forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von...

66
f orum Technische Mitteilungen ThyssenKrupp Dezember 2002 Tk

Transcript of forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von...

Page 1: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

forumTechnische Mitteilungen ThyssenKrupp Dezember 2002

Tk

Page 2: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

Impressum02

forumThyssenKrupp 1/2002

Impressum

HerausgeberThyssenKrupp AGZentralbereich TechnikAugust-Thyssen-Straße 140211 DüsseldorfPostfach 10 10 1040001 DüsseldorfTelefon 0211/8 24-3 62 91Telefax 0211/8 24-3 62 85

Erscheinungsweise

„forum – Technische MitteilungenThyssenKrupp“ erscheint ein- bis zweimal jährlich in deutscher und englischer Sprache.

Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers.Fotomechanische Vervielfältigung einzelner Aufsätze ist erlaubt.

Der Versand des „forum – Technische MitteilungenThyssenKrupp“ erfolgt über eine Adressdatei, die mit Hilfe der automatisierten Datenverarbeitung geführt wird.

ISSN 1438-5635

Titelbild

Bei hochwertigen Fernsehern kann man

heute einen eindeutigen Trend hin zu groß-

formatigen Flachbildschirmen erkennen.

Neu entwickelte Werkstoffe für den Bild-

schirmrahmen, über den die Schatten-

maske aufgespannt wird (s. Titelbild),

sorgen für ein Fernsehbild hoher Farbbrillanz

und Schärfe. Im Rahmen des ThyssenKrupp

Innovationswettbewerbs 2002 wurden die

in diesem Zusammenhang von ThyssenKrupp

Stahl und ThyssenKrupp VDM neu ent-

wickelten Werkstoffe mit dem 1. Preis

honoriert.

Der 2. Preis wurde für ein innovatives

Berechnungsverfahren für Großwälzlager

in Verbindung mit kundenspezifischen An-

schlusskonstruktionen an Rothe Erde ver-

geben.

Das neue Konzept von Defontaine für

Anlasserzahnkränze und Schwungrad-

systeme, Flexwheel® genannt, wurde mit

dem 3. Preis ausgezeichnet.

Die Ihnen vorliegende Ausgabe von forum-

Technische Mitteilungen ThyssenKrupp

stellt neben diesen prämierten Innova-

tionen weitere herausragende Beiträge

zum Wettbewerb vor.

Page 3: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

Vorwort03

forumThyssenKrupp 1/2002

Prof. Dr.-Ing. Ekkehard D. Schulz, Vorsitzender des Vorstands der ThyssenKrupp AG

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

der diesjährige Innovationswettbewerb des

ThyssenKrupp Konzerns ist auf erfreulich

hohe Resonanz gestoßen. Insgesamt wurden

63 Vorschläge aus allen Segmenten weltweit

eingereicht, die es zu bewerten galt.

In dieser Ausgabe von „forum-Technische

Mitteilungen ThyssenKrupp“ stellen wir Ihnen

besonders herausragende Innovationen bzgl.

neuer oder verbesserter Produkte, Fertigungs -

technologien und Dienstleistungen vor.

Für großformatige Flachbildschirme auf

Röhrenbasis entwickelten ThyssenKrupp

Stahl und ThyssenKrupp VDM neue spezielle

Rahmenwerkstoffe, die sich durch eine

niedrige, auf den Schattenmaskenwerkstoff

abgestimmte Wärmeausdehnung bei gleich-

zeitig hoher Festigkeit auszeichnen. Über

ein neues Konzept für das System Anlasser-

zahnkranz/Schwungrad mit hoher Lebens-

dauer speziell für den Stop-and-go-Betrieb,

Flexwheel® genannt, wird von ThyssenKrupp

Defontaine berichtet. Neue Technologien mit

den Zielen der Qualitätsverbesserung und

Kosteneinsparung in der Fertigung präsen-

tieren ThyssenKrupp Turbinenkomponenten

mit einer vollautomatischen Wärmebe-

handlungslinie für Triebwerkscheiben sowie

ThyssenKrupp Gerlach mit einer vollauto-

matisierten Schmiedelinie für Kurbelwellen.

ThyssenKrupp Fahrtreppen stellt seine neue

e-escalator FT 900-Serie vor, die aufgrund

eines kontinuierlichen Online-Monitorings

schnellere Reaktionszeiten bzgl. Wartung

und Reparatur ermöglicht. Rothe Erde ent-

wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung

von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden-

spezifischen Anschlusskonstruktionen. Dieses

Verfahren führt zu einem erheblich niedrigeren

Berechnungsaufwand bei deutlicher Kosten-

einsparung. ThyssenKrupp HiServ berichtet

über ein innovatives Tunnelentrauchungs-

system, das sich die Wirbelstromtechnik zu

Nutze macht und erhebliche Sicherheits-

verbesserungen ermöglicht.

In unserem technologieorientierten Unter-

nehmen sind Innovationen die Basis für den

Erfolg. Daher hat der ThyssenKrupp Konzern

zur Betonung des hohen Stellenwertes der

Innovation auch für das Jahr 2003 wieder

einen Innovationswettbewerb ausgeschrieben.

Ich möchte alle weltweit tätigen Mitarbeiter

des Konzerns dazu einladen, ihre erfolgreich

umgesetzten Lösungen zu diesem Wett-

bewerb einzureichen.

Prof. Dr.-Ing. Ekkehard D. Schulz,Vorsitzender des Vorstands derThyssenKrupp AG

Page 4: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

Inhalt04

forumThyssenKrupp 1/2002forumThyssenKrupp 1/2002

Dr. rer. nat. Bodo Gehrmann,Leiter Entwicklung und Technisches Marketing, ThyssenKrupp VDM GmbH, Werdohl,Dr.-Ing. Thomas Heller, Bereichsleiter Werkstoff- und Verfahrens-entwicklung warmgewalzter Produkte,Dipl.-Ing. Günter Stich,Leiter Produktentw. Qualitätsstelle Warmband,ThyssenKrupp Stahl AG, DuisburgSeite 9

Dipl.-Ing. Siegfried Ellmann, Leiter Fahrzeugregelung,Dr.-Ing. Friedrich Löser,Hauptabteilungsleiter Systemtechnik,ThyssenKrupp Automotive Mechatronics,MünchenSeite 14

Dipl.-Phys.-Ing.(FH) Andreas Möckel,Leiter Verfahrensentwicklung,Dr.-Ing. Holger Günther,Verfahrenstechnik,Dipl.-Ing. Mirko JanscheVerfahrenstechnik,ThyssenKrupp Drauz GmbH, Hohenstein-ErnstthalSeite 19

Hochfeste Stahlwerkstoffe fürFlachbildschirme

Bei der heutigen Herstellung hochwer-

tiger Fernseher lässt sich ein eindeutiger

Trend hin zu Flachbildschirmen erkennen.

Während insbesondere im PC-Bereich

immer mehr LCD-Bildschirme ihre Abneh-

mer finden, bietet die konventionelle Bild-

röhrentechnik weiterhin deutliche Vorteile

beispielsweise hinsichtlich der Farbbrillanz

und des Kontrastes.

Die Unternehmen ThyssenKrupp Stahl

und ThyssenKrupp VDM bieten im Zusam-

menhang mit Flachbildschirmen auf Röh-

renbasis interessante Lösungen für die

verschiedenen Baugruppen: So wurden

spezielle Schattenmasken- und Rahmen-

werkstoffe entwickelt. Modifikationen der

Basiswerkstoffe Pernifer 36 von ThyssenKrupp

VDM sowie aluminiumberuhigter Stahl von

ThyssenKrupp Stahl finden für die Schat-

tenmasken aufgrund ihrer entsprechend

konzipierten technologischen Eigenschaften

Verwendung.

Zur Erzielung optimaler Eigenschaften ist

eine Abstimmung des Rahmenwerkstoffes

auf den Schattenmaskenwerkstoff unab-

dingbar. Hohe Festigkeiten und eine auf

die Maske abgestimmte niedrige Wärme-

ausdehnung werden hier gefordert. Für

die zwei oben angesprochenen Schatten-

maskenstähle wurden entsprechend

angepasste Rahmenwerkstoffe (Pernifer

42TVR und Complexphasenstahl) bis zur

Serienreife entwickelt und in den Markt ein-

geführt. Beide Neuentwicklungen werden

heute in der Serienherstellung von qualitativ

hochwertigen Fernsehern mit flachen

Bildröhren erfolgreich eingesetzt.

Elektromechanisches LevelingSystem (EML)

Seit der Gründung im Oktober 2000 hat

das Unternehmen ThyssenKrupp Automo-

tive Mechatronics seine Kompetenz auf

dem Gebiet mechatronischer Systeme ins-

besondere im Projekt Transrapid auch für

die Unternehmen des Segmentes Auto-

motive unter Beweis stellen können. Weiter

ausgebaut werden konnte das Know-how

auf dem Gebiet mechatronischer Fahrwerks-

systeme im PKW. Die Zusammenarbeit

mit ThyssenKrupp Automotive Systems,

ThyssenKrupp Bilstein und ThyssenKrupp

Federn führte zu Serienaufträgen bei

deutschen Automobilherstellern. Aus der

Systemarbeit heraus wurde eine elektro-

mechanische Fahrwerksregelung zur Ein-

stellung des Fahrzeugniveauausgleiches

als Folge des Beladungszustandes, zur

Fahrkomfortverbesserung sowie zur

Erhöhung der Fahrstabilität konzipiert.

Die von ThyssenKrupp Automotive

Mechatronics entwickelte Lösung zur

Niveauregulierung bietet alle nach dem

Stand der Technik realisierbaren Funktio-

nalitäten. Darüber hinaus stellt sie eine

kostengünstigere Variante als die her-

kömmlichen pneumatischen/hydraulischen

Systeme dar. Der Einbau pneumatischer

Kompressoren, hydraulischer Pumpen

sowie deren aufwendiger Leitungssysteme

entfällt, sodass eine erhebliche Teileredu-

zierung in Verbindung mit der Minimierung

des Instandhaltungsaufwandes erzielt

werden konnte. Weitere Kostenvorteile

ergeben sich aufgrund der modularen

Bauweise im Bereich der Montage sowie

hinsichtlich des Recyclings aufgrund der

Verwendung von bereits im Fahrzeug ein-

gesetzten Materialien.

Laserschweiß- und Spannsystemfür den Karosserierohbau

Bei Einsätzen im Automobilbau verfügt

das Laserschweißen über eine Vielzahl von

Vorteilen gegenüber dem konventionellen

Punktschweißen. Hohe Schweißgeschwin-

digkeiten und Werkstoffeinsparungen

durch angepasste Konstruktionen sind

entscheidende Argumente für den zuneh-

menden Einsatz des Laserschweißens im

Karosserierohbau. Bei verzinkten Blechen

ist das Verfahren jedoch nur begrenzt ein-

setzbar, da die unterschiedlichen Schmelz-

temperaturen des Stahlbleches und der

Zink-Oberflächenschicht den Schweiß-

prozess negativ beeinflussen und zu Poren

und Löchern in der Schweißnaht führen.

Das Problem kann durch einen definierten

Spalt zwischen den Blechen, der das ent-

stehende Zinkgas entweichen lässt, gelöst

werden. Hierzu wurde von ThyssenKrupp

Drauz ein flexibles Laserschweiß- und

Spannsystem entwickelt, dass die Vorteile

des Laserschweißens mit der Forderung

des genauen Spannens der Bleche zuein-

ander zweckmäßig vereint. Der modulare

Aufbau des neuen Laserschweiß- und

Spannsystems gewährleistet das

Schweißen von verschiedensten Nahtgeo-

metrien mit einer Schweißgeschwindigkeit

von bis zu 5 m/min.

Im Serieneinsatz an Flanschen im Tür-

einstiegsbereich hat sich das Laserschweiß-

system von ThyssenKrupp Drauz bewährt.

Aber auch andere Flanschgeometrien

können problemlos geschweißt werden.

Page 5: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

Inhalt05

forumThyssenKrupp 1/2002forumThyssenKrupp 1/2002

Dipl.-Ing. Hans Korek, Projektmanager,Anne Conrad-SchallerKommunikation,ThyssenKrupp Gerlach GmbH, Homburg (Saar)Seite 23

Dr.-Ing. Wolfgang Stein, Geschäftsführer Technik,Dipl.-Ing. Hans-Georg Walter,Marketing- und Serviceleiter, Dipl.-Ing. Hartmuth Willnauer,Leiter Entwicklung,Thyssen Fahrtreppen, Hamburg Seite 31

Dipl.-Ing. Gilles Ferrouillet, Chief Executive Officer & Chairman of theBoard,Dipl.-Ing. Serge Gaudu,Technical Director,Dipl.-Ing. Luis Moreno,Sales and Marketing Director,ThyssenKrupp Defontaine, St.Herblain, FranceSeite 28

Vollautomatisierte Schmiedeliniefür Kurbelwellen im 7,5-Sekunden-Takt

Die in den letzten Jahren gestiegene

Nachfrage nach Dieselmotoren, in denen

wegen ihrer höheren Belastbarkeit ge-

schmiedete Kurbelwellen eingesetzt werden,

verlangte nach einer Kapazitätserweiterung

bei der Produktion geschmiedeter Kurbel-

wellen. Zur Sicherung der technologischen

Führerschaft auf diesem Gebiet errichtete

das Unternehmen Thyssen Krupp Gerlach

eine vollautomatische Produktionslinie, die

eine wirtschaftliche Produktion bei ent-

sprechend hoher Stückzahl ermöglicht. Mit

einer Taktzeit von bis hinab zu 7,5 Sekunden

und einer Durchlaufzeit von 4,5 Stunden

vom Ausgangsmaterial bis zum versand-

fertigen Produkt ließ sich die Kapazität auf

jährlich über 2 Millionen Kurbelwellen

erhöhen.

Die neue Produktionslinie zeichnet sich

durch eine hohe Verfügbarkeit bei gleich-

bleibender Produktqualität aus. Der hohe

Automatisierungsgrad bewirkt eine erheb-

liche Reduzierung der Fertigungskosten

um 35%. Programmwechsel sind kurzfristig

und reibungsfrei möglich. Bei der Entwick-

lung wurde nicht zuletzt auch den Aspekten

der Arbeits- und Prozesssicherheit sowie

der Inspektions- und Umweltfreundlichkeit

Rechnung getragen.

e-escalator FT 900 Serie

Als erstem Unternehmen weltweit ist es

der Thyssen Fahrtreppen GmbH gelungen,

eine Systemdiagnose bei Fahrtreppen und

-steigen unter Einbeziehung des Internets

zu entwickeln. Zwei technologische Innova-

tionen waren diesbezüglich zu realisieren.

