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forumTechnische Mitteilungen ThyssenKrupp Dezember 2002
Tk
Impressum02
forumThyssenKrupp 1/2002
Impressum
HerausgeberThyssenKrupp AGZentralbereich TechnikAugust-Thyssen-Straße 140211 DüsseldorfPostfach 10 10 1040001 DüsseldorfTelefon 0211/8 24-3 62 91Telefax 0211/8 24-3 62 85
Erscheinungsweise
„forum – Technische MitteilungenThyssenKrupp“ erscheint ein- bis zweimal jährlich in deutscher und englischer Sprache.
Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers.Fotomechanische Vervielfältigung einzelner Aufsätze ist erlaubt.
Der Versand des „forum – Technische MitteilungenThyssenKrupp“ erfolgt über eine Adressdatei, die mit Hilfe der automatisierten Datenverarbeitung geführt wird.
ISSN 1438-5635
Titelbild
Bei hochwertigen Fernsehern kann man
heute einen eindeutigen Trend hin zu groß-
formatigen Flachbildschirmen erkennen.
Neu entwickelte Werkstoffe für den Bild-
schirmrahmen, über den die Schatten-
maske aufgespannt wird (s. Titelbild),
sorgen für ein Fernsehbild hoher Farbbrillanz
und Schärfe. Im Rahmen des ThyssenKrupp
Innovationswettbewerbs 2002 wurden die
in diesem Zusammenhang von ThyssenKrupp
Stahl und ThyssenKrupp VDM neu ent-
wickelten Werkstoffe mit dem 1. Preis
honoriert.
Der 2. Preis wurde für ein innovatives
Berechnungsverfahren für Großwälzlager
in Verbindung mit kundenspezifischen An-
schlusskonstruktionen an Rothe Erde ver-
geben.
Das neue Konzept von Defontaine für
Anlasserzahnkränze und Schwungrad-
systeme, Flexwheel® genannt, wurde mit
dem 3. Preis ausgezeichnet.
Die Ihnen vorliegende Ausgabe von forum-
Technische Mitteilungen ThyssenKrupp
stellt neben diesen prämierten Innova-
tionen weitere herausragende Beiträge
zum Wettbewerb vor.
Vorwort03
forumThyssenKrupp 1/2002
Prof. Dr.-Ing. Ekkehard D. Schulz, Vorsitzender des Vorstands der ThyssenKrupp AG
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
der diesjährige Innovationswettbewerb des
ThyssenKrupp Konzerns ist auf erfreulich
hohe Resonanz gestoßen. Insgesamt wurden
63 Vorschläge aus allen Segmenten weltweit
eingereicht, die es zu bewerten galt.
In dieser Ausgabe von „forum-Technische
Mitteilungen ThyssenKrupp“ stellen wir Ihnen
besonders herausragende Innovationen bzgl.
neuer oder verbesserter Produkte, Fertigungs -
technologien und Dienstleistungen vor.
Für großformatige Flachbildschirme auf
Röhrenbasis entwickelten ThyssenKrupp
Stahl und ThyssenKrupp VDM neue spezielle
Rahmenwerkstoffe, die sich durch eine
niedrige, auf den Schattenmaskenwerkstoff
abgestimmte Wärmeausdehnung bei gleich-
zeitig hoher Festigkeit auszeichnen. Über
ein neues Konzept für das System Anlasser-
zahnkranz/Schwungrad mit hoher Lebens-
dauer speziell für den Stop-and-go-Betrieb,
Flexwheel® genannt, wird von ThyssenKrupp
Defontaine berichtet. Neue Technologien mit
den Zielen der Qualitätsverbesserung und
Kosteneinsparung in der Fertigung präsen-
tieren ThyssenKrupp Turbinenkomponenten
mit einer vollautomatischen Wärmebe-
handlungslinie für Triebwerkscheiben sowie
ThyssenKrupp Gerlach mit einer vollauto-
matisierten Schmiedelinie für Kurbelwellen.
ThyssenKrupp Fahrtreppen stellt seine neue
e-escalator FT 900-Serie vor, die aufgrund
eines kontinuierlichen Online-Monitorings
schnellere Reaktionszeiten bzgl. Wartung
und Reparatur ermöglicht. Rothe Erde ent-
wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung
von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden-
spezifischen Anschlusskonstruktionen. Dieses
Verfahren führt zu einem erheblich niedrigeren
Berechnungsaufwand bei deutlicher Kosten-
einsparung. ThyssenKrupp HiServ berichtet
über ein innovatives Tunnelentrauchungs-
system, das sich die Wirbelstromtechnik zu
Nutze macht und erhebliche Sicherheits-
verbesserungen ermöglicht.
In unserem technologieorientierten Unter-
nehmen sind Innovationen die Basis für den
Erfolg. Daher hat der ThyssenKrupp Konzern
zur Betonung des hohen Stellenwertes der
Innovation auch für das Jahr 2003 wieder
einen Innovationswettbewerb ausgeschrieben.
Ich möchte alle weltweit tätigen Mitarbeiter
des Konzerns dazu einladen, ihre erfolgreich
umgesetzten Lösungen zu diesem Wett-
bewerb einzureichen.
Prof. Dr.-Ing. Ekkehard D. Schulz,Vorsitzender des Vorstands derThyssenKrupp AG
Inhalt04
forumThyssenKrupp 1/2002forumThyssenKrupp 1/2002
Dr. rer. nat. Bodo Gehrmann,Leiter Entwicklung und Technisches Marketing, ThyssenKrupp VDM GmbH, Werdohl,Dr.-Ing. Thomas Heller, Bereichsleiter Werkstoff- und Verfahrens-entwicklung warmgewalzter Produkte,Dipl.-Ing. Günter Stich,Leiter Produktentw. Qualitätsstelle Warmband,ThyssenKrupp Stahl AG, DuisburgSeite 9
Dipl.-Ing. Siegfried Ellmann, Leiter Fahrzeugregelung,Dr.-Ing. Friedrich Löser,Hauptabteilungsleiter Systemtechnik,ThyssenKrupp Automotive Mechatronics,MünchenSeite 14
Dipl.-Phys.-Ing.(FH) Andreas Möckel,Leiter Verfahrensentwicklung,Dr.-Ing. Holger Günther,Verfahrenstechnik,Dipl.-Ing. Mirko JanscheVerfahrenstechnik,ThyssenKrupp Drauz GmbH, Hohenstein-ErnstthalSeite 19
Hochfeste Stahlwerkstoffe fürFlachbildschirme
Bei der heutigen Herstellung hochwer-
tiger Fernseher lässt sich ein eindeutiger
Trend hin zu Flachbildschirmen erkennen.
Während insbesondere im PC-Bereich
immer mehr LCD-Bildschirme ihre Abneh-
mer finden, bietet die konventionelle Bild-
röhrentechnik weiterhin deutliche Vorteile
beispielsweise hinsichtlich der Farbbrillanz
und des Kontrastes.
Die Unternehmen ThyssenKrupp Stahl
und ThyssenKrupp VDM bieten im Zusam-
menhang mit Flachbildschirmen auf Röh-
renbasis interessante Lösungen für die
verschiedenen Baugruppen: So wurden
spezielle Schattenmasken- und Rahmen-
werkstoffe entwickelt. Modifikationen der
Basiswerkstoffe Pernifer 36 von ThyssenKrupp
VDM sowie aluminiumberuhigter Stahl von
ThyssenKrupp Stahl finden für die Schat-
tenmasken aufgrund ihrer entsprechend
konzipierten technologischen Eigenschaften
Verwendung.
Zur Erzielung optimaler Eigenschaften ist
eine Abstimmung des Rahmenwerkstoffes
auf den Schattenmaskenwerkstoff unab-
dingbar. Hohe Festigkeiten und eine auf
die Maske abgestimmte niedrige Wärme-
ausdehnung werden hier gefordert. Für
die zwei oben angesprochenen Schatten-
maskenstähle wurden entsprechend
angepasste Rahmenwerkstoffe (Pernifer
42TVR und Complexphasenstahl) bis zur
Serienreife entwickelt und in den Markt ein-
geführt. Beide Neuentwicklungen werden
heute in der Serienherstellung von qualitativ
hochwertigen Fernsehern mit flachen
Bildröhren erfolgreich eingesetzt.
Elektromechanisches LevelingSystem (EML)
Seit der Gründung im Oktober 2000 hat
das Unternehmen ThyssenKrupp Automo-
tive Mechatronics seine Kompetenz auf
dem Gebiet mechatronischer Systeme ins-
besondere im Projekt Transrapid auch für
die Unternehmen des Segmentes Auto-
motive unter Beweis stellen können. Weiter
ausgebaut werden konnte das Know-how
auf dem Gebiet mechatronischer Fahrwerks-
systeme im PKW. Die Zusammenarbeit
mit ThyssenKrupp Automotive Systems,
ThyssenKrupp Bilstein und ThyssenKrupp
Federn führte zu Serienaufträgen bei
deutschen Automobilherstellern. Aus der
Systemarbeit heraus wurde eine elektro-
mechanische Fahrwerksregelung zur Ein-
stellung des Fahrzeugniveauausgleiches
als Folge des Beladungszustandes, zur
Fahrkomfortverbesserung sowie zur
Erhöhung der Fahrstabilität konzipiert.
Die von ThyssenKrupp Automotive
Mechatronics entwickelte Lösung zur
Niveauregulierung bietet alle nach dem
Stand der Technik realisierbaren Funktio-
nalitäten. Darüber hinaus stellt sie eine
kostengünstigere Variante als die her-
kömmlichen pneumatischen/hydraulischen
Systeme dar. Der Einbau pneumatischer
Kompressoren, hydraulischer Pumpen
sowie deren aufwendiger Leitungssysteme
entfällt, sodass eine erhebliche Teileredu-
zierung in Verbindung mit der Minimierung
des Instandhaltungsaufwandes erzielt
werden konnte. Weitere Kostenvorteile
ergeben sich aufgrund der modularen
Bauweise im Bereich der Montage sowie
hinsichtlich des Recyclings aufgrund der
Verwendung von bereits im Fahrzeug ein-
gesetzten Materialien.
Laserschweiß- und Spannsystemfür den Karosserierohbau
Bei Einsätzen im Automobilbau verfügt
das Laserschweißen über eine Vielzahl von
Vorteilen gegenüber dem konventionellen
Punktschweißen. Hohe Schweißgeschwin-
digkeiten und Werkstoffeinsparungen
durch angepasste Konstruktionen sind
entscheidende Argumente für den zuneh-
menden Einsatz des Laserschweißens im
Karosserierohbau. Bei verzinkten Blechen
ist das Verfahren jedoch nur begrenzt ein-
setzbar, da die unterschiedlichen Schmelz-
temperaturen des Stahlbleches und der
Zink-Oberflächenschicht den Schweiß-
prozess negativ beeinflussen und zu Poren
und Löchern in der Schweißnaht führen.
Das Problem kann durch einen definierten
Spalt zwischen den Blechen, der das ent-
stehende Zinkgas entweichen lässt, gelöst
werden. Hierzu wurde von ThyssenKrupp
Drauz ein flexibles Laserschweiß- und
Spannsystem entwickelt, dass die Vorteile
des Laserschweißens mit der Forderung
des genauen Spannens der Bleche zuein-
ander zweckmäßig vereint. Der modulare
Aufbau des neuen Laserschweiß- und
Spannsystems gewährleistet das
Schweißen von verschiedensten Nahtgeo-
metrien mit einer Schweißgeschwindigkeit
von bis zu 5 m/min.
Im Serieneinsatz an Flanschen im Tür-
einstiegsbereich hat sich das Laserschweiß-
system von ThyssenKrupp Drauz bewährt.
Aber auch andere Flanschgeometrien
können problemlos geschweißt werden.
Inhalt05
forumThyssenKrupp 1/2002forumThyssenKrupp 1/2002
Dipl.-Ing. Hans Korek, Projektmanager,Anne Conrad-SchallerKommunikation,ThyssenKrupp Gerlach GmbH, Homburg (Saar)Seite 23
Dr.-Ing. Wolfgang Stein, Geschäftsführer Technik,Dipl.-Ing. Hans-Georg Walter,Marketing- und Serviceleiter, Dipl.-Ing. Hartmuth Willnauer,Leiter Entwicklung,Thyssen Fahrtreppen, Hamburg Seite 31
Dipl.-Ing. Gilles Ferrouillet, Chief Executive Officer & Chairman of theBoard,Dipl.-Ing. Serge Gaudu,Technical Director,Dipl.-Ing. Luis Moreno,Sales and Marketing Director,ThyssenKrupp Defontaine, St.Herblain, FranceSeite 28
Vollautomatisierte Schmiedeliniefür Kurbelwellen im 7,5-Sekunden-Takt
Die in den letzten Jahren gestiegene
Nachfrage nach Dieselmotoren, in denen
wegen ihrer höheren Belastbarkeit ge-
schmiedete Kurbelwellen eingesetzt werden,
verlangte nach einer Kapazitätserweiterung
bei der Produktion geschmiedeter Kurbel-
wellen. Zur Sicherung der technologischen
Führerschaft auf diesem Gebiet errichtete
das Unternehmen Thyssen Krupp Gerlach
eine vollautomatische Produktionslinie, die
eine wirtschaftliche Produktion bei ent-
sprechend hoher Stückzahl ermöglicht. Mit
einer Taktzeit von bis hinab zu 7,5 Sekunden
und einer Durchlaufzeit von 4,5 Stunden
vom Ausgangsmaterial bis zum versand-
fertigen Produkt ließ sich die Kapazität auf
jährlich über 2 Millionen Kurbelwellen
erhöhen.
Die neue Produktionslinie zeichnet sich
durch eine hohe Verfügbarkeit bei gleich-
bleibender Produktqualität aus. Der hohe
Automatisierungsgrad bewirkt eine erheb-
liche Reduzierung der Fertigungskosten
um 35%. Programmwechsel sind kurzfristig
und reibungsfrei möglich. Bei der Entwick-
lung wurde nicht zuletzt auch den Aspekten
der Arbeits- und Prozesssicherheit sowie
der Inspektions- und Umweltfreundlichkeit
Rechnung getragen.
e-escalator FT 900 Serie
Als erstem Unternehmen weltweit ist es
der Thyssen Fahrtreppen GmbH gelungen,
eine Systemdiagnose bei Fahrtreppen und
-steigen unter Einbeziehung des Internets
zu entwickeln. Zwei technologische Innova-
tionen waren diesbezüglich zu realisieren.
Zum einen wurde die Software ‘Central
Monitoring System‘ (CMS) entwickelt, die
die e-escalator-Serie überwacht und alle
Betriebs-Parameter über ein entsprechendes
Internet-Access-Device kundengerecht auf
den PC-Monitor übermittelt. Darüber hinaus
war auch die Entwicklung eines neuen
Bussystems erforderlich. Die Informationen
der den e-escalator-Betrieb sichernden
und überwachenden Sensoren werden
mittels eines einzigen Buskabels an eine
Zentraleinheit weitergegeben. Die Daten
werden an das Internet-Access-Device,
welches den Datenaustausch im Internet
managt, weitergeleitet. Über eine Schnitt-
stelle können bis zu acht Anlagen ange-
schlossen werden.
Die e-escalator-Generation zeichnet sich
aufgrund der ständigen Online-Überwa-
chung durch eine erhöhte Verfügbarkeit
aus. Fehlermeldungen können innerhalb
weniger Minuten online analysiert werden.
So ist man in der Lage, umgehend ein
Serviceteam, mit optimaler Information
über Fehlerursachen und entsprechend
notwendigen Ersatzteilen versehen, zum
Einsatzort zu schicken.
Mit der e-escalator FT 900-Serie konnte
Thyssen Fahrtreppen die Wirtschaftlichkeit
und Servicefreundlichkeit der Fahrtreppen
und -steige entscheidend verbessern.
Ein neues Konzept für Anlasser-zahnkränze und Schwungrad-systeme (DEFONTAINE Flexwheel®)
Der stetigen öffentlichen Nachfrage be-
züglich der Reduzierung des Treibstoffver-
brauches und der CO2-Emissionen wird
seitens der Automobilhersteller versucht,
durch Lösungsansätze, wie z.B. Stop-and-
go-Programme, Rechnung zu tragen. Als
weltweit führender Hersteller von Anlasser-
zahnkränzen sah sich das Unternehmen
DEFONTAINE vor diesem Hintergrund mit
der Aufgabe konfrontiert, die Lebensdauer
der bisher entwickelten Zahnkränze be-
trächtlich zu erhöhen. Die Anzahl der mög-
lichen Anlasszyklen musste auf mindestens
das zehnfache der bisher vermarkteten
Anlasserzahnkränze erhöht werden.
Nach einer 36-monatigen Entwicklungs-
phase entschied sich DEFONTAINE für ein
System, das während des Stoßvorganges
des Ritzels für Flexibilität sorgt und dessen
Lebensdauer sich daher zwischen 300.000
und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:
ein flexibles Schwungrad, heute als
Flexwheel® bekannt.
Der Insassenkomfort ist ein weiteres Kri-
terium, welches es bei derartigen Neukon-
struktionen zu berücksichtigen gilt. Zur
Erhöhung des Komforts war es notwendig,
die Geräuschentwicklung auf ein Minimum
zu reduzieren. Erreicht wurde dies, indem
viskoelastische Elemente in das Flexwheel®
eingeführt wurden.
Inhalt06
forumThyssenKrupp 1/2002
Dr.-Ing. Ludger Brentrup, Fachbereichsleiter Verfahrenstechnik,Dr.-Ing. Ralf Osburg,Konstruktionsingenieur,Polysius AG, Beckum-NeubeckumSeite 35
Dr.-Ing. Thomas Handreck, Leiter der Abteilung/Technische Berechnung,Rothe Erde GmbH, LippstadtSeite 40
Dr.-Ing. Peter Klaus Kirner, Technischer Leiter, Dr.-Ing. Daniel Holstein, Leiter Technische Projekte/Technologietransfer, ThyssenKrupp Turbinenkomponenten GmbH,RemscheidSeite 46
Neue Vorbrennkammer zur ther-mischen Aufbereitung von Sekun-därbrennstoffen
Im Vergleich zu den konventionellen
fossilen Brennstoffen hat im Zementklin-
kerprozess die Nutzung von Sekundär-
brennstoffen in den vergangenen Jahren
deutlich zugenommen und einen Anteil
von ca. 30 % erreicht. Die Verwertung von
Brennstoffen wie Altreifen, Altöl, Altholz
etc. gestaltet sich zwar in prozesstechnischer
Hinsicht im Allgemeinen schwieriger, der
Anreiz besteht jedoch in der kostengünsti-
geren Beschaffungsmöglichkeit. Darüber
hinaus werden Sekundärbrennstoffe als
„CO2-neutral“ angesehen. Ihre Verwertung
in Zementwerken kann häufig einen ent-
scheidenden Beitrag zur Entsorgung pro-
blematischer Reststoffe leisten und wird
mit entsprechend hohen Entsorgungsgut-
schriften anerkannt. Insbesondere für die
Verwertung grobstückiger Sekundärbrenn-
stoffe, wie z.B. alte Autoreifen, hat die
Polysius AG eine Technologie entwickelt,
bei welcher derartige Stoffe ohne prozess-
technische und qualitative Einschränkun-
gen für das Produkt Zement in Zement-
brennanlagen mit Vorcalcinierung einge-
setzt werden können. Verwirklicht werden
konnte dieses durch den Einsatz einer in
den Zementbrennprozess integrierbaren
Vorbrennkammer.
Ein besonderes Kennzeichen dieser von
Polysius entwickelten Technik ist die Kom-
bination von ökonomischem Nutzen und
ökologischen Vorteilen, die in Verbindung
mit dem relativ niedrigen Aufwand als we-
sentliche Erfolgsfaktoren für die weitere
Vermarktung angesehen werden.
Berechnung von Großwälzlagernin Verbindung mit kundenspezi-fischen Anschlusskonstruktionen
Großwälzlager von Rothe Erde finden als
statisch hochgradig unbestimmte Verbin-
dungselemente Einsatz hauptsächlich in
den Gebieten Fördertechnik, Tunnelvor-
triebstechnik und Windenergie. Dabei
ermöglichen sie in der Regel eine Dreh-
bewegung zwischen zwei elastischen
Konstruktionen. Die Verbindung der Groß-
wälzlager und ihrer Anschlusskonstruktionen
erfolgt üblicherweise über Schrauben. Das
Verfahren zur Analyse der Lastverteilung
und des Verhaltens der Schraubverbindung
erfolgte bislang unter Verwendung linear-
elastischer Modelle zur Simulation der Stei-
figkeiten von Anschlusskonstruktionen und
Lagerringen in Verbindung mit speziellen
Feder- und Kontaktelementen zur Simulation
der Wälzkörper. Die Erstellung solcher
Finite-Elemente-Modelle ist jedoch sehr
aufwendig. Darüber hinaus kann bei dieser
Methode das nichtlineare Verhalten der
Schraubverbindung nicht berücksichtigt
werden.
Rothe Erde entwickelte ein Berechnungs-
verfahren, das sowohl eine sehr wirtschaft-
liche als auch eine im Sinne der technischen
Mechanik äußerst gründliche Analyse des
Gesamtsystems Großwälzlager-Anschluss-
konstruktion ermöglicht. Ebenfalls auf
Basis der Finite-Elemente-Methode wird
erstmalig die Simulation des gegenseitigen
Einflusses von Laufbahnsystem und
Schraubverbindung für beliebige räumliche
Belastungen berechenbar. Die Modellierung
des in drei Teilmodelle zerlegten Berech-
nungsmodells kann durch den jeweiligen
Komponentenhersteller selbständig durch-
geführt werden.
Vollautomatische Wärmebehand-lungslinie für Triebwerkscheiben
Als qualifizierter und erfahrener Zulieferer
von Flugtriebwerksteilen umfasst das Pro-
duktportfolio von ThyssenKrupp Turbinen-
komponenten neben Verdichterschaufeln
eine Fülle unterschiedlicher Triebwerk-
scheiben und scheibenähnlicher Produkte.
Die geschmiedeten und anschließend
spanend bearbeiteten Scheiben werden
bei den Triebwerkherstellern mit einer
entsprechenden Beschaufelung bestückt.
Scheiben der ThyssenKrupp Turbinen-
komponenten GmbH finden in nahezu
allen gängigen zivilen und militärischen
Triebwerken sowohl im Verdichter als auch
im thermisch hoch beanspruchten Turbinen-
bereich Verwendung.
Um eine möglichst hohe Lebensdauer
der Triebwerkscheiben zu garantieren, sind
hohe Qualitätsanforderungen unter exakter
Einhaltung spezifischer Bauteileigenschaften
unerlässlich. Zu deren Optimierung wurde
eine Wärmebehandlungslinie errichtet, die
sich durch eine richtungsweisende
Abschrecktechnologie, einen hohen Auto-
matisierungsgrad sowie eine umweltge-
rechte Rauchabsaugung auszeichnet. Im
Gegensatz zu konventionellen Wärmebe-
handlungslinien besteht in der von
Thyssen Krupp Turbinenkomponenten
aufgebauten Linie die Möglichkeit, definierte
Abkühlraten an der gesamten Bauteilober-
fläche sicherzustellen. Die Basis hierfür
stellt die mehrachsige Ölumwälzung des
Abschreckbeckens in Kombination mit
einer oszillierenden Wippfunktion für die
Charge dar.
Inhalt07
forumThyssenKrupp 1/2002forumThyssenKrupp 1/2002
Dipl.-Ing. Jochen Adams,Leiter Technischer Verkauf/Qualitätsmanagement, Thyssen Schulte GmbH, EssenDr. rer. pol. Claus Algenstaedt,Abteilungsdirektor Zentrales Marketing,Thyssen Schulte GmbH, Düsseldorf
Seite 50
Dr.-Ing. Volkhard Nobis, Stellvertretender Leiter Forschung undEntwicklung (Lufttechnik),ThyssenKrupp HiServ GmbH, Gießen Seite 59
Ulrike Grönefeld,Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,ThyssenKrupp Serv AG, Düsseldorf,Dipl.-Ing. Jürgen Schlenker,Leiter Technik,Hünnebeck GmbH, RatingenSeite 56
Datenbank für Kunden zurOptimierung der Stahlsorten
Als einer der führenden Werkstoffanbieter
mit Ausrichtung auf das Lagergeschäft in
Deutschland wendet sich Thyssen Schulte
vor allem an Kunden in mittelständisch
geprägten Verarbeiterbetrieben. In der Ge-
schäftsstrategie hat die begleitende werk-
stofforientierte Kundenbetreuung einen
hohen Stellenwert.
