Garten+Landschaft 07/2016

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MAGAZIN FÜR LANDSCHAFTSARCHITEKTUR GARTEN LANDSCHAFT + JULI 2016 DIE RÜCKKEHR DES MENSCHEN ODER: WER HAT VORFAHRT IN DER STADT? plus Jan Gehl im Interview Berlin, London und das Fahrrad Praxis: Bunte Betonlandschaften

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Die Rückkehr des Menschen oder: Wer hat Vorfahrt in der Stadt?

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JULI 2016

DIE RÜCKKEHR DES MENSCHEN

ODER:WER HAT VORFAHRT

IN DER STADT?

plusJan Gehl im Interview

Berlin, London und das FahrradPraxis: Bunte

Betonlandschaften

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4GARTEN+LANDSCHAFT

36Groningen hat sie schon, die

autofreie Innenstadt. Was macht

das Konzept so erfolgreich?

50Lebendige Farben statt Grau in

Grau: Beton ist als Werkstoff

für Skateanlagen vielseitiger

als oft angenommen.

12Straßen werden

wieder Freiraum: Der

Münchner Harras

zeigt, wie Gestaltung

die Neudefinition

unterstützt.

18Jan Gehl holt weltweit, unter

anderem in Brighton, den

Menschen zurück in öffentliche

Räume, in denen lange das

Auto regierte.

32Berlin denkt über

Fahrradhighways nach.

Fahrt nimmt das

Unterfangen aber

vorerst nicht auf.

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INHALT

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STUDIO46 FRAGE

Brauchen wir bessere Bilder?Wie Büros von professionellen Projektfotos profi tieren.

50 PRAXIS Wider die TristesseBunte Betonlandschaften für Biker und Skater

52 LÖSUNGENStadtmobiliar + Editor’s Pick

58 REFERENZRoyale OrnamenteDen Haag rollt den steinernen Teppich aus.

TITELDie Rückkehr des Menschen oder:Wer hat Vorfahrt in der Stadt?

12 AUFPRALL PROGRAMMIERT?Straßen werden wieder als Freiraum verhandebar und erlebbar. Ein wichtiges Feld für Landschaftsarchitekten.

18 DER ANTI-ARCHITEKTJan Gehl im Interview über den Menschen als Maßstab und das Ringen der Städte um neu formulierte Räume.

26 STILLER STRASSENKAMPFLondon wächst, die Bürger sollen aufs Rad. Welche Konzepte gibt es?

32 KRAFTAKT FÜR MEHR RÄDER Berlin diskutiert über Fahrradhighways – vorerst ohne Ergebnis.

36 VORFAHRER GRONINGENDie autofreie Innenstadt ist hier längst Realität: Ein Gespräch über die Psychologie des Radfahrens.

40 AUS EIGENEM ANTRIEBDer Gesprächskreis „Die Transformateure“ will die Verkehrsplanung mit neuen Begriffen beleben.

44 KOMMENTARPlanen für Smombies?

RUBRIKEN60 Stellenmarkt63 Impressum62 Lieferquellen64 DGGL66 Sichtachse66 Vorschau

5GARTEN+

LANDSCHAFT

ARENA 06 SNAPSHOTS11 MOMENTAUFNAHME

360° Natur

Herausgeber:Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL)Wartburgstraße 4210823 Berlinwww.dggl.org

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Dem 75-jährigen Jubiläum des Wiederauf-baus Rotterdams nach dem zweiten Weltkrieg widmete das Architekturbüro MVRDV die temporäre Installation „The Stairs“. Von einem Stahlgerüst getragen führte eine Treppe mit 180 Stufen über 29 Meter vom Stationsplein, dem Bahn-hofsvorplatz des Rotterdamer Hauptbahn-

DAV ID FR I T SCH I ÜBER . . .

