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Frauenwelten … Geschlechterrolle oder Geschlechtsrolle (engl. gender role) werden Verhaltensweisen genannt, die in einer Kultur für ein bestimmtes Geschlecht als typisch oder akzeptabel gelten (und Individuen zugewiesen werden), oder die Verhaltensweisen eines Individuums, die dieses mit seiner Geschlechtsidentität in Verbindung bringt und/oder mit denen es seine Geschlechtsidentität zum Ausdruck bringen will. Heute wird soziologisch und psychologisch zunehmend Geschlecht und Gender nicht mehr gleichgesetzt, um die kulturell und gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrollen von den biologischen Gegebenheiten zu unterscheiden. Geschlecht bedeutet dabei das biologische, durch den Körper bestimmte Geschlecht (die Leiblichkeit), Gender dagegen wird für den erworbenen Status des sozial und kulturellen Selbstverständnisses verwendet. Gender ist nicht biologisch festgelegt sondern sozial bzw. diskursiv hervorgebracht. Ausbruch aus der Geschlechterrolle: Eine Brigantin in Süditalien, Mitte des 19. Jahrhunderts Bisher sind keine Kulturen ohne Geschlechterrollen bekannt. Sie sind je historisch entstanden und einem ständigen Wandel unterworfen. Der kulturelle Aspekt der Geschlechtsrollen ist sehr breit gefächert. Die bekannteste Norm für kulturelle Geschlechtsrollen dürfte die heteronormative oder patriarchalische sein, welche im Westen seit Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend in Frage gestellt und modifiziert wird. Die „traditionellen“ Rollenzuschreibungen sind im Wesentlichen: Männer o Oberhaupt und Ernährer der Frau und Familie o Zuständig für Kontakte nach außen o Stark, rational, kämpferisch, sexuell aktiv o Männer als auf Frauen bzw. „Versorgerinnen“ kaum angewiesene „Jäger“

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Frauenwelten …

Geschlechterrolle oder Geschlechtsrolle (engl. gender role) werden

Verhaltensweisen genannt, die in einer Kultur für ein bestimmtes Geschlecht als

typisch oder akzeptabel gelten (und Individuen zugewiesen werden), oder die

Verhaltensweisen eines Individuums, die dieses mit seiner Geschlechtsidentität in

Verbindung bringt und/oder mit denen es seine Geschlechtsidentität zum Ausdruck

bringen will.

Heute wird soziologisch und psychologisch zunehmend Geschlecht und Gender nicht

mehr gleichgesetzt, um die kulturell und gesellschaftlich vorgegebenen

Geschlechterrollen von den biologischen Gegebenheiten zu unterscheiden.

Geschlecht bedeutet dabei das biologische, durch den Körper

bestimmte Geschlecht (die Leiblichkeit), Gender dagegen wird für

den erworbenen Status des sozial und kulturellen Selbstverständnisses

verwendet. Gender ist nicht biologisch festgelegt sondern sozial bzw.

diskursiv hervorgebracht.

Ausbruch aus der Geschlechterrolle: Eine Brigantin in Süditalien, Mitte des 19.

Jahrhunderts

Bisher sind keine Kulturen ohne Geschlechterrollen

bekannt. Sie sind je historisch entstanden und einem

ständigen Wandel unterworfen. Der kulturelle

Aspekt der Geschlechtsrollen ist sehr breit gefächert.

Die bekannteste Norm für kulturelle

Geschlechtsrollen dürfte die heteronormative oder

patriarchalische sein, welche im Westen seit Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend

in Frage gestellt und modifiziert wird.

Die „traditionellen“ Rollenzuschreibungen sind im Wesentlichen:

Männer

o Oberhaupt und Ernährer der Frau und Familie

o Zuständig für Kontakte nach außen

o Stark, rational, kämpferisch, sexuell aktiv

o Männer als auf Frauen bzw. „Versorgerinnen“ kaum angewiesene

„Jäger“

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Frauen

o Abhängig von und unterworfen einem männlichen Beschützer (Vater,

Ehemann etc.)

o Zuständig für die sozialen Bindungen innerhalb der Partnerschaft und

Familie

o Schwach, emotional und irrational, ausgleichend, sexuell passiv oder

desinteressiert

o Frauen als auf „Jäger“ angewiesene „Brutversorgerinnen“

Die Geschlechtergeschichte ist eine spezielle Geschichtswissenschaft, die sich mit

der historischen Ausprägung und Veränderlichkeit von Weiblichkeit, Männlichkeit

und des Verhältnisses der Geschlechter zueinander befasst. Dabei geht es

insbesondere um die Frage, wie kulturelle Geschlechterrollen das Denken, Fühlen

und Handeln von Menschen geprägt haben.

