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MASTERBATCHES WORLDWIDE COLORED VISIONS IN PLASTICS WWW.GRAFE.COM 5 Ausgabe 1-2/2017 TECHNOLOGIE Obwohl sie ihr Kühlwasser chemisch behandeln, haben viele Kunststoffverar- beiter Probleme mit Korrosion, Ablage- rungen oder Algenbildung. Fast alle würden gerne auf Chemie verzichten. Sind physikalische Systeme zur Wasser- behandlung im industriellen Einsatz eine Alternative? T ext: Dipl.-Ing. Markus Lüling, Chefredakteur K-PROFI Ein Beitrag in K-PROFI brachte den Stein ins Rollen. Joachim Hannebaum las von Er fah- r ungen des Extrusionsbetriebs WRW West- f älische Rohrwerke mit der physikalischen Wasserbehandlung durch ein gepulstes Fre- quenzver fahren. Das war Ende 2014. Der Inhaber des gleichnamigen Ingenieurbü- ros in Aalen, das sich mit der Konstruktion von Spritzgussteilen, der Werkzeugoptimie- r ung und der Auslegung und Optimierung von Spritzgießprozessen beschäftigt, setzte einen Mitarbeiter auf den Themenkreis der Gegen Korrosion, Ablagerungen und Biofilme Reinigungswirkung und CSR-Auflagen steigern das Interesse an der physikalischen Wasserbehandlung sogenannten Biolm. Abgestorbene Zellen werden in einem Fäulnisprozess unter Bil- dung von Stoffwechselprodukten abgebaut. Beläge aus diesen Stoffwechselprodukten („Fouling-Beläge“) wiederum wirken kor- rosiv. Reaktionen von Abbauprodukten un- tereinander sind of t schlecht einschätzbar. Saure Abbauprodukte können den pH-Wert absenken und eine abtragende Korrosi- on begünstigen. Polierte Oberächen ver- hindern das Anhaf ten von Mikroorganis- men wie hohe Strömungsgeschwindigkeiten die Bildung von Biolmen. Kunststoffober- ächen begünstigten die Ablagerung von Biofilmen mehr als Metalloberflächen, so Dahme. Zur Bekämpfung von Bakterien kommen seiner Ansicht nach Biozide als chemische Option ebenso infrage wie elek- tromagnetische Wechselfelder, UV-Bestrah- lung oder eine lichtinduzierte Katalyse als physikalische Methoden. Dabei sei der Zu- stand des Füllwassers ebenso zu beachten wie der des bereits im System bendlichen Prozesswassers. Wasserbehandlung an, befragte die eige- nen Kunden, systematisierte die Ergebnisse und berichtete Ende 2016 in seinem „Forum Kühlwasser“ über die Erkenntnisse. Probleme in Kühlkreisläufen liegen oft in einem ‚Dreiklang‘ aus Korrosion, Ablage- rungen und biologischem Wachstum“, stell- te Hannebaum fest. Viele Verschmutzungen ließen sich trotz der verbreiteten chemi- schen Wasseraufbereitung nicht gänzlich vermeiden. Sie verursachten aber massive Schwierigkeiten bei der Berechnung und Auslegung von Kühlsystemen. Die Mechanismen für die Probleme in Kühl- kreisufen erklärte Dr. Hans Ulrich Dahme vom Institut Fresenius (SGS Group) aus Her- ten. Bei der mikrobiell beeinussten Korro- sion nden Bakterien zwischen 30 bis 40 °C Wassertemperatur optimale Wachstumsbe- dingungen. Extra-zelluläre polymere Subs- tanzen („EPS“) stabilisieren diese Mikroor- ganismen und bilden einen schleimartigen,

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MASTERBATCHES WORLDWIDECOLORED VISIONS

IN PLASTICSWWW.GRAFE.COM

5Ausgabe 1-2/2017 ‹ TECHNOLOGIE

Obwohl sie ihr Kühlwasser chemisch

behandeln, haben viele Kunststoffverar-

beiter Probleme mit Korrosion, Ablage-

rungen oder Algenbildung. Fast alle

würden gerne auf Chemie verzichten.

Sind physikalische Systeme zur Wasser-

behandlung im industriellen Einsatz

eine Alternative?