180 STUFEN

Mit The Stairs schaffte

MVRDV öffentlichen

Zugang zum Dach des

Groothandelsgebouw

in Rotterdam.

hofs, auf das Dach des Groothandels-gebouw, einem der ersten wieder aufgebauten Gebäude. Oben angekom-men erwarteten den Besucher eine Aussichtspattform mit Blick über Rotterdam sowie das Café Lucht. Das Konzept kam an: Schon am Tag der Eröffnung erklommen 7 850 Menschen die Sehenswürdigkeit auf Zeit. Bis zum 12. Juni 2016 waren The Stairs der Öffentlichkeit kostenfrei zugänglich. MVRDV wollte die temporäre Installa-tion etwa durch eine Rolltreppe ersetzen und so permanent in das Stadtbild Rotterdams aufnehmen. Auch wenn dieser Wunsch wohl vorerst nicht Realität wird: Architektonisch gesehen antwortete die Treppenkonstruktion auf die Angeln des Rotterdamer Hauptbahn-hofs und verband so die Installation mit dem historischen Monument. Die tragenden Gerüste stellten außerdem einen Bezug zum Wiederaufbau der Stadt her. Für Winy Maas, Architekt und Mitbe-gründer von MVRDV, war The Stairs ein erster symbolischer Schritt zur besseren Nutzung der zweiten Ebene Rotterdams. Der Zugang und die Verbindung der Dächer könnten neue öffentliche Räume und eine interaktive, dreidimen sionale, dichte Topografie für die nächste Stadtge-neration schaffen.Der visionäre Gedanke, eine neue urbane Ebene zu erschließen, ist ein wichtiger Impuls in die richtige Richtung, vor allem in Zeiten akuten Platzmangels. Offen bleibt natürlich, ob dieses Konzept in einem größeren Maßstab überhaupt durch-führbar wäre. Die Idee ist aber die richtige.

AUTOR

David Fritschi ist

Auszubildender im

Callwey Verlag und

unterstützt die

Redaktionen

Garten + Landschaft,

Baumeister und Topos.

+Ein Video über die Installation finden Sie unter

garten-landschaft.de/180-steps

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11GARTEN+

LANDSCHAFT

360° NATURDie „Infinite Bridge“, ein kreisrunder Steg, halb an Land, halb im Wasser, ist zwar ein Fremdkörper in der Küstenlandschaft vor Aarhus, steht aber dennoch in besonderer Beziehung zu ihr – symbolisiert sie doch den unendlichen Kreislauf der Natur.Der aus 60 Holzelementen zusammengesetzte Steg ist an einer Flussmündung positioniert. Er nimmt die leichte Rundung der Bucht auf und ersetzt einen ehemaligen Bootsanleger. Im Fokus der 60 Meter im Durchmesser umfassenden Installation der dänischen Architekten Gjøde & Povlsgaard steht nicht das Projekt selbst, sondern seine pittoreske Umgebung. „Wie der Horizont hat der Kreis keinen Anfang und kein Ende, weshalb die Kreisform die optimale Geometrie ist, Panorama einzufangen“, so die Architekten. Besucher flanieren auf der klar definierten Fläche ein bis zwei Meter über der Meeresoberfläche, begegnen sich zwanglos und können wie selbstverständlich ins Gespräch kommen. Der Kreis verbindet – nicht nur die Natur, sondern auch die Menschen, die sich auf ihn einlassen – eine schöne Geste.

MOMENTAUFN AHME

ARENAMOMENTAUFNAHME

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DIE RÜCKKEHR DES MENSCHEN– AUFPRALL PROGRAMMIERT?

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DIE RÜCKKEHR DES MENSCHENAUFPRALL PROGRAMMIERT?

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Es gibt sie längst: Konzepte, die das Kräfteverhältnis von Auto und Fußgänger im Straßenverkehr Richtung Gleichberechti-gung verschieben wollen. „Shared Space“ und Begegnungs-zonen etwa sind Ansätze, um die Dominanz motorisierter Fortbewegung im Stadtbild zu brechen. Es sollte aber nicht bei Standard-Lösungen bleiben. Vielmehr muss es um die Frage gehen: Wie wird Straße als Freiraum erleb- und verhan-delbar? Und: Wie ermöglicht Gestaltung ein funktionierendes Miteinander von Mensch und Maschine?