Frauen wurden in der Geschichtswissenschaft lange vernachlässigt. Nur einzelne

weibliche Persönlichkeiten galten der Geschichtsschreibung bis weit ins 20.

Jahrhundert hinein als erwähnenswert. Die Anfänge einer Frauengeschichte, die

Frauen als Handelnde in der Geschichte stärker ins Blickfeld der

Geschichtswissenschaft zu rücken versucht, liegen in Deutschland in den 60er Jahren.

Zentral für die Diskussion um eine neue Sichtweise in der Geschichte sei dabei die

Unterscheidung zwischen Sex und Gender, also zwischen dem biologischen und dem

kulturellen Geschlecht, gewesen. Anregungen dafür kamen aus dem Umfeld der

Frauenbewegung und den Women's Studies in den USA, also von außerhalb der

etablierten Geschichtswissenschaft (vgl. Frauenforschung,

Gender Studies). In den folgenden Jahren lag der Fokus

historischer Frauenforschung darauf, „Frauen sichtbar zu

machen“

Römisches Reich

Die Frau im antiken Rom war vom Mann und Hausherren (dominus) abhängig und

nahm nicht am gesellschaftlichen Leben teil, hatte jedoch als Vorsteherin des

Haushalts und Hausherrin (domina) ein gewisses Ansehen. Für die Ehe im

Römischen Reich rechtlich konstitutiv war die patria potestas des pater familias, des

männlichen Familienoberhauptes. Ab dem 25. Lebensjahr war die Frau jedoch

grundsätzlich frei bei der Entscheidung, eine Ehe einzugehen. In der römischen

Religion nahmen Vestalinnen, Priesterinnen der Göttin Vesta, die allerdings ehelos

bleiben mussten, eine geachtete Stellung ein. In der späten Kaiserzeit und gegen Ende

des Römischen Reiches wuchsen die Rechte der Frauen, so dass sie Einfluss auf das

politische Leben ausüben oder selbständig die Ehe schließen und scheiden konnten.

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Auch das Urchristentum hat dazu beigetragen, die Rechte

der Frauen und ihre Selbständigkeit zu stärken. Die Bibel –

insbesondere die Apostelgeschichte – erwähnt zahlreiche

„starke Frauen“, deren Status über den in der griechischen

Welt üblichen hinausgeht. In der Spätantike kam es jedoch

zu gegenläufigen Bewegungen.

Im Römischen Reich gab es offiziell keine Frauenarbeit, da es dem damaligen

Weltbild entsprach, dass der Mann für die Arbeit zuständig war. Die Frau hingegen

sollte sich um den Haushalt kümmern. Selbst von arbeitenden Sklavinnen ist in der

römischen Literatur nur sehr selten die Rede. Dort findet sich höchstens die, zumeist

unfreie, vilica. Eine vilica war die Frau eines vilicus und sie war zusammen mit ihrem

Mann für die Versorgung eines Gutshofes verantwortlich. Allerdings gibt es für

Frauenarbeit im Römischen Reich zahlreiche Beispiele, die durch Inschriften belegt

sind. Insgesamt gab es 103 Frauenberufe, die auch dem heutigen Rollenklischee

nahekommen. So gehörten die Berufe der Amme, Hebamme, Erzieherin oder der

Ärztin zu den populärsten. Für die Sklavinnen, die im häuslichen Umfeld arbeiteten,

gehörte die Arbeit der Friseurin oder der Kosmetikerin zu den häufigsten

Betätigungsfeldern. Im Römischen Reich gab es auch schon die Berufe der

Schauspielerin, Tänzerin und Musikerin. Allerdings waren all diese Berufe verpönt

und sie wurden häufig mit der Prostitution in Verbindung gebracht.

Mittelalter

Auch im Mittelalter war der Stand der Frau nicht nur von ihrem sozialen Stand

(Geburt) abhängig, sondern vor allem von Stand ihres Ehemannes. Dabei waren im

Mittelalter in Europa längst nicht alle Menschen in der Lage zu heiraten. Von dem

jeweiligen Grund- oder Gutsbesitzer sowie von entsprechenden Stellen in der Stadt

(Magistrat, Gilde, Zunft) wurde nur demjenigen die Ehe und Familiengründung

gestattet, der auch eine Familie unterhalten konnte. Dadurch war mehr als die Hälfte

der Bevölkerung von der Heirat ausgeschlossen. Wegen der damaligen

vorherrschenden religiösen und ethischen Grundsätze bedeutete dies auch einen

faktischen Ausschluss von der Möglichkeit, Kinder zu zeugen und eine Familie zu

gründen.

