiedene Arten der Wiegetechnik" (KEDING 1998: Abb.1; JESSE 2003:45)
2.4.3.3. Keramik kleintierhaltender Pastoralisten und Jäger Der jüngste Horizont besteht aus Keramik mit geometrischen Mustern und
Mattenverzierung und wird zusammenfassend als Keramik vom "Handessi Typ"
bezeichnet (arabische Bezeichnung, mündl. Mitt. MUAWIYA, Wadi Howar 2003;
schriftl. Mitt. F. JESSE 2004). Sie kennzeichnet die letzte Phase dauerhafter
menschlicher Besiedlung des Wadi Howar bis 3000 a BP (vgl. KEDING 1998:10;
JESSE & KEDING 2002:281). Die Handessi-Keramik ist auf das westliche Untere
Wadi Howar und schwerpunktmäßig auf das Mittlere Wadi Howar beschränkt.
Überregional findet sich ähnliche Keramik auch in der Laqiya-Region im Norden, im
Gebel Tageru im Süden sowie dem Ennedi im Westen (vgl. KEDING 2000:99-100;
RICHTER 1989:440). Das Siedlungsmuster der damaligen Menschen bestand aus
kontrahierten kleinen Siedelplätzen in einem von früheren Hinterlassenschaften
diskontinuierlichen Fundzusammenhang, was auf eine neue Bevölkerungsgruppe
hinweist.
56
Die Handessi-Siedler hielten neben vereinzelten Rindern kleine Herden von Schafen
und Ziegen, sammelten und lebten zunehmend von der Jagd (vgl. KEDING 1998:10-11;
JESSE & KEDING 2002:288,281).
Die Hypothese eines Eindringens einer neuen Bevölkerungsgruppe in dieser späten
Besiedlungsphase wird von der Verschiedenheit der Keramik zu vorangehenden
Stilrichtungen bestärkt, wenngleich auch für diese Annahme bislang von
anthropologischer Seite nur wenige Belege vorliegen (schrift. Mitt. F. JESSE 2004). Die
Keramik ist fast ausschließlich anorganisch gemagert, grauschwarz, häufig mit
braunroter Oberfläche, gröber als vorangehende und weist den größten Formenschatz
der Gefäße auf. Als Verzierungen treten in der frühen Phase geometrische, häufig
geritzte Formen auf, die später zunehmend von Mattenabdruck "Woven-Mat
Decoration" abgelöst werden (vgl. KEDING 1998:10-11), (s. Fototafel 03: "Pottery
Groups" e/f).
Aus den nachfolgenden Jahrtausenden sind nur wenige Fundorte bekannt, was darauf
schließen lässt, dass das Untere Wadi Howar für längere Aufenthalte größerer Gruppen
zu trocken geworden war. Als Verbindungsweg zwischen Nil und der Zentralsahara
wurde das Untere Wadi Howar wohl noch in geschichtlichen Zeiten genutzt, wie die
Lage der wahrscheinlich meroitischen (ca. 400 BC bis 350 AD) Festung "Qala'a Abu
Ahmad" im östlichen Talabschnitt unterstreicht, (vgl. KEDING 1989:35; KRÖPELIN
1999:480, JESSE & KEDING 2002:281). Als saisonale Weide nach starken
Niederschlägen wird der westliche Teil des Unteren Wadi Howar auch heute noch von
den Kababish Nomaden zum Grasen ihrer Kamelherden aufgesucht.
57
3. BESCHREIBUNG DES SURVEYS IN DER REGION ABU
TABARI
Während des Geländeaufenthaltes im November 2003 erfolgte der erste systematische
geowissenschaftlich begleitete archäologische Survey regionalen Ausmaßes im Gebiet
von Abu Tabari.
Anfang des letzten Jahrhunderts wurde dieses Gebiet von G.R. CAREY, Capt.
CONINGHAM und Capt. WHITTINGHAM auf dem Weg nach al-Atrun auf Grund des
Brunnens "Bir Abu Tabari" aufgesucht (vgl. HINKEL 1979:11-21,141). Im gleichen
Jahr 1907 verdurstete jedoch ein Teil eines von dort aufgebrochenen vierzigköpfigen
Kamelkorps (Camel Corps Officers) nach erfolglosem Versuch, diesen erneut
aufzufinden (vgl. KRÖPELIN 1993:23 nach KEAYS, G.A.V. 19399; vgl. auch
NEWBOLD 1924:44).
Zwischen 1980 und 1993 wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) das
interdisziplinäre Forschungsprojekt "Besiedlungsgeschichte der östlichen Sahara"
(BOS) gefördert, welches in der Region von Abu Tabari die "Siedeldüne 84/50" näher
beschrieb.
Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 69, "Geowissenschaftliche Probleme in
ariden und semiariden Gebieten – Entwicklung und Potential kratonaler
Großstrukturen" wurden im Teilprojekt E1 "Quartärgeologie, Paläoklimatologie und
Südwanderung der Sahara" auch in dieser Region quartärgeologische Beobachtungen
angestellt. Insbesondere KRÖPELIN hat auf sieben Forschungsexpeditionen Daten
gesammelt und in seiner Doktorarbeit veröffentlicht. Er beschreibt das Gebiet als
"äußerst unübersichtliches Gelände" mit einem "in diesem Abschnitt besonders schwer
zu verfolgenden Wadilauf" (KRÖPELIN 1993:72).
Im Rahmen des im Jahre 1995 anschließenden, wiederum von der DFG getragenen
Sonderforschungsbereichs 389 "Arid Climate, Adaption and Cultural Innovation in
Africa" – ACACIA wurden im ersten Jahr diverse weitere Siedeldünen auf der
Fahrtstrecke Richtung "Conical Hill" registriert und schließlich vom 8.-10. Dezember
1995 begangen. Im Januar 1997 wurde das Gebiet um die Siedeldünengruppe "Abu
Tabari 97/01" bis "Abu Tabari 97/04" als Arbeitsgebiet ausgewählt und in einem 3 km x
4 km großen Areal an drei Tagen begangen. Ziel war es, eine Vorstellung von der
Einbettung der Siedeldünen in ihre unmittelbare Umgebung zu bekommen.
9 KEAYS, G.A.V. 1939: "Note on the history of the Camel Corps", in: Sudan Notes and Records: 103-123
58
Anschließend wurde das Areal in einem Radius von ca. 5 km umfahren. Dieser nicht
gesondert publizierte Survey lag westlich vom nachfolgend beschriebenen
Untersuchungsgebiet und war bedeutend kleinräumiger angelegt.
Schließlich erfolgte im Herbst 2002 ein zwei Tage dauernder motorisierter Survey mit
einem Radius von 10 km um den Fundplatz "S02/01" Auch hierbei stand die Erfassung
der unmittelbaren Umgebung im Vordergrund (schriftl. Mitt. F. JESSE 2004, s. CD01:
Datensatz "abu_tabari_survey.qu3/survey sheets acacia").
Dieser Abriss der Forschungsgeschichte unterstreicht die besondere Ausgangslage für
die von Dr. M. LANGE geleitete archäologische Forschungsexpedition im Rahmen des
Teilprojektes A1 "Climate Change and Human Settlement between the Nile Valley and
the Central Sahara" von ACACIA. Mit 25 Tagen vor Ort wurde hier erstmalig eine
längere Zeitspanne in der Region von Abu Tabari verbracht und verschiedene
Grabungen durchgeführt. Dieser ortsgebundene Geländeaufenthalt wurde durch einen
systematischen regionalen Survey unter Verwendung des beschriebenen Navigations-
Informations-Systems begleitet.
In dem archäologisch nach wie vor weitgehend als Neuland zu betrachtenden Raum des
Unteren Wadi Howar wurden auf Grund der zeitlichen Begrenzung der
Geländeaufenthalte auf bisherigen Kampagnen möglichst direkt viel versprechende
Lokationen angesteuert. Während solcher Fahrten wurden mehr oder weniger zufällig
weitere Fundplätze entdeckt, beschrieben und gegebenenfalls in nachfolgenden
Geländekampagnen zwecks stationärer Grabungen wieder aufgesucht. Aus diesem recht
produktiven Vorgehen resultierten lineare, den Fahrtrouten folgende und zur Umgebung
überproportional dichte Verteilungsmuster von Fundplätzen.
In der Region von Abu Tabari sollte dieser Situation diesmal explizit entgegengewirkt
werden, indem ein ausgedehntes Areal systematisch und flächendeckend untersucht
wurde. Durch eine mit Hilfe des Navigations-Informations-Systems flexibel und
interaktiv erfolgende Projektion eines Kilometerrasters über die im Gelände
eingesetzten Satellitenbilder der Region konnte ein äquidistantes Netz an
Surveypunkten entwickelt werden. Die ausgewiesenen Punkte wurden sowohl
archäologisch als auch geowissenschaftlich beschrieben.
Der übergeordnete Forschungsgegenstand war die räumlich-zeitliche Verbreitung
neolithischer Siedelaktivitäten mit dem Ziel, neue Erkenntnisse über die Lage der
59
archäologischen Fundplätze zueinander in ihrem naturräumlichen Umfeld zu gewinnen.
Um sie besser in die holozäne Landschaftsgeschichte einordnen zu können, erfolgte
zusätzlich zu den regulären Surveypunkten auch an allen archäologischen Fundplätzen
im Surveygebiet eine sedimentologische und geomorphologische Beschreibung.
3.1. Surveyparameter
Die Region Abu Tabari erscheint im Satellitenbild als Bereich zwischen einer
kanalartigen, von Westen nach Osten gerichteten, 2 km großen Verengung im Süden
und dem Wadi Howar im Norden. Das Wadi Howar umläuft in einem ca. 40 km weit
gespannten Halbkreis einen Schwellenbereich von etwa 13 km Ausdehnung. Die
erhöhte Grundgebirgsschwelle weist ein sich nach Osten öffnenden Beckenbereich auf.
Um diese Formenabfolge in dem Survey zu erfassen, ergibt sich eine 22 km lange NS-
Erstreckung: vom nördlichen Ufer des Wadi Howar über den Schwellenbereich bis zum
Südrand der kanalartigen Tiefenlinie. Die OW-Erstreckung umschließt den gesamten
Schwellenbereich und Teile der sich östlich anschließenden Gebiete, in denen
schwerpunktmäßig die stationären Grabungen stattfanden. So ergibt sich ein Areal von
über 600 km² (28 km x 22 km), das mit begrenzten Dieselvorräten in einem Zeitraum
von weniger als drei Wochen mit beständiger Genauigkeit flächendeckend
aufzunehmen war.
Ein Netz aus 180 Surveypunkten mit je 2 km Abstand voneinander erwies sich, den im
Vorfeld erstellten Berechnungen entsprechend, als praktikabel. Der Abstand zwischen
den Surveypunkten wurde, wenn möglich, auch bei der Entfernung zwischen den
gefahrenen Routen nicht überschritten, um keine zu großen Zwischenräume zu erzeugen
(s. Fototafel 10: "Survey Points and Tracks", im Materialband). In Anbetracht der
weiträumigen Ausdehnungen der archäologischen Fundplätze und der in diesem
Gelände vorherrschend unverstellten Sicht erschien der 2 km betragende Abstand
geeignet, um mit relativ großer Sicherheit die wichtigsten Zeugnisse neolithischer
Siedelaktivitäten aufzufinden. Für das geomorphologische und quartärgeologische
Gesamtbild wären auch größere Abstände möglich gewesen, um damit das erfasste
Areal zu erweitern.
Die Koordinaten der Surveypunkte entsprechen geraden UTM-Werten, sodass innerhalb
der gleichbleibenden UTM-Zone (vgl. Kapitel 1.2.2.1.) mit einer prägnanten Angabe
wie "1954/626" (Northing 1954000/Easting 35 626000) ein Geländepunkt auf den
60
Meter genau bestimmt wird. In der weiteren Beschreibung erfolgen räumliche Angaben
in dieser Kurzform. Bei Bezugnahme auf ein Satellitenbild liegt, wenn nicht
abweichend angegeben, die Kanalkombination "TM7", "TM4", "TM1" (R, G, B) zu
Grunde. Surveypunkte sind mit ihren Koordinaten oder Namen in der Fototafel 10:
"Survey Points and Tracks" aufgeführt.
Alle Surveypunkte wurden mit einem den GPS-Empfänger vorgegebenen so genau wie
möglich angesteuert, und ein konstanter Katalog an Geländeparametern erfasst. Die
Parameter wurden in Hinblick auf die Forschungsfrage entwickelt und berücksichtigen
sowohl den eingeschränkten zeitlichen Rahmen als auch die zur Verfügung stehenden
Arbeitsmittel.
An erster Stelle steht eine detaillierte geomorphologische Ortsbeschreibung, die auch
das Vegetationsvorkommen umfasst (s. Fototafel 07: "Vegetation Distribution
(TM4/TM3/TM2)", im Materialband). Sie erfolgt in schriftlicher Form und wird durch
digitale Fotos, die vom Dach des Fahrzeuges in alle vier Himmelsrichtungen in gleich
bleibender Abfolge aufgenommen werden, ergänzt. Diese Fotos sind in der Datenbank
des Navigations-Informations-Systems mit den Surveystrecken (tracks) unter Angabe
der Himmelsrichtungen zu drei thematisch gegliederten Datensätzen verknüpft (s.
CD01: Datensätze "abu_tabari_survey.qu3/tracks - survey point photos", "…/tracks -
geoscientific photos" und "…/tracks – archaeological site photos" sowie DVD: "abu
tabari 2004 survey photos"). Auf diese Weise können das gesamte Surveygelände und
die archäologischen Fundplätze aus der Kartenansicht im Navigations-Informations-
System mit Raumbezug über Fotos visualisiert werden.
Als zweiter Parameter wird die absolute Höhe der Geländeoberfläche mit dem GPS-
Empfänger erfasst. Die Höhenangabe wird dabei über die gesamte Verweildauer
gemittelt (vgl. Kapitel 3.2.1.1.).
An jedem Surveypunkt erfolgt eine rasche bodenkundlich-sedimentologische
Feldansprache über Anlage einer Profilgrube. Die Tiefe dieser Aufschlüsse ist abhängig
von der Beschaffenheit des Untergrundes, der mit wenigen Spatenstichen erschlossen
werden muss, und geht selten über einen halben Meter hinaus. Am Profil werden die
Horizontabfolgen beschrieben. Neben den Horizontmächtigkeiten werden über
Fingerprobe deren Bodenarten bestimmt. In den meisten Fällen wird zudem mit
Salzsäure (HCl) der Carbonatgehalt sowie mit den "Munsell Soil Color Charts" die
Bodenfarbe ermittelt.
61
Die benötigte Zeit für die Aufnahme dieser Parameter wird von dem jeweiligen, den
Tagessurvey begleitenden Archäologen dazu genutzt, die unmittelbare Umgebung
intensiv nach Artefakten abzusuchen. Zum Abschluss wird von diesem die Dichte der
Artefaktstreu eingeschätzt und vermerkt (s. CD01: "abu_tabari_survey.qu3/artefact
density - survey points" und Fototafeln 08 "Early Khartoum and Leiterband Type
Ceramics", 09: "Handessi Type Ceramics and Watering Places").
Dem archäologischen Schwerpunkt des Surveys wird insofern Rechnung getragen, als
dass alle potentiellen archäologischen Fundplätze beidseitig der Fahrtrouten angesteuert
werden. Diese Fundplätze werden gesondert und umfassend nach dem
Surveybogensystem von ACACIA inventarisiert. Für die vorliegende Arbeit wurde aus
diesem archäologischen Datensatz die Informationen über Keramikvorkommen und
Fundplatzausdehnung übernommen. Die Zuordnung der archäologischen Fundplätze zu
raumzeitlichen Besiedlungsmustern erfolgt über das Vorkommen unterschiedlicher
Keramiken und den mit ihnen korrelierenden Abfolgen der spezifischen
Subsistenzwirtschaftsformen und Besiedlungsphasen (vgl. Kapitel 2.4.3.).
3.2. Geomorphologische Datensätze
"Geomorphologie" ist die Wissenschaft von den Oberflächenformen der Erde. Neben
einer Reliefbeschreibung werden auch die Kräfte und gesetzmäßigen Abläufe, durch die
die verschiedenen Formen gestaltet werden, untersucht (vgl. FB Geoinformatik, Uni
Rostock10).
In dieser Arbeit wird unter "Geomorphologie" die Beschreibung des Aufbaus und der
Entwicklung rezenter Landschaftsformen verstanden. Dabei werden deren spezifische
Charakteristika herausgearbeitet und dargestellt. Die Lagebeziehungen der einzelnen
Geländeeinheiten werden durch eine topografische Beschreibung unter
Berücksichtigung der zu Grunde liegenden geologischen Strukturen festgehalten. Im
Gegensatz dazu ist die Darstellung der holozänen Genese der miteinander verzahnten
Ablagerungsräume nicht über eine ausschließliche Beschreibung der
Oberflächenformen möglich, sondern auf begleitende sedimentologische
Untersuchungen angewiesen.