Im Beitrag werden die innovativen Grund-
lagen einer elektronisch basierten Stahl-
auswahl-Datenbank vorgestellt, die 400
Sorten mit Schwerpunkt auf Flachprodukte
umfasst. Je Stahlsorte sind bis zu 40 me-
chanisch-technologische, physikalische
und andere spezifische Werkstoffkriterien
verschlüsselt. Alle Werkstoffdaten sind
langjährig aus der Praxis gewonnen und
abgesichert worden. Bei individuellen
Optimierungsproblemen können bis zu
drei Kriterien für die Stahlauswahl vorgege-
ben werden. Darüber hinaus sind die Ver-
fügbarkeitsalternativen je Stahlsorte ver-
schlüsselt: Verfügbarkeit ab Lager bzw.
Zentrallager oder – mit höherem Zeitbedarf –
in der Strecke ab Werk.
Mit dem Stahlauswahl-Programm verfügt
Thyssen Schulte über einen attraktiven
Beratungsansatz und Wettbewerbsvorteil.
Der weitere Ausbau ist vorgesehen.
Sicherheit in unterirdischen Ver-kehrsanlagen durch Entrauchungs-systeme von ThyssenKrupp HiServ
In den vergangenen Jahren hat die Zahl
der Tunnelbrände mit erheblichem Scha-
densumfang signifikant zugenommen.
Gerade der stetig zunehmende Schwer-
lastverkehr stellt im Tunnel ein erhebliches
Gefahrenpotenzial dar. Die erste Gefahr ist
der Rauch. Menschen können vom Rauch
eingeschlossen nicht rechtzeitig entfliehen
und werden Opfer der giftigen Gase. Die
herkömmliche Technik reicht nicht aus,
um den giftigen Rauch gezielt und schnell
genug abzusaugen. Wird darüber hinaus
die Brandentwicklung nicht begrenzt, sind
teure und langwierige Tunnelreparaturen
in Verbindung mit dem Ausfall dieser Ver-
kehrswege die Folge.
Seit vielen Jahren beschäftigt sich
ThyssenKrupp HiServ mit der industriellen
Erfassungstechnik luftfremder Stoffe und
deren Absaugung sowie mit der Entrau-
chung von Gebäuden im Falle eines Brandes.
Als Spezialist für thermodynamische und
lüftungstechnische Auslegung von Luft-
und Rauchgasführungen entwickelte das
Unternehmen ein neues Entrauchungs-
system, dessen Kernelement die Wirbel-
haube darstellt. Nach dem Vorbild der in
der Natur auftretenden Wirbelstürme wird
eine Wirbelströmung mit äußerst gleich-
mäßiger Saugwirkung erzeugt. Decken-
kanäle zur Fortführung der Rauchgase
werden beidseitig mit Wirbelhauben aus-
gestattet. Integrierte Absperrelemente akti-
vieren die Wirbelhauben bereichsweise.
Das System ist dadurch in der Lage, direkt
am Brandherd in Sekundenschnelle Rauch
und Wärme zu entziehen und somit den
Schadensumfang deutlich zu reduzieren.
Re-Use-Platte: Kunststoff-Ver-bund-Platte mit Ersatzfolie
Seit Anfang 2001 werden in der Bau-
branche Schalhäute aus Kunststoff zur
Herstellung von Wänden und Decken ein-
gesetzt. Kunststoff-Schalplatten bieten im
Vergleich zu herkömmlichen Sperrholzplat-
ten mehrere Vorteile, wie z.B. größere Wit-
terungsbeständigkeit und geringerer Reini-
gungsaufwand. Da die bisher auf dem
Markt befindlichen Kunststoffplatten ledig-
lich unter hohem Aufwand und verbunden
mit entsprechenden Kosten manuell zu
reparieren sind, arbeitete die Hünnebeck
GmbH an einer wiederverwendbaren Plat-
te, der sogenannten Re-Use-Platte, deren
Oberfläche bei Bedarf maschinell erneuert
werden kann. Hierbei handelt es sich um
eine Kunststoff-Verbund-Platte, die mit
einer Ersatzfolie ausgestattet ist. Beide
Elemente werden maschinell miteinander
verklebt. Im Falle einer Beschädigung der
Folienoberfläche lässt sich diese problem-
los ebenfalls auf maschinellem Wege von
der Trägerplatte entfernen und durch eine
neue ersetzen. Somit erhöht sich die Zahl
der möglichen Einsätze im Vergleich zu
konventionellen Schalungsplatten um ein
Vielfaches und die Oberflächen-Qualität
des Betons wird deutlich gesteigert.
Diese von der Hünnebeck GmbH vorge-
stellte Innovation ermöglicht eine Reini-
gungs- und Reparaturkosteneinsparung
zwischen 35 und 40 Prozent gegenüber
herkömmlichen Sperrholz-Schalhäuten.
Darüber hinaus kann das verbrauchte Ma-
terial recycelt als Trägerplatte wiederver-
wertet werden.
Inhalt08
forumThyssenKrupp 1/2002
Dr. rer. nat. Wolfgang Zacharias, Business Direktor Automotive,Triaton GmbH, Dortmund Seite 63
Triaton.Castrum Sequence – DerLeitstand für Just-in-SequenceModul-Fertigung in der Automobil-zulieferindustrie
In der Automobilzulieferindustrie ist seit
langer Zeit das Supply Chain Management
von großer Bedeutung. Zusätzlich nehmen
die Fahrzeughersteller die Herausforderung
der Kunden, ihre Fahrzeuge noch indivi-
dueller zu gestalten, an und erhöhen die
Typvielfalt und Ausstattungsvarianten. Die
fahrzeugidentbezogene Anlieferung von
Systemteilen an das Endmontageband des
Automobilherstellers stellt deshalb einen
immer wichtiger werdenden komplexen
Prozess dar. Nicht nur „Just-in-Time“,
sondern auch in der richtigen Austat-
tungsvariante und in der korrekten „Per-
lenkette“ des Endmontagebandes (Ver-
baureihenfolge) sind die Teileanlieferungen
zu bewerkstelligen.
Zur Unterstützung derartiger „Just-in-
Sequence“-Logistik-Prozesse entwickelte
die Triaton GmbH Lösungsmodule unter
dem Namen ‘Triaton.Castrum Sequence‘.
Von den einzelnen Modulen werden hierbei
Funktionen wie beispielsweise produktions-
synchrone Fertigungsabrufe des Automobil-
herstellers, Aufbau fahrzeugidentbezogener
Fertigungsdaten, Plausibilitätsprüfungen
zur Einhaltung der Fahrzeug-Sequenz,
unterstützt. Das Lösungsangebot der Triaton
ist dabei auf schlanke Logistik-Prozesse
und vollautomatische Fertigungsabläufe
ausgerichtet, sodass mit minimalen Lager-
beständen in kleinsten Losgrößen gefertigt
werden kann.
Anwender schätzen nicht nur die Funk-
tionalität des Systems, sondern darüber
hinaus auch den 24h-Anwendungs-Support
der Triaton GmbH.
09
forumThyssenKrupp 1/2002
Die Gewinner des ThyssenKrupp Innovationswettbewerbs 2002 (Bild 1)
Dr. rer. nat. Bodo Gehrmann
Dr.-Ing. Thomas Heller
Dipl.-Ing. Günter Stich
Hochfeste Stahlwerkstoffe für Flachbildschirme
Hochfeste Stahlwerkstoffe für Flachbildschirme10
forumThyssenKrupp 1/2002
1 Einleitung
In Bildröhren finden Stahlwerkstoffe und
Eisen-Nickel Legierungen als
• Schattenmaske
• Bildschirmrahmen
• Abschirmkappe
• Bimetallfeder
• Implosionsschutzrahmen
vielfältigen Einsatz (Bild 2). Jedes der
genannten Bauteile stellt dabei spezifische
Anforderungen an den Werkstoff. Das
umfangreiche Know-how innerhalb von
ThyssenKrupp Steel, mit den Unternehmen
ThyssenKrupp Stahl, ThyssenKrupp
VDM, Wickeder Westfalenstahl und
ThyssenKrupp Nirosta (TKN), kann hier
interessante Lösungen für die Bildröhren-
komponenten liefern.
ThyssenKrupp Stahl und ThyssenKrupp
VDM entwickeln Schattenmasken-Werk-
stoffe, erschmelzen und walzen diese zu
Warmband, welches dann von Wickeder
Westfalenstahl zu Kaltband in Dicken zwi-
schen 0,10 und 0,25 mm ausgewalzt wird.
Verschiedene Modifikationen der Basis-
werkstoffe Pernifer 36 von ThyssenKrupp
VDM sowie aluminium-beruhigter Stahl
von ThyssenKrupp Stahl finden dann mit
dafür konzipierten besonderen technologi-
schen Eigenschaften sowohl für geformte
als auch gespannte Schattenmasken
Anwendungen (Bild 3). Aus dem von
ThyssenKrupp VDM gefertigten 0,2-mm-
dicken-Pernifer 36 Band wird auch der
sogenannte Diaphragmarahmen produ-
ziert, der die Schattenmaske aus Pernifer
36 in Form hält.
Bimetallfedern aus aneinanderge-
schweißten Bandkomponenten der Werk-
stoffe Pernifer 36 oder Pernifer 48 von
ThyssenKrupp VDM mit einem CrNi-Stahl
von ThyssenKrupp Nirosta kompensieren
temperaturbedingte Schattenmasken-
bewegungen.
Das Herzstück einer Bildschirmröhre
bildet die Elektronenkanone (Bild 4).
ThyssenKrupp VDM hat für dieses hoch-
komplexe Bauteil die Werkstoffvariationen
Pernifer 40 So 2 und Magnifer 50 GP mit
besonderen Eigenschaften entwickelt, die
in Form von Stanz-, Biege- und Tiefziehtei-
len als Elemente zur Fokussierung der drei
Elektronenstrahlen dienen.
Die Abschirmkappe (Bild 5) sorgt dafür,
dass die Elektronenstrahlen von störenden
Magnetfeldern, wie z.B. das Erdmagnetfeld,
nicht beeinflusst werden. Bänder, aus
denen Abschirmkappen gefertigt sind,
werden von Wickeder Westfalenstahl
hergestellt.
2 Hochfeste Stahlwerkstoffe für Flachbildschirme
Bei hochwertigen Fernsehern kann man
heute einen eindeutigen Trend hin zu
Flachbildschirmen erkennen. Dabei bietet
die konventionelle Technik gegenüber den
hauptsächlich bei PC-Bildschirmen ver-
wendeten LCD-Bildschirmen nach wie vor
deutliche Vorteile, wie z.B. Farbbrillanz und
Kontrast. Da bei flachen Bildschirmen der
Tiefzug der für die Bildpunkte zuständigen
Lochmaske (auch als Schattenmaske be-
zeichnet) zur Stabilisierung entfällt, muss
eine verzugsfreie Positionierung der ge-
spannten Schattenmaske während der
unterschiedlichen Belastungsfälle in der
Bildschirmrahmen mit Schattenmaske (Bild 3)
Bildröhrenkomponenten aus FeNi und Stahl (Bild 2)
Elektronenkanone (Bild 4)
Hochfeste Stahlwerkstoffe für Flachbildschirme11
forumThyssenKrupp 1/2002
Herstellung und im Betrieb über den Bild-
schirmrahmen sichergestellt werden. Dies
stellt höchste Anforderungen an den Rah-
menwerkstoff. Rahmenwerkstoff und
Schattenmaskenwerkstoff müssen aufei-
nander abgestimmt werden, damit das Ge-
samtsystem optimale Eigenschaften zeigt.
3 Lösung auf der Basis FeNi-Legierung
Eine Spannmaske aus Pernifer 36 weist
den Vorteil einer äußerst kleinen Wärme-
ausdehnung auf. Dies bedingt aber die
Verwendung eines verstärkten Rahmens
aus einem Werkstoff mit ebenso möglichst
kleiner Wärmeausdehnung. Deshalb wurde
eine ausscheidungshärtbare Eisen-Nickel-
Legierung Pernifer 42 TVR als Rahmen-
werkstoff für gespannte Schattenmasken
in großformatigen und flachen Farbfern-
sehgeräten entwickelt. Die chemische Zu-
sammensetzung des neuentwickelten Werk-
stoffes Pernifer 42 TVR ist so gewählt,
dass nach einer ausscheidungshärtenden
Wärmebehandlung, die am fertiggestellten
Rahmen erfolgt, die mechanische Festig-
keit gegenüber der des lösungsgeglühten
Zustandes des Bandes nahezu verdoppelt
ist (Bild 6). In dem ausgehärteten Zustand
erfüllt Pernifer 42 TVR die Anforderungen
spezifikationsgerecht. Der Werkstoff für
diesen Rahmen, der aus Bändern der Dicke
zwischen 1,2 und 3,0 mm je nach Größe
und Typ gefertigt wird, muss insbesondere
zwei Anforderungen erfüllen. Damit die auf
den Bildschirmrahmen gespannte Schatten-
maske nach der mit Temperaturen von
550–640°C für das Schwärzen und 450-
480°C für die Aushärtung der Glaskolben-
naht durchgeführten Wärmebehandlungen
noch die gewünschte Spannform aufweist,
muß die Warmfestigkeit des Rahmenwerk-
stoffes so gut sein, dass die Kriechdeh-
nung unter den definierten Bedingungen
verschwindend klein ist. Als weitere Anfor-
derung muß die Wärmeausdehnung des
Rahmens kleiner sein als die der Schatten-
maske, um eine Überdehnung der Schat-
tenmaske während der Wärmebehandlung
zu vermeiden.
Die Vorteile des Rahmenwerkstoffes
Pernifer 42 TVR sind die gute Verarbeitbar-
keit, eine hohe Warmfestigkeit und eine
niedrige Wärmeausdehnung. Hierdurch ist
die Verwendung einer FeNi 36-Schatten-
maske mit niedrigster Wärmeausdehnung
möglich.
Nach nur neunmonatiger Entwicklungs-
zeit wurde der Werkstoff Pernifer 42 TVR in
enger Zusammenarbeit mit Thomson für
diese Anwendung im Jahr 2000 qualifiziert
und findet seitdem in der Serienfertigung
Verwendung.
4 Lösung auf der Basis einesniedriglegierten Stahles
Für ein geplantes Werk zur Herstellung
von Bildröhren in Deutschland suchte die
Firma Panasonic einen geeigneten Stahl
für derartige Bildschirmrahmen. Als
Schattenmaskenwerkstoff wird ein Al-
beruhigter Stahl eingesetzt.
Zunächst bestimmt der Herstellprozess
die Anforderungen an den Stahlwerkstoff
(Bild 7). Besonderes Augenmerk ist dabei,
wie bereits geschildert, auf die Tempera-
turbelastungen beim Schwärzen des Rah-
Pernifer 42 TVR: Anforderungsprofil und Eigenschaften (Bild 6)
Abschirmkappe (Bild 5)
12
forumThyssenKrupp 1/2002
Hochfeste Stahlwerkstoffe für Flachbildschirme
mens und beim Aushärten der Nahtlinie
zwischen den beiden Bildröhrenhälften zu
richten, da auch nach und während dieser
Behandlungen eine verzugsfreie Planlage
der gespannten Schattenmaske gewährleis-
tet sein muss. Untersuchungen haben
gezeigt, dass ein warmgewalzter Complex-
phasenstahl das Anforderungsprofil gut
erfüllt und damit eine interessante Werk-
stoffalternative zu bisher eingesetzten
niedriglegierten Stählen bietet. Complex-
phasenstähle (CP) gehören zur Familie der
Mehrphasenstähle, deren Eigenschaften
durch eine geschickte Mischung unter-
schiedlich harter Gefügebestandteile ein-
gestellt werden. So bestehen Complexpha-
senstähle aus einer extrem feinen, über-
wiegend bainitischen Grundmatrix, in die
kleine Martensit- und gegebenenfalls Fer-
ritinseln eingelagert sind (Bild 8). Eine
Mikrolegierung mit Titan und eine darauf
abgestimmte Temperaturführung beim
Warmbandwalzen stellt das außergewöhn-
liche Eigenschaftsprofil des Stahles sicher.
Bereits im Lieferzustand besitzt das SiMn-
CrTi-legierte CP-Warmband von rund 5 mm
Dicke eine hohe Festigkeit von mehr als
800 MPa. Dennoch ist der Stahl kaltum-
formbar und schweißbar. Complexphasen-
stähle werden seit einiger Zeit erfolgreich
und mit zunehmendem Bedarf für crashre-
levante Bauteile im Automobil eingesetzt.
Die hohe Ausgangsfestigkeit und eine
spezielle Temperaturführung beim Warm-
bandwalzen führen zu Werkstoffeigen-
schaften, mit denen dieser Stahltyp die
speziellen Anforderungen an einen Stahl
für Fernsehrahmen flacher großformatiger
Bildschirme gut erfüllen kann. So erhöhen
während des Herstellprozesses feinste Aus-
scheidungen die Festigkeit derartiger Bild-
schirmrahmen (Kaltumformung + Wärme-
behandlung) noch einmal deutlich auf
ca. 1000 MPa, ohne die Zähigkeit zu ver-
schlechtern. Damit kann der Herstellprozess
zu einer Eigenschaftsverbesserung des
eingesetzten Stahles genutzt werden. Die
Warmfestigkeit und das Kriechverhalten
entsprechen den Anforderungen (Bild 9).
Mit dieser Eigenschaftskombination des
in den Flachbildschirmrahmen verwende-
ten Complexphasenstahles gelingt es, die
gespannte Lochmaske während des Verar-
beitungsprozesses zur Bildschirmröhre ver-
zugsfrei und plan in stabiler Position zu
halten. Somit kann ein einzelner der vielen
Lochpunkte von der Elektronenstrahlkanone
präzise angesteuert werden, was zu einem
Fernsehbild höchster Farbbrillanz und Tie-
fenschärfe führt.
Die im Vergleich zum Wettbewerbsstahl
hohe Festigkeit kann zukünftig zur Gewichts-
reduzierung des Rahmens genutzt werden.
Darüber hinaus ist der Entfall des heutigen
Kaltwalzschrittes denkbar.
Insgesamt ist bei hochwertigen Fernse-
hern ein deutlicher Trend hin zu Flachbild-
schirmen festzustellen. Die Fertigung von
Rahmen für Flachbildschirme bietet somit
ein beachtliches Marktpotenzial für hoch-
wertige Stähle.
Mittlerweile ist die Serienherstellung von
120.000 Bildröhren/Monat in einem neuen
Werk in Esslingen angelaufen. Der be-
schriebene Complexphasenstahl wird hier
zur Herstellung der Winkel des Fernseh-
rahmens eingesetzt. Je Bildröhre werden
1,5-2 kg CP-Stahl (bis zu 240 t/Monat)
verbaut. Auch bei anderen Herstellern für
Flachbildschirme besteht Interesse an dem
Werkstoff.
Gefügehärtung bei Mehrphasenstählen (Bild 8)
Herstellprozesse eines Flachbildschirmrahmens mitgespannter Lochmaske (Bild 7)
13
forumThyssenKrupp 1/2002
Hochfeste Stahlwerkstoffe für Flachbildschirme
5 Zusammenfassung
Bei hochwertigen Fernsehern ist heute
ein deutlicher Trend hin zu großformatigen
Flachbildschirmen festzustellen. Die hohen
Belastungen des Fernsehrahmens durch
die gespannte Schattenmaske erfordern den
Einsatz von Stählen sehr hoher Festigkeit
für diese Rahmen. Um die bestmögliche
Bildqualität zu erzielen, müssen die Werk-
stoffe der Schattenmaske und des Bild-
schirmrahmens optimal aufeinander abge-
stimmt werden. Hier wurden für zwei ver-
schiedene Schattenmasken (Stahl + FeNi
(Invar)) entsprechende Stähle für den Fern-
sehrahmen bis zur Serienreife entwickelt
und erfolgreich in den Markt eingeführt.
Beide Lösungen haben den 1.Preis beim
ThyssenKrupp Innovationswettbewerb 2002
gewonnen.
Werkstoffeigenschaften CP-Stahl (Bild 9)
14
forumThyssenKrupp 1/2002
Federbein mit integriertem Aktuator (Bild 1)
Dipl.-Ing. Siegfried Ellmann
Dr.-Ing. Friedrich Löser
Elektromechanisches Leveling System (EML)
15
forumThyssenKrupp 1/2002
Elektromechanisches Leveling System (EML)
1 Einleitung
ThyssenKrupp Automotive Mechatronics
wurde im Oktober 2000 gegründet und
wird zu 49 % getragen von ThyssenKrupp
Transrapid und zu 51 % von ThyssenKrupp
Automotive Systems.
Die Kompetenz zur Entwicklung und Her-
stellung mechatronischer Systeme haben
die Mitarbeiter der ThyssenKrupp Automo-
tive Mechatronics im Projekt Transrapid
unter Beweis gestellt. Am Fertigungsstandort
Kassel werden die Fahrzeuge für die erste
Anwendung in Serie gefertigt.
Der Transfer des Know-hows auf mecha-
tronische Fahrwerksysteme im Pkw führte
in Zusammenarbeit mit ThyssenKrupp
Automotive Systems, ThyssenKrupp Bil-
stein und ThyssenKrupp Federn zu Serien-
aufträgen deutscher Automobilhersteller.
Die Systemkompetenz der ThyssenKrupp
Automotive Gruppe konnte dadurch gefestigt
werden. Aus der Systemarbeit heraus ent-
stand der nachfolgend beschriebene Bei-
trag über eine elektro-mechanische Fahr-
werksregelung, das sogenannte Elektro-
mechanische Leveling System. Es wurde
als Patent angemeldet. Die Erteilung durch
das Deutsche Patentamt erfolgte zum
16.05.2002.
2 Funktionsbeschreibung
Für Kraftfahrzeuge sind bisher Systeme
im Einsatz, bei denen die Höhenlage des
gefederten Fahrzeugaufbaus verstellbar
ist. Diese Systeme verwenden hydraulische
Stellzylinder oder Luftfedern als Aktuatoren
und hydraulische oder pneumatische Aggre-
gate zur Druckerzeugung, angetrieben
durch Elektromotoren oder durch den
Antriebsmotor.
Ziel ist, durch das Elektromechanische
Leveling System (EML) eine vollständig
elektromechanische Einrichtung zur Lage-
verstellung des Fahrzeug-Aufbaus zu
schaffen, mit der wirtschaftlich und mit
hohem Wirkungsgrad verbesserte Funktio-
nalitäten erreicht werden.
Zur Funktion ist am oberen Ende eines
Federbeines ein Elektromotor integriert
(Bild 2), der den oberen Federteller und
damit die Lage des Fahrzeugaufbaus ver-
stellt. Die Rotationsbewegung des Elektro-
motors wird dabei durch einen Gewinde-
trieb in eine Längsbewegung gewandelt.
Wesentliches Merkmal bei der Realisierung
ist der Einsatz von Baugruppen mit hohem
Wirkungsgrad. Dies erst ermöglicht den
Einsatz des Systems beim leistungsbe-
grenzten elektrischen Bordnetz eines Kraft-
fahrzeugs.
Die Bewegung des Aufbaus wird von
einem Steuergerät in Verbindung mit Auf-
baubeschleunigungssensoren, Höhen-
standssensoren und Fahrzeugbusinfor-
mationen erfasst (Bild 3). Elektromecha-
nische Stellglieder an jedem Federbein
wandeln elektrische Energie in lineare
Bewegung. Ein übergeordnetes Steuer-
gerät regelt die Aufbaulage abhängig von
Fahrsituation und Fahrerwunsch.
3 Kundennutzen
Der Kundennutzen besteht im Wesentli-
chen aus Vorteilen für Fahrstabilität, Fahr-
komfort und Funktionalität.
• Erhöhung der Fahrstabilität
Bei dynamischen Fahrzustandsände-
rungen wie z.B. zu schneller Spur-
wechsel, können vorhandene Stabilitäts-
grenzen überschritten werden. Dies
führt zu Über- oder Untersteuervor-
gängen beim Fahrzeug. Durch dynami-
sche Verteilung der Radlasten wird die
Stabilitätsgrenze erhöht und somit ein
Gewinn an Fahrsicherheit erzielt.