Unverheiratete Töchter wurden häufig als Nonnen in

Klöstern untergebracht und so versorgt oder mussten

arbeiten. Sie waren z. B. häufig in der Textilherstellung

tätig. So gab es beispielsweise die Berufe der Kürschnerin,

Schneiderin, Näherin oder den der Hutmacherin.

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Frauen waren ebenfalls als Kauffrauen tätig und boten oft die Produkte, die von ihren

Männern hergestellt wurden, feil. Auf dem Lande verdingten sie sich häufig als

Verkäuferinnen von Waren, die auf dem eigenen Bauernhof produziert wurden.

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Berufe, die sich mit der Geburtshilfe beschäftigten,

wurden auch im Mittelalter überwiegend von Frauen

ausgeübt. Einerseits geschah dies aus moralischen

Beweggründen, andererseits zählte die Schwangerschaft

und Geburt zu den „natürlichen Aufgaben der Frauen“.

Der Beruf der Prostituierten wurde zwar sehr schlecht

angesehen, jedoch wie zu allen Zeiten ausgeübt und bot Frauen eine Option zum

Geldverdienen.

Im mittelalterlichen Hamburg gab es zwischen den Jahren 1340 und 1400 insgesamt

1322 Gewerbetreibende, von denen 77 weiblichen Geschlechts waren. Dies entspricht

acht Prozent. Für die Mehrheit der Frauen im mittelalterlichen Deutschland und

Europa war es selbstverständlich, erwerbstätig zu sein, auch und gerade in heutigen

„Männerberufen“ und in den Zünften der Handwerke. Typische Berufe waren die

Wollweberin, die Fleischerin, Schuhmacherin oder Sattlerin, Bereiche, in denen

Frauen auch als Meisterin tätig sein und eine Funktion in der Zunft übernehmen, sie

aber nicht politisch nach außen vertreten konnten.

Im frühen Mittelalter waren Frauen von Banketten und Festmahlen ausgeschlossen;

sie aßen unter sich in den Frauengemächern. Erst mit der Zeit des Minnekultes wurde

ihre Anwesenheit bei den adeligen Festmahlen üblich. Beim Gildemahl waren sie

immer ausgeschlossen.

Eine Frau trägt Wasser vom Brunnen ins Haus, Tacuinum sanitatis, 15.

Jahrhundert

Natürlich gab es immer auch Ausnahmen – denken

wir nur an „Herr Käthe“

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oder z. B. Elisabeth von Hessen, die nach dem Tod ihres

Mannes, Prinz Johann von Sachsen 1537 als 35-jährige Witwe

nach Rochlitz zog, das sie bei ihrer Heirat als Wittum

zugesprochen bekommen hatte. Der sächsische Hof wollte ihr

keinen eigenen Haushalt überlassen, dies konnte sie aber mit

Hilfe ihres Bruders Philipp von Hessen verhindern, der die

Einhaltung des Ehevertrages durchsetzte. In ihrem Gebiet

(Amt Rochlitz mit der Stadt und dem Schloss Rochlitz,

Mittweida und Geithain und das Amt Kriebstein mit

Waldheim und Hartha) gestattete Elisabeth ab 1537 die

lutherische Lehre, als ihr Schwiegervater im übrigen Sachsen

noch streng am Katholizismus festhielt. Ihr Bruder unterstützte auch die Aufnahme

Elisabeths in den Schmalkaldischen Bund, das Verteidigungsbündnis protestantischer

Fürsten. Als einzige Frau in diesem Bündnis zählt sie zu den „wirkmächtigsten

Frauen des Reformationszeitalters“. Sie wird in der Literatur häufig mit dem

Beinamen „von Rochlitz“ erwähnt.

Von der Aufklärung bis in die Gegenwart

Im Zeitalter der Aufklärung setzten sich einige der Freidenker auch für die

Frauenrechte ein, so in Frankreich Nicolas de Condorcet, der das freie Wahlrecht für

Frauen propagierte. Zahlreiche Frauen nahmen das Recht für sich in Anspruch,

Literarische Salons zu gründen, in denen die geistigen und politischen Erneuerer der

Zeit verkehrten.

