Frauen erzielen im Durchschnitt nur halb so hohe · PDF fileDIW Wochenbericht Nr. 35.2014 803...
date post
06-Feb-2018Category
Documents
view
218download
1
Embed Size (px)
Transcript of Frauen erzielen im Durchschnitt nur halb so hohe · PDF fileDIW Wochenbericht Nr. 35.2014 803...
DIW Wochenbericht Nr. 35.2014 803
GENDER INCOME GAP UND GENDER TAX GAP
Frauen erzielen im Durchschnitt nur halb so hohe Einkommen wie MnnerVon Stefan Bach
Erstmals wurde fr Deutschland eine geschlechtsspezifische Analyse der Einkommensverteilung und der Steuerlastverteilung auf Grundlage der zuletzt verfgbaren Daten aus der Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2007 durchgefhrt. Danach erzielen Frauen im Durchschnitt nur die Hlfte des Einkommens der Mnner. Dieser Rckstand ist bei den Kapital- und Vermietungs-einkommen weniger ausgeprgt als bei den Arbeits- und Gewinn-einkommen. Die durchschnittlichen Einkommensteuerbelastungen von Frauen liegen zwar insgesamt unter denen der Mnner. In den unteren und mittleren Einkommensgruppen sind die Durchschnitts-belastungen der Ehefrauen aber mehr als doppelt so hoch wie die der Ehemnner mit gleichen Einkommen. Dieser Effekt entsteht durch das Ehegattensplitting.
Die Einkommensunterschiede zwischen Mnnern und Frauen sind von groem Interesse fr die Arbeitsmarkt-, Familien- und Gleichstellungspolitik. Sie werden zu-meist an den durchschnittlichen Stundenlhnen von Arbeitnehmern festgemacht. Das Statistische Bundes-amt berechnet jhrlich auf Grundlage der laufenden Arbeitskosten- und Verdiensterhebungen einen Gender Pay Gap fr die durchschnittlichen Bruttostundenver-dienste in Deutschland. Demnach erzielen Frauen im Durchschnitt 22Prozent niedrigere Stundenlhne als Mnner.1 Da Frauen hufig in Teilzeit arbeiten, betrgt die Differenz bei den Bruttojahresverdiensten sogar 37Prozent.2 Ein groer Teil dieses Lohnabstands kann durch geschlechtsspezifische Unterschiede bei Beru-fen, Branchen, Karriere, Berufserfahrung, Arbeitszeit, Familienbeziehungen und weitere sozio-demographi-sche Merkmale erklrt werden.3 Analysen auf Grund-lage von Haushaltserhebungen wie dem Sozio-oekono-mischen Panel (SOEP), bei denen weitere Informationen zum Haushaltskontext einbezogen und die Wirkungen des Steuer- und Transfersystems analysiert werden kn-nen, fhren zu hnlichen Ergebnissen.4 Sonstige Ein-kommensarten, also vor allem Unternehmens- und Ver-mgenseinkommen, Alterseinkommen oder staatliche Transfers, werden bei diesen Untersuchungen nicht bercksichtigt.
1 Statistisches Bundesamt: Gender Pay Gap 2013 bei Vollzeitbeschftigten besonders hoch. Pressemitteilung Nr. 104 vom 18. Mrz 2014.
2 Statistisches Bundesamt: Verdienste und Arbeitskosten Verdienststrukturen 2010. Fachserie 16, 595. Zu detaillierten Analysen der Verdienstunterschiede bei Fachkrften im Vergleich zu sonstigen Angestellten auf Grundlage des SOEP vgl. Busch, A., Holst, E. (2013): Geschlechtsspezifische Verdienstunterschiede bei Fhrungskrften und sonstigen Angestellten in Deutschland: Welche Relevanz hat der Frauenanteil im Beruf? Zeitschrift fr Soziologie, Jg. 42, Heft4, August 2013, 315336.