10 http://www.geoinformatik.uni-rostock.de/einzel.asp?ID=-903710542
62
Die Beschreibung der geomorphologischen Beobachtungen zu den einzelnen
Surveypunkten erfolgt in tabellarischer Form (s. Tabelle im Anhang und auf CD 01:
"abu_tabari_geosurvey.xls"). Überdies können die einzelnen Surveyeinträge aus dem
Navigations-Informations-System abgerufen und visualisiert werden. (s.CD01:
Datensatz "abu_tabari_survey.qu3/complete geoscientific survey"). Die Tabelle wird,
ebenso wie alle Datensätze des Navigations-Informations-Systems, in englischer
Sprache gehalten um den sudanesischen Partnern von ACACIA den Zugriff darauf zu
ermöglichen.
3.2.1. Zur Topografie des Surveygebietes "Topografie" wird nachfolgend, im Sinne der ursprünglichen Bedeutung des
griechischen Wortes, als "Ortsbeschreibung" verstanden. Dabei werden die
charakteristischen Landschaftselemente des Surveygebietes miteinander in Beziehung
gesetzt und ihre Lageverhältnisse, besonders bezüglich ihrer Geländehöhe, unter
Berücksichtigung der geologischen Basis beschrieben.
3.2.1.1. Höhenangaben aus GPS-Messungen und DEM Für die Beschreibung der Topografie sind vor allem im weitläufigen und flachen
Wadibett sehr genaue Höhenangaben erforderlich. Diese werden über GPS-Messungen
ermittelt. An den Surveypunkten wird während der gesamten Aufenthaltsdauer die
Höhe der Geländeoberfläche aufgezeichnet, schließlich gemittelt und zusammen mit
ihrer geschätzten Genauigkeit vermerkt. Dieser als "EPE" (estimated position error) mit
95%er Sicherheit und in Metern angegebene Genauigkeitswert ist abhängig von
folgenden Faktoren: der Lagegeometrie der Satelliten (DOP – dilusion of precision), der
Abschattung der Signale durch das Gelände (local terrain masking), den Verzögerungen
der Signale auf dem Weg vom Satelliten zum Empfänger (URE – user range errors) und
dem verwendeten Gerät (UEE – user equipment error). Der "EPE"-Wert beschreibt die
horizontale Genauigkeit, mit der eine gleiche Koordinate reproduziert werden kann
(precision). Die vertikale Genauigkeit ist der horizontalen mindestens um den Faktor
1,3 unterlegen (vgl. WORMLEY 2004). Die Höhenangaben der "Garmin 12"-Baureihe
weisen in Versuchsreihen Werte auf, die im Mittel 10 m höher liegen als die wirkliche
Position (accurate position) (vgl. WILSON 2000), (s. Abb. 14).
63
(Quelle: WILSON 2000, abgeändert durch HABERLAH)
Abb. 14: "Garmin 12XL Vertical Error Histogram" (WILSON 2000).
Hieraus ergibt sich, dass Höhenwerte über die Ausdehnung des Surveygebietes nur
eingeschränkt miteinander verglichen werden können. Um die Qualität der
Höhenangaben in der Praxis zu prüfen wurden wiederholt Messungen in den
Basislagern und an bestimmten mehrfach angesteuerten Kontrollpunkten durchgeführt.
Aus diesen Beobachtungen folgt, dass Höhenangaben mit einem "EPE-Wert" von 3 m
zuverlässig in diesem Schwankungsbereich reproduziert werden können, Höhenangaben
mit einem "EPE-Wert" von 4 m hingegen aber schon als unzuverlässig eingestuft
werden müssen. In der Darstellung der Höhen im Navigations-Informations-System
wird dieser Beobachtung durch ihre, in Abhängigkeit vom "EPE-Wert" erfolgten
Farbgebung, Rechnung getragen (s. Fototafel 05: "GPS-Altitudes and (D)GPS-Tracks").
Während der Fahrt wurden zugleich mit den Trackaufzeichnungen die vom GPS-
Empfänger berechneten Höhen mitgeschrieben. Leider ermöglichte "TouraTech QV
3.0" zum Zeitpunkt der Geländearbeiten noch keine begleitende Aufzeichnung der
korrespondierenden Genauigkeitsangaben (EPE), so dass diese laufenden Höhendaten
nicht differenzierter evaluiert werden können und insgesamt als unzuverlässig eingestuft
werden müssen.
Neben der GPS-Messung wurde für die Beschreibung der Topografie das digitale
Höhenmodell (DEM) "GTOPO30" (Kachel "E020N40" –
http://edcdaac.usgs.gov/gtopo30/e020n40.asp) des dem "U.S. Geological Survey"
angegliederten "EROS-Data Center" (Earth Resources Observation Systems Data
64
Center – http://edc.usgs.gov) verwendet, um die Plausibilität der erhobenen GPS-
Höhenangaben prüfen zu können. Das digitale Höhenmodell hat eine horizontale
geometrische Auflösung von 30 Arc-Sekunden, was im Gelände einer Fläche von 920
m x 920 m entspricht. Der gemittelte Höhenwert über dieser Ausdehnung wird auf den
Meter genau angegeben. "GTOPO30" wurde aus unterschiedlichen Datensätzen
kompiliert. Dem Gebiet der Surveyregion liegt das Rasterbild "DTED – Digital Terrain
Elevation Data" mit einer vertikalen absoluten Genauigkeit von 30 m (90%) zugrunde.
Die relative Genauigkeit der Höhenangaben zueinander wird als "besser" eingestuft
(vgl. LPDAAC 2004). Dennoch können über dieses Modell angegebene Höhenwerte
nur unter Vorbehalt für die Klärung topografischer Fragen verwendet werden.
3.2.1.2. Provisorische differenzielle GPS-Messung Gegen Ende des Geländeaufenthaltes blieben verschiedene wichtige topografische
Fragestellungen auf Grund mangelnder Genauigkeit und Dichte der stationären GPS-
Messungen ungeklärt. Besonders die Klarstellung folgender Sachverhalte erforderte
nähere Untersuchungen:
- die Lage der Tiefenlinie im weiten, als Ebene erscheinenden Wadibett sowohl
westlich als auch östlich der Grundgebirgsschwelle,
- das Neigungsgefälle der nordöstlichen Anbindung des Beckenbereiches dieser
Schwelle an das Wadi Howar sowie
- die Gefällerichtung der südlichen kanalartigen Tiefenlinie.
Diese Fragestellungen lassen sich nur durch kontinuierliche GPS-Messungen mit einer
relativen Genauigkeit im Einmeterbereich beantworten.
Diese Genauigkeit lässt sich mit einem differenziellen globalen Positionierungssystem
(DGPS) erreichen, mit dessen Hilfe sich die zwei größten Fehlerquellen einfacher GPS-
Messungen herausrechnen lassen: die mit dem Tagesverlauf zunehmende
ionosphärische und troposphärische Signalverzögerung und Ungenauigkeiten der
Ephemeris-Informationen (vgl. 1.1.1).
Hierfür werden durch eine GPS-Referenzstation (beacon) auf einer bekannten
Koordinate alle vom Gelände unabhängigen Fehlerquellen als Abweichungen zu der
Fixposition kontinuierlich kumulativ quantifiziert. Diese Differenzen (error correction
factor) können mit den Aufzeichnungen des mobilen GPS-Empfängers (roving receiver)
65
verrechnet werden. Bei einem DGPS erfolgt dies entweder in der Nachbearbeitung mit
spezieller Software, oder während der laufenden Messungen über Funkübermittlung der
Werte an ein mit dem mobilen GPS-Empfänger in Verbindung stehendes Gerät (beacon
receiver).
Fehler, die auf Ungenauigkeiten des GPS-Empfängergerätes (receiver noise) und der
Verarbeitung der vom Gelände reflektierten und damit verfälschten Mischsignale
(multipath error) beruhen, werden nicht berücksichtigt.
Um die offenen topografischen Fragestellungen beantworten zu können, wurde
versuchsweise aus zwei baugleichen Garmin-Empfängern mit identischer Firmware ein
provisorisches DGPS aufgebaut.
Als stationäre Referenzstation wurde einer der beiden GPS-Empfänger auf das Dach
eines ungenutzten Wagens montiert, nach Süden ausgerichtet und mit einem Laptop
sowie der Autobatterie verbunden. Die laufenden, auch die Höhe umfassenden
Positionsbestimmungen wurden mit "TouraTech QV 3.0" im Sekundentakt
aufgezeichnet. Dafür wurde im "GPS-Online-Modus" das eigentlich nur über
Entfernungsangaben zu bestimmende Aufzeichnungsintervall auf den Wert "0 Meter"
eingestellt.
Im gleichen Sekundenintervall wurden parallel die mobilen Positionsbestimmungen mit
einem zweiten Laptop mitgeschrieben. Die fraglichen Geländeabschnitte wurden als
lineare Transekte mit möglichst gleich bleibender Geschwindigkeit abgefahren, wobei
der GPS-Empfänger auf dem Dach des Fahrzeuges immer nach Süden ausgerichtet
wurde um möglichst dieselben Satellitensignale wie der Empfänger der Basisstation in
die Positionsberechnungen mit einzubeziehen.
In der Nachbereitung wurden die beiden Datensätze "DGPS_base" und "DGPS_mobile"
in "Microsoft Office Excel" exportiert. Aus den 36073 über den Tag aufgezeichneten
Höheneinträgen der Basisstation wurde zuerst der Medianwert berechnet, bei dem im
Gegensatz zum arithmetischen Mittelwert der Einfluss von Extremwerten
ausgeschlossen wird. Das Resultat von 411 m wurde als Referenzwert festgelegt, zu
dem alle anderen Höhenangaben eine Differenz aufweisen können, die als kumulative
von beiden GPS-Geräten empfangene Fehlabweichungen betrachtet wurde. Über die
Excel-interne Berechnungsformel eines "Spaltenverweises" (VLOOKUP) wurden beide
Datensätze über ihre identische, sekundengenaue Zeitangabe miteinander verknüpft. Bei
den 28871 korrespondierenden Einträgen der mobilen Aufzeichnung wurden
66
anschließend die Fehlabweichungen addiert und die ungefähre Wagenhöhe von 2 m
subtrahiert (s. CD01: Tabelle: "dgps_abu_tabari.xls"). Die überarbeiteten
"differenziellen" GPS-Höhenangaben werden schließlich zusammen mit ihren
korrespondierenden ursprünglichen Koordinaten wieder in "TouraTech QV 3.0"
importiert. Dort werden die Tracks in Transekte gegliedert, bereinigt und in
Abhängigkeit von ihrer Höhe farblich dargestellt (s. Fototafel 05: "GPS-Altitudes and
(D)GPS-Tracks" und CD01: Datensatz "abu_tabari_survey.qu3/(D)GPS-tracklogs").
Das Ergebnis ist eine kontinuierliche Darstellung der Höhenabfolge, die weitgehend mit
den Werten benachbarter GPS-Einzelmessungen mit einer geschätzten Genauigkeit
(EPE) von 3 m übereinstimmt. Im Vergleich zu der als unzuverlässig eingestuften, stark
schwankenden regulären Fahrtaufzeichnung erscheint die differenzielle Neuberechnung
des Tracks in sich konsistent. Allerdings weisen Fahrtabschnitte, die aus
Datenaufzeichnungen unterschiedlicher Fahrtrichtungen stammen, im von der
Basisstation am weitesten entfernten südwestlichen Abschnitt Schwankungen von bis zu
5 m auf.
Diese Abweichung resultiert aus einer Eigenschaft des provisorischen differenziellen
Positionierungssystems. Bei optimierten kommerziellen Systemen berechnet die
Basisstation die Fehlerkorrekturen für die Signale jedes zur Verfügung stehenden
Navigationssatelliten individuell, und der mobile Empfänger zeichnet die für die
Positionsermittlung verwendete Satellitenkonstellation und deren Gewichtung für die
Lageberechnung auf. Über so geartete Datensätze können die beiden Empfänger
miteinander synchronisiert werden. Eine korrekte Positionskorrektur ist somit nicht
darauf angewiesen, dass beide Empfänger zeitgleich dieselben Satellitensignale mit der
gleichen Gewichtung verarbeiten.
Zudem wird die "bekannte" Koordinate der Basisstation fixiert, während bei der
dargestellten provisorischen Basisstation die ihr zu Grunde liegende geografische Breite
und Länge schwanken und damit die Genauigkeit des Korrekturwertes der
Höhenangabe beeinflussen (vgl. U.S. COAST GUARD NAVIGATION CENTER
1996:chapter 10).
Die provisorischen DGPS-Aufzeichnungen sind folglich wie auch die regulär
ermittelten GPS-Werte der Surveypunkte und die Angaben aus dem digitalen
Höhenmodell mit Vorsicht zu interpretieren. Die Werte sind nicht als absolute Angaben
der Höhe in m über NN zu verstehen. Vielmehr handelt es sich um durch
67
unterschiedliche Methoden gewonnene mathematische Höhen (s. Abb. 15). Sie beziehen
sich alle auf das globale Ellipsoid "WGS84" (vgl. U.S. COAST GUARD
NAVIGATION CENTER 1996:Annex B1; WILSON 2000).
(Quelle: Wilson 2000)
Abb. 15: "Ellipsoid Height" (Wilson 2000).
Aus einem kritischen, die Genauigkeit der erhobenen Daten differenzierenden und die
Besonderheiten der Datensätze berücksichtigenden Vergleich der Höhendaten
miteinander ergibt sich jedoch ein topografisches Gesamtbild der Surveyregion, das die
Lage der Geländeformen zueinander relativ zuverlässig widerspiegelt.
3.2.1.3. Beschreibung der Topografie Das nordwestlich des halbkreisartig verlaufenden Wadi Howar gelegene Gebiet besteht
aus einer schotterreichen, sandigen Ebene mit vereinzelten flachen Ausbissen an
graubraunem Sandstein mit roten, bunte Quarzkiesel führenden Konglomeratlagen. In
der russischen topografischen Karte "Abu Tabari, E-35-G" wird diese Ebene "Zalat al-
Mai" genannt, was auf Arabisch treffend "vom Wasser geschaffene Kiesebene" bedeutet
(vgl. WEHR 1976:345,830). Flache Fließrinnen, die in südliche bis südöstliche
Richtung ins Wadi Howar verlaufen, durchziehen die Ebene. Zwei größere, flache, mit
Sand verfüllte, etwa 10 m breite Gerinnebahnen lassen sich auf dem Satellitenbild nach
Norden bis in das Gebiet des "Gebel Issawi" verfolgen. Das Gelände fällt leicht in
Richtung SO auf eine Entfernung von wenigen Kilometern von ca. 430 m auf 420 m ab.
Eine klare Abgrenzung zum Wadi Howar in Form eines Ufers ist nicht gegebenen (s.
Foto 01).
68
Foto 01: Surveypunkt "1954/632", Blick nach Westen
Die Geländesituation ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass mit Ausnahme der
nordwestlichen Surveypunkte (bis "E 632") das Wadibett flach und weit nach Norden
ausholt und einen ausgedehnten Verzahnungsbereich mit den lokalen Tributären bildet.
Von der Mitte des Surveygebietes aus ("E 638") prägen nach Westen hin neben den
Sandstein- und Konglomeratrippen zunehmend flache Granitausbisse mit
"Wollsackverwitterung" das Landschaftsbild. Die Ebene wird steiniger und
kleinräumiger, fällt aber insgesamt weiter nach SO ab. Die im Satellitenbild als
dunkelblau erscheinende grusige Ebene ist nicht immer höher gelegen als das im Süden
anschließende Wadibett.
Im äußersten NO der Surveyregion bilden hohe Granitausbisse regelrechte
"Wollsackburgen" (s. Foto 02).
69
Foto 02: Blick von einer "Wollsackburg" über die Ebene des Wadi Howar im Süden (1947458/651190)
Auf der Länge von "E 649" markiert eine 2 m eingetiefte, kies- und sandverfüllte, von
Norden nach Süden verlaufende Entwässerungslinie die Umkehr der bis dahin
vorherrschenden Gefällerichtung mit einem Anstieg des Geländes in nordöstliche
Richtung.
Die Tiefenlinie des Wadi Howar ist aus dem Vergleich der GPS-Höhenberechnungen
und dem digitalen Höhenmodell recht einfach zu bestimmen, während die nördliche
Begrenzung nicht ohne weiteres zu ermitteln ist. Von Westen kommend wird der bis
dahin zonale Wadiverlauf durch eine Grundgebirgsschwelle blockiert, die im äußersten
Osten von klastischen Sedimentit-Lagen bedeckt wird. Sie bildet in der Nordostspitze
bei Surveypunkt "1947/632" mit etwa 265 m den höchsten Geländepunkt des
Surveygebietes. Er ist in der Arbeitskarte "Jebel Rahib - NE35K" der TFH-Berlin mit
dem Namen "Umm Qussa" versehen, was ins Deutsche mit "Mutter der Fernsicht"
übersetzt werden kann (vgl. WEHR 1976:686), (s. Foto 03).