Die erste Welle der Frauenrechtsbewegung forderte die politische und

gesellschaftliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern (etwa das Recht für

Frauen auf politische Mitbestimmung, Recht auf Bildung, Recht auf Arbeit, Recht

auf eigenen Besitz etc.). Weiterhin ging es den Frauen um den Abbau von

Benachteiligungen im Familienrecht. Dort sollte die Ehefrau und Mutter gleiche

Rechte bekommen wie der Ehemann und Vater, der im zeitgenössischen Zivilrecht

eine deutlich bevorzugte Stellung besaß.

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Der zentrale Punkt, an welchem man im damaligen Recht die Rechtsstellung der Frau

schlechthin definierte, befand sich damals noch nicht im Verfassungsrecht, sondern

im Familienrecht. Die Begründung spezifisch „männlicher“ und „weiblicher“ Rechte

erfolgte im älteren Recht nämlich häufig im Rahmen der persönlichen Ehewirkungen

(heutiger § 1353 BGB – eheliche Lebensgemeinschaft) und wurde von dort auf

andere Gebiete innerhalb und außerhalb des Familienrechts übertragen. In

Deutschland hatten die „Rechtskämpfe“ der Frauenbewegung einen ersten

Höhepunkt in den 1890er Jahren, als Frauen gegen das geplante Familienrecht des

neuen BGBs rebellierten.

Ideell behielt die christliche Kirche bis weit ins 20. Jahrhundert hinein einen großen

Einfluss auf die Form des partnerschaftlichen Zusammenlebens. Die christliche Ehe

sollte garantieren, dass Nachkommen gezeugt würden und in einem geschützten

Raum aufwüchsen, und wies den Eltern dabei geschlechtergetrennte

Aufgabenbereiche zu. Das Eintreten in eine Ehe war für Frauen fast unumgänglich,

da die meisten Familien nicht die finanzielle Möglichkeit hatten, um eine Frau in

ihrer Ehelosigkeit zu unterhalten. Für Männer stellte die Ehe aufgrund der fast

kostenlosen Abnahme häuslicher Arbeit und Versorgung der gemeinsamen

Nachkommen einen erstrebenswerten Zustand dar. Die Ehe entwickelte sich von

einem mittelalterlichen Instrument dynastischer Vernetzung zu einer

Wirtschaftsverbindung. Je nach sozialem Status der Eheleute wurden durch sie

politische und wirtschaftliche Interessen verfolgt oder war sie unerlässlich für das

Überleben beider Partner.

Frauen arbeiten häufig als Hebammen. Während dieser Zeit

war der Beruf der Hebamme den Frauen vorbehalten, da

Männer nicht praktisch in der Frauenheilkunde unterrichtet

wurden. Damals mussten Hebammen verheiratet oder

verwitwet sein und selbst ein Kind zur Welt gebracht haben.

Hebamme war in den Städten ein Ausbildungsberuf und der

Ruf, Lebenswandel und Verhalten der Hebammen stand

unter Ratsaufsicht. Da Hebammen laut

Hebammenverordnung einen „guten Ruf und gute Hände“

brauchten, waren sie häufig von der harten Arbeit auf dem

Land freigestellt.

In der Neuzeit gab es auch Frauen, die künstlerischen Berufen nachkamen, wie die

Künstlerin, Kupferstecherin, Malerin, Stickerin, Emailkünstlerin, Bildhauerin oder

Kalligrafin. Allerdings wurden sie nicht gut gefördert, sodass sie ihr Talent häufig

nicht komplett zur Entfaltung bringen konnten.

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Es gab auch Schauspielerinnen und Sängerinnen, die seit

dem 18. Jahrhundert meistens im Theater auftraten. Seit

dem 19. Jahrhundert haben sie sich zunehmend etabliert.

Musikerinnen, die für den Hochadel musizierten, wurden

im häuslichen Rahmen ausgebildet.

Mitte 20. Jahrhundert bis heute

Fast vergessen ist heute, dass in der jungen Bundesrepublik Deutschland bis 1958 ein

Ehemann das Dienstverhältnis seiner Frau kündigen konnte. In Baden-Württemberg

mussten Lehrerinnen noch bis 1956 durch ein Lehrerinnenzölibat-Gesetz aus dem

Staatsdienst ausscheiden, wenn sie heirateten.

Erst mit dem Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau von 1957 hatte

der Mann nicht mehr das Letztentscheidungsrecht in allen Eheangelegenheiten, und

die Zugewinngemeinschaft wurde zum gesetzlichen Güterstand. Bis dahin verwaltete

der Mann das von seiner Frau in die Ehe eingebrachte Vermögen und verfügte allein

über die daraus erwachsenen Zinsen und auch über das Geld aus einer

Erwerbstätigkeit der Ehefrau.