Text: Dipl.-Ing. Markus Lüling,Chefredakteur K-PROFI

Ein Beitrag in K-PROFI brachte den Stein insRollen. Joachim Hannebaum las von Erfah-rungen des Extrusionsbetriebs WRW West-fälische Rohrwerke mit der physikalischenWasserbehandlung durch ein gepulstes Fre-quenzverfahren. Das war Ende 2014. Der Inhaber des gleichnamigen Ingenieurbü-ros in Aalen, das sich mit der Konstruktionvon Spritzgussteilen, der Werkzeugoptimie-rung und der Auslegung und Optimierung von Spritzgießprozessen beschäftigt, setzte einen Mitarbeiter auf den Themenkreis der

Gegen Korrosion, Ablagerungen und Biofi lmeReinigungswirkung und CSR-Aufl agen steigern das Interesse an der physikalischen Wasserbehandlung

sogenannten Biofi lm. Abgestorbene Zellen werden in einem Fäulnisprozess unter Bil-dung von Stoffwechselprodukten abgebaut. Beläge aus diesen Stoffwechselprodukten („Fouling-Beläge“) wiederum wirken kor-rosiv. Reaktionen von Abbauprodukten un-tereinander sind oft schlecht einschätzbar.Saure Abbauprodukte können den pH-Wert absenken und eine abtragende Korrosi-on begünstigen. Polierte Oberfl ächen ver-hindern das Anhaften von Mikroorganis-men wie hohe Strömungsgeschwindigkeitendie Bildung von Biofi lmen. Kunststoffober-fl ächen begünstigten die Ablagerung vonBiofi lmen mehr als Metalloberfl ächen, soDahme. Zur Bekämpfung von Bakterienkommen seiner Ansicht nach Biozide als chemische Option ebenso infrage wie elek-tromagnetische Wechselfelder, UV-Bestrah-lung oder eine lichtinduzierte Katalyse als physikalische Methoden. Dabei sei der Zu-stand des Füllwassers ebenso zu beachten wie der des bereits im System befi ndlichen Prozesswassers.

Wasserbehandlung an, befragte die eige-nen Kunden, systematisierte die Ergebnisseund berichtete Ende 2016 in seinem „Forum Kühlwasser“ über die Erkenntnisse.

„Probleme in Kühlkreisläufen liegen oft ineinem ‚Dreiklang‘ aus Korrosion, Ablage-rungen und biologischem Wachstum“, stell-te Hannebaum fest. Viele Verschmutzungenließen sich trotz der verbreiteten chemi-schen Wasseraufbereitung nicht gänzlichvermeiden. Sie verursachten aber massive Schwierigkeiten bei der Berechnung und Auslegung von Kühlsystemen.

Die Mechanismen für die Probleme in Kühl-kreisläufen erklärte Dr. Hans Ulrich Dahme vom Institut Fresenius (SGS Group) aus Her-ten. Bei der mikrobiell beeinfl ussten Korro-sion fi nden Bakterien zwischen 30 bis 40 °C Wassertemperatur optimale Wachstumsbe-dingungen. Extra-zelluläre polymere Subs-tanzen („EPS“) stabilisieren diese Mikroor-ganismen und bilden einen schleimartigen,

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Vor dem Hintergrund dieser Fakten star-teten Joachim Hannebaum und seine Mit-arbeiter eine Praxisstudie mit 50 konkre-ten Anwendungsfällen bei Kunden aus der Spritzgießindustrie. Fast alle untersuch-ten Fälle waren Bestandssysteme. Mehr als95 % der von ihm befragten Anwender fül-len ihre Systeme mit Stadtwasser nach.Trotz chemischer Behandlung des Kühlwas-sers haben 70 bis 80 % der Anwender Pro-bleme mit Korrosion, Ablagerungen oder biologischem Wachstum wie etwa Algenbil-dung. Priorität für die Anwender haben Ab-lagerungen und Korrosion, während bio-logische Vorgänge als nachrangig wichtig erachtet wurden. Der Befragung zufolge würden mehr als 90 % der Spritzgießer auf Chemie verzichten, wenn es eine industriell erprobte Alternative gäbe.

Erfolge in der Kunststoffverarbeitung

Die bereits aus dem WRW-Anwenderbericht her bekannte physikalische Wasserbehand-lung schien so eine Alternative zu sein. So berichtete Gregor Heiermann von Bauer So-lutions, einem Hersteller physikalischer Wasserbehandlungsanlagen, über eine gro-ße Zahl von Anfragen infolge der Reporta-ge von K-PROFI. Diese Anlagen regen dasWasser in einem bestimmten Frequenzband so an, das 95 % aller Ionen und Inhaltsstof-fe in Bewegung bleiben und an der Ablage-rung gehindert werden. „Alles, was in ihrem Wassersystem hängt, wird berührt“, sagteGregor Heiermann, „Leitungen, Tanks, Fil-ter und Wärmetauscher.“

Gregor Heiermann verwies auf inzwischen zahlreiche Anwendererfahrungen aus der Kunststoffverarbeitung: Bei einem Rohrex-

trudeur verursachte eine zentrale Zisterne mit Unterfl ur-Rücklaufbecken einen kon-tinuierlichen Sauerstoffeintrag ins System und dadurch eine Verschlammung, die nur mit einem geschlossenen System und phy-sikalischer Behandlung abzulösen war. Beieinem Thermoformbetrieb, der einen Heiß-wasserkreislauf mit 160 °C bei 16 bar undeinen Kaltwasserkreislauf mit 20 °C beigleichem Druck betrieb, reduzierte eine By-pass-Installation im Vorlauf des Kaltwassersdie Ablagerungen. Bei einem Spritzgieß-betrieb in der Eifel, in dessen kombinierter zentraler Maschinen- und Werkzeugkühlung man Biofi lme, Algen und Sedimentierung festgestellt habe, brachte die Kombinationder Wasserbehandlung mit einer Feinstfi l-tration bei 30 μm den gewünschten Erfolg.