70
Foto 03: Blick von "Umm Qussa" über das Wadi Howar im Norden (1947458/651190)
Etwa 50 m tiefer gelegen verläuft die weder im Gelände, noch im Satellitenbild
offensichtliche Tiefenlinie entlang der Schwelle Richtung Westen und SW bis in das
östliche Vorland. Dieses durch vereinzelte Wollsackgruppen geprägte Vorland der
Grundgebirgsschwelle östlich von "E 644" erscheint im Gelände als ausgedehnte Ebene
ohne erkennbare Gefällesituation. Aus einer Zusammenschau von "GTOPO30",
stationären GPS-Messwerten und provisorischen differenziellen GPS-Transekten kann
eine leichte Senkensituation nach Osten bis in ein ausgedehntes, durch
Wollsackverwitterung geprägtes Gebiet postuliert werden. Dabei erscheint die Region
um die Koordinaten "1946/650" und "1946/652" als maximale Vertiefung im
Surveygebiet, die sich mit leichtem Anstieg auf die dichten, nördlich und westlich
angrenzenden "Wollsackfelder" erstreckt. Die Tiefenlinie des eigentlichen Wadiverlaufs
kann über eine kaum wahrnehmbare Schwelle direkt südlich des Wollsackfeldes auf der
Breite von "N 1941" weiter in Richtung SO aus dem Surveygebiet heraus verfolgt
werden (s. Fototafel 04: "Flooding of DEM", im Materialband).
Das als Grundgebirgsschwelle bezeichnete Gebiet weist im Satellitenbild deutlich
erkennbare strukturgeologisch begründete Lineamente mit einem OSO-WNW-Verlauf
auf. Im sandigen Beckenbereich befindet sich ein derartiges Lineament in Form einer
71
als "Härtling" erosiv herauspräparierten Rippe, die als quarzitreiche Breccie
angesprochen wurde. Lineamente mit gleicher Verlaufsrichtung bestehen im granitoiden
NO der Surveyregion, wobei hier die länglichen Strukturen aus Porphyr bestehen, der
sich durch eine geringere Verwitterungsanfälligkeit als Granit auszeichnet (s. Foto 04).
Foto 04: Dunkler Porphyr mit deutlichen Korrasionsformen (1955652/650600)
Die Grundgebirgsschwelle flacht nach Osten hin ab. Während im Westen eine
Schichtabfolge von oligomikten Konglomeratlagen, braunrot marmoriertem Sandstein
und stark verkieseltem grauen Sandstein auf dem Basement aufliegt und teilweise durch
granitoide Gänge zergliedert wird, ist diese Sedimentit-Auflage im Osten vollständig
abgetragen. Hier werden die Zwischenräume der zu einzelnen "Wollsackgruppen"
verwitterten granitoiden Ausbisse mit Flugsand verfüllt.
Der südliche Bereich der Schwelle wird weitgehend durch oligomikte
Konglomeratlagen geprägt, die durch dünnmächtige Pelit-Lagen untergliedert werden.
Als Verwitterungsresiduum
bilden gut gerundete Quarzkiesel regelrechte "Kiesbänke" und verlagern sich in Form
eines Pediments in das Vorland (s. Foto 05). Sie lassen sich im Satellitenbild als graue
Flächen (z.B. am Surveypunkt "1936/634") ausmachen.
72
Foto 05: Oligomikte Konglomerate mit Quarzkiesen als Verwitterungsresiduum (1937954/632208)
Die Mitte der Grundgebirgsschwelle ist als sandausgekleideter Beckenbereich
ausgebildet. Mit Hilfe einer differenziellen GPS-Transektmessung konnte eine
postulierte potentielle Entwässerung durch die etwa 1 km breite Tiefenlinie zwischen
den Wollsackfeldern (ca. bei "1942500/642000") nach NO in das Wadi Howar
verifiziert werden. Aber auch im Gebiet um die Koordinate "1939/641" scheint eine
zonale Anbindung des Beckens an das weitläufige östliche Vorland zu bestehen.
Der Süden des Surveygebietes wird durch eine sowohl im Satellitenbild als auch im
Gelände deutlich erkennbare kanalartige Tiefenlinie geprägt. Sie ist auf der Länge "E
634" etwa 1,5 km weit, 10 bis 20 m eingetieft und erscheint mit ihrem
breitenkreisparallelen Verlauf als natürliche Fortsetzung des Wadi Howar. Die
Gefälleentwicklung und Anbindung dieser kanalartigen Entwässerungsbahn an das
östliche und westliche Vorland ist eine der zentralen topografischen Fragestellungen.
Aus den zur Verfügung stehenden Höhendaten, die drei provisorische differenzielle
GPS-Transektmessungen umfassen, lässt sich ein leichtes Gefälle Richtung Osten von
über 420 m ("E 624") auf unter 415 m ("E 638") ableiten. Die westliche Anbindung an
das Wadi Howar wird durch eine leichte, zumindest teilweise aus Flugsand aufgebaute
Schwelle unterbrochen. Der Kanal scheint östlich von "E 638" mit einer nach NO
73
verlaufenden Tiefenlinie in das weitläufige Bett des Wadi Howar einzumünden. Diese
Richtungsänderung wird durch südöstlich angrenzende, parallel zum postulierten
Wadiverlauf gerichtete, dioritische Ausbisse ("1936/642") flankiert.
Das etwa 20 m höher gelegene, südlich an die kanalartige Tiefenlinie angrenzende
Gebiet ist aus einer weitgehend horizontal gelagerten Schichtabfolge aufgebaut, die am
westlichen Ende (1932293/625817) aufgeschlossen ist (s. Foto 06).
Foto 06: Westliche Begrenzung der kanalartigen Tiefenlinie, Blick nach Norden (1932292/625814)
Einer schräggeschichteten basalen Schicht aus rosabraunem, schlecht sortiertem,
grobkörnigen Sandstein mit Tonlinsen folgt diskordant auflagernd eine dünne Schicht
an rotem Pelit. Daran schließt sich mit scharfem konkordantem Übergang eine mehrere
Meter mächtige feinlaminierte Kaolinitschicht an. Abschließend liegt eine Lage stark
sesquioxidhaltigen schwarzen Sandsteins auf, der die Geländeoberfläche mit plattigen
Bruchstücken bedeckt (s. Foto 06 und 07).
74
Foto 07: Geologischer Aufschluss an der südwestlichen Kante der kanalartigen Tiefenlinie
(1932292/625814)
Dieser Psammit mit stark eisenoxidhaltiger Matrix wird durch eingeschaltete
Konglomeratserien, die vorwiegend fein- bis mittelkiesige, weiße, gut gerundete Quarze
führen, gegliedert. Östlich von "E 632" ist diese Fazies weitgehend abgetragen. Hier
bilden mächtige Konglomeratlagen zwischen grauem und rotem Sandstein, in Analogie
zur südlichen Grundgebirgsschwelle, ausgedehnte Areale an "Kiesbänken". Die Fläche
fällt insgesamt nach Süden ab. Nur wenige hundert Meter von der Geländekante
entfernt schneiden sich sandverfüllte kurze Erosionsbahnen mit nördlichem Gefälle in
das klastische Sedimentgestein (s. Foto 08).
75
Foto 08: Surveypunkt "1932/630", Blick nach Norden über die kanalartige Tiefenlinie
Der SO der Surveyregion ist eine teilweise mit mächtigen Flugsandschichten
überdeckte Ebene, die leicht nach Süden hin ansteigt, wie aus der Visualisierung der
Höhenwerte der longitudinalen provisorischen differenziellen GPS-Messreihe
hervorgeht (s. Fototafel 05: "GPS-Altitudes and (D)GPS-Tracks").
Die genaue Neigungssituation und Bestimmung des Verlaufes des Südufers des Wadi
Howar können in dieser Region genauso wenig aus den reinen Höhendaten abgeleitet
werden wie der Verlauf des Nordufers im zentralen nördlichen Surveygebiet. Zu diesem
Zweck müssen die topografischen Befunde um die sedimentologischen
Geländebeobachtungen erweitert werden.
3.2.2. Zur Sedimentologie des Surveygebietes An allen Surveypunkten erfolgt eine Bodenartenansprache. Dabei werden der
mineralische Feinboden der zumeist aus einer Flugsandauflage bestehenden Oberfläche
und die tiefer liegenden Horizonte über Fingerproben bestimmt. Die Mächtigkeiten der
Horizonte werden zusammen mit Merkmalen des Grobbodens und des Bodengefüges
beschrieben.
76
Als weiterer sedimentologischer Parameter wird der Carbonatgehalt der Mineralböden
der einzelnen Horizonte mit zehnprozentiger Salzsäure (HCl) nach dem Vorgehen der
"Bodenkundlichen Kartieranleitung" geschätzt. Er wird nach optisch und akustisch
wahrnehmbaren Reaktionen in vier grobe Abstufungen unterteilt: carbonatfrei,
carbonatarm, carbonathaltig und carbonatreich (vgl. BGR 1996:109-110), (s. Fototafel
06: "Carbonate Concentration in Upper Soil Horizon" und CD01: Datensatz
"abu_tabari_survey.qu3/CaCO3 concentration survey points).
Ferner wird die Bodenfarbe, wenn möglich nach Horizonten differenziert, bestimmt.
Die Farbansprache erfolgt mit Hilfe der Munsell-Farbtafeln (Munsell Soil Color Charts)
am frischen Profilanschnitt. Die Bodenfarbe wird durch eine Reihenfolge aus
Buchstaben und Zahlen ausgedrückt, welche die Farbe (hue), Helligkeit (value) und
Intensität (chroma) angeben (vgl. BGR 1996:105-107; MUNSELL COLOR 1994), (s.
CD01: Datensatz "abu_tabari_survey.qu3/munsell soil colors – survey points"). Bei
Feuchtangaben der Bodenfarbe entspricht der Wassergehalt des Mineralbodens seiner
Feldkapazität.
Die vollständige Dokumentation dieser Daten ist in tabellarischer Form dem Anhang zu
entnehmen und in dem Navigations-Informations-System thematisch und grafisch
aufgearbeitet worden. Nachfolgend werden jene Aspekte ausführlicher dargestellt, die
für eine Charakterisierung der holozänen Landschaft unter dem Blickwinkel einer
möglichen menschlichen Besiedlung von besonderem Interesse sind. Dies sind in erster
Linie Sedimente, aus denen auf stehende oder fließende Gewässer geschlossen werden
kann.
3.2.2.1. Lakustrine Ablagerungen Sedimente, die ein Vorkommen permanenter offener Süßwasserflächen anzeigen, sind
sowohl für die holozäne Klimageschichte als auch für die neolithische
Besiedlungsgeschichte besonders aussagekräftig.
Im Surveygebiet sind im östlichen Vorland der Grundgebirgsschwelle carbonatische
Limnite an der Oberfläche aufgeschlossen. Sie bilden ausgeblasene wellige Oberflächen
mit harten weißen Gips- und Kalkkrusten. Ihr Vorkommen konzentriert sich auf drei
Bereiche:
- das unmittelbare östliche Vorland der Grundgebirgsschwelle um die Surveypunkte
"1940/642" und "1942/646",
77
- zwei ausgedehnte Areale westlich des nordöstlichen "Wollsackfeldes", deren Zentren
etwa den Koordinaten "1944900/650300" und "1941400/653000" entsprechen und die
bis an die granitoiden Ausbisse heranreichen (s. Foto 09) sowie
- ein kleineres weniger ausgeprägtes Gebiet am südlichen Rand des Wadi Howar um
die Koordinate "1936000/651000"
Foto 09: Carbonatische Limnite um wollsackartig verwitterte granitoide Ausbisse (1941364/652967)
Die Limnitfazies besteht aus Seekreide (CaCO3-Gehalt > 50 Gew.-%) und Seemergel
(CaCO3-Gehalt < 50 Gew.-%) mit Farbwerten zwischen weiß (2.5Y8/1 – white) und
hellgelb (2.5Y8/2 bis 2.5Y7/4 – pale yellow), was mit dem jeweiligen Sandanteil
zusammenhängt.
Randbereiche lakustriner Sedimente werden teilweise von kalzifizierten Stängeln
eingenommen (s. Foto 10).
78
Foto 10: Kalzifizierte Stängel im Randbereich lakustriner Sedimente (1939998/641992)
3.2.2.2. Playaartige Sedimente Der Begriff "Playaartige Sedimente" wird in dieser Arbeit als Sammelbegriff auf alle
sandig-siltig-tonigen Sedimente in Senken oder entlang der Tiefenlinie des Wadi Howar
angewendet. Sie sind in der Regel arm an Evaporiten. Damit wird sich an eine
Definition von SHAW und THOMAS (1989:186f) angelehnt, nach der Playas
endorheische topografische Tiefenlagen arider Zonen sind, die in der Regel über dem
Grundwasserspiegel liegen und ephemerisch Überschwemmungswasser führen. Durch
die stark variabel erfolgenden Überschwemmungen werden fast ausschließlich
feinkörnige Sedimente eingespült und abgelagert. PACHUR et al. unterscheiden
"Playas" zudem von "Sebkhas", wobei letztere eine Salzkruste aufweisen und als
quartäre Sedimente ausgewiesen sind: "Because of the lack of any other term "playa"
[…] refers to sandy-silty-clayey Quaternary sediments that occur in closed basins with
no visible link to a discharge channel. When salt crusts are present the term "sebkha" is
used" (PACHUR et al. 1987:336).
Nach dieser Definition befinden sich im Surveygebiet zwei ausgedehnte
zusammenhängende Gebiete mit playaartigen Sedimenten: im nördlichen Umlauf des
Wadi Howar westlich der lakustrinen Ablagerungen und im westlichen Vorland der
79
Grundgebirgsschwelle. Überdies gibt es einzelne kleinere Vorkommen im östlichen
Vorland, vor allem am Südrand des Wadi Howar. In dem Becken der
Grundgebirgsschwelle und in der südlichen kanalartigen Tiefenlinie sind dagegen keine
derartigen Sedimente beobachtet worden.
Die gesamte Ausdehnung des nördlichen Wadiumlaufs von der Länge "E 638" bis zum
östlichen granitoiden Rand des Surveygebietes wird von playaartigen Sedimenten
eingenommen, die über weite Abschnitte allerdings von Flugsandauflagen maskiert
werden (s. CD01: Datensatz "abu_tabari_survey.qu3/drifting sand – survey points"). Im
äußersten Westen bestehen sie in der Regel aus lockerem siltigen Feinsand mit
eingelagerten Carbonatkonkretionen. Zur Grundgebirgsschwelle hin werden die
Sedimente sandiger, während zum Nordrand des Wadibettes der Anteil an Kies und
allgemein der Verfestigungsgrad zunehmen. An der Basis der Siedeldüne "S95BK27"
wurde stark verfestigter, Kies führender, olivgelber (2.5Y6/6 – olive yellow), rost- (7%)
und carbonatfleckiger (25%) Feinsand durch Anlage einer Profilgrube auf der Leeseite
aufgeschlossen.
Die playaartigen Sedimente setzen sich an die nördlichen lakustrinen Ablagerungen
angrenzend nach Osten fort (vgl. Kapitel 3.2.2.1.). Dabei führen sie zunehmend
verfestigten Granitgrus aus dem umliegenden Anstehenden. Alle drei Surveypunkte
"1946/650", "1946/652" und "1946/654" weisen im Untergrund eine verfestigte siltig-
sandige, hellgraue (2.5Y7/2 – light gray) bis hellgelbe (2.5Y7/3 – pale yellow)
rostfleckige Matrix auf und führen Carbonatkonkretionen.
Auf der gleichen Länge ("E 650" bis "E 654") treten playaartige Sedimente 12 km
weiter im Süden am Südrand des Wadi Howar auf. Als kleine Flächen zwischen den
zunehmend größere Mächtigkeiten erreichenden undulierenden Sandschilden, im
unmittelbaren Lee von Barchanen und an Granitausbissen, stehen insular, teilweise an
kleinräumige lakustrine Carbonatablagerungen angrenzend, siltig bis feinsandige, meist
carbonathaltige, verfestigte Sedimente an. Ihre Farbe variiert stark in Abhängigkeit vom
Sandgehalt zwischen grau (2.5Y6/1 und 2.5Y5/1 – gray) und hellgelb (2.5Y7/4 – pale
yellow).
Selbst im äußersten SO des Surveygebietes wurden playaartige Sedimente zwischen den
Dünen vorgefunden.
80
Alle drei Fundplätze, an denen im östlichen Vorland stationäre archäologische
Grabungen erfolgten ("S02/28", "S02/02" und "S02/52"), wurden durch Anlage von
Bodenprofilen entlang von Transekten geowissenschaftlich untersucht. Sie gleichen sich
in ihrem sedimentologischen Befund darin, dass immer am Fuß einer aus unsortiertem
lockeren Sand bestehenden Siedelfläche playaartige Sedimente unter einer dünnen
Flugsandauflage anstehen (s. Foto 11).