3 Bundesministerium fr Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2009): Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Mnnern in Deutschland. Dossier; Statistisches Bundesamt (2010): Verdienstunterschiede zwischen Mnnern und Frauen 2006. Wiesbaden; Schfer, H., Schmidt, J., Oliver Stettes, O. (2013): Beschftigungsperspektiven von Frauen. IW-Positionen Nr. 57, Kln. Vgl. auch Marianne Bertrand, M. (2011): New Perspectives on Gender. Handbook of Labor Economics, Volume 4b. und Francine D. Blau, F. D. (2012): Gender, Inequality, and Wages. Oxford.
4 Gallego Granados, P., Geyer, J. (2013): Brutto grer als Netto: Geschlechtsspezifische Lohnunterschiede unter Bercksichtigung von Steuern und Verteilung. DIW Wochenbericht Nr. 28/2013.
GENDER INCOME GAP UND GENDER TAX GAP
804 DIW Wochenbericht Nr. 35.2014
Datenfernverarbeitung bei den Forschungsdatenzentren der Statistischen mter durchgefhrt.6 Dadurch konn-
Wer trgt die Steuerlast in Deutschland? Verteilungs wirkungen des deutschen Steuer- und Transfersystems, das durch die Hans-Bckler-Stiftung gefrdert wird.
6 Forschungsdatenzentren der Statistischen mter des Bundes und der Lnder. Datenangebot Lohn- und Einkommensteuerstatistik.
In einer Studie haben wir, erstmalig fr Deutschland, wesentliche Informationen der Lohn- und Einkommen-steuerstatistik zur Einkommensverteilung sowie zur Steuerbelastung nach Mnnern und Frauen aufberei-tet.5 Die hier vorgestellten Berechnungen wurden ber
5 Bach, S. (2013): Geschlechtsbezogene Verteilungswirkungen der Einkommensbesteuerung in Deutschland. In: Spangenberg, U., Wersig, M. (Hrsg.): Geschlechtergerechtigkeit steuern. Perspektivenwechsel im Steuerrecht. Berlin, 5781. Diese Studie ist entstanden im Rahmen des Forschungsprojekts
Die Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2007 erfasst die
Bruttoeinkommen der privaten Haushalte in Deutschland
weitgehend. Die Statistik enthlt smtliche Informationen der
Einkommensteuer-Veranlagung des jeweiligen Jahres, die von
den statistischen mtern fr Zwecke der Steuerstatistik aus
der Datenverarbeitung der Finanzverwaltung bernommen
werden.1 Fr die nicht veranlagten Lohnsteuerflle, also die
lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer, die nach Ablauf des
Steuerjahres keine Steuererklrung abgeben, werden die
Informationen aus den Lohnsteuerkarten beziehungsweise
den elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen der Arbeit-
geber bernommen. Damit enthlt der Datensatz nahezu
smtliche Informationen zu den steuerpflichtigen Einknften,
zu den Sonderausgaben und auergewhnlichen Belastun-
gen, zum steuerlichen Familienleistungsausgleich (Kinder-
freibetrag, Kindergeld), zur tariflichen und festgesetzten
Einkommensteuer sowie zum Solidarittszuschlag und zu den
Abzugsbetrgen von der Steuerschuld.
Als Verwaltungsstatistik hat die Einkommensteuerstatistik
gegenber Haushaltserhebungen den Vorteil, dass sie keinen
Stichprobenfehler und keine Selektionsverzerrungen hin-
sichtlich der Teilnahme an der Erhebung aufweist. Dadurch
eignet sie sich besonders fr breite und tiefe Analysen
der Einkommensverteilung, bei der auch kleinere Gruppen
betrachtet werden knnen, zum Beispiel Hocheinkommens-
bezieher, alleinstehende Frauen mit hheren Einkommen
und Kindern oder Selbststndige. Bei Unternehmens- und
Vermgenseinkommen sowie bei hohen Einkommen bietet die
Steuerstatistik im Vergleich zu den Haushaltserhebungen eine
zuverlssigere Erfassung, auch wenn diese Einknfte durch
Steuervermeidung oder -hinterziehung verzerrt sein knnen.