Aufbau
Oberer Federteller
Stator
Rotor
Dämpfer-
Kolbenstange
Stahlfeder
Kugelgewindetrieb
Bewegungsrichtung
Aktuator (Bild 2)
forumThyssenKrupp 1/2002
Elektromechanisches Leveling System (EML)
• Verbesserung des Fahrkomforts
Bei Kurvenfahrt und bei Fahrzeugbe-
schleunigung oder beim Bremsen ver-
ändert der Aufbau seine horizontale
Lage. Durch automatische Höhenver-
stellung an jedem einzelnen Federbein
wird der Fahrzeugaufbau horizontiert.
Das bedeutet, dass Fahrer und Beifahrer
weniger komfortmindernde Aufbaube-
wegungen bei Bremsvorgängen, Kur-
venfahrt oder unebener Fahrbahn
verspüren.
• Größere Funktionalität
Die Zuladung durch Fahrgäste oder
Gegenstände führt zu Veränderung der
Aufbaulage. Durch den automatischen
Beladungsausgleich bleibt der Aufbau
beladungsunabhängig in der Ausgangs-
lage. Unerwünschte Eigenschaften wie
Scheinwerferblenden, höherer cw-Wert
und damit höherer Kraftstoffverbrauch,
schlechtere Fahreigenschaften und
geringere Bodenfreiheit werden
dadurch vermieden.
Die Einstellung der Bodenfreiheit kann
zudem fahrgeschwindigkeitsabhängig
oder manuell nach Fahrerwunsch
erfolgen.
4 Kosteneinsparung
Kosteneinsparungen ergeben sich
sowohl bei der Fahrzeugfertigung als
auch beim späteren Betrieb.
• Teilereduktion
Im Vergleich zu hydraulischen und/
oder pneumatischen Systemen wird
beim EML elektrische Energie in lineare
Bewegung umgewandelt. Dadurch ent-
fallen hydraulische Pumpen oder pneu-
matische Kompressoren sowie deren
aufwendige Leitungssysteme.
• Montagevorteil
Durch die modulare Bauweise ergibt
sich ein Kostenvorteil bei der Integration
der Systeme in das Kraftfahrzeug.
Diese beschränkt sich neben der übli-
chen mechanischen Befestigung auf
das Schließen von elektrischen Steck-
verbindungen.
• Instandhaltung
Da im Gegensatz zu den Wettbewerbs-
systemen keine hydraulischen oder
pneumatischen Reservoirs, Leitungen
und Aktuatoren verwendet werden, ist
beim EML ein deutlich geringerer Auf-
wand für Instandhaltung zu erwarten.
• Recycling
Die Kosten für die Teileverwertung
reduzieren sich, da mit dem Elektro-
mechanischen Leveling System deutlich
weniger Einzelteile verwendet werden.
Durch den Einsatz von gleichartigen,
im Kraftfahrzeug bereits vorhandenen
Materialien (z.B. für Elektromotoren,
Getriebe, Steuergerät) sind keine wei-
teren Verfahren für die Entsorgung
von Bauteilen erforderlich.
5 Systementwicklung
Die Entwicklung mechatronischer Systeme
erfordert einen ganzheitlichen Ansatz. Das
bedeutet, dass neben dem Aktuator auch
Regelalgorithmen und die gesamte Fahr-
werkdynamik berücksichtigt werden. Dazu
wird das Gesamtsystem auf einem Rechner
in Form eines Simulationsmodells validiert
(Bild 4).
Das Modell dient dabei gleichzeitig als
Lastenheft in der Diskussion mit dem Kun-
den. Durch diese Vorgehensweise können
notwendige Anpassungen zeitnah umge-
setzt werden.
Im nächsten Schritt werden die Design-
ergebnisse in Form von Prototypen realisiert
und Verifikationen mit Hilfe von Prüfständen
und Versuchsfahrzeugen durchgeführt.
Nach positiv verlaufener Verifikation erfolgt
Inverter
Bordnetz
Bus
Federbein mit Aktuator
Hinterachse
h-HRh-VR
Vorderachsea-FL
a: Beschleunigungssensorh: HöhenstandsensorHL: Hinterachse linksHR: Hinterachse rechtsVL: Vorderachse linksVR: Vorderachse rechts
h-VL h-HL
ECU
Display/Interface
Bus
Blockschaltbild Elektromechanisches Leveling System (Bild 3)
16
17
forumThyssenKrupp 1/2002
Elektromechanisches Leveling System (EML)
Systementwicklung (Bild 4)
Nachweisführung sowohl in der Simulation
als auch am realen System. Die dabei ein-
gesetzten Werkzeuge und Toolketten ermög-
lichen eine effiziente Umsetzung dieser
Vorgehensweise.
6 Ausblick
Das passive Fahrwerk im Kraftfahrzeug
erfährt zunehmend eine Aufwertung durch
die Implementierung von Hard- und Soft-
ware in serientauglichen Musterbaugruppen.
Die anschließende Qualifikation ergänzt die
vorangegangenen Prüfungen um die Nach-
weise zur Umweltbeständigkeit und Betriebs-
festigkeit.
Während der gesamten Systementwick-
lung werden notwendige Design-Änderun-
gen durchgängig bis zur Simulationsebene
mitgeführt und erlauben eine umfassende
den Einsatz von aktiven Systemen (Bild 5).
Ausgehend von der Stahlfeder über
hydropneumatische Federung sind Luftfe-
derungssysteme entstanden, die als
schaltbare Aktuatoren von Steuergeräten
bedient werden. Eine weitere Steigerung
der Funktionalität stellen hydraulische
Systeme dar. Generelle Strategie ist, künftig
die separaten Systeme Mechanik/ Hydraulik/
Pneumatik/Elektronik zu mechatronischen
18
forumThyssenKrupp 1/2002
Innovation im Kraftfahrzeug durch Mechatronik (Bild 5)
Systemen zu integrieren, bei denen Elektro-
nik und Datenverarbeitung mit dem elektro-
mechanischen Aktuator vereint werden.
Unterschiedliche mechatronische Systeme
können dann auf einfache Weise in eine
Gesamtfahrzeugregelung integriert werden.
Dadurch lassen sich bei optimierter Funk-
tionalität weitere Vorteile wie Kostenein-
sparung, Verfügbarkeitserhöhung und
Sicherheit erreichen. Das in diesem Beitrag
dargestellte Elektromechanische Leveling
System leistet in diesem Innovations-Pro-
zess einen wesentlichen Beitrag.
19
forumThyssenKrupp 1/2002
Dipl.-Phys.-Ing. (FH) Andreas Möckel
Dr.-Ing. Holger Günther
Dipl.-Ing. Mirko Jansche
Laserschweiß- und Spannsystem für den Karosserierohbau
Laserschweiß- und Spannsystem LSK (Bild 1)
20
forumThyssenKrupp 1/2002
Laserschweiß- und Spannsystem für den Karosserierohbau
Einführung
Im Karosserierohbau wurde in den letzten
Jahrzehnten im Wesentlichen die Anwen-
dung des Fügeverfahrens Punktschweißen
favorisiert. Die vorteilhaften Eigenschaften
dieses Schweißverfahrens, wie z.B. robuste
störungsunempfindliche Technik, einfache
Bedienbarkeit, Unempfindlichkeit gegenüber
geometrischen Toleranzen, führten zu einem
nahezu durchgängigen Verbreitungsgrad
in der Karosseriefertigung. Die Fahrzeug-
entwicklung ist auf die Anforderungen des
Punktschweißverfahrens eingestellt und
die Konstrukteure kennen alle verfahrens-
typischen Eigenschaften.
Auch mit der Einführung beschichteter
Karosseriebleche zum Schutz vor Korrosion
konnten anfängliche Probleme des Punkt-
schweißens schnell beseitigt werden. Dem
Trend und dem Wunsch nach mehr Schutz
bei Unfällen folgend, wurden immer steifere
Konstruktionen in der Fahrzeugentwicklung
entworfen. Zum Teil konnten Fügeverbin-
dungen mittels Punktschweißen nicht mehr
hergestellt werden und MAG Schweiß-
verbindungen, die im Dünnblechbereich
noch selten vorkamen, wurden vermehrt
eingesetzt. Der Wärmeeintrag in das jeweilige
Bauteil ist jedoch relativ hoch und so sind
geometrische Bauteilverzüge, die die Qualität
des Endproduktes stark negativ beeinflussen,
unvermeidlich. Das Ziel der Herstellung
verwindungssteifer Schweißkonstruktionen
mit geringem Wärmeeintrag und hoher Pro-
zessgeschwindigkeit ist mit dem Laser-
schweißen umsetzbar (Bild 2, Bild 3). Mit
der Verfügbarkeit von Hochleistungslasern
wurde der Weg in den Karosseriebau
geebnet.
Laserschweißen im Karosseriebau
Die Wirkprinzipien des Laserschweißens
unterscheiden sich grundsätzlich von
denen des Punktschweißens. Beim Punkt-
schweißen müssen stets zwei Elektroden,
zwischen denen sich die zu verbindenden
Bleche befinden, vorhanden sein. Durch
Widerstandserwärmung wird die erforderliche
Schmelzenergie erzeugt. Diese Wirkungs-
weise bedingt, dass die Fügeverbindungen
stets so konstruiert sein müssen, dass
eine Zugänglichkeit von zwei Seiten erreicht
wird. Beim Laserschweißen wird die zum
Schmelzen notwendige Energie als „Licht“
auf die Oberfläche fokussiert. Die hohe
Energiedichte des erzeugten „Lichtstrahls“
führt zum sofortigen Aufschmelzen. Hohe
Schweißgeschwindigkeiten mit niedriger
Gesamtstreckenenergie sind damit erziel-
bar. Der diskontinuierliche Punktschweiß-
prozess kann durch einen kontinuierlichen
Laserschweißprozess ersetzt werden. Die
Produktivität im Karosseriebau kann
erheblich gesteigert werden. Die Anforde-
rungen an das Laserschweißen sind jedoch
ungleich höher bezüglich der Bauteil-
positionierung und der zulässigen Bauteil-
toleranzen.
Neue Spannkonzepte
Bei den im Karosserierohbau häufig vor-
kommenden flanschähnlichen Querschnitten
wird das Aneinanderpressen der zu ver-
bindenden Bleche beim Punktschweißen
durch das Werkzeug selbst (Punktschweiß-
zange) mit hohen Drücken erzeugt, um
eine wirksame Energieumsetzung im Bau-
teil erzeugen zu können. Das Aneinander-
pressen ist Bestandteil des Verfahrens.
Anders ist dies beim Laserschweißen. Der
Laserstrahl stellt zunächst „nur“ die Ener-
gie zur Verfügung. Zum Positionieren bzw.
Spannen der Fügegeometrie sind Vorrich-
tungen notwendig, die die Bauteile eng
zusammenbringen. Wird ohne Zusatzwerk-
stoff geschweißt, sind Spaltbreiten von
kleiner als 0,2 mm notwendig, um feste
Verbindungen herstellen zu können. Damit
wird schon die erste Schwierigkeit beim
Einsatz des Laserschweißens beschrieben.
Im Karosseriebau sind demzufolge zukünf-
tig engere Toleranzen einzuhalten. Für ver-
schiedenste Fügegeometrien sind deshalb
neue Spannkonzepte erforderlich.
Ein weiteres Problem behindert die
größere Verbreitung des Laserschweißens.
Mit der Verwendung von beschichteten
Beispiel einer Laserschweißnaht(Bild 3)
Laserschweißprozess (Bild 2)
21
forumThyssenKrupp 1/2002
Laserschweiß- und Spannsystem für den Karosserierohbau
Rollspanntechnik am Bauteil (Bild 4)
Blechen treten Qualitätsbeeinträchtigungen
auf. Der Grund hierfür liegt in den stark
unterschiedlichen Schmelztemperaturen
des Grundwerkstoffs Stahl und des Be-
schichtungswerkstoffs Zink. Während des
Laserschweißprozesses wird eine soge-
nannte Dampfkapillare erzeugt, deren
Rand von schmelzflüssigem Stahl umgeben
ist. Das als Beschichtungswerkstoff vor-
handene Zink befindet sich dann in der
Gasphase. Dieses gasförmige Zink führt
zum unkontrollierten Verspritzen des
schmelzflüssigen Stahls und damit zu
Poren und Löchern in der Schweißnaht.
Dadurch sind die notwendigen Festigkeiten
nicht mehr erreichbar. Dieser Effekt lässt
sich verhindern, indem zwischen den
Fügepartnern ein Spalt von maximal
0,1 mm erzeugt wird. Die Anforderungen
an eine Spanntechnik bestehen also nicht
nur in dem kräftigen Aufeinanderpressen
von Blechen, sondern auch darin, einen
geringen Abstand zu erzeugen. Dieses
Problem löst der von ThyssenKrupp Drauz
entwickelte Laserschweißkopf für Roboter-
anwendungen.
Strategie und Konzept des Laser-schweiß- und Spannsystems (LSK)
Die Entwicklung des Laserschweiß- und
Spannsystems von ThyssenKrupp Drauz
verknüpft die Funktionalität einer Punkt-
schweißzange mit den Vorteilen des Laser-
schweißens. Dieses bedeutet, dass das
Spannen der Fügegeometrie und das
Schweißen in einem Werkzeug kombiniert
werden. Für den kontinuierlichen Prozess
des Laserschweißens ist die Anwendung
von Rollspanntechnik (Bild 4) vorteilhaft,
um auch ein kontinuierliches Spannen zu
gewährleisten. Dabei sind vielfältige
Anforderungen bzgl. Verschleiß, Temperatur-
belastungen und Verschmutzungen zu
berücksichtigen.
Die Zinkentgasung zwischen den Blechen
wird durch Distanzhalter verschiedenster
Ausführungen durchgeführt. In der Serien-
fertigung werden zurzeit sogenannte Nop-
pen eingesetzt. Dies sind Verprägungen in
den Bauteilen, die einen Abstand zwischen
den Fügepartnern erzeugen. Die Herstellung
erfolgt beim Pressen der Blechteile. Dieser
Vorgang ist jedoch sehr kostenintensiv und
in verschiedenen Bauteilen nicht realisierbar,
da die Umformrichtungen nicht mit den
Richtungen für die Verprägungen überein-
stimmen.
Erst mit der von ThyssenKrupp Drauz
entwickelten Anordnung der Rollenpaare
(oberer und unterer Spannkegel) (Bild 5) ist
es möglich, das Problem der Zinkentgasung
im Laserschweißkopf zu lösen. Dadurch
können die Noppen entfallen. Eine Entga-
sungsscheibe, die zwischen die Bleche
gebracht wird, formt die Flansche so, dass
eine „Entgasungsschräge“ entsteht. Die
feste Zuordnung von Spannkegel, Entga-
sungsscheibe und auftreffendem Laser-
strahl sichert dabei eine reproduzierbare
Fügegeometrie und damit eine konstante
Qualität der Schweißnähte. Der modulare
Aufbau des Systems ermöglicht die Anbin-
dung an verschiedenste Robotertypen und
die Anpassung an unterschiedliche Füge-
geometrien. So sind einseitig zugängliche
Flansche, die häufig im Bodenbereich von
Fahrzeugen vorkommen, genauso schweiß-
bar wie zweiseitig zugängliche Geometrien,
wie sie im weiteren Fahrzeugaufbau do-
minieren. Die Komponentenbauweise in
Grundkörper, Optik, Schutzvorrichtungen,
Aktivelementen, Ausgleichselemente (Bild 6)
sowie dem Entgasungswerkzeug erleichtert
die Übersichtlichkeit des Laserschweiß-
und Spannsystems in der Anwendung für
verschiedenste Laserschweißaufgaben.
Detailansicht des Laserschweiß- und Spannsystems (Bild 5)
Oberer Spannkegel
Entgasungsscheibe
Unterer Spannkegel
Laser-Strahl
22
forumThyssenKrupp 1/2002
Laserschweiß- und Spannsystem für den Karosserierohbau
Prozessparameter
Verschiedenste Parameter beeinflussen
das Ergebnis des Laserschweißprozesses.
Die wesentlichen Einflussgrößen sind:
• die Fokuslage
• die Energie
• die Prozessgeschwindigkeit
• der Einstrahlwinkel
• die Arbeitsgase.
Durch die verwendeten gegeneinander
laufenden Kegelrollen sind hohe Prozess-
geschwindigkeiten erreichbar. Dabei wird
die Fokuslage durch die feste Zuordnung
der Optik zum oberen Spannkegel stets
konstant gehalten. Die Luftführung („Cross-
Jet“) ist so gestaltet, dass störende Spritzer
oder andere entstehende Verschmutzun-
gen das Schweißergebnis nicht beeinflus-
sen. Somit lassen sich Schweißgeschwin-
digkeiten bis 5 m/min (Bild 7) und höher
erreichen.
Im Serieneinsatz unterliegt das System
verschiedensten Belastungen. Durch die
Nähe der Spannkegel zur Schweißnaht
entstehen hohe thermische Beanspru-
chungen. Das Zusammenpressen der Bleche
muss zum Teil mit sehr hohen Kräften er-
folgen, sodass hohe Reibungs- und Lage-
rungsbelastungen entstehen. Nicht zu ver-
nachlässigen sind Dämpfe und Schweiß-
spritzer, die beim Schweißen unvermeidlich
sind. Die Entwicklungen konzentrierten
sich auf die einzusetzenden Werkstoffe
sowie auf vorteilhafte Konstruktionen für
die unterschiedlichen Komponenten, um
die Lebensdauer von Verschleißteilen sowie
die Wartungsfreundlichkeit auf ein Maximum
zu erhöhen. So konnte durch die Ermittlung
der Belastungsfälle der Entgasungsscheibe
und der Spannkegel eine Konstruktion er-
stellt werden, die die Lebensdauer praktisch
verdoppelte. Somit werden auch die Instand-
haltungskonzepte einer Serienfertigung
berücksichtigt.
80
70
60
50
40
30
20
10
01 2 3 4 5 6
Schweißtiefe [mm]
Sch
wei
ßges
chw
indi
gkei
t [m
m/s
]
Schweißgeschwindigkeiten beim Laserschweißen (Bild 7)
Zusammenfassung und Ausblick
Mit dem Laserschweiß- und Spannsystem
(LSK) von ThyssenKrupp Drauz werden die
Funktionalitäten Spannen und Schweißen
in einem Werkzeug geeignet kombiniert.
Durch die speziell entwickelte geometrische
Anordnung der Spannelemente und der im
Werkzeug integrierten Entgasungsscheibe
können verzinkte Bleche qualitätsgerecht
ohne Löcher oder Poren mittels Laser
reproduzierbar verschweißt werden.
Schweißgeschwindigkeiten bis zu 5 m/min
können in der Produktion umgesetzt werden.
Insbesondere der Einsatz bei Türeinstiegen
von Karosserien und bei Fensterflanschen
hat sich als vorteilhaft erwiesen. Aber auch
Flansche im Unterbodenbereich können
durch den modularen Aufbau des LSK mittels
Laser verschweißt werden. Damit ergibt
sich ein weites Spektrum von Anwendungs-
fällen im Karosseriebau. Im Serieneinsatz
sind bisher 2-Blech-Verbindungen sicher
verschweißt worden. Zukünftig wird die
Bedeutung von 3-Blech-Verbindungen
ansteigen. Diese ebenfalls mit integrierter
Entgasung und Rollspanntechnik schweißen
zu können, ist das Ziel weiterer Entwicklungen.
Grundkörper
Ausgleichselemente
Schweißoptik
Schutzvorrichtungen
(Schutzglas, Cross-Jet usw.)
Aktivelemente
Komponenten des Laserschweiß- und Spannsystems (Bild 6)
23
forumThyssenKrupp 1/2002
Dipl.-Ing. Hans Korek
Anne Conrad-Schaller
Vollautomatische Schmiedelinie für Kurbelwellen im 7,5-Sekunden-Takt
Hauptaggregate der neuen Schmiedelinie (Bild 1)
24
forumThyssenKrupp 1/2002
Vollautomatische Schmiedelinie für Kurbelwellen im 7,5-Sekunden-Takt
1 Einleitung
Die in den letzten Jahren enorm gestie-
gene Nachfrage nach PKWs mit Dieselmo-
toren, die seit jeher wegen ihrer höheren
Belastbarkeit vorrangig mit einer geschmie-
deten Kurbelwelle bestückt werden, ver-
langte bei ThyssenKrupp Gerlach eine
Kapazitätserweiterung in diesem Markt-
segment. In einer zweieinhalbjährigen
Plan- und Bauphase entstand mit einem
Investitionsvolumen von rund 25 Mio €
eine neue Produktionslinie, die die techno-
logische Führerschaft in der Welt als Her-
steller von geschmiedeten Kurbelwellen
sichert und an die von eigener Seite hohe
Anforderungen gestellt wurden: Sie sollte
vollautomatisiert und verkettet vom Sägen
der Stahlzuschnitte bis zur 100 %-Prüfung
der versandfertigen Kurbelwelle sein, opti-
miert abgestimmt auf das wirtschaftliche
Schmieden von Vier- und Sechszylinder-
Kurbelwellen bis zu einem Rohteilgewicht
von 35 kg. Hohe Verfügbarkeit, Reduzie-
rung der Fertigungskosten, reibungsfreie,
kurzfristige Programmwechsel, Arbeits-
und Prozesssicherheit, gleichbleibende
Produktqualität, Wartungs-, Inspektions-
und Umweltfreundlichkeit waren weitere
Planungsschwerpunkte.
2 Ergebnis
Das Ergebnis zeigt einen hohen Innovati-
onsgrad: Die leistungsfähigste Kurbelwellen-
Schmiedelinie der Welt steht nun zur Verfü-
gung. Ihr realisierter Entwicklungsstand
bzgl. der eingesetzten Spitzentechnologien
war bisher weltweit nicht vorhanden. Dies
betrifft beispielsweise folgende Technologien:
• Erwärmung mit Stop-and go-Funktion
• schnellster Schmiedetakt
• neues Abkühlsystem der Kurbelwellen
• vollautomatisierte Endkontrolle.
Mit einer Taktzeit bis zu 7,5 Sekunden
und einer Durchlaufzeit der Kurbelwelle
vom Ausgangsmaterial bis in den Kunden-
behälter von 4,5 Stunden erreicht die neue
Produktionslinie eine jährliche Kapazität
von über zwei Millionen Kurbelwellen. Das
ist mehr als die doppelte Kapazität einer
vergleichbaren herkömmlichen Linie. Eine
große Herausforderung an das Projekt-
team aus Mitarbeitern der Produktion und
des Plant Engineering bestand darin, die
einzelnen Aggregate und Systeme der ver-
schiedenen Lieferanten mit ihren Schnitt-
Schematische Darstellung (Bild 2)
Wartungsfreundliche Induktionsanlage (Bild 3)
1 Zentrale Steuerwarte
2 Wendevorrichtung Werkzeughalter
3 Werkzeugwechselsysteme
4 Induktionserwärmer
5 Reckwalze
6 Hauptpresse inkl. automatischem
Hubbalkentransfer (Vorformen, Vor- und Fertigschmieden, Abgraten)
7 Kombipresse inkl. automatischem
Hubbalkentransfer (Twisten, Kalibrieren)
8 Kühlregal
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forumThyssenKrupp 1/2002
Vollautomatische Schmiedelinie für Kurbelwellen im 7,5-Sekunden-Takt
stellen zu koordinieren, so dass eine ein-
heitliche Taktzeit über die ganze Produkti-
onslinie eingehalten werden kann. Für die
gesamte Anlage wurde eine CE-Konformität
geschaffen. Eine eigene, dezentrale Ver-
sorgung mit Druckluft und Strom macht
die Linie unabhängig von Störungen im
übrigen Werksbereich (Bild 2).
3 Stationen der Produktionslinie
Zwei vollautomatische Sägen der Firma
Linsinger teilen bis zu 9 m lange Stahlstä-
be, Vierkant bis 101 mm, in Zuschnitte bis
700 mm Länge. Die Zuführung der Stahl-
stäbe erfolgt vollautomatisch über ein Hub-
system. Die Schnittdaten erhalten die
Sägen von einer Datenbank. Vorteile gegen-
über einer Schere: Prozesssicherheit, d.h.
hohe Reproduzierbarkeit der Abschnittlänge
und Schnittflächenqualität, die eine wichtige
Voraussetzung für einen vollautomatischen
Schmiedeprozess sind. Es ist keine Vor-
wärmung notwendig, die Sägen arbeiten
lärmreduziert.