Foto 11: Playaartiges Sediment mit prismenförmigem Gefüge und sandverfüllten Trockenrissen unter
einer Flugsanddecke. Stark verfestigtes, in der Tiefe zunehmend carbonathaltiges Kohärentgefüge
(1942810/647767)
Das westliche Vorland der Grundgebirgsschwelle wird über seine gesamte Breite von
über 10 km durch playaartige Sedimente eingenommen, die sich nach Westen über das
Surveygebiet hinaus fortsetzen. Die dunkelgrauen (10YR4/1 – dark gray), staubartigen,
carbonatfreien Tone und Silte werden nach Süden hin zunehmend heller (10YR6/1 und
2.5Y7/2 – light gray) und führen kleine Carbonatkonkretionen. Westlich vom
Surveypunkt "1936/626" bilden sie schließlich begrenzte Areale mit Kalkkrusten an der
Oberfläche. Südöstlich von diesen schließen sich ausgedehnte Areale mit
Goethitausfällungen an. In der Umgebung des Surveypunktes "1940/626" sind
81
Molluskenschalen in das bräunlichgelbe (10YR6/8 – brownish yellow) bis graue
(10YR6/1 – gray) Sediment eingelagert (s. Foto 12).
Foto 12: Linksgewundene große aquatische Gastropoden (Lanistes carinatus ?) im playaartigen
Sediment (1941229/625953)
3.2.2.3. Goethitausfällungen Unterhalb der nördlichen Kante des westlichen Austritts der kanalartigen Tiefenlinie
befindet sich in Nachbarschaft zu kleinräumigen lakustrinen Sedimenten und
playaartigen Ablagerungen um die beiden Surveypunkte "1936/626" und "1936/628"
(vgl. Kapitel 3.2.2.2.) eine ausgedehnte, etwa 3 km² große Fläche, die von
Goethitausfällungen beherrscht wird (s. Foto 13).
82
Foto 13: Weiträumige Goethitausfällungen im Gebiet der NW-Kante der kanalartigen Tiefenlinie
(1935687/626050)
Es handelt sich hierbei um braune, stark verfestigte, sandhaltige Konkretionen, die in
der Regel zu wenige Meter breiten linearen Bändern angeordnet sind. Sie sind einige cm
tief im anstehenden Sand verankert und weisen eine röhrenförmige vegetative Struktur
auf. Als größere Gebilde gleichen sie durch Eisenoxidausfällungen vererzten
Wurzelballen, als einzelne, senkrecht bis über 10 cm aufragende Röhren ähneln sie eher
Pflanzenhalmen.
Aus der Anlage verschiedener Bodenprofile ergibt
sich folgendes Gesamtbild:
Die stark sandhaltigen Goethitkonkretionen sind in
gut sortierten Feinsand eingebettet. Dieser kann in
der Kontaktzone stark rubifiziert sein (10YR6/8 –
brownish yellow). Das Liegende dagegen ist
gebleicht (2.5Y8/4 – pale yellow) (s. Foto 14).
Foto 14: Goethitkonkretionen im Profilanschnitt
(1935687/626050)
83
Während auf der angrenzenden nordwestlichen Geländekante der kanalartigen
Tiefenlinie um die Surveypunkte "1938/628" und "1938/630" eine Schicht stark
eisenhaltigen Sandsteins ansteht, ist dies bei zwei weiteren Lokationen im Surveygebiet
mit Goethitausfällungen nicht der Fall. So befindet sich die Surveykoordinate
"1938/636" im südlichen Randbereich des Beckenbereiches der Grundgebirgsschwelle
zwischen Granitausbissen. Hier wird die Tiefenlinie einer sandigen Senke durch ein
etwa 1 m breites Band an Goethitausfällungen ausgekleidet. Zwischen den
Ausfällungen sind vereinzelte Artefakte eingebettet.
Im östlichen Vorland der Grundgebirgsschwelle wurde südlich des Surveypunktes
"1942/652" ein breites, zu mehreren Scharen untergliedertes Band mit WNW-OSO-
Verlauf ausgemacht. Es liegt südlich von den lakustrinen Ablagerungen (vgl. Kapitel
3.2.2.1.) in einem sandig-kiesigen Abschnitt der Ebene.
Zwei Kilometer weiter im Süden befindet sich die Surveykoordinate "1940/650" in
einem bis zu 10 m breiten gescharten Band sich über Kilometer hinweg mit gleich
bleibendem Verlauf erstreckender Goethitkonkretionen (s. Foto 15). Es liegt am
Nordrand der Ebene am Fuß der südlich anschließenden Dünen. Umliegende Sedimente
sind carbonatfrei.
Foto 15: Geschartes Band an Goethitausfällungen im östlichen Vorland der in diesem Abschnitt sandig-
kiesigen Ebene (1940/650)
84
Alle Vorkommen an Goethitkonkretionen im Surveygebiet sind mit oberflächig
aufliegenden Kiesen vergesellschaftet (s. Fotos 13 und 15), während der gebleichte
Untergrund immer aus lockerem Sand besteht (s. Foto 14).
3.2.2.4. Talsande Unter dem Begriff "Talsande" werden alle schlecht sortierten, vereinzelt kantige Kiese
führenden Sande zusammengefasst, die über weite Strecken den Talboden ausfüllen. Es
handelt sich um carbonatfreie Fein- bis Mittelsande mit glänzenden Oberflächen, in
denen durchgehend vereinzelte, meist kantige Kiesstücke eingelagert sind. Diese Kiese
erreichen Größen bis zu 2 cm und bestehen überwiegend aus Quarzbruchstücken.
Die südliche kanalartige Tiefenlinie wird über ihre ganze Erstreckung bis in das östliche
Vorland von Talsanden ausgekleidet. Dabei verändert sich die Bodenfarbe von Westen
nach Osten von hellgelb (2.5Y8/4 – pale yellow) über gelb (10YR8/6 – yellow) zu sehr
hellem Braun (10YR8/4 – very pale brown). Profile mit einer leichten Braunfärbung
weisen häufig dünne Trockenrisse auf.
Das anschließende östliche Vorland wird im zentralen Bereich von dem gleichen
Sedimenttyp eingenommen. Es ist auffällig, dass alle weniger stark verbraunten
Talsande im östlichen Vorland der Grundgebirgsschwelle Glimmer führen.
Im nördlichen Umlauf des Wadi Howar stehen am Fuß der Schwelle ähnliche
Sedimente an. Sie weisen insgesamt aber einen höheren Siltanteil und andere
Farbnuancen auf und stehen in enger Verzahnung mit den playaartigen Sedimenten (vgl.
Kapitel 3.2.2.2.).
3.3. Archäologische Datensätze
Im Surveygebiet sind fast flächendeckend Spuren anthropogener Aktivitäten
anzutreffen. Damit unterscheidet sich die Region Abu Tabari nicht von dem weiteren
Lauf des Unteren Wadi Howar und angrenzenden Gebieten. Die archäologischen
Zeugnisse neolithischer Besiedlung bestehen in erster Linie aus Artefakten. Neben quasi
ubiquitär vorkommenden, zumeist unretuschierten Steinartefakten befinden sich in einst
dicht besiedelten Arealen Keramikfunde. Diese sind aber häufig durch erosive und
deflative Prozesse nur in Fragmenten erhalten geblieben. An bestimmten Stellen
85
konnten jedoch vollständig erhaltene Keramikgefäße aus tiefer liegenden Horizonten
geborgen werden. In einigen Gebieten, besonders im SW der Surveyregion, sind weite
Flächen durch rezenten Flugsand überdeckt und erscheinen deswegen artefaktleer.
Ein Ziel des archäologischen Surveys ist es, eine zuverlässigere Aussage über die
flächenhafte Verteilung neolithischer Aktivitäten in der Region treffen zu können.
Hierfür wurde die Verbreitung von Steinartefakten, also von erosiven Prozessen am
wenigsten betroffenen Indikatoren, als Proxydaten verwendet. Sie können allerdings
ebenso wie Keramik von einer Flugsandauflage maskiert werden und sich der
Beobachtung entziehen. Aus diesem Grund wurde an allen Surveypunkten nicht nur die
Artefaktdichte der näheren Umgebung nach einem durchschnittlichen zehnminütigen
Fußsurvey eingeschätzt und einer von vier Kategorien zugeordnet ("keine Artefakte",
"vereinzelte Artefakte", "lockere Artefaktstreu" und "dichte Artefaktstreu"), sondern
gleichzeitig auch Vorkommen und Mächtigkeit einer Flugsandauflage bestimmt (s.
CD01: Datensätze "survey_abu_tabari.qu3/artefact density – survey points" und
"survey_abu_tabari.qu3/drifting sand – survey points").
Aus einer gemeinsamen Darstellung dieser beiden Informationen ergibt sich ein relativ
sicheres, wenn auch undifferenziertes Bild der Artefaktdichte aus neolithischer Zeit.
Demnach weisen alle Niederungen im Surveygebiet flächendeckend eine Artefaktstreu
auf, die sich in einigen Fällen, besonders auf leicht erhobenen Sandkörpern, so stark
verdichtet, dass sie als "Fundplätze" aufgenommen wurden.
Großräumige Artefaktkonzentrationen befinden sich im nordöstlichen Vorland der
Grundgebirgsschwelle in der Umgebung der lakustrinen Ablagerungen, in der Nähe der
playaartigen Sedimente im westlichen Vorland und im nördlichen Umlauf des Wadi
Howar. Im Norden des Surveygebietes sind lokale Konzentrationen von Artefakten so
hoch, dass die unterliegenden äolischen Sande seit dem Einsetzen der Aridifikation
effektiv gegenüber deflativen Ausräumungsprozessen geschützt worden sind. Im
Satellitenbild sind die Gruppierungen aus sechs bzw. zwei parabelförmigen Siedeldünen
deutlich zu erkennen (vgl. Kapitel 2.4.1.). Sie legen ein beeindruckendes Zeugnis des
Umfangs holozäner anthropogener Aktivitäten in dieser Region ab (s. Foto 16).
86
Foto 16: Blick über den östlichen Schenkel der Siedeldüne "S95BK25" nach Norden
Auch der östliche granitoide Ausläufer der Grundgebirgsschwelle bis in das von der
südlichen kanalartigen Tiefenlinie eingenommene Gebiet weist eine hohe Dichte an
Artefakten auf. Dies wird besonders deutlich, wenn berücksichtigt wird, dass weite
Areale in diesem Abschnitt von Flugsand überdeckt sind. Aus dem gleichen Grund
lassen sich keine zuverlässigen quantitativen Aussagen über die Artefaktdichte im
westlichen Abschnitt der kanalartigen Tiefenlinie machen, wobei festzuhalten gilt, dass
die nördlich angrenzende Hangfläche teilweise eine dichte Artefaktstreu aufweist.
Auch der äußerste SW des Surveygebietes ist diesbezüglich problematisch. Zwischen
sich zu Barchanen formierenden mächtigen Sandschilden tritt die ehemalige
Geländeoberfläche nur insular hervor, hier jedoch mit dichter Artefaktstreu in teilweise
sehr gutem Erhaltungszustand.
Bei der über weite Gebiete herrschenden Omnipräsenz von Artefakten könnte es
aussagekräftiger sein zu beschreiben, in welchen Gebieten keine Artefakte vorkommen.
Ein solches Gebiet befindet sich im äußersten NO des Untersuchungsgebietes, der von
hohen granitoiden "Wollsackburgen" bestimmt wird. Auch die Serirfläche im NW der
Surveyregion erscheint weitgehend artefaktleer. Gleiches gilt für das unmittelbar
87
südlich an die kanalartige Tiefenlinie angrenzende Gelände und den westlichen Bereich
der Grundgebirgsschwelle einschließlich ihres weiten Beckenbereiches.
Diese Aussagen müssen allerdings wieder eingeschränkt werden. So wurden in dem von
hohen Granitausbissen eingenommenen Gebiet zwar kaum Artefakte beobachtet,
dagegen aber viele in den anstehenden Granit gearbeitete Reibemulden (s. Foto 17).
Foto 17: Drei Reibemulden in einem flachen Granitrücken am Surveypunkt "1950/654"
In demselben Areal liegt in einem Windkanal zwischen hohen Granitausbissen der
Fundplatz "85/01" mit einer hohen Artefaktkonzentration. Mit seinem kompakten,
eventuell über Rutschungen der angrenzenden höher stehenden Dünen
zusammengetragenen Körper an Artefakten, ist er ein Beweis dafür, dass auch in diesem
Gebiet neolithische Aktivitäten stattfanden (Foto 18).
88
Foto 18: Fundplatz "85/01". Kompakter Artefaktkörper zwischen Dünenzügen
In dem sich als weitgehend artefaktleer gestaltendem NW des Surveygebietes grenzen
in unmittelbarer Nachbarschaft bedeutende, auf vorangegangenen Kampagnen
beschriebene Siedeldünen an ("S95SG04", "S03BM04" und "S03BM05"), (vgl. Kapitel
3.). Auch am Südrand der kanalartigen Tiefenlinie befinden sich in eingeschnittenen
Erosionsbahnen lokal dichte Artefaktkonzentrationen ("S03ML61" und "S03ML70").
Auf dem ansonsten artefaktleer erscheinenden Nordrand der Grundgebirgsschwelle
stehen an verschiedenen Stellen Steinhaufen, die aus Sandsteinbrocken aufgeschichtet
sind (vgl. Kapitel 3.3.5.), sowie eine mehrkammerige Steinsetzung ("S03ML045").
Aus dieser rein quantitativen Beschreibung der Artefaktverbreitung über das
Surveygebiet können weder Aussagen über die Art der Aktivitäten noch über den
Zeitraum, in welchem sie stattfanden, getroffen werden. Diese Fragestellungen können
über die Keramikfunde, die sich je nach Art und Verzierung einer bestimmten
Besiedlungsphase und Wirtschaftsweise zuordnen lassen, besser beantwortet werden
(vgl. Kapitel 2.4.3.).
Alle während der Surveyfahrten angetroffenen Keramikfunde wurden von dem
begleitenden Archäologen bestimmt und in den archäologischen Surveybögen von
ACACIA protokolliert. Bei der Interpretation dieser Daten gilt es zu berücksichtigen,
89
dass es sich hierbei um einen ersten Eindruck der oberflächlich aufliegenden und noch
nicht deflatierten Keramik handelt.
Die vollständigen archäologischen Datensätze können auf Grund der Sensibilität der
bislang ungeschützten neolithischen Fundstätten hier nicht veröffentlicht werden. Aus
gleichem Grund wird auf die Angabe von Koordinaten der in den folgenden Kapiteln
näher behandelten Fund- und Grabungsplätze verzichtet. Eine ungefähre, für das
Textverständnis ausreichende Lage kann aus den beiliegenden Fototafeln entnommen
werden. Auf der Fototafel 10 "Survey Points und Tracks" sind die archäologischen
Fundplätze, die während des Surveys erstmalig aufgenommen wurden, unter Angabe
ihres Namens rot dargestellt, während Fund- und Grabungsplätze vorangegangener
Kampagnen in grün abgebildet sind.
3.3.1. Fundplätze mit Keramik vom "Early Khartoum Typ" Funde dieses ältesten Keramiktyps wurden im nördlichen Randbereich des Umlaufes
des Wadi Howar, in dem östlichen Bereich der Grundgebirgsschwelle besonders um die
nordöstliche Anbindung des Beckenbereiches an das Wadi Howar und im SO des
Surveygebietes dokumentiert (s. Fototafel 08: "Early Khartoum and Leiterband Type
Ceramics", im Materialband). Mit Ausnahme des Bereiches der östlichen
Grundgebirgsschwelle befinden sich die Funde immer auf sandigen Anhöhen mit
ausgeprägtem Kulturhorizont und einer besonders dichten Artefaktstreu. Eine
Besonderheit stellen die eindrucksvollen nördlichen Siedeldünen dar, die aufgrund ihrer
hohen Artefaktdichte zum Erhalt der paläoklimatischen Reliktform der Parabeldünen
geführt haben (vgl. Kapitel 2.4.1.).
Alle Funde dieser Keramik vom "Early Khartoum Typ" liegen randlich von
topografischen Niederungen und dem Flussbett des Wadi Howar.
3.3.2. Fundplätze mit Keramik vom "Leiterband Typ" Im Vergleich zu den anderen Keramiktypen weist die Keramik vom "Leiterband Typ"
über das Surveygebiet die weiträumigste Verbreitung auf (s. Fototafel 08: "Early
Khartoum and Leiterband Type Ceramics"). Im Norden wurde sie auf und um
Siedeldünen erfasst. Als einzige Keramikvarietät ist sie im südwestlichen Bereich der
kanalartigen Tiefenlinie mit ausgedehnten Fundplätzen vertreten. Besonders dicht und
mit einer Vielfalt an unterschiedlichen Stilen von Leiterbandmotiven ist ihre
90
Verbreitung jedoch im östlichen Vorland der Grundgebirgsschwelle, wobei besonders
die Region um den Grabungsplatz "S02/28" im Norden der Ebene hervorzuheben ist.
Insgesamt ergibt sich ein Bild der Persistenz der seit dem "Early Khartoum Typ"
besiedelten Areale, insbesondere der Siedeldünen. Zusätzlich wurden zur Zeit der
"Leiterband-Kultur" verstärkt auch die Niederungen, vorzugsweise die flachen sandigen
Anhöhen, aufgesucht. Gute Beispiele hierfür sind die ausgedehnten Fundplätze
"S03ML021" und "S03ML116", die beide in der Tiefenlinie des Wadi Howar südlich
der Siedeldünen an playaartigen Sedimenten angrenzend liegen.