Zum einen wurde die Software ‘Central

Monitoring System‘ (CMS) entwickelt, die

die e-escalator-Serie überwacht und alle

Betriebs-Parameter über ein entsprechendes

Internet-Access-Device kundengerecht auf

den PC-Monitor übermittelt. Darüber hinaus

war auch die Entwicklung eines neuen

Bussystems erforderlich. Die Informationen

der den e-escalator-Betrieb sichernden

und überwachenden Sensoren werden

mittels eines einzigen Buskabels an eine

Zentraleinheit weitergegeben. Die Daten

werden an das Internet-Access-Device,

welches den Datenaustausch im Internet

managt, weitergeleitet. Über eine Schnitt-

stelle können bis zu acht Anlagen ange-

schlossen werden.

Die e-escalator-Generation zeichnet sich

aufgrund der ständigen Online-Überwa-

chung durch eine erhöhte Verfügbarkeit

aus. Fehlermeldungen können innerhalb

weniger Minuten online analysiert werden.

So ist man in der Lage, umgehend ein

Serviceteam, mit optimaler Information

über Fehlerursachen und entsprechend

notwendigen Ersatzteilen versehen, zum

Einsatzort zu schicken.

Mit der e-escalator FT 900-Serie konnte

Thyssen Fahrtreppen die Wirtschaftlichkeit

und Servicefreundlichkeit der Fahrtreppen

und -steige entscheidend verbessern.

Ein neues Konzept für Anlasser-zahnkränze und Schwungrad-systeme (DEFONTAINE Flexwheel®)

Der stetigen öffentlichen Nachfrage be-

züglich der Reduzierung des Treibstoffver-

brauches und der CO2-Emissionen wird

seitens der Automobilhersteller versucht,

durch Lösungsansätze, wie z.B. Stop-and-

go-Programme, Rechnung zu tragen. Als

weltweit führender Hersteller von Anlasser-

zahnkränzen sah sich das Unternehmen

DEFONTAINE vor diesem Hintergrund mit

der Aufgabe konfrontiert, die Lebensdauer

der bisher entwickelten Zahnkränze be-

trächtlich zu erhöhen. Die Anzahl der mög-

lichen Anlasszyklen musste auf mindestens

das zehnfache der bisher vermarkteten

Anlasserzahnkränze erhöht werden.

Nach einer 36-monatigen Entwicklungs-

phase entschied sich DEFONTAINE für ein

System, das während des Stoßvorganges

des Ritzels für Flexibilität sorgt und dessen

Lebensdauer sich daher zwischen 300.000

und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

ein flexibles Schwungrad, heute als

Flexwheel® bekannt.

Der Insassenkomfort ist ein weiteres Kri-

terium, welches es bei derartigen Neukon-

struktionen zu berücksichtigen gilt. Zur

Erhöhung des Komforts war es notwendig,

die Geräuschentwicklung auf ein Minimum

zu reduzieren. Erreicht wurde dies, indem

viskoelastische Elemente in das Flexwheel®

eingeführt wurden.

Page 6: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

Inhalt06

forumThyssenKrupp 1/2002

Dr.-Ing. Ludger Brentrup, Fachbereichsleiter Verfahrenstechnik,Dr.-Ing. Ralf Osburg,Konstruktionsingenieur,Polysius AG, Beckum-NeubeckumSeite 35

Dr.-Ing. Thomas Handreck, Leiter der Abteilung/Technische Berechnung,Rothe Erde GmbH, LippstadtSeite 40

Dr.-Ing. Peter Klaus Kirner, Technischer Leiter, Dr.-Ing. Daniel Holstein, Leiter Technische Projekte/Technologietransfer, ThyssenKrupp Turbinenkomponenten GmbH,RemscheidSeite 46

Neue Vorbrennkammer zur ther-mischen Aufbereitung von Sekun-därbrennstoffen

Im Vergleich zu den konventionellen

fossilen Brennstoffen hat im Zementklin-

kerprozess die Nutzung von Sekundär-

brennstoffen in den vergangenen Jahren

deutlich zugenommen und einen Anteil

von ca. 30 % erreicht. Die Verwertung von

Brennstoffen wie Altreifen, Altöl, Altholz

etc. gestaltet sich zwar in prozesstechnischer

Hinsicht im Allgemeinen schwieriger, der

Anreiz besteht jedoch in der kostengünsti-

geren Beschaffungsmöglichkeit. Darüber

hinaus werden Sekundärbrennstoffe als

„CO2-neutral“ angesehen. Ihre Verwertung

in Zementwerken kann häufig einen ent-

scheidenden Beitrag zur Entsorgung pro-

blematischer Reststoffe leisten und wird

mit entsprechend hohen Entsorgungsgut-

schriften anerkannt. Insbesondere für die

Verwertung grobstückiger Sekundärbrenn-

stoffe, wie z.B. alte Autoreifen, hat die

Polysius AG eine Technologie entwickelt,

bei welcher derartige Stoffe ohne prozess-

technische und qualitative Einschränkun-

gen für das Produkt Zement in Zement-

brennanlagen mit Vorcalcinierung einge-

setzt werden können. Verwirklicht werden

konnte dieses durch den Einsatz einer in

den Zementbrennprozess integrierbaren

Vorbrennkammer.

Ein besonderes Kennzeichen dieser von

Polysius entwickelten Technik ist die Kom-

bination von ökonomischem Nutzen und

ökologischen Vorteilen, die in Verbindung

mit dem relativ niedrigen Aufwand als we-

sentliche Erfolgsfaktoren für die weitere

Vermarktung angesehen werden.

Berechnung von Großwälzlagernin Verbindung mit kundenspezi-fischen Anschlusskonstruktionen

Großwälzlager von Rothe Erde finden als

statisch hochgradig unbestimmte Verbin-

dungselemente Einsatz hauptsächlich in

den Gebieten Fördertechnik, Tunnelvor-

triebstechnik und Windenergie. Dabei

ermöglichen sie in der Regel eine Dreh-

bewegung zwischen zwei elastischen

Konstruktionen. Die Verbindung der Groß-

wälzlager und ihrer Anschlusskonstruktionen

erfolgt üblicherweise über Schrauben. Das

Verfahren zur Analyse der Lastverteilung

und des Verhaltens der Schraubverbindung

erfolgte bislang unter Verwendung linear-

elastischer Modelle zur Simulation der Stei-

figkeiten von Anschlusskonstruktionen und

Lagerringen in Verbindung mit speziellen

Feder- und Kontaktelementen zur Simulation

der Wälzkörper. Die Erstellung solcher

Finite-Elemente-Modelle ist jedoch sehr

aufwendig. Darüber hinaus kann bei dieser

Methode das nichtlineare Verhalten der

Schraubverbindung nicht berücksichtigt

werden.

Rothe Erde entwickelte ein Berechnungs-

verfahren, das sowohl eine sehr wirtschaft-

liche als auch eine im Sinne der technischen

Mechanik äußerst gründliche Analyse des

Gesamtsystems Großwälzlager-Anschluss-

konstruktion ermöglicht. Ebenfalls auf

Basis der Finite-Elemente-Methode wird

erstmalig die Simulation des gegenseitigen

Einflusses von Laufbahnsystem und

Schraubverbindung für beliebige räumliche

Belastungen berechenbar. Die Modellierung

des in drei Teilmodelle zerlegten Berech-

nungsmodells kann durch den jeweiligen

Komponentenhersteller selbständig durch-

geführt werden.

Vollautomatische Wärmebehand-lungslinie für Triebwerkscheiben

Als qualifizierter und erfahrener Zulieferer

von Flugtriebwerksteilen umfasst das Pro-

duktportfolio von ThyssenKrupp Turbinen-

komponenten neben Verdichterschaufeln

eine Fülle unterschiedlicher Triebwerk-

scheiben und scheibenähnlicher Produkte.

Die geschmiedeten und anschließend

spanend bearbeiteten Scheiben werden

bei den Triebwerkherstellern mit einer

entsprechenden Beschaufelung bestückt.

Scheiben der ThyssenKrupp Turbinen-

komponenten GmbH finden in nahezu

allen gängigen zivilen und militärischen

Triebwerken sowohl im Verdichter als auch

im thermisch hoch beanspruchten Turbinen-

bereich Verwendung.

Um eine möglichst hohe Lebensdauer

der Triebwerkscheiben zu garantieren, sind

hohe Qualitätsanforderungen unter exakter

Einhaltung spezifischer Bauteileigenschaften

unerlässlich. Zu deren Optimierung wurde

eine Wärmebehandlungslinie errichtet, die

sich durch eine richtungsweisende

Abschrecktechnologie, einen hohen Auto-

matisierungsgrad sowie eine umweltge-

rechte Rauchabsaugung auszeichnet. Im

Gegensatz zu konventionellen Wärmebe-

handlungslinien besteht in der von

Thyssen Krupp Turbinenkomponenten

aufgebauten Linie die Möglichkeit, definierte

Abkühlraten an der gesamten Bauteilober-

fläche sicherzustellen. Die Basis hierfür

stellt die mehrachsige Ölumwälzung des

Abschreckbeckens in Kombination mit

einer oszillierenden Wippfunktion für die

Charge dar.

Page 7: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

Inhalt07

forumThyssenKrupp 1/2002forumThyssenKrupp 1/2002

Dipl.-Ing. Jochen Adams,Leiter Technischer Verkauf/Qualitätsmanagement, Thyssen Schulte GmbH, EssenDr. rer. pol. Claus Algenstaedt,Abteilungsdirektor Zentrales Marketing,Thyssen Schulte GmbH, Düsseldorf

Seite 50

Dr.-Ing. Volkhard Nobis, Stellvertretender Leiter Forschung undEntwicklung (Lufttechnik),ThyssenKrupp HiServ GmbH, Gießen Seite 59

Ulrike Grönefeld,Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,ThyssenKrupp Serv AG, Düsseldorf,Dipl.-Ing. Jürgen Schlenker,Leiter Technik,Hünnebeck GmbH, RatingenSeite 56

Datenbank für Kunden zurOptimierung der Stahlsorten

Als einer der führenden Werkstoffanbieter

mit Ausrichtung auf das Lagergeschäft in

Deutschland wendet sich Thyssen Schulte

vor allem an Kunden in mittelständisch

geprägten Verarbeiterbetrieben. In der Ge-

schäftsstrategie hat die begleitende werk-

stofforientierte Kundenbetreuung einen

hohen Stellenwert.

Im Beitrag werden die innovativen Grund-

lagen einer elektronisch basierten Stahl-

auswahl-Datenbank vorgestellt, die 400

Sorten mit Schwerpunkt auf Flachprodukte

umfasst. Je Stahlsorte sind bis zu 40 me-

chanisch-technologische, physikalische

und andere spezifische Werkstoffkriterien

verschlüsselt. Alle Werkstoffdaten sind

langjährig aus der Praxis gewonnen und

abgesichert worden. Bei individuellen

Optimierungsproblemen können bis zu

drei Kriterien für die Stahlauswahl vorgege-

ben werden. Darüber hinaus sind die Ver-

fügbarkeitsalternativen je Stahlsorte ver-

schlüsselt: Verfügbarkeit ab Lager bzw.

Zentrallager oder – mit höherem Zeitbedarf –

in der Strecke ab Werk.

Mit dem Stahlauswahl-Programm verfügt

Thyssen Schulte über einen attraktiven

Beratungsansatz und Wettbewerbsvorteil.

Der weitere Ausbau ist vorgesehen.

Sicherheit in unterirdischen Ver-kehrsanlagen durch Entrauchungs-systeme von ThyssenKrupp HiServ

In den vergangenen Jahren hat die Zahl

der Tunnelbrände mit erheblichem Scha-

densumfang signifikant zugenommen.

Gerade der stetig zunehmende Schwer-

lastverkehr stellt im Tunnel ein erhebliches

Gefahrenpotenzial dar. Die erste Gefahr ist

der Rauch. Menschen können vom Rauch

eingeschlossen nicht rechtzeitig entfliehen

und werden Opfer der giftigen Gase. Die

herkömmliche Technik reicht nicht aus,

um den giftigen Rauch gezielt und schnell

genug abzusaugen. Wird darüber hinaus

die Brandentwicklung nicht begrenzt, sind

teure und langwierige Tunnelreparaturen

in Verbindung mit dem Ausfall dieser Ver-

kehrswege die Folge.

Seit vielen Jahren beschäftigt sich

ThyssenKrupp HiServ mit der industriellen

Erfassungstechnik luftfremder Stoffe und

deren Absaugung sowie mit der Entrau-

chung von Gebäuden im Falle eines Brandes.

Als Spezialist für thermodynamische und

lüftungstechnische Auslegung von Luft-

und Rauchgasführungen entwickelte das

Unternehmen ein neues Entrauchungs-

system, dessen Kernelement die Wirbel-

haube darstellt. Nach dem Vorbild der in

der Natur auftretenden Wirbelstürme wird

eine Wirbelströmung mit äußerst gleich-

mäßiger Saugwirkung erzeugt. Decken-

kanäle zur Fortführung der Rauchgase

werden beidseitig mit Wirbelhauben aus-

gestattet. Integrierte Absperrelemente akti-

vieren die Wirbelhauben bereichsweise.

Das System ist dadurch in der Lage, direkt

am Brandherd in Sekundenschnelle Rauch

und Wärme zu entziehen und somit den

Schadensumfang deutlich zu reduzieren.

Re-Use-Platte: Kunststoff-Ver-bund-Platte mit Ersatzfolie

Seit Anfang 2001 werden in der Bau-

branche Schalhäute aus Kunststoff zur

Herstellung von Wänden und Decken ein-

gesetzt. Kunststoff-Schalplatten bieten im

Vergleich zu herkömmlichen Sperrholzplat-

ten mehrere Vorteile, wie z.B. größere Wit-

terungsbeständigkeit und geringerer Reini-

gungsaufwand. Da die bisher auf dem

Markt befindlichen Kunststoffplatten ledig-

lich unter hohem Aufwand und verbunden

mit entsprechenden Kosten manuell zu

reparieren sind, arbeitete die Hünnebeck

GmbH an einer wiederverwendbaren Plat-

te, der sogenannten Re-Use-Platte, deren

Oberfläche bei Bedarf maschinell erneuert

werden kann. Hierbei handelt es sich um

eine Kunststoff-Verbund-Platte, die mit

einer Ersatzfolie ausgestattet ist. Beide

Elemente werden maschinell miteinander

verklebt. Im Falle einer Beschädigung der

Folienoberfläche lässt sich diese problem-

los ebenfalls auf maschinellem Wege von

der Trägerplatte entfernen und durch eine

neue ersetzen. Somit erhöht sich die Zahl

der möglichen Einsätze im Vergleich zu

konventionellen Schalungsplatten um ein

Vielfaches und die Oberflächen-Qualität

des Betons wird deutlich gesteigert.