Roboter geben die Zuschnitte, auch
Knüppel genannt, über ein Transportband
an die beiden Ofenstränge der Induktions-
anlage von Elotherm weiter (Bild 3). Hoher
Wärmeinhalt und gleichmäßiges Tempera-
turprofil, die nachweislich zur Verringerung
der Presskräfte und zur hohen gleichmäßi-
gen Produktqualität beitragen, geringer
Platzbedarf sowie eine wartungs- und
inspektionsfreundliche Konzeption waren
die Entscheidungskriterien für die induktive
Erwärmung. Mit einem Durchsatz von 18 t/h
und einer Erwärmungstemperatur von
1280 °C befindet sich die Induktionsanlage
im obersten Leistungsniveau für die Ver-
sorgung einer 6.500 t-Presse. In die Anlage
ist ein Reversierbetrieb integriert, der bei
Störungen die Knüppel im Ofenstrang
warm hält. Die letzte Spule der Induktions-
anlage ist mit einem Sensor ausgerüstet,
der die Temperatur der glühenden Knüppel
prüft und sie an einen Roboter meldet, der
selektiert und nur die Knüppel mit der gefor-
derten Temperatur an die nachfolgende Reck-
walze weitergibt. In der Reckwalze von Sumi-
tomo (Bild 4) erfolgt in bis zu vier Fertigungs-
stufen eine Massenverteilung, die je nach
Kurbelwellentyp aus schmiedetechnischen
Gründen notwendig ist und eine Material-
einsparung bis zu 10 % ermöglicht.
Ein Roboter sorgt für die Weitergabe an
das Hauptaggregat von Sumitomo mit
einer Presskraft von 6.500 t und vier Um-
formstufen, von denen jeweils zwei alter-
nierend belegt sind: Buster, Vorgravur, Fertig-
gravur, Abgraten (Bild 5). Luft und Gesenk-
schmiermittel (Wasser-Graphit-Basis)
kühlen die im eigenen Werkzeugbau her-
gestellten Schmiedegesenke. Der Grat
gelangt über eine Rutsche und ein Förder-
band direkt in einen Container außerhalb
der Produktionslinie.
Ein Roboter übergibt die glühenden Kur-
belwellen an die Kombipresse von Sumito-
mo, die in zwei Stufen die Kurbelwellen
optional verdreht und sie kalibriert. Das
Aggregat hat eine Presskraft von 400 t, die
Taktzeit beträgt getwistet 8,5 Sekunden,
ohne Twisten 7,5 Sekunden. Beide Aggre-
gate, sowohl die Hauptpresse als auch die
Kombipresse, agieren bei geschlossenen
Türen.
Nach diesem Vorgang belädt ein Roboter
die Tablare des sich anschließenden Kühl-
regals mit je vier Kurbelwellen (Bild 6a).
Das Kühlsystem ist das Verbindungsglied
zwischen Schmiede und Endfertigung und
als Hochregal nicht nur ein Novum im Ein-
satz bei der Herstellung von geschmiedeten
Kurbelwellen, sondern auch für den Her-
steller Eisenmann. Auf 572 Tablaren können
2.288 Kurbelwellen in ca. vier Stunden
abkühlen. Angelegt mit zwei Gassen trans-
Tablar mit glühenden Kurbelwellen auf dem Wegins Kühlregal (Bild 6a)
Reckwalze (Bild 4)
Vierzylinder-Kurbelwelle im Hauptaggregat (Bild 5)
Kühlregal (Bild 6b)
26
forumThyssenKrupp 1/2002
Vollautomatische Schmiedelinie für Kurbelwellen im 7,5-Sekunden-Takt
portiert jeweils ein Flurfördergerät computer-
gesteuert die Tablare mit den glühenden
Kurbelwellen in die einzelnen Fächer und
entnimmt sie nach der Abkühlzeit vollauto-
matisch (Bild 6b). Die Steuerung erfolgt
über einen Rechner, der die Belegung des
Hochregals und die Entnahme in Abhängig-
keit der Abkühlzeit nach einem speziellen
Ablaufprogramm regelt. Das Kühlsystem
hat bei Störungen Pufferfunktion und ist
auch zusammen mit der Endfertigung
unabhängig vom Schmiedeprozess zu
fahren. Seine Vorteile sind der geringe
Raumbedarf sowie die prinzipielle Nutzbar-
keit der Abwärme, die in einer Größenord-
nung von 3500 kwh liegt. An sinnvollen
Konzepten zur Nutzung der Abwärme wird
derzeit noch gearbeitet.
Die Tablare mit den abgekühlten Kurbel-
wellen werden auf einem Transportband der
Endfertigung zugeführt. Sechs Roboter sind
dort im Einsatz, um die Stationen Reini-
gungsstrahlen, Freigangprüfung, Rundlauf-
prüfung, Hüllkreisprüfung, Prüfung auf
Ausschmiedung, Rissprüfung (Fluxen)
sowie Verpacken zu bedienen. Die insgesamt
drei universellen Messmaschinen arbeiten
vollautomatisch und messen mittels be-
rührungslosem Verfahren (Laser) die funk-
tions relevanten Maße des Bauteils Kurbel-
welle (Bild 7). Der Rüstvorgang der Ma-
schinen verläuft automatisch per Parame-
terdatenbank.
Ein Werkzeugwechselsystem ist mit je
zwei Transportwagen vor der Haupt- und
Kombipresse installiert. Auf einem der
Transportwagen ist ein Werkzeughalter mit
komplettem Werkzeugsatz der Folgepro-
duktion mit Ober- und Untergesenk vor-
gerüstet, der zweite Transportwagen dient
zur Aufnahme der ausgewechselten Werk-
zeughalter. Beide Transportwagen fahren
auf Schienen bis an die beiden Aggregate
heran und bestücken sie. Mit Hilfe dieses
Systems kann die Umrüstung, von einem
Mitarbeiter bedient, schnell, gefahrlos,
sicher und ohne Kraftaufwand in ca. 15 min
durchgeführt werden (Umrüstzeit einer ver-
gleichbaren herkömmlichen Anlage: 40 min,
mind. zwei Bediener erforderlich). Eine
separate Werkzeugdreheinrichtung dreht
den oberen Werkzeughalter mit einem
Gewicht von bis zu 20 t um 180° und richtet
den gesamten Werkzeughalter für den
Transportwagen vor. In einer schallge-
schützten Waschkabine werden mit Unter-
stützung eines Roboters die Werkzeughalter
und die Gesenke mit Trockeneis gereinigt.
Unter dem Arbeitssicherheitsaspekt nimmt
das geschlossene System eine besondere
Bedeutung ein.
4 Roboter
Parallel zur Automation „im Großen“
fand eine kontinuierliche Entwicklung des
Umfeldes statt. Mussten z.B. bei den Grei-
fern der Roboter früher noch bei jedem
Kurbelwellentyp die Schrauben von Hand
gelöst und die Greifelemente auf den ent-
sprechenden Hauptlagerabstand einge-
stellt werden, erhält der Roboter heute die
Daten von der Datenbank und stellt den
Greifer automatisch auf das neue Schmie-
deteil ein. Ein Umrüsten durch den Anla-
genbediener ist nicht mehr erforderlich.
Durch die vollautomatische Einstellung der
Greifersysteme, Messvorrichtungen und
anderer Anlagenteile wird nur noch ein
Referenzprogramm für die Roboter be-
nötigt (Bild 8). Während früher die Pro-
gramme je nach Kurbelwellentyp einzeln
geladen werden mussten, teilt heute die
Datenbank der Robotersteuerung die kurbel-
wellenspezifischen Parameter mit, aus de-
nen der Roboter die Greifpunkte berechnet.
Diese Entwicklung lässt sich eindrucksvoll
auch mit Zahlen belegen: Die Anzahl variabler
Parameter für eine Kurbelwelle pro Produk-
tionslinie betrug 1993 fünfzehn Werte – an
der neuen Produktionslinie sind es ca. 500
produktbezogene Parameter.
Geschmiedete Kurbelwelle in einer Messmaschine(Bild 7) Roboter der Endfertigung (Bild 8)
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forumThyssenKrupp 1/2002
Vollautomatische Schmiedelinie für Kurbelwellen im 7,5-Sekunden-Takt
5 Personelle Anforderungen
Die neue Technologie im Schmiedepro-
zess bringt auch eine Veränderung im
Berufsbild mit sich. Sind an einer her-
kömmlichen Schmiedelinie überwiegend
angelernte Mitarbeiter tätig, deren Arbeit
durch hohen körperlichen Einsatz geprägt
ist, so werden zur Bedienung und Wartung
der modernen Anlage ausschließlich Mit-
arbeiter mit Facharbeiterausbildung im
Metall- und Elektrobereich, zum Teil mit
Zusatzqualifikation als Meister und Techniker,
eingesetzt. Für ihre anlagenbezogene Wei-
terqualifikation zeichnet ein interner Trainer
verantwortlich. Besondere Anforderungen
bestehen in den Bereichen Elektronik,
Steuerungstechnik und SPS-Technik (Bild 9).
6 Umwelt
An Induktionsanlage und Hauptaggregat
ist eine gemeinsame Rückkühlanlage ange-
schlossen, die das erwärmte Kühlwasser der
Induktoren und der Schmiedepresse rück-
kühlt und es dem Kühlsystem wieder zuführt.
Das Hauptaggregat mit seiner Presskraft
von 6.500 t ist schwingungsisoliert aufge-
stellt, d.h. es steht auf einem Rahmen, der
auf Feder-Dämpfer-Elementen aufliegt.
Eine nach dem Wasserhaushaltsgesetz
(WHG) zugelassene Wanne im Pressenfun-
dament fängt Sprühmittel und Schmieröl
auf. Das Sprühmittel/Öl-Gemisch wird in
einen Sammeltank gepumpt, ein Saugfahr-
zeug transportiert es in die werkseigene
Abwasserbehandlungsanlage. Dort wird
das Öl abgeschöpft, das Abwasser durch
eine Flockungs-/Fällungsreaktion gereinigt:
Schwermetalle, Graphit, Fällungsmittel
(Eisen(III)chlorid) und sonstige Feststoffe
werden nach der Flockung mit einer Kam-
merfilterpresse aus dem Abwasser entfernt.
Der entstehende Filterkuchen wird als
Abfall entsorgt und das gereinigte Abwasser
der kommunalen Kläranlage zugeführt.
Bereits in der Planungsphase wurden
die Konstruktionen der Hersteller intensiv
auf Geräuschemissionen untersucht, um
bei erkennbaren Überschreitungen der
Grenzwerte entsprechend gegenzusteuern.
So konnten z.B. durch Konstruktionsände-
rung der Spulen für die Induktionsanlage
erhebliche Geräuschminderungen erreicht
werden. Um die stark impulshaltigen
Geräusche des Gratabwurfes zu dämpfen,
wurde eine Halle um diesen Komplex
gebaut. In dieser Gratschrotthalle befinden
sich auch die Absaugungen der Presse
und der Reinigungsstrahlanlage sowie die
dazugehörigen Filteranlagen.
7 Arbeitssicherheit
Für die gesamte Produktionslinie wurde
ein umfangreiches Sicherheitskonzept aus-
gearbeitet: Die Roboter befinden sich in
Schutzzellen, die Arbeitsräume der Pressen
sind im Automatikbetrieb mit Schutztüren
versehen, sämtliche Handlingsoperationen,
auch von heißen Teilen, entziehen sich
dem direkten Zugriff des Bedieners, der im
Wesentlichen prozessüberwachende Tätig-
keiten ausübt. Der hohe Automatisierungs-
grad der Rüstvorgänge reduziert die Ge-
fährdung der Mitarbeiter auf ein Minimum.
Im Bereich Verpacken tasten Laserscanner
die Sicherheitsbereiche zu den drehbaren
Entnahmetischen ab und verhindern, dass
sich Mitarbeiter während des Drehvorgangs
in dem Sicherheitsbereich befinden.
Peter Scheid, verantwortlich für die Steuerungsanlageder Endfertigung, stimmt sich mit dem Koordinatorder Schmiedelinie, Patrick Philippi, ab. (Bild 9)
28
forumThyssenKrupp 1/2002
DEFONTAINE Flexwheel® (Bild 1)
Dipl.-Ing. Gilles Ferrouillet
Dipl.-Ing. Serge Gaudu
Dipl.-Ing. Luis Moreno
Ein neues Konzept für Anlasserzahnkränze und Schwungradsysteme(DEFONTAINE Flexwheel®)
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forumThyssenKrupp 1/2002
Ein neues Konzept für Anlasserzahnkränze und Schwungradsysteme (DEFONTAINE Flexwheel®)
1 Einleitung
Die letzten Jahre verzeichneten ein starkes
Anwachsen des Interesses an Lösungen
zur Reduzierung des Treibstoffverbrauchs
und der CO2-Emissionen von Automotoren,
um Energie einzusparen und die Umwelt
zu schonen.
Eine Reihe von Unternehmen, insbeson-
dere Automobilhersteller (OEM) haben
bereits auf diesem Gebiet gearbeitet und
mit folgenden Alternativlösungen aufge-
wartet:
• Stop-and-go-Programme
• Hybride
• Brennstoffzellen etc.
Diese neuen Entwicklungen und Program-
me bereiteten DEFONTAINE, weltweit
führend im Bereich der Anlasserzahnkranz-
produktion, Grund zur Sorge, da keiner der
weltweit existierenden Anlasserzahnkränze
in der Lage war, der Lebensdauer der ent-
sprechenden mechanischen Lösungen
gerecht zu werden.
Es wurde ein Entwicklungsteam mit dem
Entwurf eines neuen Konzepts für Anlas-
serzahnkränze und Schwungradsysteme
für Stop-and-go-Anwendungen beauftragt.
2 Problematik
Probleme, mit denen man sich konfron-
tiert sah, betrafen insbesondere die
• Lebensdauer der Komponenten
• Geräuschentwicklung und Vibrationen
• Sparsamkeit beim Treibstoffverbrauch
• niedrigen CO2-Emissionen.
Zunächst wurden sowohl die Zahnkränze
als auch die Lebensdauer des Anlassers
auf 30.000 bis 45.000 Anlasszyklen kal-
kuliert, was der üblichen Lebensdauer von
Fahrzeugmotoren entspricht.
Für Stop-and-go-Anwendungen sollte
die Anzahl der Anlasszyklen mindestens
zehnmal so hoch sein. Ein weiterer zu
berücksichtigender Punkt bei der Entwick-
lung ist der Insassenkomfort. Es musste
daher eine Lösung gefunden werden, die
die Geräuschentwicklung des Anlassers
reduzierte.
Das Stop-and-go-Programm bietet eine
Lösung zur Reduzierung des Treibstoffver-
brauchs und der CO2-Emissionen.
3 Forschungsergebnisse
Um angemessene Lösungen zu finden,
führte DEFONTAINE 36 Monate lang Expe-
rimente anhand von variablen Parametern
durch:
a) Material,
b) Modifikationen in der Konstruktion hin-
sichtlich:
• Übertragungsverhältnis
• Anzahl der Zähne am Anlasserzahnkranz
• Ritzelkonstruktion
• Wärmebehandlungsparameter.
All diese Parameter wurden getestet. Es
hat sich keine Notwendigkeit ergeben, die
grundlegende Konstruktion bezüglich Platt-
form, Motor und Getriebebefestigungen
am Auto zu verändern.
Die Hauptkrafteinwirkung führt zum Ver-
schleiß des Zahns und somit zum vorzeitigen
Bruch (Bild 2). Um dies zu vermeiden,
wurde eine neue Lösung entwickelt, bei
der die Spannungsverteilung auf die ge-
genüberliegende Seite des Zahns wirkt.
(Bild 3).
Es wurde ein System getestet, das
während des Stoßvorgangs des Ritzels für
Flexibilität sorgt. Nach 20.000.000 Anlass-
zyklen lagen die Parameter vor, um das
System patentieren zu lassen. Heute ist es
als flexibles Schwungrad oder Flexwheel®
bekannt.
Spannungen im Zahn eines Standardzahnkranzes (Bild 2) Spannungen im Zahn eines Flexwheel®
(Bild 3)
30
forumThyssenKrupp 1/2002
Ein neues Konzept für Anlasserzahnkränze und Schwungradsysteme (DEFONTAINE Flexwheel®)
In Folge dieser Verbesserungen arbeiten
die Zähne mit höherer Druckspannung (die
dem Krafteinfluss entgegenwirkt) und
dementsprechend weniger Zugspannung
im Zahnfuß (Fußradius).
Die Anwendung der komplett neuen
Parameter sorgt für eine erhebliche Verlän-
gerung der Lebensdauer (Bild 4), was auf
die Flexibilität des Flexwheel®-Zahns zurück-
zuführen ist. Sowohl der Abnutzungseffekt
des Anlasserzahnkranzes als auch des
Anlasserritzels konnte verringert werden.
Unter Verwendung derselben Material- und
Wärmebehandlungsparameter wie beim
ursprünglichen Anlasserzahnkranz konnte
eine Lebensdauer erreicht werden, die sich
zwischen 300.000 und 600.000 Anlass-
zyklen bewegt. Diese Werte waren mit Stop-
and-go-Anwendungen und -Programmen
voll kompatibel.
Der zweite Schritt des Forschungspro-
gramms wurde von unserem Entwicklungs-
team an einem neuen 1,1-Liter-Benzinmotor
durchgeführt, um eine geeignete Lösung
für die Reduzierung der Geräuschentwick-
lung zu finden. Geräusche werden sowohl
durch die Vibrationen als auch durch das
Deutliche Lebensdauerverlängerung durch Flexwheel® (Bild 4)
Akustische Studie von Kompressions- und Expansionsphasen (Bild 5)
Einlegen des Anlasserritzels erzeugt. Es
wurde ein Patent angemeldet, bei dem so
genannte viskoelastische Elemente im
Flexwheel® eingeführt wurden. Wie im
Bild 5 ersichtlich, konnte durch die
Geräuschreduzierung eine beträchtliche
Verbesserung in Sachen Komfort erzielt
werden. Die Frequenzen, die über 2000
Hertz liegen, wurden drastisch reduziert.
Einsparungen von 6 bis 9 dB wurden
gemessen.
Dieses Konzept kann sowohl für Benzin-
als auch für Dieselmotoren jeglicher Größe
eingesetzt werden, ohne dass Änderungen
am Motor, am Getriebe oder an der Platt-
form vorgenommen werden müssen. Die
Kraftstoffeinsparung stimmt mit alternativen,
bereits bekannten Stop-and-go-Lösungen
überein (3 bis 10%).
31
forumThyssenKrupp 1/2002
Digitale Abfrage der Sensoren über das zertifizierte Bussystem (Bild 1)
Dr.-Ing. Wolfgang Stein
Dipl.-Ing. Hans-Georg Walter
Dipl.-Ing. Hartmuth Willnauer
e-escalator FT 900 Serie
32
forumThyssenKrupp 1/2002
e-escalator FT 900 Serie
1 Einleitung
Die Besucher der Hamburger Barkhof-
Passage wissen es nicht, aber sie betreten
beim Shopping in der modernen Geschäfts-
zeile an der Mönckebergstraße Neuland.
Denn wer seinen Fuß auf die Fahrtreppe
setzt, steht mit einem Bein im World Wide
Web. Hier, mitten in der Hamburger Innen-
stadt, ist die weltweit erste Internet-Fahr-
treppe am Netz: der e-escalator von
Thyssen Fahrtreppen (Bild 2, Bild 3). Die
neue 900-er Serie lässt sich mit einer speziell
entwickelten und patentierten Technik online
über das Internet überwachen. Damit wer-
den Betrieb, Service und Sicherheit der
Fahrtreppen entscheidend verbessert und
somit die Verfügbarkeit der Geräte deutlich
erhöht.
2 Central Monitoring System
Möglich machen das „Verlinken“ von
Fahrtreppe und Internet zwei technologische
Innovationen: die Software ‘Central Moni-
toring System‘ (CMS) und ein neues Bus-
system. Über ein Internet-Access-Device
beobachtet das Central Monitoring System
die e-escalator und präsentiert alle
Betriebs-Parameter kundengerecht auf
dem PC-Monitor (Bild 4), zum Beispiel die
Anzahl der Betriebsstunden, die prozen-
tuale Verfügbarkeit und die exakte Aufli-
stung von Auf- und Abwärtsfahrten.
Gesammelt werden die Daten von zahlrei-
chen Sensoren, die an allen wichtigen
Punkten im e-escalator den Betrieb über-
wachen. Diese Sensoren geben ihre Infor-
mationen allesamt über ein einziges Bus-
kabel (Bild 5) an eine Zentraleinheit. Vom
lokalen Diagnosedisplay werden die Daten
an das Internet-Access-Device weitergelei-
tet, das den Datenaustausch im Internet
managt. Bis zu acht Anlagen können über
eine Schnittstelle angeschlossen werden.
Der e-service des e-escalators bietet damit
die weltweit erste Systemdiagnose von
Fahrtreppen via Internet.
3 Verhalten bei Störungen
Liegt nun eine Störung im Betrieb der
Fahrtreppe vor, wird diese per CMS sofort
gemeldet und analysiert. Auf dem Compu-
ter-Bildschirm ist ersichtlich, welche Anlage
ein Problem hat: Das Central Monitoring
System präsentiert einen vereinfachten
Grundriss des betreffenden Gebäudes, auf
dem alle Fahrtreppen dreidimensional dar-
gestellt sind. Die Farbe des Fahrtreppen-
Symbols wechselt von grün zu rot (Bild 6)
und zeigt: Hier stimmt was nicht! Per Dop-
pelklick auf ein kleines, virtuelles Knöpfchen
über der blinkenden Fahrtreppe bekommt
der Service ein genaues Bild der Situation.
In Detailsicht ist die „aufgeschnittene“
Fahrtreppe mit ihrem technischen Innenle-
ben zu sehen. Ein Info-Fenster wird neben
dem betroffenen Maschinenteil geöffnet
und gibt Aufschluss über die Ursache der
Betriebsstörung: Das kann ein Problem mit
der "Handlaufeinführung unten" sein, eine
Irritation im Bereich der "Kammsegmente
oben" oder aber ein schlichter "Nothalt".
Gerade diese Fehlermeldung tritt beson-
Projekt Barkhof-Passage Hamburg/Frontalansicht(Bild 3)
Projekt Barkhof-Passage Hamburg (Bild 2)
33
forumThyssenKrupp 1/2002
e-escalator FT 900 Serie
ders häufig bei Fahrtreppen im öffentlichen
Raum auf, wenn zum Beispiel im Bereich
von U-Bahnhöfen jemand aus Übermut
meint, eine Fahrtreppe lahmlegen zu müs-
sen. Allein bei der Hamburger Hochbahn,
einem langjährigen Kunden von Thyssen
Fahrtreppen, ärgert man sich über etwa
50.000 sogenannte "unberechtigte Not-
stopps" im Jahr. Sie führen zu hohen Service-
kosten und Missmut bei den Fahrgästen,
verringern also die tatsächliche Verfügbar-
keit der Fahrtreppen.
Hier hilft die neue Technik des e-escala-
tors: Da die Fehlermeldung innerhalb von
wenigen Minuten online analysiert wird,
kann per E-Mail oder SMS ein Serviceteam
benachrichtigt, optimal informiert und mit
entsprechenden Ersatzteilen ausgestattet
zum Einsatzort geschickt werden. Im Falle
eines Nothalts reicht ein Anruf beim Haus-
meister oder Sicherheitsdienst vor Ort.
Nach Augenschein kann die Fahrtreppe
ohne Wartungsaufwand schnell wieder
gestartet werden. Diese "maintenance on
demand" – die bedarfsgerechte Wartung –
erlaubt einen besonders wirtschaftlichen
Betrieb von Fahrtreppen. Zeitaufwendige
und überflüssige Wege werden vermieden.
Die hohe Verfügbarkeit der neuen 900-er
Serie wird auch durch ein neues System
der Fehlerprävention gewährleistet. Das
CMS kontrolliert und dokumentiert kontinu-
ierlich alle wesentlichen Betriebs-Parameter
im Diagnosespeicher. Zum Beispiel den
Bremsverschleiß, die Bremsfunktion, den
Abdeckplattenkontakt, die Getriebeöltem-
peratur, den Ölstand, die Netzspannung –
die Sensoren am Buskabel liefern jede
nötige Information, und das CMS erstellt
Statistiken für eine optimale Wartungspla-
nung. Jede Abweichung von der Norm wird
sofort gemeldet, und die innovative Methode
der Fehlerfrüherkennung vermeidet aufwen-
dige Reparaturen zu einem späteren
Zeitpunkt.