3.3.3. Fundplätze mit Keramik vom "Handessi Typ" Vorkommen des jüngsten, mit geometrischen Motiven oder Mattenabdruck verzierten
Keramikstils vom "Handessi Typ" beschränken sich auf zwei Areale im Surveygebiet
(s. Fototafel 09: "Handessi Type Ceramics and Watering Places", im Materialband). Das
erste Gebiet befindet sich am Fuß der nördlichen Kante der Grundgebirgsschwelle
entlang der Tiefenlinie des Wadi Howar, das hier mit playaartigen Sedimenten
ausgekleidet ist. Der zweite Bereich liegt im südöstlichen Vorland und verläuft,
streckenweise von Sandschilden und Dünen überlagert, südlich der Tiefenlinie des
Wadilaufs. Beide Regionen erstrecken sich ungefähr über eine Fläche von 8 km Länge
und 2 km Breite, wobei jedoch im SO eine potentielle Ausdehnung über das
Surveygebiet hinaus nicht verfolgt wurde.
3.3.4. Fundplätze mit unverzierter organisch gemagerter Keramik Entsprechend der verzierten Keramik werden an dieser Stelle Funde unverzierter
organisch gemagerter Keramik meist minderwertiger Qualität versuchsweise als eine
thematische Gruppe zusammengefasst und in ihrer räumlichen Verteilung über das
Surveygebiet dargestellt (s. Fototafel 09: "Handessi Type Ceramics and Watering
Places").
Das resultierende Verbreitungsmuster weist Schwerpunkte im westlichen Vorland der
Grundgebirgsschwelle sowie in den Anbindungen des Beckenbereiches und der
kanalartigen Tiefenlinie an das östliche Vorland auf. Damit unterscheidet sich die
Verbreitung dieser Keramik deutlich von jener des "Handessi Typs" (vgl. Kapitel
3.3.3.).
Alle Funde an unverzierter organisch gemagerter Keramik befinden sich in
topografischen Senkenlagen des Surveygebietes.
91
Organische Magerung ist im Unteren Wadi Howar per se ein Hinweis auf eine zeitlich
jünger einzuordnende Keramik (schriftl. Mitt. F. JESSE, 2004).
3.3.5. Brunnen und Viehtränken Auf das Surveygebiet verteilt wurden 12 Anordnungen spezifischer Steinsetzungen
beobachtet und durch eine stationäre, geowissenschaftlich begleitete Grabung als
Viehtränken um oder entlang von Brunnen identifiziert. Ähnliche Steinsetzungen
wurden im Vorjahr auf einer von Dr. F. JESSE geleiteten Kampagne südlich vom Gebel
Abyad (z.B. bei 1973200/698200) beobachtet, aber nicht näher untersucht. Auch im
Osten des Surveygebietes um den Brunnen "Bir Abu Tabari" und weiter im Unterlauf
wurden an verschiedenen Stellen ähnliche Gruppierungen an Tränken erfasst, so dass
von einer weiten Verbreitung dieser Form von Hinterlassenschaften menschlichen
Wirtschaftens im Unteren Wadi Howar und umliegender Gebiete auszugehen ist.
Die Anlage eines flachen, als "walk-in-well" bezeichneten Brunnens, der in
verschiedenen, mit Aushub verbundenen Reinigungs- und Vertiefungsphasen erweitert
wurde und randlich aus Steinplatten gesetzte Tränkbecken aufweist, wurde 1982 von
SCHUCK (1988:151/ 1989a:30f/ 1989b:427) im etwa 300 km nördlich liegenden Wadi
Shaw näher untersucht. Auch GABRIEL (2002:59-61) deutet ähnliche Steinsetzungen
in der Ostsahara als Tränken domestizierter Tiere, die mit einem Stück Leder
ausgekleidet wurden. Er weist darauf hin, dass der Fundzusammenhang arm an Keramik
ist und häufig in Vergesellschaftung mit so genannten "Steinplätzen" steht, welche er
als nomadische Feuerstellen interpretiert. Nach BERKE (2001:246) wurden diese
Brunnen und Tränkstellen im zweiten vorchristlichen Jahrtausend aufgegeben.
SANDFORD (1935:419) beschreibt eine Form von Grundwassergrabung, die von der
Bevölkerung als "Tumud" bezeichnet wird und in der ersten Hälfte des letzten
Jahrhunderts in Kordofan und Darfur noch weit verbreitet war; "The tumud is a hole
dug in the floor of a watercourse after the surface flow has disappeared. It taps that large
body of water that percolates through the alluvial sand and gravel. […] As the year
advances the tumud is dug deeper and deeper until it becomes impracticable as a source.
The sides tend to "slump". Moreover the hole usually fills with sand and gravel when
the wadi is next in spate and the process of excavation has to be repeated annually".
SANDFORD (1935:420,424) weist ferner darauf hin, dass "Tumud" auch an Hängen
92
mit sporadischem Abflussaufkommen und in stehenden austrocknenden Wasserstellen
gegraben wurden (vgl. SANDFORD 1935:420,424).
Die Tränken im Surveygebiet haben zwei unterschiedliche Grundformen: kreisförmig
angelegte aus Sandsteinbrocken und längliche, von Granitplatten eingefasste.
Auf dem Fundplatz "S03ML030" befinden sich mindestens 23 kreisförmige
Steinsetzungen aus hochkant gestellten Sandsteinbrocken von ungefähr ein bis
eineinhalb Metern Durchmesser.
Die Tränken liegen zwischen dem Fuß der nördlichen Geländekante der
Grundgebirgsschwelle und einem größeren flachen Sandsteinausbiss im Vorland, in
einer Tiefenlinie (s. Foto 19 und Fototafel 09: "Handessi Type Ceramics and Watering
Places").
Foto 19: Fundplatz "S03ML030". Überblick über die Steinsetzungen aus zumeist hochkant gestellten
Sandsteinbrocken
Der Fundplatz "S03ML52" weist die größte Anzahl an Tränken auf und befindet sich in
einer Tiefenlinie, die den Beckenbereich der Grundgebirgsschwelle mit dem Wadi
Howar verbindet (vgl. Kapitel 3.2.1.3.). Zu den Rändern hin findet man ausgedehnte
Areale an wollsackartig verwitterten granitoiden Ausbissen. Bei den ungefähr 25
Tränkstellen handelt es sich um durchschnittlich 2,5 m lange und 1 m breite
93
Steinsetzungen aus flachen, länglichen, in das Sediment eingearbeiteten Granitplatten.
Ein Ende der Steinsetzungen läuft spitz zu, während das andere einen breiteren
Abschluss bildet. Daraus ergibt sich eine charakteristische rautenförmige Form (s. Foto
20).
Foto 20: Fundplatz "S03ML52". Rautenförmige Steinsetzung aus flachen hochkant gestellten
Granitplatten
An dem Fundplatz "S03ML52" wurde eine stationäre archäologische Grabung
durchgeführt (S03/13) und durch die Anlage zweier Profilgruben geowissenschaftlich
ergänzt.
3.3.5.1. Brunnenprofil Die Hypothese, dass es sich bei den Steinsetzungen um Tränkstellen handelt, die um
Brunnenaushübe gruppiert sind, wurde durch Anlage einer Profilgrube überprüft. Diese
wurde in einer für einen "Tumud" prädestinierten Lage inmitten von 9 Steinsetzungen in
einer mit Flugsand ausgekleideten leichten Geländevertiefung gegraben. Die
Steinsetzungen weisen zueinander wie auch zur Vertiefung einen Abstand von ca. 10
bis 20 m auf und liegen auf einer leicht kiesigen wallartigen Erhebung, von der
94
angenommen wird, dass es sich um den Aushub handelt. Die Erhebung wird im NNO
durch eine Spülrinne durchbrochen.
Das in Foto 21 dargestellte Profil (Profilzeichnung wird gesondert publiziert) weist in
den oberen 60 cm einen Horizont aus unsortiertem glimmerhaltigen Sand mit einem
hohen Anteil an Feinsand und vereinzelten Kiesstücken (< 2 cm) auf. In dem sehr
hellbraunen (10YR7/4 – very pale brown) Sediment ist keine Schichtung erkennbar.
Feine Wurzelbahnen und Krotowinen mit bis zu 5 cm Durchmesser erstrecken sich bis
zur Basis des Horizontes, wogegen dünne, etwa 10 cm auseinander stehende
Trockenrisse nur bis -30 cm unter die Oberfläche reichen.
Unterhalb von ca. -60 cm schließen konkordant wechsellagige, mit > 10˚
Neigungswinkel einfallende gelbe (10YR7/6 – yellow) lehmig-sandige Schichten an.
Die wenige Zentimeter mächtigen Lagen fallen konkav aus unterschiedlichen
Richtungen ein.
In ca. -150 cm Tiefe ist ein leicht kiesiger, ungeschichteter, bräunlichgelber (10YR6/6 –
brownish yellow) Sedimentkeil in das Profil eingeschaltet, der nach oben hin
weitgehend horizontal abschließt. In diesem Sedimentpaket wurden in -160 cm bis -165
cm gut erhaltene Holzkohlestücke in einer ca. 30 cm Durchmesser messenden
"Feuerstelle" gefunden. Sie ist in 4 cm mächtigen rötlichen (2.5YR6/6 – light red bis
2.5YR4/4 – reddish brown), gefritteten Sanden eingelagert. Oberhalb dieser streicht
eine dünne Aschelage in östliche Richtung aus. Direkt über der "Feuerstelle" (-157 cm)
wurde ein Knochenfragment (Bestimmung im Profil durch E. BECKER) geborgen.
Unterhalb des ungeschichteten Sedimentkeils schließen wieder konkordant, diesmal
regelmäßig mit einer Neigungsfläche von ca. 40˚ nach Osten und 5˚ bis 10˚ nach Süden
einfallende zentimetermächtige Lagen leicht lehmigen Sandes bis in die erschlossene
Tiefe von -250 cm an. Das ganze Bodenprofil ist bis auf das Vorkommen isolierter
Carbonatkonkretionen zwischen -190 cm und -230 cm carbonatfrei. In ca. -200 cm
Tiefe wurde zudem ein Artefakt aus Quarz (5 cm x 4 cm x 1,5 cm) und ein
quarzgemagertes Keramikfragment (2 cm x 1.5 cm x 0.7 cm) geborgen (Bestimmung
im Feld durch M. LANGE).
95
Foto 21: Brunnenprofil (642118/1942800)
a) 250 cm tief ausgehobene Profilgrube b) Lage der Profilgrube in einer mit Flugsand ausgekleideten Vertiefung c) "Feuerstelle" in ca. -170 cm Tiefe mit Holzkohle auf gefrittetem rötlichem Sand mit heller Aschelage d) Wechsellagerung einfallender Schichten um den leicht kiesigen "Sedimentkeil", aus der die Holzkohleprobe entnommen wurde
Die Holzkohleprobe wurde botanisch im Labor von ACACIA als Tundubholz bestimmt
(schriftl. Mitt. M. LANGE 2004).
Bei Tundub (Capparis aphylla) handelt es sich
um einen stark verzweigten, häufig blattlosen
Baum mit rosa Blüten und Frucht. Er gilt als gute
Futterpflanze (vgl. BEBAWI & NEUGEBOHRN
1991:118f.). Nach NEWBOLD (1924:appendix
a) ist der Tundub die trockenheitsresistenteste
Baumspezies der Region. Einzelne Exemplare
wurden während des Surveys in Spalten von
Granitausbissen beobachtet (s. Foto 22 und
Fototafel 07: "Vegetation Distribution
(TM4/TM3/TM2)".
Foto 22: Capparis aphylla (1938060/631508)
96
3.3.5.2. 14C-Datierung Die Holzkohleprobe (C-2365) wurde in einer ersten Messung von dem "Radiocarbon
Laboratorium am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln" (KN-
5652) datiert und ergab ein 14C-Alter von 2636 ± 54 BP.
Radiocarbondatierungen basieren auf radiometrischen Messungen des Verhältnisses der
Menge an dem radioaktiven Kohlenstoff-Isotop 14-C zum stabilen Isotop 12-C in
fossilen organischen Substanzen. Sie ergeben eine Wahrscheinlichkeitsaussage, die die
natürlichen Schwankungen der atmosphärischen 14C-Ausgangskonzentration
beinhaltet. Für eine insbesondere in der Archäologie erwünschten Altersangabe in
Kalenderjahren muss das radiologische Datum mit Hilfe einer absoluten
Datierungsmethodik wie der Dendrochronologie kalibriert werden.
Das 14C-Datum der Holzkohleprobe wurde mit dem probabilistisch verfahrenden
Rechenprogramm "CalPal" in der Online-Version (www.calpal-online.de) kalibriert
(vgl. WENINGER 1986). Dem Rechenprogramm "CalPal" liegt zurzeit der
dendrochronologische 14C-Eichdatensatz "INTCAL98" zu Grunde (vgl. STUIVER et
al. 1998). Für die Holzkohleprobe wurde mit diesem Verfahren ein Kalenderdatum von
824 ± 34 calBC berechnet (s. Abb. 16).
Abb. 16: Visualisierung der Berechnungsparameter mit "CalPal Calibration Curve Composer" (grün –
INTCAL98 Tree Data bars, blau – Calcurve CALPAL Jan 2004, rot – Error Lines), HABERLAH
97
3.3.5.3. Tränkenprofil Bei diesem Bodenprofil handelt es sich um eine Vertiefung einer zuvor archäologisch
aufgenommenen und dabei im Innenbereich 20 cm abgetragenen Steinsetzung (s. Foto
20, Profilzeichnung wird gesondert publiziert).
Die Oberfläche besteht aus einem dünnen Siltfilm mit aufliegenden
Carbonatkonkretionen (< 5 cm).
Es folgt eine grusige carbonatfreie Lage bis -6,5 cm unter der Oberfläche. Dem schließt
sich eine vereinzelte Kiese führende Lage mit zwei Flächenprozent an
Carbonatkonkretionen bis in -19 cm Tiefe an.
Hier steht eine kompakte ca. 2 cm mächtige Lage an gerundeten Quarzen an.
Darunter folgen bis in ca. -30 cm carbonatfreie Feinsande mit vereinzelten
Carbonatkonkretionen. Bis in diese Tiefe wurde auch die flache, helle Granitplatte, die
den Rand der Steinsetzung bildet, eingelassen.
Darunter schließt eine 3 bis 6 cm mächtige, stark verfestigte schwach carbonathaltige
Lage aus Silt und Grobsand mit vereinzelten windgeschliffenen Quarzen und einem 5
cm langen Abschlag aus Chalcedon an. Während die hangenden Lagen durchweg eine
sehr hellbraune (10YR7/4 – very pale brown) Farbe aufweisen, hebt sich die verfestigte
Lage mit einem grauen Braunton (10YR5/2 – grayish brown) ab.
Unterhalb dieser Schicht folgen bis zur ausgehobenen Basis von -65 cm unsortierte,
verbraunte Sande (10YR6/6 – brownish yellow), die 25 cm lange, etwa 10 cm
auseinander liegende Trockenrisse aufweisen. Sie sind, wie das umliegende Sediment
der Steinsetzung, carbonatfrei.
98
Foto 23: Arbeiten am Tränkenprofil (642111/1942796)
a) Archäologische Kartierung der oberen 20 cm
b) Randliche, flache Granitplatte (70 cm Länge, 9 cm Breite, 38 cm Höhe – davon 30 cm unter Top)
c) Obere Horizonte der Profilgrube mit Granitgrus und Carbonatkonkretionen
d) Carbonatkonkretionen aus der Auflage
3.3.6. Jüngere Besiedlungsspuren in der Region Um den sich durch kreisförmige Tränken auszeichnenden Fundplatz "S03ML030" (vgl.
Kapitel 3.3.5.) befindet sich auf den Geländekanten eine große Anzahl nicht näher
auskartierter Steinhaufen aus zusammengelesenen Sandsteinbrocken. Ähnliche
Vorkommen so genannter "Tumuli" existieren auf den Geländekanten in Umgebung der
Festung "Qala'a Abu Ahmad" weiter im Unterlauf des Wadi Howar (vgl. Kapitel
2.4.3.3.) und im Wadi Shaw (vgl. SCHUCK 1988:151). In der Arbeitskarte "NE35L -
Abu Tabari" der TFH Berlin werden diese als "Anag graves" ausgewiesen. Gleichartige
Tumuli sind nach NEWBOLD (1924:56) und eigenen Beobachtungen im südlich
gelegenen Darfur und Nordkordofan keine Seltenheit: "… 'Anag' graves, or stone
cairns, […] are familiar to all travellers in Northern Kordofan". Als "Anag" werden laut
HINKEL (1979:23) die nichtsemitischen Ureinwohner von den arabischen
Nordsudanesen bezeichnet. KRÖPELIN (1999:475) schlägt eine zeitliche Einordnung
99
der "Grabhügel" entlang der Kanäle des Unteren Wadi Howar in das 3. und 2.
Jahrtausend BC vor.