Diese von der Hünnebeck GmbH vorge-

stellte Innovation ermöglicht eine Reini-

gungs- und Reparaturkosteneinsparung

zwischen 35 und 40 Prozent gegenüber

herkömmlichen Sperrholz-Schalhäuten.

Darüber hinaus kann das verbrauchte Ma-

terial recycelt als Trägerplatte wiederver-

wertet werden.

Page 8: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

Inhalt08

forumThyssenKrupp 1/2002

Dr. rer. nat. Wolfgang Zacharias, Business Direktor Automotive,Triaton GmbH, Dortmund Seite 63

Triaton.Castrum Sequence – DerLeitstand für Just-in-SequenceModul-Fertigung in der Automobil-zulieferindustrie

In der Automobilzulieferindustrie ist seit

langer Zeit das Supply Chain Management

von großer Bedeutung. Zusätzlich nehmen

die Fahrzeughersteller die Herausforderung

der Kunden, ihre Fahrzeuge noch indivi-

dueller zu gestalten, an und erhöhen die

Typvielfalt und Ausstattungsvarianten. Die

fahrzeugidentbezogene Anlieferung von

Systemteilen an das Endmontageband des

Automobilherstellers stellt deshalb einen

immer wichtiger werdenden komplexen

Prozess dar. Nicht nur „Just-in-Time“,

sondern auch in der richtigen Austat-

tungsvariante und in der korrekten „Per-

lenkette“ des Endmontagebandes (Ver-

baureihenfolge) sind die Teileanlieferungen

zu bewerkstelligen.

Zur Unterstützung derartiger „Just-in-

Sequence“-Logistik-Prozesse entwickelte

die Triaton GmbH Lösungsmodule unter

dem Namen ‘Triaton.Castrum Sequence‘.

Von den einzelnen Modulen werden hierbei

Funktionen wie beispielsweise produktions-

synchrone Fertigungsabrufe des Automobil-

herstellers, Aufbau fahrzeugidentbezogener

Fertigungsdaten, Plausibilitätsprüfungen

zur Einhaltung der Fahrzeug-Sequenz,

unterstützt. Das Lösungsangebot der Triaton

ist dabei auf schlanke Logistik-Prozesse

und vollautomatische Fertigungsabläufe

ausgerichtet, sodass mit minimalen Lager-

beständen in kleinsten Losgrößen gefertigt

werden kann.

Anwender schätzen nicht nur die Funk-

tionalität des Systems, sondern darüber

hinaus auch den 24h-Anwendungs-Support

der Triaton GmbH.

Page 9: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

09

forumThyssenKrupp 1/2002

Die Gewinner des ThyssenKrupp Innovationswettbewerbs 2002 (Bild 1)

Dr. rer. nat. Bodo Gehrmann

Dr.-Ing. Thomas Heller

Dipl.-Ing. Günter Stich

Hochfeste Stahlwerkstoffe für Flachbildschirme

Page 10: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

Hochfeste Stahlwerkstoffe für Flachbildschirme10

forumThyssenKrupp 1/2002

1 Einleitung

In Bildröhren finden Stahlwerkstoffe und

Eisen-Nickel Legierungen als

• Schattenmaske

• Bildschirmrahmen

• Abschirmkappe

• Bimetallfeder

• Implosionsschutzrahmen

vielfältigen Einsatz (Bild 2). Jedes der

genannten Bauteile stellt dabei spezifische

Anforderungen an den Werkstoff. Das

umfangreiche Know-how innerhalb von

ThyssenKrupp Steel, mit den Unternehmen

ThyssenKrupp Stahl, ThyssenKrupp

VDM, Wickeder Westfalenstahl und

ThyssenKrupp Nirosta (TKN), kann hier

interessante Lösungen für die Bildröhren-

komponenten liefern.

ThyssenKrupp Stahl und ThyssenKrupp

VDM entwickeln Schattenmasken-Werk-

stoffe, erschmelzen und walzen diese zu

Warmband, welches dann von Wickeder

Westfalenstahl zu Kaltband in Dicken zwi-

schen 0,10 und 0,25 mm ausgewalzt wird.

Verschiedene Modifikationen der Basis-

werkstoffe Pernifer 36 von ThyssenKrupp

VDM sowie aluminium-beruhigter Stahl

von ThyssenKrupp Stahl finden dann mit

dafür konzipierten besonderen technologi-

schen Eigenschaften sowohl für geformte

als auch gespannte Schattenmasken

Anwendungen (Bild 3). Aus dem von

ThyssenKrupp VDM gefertigten 0,2-mm-

dicken-Pernifer 36 Band wird auch der

sogenannte Diaphragmarahmen produ-

ziert, der die Schattenmaske aus Pernifer

36 in Form hält.

Bimetallfedern aus aneinanderge-

schweißten Bandkomponenten der Werk-

stoffe Pernifer 36 oder Pernifer 48 von

ThyssenKrupp VDM mit einem CrNi-Stahl

von ThyssenKrupp Nirosta kompensieren

temperaturbedingte Schattenmasken-

bewegungen.

Das Herzstück einer Bildschirmröhre

bildet die Elektronenkanone (Bild 4).

ThyssenKrupp VDM hat für dieses hoch-

komplexe Bauteil die Werkstoffvariationen

Pernifer 40 So 2 und Magnifer 50 GP mit

besonderen Eigenschaften entwickelt, die

in Form von Stanz-, Biege- und Tiefziehtei-

len als Elemente zur Fokussierung der drei

Elektronenstrahlen dienen.

Die Abschirmkappe (Bild 5) sorgt dafür,

dass die Elektronenstrahlen von störenden

Magnetfeldern, wie z.B. das Erdmagnetfeld,

nicht beeinflusst werden. Bänder, aus

denen Abschirmkappen gefertigt sind,

werden von Wickeder Westfalenstahl

hergestellt.

2 Hochfeste Stahlwerkstoffe für Flachbildschirme

Bei hochwertigen Fernsehern kann man

heute einen eindeutigen Trend hin zu

Flachbildschirmen erkennen. Dabei bietet

die konventionelle Technik gegenüber den

hauptsächlich bei PC-Bildschirmen ver-

wendeten LCD-Bildschirmen nach wie vor

deutliche Vorteile, wie z.B. Farbbrillanz und

Kontrast. Da bei flachen Bildschirmen der

Tiefzug der für die Bildpunkte zuständigen

Lochmaske (auch als Schattenmaske be-

zeichnet) zur Stabilisierung entfällt, muss

eine verzugsfreie Positionierung der ge-

spannten Schattenmaske während der

unterschiedlichen Belastungsfälle in der

Bildschirmrahmen mit Schattenmaske (Bild 3)

Bildröhrenkomponenten aus FeNi und Stahl (Bild 2)

Elektronenkanone (Bild 4)

Page 11: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

Hochfeste Stahlwerkstoffe für Flachbildschirme11

forumThyssenKrupp 1/2002

Herstellung und im Betrieb über den Bild-

schirmrahmen sichergestellt werden. Dies

stellt höchste Anforderungen an den Rah-

menwerkstoff. Rahmenwerkstoff und

Schattenmaskenwerkstoff müssen aufei-

nander abgestimmt werden, damit das Ge-

samtsystem optimale Eigenschaften zeigt.

3 Lösung auf der Basis FeNi-Legierung

Eine Spannmaske aus Pernifer 36 weist

den Vorteil einer äußerst kleinen Wärme-

ausdehnung auf. Dies bedingt aber die

Verwendung eines verstärkten Rahmens

aus einem Werkstoff mit ebenso möglichst

kleiner Wärmeausdehnung. Deshalb wurde

eine ausscheidungshärtbare Eisen-Nickel-

Legierung Pernifer 42 TVR als Rahmen-

werkstoff für gespannte Schattenmasken

in großformatigen und flachen Farbfern-

sehgeräten entwickelt. Die chemische Zu-

sammensetzung des neuentwickelten Werk-

stoffes Pernifer 42 TVR ist so gewählt,

dass nach einer ausscheidungshärtenden

Wärmebehandlung, die am fertiggestellten

Rahmen erfolgt, die mechanische Festig-

keit gegenüber der des lösungsgeglühten

Zustandes des Bandes nahezu verdoppelt

ist (Bild 6). In dem ausgehärteten Zustand

erfüllt Pernifer 42 TVR die Anforderungen

spezifikationsgerecht. Der Werkstoff für

diesen Rahmen, der aus Bändern der Dicke

zwischen 1,2 und 3,0 mm je nach Größe

und Typ gefertigt wird, muss insbesondere

zwei Anforderungen erfüllen. Damit die auf

den Bildschirmrahmen gespannte Schatten-

maske nach der mit Temperaturen von

550–640°C für das Schwärzen und 450-

480°C für die Aushärtung der Glaskolben-

naht durchgeführten Wärmebehandlungen

noch die gewünschte Spannform aufweist,

muß die Warmfestigkeit des Rahmenwerk-

stoffes so gut sein, dass die Kriechdeh-

nung unter den definierten Bedingungen

verschwindend klein ist. Als weitere Anfor-

derung muß die Wärmeausdehnung des

Rahmens kleiner sein als die der Schatten-

maske, um eine Überdehnung der Schat-

tenmaske während der Wärmebehandlung

zu vermeiden.

Die Vorteile des Rahmenwerkstoffes

Pernifer 42 TVR sind die gute Verarbeitbar-

keit, eine hohe Warmfestigkeit und eine

niedrige Wärmeausdehnung. Hierdurch ist

die Verwendung einer FeNi 36-Schatten-

maske mit niedrigster Wärmeausdehnung

möglich.

Nach nur neunmonatiger Entwicklungs-

zeit wurde der Werkstoff Pernifer 42 TVR in

enger Zusammenarbeit mit Thomson für

diese Anwendung im Jahr 2000 qualifiziert

und findet seitdem in der Serienfertigung

Verwendung.

4 Lösung auf der Basis einesniedriglegierten Stahles

Für ein geplantes Werk zur Herstellung

von Bildröhren in Deutschland suchte die

Firma Panasonic einen geeigneten Stahl

für derartige Bildschirmrahmen. Als

Schattenmaskenwerkstoff wird ein Al-

beruhigter Stahl eingesetzt.

Zunächst bestimmt der Herstellprozess

die Anforderungen an den Stahlwerkstoff

(Bild 7). Besonderes Augenmerk ist dabei,

wie bereits geschildert, auf die Tempera-

turbelastungen beim Schwärzen des Rah-

Pernifer 42 TVR: Anforderungsprofil und Eigenschaften (Bild 6)

Abschirmkappe (Bild 5)

Page 12: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

12

forumThyssenKrupp 1/2002

Hochfeste Stahlwerkstoffe für Flachbildschirme

mens und beim Aushärten der Nahtlinie

zwischen den beiden Bildröhrenhälften zu

richten, da auch nach und während dieser

Behandlungen eine verzugsfreie Planlage

der gespannten Schattenmaske gewährleis-

tet sein muss. Untersuchungen haben

gezeigt, dass ein warmgewalzter Complex-

phasenstahl das Anforderungsprofil gut

erfüllt und damit eine interessante Werk-

stoffalternative zu bisher eingesetzten

niedriglegierten Stählen bietet. Complex-

phasenstähle (CP) gehören zur Familie der

Mehrphasenstähle, deren Eigenschaften

durch eine geschickte Mischung unter-

schiedlich harter Gefügebestandteile ein-

gestellt werden. So bestehen Complexpha-

senstähle aus einer extrem feinen, über-

wiegend bainitischen Grundmatrix, in die

kleine Martensit- und gegebenenfalls Fer-

ritinseln eingelagert sind (Bild 8). Eine

Mikrolegierung mit Titan und eine darauf

abgestimmte Temperaturführung beim

Warmbandwalzen stellt das außergewöhn-

liche Eigenschaftsprofil des Stahles sicher.

Bereits im Lieferzustand besitzt das SiMn-

CrTi-legierte CP-Warmband von rund 5 mm

Dicke eine hohe Festigkeit von mehr als

800 MPa. Dennoch ist der Stahl kaltum-

formbar und schweißbar. Complexphasen-

stähle werden seit einiger Zeit erfolgreich

und mit zunehmendem Bedarf für crashre-

levante Bauteile im Automobil eingesetzt.

Die hohe Ausgangsfestigkeit und eine

spezielle Temperaturführung beim Warm-

bandwalzen führen zu Werkstoffeigen-

schaften, mit denen dieser Stahltyp die

speziellen Anforderungen an einen Stahl

für Fernsehrahmen flacher großformatiger

Bildschirme gut erfüllen kann. So erhöhen

während des Herstellprozesses feinste Aus-

scheidungen die Festigkeit derartiger Bild-

schirmrahmen (Kaltumformung + Wärme-

behandlung) noch einmal deutlich auf

ca. 1000 MPa, ohne die Zähigkeit zu ver-

schlechtern. Damit kann der Herstellprozess

zu einer Eigenschaftsverbesserung des

eingesetzten Stahles genutzt werden. Die

Warmfestigkeit und das Kriechverhalten

entsprechen den Anforderungen (Bild 9).

Mit dieser Eigenschaftskombination des

in den Flachbildschirmrahmen verwende-

ten Complexphasenstahles gelingt es, die

gespannte Lochmaske während des Verar-

beitungsprozesses zur Bildschirmröhre ver-

zugsfrei und plan in stabiler Position zu

halten. Somit kann ein einzelner der vielen

Lochpunkte von der Elektronenstrahlkanone

präzise angesteuert werden, was zu einem

Fernsehbild höchster Farbbrillanz und Tie-

fenschärfe führt.

Die im Vergleich zum Wettbewerbsstahl

hohe Festigkeit kann zukünftig zur Gewichts-

reduzierung des Rahmens genutzt werden.

Darüber hinaus ist der Entfall des heutigen

Kaltwalzschrittes denkbar.

Insgesamt ist bei hochwertigen Fernse-

hern ein deutlicher Trend hin zu Flachbild-

schirmen festzustellen. Die Fertigung von

Rahmen für Flachbildschirme bietet somit

ein beachtliches Marktpotenzial für hoch-

wertige Stähle.

Mittlerweile ist die Serienherstellung von

120.000 Bildröhren/Monat in einem neuen

Werk in Esslingen angelaufen. Der be-

schriebene Complexphasenstahl wird hier

zur Herstellung der Winkel des Fernseh-

rahmens eingesetzt. Je Bildröhre werden

1,5-2 kg CP-Stahl (bis zu 240 t/Monat)

verbaut. Auch bei anderen Herstellern für

Flachbildschirme besteht Interesse an dem

Werkstoff.