Auch ein neu entwickeltes akustisches
Überwachungssystem für die Kammseg-
mente macht den e-escalator zur moderns-
ten Fahrtreppe seiner Zeit: Ein patentierter
Detektor schlägt online sofort Alarm, wenn
bei diesen besonders beanspruchten Fahr-
treppen-Teilen ein Fehler auftritt. Über ein
verändertes akustisches Signal erkennt der
betreffende Sensor jeden Kammzahnbruch
und schickt eine Meldung über das Internet
an die Leitzentrale. Beim e-service ist der
gesamte Kommunikationsweg von der
Fahrtreppe über das World Wide Web bis
zum Betreiber der Anlage inklusive aller
IP-Adressen, Befehle und Fahrtreppendaten
Visualisierung der Betriebs-Parameter auf demPC-Monitor (Bild 4)
Steuerung der Fahrtreppe mittels Bussystem (Bild 5)
34
forumThyssenKrupp 1/2002
verschlüsselt und nicht für Unbefugte ein-
sehbar. Eine Manipulation der Informationen
ist dank einer effektiven Kodierung ausge-
schlossen.
4 Ausblick
Mit dem e-escalator hat Thyssen Fahr-
treppen das innovativste Transportmittel
seiner Art entwickelt. So wie die Möglich-
keiten des Internets kontinuierlich ausge-
baut werden, kann auch der e-escalator
auf den jeweils neuesten Stand der Technik
gebracht werden. Problemlos lassen sich
auf das Buskabel beliebig viele zusätzliche
Sensoren schalten.
Zur Vervollständigung wird in Hamburg
zur Zeit an einem innovativen System des
e-monitoring gearbeitet. Mit diesem Kon-
trollsystem kann die Fahrtreppe der
Zukunft komplett über das Internet über-
wacht und gesteuert werden. Web-Cams
werden Echtzeit-Bilder an einen unterneh-
menseigenen e-Server liefern, die zum
Beispiel bei einem "unberechtigten Not-
stopp" erlauben, die Fahrtreppe per Maus-
klick aus der Ferne wieder zu starten. Der
Betreiber nimmt mit einem dynamischen,
regelmäßig erneuerten Passwort einfach
über ein Web-Portal von Thyssen Fahrtrep-
pen Kontakt mit seinen Fahrtreppen auf.
Der Server wählt die Anlagen an und erhält
die Daten zurück. Hier stehen dann inner-
halb von Sekunden Informationen und
Web-Bilder der betreffenden Fahrtreppe
zur Verfügung.
Störungsinformation über CMS (Bild 6)
35
forumThyssenKrupp 1/2002
Integration einer Vorbrennkammer in eine Zementbrennanlage (Bild 1)
Dr.-Ing. Ludger Brentrup
Dr.-Ing. Ralf Osburg
Neue Vorbrennkammer zur thermischen Aufbereitung vonSekundärbrennstoffen
Calcinator
Vorbrenn-kammer
Drehrohrofen
36
forumThyssenKrupp 1/2002
Neue Vorbrennkammer zur thermischen Aufbereitung von Sekundärbrennstoffen
1 Einleitung
In den vergangenen ca. 10-15 Jahren
hat die Nutzung von Sekundärbrennstoffen
im Zementklinkerbrennprozess deutlich zu-
genommen und mittlerweile in Deutsch-
land im Vergleich zu den konventionellen
fossilen Brennstoffen einen Anteil von 30 %
erreicht. Dabei gibt es durchaus Werke, in
denen bis zu 70 % des Wärmebedarfes
für den Klinkerbrennprozess durch Stoffe
wie z.B.
• Altöl
• Lösungsmittelabfälle
• Altreifen oder
• Klärschlamm etc.
gedeckt wird. Diese Stoffe sind im Allge-
meinen viel schwieriger zu handhaben und
führen auch prozesstechnisch häufiger zu
Betriebsproblemen als z.B. Schweröl oder
Kohlenstaub. Der wesentliche Anreiz für
einen Zementwerksbetreiber besteht jedoch
darin, dass diese Brennstoffe deutlich
günstiger einzukaufen sind. Bei bestimmten
Materialien, wie z.B. Altreifen, führen die
auf dem Sekundärbrennstoffmarkt erziel-
baren Gutschriften sogar zu "negativen
Brennstoffkosten". Neben den ökonomi-
schen sind aber auch die ökologischen
Gründe zu erwähnen. So werden die Se-
kundärbrennstoffe wegen der Schonung
natürlicher Ressourcen per Definition als
"CO2-neutral" angesehen und ihre Nutzung
in Zementwerken leistet häufig einen deut-
lichen Entsorgungsbeitrag für problematische
Reststoffe. Vor dem Hintergrund der Selbst-
verpflichtung zur Emissionsminderung
verschiedener Industrien sowie der drohen-
den Besteuerung von CO2-Emissionen ist
dieses Argument mittlerweile von erhebli-
cher Bedeutung.
Der vorliegende Beitrag beschreibt eine
seit ca. 5 Jahren bei Polysius zur industriellen
Reife entwickelte Technologie, mit der vor
allem grobstückige Sekundärbrennstoffe,
wie z.B. alte Autoreifen, ohne Einschrän-
kungen sowohl prozesstechnischer als
auch qualitativer Art für das Produkt
Zement in Zementbrennanlagen mit Vor-
calcinierung eingesetzt werden können.
2 Ausgangssituation
In modernen Zementbrennanlagen wird
der Brennstoff zu etwa je 50 % in den
Calcinator und in die Sinterzone einge-
bracht. In der Sinterzone wird der sogenann-
te Zementklinker bei Materialtemperaturen
von ca. 1450 °C fertig gebrannt, das heißt
das vorgewärmte und im Calcinator bei
ca. 850 °C entsäuerte Rohmehl reagiert in
einem Sinterprozess zu den Klinkerminera-
lien. Nach gemeinsamer Vermahlung des
Zementklinkers mit einem Abbinderegler
(Gips) erhält man das Produkt Zement. Die
Produktionskapazität großer Ofenanlagen
beträgt hierbei mehrere tausend Tonnen
Zementklinker pro Tag, während des gleichen
Zeitraumes werden mehrere hundert Tonnen
Brennstoff benötigt.
In der Sinterzone werden wegen der
hohen Temperaturen und notwendigen
Konstanz nur hochwertige und gut dosier-
bare Brennstoffe eingesetzt. Grobstückige
Materialien, wie z.B. Autoreifen oder viele
andere Sekundärbrennstoffe, sind aus
Gründen der Produktqualität und Prozess-
stabilität hier nicht geeignet. Im Calcinator
laufen die Verbrennungsvorgänge und die
Entsäuerung des Rohmehls parallel und
bei viel niedrigeren Temperaturen ab.
Allerdings handelt es sich bei Calcinatoren
in Zementbrennanlagen vom Typ her um
Schwebegasreaktoren, das heißt das im
Abgasstrom des Drehrohrofens fein
dispergierte Rohmehl entsäuert im Flug-
strom und erhält die dafür erforderliche
Energie aus der gleichzeitig dort ablaufen-
den Verbrennung von einem ebenfalls fein
verteilten Brennstoff, z.B. Kohle. Hieraus
wird deutlich, dass im Calcinator zwar
einerseits ca. 50 % des gesamten Wärme-
bedarfes für den Zementbrennprozess auf-
gebracht werden müssen, dass anderer-
seits grobstückige und damit nicht flug-
fähige Brennstoffe dort nicht, oder nur
unter Kompromissen und sehr begrenzt
eingesetzt werden können. Die bisher zur
Lösung dieser Problematik in den Zement-
werken angewandte Technik einer ener-
gieintensiven, kostenträchtigen und damit
ergebnismindernden Feinzerkleinerung der
Brennstoffe wurde seitens Polysius mit der
Entwicklung der Vorbrennkammertechno-
logie beantwortet.
Aufgrund der zuvor dargestellten Überle-
gungen war das Ziel eines vor ca. 5 Jahren
begonnenen Forschungs- und Entwicklungs-
programmes ein in den Zementbrennprozess
integrierbarer Reaktor, mit dem sich im
Wesentlichen folgende Forderungen erfüllen
lassen:
• Nutzung grobstückiger Sekundärbrenn-
stoffe, z.B. Altholz oder Altreifen (auch
von LKWs)
• gleichmäßige und kontrollierte Um-
setzung der Sekundärbrennstoffe ohne
negative Beeinflussung des Zement-
brennprozesses und der Zementqualität
• Einbindung anfallender Reststoffe in
den Zementklinker
• Minderung prozesstechnisch bedingter
Emissionen wie z.B. Stickoxide
• Betrieb bei Umgebungsdruck.
37
forumThyssenKrupp 1/2002
Neue Vorbrennkammer zur thermischen Aufbereitung von Sekundärbrennstoffen
Obwohl der Einsatz der Vorbrennkam-
mer prinzipiell nicht an einen bestimmten
Sekundärbrennstoff gebunden ist, wurde
die Entwicklung für erste Anwendungen
aus folgenden Gründen auf die Verwen-
dung von Altreifen konzentriert:
• Altreifen sind in der Zementindustrie
ein etablierter und umwelttechnisch
akzeptierter Brennstoff (Bild 2), aber
nur in relativ geringen Mengen ein-
setzbar.
• Die Zerkleinerung von Altreifen ist
energie- und kostenintensiv.
• Die Entwicklung stofflicher Aufberei-
tungsverfahren für Altreifen war trotz
einiger Versuche bisher nicht erfolgreich.
• Altreifen stellen in vielen Ländern ein
Entsorgungsproblem dar und sind
ausreichend verfügbar (z.B. in der EU
ca. 2,5 Mio t/a!).
• Für unzerkleinerte Altreifen werden auf
dem Sekundärbrennstoffmarkt ausrei-
chende Gutschriften gezahlt, die ge-
meinsam mit der Brennstoffersparnis
die Amortisation der notwendigen In-
vestitionen innerhalb weniger Jahre
ermöglichen.
3 Die Entwicklung der Vorbrenn-kammer
Die Entwicklung der Vorbrennkammer
wurde in einem interdisziplinär zusammen-
gesetzten Team im Bereich Forschung und
Entwicklung der Polysius AG durchgeführt.
Schon nach ersten Überlegungen sowie
Labor- und Technikumversuchen wurde
folgende Richtung festgelegt: Die Altreifen
werden in einem Schachtreaktor unterstö-
chiometrisch mit Abluft aus dem Zement-
klinkerkühler umgesetzt. Dabei entsteht
eine Gasphase aus den flüchtigen Anteilen
des Reifengummis. Diese Gasphase wird
direkt und ohne jegliche weitere Behand-
lung in den Calcinator geleitet und dort
verbrannt. Des Weiteren verbleibt im Reaktor
zunächst eine Feststoffphase, die aus
einem koksförmigen Reststoff sowie dem
im Reifen enthaltenen Draht besteht. Vom
ursprünglichen Brennwert eines Altreifens
gehen ca. 2/3 in die Gas- und 1/3 in die
Feststoffphase. In Bild 3 ist eine Energiebi-
lanz des Prozesses dargestellt. Der Reifen-
koks, dessen weitere Umsetzung in die
Gasphase aufwendig und nicht sinnvoll ist,
enthält damit noch einen beträchtlichen
Energieanteil und stellt deshalb einen
hochwertigen Brennstoff dar. Bild 4 zeigt
die Komponenten "Stahldraht" und "Koks"
als Ergebnis eines Separationsprozesses,
der prozessintegriert durch den Austrags-
boden der Vorbrennkammer erfolgt. Bild 5
erlaubt mit einem 3D-Schnitt einen Blick in
den Reaktor.
Die Altreifen werden am Reaktorkopf
über eine speziell entwickelte Rotorschleuse
in den Reaktor gebracht. Über eine Ringlei-
tung und mehrere Düsen erfolgt die Zugabe
der heißen Vergasungsluft aus dem Klin-
kerkühler (Bild 6). Zur Erzielung hoher Um-
satzraten und damit letztlich eines nicht zu
voluminösen Reaktors ist es notwendig, in
der Reaktionszone möglichst hohe Tempe-
raturen zu erzeugen. Dazu wird die Verga-
sungsluft in einem bestimmten Winkel und
als Rotationsströmung auf das sich ausbil-
Altreifenlager in einem Zementwerk (Bild 2)
Energiebilanz Altreifenvergasung (Bild 3)
38
forumThyssenKrupp 1/2002
Neue Vorbrennkammer zur thermischen Aufbereitung von Sekundärbrennstoffen
dende Reifenbett gegeben. Andererseits
ist es auch notwendig, die ausgemauerte
Außenwandung der Vorbrennkammer vor
zu hohen Temperaturen zu schützen.
Wesentlichen Anteil an der unter diesen
Erfordernissen optimalen Gestaltung des
Reaktors hatten CFD-Simulationen (CFD:
Computational Fluid Dynamics) der Strö-
mungs- und Reaktionsvorgänge im Reak-
tor. Bild 7 zeigt eine berechnete Tempera-
turverteilung mit einer ringförmigen sehr
heißen Zone mehr im Zentrum der Vor-
brennkammer und nicht in unmittelbarer
Wandnähe.
Nach dem Entgasungsvorgang, das heißt
der Austreibung der flüchtigen Bestandteile
aus dem Reifengummi, der unter diesen
Reaktionsbedingungen auch bei den sehr
großen und massiven LKW-Reifen inner-
halb weniger Minuten weitgehend abge-
schlossen ist, gelangen die Reststoffe
Koks und Draht in den unteren Teil der Vor-
brennkammer. Durch den thermischen
Aufschluss ist der Reifenkoks nur noch
locker mit dem Draht verbunden. Das Aus-
tragssystem besteht aus mehreren neben-
einander angeordneten hydraulisch be-
wegten und mit speziell geformten Förder-
elementen ausgestatteten Balken. Durch
den Transportvorgang des Reststoffes in
den Drehofeneinlauf kommt es zu einer
weitgehenden Separation in eine Draht-
und Koksphase. Der Draht wird vollständig
in den Zementklinker eingebunden und
ersetzt dadurch einen Teil der sonst dem
Rohmaterial zuzugebenden Eisenkompo-
nente. Der Koks rieselt zwischen den Balken
durch, wird in Sammeltrichtern aufgefangen
und dann über ein entsprechendes Förder-
organ dosiert in den Calcinator gegeben.
Damit wird eine zuvor schon erläuterte
Forderung für die Verbrennung im Calcinator
erfüllt. Sowohl die Gas- als auch die Koks-
phase sind von ihren Eigenschaften bzw.
von ihrer Partikelgröße für den Flugstrom-
reaktor "Calcinator" geeignet und erlauben
damit das gewünschte zeitliche und räum-
liche Nebeneinander von energieliefernder
Verbrennung und energieverbrauchender
Aufwärmung und Entsäuerung des
Zementrohmehls.
4 Stand der Technik
Nach Abschluss der theoretischen Studien
und praktischen Untersuchungen im Labor
und Technikum wurde über einen Zeitraum
von mehreren Monaten eine kleine Pilotan-
lage in einem Schweizer Zementwerk be-
trieben. Die erzielten Ergebnisse sowie die
gesamte Vorgehensweise überzeugten den
Kunden, sodass er im Jahre 1998 die
erste Industrieanlage für einen Umsatz von
3 t/h Altreifen bestellte. Diese Anlage wurde
nach gemeinsamer Inbetriebnahme und
einigen Optimierungen im Herbst 2000
an den Kunden übergeben. Alle hierbei
erworbenen Erkenntnisse flossen in die
Ausführung einer zweiten Anlage ein, die
im Mai dieses Jahres in einem deutschen
Zementwerk ihren Betrieb aufgenommen
hat. Dabei werden 5 t/h Altreifen umge-
setzt und etwa die gleiche Menge an Kohle
wird eingespart. Bild 8 zeigt einen Blick in
den ausgemauerten Reaktor in Richtung
Decke, wo die Reifen über die Rotorschleuse
aufgegeben werden. Es ist ebenfalls eine
Koks Draht/Koks
Komponenten der Feststoffphase bei der Altreifenvergasung (Bild 4)
Vorbrennkammer in Schnittdarstellung(Bild 5)
Zuführung der Vergasungsluft in die Vorbrenn-kammer (Bild 6)
Simulierte Temperaturverteilung in der Vorbrenn-kammer (Bild 7)
39
forumThyssenKrupp 1/2002
der Produktgasleitungen erkennbar, durch
die die heiße Gasphase direkt in den Calci-
nator geleitet wird.
5 Zusammenfassung
Bei der Entwicklung der Vorbrennkam-
mer handelt es sich um ein strategisches
Produkt mit dem es der Polysius AG erst-
mals gelungen ist, in den Markt des Se-
kundärbrennstoffhandlings und der Entsor-
gung vorzudringen. Durch die Kombination
von ökonomischem Nutzen mit ökologischen
Vorteilen können wesentliche Erfolgsfaktoren
für die Markteinführung erfüllt werden.
Aufgrund des gewählten technischen Kon-
zeptes eröffnet sich ein breites Einsatz-
spektrum für die Polysius Vorbrennkammer
bei günstigen Investitionskosten. Die hohe
Flexibilität und kurze Amortisationszeiten
haben daher das Interesse vieler Kunden
geweckt.
Neue Vorbrennkammer zur thermischen Aufbereitung von Sekundärbrennstoffen
Blick in eine feuerfest ausgekleidete Vorbrennkammer (Bild 8)
40
forumThyssenKrupp 1/2002
Dr.-Ing. Thomas Handreck
Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kundenspezifischenAnschlusskonstruktionen
Dreireihige Rollen-Drehverbindung von Rothe Erde (Bild 1)
41
forumThyssenKrupp 1/2002
Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kundenspezifischen Anschlusskonstruktionen
1 Einleitung
Großwälzlager ermöglichen eine drehbare
Verbindung zweier Maschinenteile, wobei
Kräfte und Momente in beliebigen Richtungen
übertragen werden können. Sie kommen in
vielen Bereichen des Maschinenbaus zum
Einsatz, insbesondere in der Fördertechnik,
in Tunnelbohrmaschinen und in Windener-
gieanlagen. Es gibt verschiedene Bauformen.
Man unterscheidet unter anderem zwischen
Rollen- und Kugellagern sowie einreihigen
und mehrreihigen Ausführungen (Bild 2).
Die Verbindung zwischen dem Großwälzlager
und seinen beiden Anschlusskonstruktionen
erfolgt in der Regel durch hochfeste, definiert
vorgespannte Schrauben. Zur einwandfreien
Funktion des Großwälzlagers müssen die
Anschlusskonstruktionen eine ausreichend
hohe und über den Umfang des Lagers
möglichst gleichmäßig verteilte Steifigkeit
aufweisen.
2 Problembeschreibung
Bei der Berechnung des Laufbahnsystems
und der Befestigungsschrauben des Lagers
stößt man auf zahlreiche Schwierigkeiten.
Das Kraft-Verformungs-Verhalten der Wälz-
körper an ihren Kontaktstellen mit den
Laufbahnen ist nichtlinear. In Kugellagern
verändern sich die Druckwinkel der Kugeln
unter Belastung. In Rollenlagern kann es
bei Belastung durch ein Verkippen der
Lagerringquerschnitte zu einer ungleich-
mäßigen Verteilung der Flächenpressung
über die Länge der Rollen kommen.
Großwälzlager werden je nach Einsatzge-
biet mit Spiel oder auch mit Vorspannung
gefertigt. Dieser Umstand sollte bei der
Berechnung Berücksichtigung finden.
Die Schraubverbindung von Lagerringen
und Anschlusskonstruktionen verhält sich
bei geringer Belastung zunächst linear-
elastisch. Größere Belastungen, insbeson-
dere große Kippmomente und abhebende
Axialkräfte, führen zu einem partiellen Klaffen
der Trennfugen zwischen Lagerringen und
Anschlussflanschen (Bild 3). Unter diesen
Bedingungen ändert sich das elastische
Verhalten der verspannten Bauteile. Zusätz-
lich kommt es zu einer erheblichen Umver-
teilung der Wälzkörperkräfte in den Lauf-
bahnen.
Aufgrund ihres relativ großen Durchmes-
sers im Verhältnis zur Querschnittsfläche
haben Lagerringe von Großwälzlagern nur
eine geringe Eigensteifigkeit. Daher haben
die Stützsteifigkeiten der Anschlusskon-
struktionen einen ganz wesentlichen Ein-
fluss auf das Tragverhalten eines solchen
Lagers.
Herkömmliche Berechnungsverfahren
lassen sich in zwei Gruppen unterteilen.
Die erste Gruppe umfasst stark vereinfachte
Ansätze, bei denen gewöhnlich von starren
Lagerringen ausgegangen wird und lediglich
die Kontaktsteifigkeiten von Wälzkörpern
und Laufbahnen bei der Berechnung Be-
rücksichtigung finden. Die Steifigkeiten der
Anschlusskonstruktionen und das elastische
Verhalten der Schraubverbindungen werden
ignoriert. Auf diese Weise gewinnt man
schnelle Näherungslösungen. Im konkreten
Fall können die Ergebnisse jedoch ganz
erheblich von entsprechenden Messwerten
abweichen.
Die zweite Gruppe der Berechnungsver-
fahren umfasst aufwendige numerische
Näherungsverfahren, in der Regel auf der
Basis der Finite-Elemente-Methode. Hierbei
werden mit hohem manuellen Aufwand
Modelle erstellt, die alle für die Berechnung
wesentlichen Einflussgrößen berücksichti-
gen. Ein solches Modell muss das Lauf-
bahnsystem, die Schraubverbindungen
und beide Anschlusskonstruktionen bein-
halten. Wird diese Berechnung vom Groß-
Beispiele für verschiedene Bauformen von Großwälzlagern (Bild 2)
Profillager
Vierpunktlager
Kreuzrollenlager Axial-Radial-Rollenlager
Kombilager (Rolle/Kugel)
Doppel-Axial-Kugellager
41
42
forumThyssenKrupp 1/2002
Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kundenspezifischen Anschlusskonstruktionen
wälzlagerhersteller durchgeführt, muss sich
dieser umfangreiche Detailkenntnisse zu
den Anschlusskonstruktionen beschaffen.
Das Studium der Konstruktionsunterlagen
und die Modellierung sind erfahrungsgemäß
äußerst zeitaufwendig. Wird die Finite-Ele-
mente-Berechnung hingegen vom Kunden
durchgeführt, muss dieser sich entsprechend
umfangreiche Spezialkenntnisse zur Model-
lierung des Lagers aneignen und vom Lager-
hersteller alle erforderlichen Daten zur Ver-
fügung gestellt bekommen.
Selbst dann, wenn der gesamte bisher
beschriebene Aufwand betrieben wird, ist
nicht sichergestellt, dass Berechnungs-
ergebnisse erzielt werden, die hinreichend
genau die Realität widerspiegeln. Selbst auf
einem modernen PC ist es ohne besondere
Optimierung der Lösungsalgorithmen ge-
genwärtig nicht möglich, Modelle zu berech-
nen, die alle erforderlichen Details beinhalten.
Die Anforderungen an Speicherplatz und
Rechenleistung zur simultanen Lösung
der Probleme im Wälzkontakt sowie in den
Trennfugen der Lagerringe und Flansche
sind extrem hoch. Aus diesem Grunde wird
eine solche Berechnung häufig in zwei
Schritten mit etwas vereinfachten Modellen
durchgeführt. Im ersten Schritt wird die
Lastverteilung im Laufbahnsystem ermit-
telt, wobei die Steifigkeiten der Lagerringe
und Anschlusskonstruktionen sowie die
Kontaktsteifigkeiten der Wälzkörper-Lauf-
bahn-Paarungen Berücksichtigung finden.
Die Besonderheiten der Schraubverbindun-
gen und ein eventuelles Klaffen der Trenn-
fugen werden hierbei ignoriert. Im zweiten
Schritt wird ein Teilmodell aus miteinander
verschraubten Ringsegmenten verwendet.
Die Steifigkeiten der verspannten Teile und
der Schrauben selbst sowie die Kontaktver-
hältnisse in den Trennfugen werden
dadurch sehr genau erfasst. Als Belastung
wählt man gewöhnlich die bei der vorange-
gangenen Lastverteilungsberechnung
ermittelten maximalen Wälzkörperkräfte.