Während einer Surveyfahrt wurde gezielt der ca. 7 km östlich vom Untersuchungsgebiet
gelegene Brunnen "Bir Abu Tabari" aufgesucht, dessen genaue Lage bisher unbekannt
war (mündl. Mitt. S. KRÖPELIN, Unteres Wadi Howar 2003).
Er liegt in einer von einem Leedünenzug vom Wadi Howar abgeriegelten, von Westen
nach Osten verlaufenden sandigen Senke zwischen wollsackartig verwitterten
Granitausbissen, die sich im Norden zu einer ca. 450 m hohen "Wollsackburg" erheben
(N 17° 34.709'/ E 28° 31.310'). Es handelt sich um einen versandeten Tiefbrunnen mit
einem zentralen Aushubkegel von etwa 50 m Durchmesser und 3 m Höhe. Auf dem
Aushub wurden zwei flache, mit Lehm ausgekleidete Tränkbecken angelegt (s. Foto 24
und 26b).
Foto 24: Versandeter Tiefbrunnen "Bir Abu Tabari" (1944200/661500)
a) Nördlicher Blick auf den Aushubkegel
b) Blick vom versandeten Brunnenschacht über ein Tränkbecken hinweg in die westliche Senke
100
Foto 25: Tiefbrunnen "Umm Bayada" ca. 300 km südlich des Wadi Howar (1656912/491810)
In Nutzung befindliche große traditionelle Tiefbrunnen mit Aushubkegeln ähnlicher
Dimension kommen in der südlich anschließenden Sahelzone häufiger vor (s. Foto 25).
Auf dem Aushubkegel von "Bir Abu Tabari" wurden Kamelknochen und Dung, sowie
eine Vielzahl rezenter Artefakte wie ein aufgeschnittener Benzinkanister zum
Wasserschöpfen, Reste von Plastikkanistern, Konservendosen, Batterien, zu Sandalen
zerschnittene und noch immer biegsame Gummireifen, sowie eine kleine, in Ägypten
produzierte Phiole beobachtet (s. Foto 26a).
101
Foto 26: Aushubkegel von "Bir Abu Tabari" (1944200/661500)
a) Rezentes Artefaktinventar
b) Aus Lehm geformtes Tränkbecken
In der etwa 2 km langen Senke wurden verschiedene weitere Gruppierungen von
Viehtränken erfasst. Die Becken sind teilweise von Granitplatten eingefasst (s. Foto
27d).
Neben offensichtlich rezenten Artefakten wie einem Flaschenhals mit durch
Kronkorken verschließbarer Öffnung, Patronenhülsen und Resten eines ledernen
Wasserschlauches (Qirba), besteht das Artefaktinventar auch aus Steinartefakten wie
Reibeschalenfragmenten, einem schwarzen Beil, Mahlsteinen, sowie Keramik (s. Foto
27a-c).
102
Foto 27: Weitere Tränkbecken und Artefakte in der Senke von "Bir Abu Tabari" (1944567/660238)
a) Rezentes Artefaktinventar (Reste einer "Qirba", weißes Trinkglas, grünes Flaschenglas mit
Kronkorkenöffnung, Batterie, Patronenhülse, Gazellenhorn, Straußeneischalen, Brennholz
b) Organisch und anorganisch gemagerte Keramik
c) Schwarzes Steinbeil
d) Mit Lehm ausgekleidete und randlich mit Granitplatten eingefasste Tränke
Auch innerhalb des Surveygebietes wurden rezente Artefaktinventare aufgenommen.
Der ausgedehnte Fundplatz "S03ML107" befindet sich auf einem aktiven
Flugsandschild im südöstlichen Vorland der Grundgebirgsschwelle. Neben rezenten
Artefakten wie Trinkglasscherben, zum Teil zu Werkzeugen umgearbeiteten
Konservendosen, Patronenhülsen (8 mm), Gazellenknochen, Dattelkernen, einer
Kaurimuschel, Reste einer "Qirba" und Brennholz befinden sich auch Steinartefakte wie
ein kleines schwarzes Beil, Reibeschalen, Mahlsteine, "Bola-Kugeln", sowie
verschiedene überwiegend organisch- und sandgemagerte Keramikfragmente (s. Foto
28).
103
Foto 28: Fundplatz "S03ML107". Körper aus Flugsand mit Artefaktinventar bestehend aus
Patronenhülsen, Konservendosen, Trinkglas, Beil aus Basalt, variantenreicher Keramik, Reibeschale,
Mahlsteinen, "Bola-Kugeln" und einer Kaurimuschel
Fundplatz "S03ML60" mitten in der westlichen kanalartigen Tiefenlinie ist dagegen ein
Beispiel für einen eng begrenzten Lagerplatz mit einer isoliert auf einer Flugsanddecke
befindlichen Feuerstelle aus drei Steinen mit Straußeneischalen, einer "Bola-Kugel" aus
weißem Quarz und grober pflanzengemagerter Keramik. Bei meinem Gespräch mit
einem Kababish Beduinen (Unteres Wadi Howar, 2002) gab dieser an, dass sein Stamm
immer Feuerstellen aus drei Steinen errichtet.
Das Gebiet der Survey Region gehört heute zum Kababish Land der Sippe "Umm
Metto". Sie suchen als Kamelnomaden dieses Gebiet nach Starkniederschlägen als
Weideland auf. Die räumlich am nächsten lebenden Kababish Familien siedeln ca. 115
km westlich des Surveygebietes an den "Rahib Wells" (s. Foto 26).
104
Foto 29: Kababish Mädchen an den "Rahib Wells" ca. 115 km westlich vom Surveygebiet
105
4. INTERPRETATION UND FOLGERUNGEN AUS DEM
SURVEY
Die geomorphologische Datenlage basiert auf einer mit Unsicherheiten behafteten
topografischen Beschreibung und oberflächennahen, ausschließlich durch
Geländeansprache sedimentologisch bestimmten Aufschlüssen. Paläozoologische Funde
werden in dieser sich auf die Geomorphologie und Archäologie beschränkenden Arbeit
nicht behandelt.
An Datierungen ist nur das 14C-datierte Holzkohlestück aus dem "Brunnenprofil"
aufgeführt (vgl. Kapitel 3.3.5.2.). Aus diesem Grund werden in der zusammenfassenden
Interpretation die verschiedenen Geländebeobachtungen zeitlich in die aus der Literatur
entnommene holozäne Klimageschichte der Region (vgl. Kapitel 2.3.) eingeordnet.
Die in der archäologischen Datenbank erfassten Funde basieren lediglich auf ersten
Geländeeindrücken. Es ist davon auszugehen, dass in vielen Fällen Keramikartefakte,
eventuell sogar weitere Keramiktypen, unter der Flugsandauflage in tieferen Schichten
vergraben liegen oder inmitten der ausgedehnten Fundstreu unbemerkt blieben. Ferner
muss bei den dargestellten Verbreitungsmustern berücksichtigt werden, dass Keramik in
Abhängigkeit von Alter, Fertigungsqualität sowie auf Grund ihrer und der allgemeinen
Exposition der Fundplätze bereits erodiert sein kann.
Die durchgeführte Zuordnung der verschiedenen Keramiktypen zu bestimmten
neolithischen Wirtschaftsformen basiert auf einem weitgehend linearen
Entwicklungsmodell (vgl. Kapitel 2.4.3.). Die einzelnen Keramikformen wurden dabei
in dieser Arbeit verallgemeinernd drei, sich in ihrer Wirtschaftsform unterscheidenden
"Kulturen" zugeordnet. Diese Keramikhaupttypen spiegeln in ihrer Funktion als
Proxydaten nicht notwendigerweise die gesamte Komplexität der ökonomischen und
kulturellen neolithischen Entwicklung in der Region zuverlässig wider.
Die als homogene Gruppe behandelte Keramik aus unverzierter organisch gemagerter
Ware wurde hier als eigener Typ zusammengefasst. Diesem Keramiktyp wurde bisher
sowohl bei Surveyaufzeichnungen als auch in Publikationen keine gesonderte
Aufmerksamkeit geschenkt. Er wurde in Verbindung mit den erstmalig in der Region
beschriebenen Tränkstellen beobachtet und dient hier vor allem als exemplarisches
Anwendungsbeispiel, wie sich das Navigations-Informations-System für raumbezogene
archäologische Arbeiten nutzen lässt.
106
Trotz aufgeführter Einschränkungen sollen nach einer Deutung verschiedener
Einzelbeobachtungen diese in einen interpretativen Überblick über eine mögliche
regionale holozäne Landschafts- und Siedlungsgenese münden.
Schließlich folgt ein Fazit, das sowohl das Navigations-Informations-System, als auch
die geomorphologisch-archäologischen Datensätze evaluiert und in einem Ausblick auf
mögliche Verbesserungsvorschläge und weiterführende Anwendungen hinweist.
4.1. Deutungen einzelner geomorphologischer und archäologischer
Beobachtungen
Die erfolgten geomorphologischen und archäologischen Beobachtungen müssen, ehe sie
für eine zusammenfassende Interpretation weiterverwendet werden können, erst einmal
nachvollziehbar für sich gedeutet werden. Sie folgen dabei dem Ablauf, in welchem sie
vorangehend beschrieben worden sind.
4.1.1. Deutung der lakustrinen Ablagerungen Die beschriebenen lakustrinen Ablagerungen können als Sedimente perennierender
Süßwasserseen interpretiert werden. Die weitgehend homogenen gebankten Seekreiden
weisen auf einen hohen lokalen Grundwasserspiegel hin. Seespiegelstände, die
ausschließlich durch Niederschläge bedingt sind, wären hingegen starken
Schwankungen unterworfen und hätten kaum zu einer kontinuierlichen Sedimentation
geführt.
Sowohl das anstehende granitoide Gestein als auch die beobachteten wollsackartigen
Verwitterungsformen bestärken die Annahme, dass es sich um grundwassergestützte
Seen handelte. Das allerorts anstehende granitoide Grundgebirge ist entlang der
Klüftung grundwasserdurchlässig. Die wollsackartigen Verwitterungsformen sind
vermutlich auf eine anhaltende Durchfeuchtung des Verwitterungshorizontes
(weathering front) entlang struktureller, tektonisch und petrologisch angelegter und
Grundwasser führender Schwächezonen zurückzuführen (vgl. CAMPBELL
1997:101,108).
107
Der hohe Carbonatgehalt von Seekreiden und Seemergel kann nicht allein durch die
chemische Verwitterung der Feldspate der granitoiden Gesteinsmasse erklärt werden,
bei der nur eingeschränkt Ca-Ionen gelöst werden.
Er dürfte in der Hauptsache auf biogene Ca-Anreicherung aus dem Grundwasser
zurückzuführen sein, vor allem auf kalkabscheidende Grünalgen (Charophyten) und
Detritus von Mollusken.
Allerdings ist auch die Matrix der im Süden beidseitig der kanalartigen Tiefenlinie
anstehenden Konglomeratlagen carbonathaltig. Der Carbonatgehalt in diesen erhöhten
und damit grundwasserfernen topografischen Lagen ließe sich mit dem
Verwitterungsresiduum erklären.
Im Umland liegen die südlichen Ausläufer des aus Carbonatgesteinen aufgebauten
Gebel Abyad Plateaus (vgl. Kapitel 2.2.) keine 100 km entfernt in NNO Richtung, was
der vorherrschenden Windrichtung entspricht. Somit könnte zusätzlich ein äolischer
Eintrag von alttertiärem Carbonatstaub in die Surveyregion stattgefunden haben.
Kalzifizierte Stängel in der Umgebung der lakustrinen Ablagerungen sind Hinweise
darauf, dass Schilfgürtel das Litoral der Paläoseen bildeten.
Seeablagerungen weisen darauf hin, dass in ihren Ausdehnungsbereichen während ihrer
Genese keine fluvialen Prozesse geherrscht haben können. Unter diesem Gesichtspunkt
ist bemerkenswert, dass südwestlich und nordöstlich der von lakustriner Sedimentation
eingenommenen Areale ein weitgehend carbonatfreier Bereich liegt. Es könnte sich
hierbei um die limnische Tiefenlinie des Wadi Howar im östlichen Vorland handeln,
auch wenn die rezente Topografie diese Schlussfolgerung nicht zwingend nahe legt. Die
Hypothese einer limnischen Entwässerungslinie in diesem Raum wird durch die
Ergebnisse des Bodenprofils am Surveypunkt "1944/648" unterstützt. Bei dem hier
beobachteten carbonathaltigen Sand und Silt könnte es sich um fluviale Umlagerungen
älterer lakustriner Sedimente handeln.
Dieser Interpretation zufolge wären die lakustrinen Sedimente eine Randfazies des
Wadi Howar, das in diesem Abschnitt zum Zeitpunkt der Seenbildung über eine große
Fläche von anstehendem Grundwasser eingenommen wurde. Das Wadi im östlichen
Vorland der Grundgebirgsschwelle wurde vielleicht nur nach
Starkniederschlagsereignissen mit hohem Oberflächenabflussaufkommen aus dem
Norden über die Serirfläche "Zalat al-Mai" durchflossen.
Mit dem Absinken des Grundwasserspiegels fielen die Seesedimente trocken und
wurden teilweise deflativ ausgeräumt.
108
Die aufgeführten Beobachtungen und Deutungen über die Lage und Genese der
lakustrinen Ablagerungen stimmen gut mit denen aus der Literatur überein (vgl.
HOELZMANN 1992/1993a/1993b/2002; KRÖPELIN 1993/1999; PACHUR 1997).
4.1.2. Deutung der playaartigen Sedimente Die weiten, von lakustrinen carbonatischen Sedimenten eingenommenen Flächen im
östlichen Vorland werden vor allem im Westen und damit weiter aufwärts im Wadilauf
von einer vorwiegend alluvialen klastischen Fazies abgelöst. Mehrheitlich handelt es
sich um graue Siltmudden ohne eine erkennbare Schichtung.
Das homogene Gefüge, die Rostfleckigkeit und in einigen Fällen Carbonatkonkretionen
können als Indikatoren für eine längere und wiederkehrende Durchfeuchtung mit
einhergehender Pedogenese interpretiert werden. Die teilweise sehr dunkle Farbe mag
aus einem hohen Gehalt an organischem Kohlenstoff resultieren.
Als Interpretation für eine Genese so gearteter Sedimente können periodische, an starke
Niederschläge gebundene Überschwemmungen aus dem Norden über die Schotterfläche
"Zalat al-Mai" vorgeschlagen werden. Der Oberflächenabfluss erreichte das Untere
Wadi Howar als einzige potentielle Entwässerungslinie der Region. Dieses weist im
behandelten Abschnitt ein besonders niedriges Gefälle und weites Bett auf, so dass weit
reichende Rückstauungen vorstellbar sind.
Der postulierte hohe Gehalt an organischem Kohlenstoff kann durch die Ablagerung
suspendierter Partikel und deren Herausfiltern durch Pflanzenbewuchs erklärt werden.
Pedogene Prozesse und Bioturbation können hierbei eine Schichtung dieser Sedimente
verhindert haben.
Bei den Carbonatkonkretionen kann es sich um synsedimentär, im Kontakt mit dem
Grundwasser entstandene Evaporite handeln oder aber um detritisches, pedogenetisch
aufgearbeitetes Material älterer angrenzender oder überschwemmter Seekreiden.
In Folge einer zunehmenden Aridifikation reichten die nördlichen Überschwemmungen
immer weniger weit nach Osten, bis sie schließlich im Bereich des nördlichen Umlaufs
des Wadi Howar und im westlichen Vorland stagnierten. Hierbei und durch lokale
Niederschläge ist es denkbar, dass Evaporite aus den obersten Lagen teilweise wieder
gelöst und ausgewaschen wurden, weswegen manche playaartigen Sedimente dieser
Region in ihrer obersten Schicht carbonatfrei, besonders dunkel und gelegentlich
staubartig erscheinen.
109
Die während des Surveys getroffenen Beobachtungen stimmen gut mit teilweise in
direkt angrenzenden Gebieten erfolgten und publizierten Darstellungen überein (vgl.
PACHUR et al. 1990; PACHUR 1999; KRÖPELIN 1993/1999). Die Basis der als
"potamogen" bezeichneten Sedimente wurde auf älter als 6400±250 a BP datiert
(PACHUR et al. 1990:225-227; 6400±90 a BP bei KRÖPELIN 1999:455-456). Einer
OSL-Datierung (optically stimulated luminescence) zufolge kam es zur Sedimentation
der obersten Lage, einer diesem Sedimenttyp aufsitzenden Siedeldüne ("S97/02") vor
3700 a BP (vgl. BESLER 2002:396).
Insgesamt ergibt sich daraus für den nördlichen Umlauf des Wadi Howar einschließlich
des Verzahnungsbereiches mit der Serirfläche und dem westlichen Vorland der
Grundgebirgsschwelle ein Bild von einer mehr oder weniger ausgedehnten
Überschwemmungslandschaft mit vorherrschendem Oberflächenzufluss aus dem
Norden.