Gefügehärtung bei Mehrphasenstählen (Bild 8)

Herstellprozesse eines Flachbildschirmrahmens mitgespannter Lochmaske (Bild 7)

Page 13: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

13

forumThyssenKrupp 1/2002

Hochfeste Stahlwerkstoffe für Flachbildschirme

5 Zusammenfassung

Bei hochwertigen Fernsehern ist heute

ein deutlicher Trend hin zu großformatigen

Flachbildschirmen festzustellen. Die hohen

Belastungen des Fernsehrahmens durch

die gespannte Schattenmaske erfordern den

Einsatz von Stählen sehr hoher Festigkeit

für diese Rahmen. Um die bestmögliche

Bildqualität zu erzielen, müssen die Werk-

stoffe der Schattenmaske und des Bild-

schirmrahmens optimal aufeinander abge-

stimmt werden. Hier wurden für zwei ver-

schiedene Schattenmasken (Stahl + FeNi

(Invar)) entsprechende Stähle für den Fern-

sehrahmen bis zur Serienreife entwickelt

und erfolgreich in den Markt eingeführt.

Beide Lösungen haben den 1.Preis beim

ThyssenKrupp Innovationswettbewerb 2002

gewonnen.

Werkstoffeigenschaften CP-Stahl (Bild 9)

Page 14: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

14

forumThyssenKrupp 1/2002

Federbein mit integriertem Aktuator (Bild 1)

Dipl.-Ing. Siegfried Ellmann

Dr.-Ing. Friedrich Löser

Elektromechanisches Leveling System (EML)

Page 15: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

15

forumThyssenKrupp 1/2002

Elektromechanisches Leveling System (EML)

1 Einleitung

ThyssenKrupp Automotive Mechatronics

wurde im Oktober 2000 gegründet und

wird zu 49 % getragen von ThyssenKrupp

Transrapid und zu 51 % von ThyssenKrupp

Automotive Systems.

Die Kompetenz zur Entwicklung und Her-

stellung mechatronischer Systeme haben

die Mitarbeiter der ThyssenKrupp Automo-

tive Mechatronics im Projekt Transrapid

unter Beweis gestellt. Am Fertigungsstandort

Kassel werden die Fahrzeuge für die erste

Anwendung in Serie gefertigt.

Der Transfer des Know-hows auf mecha-

tronische Fahrwerksysteme im Pkw führte

in Zusammenarbeit mit ThyssenKrupp

Automotive Systems, ThyssenKrupp Bil-

stein und ThyssenKrupp Federn zu Serien-

aufträgen deutscher Automobilhersteller.

Die Systemkompetenz der ThyssenKrupp

Automotive Gruppe konnte dadurch gefestigt

werden. Aus der Systemarbeit heraus ent-

stand der nachfolgend beschriebene Bei-

trag über eine elektro-mechanische Fahr-

werksregelung, das sogenannte Elektro-

mechanische Leveling System. Es wurde

als Patent angemeldet. Die Erteilung durch

das Deutsche Patentamt erfolgte zum

16.05.2002.

2 Funktionsbeschreibung

Für Kraftfahrzeuge sind bisher Systeme

im Einsatz, bei denen die Höhenlage des

gefederten Fahrzeugaufbaus verstellbar

ist. Diese Systeme verwenden hydraulische

Stellzylinder oder Luftfedern als Aktuatoren

und hydraulische oder pneumatische Aggre-

gate zur Druckerzeugung, angetrieben

durch Elektromotoren oder durch den

Antriebsmotor.

Ziel ist, durch das Elektromechanische

Leveling System (EML) eine vollständig

elektromechanische Einrichtung zur Lage-

verstellung des Fahrzeug-Aufbaus zu

schaffen, mit der wirtschaftlich und mit

hohem Wirkungsgrad verbesserte Funktio-

nalitäten erreicht werden.

Zur Funktion ist am oberen Ende eines

Federbeines ein Elektromotor integriert

(Bild 2), der den oberen Federteller und

damit die Lage des Fahrzeugaufbaus ver-

stellt. Die Rotationsbewegung des Elektro-

motors wird dabei durch einen Gewinde-

trieb in eine Längsbewegung gewandelt.

Wesentliches Merkmal bei der Realisierung

ist der Einsatz von Baugruppen mit hohem

Wirkungsgrad. Dies erst ermöglicht den

Einsatz des Systems beim leistungsbe-

grenzten elektrischen Bordnetz eines Kraft-

fahrzeugs.

Die Bewegung des Aufbaus wird von

einem Steuergerät in Verbindung mit Auf-

baubeschleunigungssensoren, Höhen-

standssensoren und Fahrzeugbusinfor-

mationen erfasst (Bild 3). Elektromecha-

nische Stellglieder an jedem Federbein

wandeln elektrische Energie in lineare

Bewegung. Ein übergeordnetes Steuer-

gerät regelt die Aufbaulage abhängig von

Fahrsituation und Fahrerwunsch.

3 Kundennutzen

Der Kundennutzen besteht im Wesentli-

chen aus Vorteilen für Fahrstabilität, Fahr-

komfort und Funktionalität.

• Erhöhung der Fahrstabilität

Bei dynamischen Fahrzustandsände-

rungen wie z.B. zu schneller Spur-

wechsel, können vorhandene Stabilitäts-

grenzen überschritten werden. Dies

führt zu Über- oder Untersteuervor-

gängen beim Fahrzeug. Durch dynami-

sche Verteilung der Radlasten wird die

Stabilitätsgrenze erhöht und somit ein

Gewinn an Fahrsicherheit erzielt.

Aufbau

Oberer Federteller

Stator

Rotor

Dämpfer-

Kolbenstange

Stahlfeder

Kugelgewindetrieb

Bewegungsrichtung

Aktuator (Bild 2)

Page 16: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

forumThyssenKrupp 1/2002

Elektromechanisches Leveling System (EML)

• Verbesserung des Fahrkomforts

Bei Kurvenfahrt und bei Fahrzeugbe-

schleunigung oder beim Bremsen ver-

ändert der Aufbau seine horizontale

Lage. Durch automatische Höhenver-

stellung an jedem einzelnen Federbein

wird der Fahrzeugaufbau horizontiert.

Das bedeutet, dass Fahrer und Beifahrer

weniger komfortmindernde Aufbaube-

wegungen bei Bremsvorgängen, Kur-

venfahrt oder unebener Fahrbahn

verspüren.

• Größere Funktionalität

Die Zuladung durch Fahrgäste oder

Gegenstände führt zu Veränderung der

Aufbaulage. Durch den automatischen

Beladungsausgleich bleibt der Aufbau

beladungsunabhängig in der Ausgangs-

lage. Unerwünschte Eigenschaften wie

Scheinwerferblenden, höherer cw-Wert

und damit höherer Kraftstoffverbrauch,

schlechtere Fahreigenschaften und

geringere Bodenfreiheit werden

dadurch vermieden.

Die Einstellung der Bodenfreiheit kann

zudem fahrgeschwindigkeitsabhängig

oder manuell nach Fahrerwunsch

erfolgen.

4 Kosteneinsparung

Kosteneinsparungen ergeben sich

sowohl bei der Fahrzeugfertigung als

auch beim späteren Betrieb.

• Teilereduktion

Im Vergleich zu hydraulischen und/

oder pneumatischen Systemen wird

beim EML elektrische Energie in lineare

Bewegung umgewandelt. Dadurch ent-

fallen hydraulische Pumpen oder pneu-

matische Kompressoren sowie deren

aufwendige Leitungssysteme.

• Montagevorteil

Durch die modulare Bauweise ergibt

sich ein Kostenvorteil bei der Integration

der Systeme in das Kraftfahrzeug.

Diese beschränkt sich neben der übli-

chen mechanischen Befestigung auf

das Schließen von elektrischen Steck-

verbindungen.

• Instandhaltung

Da im Gegensatz zu den Wettbewerbs-

systemen keine hydraulischen oder

pneumatischen Reservoirs, Leitungen

und Aktuatoren verwendet werden, ist

beim EML ein deutlich geringerer Auf-

wand für Instandhaltung zu erwarten.

• Recycling

Die Kosten für die Teileverwertung

reduzieren sich, da mit dem Elektro-

mechanischen Leveling System deutlich

weniger Einzelteile verwendet werden.

Durch den Einsatz von gleichartigen,

im Kraftfahrzeug bereits vorhandenen

Materialien (z.B. für Elektromotoren,

Getriebe, Steuergerät) sind keine wei-

teren Verfahren für die Entsorgung

von Bauteilen erforderlich.

5 Systementwicklung

Die Entwicklung mechatronischer Systeme

erfordert einen ganzheitlichen Ansatz. Das

bedeutet, dass neben dem Aktuator auch

Regelalgorithmen und die gesamte Fahr-

werkdynamik berücksichtigt werden. Dazu

wird das Gesamtsystem auf einem Rechner

in Form eines Simulationsmodells validiert

(Bild 4).

Das Modell dient dabei gleichzeitig als

Lastenheft in der Diskussion mit dem Kun-

den. Durch diese Vorgehensweise können

notwendige Anpassungen zeitnah umge-

setzt werden.

Im nächsten Schritt werden die Design-

ergebnisse in Form von Prototypen realisiert

und Verifikationen mit Hilfe von Prüfständen

und Versuchsfahrzeugen durchgeführt.

Nach positiv verlaufener Verifikation erfolgt

Inverter

Bordnetz

Bus

Federbein mit Aktuator

Hinterachse

h-HRh-VR

Vorderachsea-FL

a: Beschleunigungssensorh: HöhenstandsensorHL: Hinterachse linksHR: Hinterachse rechtsVL: Vorderachse linksVR: Vorderachse rechts

h-VL h-HL

ECU

Display/Interface

Bus

Blockschaltbild Elektromechanisches Leveling System (Bild 3)

16

Page 17: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

17

forumThyssenKrupp 1/2002

Elektromechanisches Leveling System (EML)

Systementwicklung (Bild 4)

Nachweisführung sowohl in der Simulation

als auch am realen System. Die dabei ein-

gesetzten Werkzeuge und Toolketten ermög-

lichen eine effiziente Umsetzung dieser

Vorgehensweise.

6 Ausblick

Das passive Fahrwerk im Kraftfahrzeug

erfährt zunehmend eine Aufwertung durch

die Implementierung von Hard- und Soft-

ware in serientauglichen Musterbaugruppen.

Die anschließende Qualifikation ergänzt die

vorangegangenen Prüfungen um die Nach-

weise zur Umweltbeständigkeit und Betriebs-

festigkeit.

Während der gesamten Systementwick-

lung werden notwendige Design-Änderun-

gen durchgängig bis zur Simulationsebene

mitgeführt und erlauben eine umfassende

den Einsatz von aktiven Systemen (Bild 5).

Ausgehend von der Stahlfeder über

hydropneumatische Federung sind Luftfe-

derungssysteme entstanden, die als

schaltbare Aktuatoren von Steuergeräten

bedient werden. Eine weitere Steigerung

der Funktionalität stellen hydraulische

Systeme dar. Generelle Strategie ist, künftig

die separaten Systeme Mechanik/ Hydraulik/

Pneumatik/Elektronik zu mechatronischen

Page 18: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

18

forumThyssenKrupp 1/2002

Innovation im Kraftfahrzeug durch Mechatronik (Bild 5)

Systemen zu integrieren, bei denen Elektro-

nik und Datenverarbeitung mit dem elektro-

mechanischen Aktuator vereint werden.

Unterschiedliche mechatronische Systeme

können dann auf einfache Weise in eine

Gesamtfahrzeugregelung integriert werden.

Dadurch lassen sich bei optimierter Funk-

tionalität weitere Vorteile wie Kostenein-

sparung, Verfügbarkeitserhöhung und

Sicherheit erreichen. Das in diesem Beitrag

dargestellte Elektromechanische Leveling

System leistet in diesem Innovations-Pro-

zess einen wesentlichen Beitrag.

Page 19: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

19

forumThyssenKrupp 1/2002

Dipl.-Phys.-Ing. (FH) Andreas Möckel

Dr.-Ing. Holger Günther

Dipl.-Ing. Mirko Jansche

Laserschweiß- und Spannsystem für den Karosserierohbau

Laserschweiß- und Spannsystem LSK (Bild 1)

Page 20: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

20

forumThyssenKrupp 1/2002

Laserschweiß- und Spannsystem für den Karosserierohbau

Einführung

Im Karosserierohbau wurde in den letzten

Jahrzehnten im Wesentlichen die Anwen-

dung des Fügeverfahrens Punktschweißen

favorisiert. Die vorteilhaften Eigenschaften

dieses Schweißverfahrens, wie z.B. robuste

störungsunempfindliche Technik, einfache

Bedienbarkeit, Unempfindlichkeit gegenüber

geometrischen Toleranzen, führten zu einem

nahezu durchgängigen Verbreitungsgrad

in der Karosseriefertigung. Die Fahrzeug-

entwicklung ist auf die Anforderungen des

Punktschweißverfahrens eingestellt und

die Konstrukteure kennen alle verfahrens-

typischen Eigenschaften.

Auch mit der Einführung beschichteter

Karosseriebleche zum Schutz vor Korrosion

konnten anfängliche Probleme des Punkt-

schweißens schnell beseitigt werden. Dem

Trend und dem Wunsch nach mehr Schutz

bei Unfällen folgend, wurden immer steifere

Konstruktionen in der Fahrzeugentwicklung

entworfen. Zum Teil konnten Fügeverbin-

dungen mittels Punktschweißen nicht mehr

hergestellt werden und MAG Schweiß-

verbindungen, die im Dünnblechbereich

noch selten vorkamen, wurden vermehrt

eingesetzt. Der Wärmeeintrag in das jeweilige

Bauteil ist jedoch relativ hoch und so sind

geometrische Bauteilverzüge, die die Qualität

des Endproduktes stark negativ beeinflussen,

unvermeidlich. Das Ziel der Herstellung

verwindungssteifer Schweißkonstruktionen

mit geringem Wärmeeintrag und hoher Pro-

zessgeschwindigkeit ist mit dem Laser-

schweißen umsetzbar (Bild 2, Bild 3). Mit

der Verfügbarkeit von Hochleistungslasern

wurde der Weg in den Karosseriebau

geebnet.

Laserschweißen im Karosseriebau

Die Wirkprinzipien des Laserschweißens

unterscheiden sich grundsätzlich von

denen des Punktschweißens. Beim Punkt-

schweißen müssen stets zwei Elektroden,

zwischen denen sich die zu verbindenden

Bleche befinden, vorhanden sein. Durch

Widerstandserwärmung wird die erforderliche

Schmelzenergie erzeugt. Diese Wirkungs-

weise bedingt, dass die Fügeverbindungen

stets so konstruiert sein müssen, dass

eine Zugänglichkeit von zwei Seiten erreicht

wird. Beim Laserschweißen wird die zum

Schmelzen notwendige Energie als „Licht“

auf die Oberfläche fokussiert. Die hohe

Energiedichte des erzeugten „Lichtstrahls“

führt zum sofortigen Aufschmelzen. Hohe

Schweißgeschwindigkeiten mit niedriger

Gesamtstreckenenergie sind damit erziel-

bar. Der diskontinuierliche Punktschweiß-

prozess kann durch einen kontinuierlichen

Laserschweißprozess ersetzt werden. Die

Produktivität im Karosseriebau kann

erheblich gesteigert werden. Die Anforde-

rungen an das Laserschweißen sind jedoch

ungleich höher bezüglich der Bauteil-

positionierung und der zulässigen Bauteil-

toleranzen.