Die Einkommensinformationen sind sehr zuverlssig erfasst,
soweit es sich um steuerpflichtige Einknfte handelt. Dies sind
1 Statistisches Bundesamt (2012): Qualittsbericht Lohn- und Einkommensteuerstatistik. Wiesbaden.
die Einknfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb,
selbststndiger Arbeit (Freiberufler), Einknfte aus nichtselbst-
stndiger Arbeit (Arbeitseinknfte sowie Versorgungsbezge
aus frheren Beschftigungen), Einknfte aus Kapitalver-
mgen und Vermietung bzw. Verpachtung sowie sonstige
Einknfte (vor allem (Leib-)Renten und hnliche Altersbezge).
Auch steuerfreie Einknfte wie die Lohnersatz leistungen der
ffentlichen Sozialversicherungen (zum Beispiel Arbeitslosen-
geldI, Krankengeld, Kurzarbeitergeld, Konkursausfallgeld etc.)
oder das Elterngeld werden fr die Besteuerung nach dem
Progressionsvorbehalt erfasst, soweit die Steuerpflichtigen mit
steuerpflichtigen Einknften veranlagt werden.
Andere steuerfreie Einknfte wie beispielsweise der Verdienst
aus einem Minijob oder steuerfreie Zuschlge fr Nacht- und
Feiertagsarbeit sind in der Statistik nicht erfasst. Ferner fehlen
die bedrftigkeitsgeprften Sozialtransfers, die nicht steuer-
pflichtig sind, also Grundsicherung und Sozialhilfe, Wohngeld
und Leistungen nach dem Bundesausbildungsfrderungs-
gesetz. In der Einkommensteuerstatistik tauchen daher die-
jenigen Personen nicht auf, die im Wesentlichen von solchen
Sozialtransfers oder Lohnersatzleistungen leben und keine
oder nur geringe steuerpflichtige Einknfte haben, fr die sich
eine Veranlagung nicht lohnt. Ferner fehlen viele Rentner mit
niedrigen Altersbezgen, die keine weiteren steuerpflichtigen
Einkommen haben. Diese Steuerpflichtigen wurden 2007
hufig nicht veranlagt, da deren Leibrenten nur anteilig be-
steuert werden und sie mit ihren steuerpflichtigen Einknften
unterhalb der Freibetrge blieben.
Das Geschlecht der Steuerpflichtigen ist im Datensatz
nachgewiesen. Zusammenveranlagte Ehepaare gelten als
ein Steuerpflichtiger. In diesen Fllen sind die Einknfte und
weitere steuerrelevante Merkmale separat fr die Partner
nachgewiesen. Bei Arbeitseinkommen, Beamtenpensionen
oder Renteneinkommen drfte die Zuordnung der Einknfte
auf die beiden Partner sehr zuverlssig sein, da die deklarier-
ten Einknfte mit Informationen aus dem Lohnsteuerverfah-
Kasten
Bruttoeinkommen in der Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2007
GENDER INCOME GAP UND GENDER TAX GAP
805DIW Wochenbericht Nr. 35.2014
sind auch die Unternehmens- und Vermgenseinkom-men und die hohen Einkommen reprsentativ erfasst, die bisher nicht geschlechtsspezifisch untersucht wur-den. Hier werden aktualisierte Ergebnisse fr das Jahr 2007 vorgelegt.8 Eine neuere Lohn- und Einkommen-steuerstatistik liegt bisher nicht vor.
8 Statistisches Bundesamt: Lohn- und Einkommensteuer Fachserie14 Reihe7.1 2007.
ten auch die Steuerpflichtigen mit sehr hohen Einkom-men bercksichtigt werden.7
Die Lohn- und Einkommensteuerstatistik bietet ein um-fassendes Bild der geschlechtsbezogenen Einkommens-verteilung und Einkommensteuerbelastungen. Dabei
7 Die fr die Wissenschaft verfgbaren,