4.1.3. Deutung der Goethitausfällungen Eine Entstehung von Goethitausfällungen setzt ein wassergesättigtes, konduktives,
reduktives Milieu voraus, in dem Eisen reduziert und im zweiwertigen Zustand (Fe²+)
mobilisiert werden kann. Diese Lösungen werden lateral in nur temporär
wassergesättigte Randzonen oder Horizonte verlagert, wo sie möglicherweise im
Kontakt mit pflanzlicher Biomasse aufoxidiert werden und als Goethit ausfällen. Die
Voraussetzungen hierfür wären in überschwemmten Dünensanden mit patinierten
Sandkörnern oder Wasserflächen mit einer hohen biologischen Aktivität anzutreffen.
Ein solches Szenario ist entlang von Wurzelhorizonten von Schilfbeständen vorstellbar,
die bei der Nährstoffaufnahme von Kationen äquivalente Mengen an Protonen
ausscheiden und gleichzeitig durch Wurzelatmung Kohlensäure bilden.
Eine Hypothese der Genese der beobachteten außergewöhnlichen Goethitkonkretionen
muss verschiedene Phänomene erklären können: Die Goethitkonkretionen weisen eine
vertikale, Stängeln gleichende Struktur auf. Dabei scharen sie sich entlang linearer
Bänder im Bereich der Tiefenlinie in Richtung des Hauptabflusses. Schließlich wurde in
allen Fällen eine Vergesellschaftung mit oberflächig aufliegenden Kiesen bei einem
ansonsten rein sandigen Untergrund festgestellt.
Ich schlage aus diesen Beobachtungen ein denudativ-fluviales Ereignis als möglichen
Erklärungsansatz vor. Demgemäß wären nach Starkniederschlägen mit einhergehenden
Schichtfluten die bewachsene Niederung am Fuß des Südwesthangs der
110
Grundgebirgsschwelle sowie die Pflanzengürtel der von Dünen gesäumten Ufer
fluvialer Abschnitte im östlichen Vorland durch denudativ eingespülte Sande
zusedimentiert worden. Im Hangfußbereich könnte sich dabei durch einen starken
Zustrom an Hangwasser ein temporär wassergesättigtes Milieu gebildet haben. Auch die
Tiefenlinie im östlichen Vorland würde zeitweilig einen höheren Wasserspiegel mit
einhergehender Ausweitung des reduktiven Milieus auf die angrenzenden konduktiven
Dünensande im Uferbereich aufgewiesen haben.
Die vergesellschafteten, oberflächlich auflagernden Kiese lassen sich durch denudativen
und fluvialen, durch Starkniederschläge ausgelösten hochenergetischen Transport
erklären. Bei dem durch mikrobielle Aktivitäten begleiteten Abbau der zusedimentierten
Biomasse werden einfache organische Säuren gebildet. Diese Säuren könnten für eine
kleinräumig um die vegetativen Rückstände erfolgende Aufoxidierung und Ausfällung
der reduzierten Fe²+-Ionen verantwortlich sein (vgl. SCHEFFER &
SCHACHTSCHABEL 1998:105-106).
PACHUR (1990/ 1997/ 1999) beschreibt bedeutend mächtigere Krusten von
Goethitausfällungen, die mit hohen Grundwasserständen in sumpfartigen, durch Dünen
eingenommene Umgebungen von Paläoseen in Verbindung gebracht werden.
4.1.4. Deutung der "Talsande" Nach ihrer topografischen Lage zu urteilen scheinen die als "Talsande" bezeichneten
Sedimente potentiell fluvial geprägte Tiefenlinien auszukleiden. Die durchgehend in der
sandigen Matrix eingebetteten Feinkiese zeugen von fluvialen
Sedimentationsbedingungen. Sie bestehen in der Regel aus kantigen Quarzbruchstücken
und unterscheiden sich damit deutlich von den gut gerundeten größeren Quarzkieseln
der Konglomeratlagen. Als Möglichkeit ihres Ursprungs käme Granitgrus in Frage, aus
dem vereinzelte, feinkiesgroße, sich durch hohe Verwitterungsstabilität auszeichnende
Quarzkristalle herausgewittert wurden (vgl. SCHEFFER & SCHACHTSCHABEL
1998:34-41). Mit dieser Hypothese ließe sich der Befund von Glimmer in den
Talsanden des östlichen Vorlands und damit im Wadibett unterhalb der
Grundgebirgsschwelle und weiterer anstehender Granitausbisse erklären. Muskovit, als
Verwitterungsprodukt der granitoiden Ausbisse, kann als Schichtsilikat von
überwiegend siltiger Kornfraktion gut suspendiert und über kurze Strecken fluvial
mitgeführt werden.
111
Eher klassische fluviale Sedimente wie Kiese wurden in nennenswerter Menge,
abgesehen von der Schotterebene "Zalat al-Mai", über das gesamte Surveygebiet nur in
Hanglagen und in räumlicher Nähe zu Konglomeratausbissen beobachtet. Demnach
scheint es sich bei den Talsanden um die wichtigsten oberflächennah zu erschließenden
fluvialen Sedimente der Surveyregion zu handeln.
Als Szenario für die Genese von Talsanden kann eine niederschlagsinduzierte
Ausräumung des granitoiden Regoliths vorgeschlagen werden, wobei von den Rändern
her gleichzeitig große Mengen äolisch angelieferten Materials eingespült wurden.
Während die südliche kanalartige Tiefenlinie durchgehend von Talsanden ausgekleidet
ist, die mit westlicher Richtung zunehmend Merkmale leichter Verbraunung aufzeigen,
weisen die talsandartigen Sedimente im nördlichen Umlauf des Wadi Howar einen
höheren Siltanteil auf. Letzteres kann entweder durch die umliegenden playaartigen
Sedimente beeinflusst worden sein oder mit direkt über die Serirfläche angespülter
Suspensionsfracht zusammenhängen. Sowohl in der kanalartigen Tiefenlinie als auch
im nördlichen Umlauf des Wadi Howar liegen die Talsande in oder nahe der rezenten
topografischen Tiefenlinie.
Eine zeitliche Einordnung als fluviale Sedimente interpretierter Talsande fällt schwer.
In der Literatur (PACHUR et al. 1984/1987; KRÖPELIN 1993, vgl. auch REID &
FROSTICK) werden "Talsande", beziehungsweise talsandähnliche Sedimente häufig
mit eingeschwemmtem Dünenmaterial in Verbindung gebracht. Es lässt sich nur eine
Publikation ausmachen (vgl. GABRIEL & KRÖPELIN 1983), die eine Datierung von
Talsanden im ca. 300 km nördlich des Wadi Howar gelegenen Wadi Shaw vornimmt.
Hier werden sie als Horizont zwischen einer "Unteren" und einer "Oberen Limnischen
Akkumulationsphase" auf ca. 7000 a BP datiert (GABRIEL & KRÖPELIN 1983).
Demnach würde die Genese der Talsande in den Zeitraum des frühen Holozäns fallen
und darauf hinweisen, dass sowohl im Wadi Howar als auch im Bereich der südlichen
kanalartigen Tiefenlinie fluviale Prozesse stattfanden.
In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass alle größeren archäologischen
Fundplätze im östlichen Vorland einschließlich der stationären Grabungsplätze
"S02/01", "S02/28" und "S02/52" auf Anhöhen eines gleichartigen Sedimenttyps liegen.
Im Gegensatz zu den Talsanden weisen sie in den obersten 30 bis 40 cm eine hellgrau
bis braun (trocken: 10YR7/2 – light gray/ feucht: 10YR5/3 - brown) verfärbte, als
Kulturhorizont interpretierte Schicht auf. Hier können organische Reste, Asche und
Kulturabfälle durch Siedelaktivitäten in den Sand eingetragen und pedogenetisch
112
umgesetzt worden sein. Das Liegende besteht, nach graduellem Übergang, aus dem
gleichen carbonatfreien, Feinkies führenden, glimmerhaltigen und leicht braun bis
braungelben (trocken: 10YR7/4 – very pale brown/ feucht: 10YR6/6 – brownish
yellow) Lockersediment. Morphogenetisch könnte es sich bei diesen im Wadibett
gelegenen "Siedelplätzen" um ehemalige Uferbänke handeln.
Die Grabungsplätze wurden mit einem GPS-Empfänger umlaufen, um die
Siedlungsfläche auszukartieren. In der Visualisierung dieser Trackaufzeichnungen in
"TouraTech QV 3.0" weisen alle drei Grabungsplätze eine ausgeprägte Längsachse in
Richtung NO auf, die der vorherrschenden Passatwindrichtung entspricht (s. Abb. 17).
Bei allen dreien liegt zudem der höchste Punkt am nordöstlichen Ende.
Abb. 17: Archäologische Grabungsflächen auf sandigen Anhöhen im östlichen Vorland der
Grundgebirgsschwelle
Aus dieser Beobachtung wird gefolgert, dass die Talsande vor ihrer Besiedlung durch
Menschen der "Leiterband-Kultur" äolisch überformt wurden.
4.1.5. Deutungen der Profile auf Grabungsplatz "SO3/13" Das Brunnenprofil inmitten der Steinsetzungen liegt randlich einer ehemaligen, durch
regelmäßige Einspülungen verfüllten tiefen Grube (vgl. Kapitel 3.3.5.1.). Eine einstige
113
grundwassergesättigte Basis mit zu erwartenden redoximorphen Merkmalen wurde bis
in die Tiefe von -250 cm nicht ergraben.
In dem Kies führenden ungeschichteten Sedimentkeil, der konkordant auf den
regelmäßig mit gleich bleibend steilem Winkel einfallenden lehmig-sandigen Schichten
aufliegt, ist waagerecht eine "Feuerstelle" eingelagert. Er kann als ein anthropogen
geschaffener Absatz, der während Reinigungs- und Vertiefungsarbeiten des Brunnens
geschaffen wurde, interpretiert werden.
Die Frittungszone unterhalb und seitlich der "Feuerstelle", sowie die nach oben
anschließende Aschelage sind Indikatoren dafür, dass das Tundubholz in-situ in der
Grube verbrannte. Die enge Begrenzung der Feuerfläche sowie das mit ihr
vergesellschaftete Knochenfragment, können als Hinweise auf eine menschliche
Nutzung des Feuers gewertet werden. Als mögliches Szenario ist vorstellbar, dass
während der Reinigungsarbeiten diese windgeschützte Stelle für ein kleines Kochfeuer
genutzt wurde.
Die 14C-Datierung des großen unkontaminierten Holzkohlestücks in das erste
vorchristliche Jahrtausend (vgl. Kapitel 3.3.5.2.) ist jünger als alle bislang in der Region
datierten Besiedlungszeugnisse (schriftl. Mitt. M. LANGE 2004) und liegt zeitlich noch
vor der Einführung von Kamelen in die Ostsahara. Die konkav aus unterschiedlichen
Randlagen einfallende Schichtung im Hangenden dokumentiert eine sich über Jahre
oder Jahrzehnte hinweg durch sandige Einspülungen und Einwehungen verfüllende
Grube. Ein Fehlen von Diskordanzen weist darauf hin, dass die Brunnenanlage nicht
mehr gereinigt und damit in späterer Zeit endgültig aufgegeben wurde.
Das innerhalb einer Steinsetzung angelegte "Tränkenprofil" bestärkt die Hypothese,
dass es sich bei diesen um Viehtränken handelte (vgl. Kapitel 3.3.5.3.). So wurde an der
Basis der eingelassenen Granitplatten eine wasserundurchlässigere, kompakte Schicht
angetroffen, der eine zweite kompakte besonders kieshaltige Lage folgt. Die
Beobachtungen an subrezenten Tränkstellen in der Senke von "Bir Abu Tabari"
ergaben, dass ein ähnliches Material zur Auskleidung der Tränkbecken bis in das letzte
Jahrhundert verwendet wurde.
Die Carbonatkonkretionen, die sich auf den unmittelbaren Bereich der Steinsetzungen
beschränken, werden als Resultat alternierender Wasserzufuhr und Verdunstung
interpretiert und wurden gleichfalls in den subrezenten Viehtränken um "Bir Abu
Tabari" beobachtet.
114
Eine kausale räumliche Verbindung zwischen dem Vorkommen organisch gemagerter
unverzierter Keramik und als Tränkstellen um Brunnen identifizierter Steinsetzungen
erscheint möglich (vgl. Fototafel 09: "Handessi Type Ceramics and Watering Places").
4.2. Zusammenfassende geomorphologisch-archäologische
Interpretation
In der folgenden Interpretation wird abschließend versucht, den geomorphologischen
Geländebefund mit den archäologischen Surveybeobachtungen in Beziehung zu setzen.
Mit dem abrupten Einsetzen der holozänen Feuchtphase um 11500 a calBP wurden
durch starke lokale Niederschläge die verbreiteten äolischen Sedimente und der
Regolith aus dem Bereich der Grundgebirgsschwelle und angrenzender granitoider
Ausbisse im NO des Surveygebietes in die reliktische Tiefenlinie des Wadi Howar
eingespült. Sie kleiden als Glimmer und Feinkies führende "Talsande" unter anderem
das weite östliche Vorland der Grundgebirgsschwelle aus. Zumindest anfänglich
müssen bei einem solchen Szenario auch größere Gesteine und Kiese fluvial mitgeführt
worden sein.
Die weitläufige Schotterebene "Zalat al-Mai" im Norden und NW der Surveyregion
wird mit ihren sandverfüllten, Richtung Süden und SO auf das Wadi zulaufenden
Erosionsbahnen als Haupteinzugsgebiet des Oberflächenabflusses in das Wadi Howar
während des Holozäns interpretiert. Die sedimentologischen Beobachtungen werden
durch das digitale Höhenmodell unterstützt.
In zunehmendem Maße wurde die Landschaft durch einen raschen Anstieg des lokalen
Grundwasserspiegels geprägt, der zu einer Ausbildung grundwassergestützter
Süßwasserseen führte.
Zwischen 10000 und 8000 a calBP wurde vorwiegend das östliche Vorland in seinen
topografisch tief liegenden, teilweise in die granitoiden Ausbisse hinein reichenden
Randlagen von perennierenden Seen eingenommen. Die Ausbreitung der Seenflächen
wird über die der rezent anstehenden lakustrinen Seekreiden hinausgegangen sein, da
diese durch deflative Prozesse bereits teilweise abgetragen worden waren.
Neben Grundwasseraustritten dürfte oberflächlicher Zufluss, zumindest zum Erhalt der
Süßwasserseen, eine Rolle gespielt haben. Die Paläoseen im östlichen Vorland liegen
115
entweder im Zusammenlauf des Einzugsgebietes des Beckenbereichs der
Grundgebirgsschwelle oder im Zusammenlauf der nördlichen Einzugsgebiete um den
"Gebel Issawi", "Gebel Fadl al-Musa" und angrenzender höher gelegener Areale.
An allen Vorkommen lakustriner Ablagerungen im Surveygebiet (vgl. Kapitel 3.2.2.1.)
wurden im erhöht gelegenen unmittelbaren Umland Keramikfunde vom "Early
Khartoum Typ" beobachtet. Dieser räumliche Fundzusammenhang entspricht weiteren
in der Literatur beschriebenen archäologischen und paläozoologischen Untersuchungen,
nach denen die ersten holozänen Talbewohner des Unteren Wadi Howar überwiegend
vom Fischfang lebten (vgl. Kapitel 2.4.3.1.).
Ein periodisch auftretender großflächiger Rückstau des nördlichen Zuflusswassers wird
für die Sedimentation und Pedogenese der langfristig und wiederholt durchfeuchteten
playaartigen Sedimente in dem sumpfigen Environment im zentralen nördlichen
Surveygebiet verantwortlich gemacht.
Neben Vorkommen des ältesten Keramiktyps der Sahara in der näheren Umgebung von
Paläoseen wurde er auch auf den parabelförmigen Siedeldünen vorgefunden. Diese
wiesen als trockene Standorte in einem ansonsten sumpfigen Umland mit weit
reichendem Blick attraktive Standortfaktoren, besonders für auf Jagd ausgerichtete
Gruppen, auf.
Für den Fall, dass die Siedeldünen tatsächlich auf Sumpfsedimenten aufsitzen sollten,
und im östlichen Vorland anschließend äolisch überprägte fluviale Sandkörper besiedelt
wurden, muss diese Phase zumindest zeitweilig äolisch sehr aktiv und die Region
gleichzeitig nicht flächendeckend von Vegetation bewachsen gewesen sein.
Nach vorgeschlagener Deutung der Goethitausfällungen könnten diese, allerdings auch
zu einem späteren Zeitpunkt, als Hinweis für größere Überschwemmungsereignisse
gewertet werden, die aus lokalen Starkniederschlägen resultieren. Demzufolge würden
sie eine Erklärung dafür bieten, warum nicht näher an der Tiefenlinie des Wadi Howar
gesiedelt wurde.
Zwischen 8000 und 3500 a calBP bewirkten nachlassende Niederschläge ein
allmähliches Auslaufen der oberflächennahen Aquifere und ein damit verbundenes
sukzessives Absinken des Grundwasserspiegels. In der ökologisch begünstigten
Senkenlage des Wadi Howar dürften die Süßwasserseen noch um 3500 a calBP
bestanden haben.