Neue Spannkonzepte

Bei den im Karosserierohbau häufig vor-

kommenden flanschähnlichen Querschnitten

wird das Aneinanderpressen der zu ver-

bindenden Bleche beim Punktschweißen

durch das Werkzeug selbst (Punktschweiß-

zange) mit hohen Drücken erzeugt, um

eine wirksame Energieumsetzung im Bau-

teil erzeugen zu können. Das Aneinander-

pressen ist Bestandteil des Verfahrens.

Anders ist dies beim Laserschweißen. Der

Laserstrahl stellt zunächst „nur“ die Ener-

gie zur Verfügung. Zum Positionieren bzw.

Spannen der Fügegeometrie sind Vorrich-

tungen notwendig, die die Bauteile eng

zusammenbringen. Wird ohne Zusatzwerk-

stoff geschweißt, sind Spaltbreiten von

kleiner als 0,2 mm notwendig, um feste

Verbindungen herstellen zu können. Damit

wird schon die erste Schwierigkeit beim

Einsatz des Laserschweißens beschrieben.

Im Karosseriebau sind demzufolge zukünf-

tig engere Toleranzen einzuhalten. Für ver-

schiedenste Fügegeometrien sind deshalb

neue Spannkonzepte erforderlich.

Ein weiteres Problem behindert die

größere Verbreitung des Laserschweißens.

Mit der Verwendung von beschichteten

Beispiel einer Laserschweißnaht(Bild 3)

Laserschweißprozess (Bild 2)

Page 21: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

21

forumThyssenKrupp 1/2002

Laserschweiß- und Spannsystem für den Karosserierohbau

Rollspanntechnik am Bauteil (Bild 4)

Blechen treten Qualitätsbeeinträchtigungen

auf. Der Grund hierfür liegt in den stark

unterschiedlichen Schmelztemperaturen

des Grundwerkstoffs Stahl und des Be-

schichtungswerkstoffs Zink. Während des

Laserschweißprozesses wird eine soge-

nannte Dampfkapillare erzeugt, deren

Rand von schmelzflüssigem Stahl umgeben

ist. Das als Beschichtungswerkstoff vor-

handene Zink befindet sich dann in der

Gasphase. Dieses gasförmige Zink führt

zum unkontrollierten Verspritzen des

schmelzflüssigen Stahls und damit zu

Poren und Löchern in der Schweißnaht.

Dadurch sind die notwendigen Festigkeiten

nicht mehr erreichbar. Dieser Effekt lässt

sich verhindern, indem zwischen den

Fügepartnern ein Spalt von maximal

0,1 mm erzeugt wird. Die Anforderungen

an eine Spanntechnik bestehen also nicht

nur in dem kräftigen Aufeinanderpressen

von Blechen, sondern auch darin, einen

geringen Abstand zu erzeugen. Dieses

Problem löst der von ThyssenKrupp Drauz

entwickelte Laserschweißkopf für Roboter-

anwendungen.

Strategie und Konzept des Laser-schweiß- und Spannsystems (LSK)

Die Entwicklung des Laserschweiß- und

Spannsystems von ThyssenKrupp Drauz

verknüpft die Funktionalität einer Punkt-

schweißzange mit den Vorteilen des Laser-

schweißens. Dieses bedeutet, dass das

Spannen der Fügegeometrie und das

Schweißen in einem Werkzeug kombiniert

werden. Für den kontinuierlichen Prozess

des Laserschweißens ist die Anwendung

von Rollspanntechnik (Bild 4) vorteilhaft,

um auch ein kontinuierliches Spannen zu

gewährleisten. Dabei sind vielfältige

Anforderungen bzgl. Verschleiß, Temperatur-

belastungen und Verschmutzungen zu

berücksichtigen.

Die Zinkentgasung zwischen den Blechen

wird durch Distanzhalter verschiedenster

Ausführungen durchgeführt. In der Serien-

fertigung werden zurzeit sogenannte Nop-

pen eingesetzt. Dies sind Verprägungen in

den Bauteilen, die einen Abstand zwischen

den Fügepartnern erzeugen. Die Herstellung

erfolgt beim Pressen der Blechteile. Dieser

Vorgang ist jedoch sehr kostenintensiv und

in verschiedenen Bauteilen nicht realisierbar,

da die Umformrichtungen nicht mit den

Richtungen für die Verprägungen überein-

stimmen.

Erst mit der von ThyssenKrupp Drauz

entwickelten Anordnung der Rollenpaare

(oberer und unterer Spannkegel) (Bild 5) ist

es möglich, das Problem der Zinkentgasung

im Laserschweißkopf zu lösen. Dadurch

können die Noppen entfallen. Eine Entga-

sungsscheibe, die zwischen die Bleche

gebracht wird, formt die Flansche so, dass

eine „Entgasungsschräge“ entsteht. Die

feste Zuordnung von Spannkegel, Entga-

sungsscheibe und auftreffendem Laser-

strahl sichert dabei eine reproduzierbare

Fügegeometrie und damit eine konstante

Qualität der Schweißnähte. Der modulare

Aufbau des Systems ermöglicht die Anbin-

dung an verschiedenste Robotertypen und

die Anpassung an unterschiedliche Füge-

geometrien. So sind einseitig zugängliche

Flansche, die häufig im Bodenbereich von

Fahrzeugen vorkommen, genauso schweiß-

bar wie zweiseitig zugängliche Geometrien,

wie sie im weiteren Fahrzeugaufbau do-

minieren. Die Komponentenbauweise in

Grundkörper, Optik, Schutzvorrichtungen,

Aktivelementen, Ausgleichselemente (Bild 6)

sowie dem Entgasungswerkzeug erleichtert

die Übersichtlichkeit des Laserschweiß-

und Spannsystems in der Anwendung für

verschiedenste Laserschweißaufgaben.

Detailansicht des Laserschweiß- und Spannsystems (Bild 5)

Oberer Spannkegel

Entgasungsscheibe

Unterer Spannkegel

Laser-Strahl

Page 22: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

22

forumThyssenKrupp 1/2002

Laserschweiß- und Spannsystem für den Karosserierohbau

Prozessparameter

Verschiedenste Parameter beeinflussen

das Ergebnis des Laserschweißprozesses.

Die wesentlichen Einflussgrößen sind:

• die Fokuslage

• die Energie

• die Prozessgeschwindigkeit

• der Einstrahlwinkel

• die Arbeitsgase.

Durch die verwendeten gegeneinander

laufenden Kegelrollen sind hohe Prozess-

geschwindigkeiten erreichbar. Dabei wird

die Fokuslage durch die feste Zuordnung

der Optik zum oberen Spannkegel stets

konstant gehalten. Die Luftführung („Cross-

Jet“) ist so gestaltet, dass störende Spritzer

oder andere entstehende Verschmutzun-

gen das Schweißergebnis nicht beeinflus-

sen. Somit lassen sich Schweißgeschwin-

digkeiten bis 5 m/min (Bild 7) und höher

erreichen.

Im Serieneinsatz unterliegt das System

verschiedensten Belastungen. Durch die

Nähe der Spannkegel zur Schweißnaht

entstehen hohe thermische Beanspru-

chungen. Das Zusammenpressen der Bleche

muss zum Teil mit sehr hohen Kräften er-

folgen, sodass hohe Reibungs- und Lage-

rungsbelastungen entstehen. Nicht zu ver-

nachlässigen sind Dämpfe und Schweiß-

spritzer, die beim Schweißen unvermeidlich

sind. Die Entwicklungen konzentrierten

sich auf die einzusetzenden Werkstoffe

sowie auf vorteilhafte Konstruktionen für

die unterschiedlichen Komponenten, um

die Lebensdauer von Verschleißteilen sowie

die Wartungsfreundlichkeit auf ein Maximum

zu erhöhen. So konnte durch die Ermittlung

der Belastungsfälle der Entgasungsscheibe

und der Spannkegel eine Konstruktion er-

stellt werden, die die Lebensdauer praktisch

verdoppelte. Somit werden auch die Instand-

haltungskonzepte einer Serienfertigung

berücksichtigt.

80

70

60

50

40

30

20

10

01 2 3 4 5 6

Schweißtiefe [mm]

Sch

wei

ßges

chw

indi

gkei

t [m

m/s

]

Schweißgeschwindigkeiten beim Laserschweißen (Bild 7)

Zusammenfassung und Ausblick

Mit dem Laserschweiß- und Spannsystem

(LSK) von ThyssenKrupp Drauz werden die

Funktionalitäten Spannen und Schweißen

in einem Werkzeug geeignet kombiniert.

Durch die speziell entwickelte geometrische

Anordnung der Spannelemente und der im

Werkzeug integrierten Entgasungsscheibe

können verzinkte Bleche qualitätsgerecht

ohne Löcher oder Poren mittels Laser

reproduzierbar verschweißt werden.

Schweißgeschwindigkeiten bis zu 5 m/min

können in der Produktion umgesetzt werden.

Insbesondere der Einsatz bei Türeinstiegen

von Karosserien und bei Fensterflanschen

hat sich als vorteilhaft erwiesen. Aber auch

Flansche im Unterbodenbereich können

durch den modularen Aufbau des LSK mittels

Laser verschweißt werden. Damit ergibt

sich ein weites Spektrum von Anwendungs-

fällen im Karosseriebau. Im Serieneinsatz

sind bisher 2-Blech-Verbindungen sicher

verschweißt worden. Zukünftig wird die

Bedeutung von 3-Blech-Verbindungen

ansteigen. Diese ebenfalls mit integrierter

Entgasung und Rollspanntechnik schweißen

zu können, ist das Ziel weiterer Entwicklungen.

Grundkörper

Ausgleichselemente

Schweißoptik

Schutzvorrichtungen

(Schutzglas, Cross-Jet usw.)

Aktivelemente

Komponenten des Laserschweiß- und Spannsystems (Bild 6)

Page 23: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

23

forumThyssenKrupp 1/2002

Dipl.-Ing. Hans Korek

Anne Conrad-Schaller

Vollautomatische Schmiedelinie für Kurbelwellen im 7,5-Sekunden-Takt

Hauptaggregate der neuen Schmiedelinie (Bild 1)

Page 24: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

24

forumThyssenKrupp 1/2002

Vollautomatische Schmiedelinie für Kurbelwellen im 7,5-Sekunden-Takt

1 Einleitung

Die in den letzten Jahren enorm gestie-

gene Nachfrage nach PKWs mit Dieselmo-

toren, die seit jeher wegen ihrer höheren

Belastbarkeit vorrangig mit einer geschmie-

deten Kurbelwelle bestückt werden, ver-

langte bei ThyssenKrupp Gerlach eine

Kapazitätserweiterung in diesem Markt-

segment. In einer zweieinhalbjährigen

Plan- und Bauphase entstand mit einem

Investitionsvolumen von rund 25 Mio €

eine neue Produktionslinie, die die techno-

logische Führerschaft in der Welt als Her-

steller von geschmiedeten Kurbelwellen

sichert und an die von eigener Seite hohe

Anforderungen gestellt wurden: Sie sollte

vollautomatisiert und verkettet vom Sägen

der Stahlzuschnitte bis zur 100 %-Prüfung

der versandfertigen Kurbelwelle sein, opti-

miert abgestimmt auf das wirtschaftliche

Schmieden von Vier- und Sechszylinder-

Kurbelwellen bis zu einem Rohteilgewicht

von 35 kg. Hohe Verfügbarkeit, Reduzie-

rung der Fertigungskosten, reibungsfreie,

kurzfristige Programmwechsel, Arbeits-

und Prozesssicherheit, gleichbleibende

Produktqualität, Wartungs-, Inspektions-

und Umweltfreundlichkeit waren weitere

Planungsschwerpunkte.

2 Ergebnis

Das Ergebnis zeigt einen hohen Innovati-

onsgrad: Die leistungsfähigste Kurbelwellen-

Schmiedelinie der Welt steht nun zur Verfü-

gung. Ihr realisierter Entwicklungsstand

bzgl. der eingesetzten Spitzentechnologien

war bisher weltweit nicht vorhanden. Dies

betrifft beispielsweise folgende Technologien:

• Erwärmung mit Stop-and go-Funktion

• schnellster Schmiedetakt

• neues Abkühlsystem der Kurbelwellen

• vollautomatisierte Endkontrolle.

Mit einer Taktzeit bis zu 7,5 Sekunden

und einer Durchlaufzeit der Kurbelwelle

vom Ausgangsmaterial bis in den Kunden-

behälter von 4,5 Stunden erreicht die neue

Produktionslinie eine jährliche Kapazität

von über zwei Millionen Kurbelwellen. Das

ist mehr als die doppelte Kapazität einer

vergleichbaren herkömmlichen Linie. Eine

große Herausforderung an das Projekt-

team aus Mitarbeitern der Produktion und

des Plant Engineering bestand darin, die

einzelnen Aggregate und Systeme der ver-

schiedenen Lieferanten mit ihren Schnitt-

Schematische Darstellung (Bild 2)

Wartungsfreundliche Induktionsanlage (Bild 3)

1 Zentrale Steuerwarte

2 Wendevorrichtung Werkzeughalter

3 Werkzeugwechselsysteme

4 Induktionserwärmer

5 Reckwalze

6 Hauptpresse inkl. automatischem

Hubbalkentransfer (Vorformen, Vor- und Fertigschmieden, Abgraten)

7 Kombipresse inkl. automatischem

Hubbalkentransfer (Twisten, Kalibrieren)

8 Kühlregal

Page 25: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

25

forumThyssenKrupp 1/2002

Vollautomatische Schmiedelinie für Kurbelwellen im 7,5-Sekunden-Takt

stellen zu koordinieren, so dass eine ein-

heitliche Taktzeit über die ganze Produkti-

onslinie eingehalten werden kann. Für die

gesamte Anlage wurde eine CE-Konformität

geschaffen. Eine eigene, dezentrale Ver-

sorgung mit Druckluft und Strom macht

die Linie unabhängig von Störungen im

übrigen Werksbereich (Bild 2).