In diesem Gesetz wurden auch zum ersten Mal

die väterlichen Vorrechte bei der

Kindererziehung eingeschränkt und erst 1979

vollständig beseitigt. 1976 strich eine

grundlegende Neuregelung des Ehe- und

Familienrechts eine gesetzliche Aufgabenteilung

in der Ehe.

Ab den 1980er-Jahren wurde von Feministinnen weltweit immer wieder kritisiert,

dass die Umsetzung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vielfach

ungenügend sei und Menschenrechtsverletzungen an Frauen aus den verschiedensten

Gründen nicht zur Kenntnis genommen oder vernachlässigt würden.

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Die erste Frauenbewegung

Sowohl die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts

aufkommende Frauenbewegung als auch

gesellschaftliche Veränderungen wie die

Industrialisierung und insbesondere die beiden

Weltkriege, die es erforderten, dass Frauen die ihnen

von der Gesellschaft als „angestammten“ Platz

definierte Geschlechterrolle verließen, führten zu starken Veränderungen der

Geschlechterrollen; dabei wurde die weibliche Geschlechtsrolle stärker liberalisiert

als die männliche.

Der Erste Weltkrieg und seine Folgen:

Millionen Frauen wurden Witwe (etwa 10 Millionen tote Soldaten, davon 2

Millionen deutsche Soldaten) bzw. alleinerziehende Mutter (die Kriegswaisen

lernten ein anderes Rollenbild)

Millionen Frauen arbeiteten an Arbeitsplätzen, die vorher von Männern

ausgeübt worden waren

Millionen Männer kehrten als körperliche und/oder seelische Krüppel aus dem

Krieg zurück (etwa 20 Millionen verwundete Soldaten);

mancherorts schwand der Einfluss der katholischen Kirche (in Frankreich hatte

dieser Prozess schon 1905 begonnen)

Als Zäsur wurde auch empfunden, dass Frauen in vielen Ländern 1918 oder

danach das Wahlrecht erhielten (z.B. Deutschland 1918, USA 1920, Italien 192

5, Schweiz 1971!).

Das Frauenwahlrecht wurde in Europa zu unterschiedlichen Zeitpunkten

gewährt, oft auch vor dem allgemeinen Wahlrecht für Männer und

Frauen. Ebenso wurden aktives und passives Wahlrecht manchmal nicht

gleichzeitig eingeführt.

1906 Finnland

1908 Dänemark (nur bei Kommunalwahlen)

1913 Norwegen

1915 Dänemark (volles Wahlrecht, einschließlich Island)

1918 Österreich, Estland (republikanische Seite im Bürgerkrieg), Deutschland,

Lettland, Polen, Russland, Vereinigtes Königreich (einschließlich Irland)

1919 Weißrussland, Belgien (nur auf Gemeindeebene), Ungarn, Luxemburg,

Niederlande (passives seit 1917), Ukraine

1920 Tschechoslowakei

1921 Litauen, Rumänien (mit Einschränkungen), Schweden

1925 Italien (nur Kommunalwahlen)

1928 Irland und Vereinigtes Königreich (beide allgemeines gleiches Wahlrecht)

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Und heute? Mitten in der Zweiten Frauenbewegung …

Während es bei der ersten Frauenbewegung ganz klar um mehr Rechte für Frauen

ging, ist inzwischen der Fokus auf ein Miteinander gerichtet.

Geschlechtergerechtigkeit – das gilt sowohl für Frauen als auch für Männer.

So stößt z. B. eine junge Frau, die ein naturwissenschaftliches Studium anstrebt,

nahezu überall auf Verständnis und Akzeptanz, auch wenn die Berufschancen

schlechter sind als die eines vergleichbar ausgebildeten Mannes. Ein Mann jedoch,

der länger als für einige Monate die Rolle eines „Hausmannes“ annimmt, weil zum

Beispiel seine Frau eine bessere Ausbildung hat, stößt sowohl bei vielen Männern als

auch bei vielen Frauen auf Unverständnis.

1930 Türkei

1931 Portugal (Bildungszensus)

1933 Spanien

1934 Portugal und Türkei (Ausweitung des Wahlrechts)

1944 Bulgarien

1945 Frankreich, Kroatien, Slowenien, Jugoslawien

1946 Korea, Italien, Rumänien (mit Einschränkungen)

1947 Bulgarien, Malta

1948 Belgien, Irak, Italien, Korea

1949 Bosnien und Herzegowina, Griechenland

1953 Ungarn

1956 Pakistan

1959 San Marino

1963 Iran

1971 Schweiz

1976 Portugal (Beschränkungen aufgehoben)

1984 Liechtenstein