Manchmal werden auch noch die an den
Schnittufern der freigeschnittenen Ringseg-
mente wirkenden inneren Kräfte und
Momente ins zweite Teilmodell übernom-
men. Diese durchaus übliche Vorgehens-
weise bei der Finite-Elemente-Berechnung
von Großwälzlagern weist jedoch erhebliche
Mängel auf. Durch die Vernachlässigung
des Klaffens der Trennfugen während der
Lastverteilungsberechnung werden unter
hohen Belastungen die maximalen Wälz-
körperkräfte nur ungenügend genau
berechnet. Werden diese fehlerbehafteten
Wälzkörperkräfte danach als Lasten auf das
zweite Teilmodell aufgebracht, errechnet
man aufgrund der vorhandenen Nichtlinea-
rität Schraubenzusatzspannungen mit
einem noch größeren relativen Fehler. Die
Ursache für diese großen Abweichungen
besteht darin, dass das bei hoher Last auf-
tretende Klaffen der Trennfugen in der Pra-
xis zu einer deutlichen Umverteilung der
Wälzkörperkräfte im Lager führt, was eben-
falls eine deutliche Veränderung der Schrau-
benbelastungen hervorruft.
3 Aufgabenstellung
Aufbauend auf der Analyse der bisher
bekannten Berechnungsverfahren für
Großwälzlager wurden die folgenden Anfor-
derungen an ein neu zu entwickelndes
Berechnungsverfahren definiert:
• Um einen hohen Grad an Übereinstim-
mung von Berechnungsergebnissen mit
Messergebnissen zu erreichen, müssen
die drei wesentlichen Einflussfaktoren,
das heißt
- die Kontaktverhältnisse von Wälz-
körpern und Laufbahnen,
- das elastische Verhalten der Schraub-
verbindungen einschließlich partiell
klaffender und gleitender Trennfugen
und
- die Stützsteifigkeiten beider Anschluss-
konstruktionen
in einem ganzheitlichen Berechnungs-
modell simultan berücksichtigt werden.
• Der manuelle Bearbeitungsaufwand
sollte erheblich geringer werden als
dies bei der Erstellung von Finite-Elemente
Modellen auf herkömmliche Art und
Weise der Fall war.
• Auf einem durchschnittlich ausgestatteten
modernen PC sollte eine komplette Lager-
berechnung mit einer Rechenzeit von
weniger als einer Stunde möglich werden.
• Der Kunde einerseits sollte sich nicht
mehr mit Details des Großwälzlagers
und der Großwälzlagerhersteller anderer-
seits sollte sich nicht mehr mit Details
der Anschlusskonstruktionen des Kunden
auseinandersetzen müssen.
Übertrieben dargestellte Verformung im Querschnitt beihoher abhebender Belastung (Bild 3)
42
43
forumThyssenKrupp 1/2002
Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kundenspezifischen Anschlusskonstruktionen
4 Problemlösung
Bei der Entwicklung neuer Maschinen
wird in zunehmendem Maße die Finite-Ele-
mente-Methode zur Optimierung des Pro-
totypen eingesetzt. Der isolierte Nachweis
einzelner Komponenten wird, im Gegensatz
zur Vergangenheit, heute immer seltener
akzeptiert. Die Optimierung einer Maschine
bzw. Anlage bei Verwendung eines Groß-
wälzlagers ist eine Gemeinschaftsarbeit
zwischen dem Anlagenhersteller und dem
Großwälzlagerhersteller.
Das Gesamtmodell wird zuerst in drei
Teilmodelle zerlegt (Bild 4), um eine Arbeits-
teilung zwischen dem Kunden und dem
Großwälzlagerhersteller zu ermöglichen
und damit eine Voraussetzung für die wirt-
schaftliche Durchführung der Berechnung
zu schaffen. Es ist nicht mehr erforderlich,
ein Gesamtmodell an einer zentralen Stelle
komplett zu entwickeln. Auf diese Weise
werden Interpretationsfehler durch das
Lesen fremder Konstruktionsunterlagen
vermieden. Die drei Teilmodelle sind konkret:
• die obere Anschlusskonstruktion des
Kunden
• das Großwälzlager einschließlich Befes-
tigungsschrauben
• die untere Anschlusskonstruktion des
Kunden.
Bei Anwendung des neuen Berech-
nungsverfahrens erstellt der Kunde je ein
separates Finite-Elemente-Modell seiner
oberen und unteren Anschlusskonstruktion.
Im Gegensatz zur üblichen Vorgehenswei-
se dienen diese Modelle zunächst jedoch
nur der Steifigkeitsanalyse dieser Kon-
struktionen. Der Kunde erhält vom Groß-
wälzlagerhersteller Rothe Erde eine Anlei-
tung, wie die Modelle der Anschlusskon-
struktionen im Bereich der Lagerflansche
anzupassen sind, um ein problemloses
späteres Zusammenfügen mit dem Finite-
Elemente-Modell des Großwälzlagers zu
gewährleisten. Für die Finite-Elemente-
Modelle der Anschlusskonstruktionen gibt
es keine besonderen Beschränkungen
bezüglich der Anzahl der Freiheitsgrade
bzw. der verwendeten Details. Die erzeugten
Gesamtsteifigkeitsmatrizen beliebiger
Größenordnung werden in einem nachfol-
genden Schritt durch statische Kondensa-
tion auf die Freiheitsgrade der Verbin-
dungsknoten im Anschlussbereich des
Lagers reduziert. Auf diese Weise erhält
man Dateien in einer Größenordnung von
einigen Megabytes, die problemlos per
E-Mail vom Kunden zu Rothe Erde über-
tragen werden können.
Hafenmobilkran; Zerlegung in drei Teilmodelle (Bild 4)
Finite-Elemente-Modell der oberen Anschlusskonstruktion
Finite-Elemente-Modell des Großwälzlagers
Finite-Elemente-Modell der unteren Anschlusskonstruktion
44
forumThyssenKrupp 1/2002
Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kundenspezifischen Anschlusskonstruktionen
Bei Rothe Erde wurde eine spezielle
Software entwickelt, die eine wirtschaftliche
Generierung des Teilmodells ‘Großwälzlager’
ermöglicht. Hierbei wird prinzipiell eben-
falls ein Finite-Elemente-Modell erstellt,
welches die Lagerringe, die Wälzkörper
und die Befestigungsschrauben beinhaltet.
Die Querschnitte der einzelnen Lagerringe
werden mit CAD-ähnlichen Eingabedaten
beschrieben. Die Angaben zu Wälzkörpern
und Befestigungsschrauben sind nur
geringfügig umfangreicher als beim bisher
verwendeten Routineverfahren und können
der Werknorm entnommen werden. Die
vom Kunden generierten Dateien mit den
reduzierten Steifigkeiten der Anschluss-
konstruktionen können von der Spezial-
software ohne manuellen Bearbeitungs-
aufwand direkt importiert und zum Modell
des Lagers hinzugefügt werden (Bild 5).
Auf diese Weise entsteht ein komplettes
Gesamtmodell, bei dem alle wesentlichen
Einflussgrößen gleichzeitig in einem
Rechenlauf berücksichtigt werden.
Die Ergebnisse bestehen für Kugelbah-
nen aus der Verteilung der einzelnen
Kugelkräfte nach Betrag und Richtung,
sowie bei Rollen aus der Verteilung der
einzelnen Rollenkräfte sowie deren Exzen-
trizitäten. Des Weiteren werden für die
Laufbahnsysteme die Kontaktflächen, die
Pressungen in den Kontaktflächen, die
maximalen Wälzkörperkräfte und die da-
raus resultierenden theoretischen Lebens-
dauern berechnet. Ebenso ist es möglich,
Lagerspiele bzw. Vorspannungen in der
Berechnung zu berücksichtigen.
In besonderen Fällen, wenn Planabwei-
chungen, Abwinklungen bzw. Unrundheiten
der Anschlussflansche des Lagers bekannt
sind, können diese ebenfalls bei der Berech-
nung Berücksichtigung finden. Das Groß-
wälzlager wird durch eine beliebig komplexe
Belastung beaufschlagt. Es besteht die
Möglichkeit der Simulation beliebiger Dreh-
stellungen des drehbaren Teils gegenüber
dem feststehenden Teil durch einfache
Änderung eines Eingabeparameters, näm-
lich des Drehwinkels. Die Modellierung der
Trennfugen zwischen Lagerringen und
Anschlussflanschen erfolgt sehr wirklich-
keitsnah. Die Simulation berücksichtigt ein
mögliches Klaffen der Trennfugen sowohl
von außen wie auch von innen. Das Kon-
taktverhalten in der Trennfuge ist abhängig
vom gegebenen Reibwert. Bei Überschrei-
tung dieses Reibwertes erfolgt der auto-
matische Übergang von Haftreibung zur
Simulation von Gleitreibung in den einzel-
nen verschraubten Ringsegmenten.
Die Befestigungsschrauben werden
analog einer Abkühlung im Modell vorge-
spannt. Das Berechnungsmodell simuliert
die vollständige räumliche Belastung der
Schraube, d.h. man erhält Biegung um
zwei Achsen, Torsion, Zug bzw. Druck
sowie Querkräfte in zwei Achsen. Die
Ergebnisse werden in Form von Zusatz-
spannungen relativ zum Vorspannungs-
zustand oder auch als Absolutspannungen
ausgegeben. Des Weiteren ist eine Berech-
nung der Spannungen in den Lagerringen
möglich.
Nach erfolgter Lagerberechnung erhält
der Kunde per E-Mail Dateien mit den Ver-
schiebungen und Verdrehungen der Ver-
bindungsknoten an den Flanschen der
Anschlusskonstruktionen. Diese Daten
können direkt von seinem Finite-Elemente-
Programm importiert und daraus die dazu
gehörigen internen Verformungen und
Spannungen der Anschlusskonstruktionen
berechnet werden (Bild 5). Auf diese Weise
ergibt sich die Möglichkeit der kostengün-
stigen Optimierung des Prototypen. Kon-
struktive Schwachstellen werden schnell
identifiziert. Nach Modifikation der betroffe-
nen Teilmodelle lässt sich die Simulation
mit geringem Aufwand wiederholen.
Ablaufschema des bei Rothe Erde entwicklelten Berechnungsverfahrens (Bild 5)
Kunde
Finite-Elemente-Modell der oberenAnschlusskonstruktion erstellenund deren Steifigkeit berechnen
KondensierteSteifigkeitsmatrix
der oberenAnschlusskonstruktion
Finite-Elemente-Modell desGroßwälzlagers erstellen unddessen Steifigkeit berechnen
Finite-Elemente-Modell der unterenAnschlusskonstruktion erstellenund deren Steifigkeit berechnen
Steifigkeiten aller dreiTeilmodelle zu einem
Gesamtsystem zusam-menfügen
KondensierteSteifigkeitsmatrix
der unterenAnschlusskonstruktion
Verschiebungen undVerdrehungen der
Verbindungsknotender unteren
Anschlusskonstruktion
Auswertung derErgebnisse des
TeilmodellsGroßwälzlager
Berechnung derinneren Unbekannten
der oberenAnschlusskonstruktion
Verschiebungen undVerdrehungen der
Verbindungsknotender oberen
Anschlusskonstruktion
Spannungen,Verformungen ...
Wälzkörperkräfte,Schraubenzusatz-
spannungen ...
Spannungen,Verformungen ...
Iterative Berechnungdes nichtlinearenGesamtsystems
durchführen
Berechnung derinneren Unbekannten
der unterenAnschlusskonstruktion
Per E-Mail
Per E-Mail Per E-Mail
Per E-Mail
Hersteller
45
forumThyssenKrupp 1/2002
Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kundenspezifischen Anschlusskonstruktionen
5 Fazit
Die Bereitstellung des von Rothe Erde
entwickelten Berechnungsverfahrens bietet
dem Kunden und dem Hersteller eine
nachhaltige Entwicklungspartnerschaft.
Das neue Verfahren ermöglicht sowohl
eine sehr wirtschaftliche als auch eine im
Sinne der technischen Mechanik sehr
gründliche Analyse des Gesamtsystems
Großwälzlager-Anschlusskonstruktion. Zum
ersten Mal wird die Simulation des gegen-
seitigen Einflusses von Laufbahnsystem
und Schraubverbindung für beliebige Bela-
stungen auf einem PC berechenbar. Die
Berechnungsergebnisse zeichnen sich
durch eine sehr hohe Übereinstimmung
mit experimentell ermittelten Ergebnissen
aus. Der durch die Simulation mögliche
Verzicht auf experimentelle Bauteiluntersu-
chungen verkürzt die Zeit der Prototypent-
wicklung beim Kunden in hohem Maße.
Der Bearbeitungsaufwand bei Rothe Erde
verringert sich um bis zu 90 % gegenüber
früheren Verfahren auf der Basis der Finite-
Elemente-Methode.
46
forumThyssenKrupp 1/2002
Triebwerkscheiben der ThyssenKrupp Turbinenkomponenten GmbH (Bild 1)
Dr.-Ing. Peter Klaus Kirner
Dr.-Ing. Daniel Holstein
Vollautomatische Wärmebehandlungslinie für Triebwerkscheiben
47
forumThyssenKrupp 1/2002
Vollautomatische Wärmebehandlungslinie für Triebwerkscheiben
1 Einleitung
Die ThyssenKrupp Turbinenkomponen-
ten GmbH, mit Sitz in Remscheid, fertigt
geschmiedete Komponenten für die Luft-
fahrtindustrie und Energiewirtschaft. Als
qualifizierter und erfahrener Zulieferer von
Flugtriebwerksteilen umfasst das Produkt-
portfolio neben Verdichterschaufeln eine
Fülle unterschiedlicher Triebwerkscheiben
und scheibenähnlicher Produkte mit Durch-
messern von bis zu 1.100 mm (Bild 2). Die
geschmiedeten und anschließend spanend
bearbeiteten Scheiben werden bei den
Triebwerksherstellern mit einer entsprechen-
den Beschaufelung bestückt. In nahezu
allen am Markt gängigen zivilen und
militärischen Triebwerken finden dabei
Scheiben der ThyssenKrupp Turbinen-
komponenten GmbH Verwendung und
zwar sowohl im Verdichter- als auch im
thermisch hoch beanspruchten Turbinen-
bereich.
Aufgrund extrem hoher Qualitätsanfor-
derungen in allen Bereichen eines Flug-
triebwerks ist auch bei den Triebwerkschei-
ben die Einhaltung exakt definierter Bau-
teileigenschaften zwingend erforderlich. Im
Flugbetrieb, das heißt beim Zusammen-
wirken hoher Temperaturen und Zentrifugal-
kräfte, sind ausreichende Sicherheitsreser-
ven zu gewährleisten. Darüber hinaus sind
die Bauteileigenschaften maßgebend für
die Lebensdauer der Triebwerkscheiben.
Eine gleichbleibend hohe Bauteilqualität
ermöglicht längere Revisionszyklen und
somit geringere Betriebskosten der Trieb-
werke.
2 Ausgangssituation und Ziel-stellung
Die wesentlichen Bauteileigenschaften
einer Triebwerkscheibe werden durch den
Eigenspannungszustand und das Gefüge
geprägt. Ein homogenes, dem lokalen
Beanspruchungszustand angepasstes
Gefüge sorgt bei den häufig eingesetzten,
warmfesten Titan- und Nickel-Super-Legie-
rungen für ein hohes Niveau der mecha-
nisch-technologischen Eigenschaften, wel-
che die zulässige Betriebsbeanspruchung
der Triebwerkscheibe weitestgehend cha-
rakterisieren. Die gezielte Einstellung der
mechanisch-technologischen Eigenschaf-
ten erfolgt nach dem Schmieden der Trieb-
werkscheiben im Rahmen einer Wärmebe-
handlung. Diese besteht im Wesentlichen
aus einem Lösungsglühen des Bauteils
inklusive anschließender Abschreckung in
einem speziellen Öl- bzw. Wasserbad
sowie einem nachgeschalteten Auslagern.
Bei der Abschreckung gilt es, eine homo-
gene, exakt definierte Abkühlung zu errei-
chen. Die Abkühlraten müssen an der
gesamten Scheibenoberfläche möglichst
identisch sein, um geringe Streuungen der
Scheibeneigenschaften zu erhalten.
In konventionellen Wärmebehandlungs-
linien wird weder eine Regelung der Bad-
temperatur noch eine Homogenisierung
des Temperaturniveaus in verschiedenen
Tiefen des Bades vorgenommen. Folglich
besteht die Gefahr einer ungleichmäßigen,
wenig definierten Abkühlung der Trieb-
werkscheiben. Zur Erreichung der o.g.
Ziele wurde im Rahmen einer seitens des
BMBF (FKZ: 03N3067) geförderten Koope-
ration zwischen MTU Aero Engines, der
Rolls-Royce Deutschland GmbH, der Bran-
denburgischen Technischen Universität
Cottbus und der ThyssenKrupp Turbinen-
komponenten GmbH die Aufgabe formu-
liert, eine neuartige Prozesstechnologie für
die Nickel-Super-Legierung Udimet 720 zu
entwickeln. Hierbei war die Implementierung
einer innovativen Abschrecktechnologie in
eine neu aufzubauende Wärmebehand-
lungslinie mit hohem Automatisierungs-
grad geplant. Aus der Sicht des Kunden
sollte mit diesem Projekt die Grundlage
geschaffen werden, in Folge optimierter
Bauteileigenschaften die Revisionszyklen
der Triebwerkscheiben signifikant zu ver-
längern.
Produkte der ThyssenKrupp Turbinenkomponenten GmbH im Flugtriebwerk (Bild 2)
48
forumThyssenKrupp 1/2002
Vollautomatische Wärmebehandlungslinie für Triebwerkscheiben
3 Automatisierte Wärmebehand-lungslinie
Das wesentliche Merkmal der bei der
ThyssenKrupp Turbinenkomponenten
GmbH aufgebauten Wärmebehandlungsli-
nie ist die richtungweisende Abschreck-
technologie mit umweltgerechter Rauchab-
saugung. Konstante Abkühlraten an der
gesamten Bauteiloberfläche werden
dadurch sichergestellt, dass erstmalig eine
Ölumwälzung in vertikaler und horizontaler
Richtung in Ergänzung zu einer oszillierenden
Wippfunktion für die Charge realisiert werden
konnte (Bild 3). Eine gezielte Positionier-
barkeit der Ausströmdüsen des Abschreck-
öls in Verbindung mit variablen Regelungen
der Umwälzleistung sowie der Amplitude
und Frequenz der Wippfunktion ermöglichen
es, eine vorgewählte Temperatur im
gesamten Abschreckbad einzustellen.
Hierdurch gelang es, die Voraussetzungen
für bauteilspezifische Abschreckcharakteri-
stika zu schaffen.
Neben der innovativen Abschrecktech-
nologie erfüllt die Wärmebehandlungslinie
im Hinblick auf die Anlagenbeschickung
und die Prozesskontrolle alle Erwartungen
an eine moderne Produktionsanlage (Bild 4).
Der zentrale Kammerofen (Bild 5) sowie
die Abschreckbecken mit den unterschied-
lichen Ölqualitäten werden vollautomatisch
chargiert. Der hohe Automatisierungsgrad
ermöglicht, definierte, exakt reproduzierba-
re Transferzeiten zwischen Ofen und Ab-
schreckbad zu realisieren. Die lückenlose
Prozesskontrolle erfasst jene Zeiten genauso
wie sämtliche Prozessdaten. Hierbei werden
nicht nur die frei programmierbaren Soll-
Daten, sondern auch die entsprechenden
Ist-Daten, so z.B. die Badtemperatur und
der Temperaturverlauf im Ofen, dokumen-
tiert. Dieses Monitoring der Prozessdaten
wird ergänzt durch eine computergestützte
Visualisierung des Prozessablaufs, welche
einen Überblick über die gesamte Prozess-
kette der Wärmebehandlung vermittelt.
Die Kapazität der Wärmebehandlungslinie
ist für ein Chargengewicht von bis zu
2.000 kg ausgelegt. Dabei ist die Anlage
sowohl für die Wärmebehandlung von
Nickel-Legierungen als auch für Stähle
und Titan-Legierungen verwendbar. Mitte
des Jahres 2001 hat die vollautomatische
Linie die kundenseitige Zulassung für die
Wärmebehandlung von Luftfahrtteilen
erhalten.
4 Vorteile
4.1 Interne Vorteile
Die vollautomatische Wärmebehand-
lungslinie bietet bei der Herstellung der
Triebwerkscheiben Vorteile in Bezug auf
die Reproduzierbarkeit der Prozesse sowie
hinsichtlich der Prozesssicherheit und
-stabilität (Bild 6). In Folge der umfangrei-
chen Regelungs- und Monitoringmöglich-
keiten wird eine deutliche Verbesserung
der Bauteilqualität erzielt. Die mechanisch-
technologischen Eigenschaften der Trieb-
werkscheiben werden beanspruchungsge-
recht eingestellt und weisen eine sehr
geringe Streuung auf (Bild 7). Hieraus
ergeben sich letztlich reduzierte Qualitäts-
kosten, da ein reduzierter Aufwand bezüg-
lich der fertigungsbegleitenden Prüfungen
erforderlich ist.
Vollautomatische Wärmebehandlungslinie (Bild 4) Kammerofen (Bild 5)
Umwälz- und Wippfunktion (Bild 3)
49
forumThyssenKrupp 1/2002
Vollautomatische Wärmebehandlungslinie für Triebwerkscheiben
Der hohe Automatisierungsgrad der
Anlage sorgt dafür, dass sich kürzere
Durchlaufzeiten bei der Wärmebehandlung
ergeben. Es kann ein höherer Durchsatz
realisiert werden, was bei den zeitintensi-
ven Prozessen des Lösungsglühens und
Warmauslagerns als besonders vorteilhaft
einzuschätzen ist. Die Summe der Vorteile
dieser Anlage bedeutet für die Thyssen-
Krupp Turbinenkomponenten GmbH, dass
die Technologieführerschaft in der Produkt-
gruppe Triebwerkscheiben untermauert
werden konnte.
4.2 Kundenvorteile
Für den Kunden eröffnen sich aufgrund
der optimierten Bauteileigenschaften
ebenfalls signifikante Potenziale. Während
der Weiterbearbeitung beim Kunden kam
es in der Vergangenheit immer wieder zu
eigenspannungsbedingtem Verzug, der
außerhalb der Toleranzgrenzen lag. Die
hieraus resultierende Ausschussrate konnte
durch die verbesserte Abschrecktechnologie
auf ein Minimum reduziert werden. Aber
auch die Sicherheitsreserve der Triebwerk-
scheibe, d.h. ihre Zuverlässigkeit, erhöht
sich in Folge der beanspruchungsgerech-
ten Eigenschaften, welche eine geringe
Streuung aufweisen. Dies stellt die Voraus-
setzung dafür dar, dass der Lebensdauer-
und Revisionszyklus der Triebwerkscheiben
verlängert werden kann, so dass schließlich
geringere Betriebskosten der Flugtriebwerke
anfallen.
5 Fazit
Die vorgestellte vollautomatische Wärme-
behandlungslinie für Triebwerkscheiben
stellt ein Beispiel für eine erfolgreiche
Kooperation zwischen Kunden, einer Hoch-
schule und einem Lieferanten dar. Kun-
denseitige Forderungen hinsichtlich der
Bauteilqualität wurden in modifizierten
Prozessen beim Lieferanten umgesetzt. Im
Rahmen des Projektes konnte dabei nicht
nur eine richtungweisende Prozess- und
Anlagentechnologie entwickelt, sondern
auch die partnerschaftliche Kunden-Liefe-
ranten-Beziehung gefestigt werden. Die
Synergien dieser Kooperation führten
dazu, dass sich die ThyssenKrupp Turbinen-
komponenten GmbH einen technologischen
Vorsprung vor den Wettbewerbern am
Markt sichern konnte.
6 Danksagung
Die ThyssenKrupp Turbinenkomponen-
ten GmbH dankt dem Bundesministerium
für Bildung und Forschung (BMBF) für die
Förderung des Verbundprojektes „Erfor-
schung des Werkstoffpotenzials von Udimet
720 Li bei Temperaturen oberhalb von
650 °C“.
Gegenüberstellung der Eigenschaften einer konventionellen und derneuen Wärmebehandlungslinie (Bild 6)
Scheibengeometrie und Eigenspannungszustand (Bild 7)
50
forumThyssenKrupp 1/2002
Edelstahl-Außenfassade am neuen Terminal des Airports Düsseldorf; Thyssen Schulte war an der Erarbeitung des Werkstoffeinsatz-Konzeptes und mit umfangreichen Lieferungen von Rohren und Blechen aus Edelstahl einschließlich Anarbeitung beteiligt (Bild 1).