3 Stationen der Produktionslinie

Zwei vollautomatische Sägen der Firma

Linsinger teilen bis zu 9 m lange Stahlstä-

be, Vierkant bis 101 mm, in Zuschnitte bis

700 mm Länge. Die Zuführung der Stahl-

stäbe erfolgt vollautomatisch über ein Hub-

system. Die Schnittdaten erhalten die

Sägen von einer Datenbank. Vorteile gegen-

über einer Schere: Prozesssicherheit, d.h.

hohe Reproduzierbarkeit der Abschnittlänge

und Schnittflächenqualität, die eine wichtige

Voraussetzung für einen vollautomatischen

Schmiedeprozess sind. Es ist keine Vor-

wärmung notwendig, die Sägen arbeiten

lärmreduziert.

Roboter geben die Zuschnitte, auch

Knüppel genannt, über ein Transportband

an die beiden Ofenstränge der Induktions-

anlage von Elotherm weiter (Bild 3). Hoher

Wärmeinhalt und gleichmäßiges Tempera-

turprofil, die nachweislich zur Verringerung

der Presskräfte und zur hohen gleichmäßi-

gen Produktqualität beitragen, geringer

Platzbedarf sowie eine wartungs- und

inspektionsfreundliche Konzeption waren

die Entscheidungskriterien für die induktive

Erwärmung. Mit einem Durchsatz von 18 t/h

und einer Erwärmungstemperatur von

1280 °C befindet sich die Induktionsanlage

im obersten Leistungsniveau für die Ver-

sorgung einer 6.500 t-Presse. In die Anlage

ist ein Reversierbetrieb integriert, der bei

Störungen die Knüppel im Ofenstrang

warm hält. Die letzte Spule der Induktions-

anlage ist mit einem Sensor ausgerüstet,

der die Temperatur der glühenden Knüppel

prüft und sie an einen Roboter meldet, der

selektiert und nur die Knüppel mit der gefor-

derten Temperatur an die nachfolgende Reck-

walze weitergibt. In der Reckwalze von Sumi-

tomo (Bild 4) erfolgt in bis zu vier Fertigungs-

stufen eine Massenverteilung, die je nach

Kurbelwellentyp aus schmiedetechnischen

Gründen notwendig ist und eine Material-

einsparung bis zu 10 % ermöglicht.

Ein Roboter sorgt für die Weitergabe an

das Hauptaggregat von Sumitomo mit

einer Presskraft von 6.500 t und vier Um-

formstufen, von denen jeweils zwei alter-

nierend belegt sind: Buster, Vorgravur, Fertig-

gravur, Abgraten (Bild 5). Luft und Gesenk-

schmiermittel (Wasser-Graphit-Basis)

kühlen die im eigenen Werkzeugbau her-

gestellten Schmiedegesenke. Der Grat

gelangt über eine Rutsche und ein Förder-

band direkt in einen Container außerhalb

der Produktionslinie.

Ein Roboter übergibt die glühenden Kur-

belwellen an die Kombipresse von Sumito-

mo, die in zwei Stufen die Kurbelwellen

optional verdreht und sie kalibriert. Das

Aggregat hat eine Presskraft von 400 t, die

Taktzeit beträgt getwistet 8,5 Sekunden,

ohne Twisten 7,5 Sekunden. Beide Aggre-

gate, sowohl die Hauptpresse als auch die

Kombipresse, agieren bei geschlossenen

Türen.

Nach diesem Vorgang belädt ein Roboter

die Tablare des sich anschließenden Kühl-

regals mit je vier Kurbelwellen (Bild 6a).

Das Kühlsystem ist das Verbindungsglied

zwischen Schmiede und Endfertigung und

als Hochregal nicht nur ein Novum im Ein-

satz bei der Herstellung von geschmiedeten

Kurbelwellen, sondern auch für den Her-

steller Eisenmann. Auf 572 Tablaren können

2.288 Kurbelwellen in ca. vier Stunden

abkühlen. Angelegt mit zwei Gassen trans-

Tablar mit glühenden Kurbelwellen auf dem Wegins Kühlregal (Bild 6a)

Reckwalze (Bild 4)

Vierzylinder-Kurbelwelle im Hauptaggregat (Bild 5)

Kühlregal (Bild 6b)

Page 26: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

26

forumThyssenKrupp 1/2002

Vollautomatische Schmiedelinie für Kurbelwellen im 7,5-Sekunden-Takt

portiert jeweils ein Flurfördergerät computer-

gesteuert die Tablare mit den glühenden

Kurbelwellen in die einzelnen Fächer und

entnimmt sie nach der Abkühlzeit vollauto-

matisch (Bild 6b). Die Steuerung erfolgt

über einen Rechner, der die Belegung des

Hochregals und die Entnahme in Abhängig-

keit der Abkühlzeit nach einem speziellen

Ablaufprogramm regelt. Das Kühlsystem

hat bei Störungen Pufferfunktion und ist

auch zusammen mit der Endfertigung

unabhängig vom Schmiedeprozess zu

fahren. Seine Vorteile sind der geringe

Raumbedarf sowie die prinzipielle Nutzbar-

keit der Abwärme, die in einer Größenord-

nung von 3500 kwh liegt. An sinnvollen

Konzepten zur Nutzung der Abwärme wird

derzeit noch gearbeitet.

Die Tablare mit den abgekühlten Kurbel-

wellen werden auf einem Transportband der

Endfertigung zugeführt. Sechs Roboter sind

dort im Einsatz, um die Stationen Reini-

gungsstrahlen, Freigangprüfung, Rundlauf-

prüfung, Hüllkreisprüfung, Prüfung auf

Ausschmiedung, Rissprüfung (Fluxen)

sowie Verpacken zu bedienen. Die insgesamt

drei universellen Messmaschinen arbeiten

vollautomatisch und messen mittels be-

rührungslosem Verfahren (Laser) die funk-

tions relevanten Maße des Bauteils Kurbel-

welle (Bild 7). Der Rüstvorgang der Ma-

schinen verläuft automatisch per Parame-

terdatenbank.

Ein Werkzeugwechselsystem ist mit je

zwei Transportwagen vor der Haupt- und

Kombipresse installiert. Auf einem der

Transportwagen ist ein Werkzeughalter mit

komplettem Werkzeugsatz der Folgepro-

duktion mit Ober- und Untergesenk vor-

gerüstet, der zweite Transportwagen dient

zur Aufnahme der ausgewechselten Werk-

zeughalter. Beide Transportwagen fahren

auf Schienen bis an die beiden Aggregate

heran und bestücken sie. Mit Hilfe dieses

Systems kann die Umrüstung, von einem

Mitarbeiter bedient, schnell, gefahrlos,

sicher und ohne Kraftaufwand in ca. 15 min

durchgeführt werden (Umrüstzeit einer ver-

gleichbaren herkömmlichen Anlage: 40 min,

mind. zwei Bediener erforderlich). Eine

separate Werkzeugdreheinrichtung dreht

den oberen Werkzeughalter mit einem

Gewicht von bis zu 20 t um 180° und richtet

den gesamten Werkzeughalter für den

Transportwagen vor. In einer schallge-

schützten Waschkabine werden mit Unter-

stützung eines Roboters die Werkzeughalter

und die Gesenke mit Trockeneis gereinigt.

Unter dem Arbeitssicherheitsaspekt nimmt

das geschlossene System eine besondere

Bedeutung ein.

4 Roboter

Parallel zur Automation „im Großen“

fand eine kontinuierliche Entwicklung des

Umfeldes statt. Mussten z.B. bei den Grei-

fern der Roboter früher noch bei jedem

Kurbelwellentyp die Schrauben von Hand

gelöst und die Greifelemente auf den ent-

sprechenden Hauptlagerabstand einge-

stellt werden, erhält der Roboter heute die

Daten von der Datenbank und stellt den

Greifer automatisch auf das neue Schmie-

deteil ein. Ein Umrüsten durch den Anla-

genbediener ist nicht mehr erforderlich.

Durch die vollautomatische Einstellung der

Greifersysteme, Messvorrichtungen und

anderer Anlagenteile wird nur noch ein

Referenzprogramm für die Roboter be-

nötigt (Bild 8). Während früher die Pro-

gramme je nach Kurbelwellentyp einzeln

geladen werden mussten, teilt heute die

Datenbank der Robotersteuerung die kurbel-

wellenspezifischen Parameter mit, aus de-

nen der Roboter die Greifpunkte berechnet.

Diese Entwicklung lässt sich eindrucksvoll

auch mit Zahlen belegen: Die Anzahl variabler

Parameter für eine Kurbelwelle pro Produk-

tionslinie betrug 1993 fünfzehn Werte – an

der neuen Produktionslinie sind es ca. 500

produktbezogene Parameter.

Geschmiedete Kurbelwelle in einer Messmaschine(Bild 7) Roboter der Endfertigung (Bild 8)

Page 27: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

27

forumThyssenKrupp 1/2002

Vollautomatische Schmiedelinie für Kurbelwellen im 7,5-Sekunden-Takt

5 Personelle Anforderungen

Die neue Technologie im Schmiedepro-

zess bringt auch eine Veränderung im

Berufsbild mit sich. Sind an einer her-

kömmlichen Schmiedelinie überwiegend

angelernte Mitarbeiter tätig, deren Arbeit

durch hohen körperlichen Einsatz geprägt

ist, so werden zur Bedienung und Wartung

der modernen Anlage ausschließlich Mit-

arbeiter mit Facharbeiterausbildung im

Metall- und Elektrobereich, zum Teil mit

Zusatzqualifikation als Meister und Techniker,

eingesetzt. Für ihre anlagenbezogene Wei-

terqualifikation zeichnet ein interner Trainer

verantwortlich. Besondere Anforderungen

bestehen in den Bereichen Elektronik,

Steuerungstechnik und SPS-Technik (Bild 9).

6 Umwelt

An Induktionsanlage und Hauptaggregat

ist eine gemeinsame Rückkühlanlage ange-

schlossen, die das erwärmte Kühlwasser der

Induktoren und der Schmiedepresse rück-

kühlt und es dem Kühlsystem wieder zuführt.

Das Hauptaggregat mit seiner Presskraft

von 6.500 t ist schwingungsisoliert aufge-

stellt, d.h. es steht auf einem Rahmen, der

auf Feder-Dämpfer-Elementen aufliegt.

Eine nach dem Wasserhaushaltsgesetz

(WHG) zugelassene Wanne im Pressenfun-

dament fängt Sprühmittel und Schmieröl

auf. Das Sprühmittel/Öl-Gemisch wird in

einen Sammeltank gepumpt, ein Saugfahr-

zeug transportiert es in die werkseigene

Abwasserbehandlungsanlage. Dort wird

das Öl abgeschöpft, das Abwasser durch

eine Flockungs-/Fällungsreaktion gereinigt:

Schwermetalle, Graphit, Fällungsmittel

(Eisen(III)chlorid) und sonstige Feststoffe

werden nach der Flockung mit einer Kam-

merfilterpresse aus dem Abwasser entfernt.

Der entstehende Filterkuchen wird als

Abfall entsorgt und das gereinigte Abwasser

der kommunalen Kläranlage zugeführt.

Bereits in der Planungsphase wurden

die Konstruktionen der Hersteller intensiv

auf Geräuschemissionen untersucht, um

bei erkennbaren Überschreitungen der

Grenzwerte entsprechend gegenzusteuern.

So konnten z.B. durch Konstruktionsände-

rung der Spulen für die Induktionsanlage

erhebliche Geräuschminderungen erreicht

werden. Um die stark impulshaltigen

Geräusche des Gratabwurfes zu dämpfen,

wurde eine Halle um diesen Komplex

gebaut. In dieser Gratschrotthalle befinden

sich auch die Absaugungen der Presse

und der Reinigungsstrahlanlage sowie die

dazugehörigen Filteranlagen.

7 Arbeitssicherheit

Für die gesamte Produktionslinie wurde

ein umfangreiches Sicherheitskonzept aus-

gearbeitet: Die Roboter befinden sich in

Schutzzellen, die Arbeitsräume der Pressen

sind im Automatikbetrieb mit Schutztüren

versehen, sämtliche Handlingsoperationen,

auch von heißen Teilen, entziehen sich

dem direkten Zugriff des Bedieners, der im

Wesentlichen prozessüberwachende Tätig-

keiten ausübt. Der hohe Automatisierungs-

grad der Rüstvorgänge reduziert die Ge-

fährdung der Mitarbeiter auf ein Minimum.

Im Bereich Verpacken tasten Laserscanner

die Sicherheitsbereiche zu den drehbaren

Entnahmetischen ab und verhindern, dass

sich Mitarbeiter während des Drehvorgangs

in dem Sicherheitsbereich befinden.

Peter Scheid, verantwortlich für die Steuerungsanlageder Endfertigung, stimmt sich mit dem Koordinatorder Schmiedelinie, Patrick Philippi, ab. (Bild 9)

Page 28: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

28

forumThyssenKrupp 1/2002

DEFONTAINE Flexwheel® (Bild 1)

Dipl.-Ing. Gilles Ferrouillet

Dipl.-Ing. Serge Gaudu

Dipl.-Ing. Luis Moreno

Ein neues Konzept für Anlasserzahnkränze und Schwungradsysteme(DEFONTAINE Flexwheel®)

Page 29: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

29

forumThyssenKrupp 1/2002

Ein neues Konzept für Anlasserzahnkränze und Schwungradsysteme (DEFONTAINE Flexwheel®)

1 Einleitung

Die letzten Jahre verzeichneten ein starkes

Anwachsen des Interesses an Lösungen

zur Reduzierung des Treibstoffverbrauchs

und der CO2-Emissionen von Automotoren,

um Energie einzusparen und die Umwelt

zu schonen.

Eine Reihe von Unternehmen, insbeson-

dere Automobilhersteller (OEM) haben

bereits auf diesem Gebiet gearbeitet und

mit folgenden Alternativlösungen aufge-

wartet:

• Stop-and-go-Programme

• Hybride

• Brennstoffzellen etc.

Diese neuen Entwicklungen und Program-

me bereiteten DEFONTAINE, weltweit

führend im Bereich der Anlasserzahnkranz-

produktion, Grund zur Sorge, da keiner der

weltweit existierenden Anlasserzahnkränze

in der Lage war, der Lebensdauer der ent-

sprechenden mechanischen Lösungen

gerecht zu werden.

Es wurde ein Entwicklungsteam mit dem

Entwurf eines neuen Konzepts für Anlas-

serzahnkränze und Schwungradsysteme

für Stop-and-go-Anwendungen beauftragt.

2 Problematik

Probleme, mit denen man sich konfron-

tiert sah, betrafen insbesondere die

• Lebensdauer der Komponenten

• Geräuschentwicklung und Vibrationen

• Sparsamkeit beim Treibstoffverbrauch

• niedrigen CO2-Emissionen.

Zunächst wurden sowohl die Zahnkränze

als auch die Lebensdauer des Anlassers

auf 30.000 bis 45.000 Anlasszyklen kal-

kuliert, was der üblichen Lebensdauer von

Fahrzeugmotoren entspricht.