Ab ca. 5200 a BP wurde die Region von rinderhaltenden Pastoralisten bevölkert (vgl.
Kapitel 2.4.3.2.), die ungefähr die gleichen Areale wie die vormalige Keramikkultur mit
116
ausschließlich aneignenden Wirtschaftsformen besiedelten. Die Menschen mit Keramik
vom "Leiterband Typ" waren für ihre Rinder auf nahe gelegene offene Wasserstellen
angewiesen. Sie siedelten außerdem im nördlichen Wadibett, den weiten Ebenen des
östlichen Vorlandes und der südlichen kanalartigen Tiefenlinie. In der savannenartigen
Landschaft müssen diese Bereiche gute Weidemöglichkeiten für ihr Vieh geboten
haben. Es wurden dabei bevorzugt die beschriebenen sandigen Anhöhen als
Siedelplätze aufgesucht (vgl. Kapitel 4.1.4.).
Oberflächenabfluss aus dem Norden erreichte das östliche Vorland zunehmend seltener
und stagnierte in dem nördlichen Umlauf des Wadi Howar sowie in Niederungen im
westlichen Vorland. Dabei wurden überwiegend silikatische, playaartige Sedimente
abgelagert und vormalige Ablagerungen epigenetisch überprägt.
In diesen Gebieten sowie in der Anbindung des Beckenbereiches an das östliche
Vorland und in den Niederungen am Südrand des Wadi Howar im SO konzentrieren
sich auch die Vorkommen an Keramik vom "Handessi Typ", die mit kleintierhaltenden
Pastoralisten und Jägern in Verbindung gebracht wird (vgl. Kapitel 2.4.3.3.). Ebenso ist
hier die unverzierte organisch gemagerte Keramik anzutreffen. Damit befinden sich alle
jüngeren Keramikfunde in geomorphologischen Tiefenlagen, die zumeist an
Geländekanten angrenzen und bei lokalen Niederschlägen ein hohes Aufkommen an
Oberflächenabfluss erwarten lassen. Besonders im Umland der Grundgebirgsschwelle
stehen diese Keramikfunde in räumlicher Nähe zu den mit Steinen eingefassten
Viehtränken um Brunnengruben. Hieraus kann gefolgert werden, dass zu dem Zeitpunkt
ihrer Anlage offene Wasserflächen zumindest ganzjährig nicht mehr vorkamen und sich
damalige Bewohner der Region in der Art ihrer Siedelaktivitäten und Wirtschaftsweise
einer zunehmenden Aridifikation anpassen mussten.
Ungefähr 3500 a calBP, mit dem Ende der holozänen Feuchtphase, setzte im Gebiet des
Unteren Wadi Howar graduell eine bis heute anhaltende hyperaride Phase ein, die
Schwankungen und einer kurzen reversiblen Entwicklung um 2000 a calBP unterworfen
war. Deflations- und äolische Akkumulationsprozesse überformten die früh- und
mittelholozäne Landschaft zu ihrem gegenwärtigen Erscheinungsbild. Zumindest in
außergewöhnlich humiden Jahren wurde die Region durch Pastoralisten wenigstens
saisonal aufgesucht. Dem 14C-Datum des Holzkohlestücks aus dem Brunnenprofil
folgend können solche Aktivitäten noch im ersten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung
stattgefunden haben.
117
4.3. Fazit und Ausblick
In dieser Arbeit wurde aufgezeigt, dass ein Navigations-Informations-System über die
eigentliche Navigation im Gelände hinaus vielseitig eingesetzt werden kann.
Im Vorfeld wurde die Navigationssoftware "TouraTech QV 3.0" dazu verwendet, das
Blattschnittsystem der Satellitenbildkacheln und Karten zu berechnen und zu
visualisieren.
In der Planungsphase der Expedition konnten relevante Geodaten und der Verlauf
ehemaliger Surveyfahrten aus verschiednen Datensätzen zusammengebracht und vor
dem Hintergrund verfügbarer Karten und Satellitenbilder unterschiedlicher
Kanalkombinationen visualisiert werden. Mit Hilfe eines digitalen Höhenmodells wurde
ein erster dreidimensionaler Eindruck von der Arbeitsregion gewonnen. Diese
Möglichkeiten erwiesen sich als sehr hilfreich, um bereits im Vorfeld wichtige
geomorphologische Fragestellungen zu erkennen und demnach die Grenzen des
Surveygebietes besser festlegen zu können. Mittels Entfernungsbestimmungen ließ sich
sowohl ein zeitlich realistischer Umfang des Surveys, als auch die benötigten
Dieselressourcen präzise einschätzen.
Beim Einsatz im Gelände arbeitete das Navigations-Informations-System stabil und
zeigte sich als praktikabel handhabbar. Während des eigentlichen Surveys stellte das
System eine vielseitige Hilfe dar. Interaktive Visualisierungen der aktuellen Position,
bereits erfasster Geodaten und der gefahrenen Streckenverläufe ermöglichten eine
effiziente Navigation und Arbeit im Feld, die in dieser Art allein mit einem GPS-
Empfänger und analogen Kartenblättern nicht möglich gewesen wäre.
Die während des Surveys vermissten Möglichkeiten, zusammen mit den
Trackaufzeichnungen auch die Genauigkeitsschätzwerte der Positionsberechnungen
(EPE) aufzeichnen zu lassen sowie eine optionale Bestimmung der Aufnahmedichte
automatisch generierter Trackpunkte auch über ein Zeitintervall einstellen zu können,
wurde mittlerweile von den Entwicklern der Navigationssoftware umgesetzt.
Die Beschreibungen zu den Surveypunkten und den archäologischen Fundplätzen
erfolgte im Gelände handschriftlich. In der Nachbereitung mussten diese
Niederschriften in aufwendiger Arbeit in das Navigations-Informations-System
eingearbeitet werden. Solche weitgehend gleich bleibenden Kataloge an Daten könnten
allerdings, beispielsweise über im Vorfeld erstellte Datenmasken, bereits während der
Geländearbeit digital eingegeben werden. Hierbei würden sich kleine Handgeräte wie
118
PDAs (personal digital assistant) mit entsprechenden Modulen anbieten. Für eine
reibungslose Einbindung solcher Datensätze müsste allerdings die bisherige
Strukturierung der Datenbank der Navigationssoftware erweitert und verbessert werden.
Die Datensätze sollten sich gleichzeitig auch auf unterschiedlichen Ebenen mit
Metainformationen versehen lassen. An einer Umsetzung einfacher Metadatenfelder
wird seitens der Softwareentwickler bereits gearbeitet (schriftl. Mitt. J. BUNGERT
2004).
In der Nachbereitung ließen sich die erhobenen und in Form von Excel-Dateien
gespeicherten Daten als unterschiedliche thematische Datensätze in die geografische
Datenbank des Navigations-Informations-Systems importieren. Bei der
Datenverwaltung zeigten sich verschiedene Schwierigkeiten, die nur über zeit- und
speicherplatzaufwendige Umwege gelöst werden konnten. So ließen sich beispielsweise
die Spaltenüberschriften der ursprünglichen Datensätze nicht automatisch vor den
einzelnen zu ihnen gehörenden Einträgen in das kumulative Informationsfeld
importieren. Vielmehr musste vor jedem zugehörigen Eintrag die Spaltenüberschrift
über eine vorangestellte Spalte eingetragen werden. Außerdem lassen sich einem
physisch in der Datenbank abgespeicherten Track nicht mehrere, unabhängig
voneinander visualisierbare digitale Fotosätze zuordnen. Eine solche Zuordnung ist
allerdings für eine räumliche, thematische Visualisierung unterschiedlicher Fotos
(beispielsweise Fotos zu den Surveypunkten und Fotos zu den archäologischen
Fundplätzen) ausdrücklich erwünscht.
Auch im Bereich der Präsentation aufgearbeiteter und strukturierter Datensätze sind
Verbesserungen vorzuschlagen. So ließen sich die auf den Fototafeln (s. Materialband)
dargestellten Legenden zu bestimmten Datensätzen nur provisorisch, als eigene
Datensätze mit festen Koordinaten, umsetzen. Der Export größerer Karten oder
Satellitenbilder in externe Bildbearbeitungsprogramme ist zumindest bei den
verwendeten Dateiformaten nur eingeschränkt möglich. Auch bei den
Steuerungsfunktionen im dreidimensionalen Modus, besonders bei der Geländeflutung,
wäre eine Weiterentwicklung erstrebenswert. Hierbei muss allerdings ausdrücklich
darauf hingewiesen werden, dass sich das Modul erst in seiner Betaphase befindet und
die Flutungsoption, deren Notwendigkeit sich aus dieser Arbeit ergab,
freundlicherweise von den Softwareentwicklern sofort umgesetzt wurde.
119
Insgesamt kann der Einsatz des konzipierten Navigations-Informations-Systems in allen
Bereichen als Erfolg gewertet werden. Die Archäologen von ACACIA nutzen das
erarbeitete System mit seiner geografischen Datenbank und Satellitenbildbasis in
unterschiedlichen Teilprojekten weiter. Die Datenbanken dienen hierbei als
übersichtliche Möglichkeit der Verwaltung archäologischer Datensätze mit Raumbezug.
Die Navigationssoftware lässt eine Vielzahl einfach zu bedienender Abfrage- und
Visualisierungsfunktionen zu, die ansonsten nur mit kostenintensiver und komplexer
GIS-Software umzusetzen wären. Eine solche ist jedoch nicht für Navigationszwecke
im Gelände konzipiert. Insbesondere in der archäologischen Arbeit nehmen die
Geländeaufenthalte jedoch einen wichtigen Platz ein.
Die analoge Satellitenbildkartenserie im Maßstab 1:250000, die gleichzeitig mit den
Satellitenbildkacheln für das Navigations-Informations-System erarbeitet wurde, wird
mittlerweile in wissenschaftlicher Kooperation mit der "Geological Research Authority
of the Sudan" auf den Gesamtsudan ausgeweitet. Im Auftrag von ACACIA wurden
zudem bereits weite Flächen im angrenzenden Tschad in entsprechender Weise
kartografisch umgesetzt.
Die während des Surveys erfolgten geomorphologischen Beobachtungen haben ihren
Wert vor allem in ihrer flächendeckenden Eigenschaft, aus der ein deskriptives
Gesamtbild der Region abgeleitet werden kann. Für eine detaillierte, vertiefende
geowissenschaftliche Untersuchung lassen sich die bestehenden Datensätze weiter
nutzen um gezielt Lokationen zu bestimmen, an denen mit Hilfe eines Baggers oder
geeignetem Grabungsgerät tiefe Aufschlüsse angelegt werden können. Eine
Beschreibung der Stratigraphie sollte dann durch Probenentnahmen und
Laborbestimmungen ergänzt werden.
Die erhobenen archäologischen Datensätze wurden in dieser Arbeit nur in aggregierter
Form unter den Gesichtspunkten ihrer Verbreitung, Fundplatzausdehnung und
geomorphologischen Lage behandelt. Damit wurden nur jene aus geowissenschaftlicher
Sicht interessanten Teilaspekte der Informationen dargestellt.
Der Ansatz, über eine größere Fläche hinweg systematisch entlang von festgelegten
Fahrtstrecken in bestimmten Abständen archäologische Fundplätze aufzuzeichnen,
erwies sich als erfolgreich. Durch diese Methode wurden in bisher als nicht besiedelt
angesehenen oder mit dem Wagen schwer zugänglichen Gebieten wie den ansetzenden
Barchan-Feldern im Süden des Wadi Howar dichte Artefaktkonzentrationen
120
aufgefunden. Zudem wurde eine Vielzahl an bislang im Unteren Wadi Howar nicht
beschriebenen Brunnen- und Tränkplätzen entdeckt.
Die größte Leistung des durchgeführten Surveys besteht jedoch darin, dass mit ihm ein
differenziertes räumlich-zeitliches Verbreitungsmuster neolithischer Aktivitäten
gewonnen wurde. Ein solches zeitlich auflösendes Siedlungsmuster steht in enger
Relation zu holozänen Landschaftsgenese. Folglich können daraus durch
weiterführende Satellitenbildinterpretation unter Einbezug von digitalen
Höhenmodellen und thematisch relevanten geowissenschaftlichen Untersuchungen
deduktiv weitere Gebiete möglicher Siedlungsaktivitäten der verschiedenen
neolithischen Kulturen in und um das Untere Wadi Howar abgeleitet werden.
Um archäologische Fundplätze zukünftig besser in das holozäne Landschaftsbild
einordnen zu können, ist es erforderlich, dass neben einer genauen Koordinatenangabe
(dd,ddddd°/alt. m/EPE m) eine aussagekräftige geomorphologische Beschreibung
erfolgt. Ohne eine begleitende Anlage von Bodenprofilen können keine Aussagen
darüber getroffen werden, ob die zumeist von einer dünnen Flugsanddecke überwehten
Artefakte beispielsweise Seekreiden, playaartigen Sedimenten, einem fluvialen
Sandkörper oder Dünensanden aufliegen.
Neben der Erhebung einer punktuellen Koordinate ist es sinnvoll, für eine genauere
Bestimmung der Fundplatzausdehnung die Fläche mit einem aufzeichnenden GPS-
Empfänger zu umlaufen. Der resultierende "Tracklog" kann in das Navigations-
Informations-System übertragen werden und dient nicht nur einer genauen
Flächenberechnung sondern kann zudem als Umrissform visualisiert werden.
Bei der Gestaltung von Surveybögen sollte auch die Keramik als wichtigster zeitlicher
Indikator eines Fundinventars differenziert und gleichzeitig standardisiert erfasst
werden. Bei unverzierten Keramikfunden wäre vorzuschlagen, immer die Magerung mit
anzugeben.
Durch den Einsatz von Digitalkameras, die sowohl mit dem GPS als auch mit dem
Laptop zeitlich kalibriert sind, könnten alle relevanten Artefaktfunde in-situ fotografiert
werden, um sich in der Nachbearbeitung im Navigations-Informations-System
automatisiert den Fundplätzen zuweisen zu lassen. Auf zeitaufwendige und deswegen
weniger häufig eingesetzte Tafeln mit Fundplatznummern sowie Mitschriften in
Fotobüchern könnte hierbei verzichtet werden.
Die Aufzeichnungen der zurückgelegten Tracks im Abstand von wenigen Metern sind
eine Alternative zu analogen Fahrtenbüchern. Die Trackdatensätze sind nicht nur viel
121
genauer und erfolgen weitgehend automatisiert sondern ermöglichen vor allem auch
jederzeit eine kontextorientierte interaktive Darstellung und können problemlos
weitergegeben werden. Die Datenaufzeichnung kann im *.TXT-Format gespeichert
werden und ist damit nicht über proprietäre Standards an bestimmte Software gebunden.
Datenverlust kann und sollte durch Sicherungskopien der Tagesaufzeichnungen auf
einem robusten Medium wie einer "CompactFlash"-Karte während des
Geländeaufenthalts oder in Zunkunft über ein "Satelliten-Tracking-System" auf einem
heimischen Server erfolgen.
Der Einsatz eines satellitendatengestützten Navigations-Informations-Systems mit einer
strukturierten geografischen Datenbank und einer breiten Visualisierungsbasis, die auch
Fernerkundungsdaten mit einbezieht, ermöglicht eine effektive und flexible
wissenschaftliche Arbeitsweise, vor allem dann, wenn eine digitale Einbindung der
Geländearbeit erfolgt.
122
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6. MATERIALBAND (VERZEICHNIS) 6.1. Fototafeln Tafel 01: Sheet Line System
Tafel 02: Stone Artefacts
Tafel 03: Pottery Groups
Tafel 04: Flooding of DEM
Tafel 05: GPS-Altitudes and (D)GPS-Tracks
Tafel 06: Carbonate Concentration in Upper Soil Horizon
Tafel 07: Vegetation Distribution (TM4/ TM3/ TM2)
Tafel 08: Early Khartoum and Leiterband Type Ceramics
Tafel 09: Handessi Type Ceramics and Watering Places
Tafel 10: Survey Points and Tracks
6.2. Datenträger CD 01: TouraTech QV- Datenbanken
CD 02: Software
DVD: Survey Photos
6.3. Arbeitskarte NE 35 K Gebel Rahib, Worksheet 1:250 000 (TM7/TM4/ TM1)
129
7. ANHANG 7.1. Abkürzungsverzeichnis 7.2. Geowissenschaftliche Datensätze der Surveypunkte (Tabelle)
130
7.1. Abkürzungsverzeichnis BP before present, Jahre vor 1950
calBP kalibrierte Kalenderjahre vor 1950
BC Before Christi
TM Landsat Thematic Mapper 5
Gc Coarse Gravel 16 – 64 mm
Gm Medium Gravel 8 – 16 mm
Gf Fine Gravel 2 – 8 mm
Sc Coarse Sand 0,5 – 2 mm
Sm Medium Sand 0,25 – 0,5 mm
Sf Fine Sand 0,063 – 0,25 mm
U Silt 0,004 – 0,063 mm
C Clay < 0,004 mm
(nach: "UDDEN-WENTWORTH-SCALE", 1922, vereinfacht)