Dipl.-Ing. Jochen Adams
Dr. rer. pol. Claus Algenstaedt
Datenbank für Kunden zur Optimierung der Stahlsortenauswahl
W E R K S T O F F Eoptimalauswählen
Thyssen Schulte
51
forumThyssenKrupp 1/2002
Datenbank für Kunden zur Optimierung der Stahlsortenauswahl
1 Die Konzeption
Technisches Marketing und werkstoff-
orientierte Kundenberatung haben einen
hohen Stellenwert in der Geschäftsstrate-
gie von Thyssen Schulte, führender Werk-
stoffhändler und Dienstleister in Deutsch-
land. Bei der Beratung der Kunden – vor
allem mittelständisch geprägte verarbeitende
Betriebe aus einem breiten Branchenspek-
trum – werden zunehmend Fragestellungen
über Werkstoffeinsatz, Werkstoffprüfung
(Bild 2) und optimale Werkstoffauswahl
unter spezifischen Einsatzbedingungen
aufgegriffen und betreut. Dies ist ein we-
sentlicher Aufgabenbereich der Abteilung
„Technischer Verkauf“ in Essen. Die Zen-
tralstelle unterstützt die Verkaufsabteilungen
der Niederlassungen und Tochtergesell-
schaften. Seit Mitte der 90er Jahre werden
systematisch die sich verbessernden elek-
tronischen Medien für die Speicherung von
Werkstoffdaten genutzt.
Inzwischen ist ein umfassendes, elektro-
nisches Programm zur Auswahl und Opti-
mierung des Stahlsorteneinsatzes ent-
wickelt worden. In dem Programm sind
mehr als 400 Stahlsorten (Güten) der
DIN-EN-Qualitäts- und Edelstähle zusam-
mengefasst, Schwerpunkt: Flachprodukte.
Im einzelnen sind dies unlegierte und
legierte Stähle (rost-, säure- und hitzebe-
ständig), Sonderbaustähle, Schiffsbau-
stähle einschließlich Offshore-Anwendun-
gen sowie Stähle für geschweißte Rohrlei-
tungen und druckwasserstoffbeständige
Stähle.
Im Gegensatz zu anderen Ansätzen, die
nur theoretische Werte oder Grenzwerte
der jeweiligen Normen berücksichtigen,
liegen dem elektronischen Datenbanksys-
tem von Thyssen Schulte statistisch abge-
sicherte Häufigkeitsverteilungen zugrunde.
Diese Daten sind aus jahrzehntelanger
Praxis und Fortschreibung gewonnen wor-
den. Ausgangsdaten bilden Ergebnisse der
Qualitätsstelle der August-Thyssen-Hütte
bzw. ThyssenKrupp Stahl sowie die Ergeb-
nisse aus langjähriger Beratungspraxis der
Abteilung „Technischer Verkauf“.
Die Datenbank arbeitet parametergestützt
und nutzt kombinierte Eigenschaften als
Auswahlkriterium für den optimalen Stahl-
einsatz im Hinblick auf die geplante Verar-
beitung oder den Verwendungszweck.
Unter Bezug auf die vom jeweiligen Anwen-
der vorgegebenen Restriktionen bietet das
Programm ein Werkstoffblatt der jeweils
optimalen Stahlsorten. Das Grundkonzept
dieser Information ist ebenfalls von
Thyssen Schulte entwickelt worden und
enthält für jede Stahlsorte folgende
Angaben:
• Geltungsbereich
• Anwendung und typische Einsatzbereiche
• chemische Zusammensetzung
• mechanische Eigenschaften
• physikalische Eigenschaften
• Warmformgebung
• Verarbeitung/Schweißen
• Literaturhinweise.
2 Generelle Zielsetzungen: Kun-denbindung durch Kompetenz
Der Bedarf an qualifizierter technischer
Beratung im Handelsgeschäft mit Stahl
und anderen Werkstoffen wächst. Dabei
geht es immer häufiger um spezielle Pro-
bleme der Verarbeitung (Bild 3), Stand-
zeiten, Korrosionseinflüsse, aber auch des
Vergütens, Umformens und Schweißens.
Neben planenden und stahlberatenden
Institutionen, Konstrukteuren, Ingenieuren
und Hochschulen ist das Stahlauswahl-
Programm vor allem zur Förderung und
Unterstützung des Lager- und Servicege-
schäftes (einschließlich der steigenden
Leistungen in der Anarbeitung (Bild 4))
für die typischen Kundengruppen aus
Industrie und anderen Verarbeitungs-
bereichen gedacht. Besondere Bedeutung
hat das Auswahlprogramm für stahlverar-
beitende Betriebe mit wechselnder Auf-
tragsstruktur und/oder fixen Lieferterminen.
Taschentuchfaltprobe zur Ermittlung der Extrem-belastbarkeit beim Kaltumformen (Bild 2)
Einsatz von Feinblechen in Verbindung mit Tiefzieh-technik und Laserstrahlschweißen (Bild 3)
52
forumThyssenKrupp 1/2002
Datenbank für Kunden zur Optimierung der Stahlsortenauswahl
Durch eine spezielle Verschlüsselung
aller Stahlsorten nach dem Status ihrer
Lagerhaltung bzw. der Beschaffung im
Streckengeschäft ist automatisch ein wei-
teres Kriterium für die Optimierung der
Auswahl gegeben: Häufig spielt der
Gesichtspunkt der besten (schnellsten)
Verfügbarkeit einer Stahlsorte bei der
Beschaffung durch den Kunden eine
wichtige Rolle.
Ein besonders schneller Zugriff auf die
Stahlgüte ist dann gegeben, wenn die ört-
liche Verkaufsabteilung von Thyssen Schulte
das eigene Lager, also die Bestände unmit-
telbar in Kundennähe, nutzen kann. Eine
andere gute Alternative, durch die Thyssen
Schulte nach hohen Investitionen ein be-
sonders umfangreiches Programm aus
ständigem Lagerbestand bieten kann, ist
die kurzfristige Belieferung über Zentralläger.
Derartige Zentralläger unterhält Thyssen
Schulte in allen Produktsparten. Bei Stahl
sind es die Zentralläger in Essen/Mülheim
(Bild 5) und Heilbronn (Bild 6). Bei Edel-
stählen werden viele Geschäfte über das
in Europa führende Zentrallager Dortmund
(Bild 7) abgewickelt.
Die Datenbank basiert auf verknüpften,
praxisrelevanten Eigenschaften und Merk-
malen (Bild 8) von 400 Stahlsorten. Dabei
sind je Stahlsorte bis zu 40 Merkmale hinter-
legt. Beispielhaft seien an dieser Stelle die
mechanisch-technologischen Kennwerte
(Streckgrenze (Bild 9), Zugfestigkeit, Bruch-
dehnung, Kerbschlagarbeit etc.) erwähnt.
Zusätzlich bietet das Programm auch die
Möglichkeit, sich darüber zu informieren,
welche Stahlsorten typischerweise in ein-
zelnen Branchen eingesetzt werden. Auf
diese Weise kann man im konkreten Fall
wesentliche Anforderungsprofile abgleichen.
3 Weiterentwicklungen
Das Datenbanksystem wird systematisch
weiterentwickelt. Es enthält inzwischen
eine Reihe von Kriterien und Informationen,
die weit über den klassischen Ansatz einer
Auswahldatei hinausgehen.
• Wöhler-Kurven
Die komplexe Thematik der Dauerfestigkeit
von Stählen ist für Konstrukteure und Kun-
denbetriebe im Maschinenbau von wesent-
licher Bedeutung. Da sich die Belastungen
von Maschinenteilen häufig in Größe und
Richtung ändern, ist es erforderlich, Dauer-
oder Ermüdungsbrüche im Vorhinein durch
optimalen Einsatz geeigneter Baustähle zu
verhindern.
Dauerschwingfestigkeiten werden vom
Programm als Wöhler-Kurven für unter-
schiedliche Spannungsverhältnisse (Quotient
aus sogenannter Unter- und Oberspannung)
sowie für Proben mit verschiedenen Ober-
flächen zur Verfügung gestellt. Je Stahlsorte
unterschiedlich (Bild 10) weisen sie die in
Versuchen ermittelten Werte der Lebens-
dauer in Abhängigkeit von den jeweiligen
Spannungsamplituden (Beanspruchungs-
art) auf.
• Korrosionsbeständigkeit
Kriterien für die Stahlauswahl sind in
diesem Programmteil wichtige chemische
und physikalische Parameter für die Korro-
sionsbeständigkeit von legierten und hoch-
legierten Stählen unter Einflüssen von
Neue Laseranlage zur Bearbeitung von Kundenauf-trägen bei Edelstahl und Aluminium im Zentrallagerin Dortmund (Bild 4)
Schneidleisten für den Baggerschaufelbau aushochfestem Sonderbaustahl XAR 400, hergestellt imBrennbetrieb des Zentrallagers in Essen (Bild 5)
Zuschnitte aus Profilen und Grobblechen, gestrahltund/oder geprimert/Zentrallager in Heilbronn (Bild 6)
Das Zentrallager in Dortmund von Thyssen Schulteist europaweit der größte und modernste Lager-komplex seiner Art – im Foto eine Halle (Bild 7)
53
forumThyssenKrupp 1/2002
Datenbank für Kunden zur Optimierung der Stahlsortenauswahl
Abwasser und Abgasen. Das PC-Programm
(Bild 11) bietet im Abwasserbereich 4.000
und bei Abgasen 56.000 Beanspruchungs-
varianten.
Dieser Programmteil ist vor allem für
Branchen wie Wassertechnik, Chemie,
Maschinen- und Anlagenbau gedacht,
wo Stähle in Umgebungen mit besonderen
Belastungen eingesetzt werden müssen.
Aus der Kombination der individuellen
Anforderungen (Parameter) ergibt sich die
im jeweiligen Belastungsumfeld optimale
Stahlsorte. Hierzu lässt sich ein Werkstoff-
blatt mit Detailinformationen aus dem
Programm abrufen und ausdrucken.
• ZTU-Schaubilder
Inzwischen ist auch die Übernahme von
Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Schaubildern
erfolgt. Bislang mussten die ZTU-Schau-
bilder gesondert beim „Technischen Ver-
kauf” in Essen angefordert werden. ZTU-
Schaubilder, die über die zeitabhängigen
Härtevorgänge und den Ablauf der Aus-
tenit-Umwandlung (γ/α-Umwandlung)
beim Abkühlen einer Stahlsorte nach Wärme-
behandlung informieren, sind vielfach als
Hilfsmittel unverzichtbar. Das gilt insbe-
sondere dann, wenn es um die optimalen
Vorgaben für die Wärmebehandlung einer
Stahlsorte im Verarbeitungsbetrieb geht.
• Anlass-Schaubilder
Stahlsorten können durch Anlassvergüten
in ihren Eigenschaften wesentlich beein-
flusst werden. Dabei kommt dem Erwärmen
eines Werkstücks nach dem Härtevorgang
unterhalb des ersten Haltepunktes (t < Ac1)
besondere Bedeutung zu. In Abhängigkeit
von der Anlasstemperatur verändern sich
die noch enthaltenen Spannungen sowie
die Festigkeit, Zähigkeit, Streckgrenze und
die dynamische Beanspruchbarkeit. Jede
Stahlsorte hat ein individuelles, für Kon-
strukteure aussagefähiges Vergütungs-
schaubild. Es ist geplant, diese Schaubilder
in das Programm zu übernehmen.
4 Technisch orientierte Verkaufs-unterstützung
Der Einsatz eines eigenen, elektronisch
basierten Abfrage- und Informationssystems
für Verarbeiter unterstreicht die Werkstoff-
kompetenz von Thyssen Schulte. Für eine
solche universelle, praxisorientierte Daten-
bank von Eigenschaften und Daten-/Fakten-
Kombinationen im Stahlbereich gibt es
bisher keine Vergleichsangebote im Markt
(Alleinstellungsmerkmal).
Durch die je Stahlsorte systemimmanente
Information über ihre Verfügbarkeit (Beschaf-
fung) ergeben sich nicht nur zusätzliche Ent-
scheidungsparameter für die Kunden bei
ihrer eigenen Auftragsabwicklung, sondern
200 300 400 500 600 700
3,0
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
t ≥ 6 mm
3 < t ≤ 6 mm
t ≤ 3 mm
Streckgrenze [MPa]
Abk
antr
adiu
s/B
lech
dick
e (r
/t)
Empfohlene Abkantradien im Verhältnis zur Blechdicke in Abhängigkeit von der Streckgrenze(Bild 9)
Im Stahlauswahl-Programm hinterlegte mechanisch-technologische, physikalische und diverseandere Werkstoffeigenschaften als Auswahlkriterien (Bild 8)
54
forumThyssenKrupp 1/2002
Datenbank für Kunden zur Optimierung der Stahlsortenauswahl
auch neue Anknüpfungspunkte für den Ver-
kauf von Thyssen Schulte: Das moderne
Lagersystem bietet gegenüber dem Wettbe-
werb viele Vorteile in der Bevorratung sowie
hinsichtlich der schnellen Lieferfähigkeit ab
Lager/Zentrallager.
Bei Thyssen Schulte steigt der Umsatz
mit höherwertigen Stahlsorten überpropor-
tional. Die innovative Entwicklung von Stahl-
güten – mehr als die Hälfte der rund 2.000
Stahlsorten der Stahl-Eisen-Liste ist in den
letzten sechs Jahren weiterentwickelt worden
oder neu hinzugekommen – hat zur Aus-
weitung der Lagerhaltung und Geschäfts-
tätigkeit geführt. Es ist davon auszugehen,
dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird.
Die Nutzung des Stahlauswahl-Programms
erspart den Anwendern eigene zeitaufwen-
dige Untersuchungen oder Beratungsauf-
wendungen, um den Materialeinsatz im
konkreten Einzelfall abzusichern. Dies ist
vor allem für verarbeitende mittelständische
Betriebe, die vielfach ohne große Personal-
ressourcen für Forschung und Materialprü-
fung arbeiten, von erheblichem Vorteil.
5 Fazit
Thyssen Schulte setzt pro Jahr rund 3,0
Millionen Tonnen Grund-, Qualitäts- und
Edelstähle mit einem Volumen von 1,7 Mrd €
um. Im letzten Jahrzehnt ist es gelungen,
den Anteil hochwertiger Stahlsorten, wie
hochfeste, verschleißfeste und korrosions-
beständige Stähle, nachhaltig auszubauen
und entsprechende Verarbeiter in den Kun-
denstamm zu integrieren.
Das elektronisch basierte Stahlauswahl-
Programm ist ein wichtiges Hilfsmittel, um
den weiteren strategischen Ausbau von
Kundenmarktanteilen im höheren Produkt-
sortiment zu unterstützen. Es bietet den
Anwendern und Verarbeitern folgende
Vorteile:
• Auswahl und Optimierung der Stahl-
sorten anhand individueller Vorgaben
der Anwender
• Problemoptimierung durch Zugriff über
drei Einstiegsvariablen als wesentliche
Steuerungsgrößen für den individuellen
Auswahlprozess
• Verfügbarkeit je Stahlsorte ab Lager,
Zentrallager oder in der Strecke ver-
schlüsselt,
• Entscheidungsunterstützung durch
praxisorientierte, statistisch abgesicherte
Kenndaten
• einfache Handhabung durch Bereit-
stellung als PC-Software oder Internet-
basiert in Verbindung mit Online-
Systemen.
Mit dem Stahlauswahl-Programm ver-
fügt Thyssen Schulte im Kernbereich des
Lagergeschäftes über einen bedeutenden
Wettbewerbsvorsprung: Weder in den
metallurgisch forschenden oder beratenden
Instituten, noch bei Konkurrenzunternehmen
im in- und ausländischen Werkstoffhandel
gibt es vergleichbare benutzerfreundliche
und universelle Programme oder Daten-
banken.
Im Hinblick auf die Kundenvielfalt und
die breitgefächerten Lagerprogramme
ergeben sich durch das hier vorgestellte
Datenbank-Programm für Thyssen Schulte
attraktive Möglichkeiten zur laufenden
Geschäftsunterstützung. Der Einsatz bei
Tochtergesellschaften und in anderen
Segmenten des Konzerns ist denkbar, der
weitere Ausbau vorgesehen.
Stahl 1 2 3
Bruchschwingspielzahl nB
4 6 8 105 2 4 6 8 106 2 4 6 8 107
Spa
nnun
gsam
plitu
de
Wöhler-Kurven, die das Verhalten der Stähle bei schwingender Beanspruchung beschreiben,beruhen, wie alle Daten, auf statistisch abgesicherten Praxiswerten (Bild 10)
55
forumThyssenKrupp 1/2002
Datenbank für Kunden zur Optimierung der Stahlsortenauswahl
Bei den internationalen Rohr- und Blechmessen im Jahre 2002 in Düsseldorf bzw.Hannover wurde das Auswahl-Programm in seiner erweiterten Fassung vorge-stellt; auf dem Foto der Messestand auf der Rohrfachmesse TUBE (Bild 11).
56
forumThyssenKrupp 1/2002
Die Revolution im Schalungsmarkt (Bild 1)
Ulrike Grönefeld
Dipl.-Ing. Jürgen Schlenker
Re-Use-Platte: Kunststoff-Verbund-Platte mit Ersatzfolie
57
forumThyssenKrupp 1/2002
Re-Use-Platte: Kunststoff-Verbund-Platte mit Ersatzfolie
1 Status Quo
Im weltweiten Schalungsmarkt werden
vorwiegend Schalungsplatten aus Sperr-
holz in System-Rahmenschalungen aus
Stahl oder Aluminium zur Herstellung von
Wänden und Decken aus Beton eingesetzt.
Diese Systemschalungen werden in zuneh-
mendem Maße als Dienstleistung der
Schalungshersteller an ihre anspruchsvollen
Kunden vermietet. Dabei kann der Belag
einer Deckenschalung für ca. 40-60 Ein-
sätze und der einer Wandschalung für ca.
60-80 Einsätze verwendet werden. Zwischen
den Baustelleneinsätzen allerdings liegen
das Reinigen und aufwendige Reparieren
der Platten von Hand.
Diese notwendigen Tätigkeiten stellen
die derzeit größten Kostentreiber dar. Des-
halb kommt es darauf an, den Aufwand im
Bereich Reinigung und Reparaturen zu
minimieren, die Langlebigkeit zu erhöhen
und den Kunden gleichzeitig eine durch-
gängig herausragende Qualität zu liefern.
Bei der Suche nach einem geeigneten
Werkstoff, der all diese Eigenschaften
vereint und trotzdem so tragfähig und steif
wie die übliche Sperrholz-Schalhaut ist,
setzt die Baubranche seit Anfang 2001
auf Kunststoffe. Unter den verschiedenen
Kunststoffen hat sich Polypropylen als
technisch und wirtschaftlich am geeignet-
sten herauskristallisiert. Doch das Material
allein bringt noch nicht den gewünschten
Erfolg. Daher hat Hünnebeck eine Technik
zur thermischen Behandlung der Ober-
fläche entwickelt, die erhebliche Verbesse-
rungen mit sich bringt.
2 Kunststoff contra Sperrholz
Gegenüber der üblichen Sperrholzplatte
bietet eine Kunststoff-Schalplatte vier große
Vorteile.
Erstens nimmt sie keine Feuchtigkeit
auf und ist somit witterungsbeständig
und formstabil, während Holz aufquillt.
Zweitens ist die Reinigung von Kunst-
stoffplatten weniger aufwendig, da das
Material schmutzabweisend ist. Ebenso
verhält es sich mit der Reparatur.
Zu guter Letzt sind flächige Beschädigun-
gen an einer Kunststoffplatte seltener.
Sperrholz hingegen weist häufig Deckfurnier-
ablösungen auf.
Auch in punkto Umweltschutz ist die
Kunststoffschalhaut der Sperrholzplatte
überlegen. Die Holzressourcen werden
geschont. Außerdem kann Kunststoff
recycelt werden, während die mit Phenol-
harz behandelte Sperrholzschalhaut als
Sondermüll entsorgt werden muss.
3 Technische Revolution
Die Kunststoffplatten, die bisher dem
Markt vorgestellt wurden, sind nur von Hand
zu reparieren. Das erfordert nach wie vor
einen hohen Aufwand und bringt somit
ebenfalls hohe Kosten mit sich. Deshalb
geht Hünnebeck noch einen Schritt weiter
und arbeitet an einer Re-Use-Platte, deren
Oberfläche maschinell nach Bedarf erneuert
werden kann.
4 Das Prinzip
Der tragende Teil und die Oberfläche
sind voneinander getrennt (Bild 2). Dabei
besteht die Trägerplatte aus gewichtsredu-
zierendem, geschäumtem Polypropylen
und einer ein bis zwei Millimeter dünnen
Verstärkung aus Glasfasergewebe (Bild 3,
Bild 4). Die Oberfläche ist eine zirka ein
Millimeter starke Polypropylen-Folie. Beide
Elemente werden maschinell miteinander
verklebt (Bild 5). Sollte die Oberfläche der
Polypropylen-Folie zum Beispiel durch
Nageleinschläge beschädigt sein, kann sie
ebenfalls auf maschinellem Wege problem-
los von der Trägerplatte entfernt werden.
Die Trägerplatte wird anschließend einfach
mit einer neuen Folie beschichtet und steht
mit einer absolut perfekten Oberfläche für
weitere Einsätze zur Verfügung. Dadurch
erhöht sich die Einsatzzahl der Trägerplatte
um ein Vielfaches auf über 200 Einsätze.
Bei allen Vorgängen verbleibt die Träger-
platte im Rahmen.
5 Die Vorteile
Die Re-Use-Platte erfüllt alle wesentlichen
Anforderungen, an eine moderne System-
schalung. Dem Kunden steht stets eine
Schalung mit einer neuen Oberfläche zur
Verfügung. Dies ermöglicht stets hervorra-
gende Ergebnisse hinsichtlich einer glatten
Betonoberfläche und dies zu bisher nicht
gekannten günstigen Konditionen. Die ex-
treme Langlebigkeit der Trägerplatte und
Re-Use-Platte: die Polypropylen-Folie wird auf dasGlasfasergewebe der Trägerplatte geklebt (Bild 2)
58
forumThyssenKrupp 1/2002
Re-Use-Platte: Kunststoff-Verbund-Platte mit Ersatzfolie
das maschinelle Reparaturverfahren
erhöhen die Wirtschaftlichkeit sowohl von
Kauf- als auch von Mietschalungen. Zwi-
schen 35 und 40 Prozent der derzeitigen
Reinigungs- und Reparaturkosten können
eingespart werden. Auch der Umweltaspekt
ist berücksichtigt. Das verbrauchte Material
kann recycelt als Trägerplatte wiederver-
wertet werden.
6 Ausblick
Geplant ist der Einsatz für die Hünne-
beck-Produkte Topec, Rasto und Manto.
Da das patentierte Re-Use-Platten-System
aber auch für Fremdfabrikate denkbar ist,
erschließt sich Hünnebeck mit diesem Ver-
fahren Kunden im Kreis der Mitbewerber
am Schalungsmarkt und kann dadurch die
eigene Marktposition entscheidend verbes-
sern.
Glasfasergewebe bildetmit Polypropylen-Kerndie Trägerplatte
gewichtsreduzierendergeschäumter Polypropylen-Kern
1 mm starke Ersatzfolie ausPolypropylen mit seidenmatter
Oberfläche und Klebe-Rückseite
Kontrolle der Trägerplatte aus Polypropylen (Bild 4) Austritt der fertigen Trägerplatte an Heiss-Press-Anlage (Bild 5)
Schematischer Aufbau der Trägerplatte (Bild 3)
59
forumThyssenKrupp 1/2002
Dr.-Ing. Volkhard Nobis
Sicherheit in unterirdischen Verkehrsanlagen durch Entrauchungs-systeme von ThyssenKrupp HiServ
forumThyssenKrupp 1/2002
Personen- und Gebäudeschutz durch die unmittelbare Rauch- und Wärmeabfuhr am Brandherd (Bild 1)
60
forumThyssenKrupp 1/2002
Sicherheit in unterirdischen Verkehrsanlagen durch Entrauchungssysteme von ThyssenKrupp HiServ
Brandkatastrophe im Gotthard-Tunnel, 2001 (Bild 2)
1 Ausgangssituation
Die Brandkatastrophen der Vergangen-
heit haben uns auf erschreckende Art und
Weise gezeigt, dass Menschen sich, insbe-
sondere in Tunnelanlagen und auch in
unterirdischen Bahnhöfen nicht rechtzeitig
in Sicherheit bringen können. Vom Rauch
eingeschlossen verlieren sie die Orientie-
rung und werden Opfer der giftigen Ver-
brennungsgase. Wenige Atemzüge des
Gases Kohlenmonoxid genügen, um das
Bewusstsein zu verlieren, ein längeres
Einatmen führt zum Tod.