Für Stop-and-go-Anwendungen sollte

die Anzahl der Anlasszyklen mindestens

zehnmal so hoch sein. Ein weiterer zu

berücksichtigender Punkt bei der Entwick-

lung ist der Insassenkomfort. Es musste

daher eine Lösung gefunden werden, die

die Geräuschentwicklung des Anlassers

reduzierte.

Das Stop-and-go-Programm bietet eine

Lösung zur Reduzierung des Treibstoffver-

brauchs und der CO2-Emissionen.

3 Forschungsergebnisse

Um angemessene Lösungen zu finden,

führte DEFONTAINE 36 Monate lang Expe-

rimente anhand von variablen Parametern

durch:

a) Material,

b) Modifikationen in der Konstruktion hin-

sichtlich:

• Übertragungsverhältnis

• Anzahl der Zähne am Anlasserzahnkranz

• Ritzelkonstruktion

• Wärmebehandlungsparameter.

All diese Parameter wurden getestet. Es

hat sich keine Notwendigkeit ergeben, die

grundlegende Konstruktion bezüglich Platt-

form, Motor und Getriebebefestigungen

am Auto zu verändern.

Die Hauptkrafteinwirkung führt zum Ver-

schleiß des Zahns und somit zum vorzeitigen

Bruch (Bild 2). Um dies zu vermeiden,

wurde eine neue Lösung entwickelt, bei

der die Spannungsverteilung auf die ge-

genüberliegende Seite des Zahns wirkt.

(Bild 3).

Es wurde ein System getestet, das

während des Stoßvorgangs des Ritzels für

Flexibilität sorgt. Nach 20.000.000 Anlass-

zyklen lagen die Parameter vor, um das

System patentieren zu lassen. Heute ist es

als flexibles Schwungrad oder Flexwheel®

bekannt.

Spannungen im Zahn eines Standardzahnkranzes (Bild 2) Spannungen im Zahn eines Flexwheel®

(Bild 3)

Page 30: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

30

forumThyssenKrupp 1/2002

Ein neues Konzept für Anlasserzahnkränze und Schwungradsysteme (DEFONTAINE Flexwheel®)

In Folge dieser Verbesserungen arbeiten

die Zähne mit höherer Druckspannung (die

dem Krafteinfluss entgegenwirkt) und

dementsprechend weniger Zugspannung

im Zahnfuß (Fußradius).

Die Anwendung der komplett neuen

Parameter sorgt für eine erhebliche Verlän-

gerung der Lebensdauer (Bild 4), was auf

die Flexibilität des Flexwheel®-Zahns zurück-

zuführen ist. Sowohl der Abnutzungseffekt

des Anlasserzahnkranzes als auch des

Anlasserritzels konnte verringert werden.

Unter Verwendung derselben Material- und

Wärmebehandlungsparameter wie beim

ursprünglichen Anlasserzahnkranz konnte

eine Lebensdauer erreicht werden, die sich

zwischen 300.000 und 600.000 Anlass-

zyklen bewegt. Diese Werte waren mit Stop-

and-go-Anwendungen und -Programmen

voll kompatibel.

Der zweite Schritt des Forschungspro-

gramms wurde von unserem Entwicklungs-

team an einem neuen 1,1-Liter-Benzinmotor

durchgeführt, um eine geeignete Lösung

für die Reduzierung der Geräuschentwick-

lung zu finden. Geräusche werden sowohl

durch die Vibrationen als auch durch das

Deutliche Lebensdauerverlängerung durch Flexwheel® (Bild 4)

Akustische Studie von Kompressions- und Expansionsphasen (Bild 5)

Einlegen des Anlasserritzels erzeugt. Es

wurde ein Patent angemeldet, bei dem so

genannte viskoelastische Elemente im

Flexwheel® eingeführt wurden. Wie im

Bild 5 ersichtlich, konnte durch die

Geräuschreduzierung eine beträchtliche

Verbesserung in Sachen Komfort erzielt

werden. Die Frequenzen, die über 2000

Hertz liegen, wurden drastisch reduziert.

Einsparungen von 6 bis 9 dB wurden

gemessen.

Dieses Konzept kann sowohl für Benzin-

als auch für Dieselmotoren jeglicher Größe

eingesetzt werden, ohne dass Änderungen

am Motor, am Getriebe oder an der Platt-

form vorgenommen werden müssen. Die

Kraftstoffeinsparung stimmt mit alternativen,

bereits bekannten Stop-and-go-Lösungen

überein (3 bis 10%).

Page 31: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

31

forumThyssenKrupp 1/2002

Digitale Abfrage der Sensoren über das zertifizierte Bussystem (Bild 1)

Dr.-Ing. Wolfgang Stein

Dipl.-Ing. Hans-Georg Walter

Dipl.-Ing. Hartmuth Willnauer

e-escalator FT 900 Serie

Page 32: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

32

forumThyssenKrupp 1/2002

e-escalator FT 900 Serie

1 Einleitung

Die Besucher der Hamburger Barkhof-

Passage wissen es nicht, aber sie betreten

beim Shopping in der modernen Geschäfts-

zeile an der Mönckebergstraße Neuland.

Denn wer seinen Fuß auf die Fahrtreppe

setzt, steht mit einem Bein im World Wide

Web. Hier, mitten in der Hamburger Innen-

stadt, ist die weltweit erste Internet-Fahr-

treppe am Netz: der e-escalator von

Thyssen Fahrtreppen (Bild 2, Bild 3). Die

neue 900-er Serie lässt sich mit einer speziell

entwickelten und patentierten Technik online

über das Internet überwachen. Damit wer-

den Betrieb, Service und Sicherheit der

Fahrtreppen entscheidend verbessert und

somit die Verfügbarkeit der Geräte deutlich

erhöht.

2 Central Monitoring System

Möglich machen das „Verlinken“ von

Fahrtreppe und Internet zwei technologische

Innovationen: die Software ‘Central Moni-

toring System‘ (CMS) und ein neues Bus-

system. Über ein Internet-Access-Device

beobachtet das Central Monitoring System

die e-escalator und präsentiert alle

Betriebs-Parameter kundengerecht auf

dem PC-Monitor (Bild 4), zum Beispiel die

Anzahl der Betriebsstunden, die prozen-

tuale Verfügbarkeit und die exakte Aufli-

stung von Auf- und Abwärtsfahrten.

Gesammelt werden die Daten von zahlrei-

chen Sensoren, die an allen wichtigen

Punkten im e-escalator den Betrieb über-

wachen. Diese Sensoren geben ihre Infor-

mationen allesamt über ein einziges Bus-

kabel (Bild 5) an eine Zentraleinheit. Vom

lokalen Diagnosedisplay werden die Daten

an das Internet-Access-Device weitergelei-

tet, das den Datenaustausch im Internet

managt. Bis zu acht Anlagen können über

eine Schnittstelle angeschlossen werden.

Der e-service des e-escalators bietet damit

die weltweit erste Systemdiagnose von

Fahrtreppen via Internet.

3 Verhalten bei Störungen

Liegt nun eine Störung im Betrieb der

Fahrtreppe vor, wird diese per CMS sofort

gemeldet und analysiert. Auf dem Compu-

ter-Bildschirm ist ersichtlich, welche Anlage

ein Problem hat: Das Central Monitoring

System präsentiert einen vereinfachten

Grundriss des betreffenden Gebäudes, auf

dem alle Fahrtreppen dreidimensional dar-

gestellt sind. Die Farbe des Fahrtreppen-

Symbols wechselt von grün zu rot (Bild 6)

und zeigt: Hier stimmt was nicht! Per Dop-

pelklick auf ein kleines, virtuelles Knöpfchen

über der blinkenden Fahrtreppe bekommt

der Service ein genaues Bild der Situation.

In Detailsicht ist die „aufgeschnittene“

Fahrtreppe mit ihrem technischen Innenle-

ben zu sehen. Ein Info-Fenster wird neben

dem betroffenen Maschinenteil geöffnet

und gibt Aufschluss über die Ursache der

Betriebsstörung: Das kann ein Problem mit

der "Handlaufeinführung unten" sein, eine

Irritation im Bereich der "Kammsegmente

oben" oder aber ein schlichter "Nothalt".

Gerade diese Fehlermeldung tritt beson-

Projekt Barkhof-Passage Hamburg/Frontalansicht(Bild 3)

Projekt Barkhof-Passage Hamburg (Bild 2)

Page 33: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

33

forumThyssenKrupp 1/2002

e-escalator FT 900 Serie

ders häufig bei Fahrtreppen im öffentlichen

Raum auf, wenn zum Beispiel im Bereich

von U-Bahnhöfen jemand aus Übermut

meint, eine Fahrtreppe lahmlegen zu müs-

sen. Allein bei der Hamburger Hochbahn,

einem langjährigen Kunden von Thyssen

Fahrtreppen, ärgert man sich über etwa

50.000 sogenannte "unberechtigte Not-

stopps" im Jahr. Sie führen zu hohen Service-

kosten und Missmut bei den Fahrgästen,

verringern also die tatsächliche Verfügbar-

keit der Fahrtreppen.

Hier hilft die neue Technik des e-escala-

tors: Da die Fehlermeldung innerhalb von

wenigen Minuten online analysiert wird,

kann per E-Mail oder SMS ein Serviceteam

benachrichtigt, optimal informiert und mit

entsprechenden Ersatzteilen ausgestattet

zum Einsatzort geschickt werden. Im Falle

eines Nothalts reicht ein Anruf beim Haus-

meister oder Sicherheitsdienst vor Ort.

Nach Augenschein kann die Fahrtreppe

ohne Wartungsaufwand schnell wieder

gestartet werden. Diese "maintenance on

demand" – die bedarfsgerechte Wartung –

erlaubt einen besonders wirtschaftlichen

Betrieb von Fahrtreppen. Zeitaufwendige

und überflüssige Wege werden vermieden.

Die hohe Verfügbarkeit der neuen 900-er

Serie wird auch durch ein neues System

der Fehlerprävention gewährleistet. Das

CMS kontrolliert und dokumentiert kontinu-

ierlich alle wesentlichen Betriebs-Parameter

im Diagnosespeicher. Zum Beispiel den

Bremsverschleiß, die Bremsfunktion, den

Abdeckplattenkontakt, die Getriebeöltem-

peratur, den Ölstand, die Netzspannung –

die Sensoren am Buskabel liefern jede

nötige Information, und das CMS erstellt

Statistiken für eine optimale Wartungspla-

nung. Jede Abweichung von der Norm wird

sofort gemeldet, und die innovative Methode

der Fehlerfrüherkennung vermeidet aufwen-

dige Reparaturen zu einem späteren

Zeitpunkt.

Auch ein neu entwickeltes akustisches

Überwachungssystem für die Kammseg-

mente macht den e-escalator zur moderns-

ten Fahrtreppe seiner Zeit: Ein patentierter

Detektor schlägt online sofort Alarm, wenn

bei diesen besonders beanspruchten Fahr-

treppen-Teilen ein Fehler auftritt. Über ein

verändertes akustisches Signal erkennt der

betreffende Sensor jeden Kammzahnbruch

und schickt eine Meldung über das Internet

an die Leitzentrale. Beim e-service ist der

gesamte Kommunikationsweg von der

Fahrtreppe über das World Wide Web bis

zum Betreiber der Anlage inklusive aller

IP-Adressen, Befehle und Fahrtreppendaten

Visualisierung der Betriebs-Parameter auf demPC-Monitor (Bild 4)

Steuerung der Fahrtreppe mittels Bussystem (Bild 5)

Page 34: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

34

forumThyssenKrupp 1/2002

verschlüsselt und nicht für Unbefugte ein-

sehbar. Eine Manipulation der Informationen

ist dank einer effektiven Kodierung ausge-

schlossen.

4 Ausblick

Mit dem e-escalator hat Thyssen Fahr-

treppen das innovativste Transportmittel

seiner Art entwickelt. So wie die Möglich-

keiten des Internets kontinuierlich ausge-

baut werden, kann auch der e-escalator

auf den jeweils neuesten Stand der Technik

gebracht werden. Problemlos lassen sich

auf das Buskabel beliebig viele zusätzliche

Sensoren schalten.

Zur Vervollständigung wird in Hamburg

zur Zeit an einem innovativen System des

e-monitoring gearbeitet. Mit diesem Kon-

trollsystem kann die Fahrtreppe der

Zukunft komplett über das Internet über-

wacht und gesteuert werden. Web-Cams

werden Echtzeit-Bilder an einen unterneh-

menseigenen e-Server liefern, die zum

Beispiel bei einem "unberechtigten Not-

stopp" erlauben, die Fahrtreppe per Maus-

klick aus der Ferne wieder zu starten. Der

Betreiber nimmt mit einem dynamischen,

regelmäßig erneuerten Passwort einfach

über ein Web-Portal von Thyssen Fahrtrep-

pen Kontakt mit seinen Fahrtreppen auf.

Der Server wählt die Anlagen an und erhält

die Daten zurück. Hier stehen dann inner-

halb von Sekunden Informationen und

Web-Bilder der betreffenden Fahrtreppe

zur Verfügung.

Störungsinformation über CMS (Bild 6)

Page 35: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

35

forumThyssenKrupp 1/2002

Integration einer Vorbrennkammer in eine Zementbrennanlage (Bild 1)

Dr.-Ing. Ludger Brentrup

Dr.-Ing. Ralf Osburg

Neue Vorbrennkammer zur thermischen Aufbereitung vonSekundärbrennstoffen

Calcinator

Vorbrenn-kammer

Drehrohrofen

Page 36: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

36

forumThyssenKrupp 1/2002

Neue Vorbrennkammer zur thermischen Aufbereitung von Sekundärbrennstoffen

1 Einleitung

In den vergangenen ca. 10-15 Jahren

hat die Nutzung von Sekundärbrennstoffen

im Zementklinkerbrennprozess deutlich zu-

genommen und mittlerweile in Deutsch-

land im Vergleich zu den konventionellen

fossilen Brennstoffen einen Anteil von 30 %

erreicht. Dabei gibt es durchaus Werke, in

denen bis zu 70 % des Wärmebedarfes

für den Klinkerbrennprozess durch Stoffe

wie z.B.