Neben technischen und wirtschaftlichen Kriterien haben auch Selbstverpfl ichtungenvon Unternehmen zur chemiearmen Produk-tion im Hinblick auf den CSR-Leitfaden ISO26000 das Interesse an physikalischer Was-serbehandlung gesteigert. So dürfen Mitar-beiter eines deutschen FahrzeugherstellersChemikalien nur nach gesonderter Genehmi-gung einsetzen. Hier habe man Erfahrungen an 40.000-kN-Spritzgießmaschinen gesam-melt, berichtete Heiermann. Die jährliche Einsparung allein durch die Reduzierung der Filterwechsel belaufe sich auf rund 100.000 EUR. Neben freiwilligen Reduzierungen seiauch eine stärkere Regulierung des Chemi-kalieneinsatzes durch den Gesetzgeber ab-sehbar, betonte Hans Ulrich Dahme.

Die Standardinstallation eines physikali-schen Systems kostet einen Betrag im un-tersten fünfstelligen Euro-Bereich. Nach-rüstlösungen und Provisorien seien überall

möglich, auch als Adhoc-Lösung in Form ei-nes dezentralen Einbaus zur Unterstützungdes Abbaus resistenter Magnetitreste oder eingebrannter Ablagerungen, so Gregor Hei-ermann. Es könne in Bestandsanlagen aber „gut und gerne ein halbes Jahr vergehen,bis sich ein statischer Zustand eingestellt hat“, sagte Heiermann, die Erfolge einerphysikalischen Wasserbehandlung kämen „nicht über Nacht“. In Kombination mit ei-ner automatischen Feinfi lterung ließen sich aber bestehende Verschmutzungen und Bio-fi lme lösen, ab- und austragen.

„Der sorgfältig gestaltete Kühlprozess wirdvon Ablagerungen vollkommen konterka-riert“, bilanzierte Stephan Schütze von De-salogics Membrane Support in Kempen. Da-mit es nicht ganz so schlimm kommt, gab esvon den verschiedenen Referenten durch-aus Empfehlungen, mit welchen Maßnah-men Kunststoffverarbeiter der Bildung vonKorrosion, Ablagerungen und Biofi lmen be-gegnen können:› Anlagengestaltung: Vermeiden von

Strömungstoträumen; Vermeiden vonGemischtbauweisen mit verschiedenenMetallen oder Metall-Kunststoff-Mixim Kreislauf; Beachtung von wartungs-freundlichem Design; geschlossene Kreis-läufe (kein Luftkontakt, kein Schmutz-eintrag); regelmäßige Wartung und Pfl ege

› Werkzeuglagerung: Sauber und trocken › Frischwasseraufbereitung: Vollautoma-

tische Absolutfi ltration des Frischwassers› Enthärtung und Entsalzung: Ionentau-

scher, der Calcium durch Natrium ersetzt› Physikalische Wasserbehandlung

› Falls physikalische Behandlung nicht erfolgreich ist: Chemikaliendosierung

(Fällungsinhibitoren statt Korrosions-inhibitoren, damit Abbauprodukte nicht zu Schwierigkeiten führen),

› Kühlkreislaufpfl ege: Kontrolle der Aus-fällungen, Filtration, Monitoring, Aufbau fi rmenspezifi schen Know-hows

› Temperaturführung: Erwärmung des Wassers über 25 °C vermeiden

Nach zwei Jahren intensiver Beschäftigungmit dem Themenkreis ist zumindest für Jo-achim Hannebaum klar: Alternative Verfah-ren der Wasseraufbereitung und eine auto-matische Feinfi lterung bleiben ebenso auf seiner Agenda wie bewertete Kühlkonzepte,die über das bisher allein betrachtete, reine Spritzgießsystem hinausgehen. ‹

www.hannebaum.de, www.bauer-wt.com,www.wrw-ahlen.de

Bei Veranstaltungen des Ingenieurbüros Hannebaum im Zeiss-Forum Aalen tauschen sich Experten über Praxis-aufgaben des Spritzgießens aus, zuletzt Verantwortliche aus Gebäudetechnik, Instandhaltung, Verarbeitungs-,Werkzeug- und Betriebstechnik über die physikalische Behandlung von Wasser in Temperierkreisläufen.