2 Gefahren eines Tunnelbrandes
Gerade zu Beginn eines Brandes in
unterirdischen Verkehrsanlagen entsteht
viel Rauch, der sich zunächst unter der
Decke ausbreitet. Im Tunnel kühlen sich
die Rauchgase mit zunehmender Lauflän-
ge ab und werden mit der bodennah nach-
strömenden Verbrennungsluft rücktrans-
portiert. In unterirdischen Bahnhöfen
strömt der Rauch durch den thermischen
Auftrieb über die Treppenstiegen. Die Men-
schen sind eingeschlossen. Rapide abneh-
mende Sichtverhältnisse und die lähmen-
de Wirkung von Kohlenmonoxid verhindern
die Flucht. Dies geschieht innerhalb kürze-
ster Zeit.
Neben der raschen Entwicklung des
Rauches und dessen Ausbreitung, die eine
Selbstrettung bzw. Evakuierung bei einem
unterirdischen Brand erschweren, spielt
auch die Hitzeentwicklung eine Rolle. Auf-
grund der räumlichen Enge und der zum
Teil erheblichen Brandlasten kann die Ver-
brennungswärme ebenso wie das Rauch-
volumen nicht ausreichend abgeleitet wer-
den. Die hohen Temperaturen entzünden
weitere Fahrzeuge, so dass Tunnelbrände
über Tage andauern können. Wenn die
Feuerwehr nicht rechtzeitig zum Brandherd
vordringen kann, sind Löschversuche zum
Scheitern verurteilt.
Die Konsequenzen von Tunnelbränden
sind bekannt: Verluste von Menschenleben
und Sachschäden wie ausgebrannte Kraft-
fahrzeuge und beschädigte Bauwerke sind
unmittelbare Folgen eines Brandes. Nach-
wirkungen wie Tunnelsperrungen aufgrund
notwendiger Reparaturarbeiten bewirken
zusätzliche Verkehrsprobleme und eine
erhöhte Belastung der Ausweichrouten.
Nicht zu unterschätzen sind zudem die
Ängste der Menschen vor weiteren
Unglücken.
Die teilweise erheblichen Schäden an
Bauwerken veranschaulichen beispielhafte
Daten einiger Tunnelbrände (Bild 3).
Nahezu alle Tunnelanlagen, in denen
Feuer ausbrachen, waren bereits mit Ent-
rauchungsanlagen ausgestattet. Die Aus-
wirkungen vergangener Katastrophen
machen jedoch die begrenzte Leistungs-
fähigkeit dieser Anlagen deutlich.
Brände in unterirdischen Verkehrsanlagen
können trotz aller Präventivmaßnahmen
auch in Zukunft nicht ausgeschlossen
werden: Beispielsweise weist die über
Jahre geführte Statistik der hoch frequen-
tierten Elbtunnel jeden Monat durchschnitt-
lich einen Brand aus. Aufgrund des stetig
steigenden Verkehrsaufkommens und des
zunehmenden Anteils des Schwerlastver-
kehrs, hier vor allem in Tunnelanlagen, for-
dern Öffentlichkeit und Behörden ein immer
höheres Maß an Sicherheit und damit
leistungsfähigere Entrauchungssysteme.
Jahr Tunnel Brandlast Schäden an derTunnelkonstruktion
1969 Moorfleet Tunnel, LKW mit 14 t Wände und Decke auf Hamburg Polyäthylengranulat 25 m beschädigt
1984 Summit Tunnel, Güterzug mit Beschädigter Bereich 60 mEngland 600 t Benzin
1996 Eurotunnel 15 LKW mit Ladung Beschädigter Bereich 500 m
1999 Montblanc Tunnel LKW mit 12 t Mehl Beschädigter Bereich 1,5 km Frankreich-Italien und 8 t Margarine,
nachfolgend30 Kraftfahrzeugeausgebrannt
1999 Tauerntunnel LKW mit Lacken Österreich beladen, nachfolgend Beschädigter Bereich 400 m
40 Kraftfahrzeugeausgebrannt
Beispielhafte Tunnelbrände/Quelle: Tunnel 2/2002 (Bild 3)
61
forumThyssenKrupp 1/2002
Sicherheit in unterirdischen Verkehrsanlagen durch Entrauchungssysteme von ThyssenKrupp HiServ
3 Aufgabenstellung
Die zentrale Forderung an Entrauchungs-
systeme ist die Freihaltung der Fluchtwege
über den Zeitraum der Selbstrettung hinaus.
Dazu müssen Entrauchungssysteme derart
ausgelegt werden, dass sie den Rauch
unmittelbar aus dem Aufenthaltsbereich
von Personen ableiten und den dabei ent-
stehenden Rauchvolumenströmen ge-
wachsen sind. Vorteilhaft ist auch die Ein-
grenzung der Hitzeausbreitung und damit
der verursachten Schäden. Neuartige
Kanalsysteme und Erfassungseinrichtun-
gen zur Abfuhr des Brandrauches sollen,
anders als bei bestehenden betonierten
Systemen, auch für längere Brandzeiten
thermisch beständig sein.
Die wichtigsten Anforderungen im
Überblick:
• unmittelbare Fortführung der Rauch-
gase aus den Aufenthaltsbereichen
• Freihaltung der Fluchtwege
• Begrenzung der Rauch- und Hitzeaus-
breitung zur Schadensreduktion
• thermische Stabilität
• Sicherstellung des Zugangs zur Brand-
bekämpfung.
Da bei den derzeit installierten Systemen
die Abluftvolumenströme aufgrund der
begrenzten Tunnelquerschnitte nicht ohne
weiteres deutlich erhöht werden können,
müssen zukünftige Entrauchungssysteme
über eine wesentlich höhere Effizienz ver-
fügen. Das bedeutet, dass bei gleichem
Abluftvolumenstrom der Anteil der fortge-
führten Rauchgase deutlich höher ausfal-
len muss als bisher. Denn erst das Beherr-
schen größerer Rauchgasvolumenströme
bedeutet das sichere Bewältigen großer
Brandlasten, beispielsweise eines bela-
denen Lastkraftwagens.
4 Entrauchungssysteme fürTunnel von ThyssenKrupp HiServ
Um Systeme entwickeln zu können, die
den obigen Anforderungen gerecht werden,
müssen zuvor die Rauchausbreitung und
Volumenzunahme strömungstechnisch
analysiert werden. ThyssenKrupp HiServ
beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der
industriellen Erfassungstechnik zum Ab-
saugen luftfremder Stoffe sowie mit der
Entrauchung von Gebäuden im Brandfall
und ist Spezialist für thermodynamische
und lüftungstechnische Auslegung von
Luft- und Rauchgasführungen.
Das Kernelement der ThyssenKrupp
HiServ Entrauchungssysteme ist die mit
absperrbaren Klappen ausgerüstete Wirbel-
haube zur Erfassung des Rauches. Bild 4
zeigt ein Entrauchungssystem für Tunnel-
anlagen im Schnitt. Auf beiden Seiten
befinden sich an der Decke entlang des
Tunnels Wirbelhauben, zwischen denen
Kanäle zur Fortführung der Rauchgase zu
den Abluftventilatoren angeordnet sind.
Die Wirbelhaube selbst weist eine zylindri-
sche Form auf. Dieser Zylinder ist über
einen Winkel von etwa 90° geöffnet. Inner-
halb des Zylinders befinden sich in regel-
mäßigen Abständen Absaugrohre. Die
angesaugte Luft wird durch die Wirbelhaube
in Rotation versetzt, welche in ihrem Zentrum
entlang der Zylinderachse eine Unterdruck-
zone erzeugt. Das neue Entrauchungssystem
ermöglicht es, den Wirbel entlang des
Tunnels beliebig lang zu stabilisieren und
zu verlängern.
Die Wirbelhaube vereint mehrere
Vorteile:
• die enorme Sogkraft des Wirbels
• den äußerst gleichmäßigen Sog
entlang der Wirbelhaube
• die sichere Erfassung auch schneller
Gasströme durch Selbststabilisierung
der Wirbelströmung.
Wirbelhaubensystem zur Entrauchung (Bild 4)
62
forumThyssenKrupp 1/2002
62 Sicherheit in unterirdischen Verkehrsanlagen durch Entrauchungssysteme von ThyssenKrupp HiServ
Im Ernstfall werden die Klappen (Bild 5)
nur über dem Brandherd geöffnet. Auf
diese Weise wird die volle Absaugleistung
gezielt eingesetzt. Bild 6 zeigt die bereichs-
weise Aktivierung der Wirbelhaubenseg-
mente. Darüber hinaus ist zum Zweck der
Rauchgasabkühlung das gleichzeitige Ein-
düsen von Wasser in die Wirbel möglich.
Das Ergebnis ist eine weitere Leistungs-
steigerung bei der Entrauchung und ein
wirksamer Schutz des Entrauchungssys-
tems vor Hitzeschäden durch die kühlende
Wirkung des Wassers.
Als Werkstoff für die Segmente wird
nichtrostender Stahl (Werkstoff-Nr. 1.4571)
eingesetzt. Die Verwendung von Stahl im
Vergleich zu Beton garantiert die erforderliche
thermische Festigkeit und erhöht aufgrund
geringer Wanddicken sowohl die Kanal-
querschnitte und damit die Leistungs-
fähigkeit des Systems.
5 Vorteile im Überblick
Die Entrauchungssysteme von
ThyssenKrupp HiServ erfüllen zentrale An-
forderungen an eine zeitgemäße Sicher-
heitstechnik. An erster Stelle steht der wirk-
same Schutz der Menschen im Brandfall.
Gerade im Bereich der Tunnelentrauchung
stellen die physikalischen Randbedingun-
gen eine besondere Herausforderung dar,
der die im Bereich der Decke installierten
Wirbelhauben gerecht werden können.
Umfangreiche Modellversuche und compu-
ter gestützte Strömungsberechnungen
haben dies erwiesen.
Die Stärken der ThyssenKrupp HiServ-
Wirbelhaube im Überblick:
• optimierter Wirkungsgrad der
Erfassung
• Einsatzfähigkeit bei höchsten Brand-
leistungen
• nachgewiesene thermische Stabilität
garantiert die Funktion auch bei hohen
Temperaturen
• thermischer Schutz der Tunneldecke
• geringere Empfindlichkeit gegen
Längsdurchströmungen des Tunnels
• einfacher Aufbau der Technik
• einfache Montage
• schnelle Wiederinbetriebnahme einer
unterirdischen Verkehrsanlage nach
einem Brand
• integrierte Be- und Entlüftung hoher
Qualität
• integrierte Versorgungsschächte.
6 Perspektiven
Das stetig wachsende Verkehrsaufkom-
men erfordert den kontinuierlichen Ausbau
der Verkehrssysteme. Gerade in dichtbe-
siedelten Regionen können zusätzliche Ver-
kehrswege oft nur durch Tunnelanlagen
bereitgestellt werden. Aber auch bei der
Erschließung von Verkehrswegen, bei
denen landschaftliche Voraussetzungen
Berücksichtigung finden müssen, so z.B.
bei Naturschutzgebieten oder Gebirgszü-
gen, können wirtschaftliche und ökologi-
sche Erwägungen Antrieb zur Errichtung
unterirdischer Verkehrsanlagen sein. Auch
in Zukunft wird deshalb die Zahl der unter-
irdischen Verkehrsanlagen kontinuierlich
wachsen. Sowohl bestehende, als auch in
Zukunft entstehende Tunnelanlagen bieten
durch Nach- bzw. Ausrüstung ein attrakti-
ves Marktpotenzial zum Vertrieb der Wirbel-
haubentechnologie. Die Wirbelhauben-
technologie, deren modulare und skalier-
bare Bauweise sowie der Einsatz von Stahl
ermöglichen die Beherrschung selbst
größter Brandereignisse. Dies macht das
Entrauchungssystem von ThyssenKrupp
Hiserv einzigartig. Laufende Patentverfah-
ren und die zusätzliche Entwicklung einer
speziell angepassten Detektionstechnologie
sichern darüber hinaus ThyssenKrupp
HiServ eine gute Position bei der Erschlie-
ßung dieses Marktsegmentes.
Gezielter Einsatz der Absaugleistung am Brandherd(Bild 6)
Absperrbare Absaugstutzen (Bild 5)
63
forumThyssenKrupp 1/2002
Montage des Hinterachsantriebsmodules (HAAM) für den smart® in Hambach, Frankreich (Bild 1)
Dr. rer. nat. Wolfgang Zacharias
Triaton.Castrum Sequence – Der Leitstand für Just-in-SequenceModul-Fertigung in der Automobilzulieferindustrie
Triaton.Castrum Sequence – Der Leitstand für Just-in-Sequence Modul-Fertigung inder Automobilzulieferindustrie
64
forumThyssenKrupp 1/2002
1 Ausgangssituation
Triaton ist der Hauptumsatzträger der
ThyssenKrupp Information Services, die
über rund 3.200 Mitarbeiter verfügen und
für einen Umsatz von ca. 0,5 Mrd € im
Geschäftsjahr 2000/2001 stehen. Die
Gesellschaft zählt zu den führenden inter-
nationalen Systemhäusern und ist dritt-
größtes herstellerunabhängiges System-
haus in Deutschland. Mit internationalen
Standorten und Global-Business-Partnern
ist Triaton weltweit in den industriellen
Ballungszentren präsent.
Entstanden aus den IT-Units der ehema-
ligen Konzerne Thyssen, Krupp, Hoesch
und Hoechst gehört Triaton zum Unterneh-
mensverbund eines der größten Industrie-
konzerne der Welt. Ein langjähriges Bran-
chen-Know-how in der Industrie zeichnet
den IT-Dienstleister aus. Die Herausforde-
rungen der Branchen Automotive, Chemi-
cals, Pharmaceuticals, Manufacturing und
Metal/Paper/Wood sind bekannt. Die Bran-
chenlösungen sind nicht von der Stange,
sondern orientieren sich an konkreten
Bedürfnissen.
Als "BusinessProcessor" ist es das Ziel,
die Geschäftsprozesse von industriellen
Unternehmen durch den Einsatz von IT zu
optimieren und auf die Erfordernisse der
eConomy anzupassen. Namhafte Kunden
sind von der Prozesskompetenz und Zuver-
lässigkeit überzeugt. Gemäß dem Ablauf
Plan/Build/Run erhält der Kunde eine maß-
geschneiderte Lösung - von Consulting,
über e-Business-Lösungen bis zum Out-
sourcing von Sekundärprozessen. Triaton
gehört mit über 500 Systemen zu einem
der führenden SAP-Dienstleister in Europa.
Kunden sollen sich auf das konzentrieren,
was sie am besten können – ihr Kernge-
schäft. Um das zu ermöglichen, bietet Triaton
IT-Lösungen im One-Stop-Shopping, die
die gesamte Bandbreite der Informations-
technologie abdecken. Der Vorteil für den
Kunden: er kann den Marktanforderungen
besser begegnen, innovative Akzente setzen
und sogar zum Vorreiter am Markt werden.
So wird der Kunde selbst zum "Business-
Processor".
Aus der langjährigen Tradition des IT-
Engagements im Bereich der Automobilzu-
lieferindustrie heraus hat Triaton schon seit
1995 Funktionen für die Just-in-Time-Pro-
duktion von Systemlieferanten (1. Tier
Supplier) der Automobilhersteller (OEM)
geschaffen. Heute ist es möglich, den
automobilen Systemzulieferern ein Modul-
konzept zur Unterstützung der Just-in-Time-
Produktionen ihrer Satellitenwerke an den
Standorten der Automobilhersteller zur
Verfügung zu stellen.
2 Triaton.Castrum Sequence
2.1 Funktionalität
In der Automobilzulieferindustrie hat
Supply Chain Management (SCM) eine
lange Tradition. Einer der komplexesten
Prozesse in der Fertigungssteuerung ist
die fahrzeugidentbezogene Anlieferung
von Systemteilen an das Endmontageband
des Automobilherstellers. Dieser Geschäft-
sprozess beinhaltet, dass der Systemliefe-
rant sein Produkt nicht nur „Just-in-Time“,
sondern auch spezifisch in der Ausstat-
tungsvariante für ein bestimmtes Fahrzeug
in der Reihenfolge der Verwendung am
Endmontageband anliefert.
Hierbei muss der Systemlieferant bereits
die Materialflüsse seiner Vorlieferanten in
die eigene Produktion unmittelbar berück-
sichtigen. Die hohe Zahl von Ausstattungs-
varianten der heutigen Automobilprodukti-
on bedingt, dass selbst Vorlieferanten auf-
grund der Vielzahl der Komponenten fahr-
zeugidentbezogen oder zumindest gemäß
KANBAN (Abruf beim Lieferanten behälter-
weise auf Basis des aktuellen Verbrauchs
in der Fertigung) und Just-in-Time den
Systemlieferanten beliefern (Bild 2).
Das modular aufgebaute Anwendungs-
Paket ‘Triaton.Castrum Sequence‘ ist für
die Kontrolle dieses speziellen “Just-in-
Sequence”-Fertigungsprozesses erstellt
Materialfluss zwischen den am Fertigungsprozess beteiligten Partnern (Bild 2)
Triaton.Castrum Sequence – Der Leitstand für Just-in-Sequence Modul-Fertigung inder Automobilzulieferindustrie
65
forumThyssenKrupp 1/2002
worden. Dies bedeutet, dass folgende
wesentliche Funktionalitäten von einzelnen
Modulen unterstützt werden (Bild 3):
• produktionssynchrone Fertigungs-
abrufe des OEM
• Aufbau fahrzeugidentbezogener
Fertigungsdaten
• Plausibilitätsprüfungen zur Einhaltung
der Fahrzeug-Sequenz
• Ausdruck notwendiger Fertigungs-
papiere (Auftragspapiere/Barcode-
Etiketten/Kommisionierlisten)
• Integration von Fertigungs-Subsystemen
- Dokumentation der Drehmomente
von Tensor-Schraubsystemen (fahr-
zeugbezogene Qualitätsprüfung)
- Ansteuerung von Fördersystemen
(SPS-Steuerungen)
- Schnittstellen zu Test-Systemen
(Elektronik-Checks)
• Erfassung von Serial- oder Chargen-
nummern für dokumentationspflichtige
Teile (z.B. Airbag/Lenkung)
• Überprüfung oder alternative Steue-
rung der korrekten Modul-Sequenz
bei der Anlieferung an den Kunden
(OEM)
• Unterstützung von sequenzgenauer
Verpackung in Sonderladungsträgern.
2.2 Technologie
Das Anwendungs-Paket Triaton.Castrum
Sequence ist eine JAVA-basierte Anwen-
dung. Es nutzt Enterprise JavaBeans auf
einem Applikations-Server (BEA Weblogic
Server). Durch die Nutzung einer Drei-
schicht-Architektur sind Anwendungs-
daten, Funktionen des Systems und die
Benutzeroberfläche strikt voneinander
getrennt. Die Anwendung kann über jeden
Standard Personal-Computer per Internet-
Browser bedient werden. Weiterhin ermög-
licht diese Technologie eine den Kunden-
wünschen entsprechende Auslegung des
Gesamt-Anwendungssystems in Bezug auf
Performance und Ausfallsicherheit (Bild 4).
Durch die Nutzung der speziellen
Systemlogik der Applikationsserver wird
erreicht, dass parallel aufgebaute Server
im Betrieb sich bei Ausfall ohne Zeitverzug
gegenseitig ersetzen und im Normalbetrieb
die Systemlast gleichmäßig auf alle ver-
fügbaren Applikationsserver verteilt wird.
Hierdurch entsteht ein Anwendungspaket,
das in der Lage ist, in Hochverfügbarkeits-
szenarien eines Kunden Modulfertigungen
mit 1200 Fahrzeugen/Tag (Modulfertigung
im 30 Sekunden-Takt) zu steuern. Es können
hierbei gleichzeitig auch mehrere Montage-
Linien parallel unterstützt werden.
Die Geschäftsprozesse des Anwendung-
systems sind hierbei vollständig in die Pla-
nungssysteme des Kunden (Enterprise
Resource Planning) integrierbar. Insbeson-
dere verfügt das Anwendungspaket über
eine Standard-Schnittstelle zu SAP R/3
und unterstützt die Spezialfunktionen der
Branchenlösung SAP DI 4.6C (Discrete
Industry) im Bereich der Just-in-Time-
Fertigungslogik.
Das Anwendungspaket kann dabei in
zwei verschiedenen Installationsvarianten
genutzt werden:
• Castrum Sequence als Fertigungs-
leitstand
In dieser Variante dient CASTRUM als
führendes System zur Kontrolle des
gesamten Fertigungsprozesses der
Montagelinien, druckt die Fertigungs-
papiere, die benötigt werden und kon-
trolliert die Materialbestände der Ferti
gungslinien.
• Castrum Sequence als Notorganisa-
tionssystem
In dieser Variante wird die Sequenzfer-
tigung über Datenfernübertragung vom
zentralen Planungssystem des Kunden
(z.B. SAP R/3) gesteuert. Castrum
Sequence synchronisiert sich vollauto-
matisch mit der aktuellen Fertigungssi-
tuation und kann unverzüglich die Leit-
standsfunktionalität im Notfall (z.B. bei
Ausfall der Remote-Verbindung) über-
nehmen. Hierbei wird nach Wiederher-
Schematische Darstellung der Just-in-Sequence Fertigung mit Triaton.Castrum Sequence (Bild 3)
Triaton.Castrum Sequence – Der Leitstand für Just-in-Sequence Modul-Fertigung inder Automobilzulieferindustrie
66
forumThyssenKrupp 1/2002
stellung der Funktionalität des führen-
den ERP-Systems die Kontrolle unter
Abgabe der kompletten Fertigungsin-
formationen für den Ausfallzeitraum
wieder an das ERP-System zurück-
gegeben.
2.3 Nutzen
Das modulare Anwendungspaket Castrum
Sequence ist in besonderer Weise dafür
geeignet, Systemlieferanten und führende
Logistikdienstleister beim Aufbau von
Sequenzfertigungen zu unterstützen. Die
Ausrichtung auf schlanke Logistik-Prozes-
se und vollautomatische Abläufe in der
Fertigung ermöglicht es, mit minimalen
Lagerbeständen in Losgröße 1 zu fertigen.
Dies bedeutet, dass Individualmodule
ohne die Notwendigkeit von kostenintensi-
ven Sicherheitsbeständen produziert wer-
den können.
Die Nutzung der modernen Software-
Architektur erweitert bestehende Pla-
nungssysteme mit Internet-Fähigkeit und
reduziert Hardware-Investitionen auf den
Kauf von Standard-Personal-Computern
an den Fertigungslinien. Aufgrund der
langjährigen Erfahrungen mit dem System
ist die Benutzeroberfläche speziell den
Bedürfnissen der einfachen Bedienbarkeit
im Montagebereich von Fertigungslinien
angepasst.
Diese Vorteile werden dabei aufgrund
der verwendeten Software-Architektur
ohne Verlust der Skalierbarkeit und der
Hochverfügbarkeit der Anwendung
erreicht.
3 Fazit
Mit dem Anwendungspaket ‘Triaton.
Castrum Sequence‘ verfügt Triaton über
eine Lösung für den automobilen System-
lieferanten und für führende Logistik-Dienst-
leister, die nicht nur innerhalb unseres
Konzerns die Just-in-Time-Fertigungslinien
von ThyssenKrupp steuert wie z.B. bei der
smart®-Produktion in Hambach, Frankreich
(Bild 1, Bild 5). Vielmehr ist das System
schon jetzt an sechs weiteren Standorten
außerhalb des Konzerns als Fertigungsleit-
stand im Einsatz. Dabei wird von den Kun-
den nicht nur die Funktionalität des
Systems genutzt, sondern gleichzeitig der
24h-Anwendungs-Support der Triaton als
sinnvolle Ergänzung in Anspruch genom-
men.
Systemarchitektur (Bild 4)
smart®-Montagelinie mit Ölbefüllung und End-prüfung (Bild 5)