Der Templergraben in Aachen ist zum

einheitlichen Stadtboden geworden.

Gehweg und Fahrspuren heben sich nur

durch kleinen Fugen und weiße

Natursteinlinien voneinander ab.

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LANDSCHAFT

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DER ANTI-ARCHITEKTDer Times Square ohne Autos – ja, das geht. Jan Gehl und sein Team haben New York als Experten dabei unterstützt, ihre öffent-lichen Räume neu zu definieren, ihnen neues Leben einzuhauchen. Das Beispiel New York zeigt: Metropolen sind in ihren vermeitlich ausformulierten räumlichen Manifesten erschütterbar. Und zwar im positiven Sinn. Wir sprachen mit Jan Gehl über Stadt und Psychologie, den Menschen als höchst berechenbares Wesen, Moskau und – natürlich – Kopenhagen.

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DIE RÜCKKEHR DES MENSCHENJAN GEHL

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Über die Jahre ist der Aspekt einer

„menschenfreundlichen Stadtplanung“ zur

Basis für die Arbeit von Gehl Architects

geworden. Das dänische Architekturbüro

arbeitet weltweit und hat in jüngster Zeit

Projekte in New York, São Paulo, Brighton

und Lille realisiert.Foto

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STILLER STRASSEN-KAMPF

London braucht eine Antwort: Die Metropole wächst, und zwar so gut wie ungebremst. Wenn die Londoner morgens via Tube, Bus oder Auto zur Arbeit fahren, kommt das Verkehrsnetz schon jetzt regelmäßig zum Erliegen. Wie es in einigen Jahren sein wird, kann man sich in Etwa aus-malen. Diverse Konzepte sollen der Bevölkerung deshalb das Zufußgehen und Fahrradfahren schmackhaft machen.

TIM RETTLER

Londons Bevölkerung wächst. 8,5 Millio-nen Menschen lebten 2015 in der City of London und den anderen 32 Bezirken, die zur Stadtregion Greater London zählen. Die vielen Menschen setzen nicht nur den Wohnungsmarkt unter Druck. Auch der Verkehr kommt schon jetzt regelmäßig zum Erliegen. Im Februar 2016 veröffent-lichte die Mayor’s Design Advisory Group (MDAG) die „Good Growth Agenda“. Darin erörtert der vom Londoner Bürger-meister berufene unabhängige Ratgeber-kreis, wie sich Stadtplanung und Stadtent-wicklung in den kommenden Jahren dem prognostizierten Bevölkerungswachtsum stellen können, damit die Metropole weiterhin attraktiv und global wettbewerbs-fähig bleibt. Bis 2030 wird mit einem weiteren Zuwachs von etwa 1,5 Millionen Einwohnern gerechnet. Stadtraum und Infrastruktur sind einem besonderen Druck

ausgesetzt: Der sogenannte Metropolitan Green Belt schränkt London ein. Seit 1919 wirkt eine gesetzliche Vorgabe der maßlo-sen Ausbreitung der Metropole entgegen und lässt nur begrenzt freies Land zur Bebauung zu. Große Verkehrsprojekte wie Crossrail, eine neue Eisenbahnstrecke, welche die U-Bahnen entlasten soll, und der Ausbau der Northern Line nach Battersea, der Bakerloo Line nach Lewis-ham und der Overground nach Barking Riverside sollen vorhandene Kapazitäten erhöhen und bisher schlecht angebundene Stadtgebiete erschließen, um neue Quartie-re schaffen zu können.Die Good Growth Agenda schreibt Londons Straßen eine besondere Bedeutung zu. Sowohl in Hinsicht auf das wachsende Verkehrsaufkommen als auch den Umstand, dass diese auch etwa 80 Prozent des öffentlichen Raums ausmachen. Unter der

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DIE RÜCKKEHR DES MENSCHENLONDON

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London sucht nach Alternativen zum

Autoverkehr. Auf neue Projekte wie die

Peckham Coal Line haben immer öfter

auch die Bürger Einfluss und unterstützen

sogar mit Crowdfunding.