• Altöl

• Lösungsmittelabfälle

• Altreifen oder

• Klärschlamm etc.

gedeckt wird. Diese Stoffe sind im Allge-

meinen viel schwieriger zu handhaben und

führen auch prozesstechnisch häufiger zu

Betriebsproblemen als z.B. Schweröl oder

Kohlenstaub. Der wesentliche Anreiz für

einen Zementwerksbetreiber besteht jedoch

darin, dass diese Brennstoffe deutlich

günstiger einzukaufen sind. Bei bestimmten

Materialien, wie z.B. Altreifen, führen die

auf dem Sekundärbrennstoffmarkt erziel-

baren Gutschriften sogar zu "negativen

Brennstoffkosten". Neben den ökonomi-

schen sind aber auch die ökologischen

Gründe zu erwähnen. So werden die Se-

kundärbrennstoffe wegen der Schonung

natürlicher Ressourcen per Definition als

"CO2-neutral" angesehen und ihre Nutzung

in Zementwerken leistet häufig einen deut-

lichen Entsorgungsbeitrag für problematische

Reststoffe. Vor dem Hintergrund der Selbst-

verpflichtung zur Emissionsminderung

verschiedener Industrien sowie der drohen-

den Besteuerung von CO2-Emissionen ist

dieses Argument mittlerweile von erhebli-

cher Bedeutung.

Der vorliegende Beitrag beschreibt eine

seit ca. 5 Jahren bei Polysius zur industriellen

Reife entwickelte Technologie, mit der vor

allem grobstückige Sekundärbrennstoffe,

wie z.B. alte Autoreifen, ohne Einschrän-

kungen sowohl prozesstechnischer als

auch qualitativer Art für das Produkt

Zement in Zementbrennanlagen mit Vor-

calcinierung eingesetzt werden können.

2 Ausgangssituation

In modernen Zementbrennanlagen wird

der Brennstoff zu etwa je 50 % in den

Calcinator und in die Sinterzone einge-

bracht. In der Sinterzone wird der sogenann-

te Zementklinker bei Materialtemperaturen

von ca. 1450 °C fertig gebrannt, das heißt

das vorgewärmte und im Calcinator bei

ca. 850 °C entsäuerte Rohmehl reagiert in

einem Sinterprozess zu den Klinkerminera-

lien. Nach gemeinsamer Vermahlung des

Zementklinkers mit einem Abbinderegler

(Gips) erhält man das Produkt Zement. Die

Produktionskapazität großer Ofenanlagen

beträgt hierbei mehrere tausend Tonnen

Zementklinker pro Tag, während des gleichen

Zeitraumes werden mehrere hundert Tonnen

Brennstoff benötigt.

In der Sinterzone werden wegen der

hohen Temperaturen und notwendigen

Konstanz nur hochwertige und gut dosier-

bare Brennstoffe eingesetzt. Grobstückige

Materialien, wie z.B. Autoreifen oder viele

andere Sekundärbrennstoffe, sind aus

Gründen der Produktqualität und Prozess-

stabilität hier nicht geeignet. Im Calcinator

laufen die Verbrennungsvorgänge und die

Entsäuerung des Rohmehls parallel und

bei viel niedrigeren Temperaturen ab.

Allerdings handelt es sich bei Calcinatoren

in Zementbrennanlagen vom Typ her um

Schwebegasreaktoren, das heißt das im

Abgasstrom des Drehrohrofens fein

dispergierte Rohmehl entsäuert im Flug-

strom und erhält die dafür erforderliche

Energie aus der gleichzeitig dort ablaufen-

den Verbrennung von einem ebenfalls fein

verteilten Brennstoff, z.B. Kohle. Hieraus

wird deutlich, dass im Calcinator zwar

einerseits ca. 50 % des gesamten Wärme-

bedarfes für den Zementbrennprozess auf-

gebracht werden müssen, dass anderer-

seits grobstückige und damit nicht flug-

fähige Brennstoffe dort nicht, oder nur

unter Kompromissen und sehr begrenzt

eingesetzt werden können. Die bisher zur

Lösung dieser Problematik in den Zement-

werken angewandte Technik einer ener-

gieintensiven, kostenträchtigen und damit

ergebnismindernden Feinzerkleinerung der

Brennstoffe wurde seitens Polysius mit der

Entwicklung der Vorbrennkammertechno-

logie beantwortet.

Aufgrund der zuvor dargestellten Überle-

gungen war das Ziel eines vor ca. 5 Jahren

begonnenen Forschungs- und Entwicklungs-

programmes ein in den Zementbrennprozess

integrierbarer Reaktor, mit dem sich im

Wesentlichen folgende Forderungen erfüllen

lassen:

• Nutzung grobstückiger Sekundärbrenn-

stoffe, z.B. Altholz oder Altreifen (auch

von LKWs)

• gleichmäßige und kontrollierte Um-

setzung der Sekundärbrennstoffe ohne

negative Beeinflussung des Zement-

brennprozesses und der Zementqualität

• Einbindung anfallender Reststoffe in

den Zementklinker

• Minderung prozesstechnisch bedingter

Emissionen wie z.B. Stickoxide

• Betrieb bei Umgebungsdruck.

Page 37: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

37

forumThyssenKrupp 1/2002

Neue Vorbrennkammer zur thermischen Aufbereitung von Sekundärbrennstoffen

Obwohl der Einsatz der Vorbrennkam-

mer prinzipiell nicht an einen bestimmten

Sekundärbrennstoff gebunden ist, wurde

die Entwicklung für erste Anwendungen

aus folgenden Gründen auf die Verwen-

dung von Altreifen konzentriert:

• Altreifen sind in der Zementindustrie

ein etablierter und umwelttechnisch

akzeptierter Brennstoff (Bild 2), aber

nur in relativ geringen Mengen ein-

setzbar.

• Die Zerkleinerung von Altreifen ist

energie- und kostenintensiv.

• Die Entwicklung stofflicher Aufberei-

tungsverfahren für Altreifen war trotz

einiger Versuche bisher nicht erfolgreich.

• Altreifen stellen in vielen Ländern ein

Entsorgungsproblem dar und sind

ausreichend verfügbar (z.B. in der EU

ca. 2,5 Mio t/a!).

• Für unzerkleinerte Altreifen werden auf

dem Sekundärbrennstoffmarkt ausrei-

chende Gutschriften gezahlt, die ge-

meinsam mit der Brennstoffersparnis

die Amortisation der notwendigen In-

vestitionen innerhalb weniger Jahre

ermöglichen.

3 Die Entwicklung der Vorbrenn-kammer

Die Entwicklung der Vorbrennkammer

wurde in einem interdisziplinär zusammen-

gesetzten Team im Bereich Forschung und

Entwicklung der Polysius AG durchgeführt.

Schon nach ersten Überlegungen sowie

Labor- und Technikumversuchen wurde

folgende Richtung festgelegt: Die Altreifen

werden in einem Schachtreaktor unterstö-

chiometrisch mit Abluft aus dem Zement-

klinkerkühler umgesetzt. Dabei entsteht

eine Gasphase aus den flüchtigen Anteilen

des Reifengummis. Diese Gasphase wird

direkt und ohne jegliche weitere Behand-

lung in den Calcinator geleitet und dort

verbrannt. Des Weiteren verbleibt im Reaktor

zunächst eine Feststoffphase, die aus

einem koksförmigen Reststoff sowie dem

im Reifen enthaltenen Draht besteht. Vom

ursprünglichen Brennwert eines Altreifens

gehen ca. 2/3 in die Gas- und 1/3 in die

Feststoffphase. In Bild 3 ist eine Energiebi-

lanz des Prozesses dargestellt. Der Reifen-

koks, dessen weitere Umsetzung in die

Gasphase aufwendig und nicht sinnvoll ist,

enthält damit noch einen beträchtlichen

Energieanteil und stellt deshalb einen

hochwertigen Brennstoff dar. Bild 4 zeigt

die Komponenten "Stahldraht" und "Koks"

als Ergebnis eines Separationsprozesses,

der prozessintegriert durch den Austrags-

boden der Vorbrennkammer erfolgt. Bild 5

erlaubt mit einem 3D-Schnitt einen Blick in

den Reaktor.

Die Altreifen werden am Reaktorkopf

über eine speziell entwickelte Rotorschleuse

in den Reaktor gebracht. Über eine Ringlei-

tung und mehrere Düsen erfolgt die Zugabe

der heißen Vergasungsluft aus dem Klin-

kerkühler (Bild 6). Zur Erzielung hoher Um-

satzraten und damit letztlich eines nicht zu

voluminösen Reaktors ist es notwendig, in

der Reaktionszone möglichst hohe Tempe-

raturen zu erzeugen. Dazu wird die Verga-

sungsluft in einem bestimmten Winkel und

als Rotationsströmung auf das sich ausbil-

Altreifenlager in einem Zementwerk (Bild 2)

Energiebilanz Altreifenvergasung (Bild 3)

Page 38: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

38

forumThyssenKrupp 1/2002

Neue Vorbrennkammer zur thermischen Aufbereitung von Sekundärbrennstoffen

dende Reifenbett gegeben. Andererseits

ist es auch notwendig, die ausgemauerte

Außenwandung der Vorbrennkammer vor

zu hohen Temperaturen zu schützen.

Wesentlichen Anteil an der unter diesen

Erfordernissen optimalen Gestaltung des

Reaktors hatten CFD-Simulationen (CFD:

Computational Fluid Dynamics) der Strö-

mungs- und Reaktionsvorgänge im Reak-

tor. Bild 7 zeigt eine berechnete Tempera-

turverteilung mit einer ringförmigen sehr

heißen Zone mehr im Zentrum der Vor-

brennkammer und nicht in unmittelbarer

Wandnähe.

Nach dem Entgasungsvorgang, das heißt

der Austreibung der flüchtigen Bestandteile

aus dem Reifengummi, der unter diesen

Reaktionsbedingungen auch bei den sehr

großen und massiven LKW-Reifen inner-

halb weniger Minuten weitgehend abge-

schlossen ist, gelangen die Reststoffe

Koks und Draht in den unteren Teil der Vor-

brennkammer. Durch den thermischen

Aufschluss ist der Reifenkoks nur noch

locker mit dem Draht verbunden. Das Aus-

tragssystem besteht aus mehreren neben-

einander angeordneten hydraulisch be-

wegten und mit speziell geformten Förder-

elementen ausgestatteten Balken. Durch

den Transportvorgang des Reststoffes in

den Drehofeneinlauf kommt es zu einer

weitgehenden Separation in eine Draht-

und Koksphase. Der Draht wird vollständig

in den Zementklinker eingebunden und

ersetzt dadurch einen Teil der sonst dem

Rohmaterial zuzugebenden Eisenkompo-

nente. Der Koks rieselt zwischen den Balken

durch, wird in Sammeltrichtern aufgefangen

und dann über ein entsprechendes Förder-

organ dosiert in den Calcinator gegeben.

Damit wird eine zuvor schon erläuterte

Forderung für die Verbrennung im Calcinator

erfüllt. Sowohl die Gas- als auch die Koks-

phase sind von ihren Eigenschaften bzw.

von ihrer Partikelgröße für den Flugstrom-

reaktor "Calcinator" geeignet und erlauben

damit das gewünschte zeitliche und räum-

liche Nebeneinander von energieliefernder

Verbrennung und energieverbrauchender

Aufwärmung und Entsäuerung des

Zementrohmehls.

4 Stand der Technik

Nach Abschluss der theoretischen Studien

und praktischen Untersuchungen im Labor

und Technikum wurde über einen Zeitraum

von mehreren Monaten eine kleine Pilotan-

lage in einem Schweizer Zementwerk be-

trieben. Die erzielten Ergebnisse sowie die

gesamte Vorgehensweise überzeugten den

Kunden, sodass er im Jahre 1998 die

erste Industrieanlage für einen Umsatz von

3 t/h Altreifen bestellte. Diese Anlage wurde

nach gemeinsamer Inbetriebnahme und

einigen Optimierungen im Herbst 2000

an den Kunden übergeben. Alle hierbei

erworbenen Erkenntnisse flossen in die

Ausführung einer zweiten Anlage ein, die

im Mai dieses Jahres in einem deutschen

Zementwerk ihren Betrieb aufgenommen

hat. Dabei werden 5 t/h Altreifen umge-

setzt und etwa die gleiche Menge an Kohle

wird eingespart. Bild 8 zeigt einen Blick in

den ausgemauerten Reaktor in Richtung

Decke, wo die Reifen über die Rotorschleuse

aufgegeben werden. Es ist ebenfalls eine

Koks Draht/Koks

Komponenten der Feststoffphase bei der Altreifenvergasung (Bild 4)

Vorbrennkammer in Schnittdarstellung(Bild 5)

Zuführung der Vergasungsluft in die Vorbrenn-kammer (Bild 6)

Simulierte Temperaturverteilung in der Vorbrenn-kammer (Bild 7)

Page 39: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

39

forumThyssenKrupp 1/2002

der Produktgasleitungen erkennbar, durch

die die heiße Gasphase direkt in den Calci-

nator geleitet wird.

5 Zusammenfassung

Bei der Entwicklung der Vorbrennkam-

mer handelt es sich um ein strategisches

Produkt mit dem es der Polysius AG erst-

mals gelungen ist, in den Markt des Se-

kundärbrennstoffhandlings und der Entsor-

gung vorzudringen. Durch die Kombination

von ökonomischem Nutzen mit ökologischen

Vorteilen können wesentliche Erfolgsfaktoren

für die Markteinführung erfüllt werden.

Aufgrund des gewählten technischen Kon-

zeptes eröffnet sich ein breites Einsatz-

spektrum für die Polysius Vorbrennkammer

bei günstigen Investitionskosten. Die hohe

Flexibilität und kurze Amortisationszeiten

haben daher das Interesse vieler Kunden

geweckt.

Neue Vorbrennkammer zur thermischen Aufbereitung von Sekundärbrennstoffen

Blick in eine feuerfest ausgekleidete Vorbrennkammer (Bild 8)

Page 40: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

40

forumThyssenKrupp 1/2002

Dr.-Ing. Thomas Handreck

Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kundenspezifischenAnschlusskonstruktionen

Dreireihige Rollen-Drehverbindung von Rothe Erde (Bild 1)

Page 41: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

41

forumThyssenKrupp 1/2002

Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kundenspezifischen Anschlusskonstruktionen

1 Einleitung

Großwälzlager ermöglichen eine drehbare

Verbindung zweier Maschinenteile, wobei

Kräfte und Momente in beliebigen Richtungen

übertragen werden können. Sie kommen in

vielen Bereichen des Maschinenbaus zum

Einsatz, insbesondere in der Fördertechnik,

in Tunnelbohrmaschinen und in Windener-

gieanlagen. Es gibt verschiedene Bauformen.

Man unterscheidet unter anderem zwischen

Rollen- und Kugellagern sowie einreihigen

und mehrreihigen Ausführungen (Bild 2).

Die Verbindung zwischen dem Großwälzlager

und seinen beiden Anschlusskonstruktionen

erfolgt in der Regel durch hochfeste, definiert

vorgespannte Schrauben. Zur einwandfreien

Funktion des Großwälzlagers müssen die

Anschlusskonstruktionen eine ausreichend

hohe und über den Umfang des Lagers

möglichst gleichmäßig verteilte Steifigkeit

aufweisen.

2 Problembeschreibung

Bei der Berechnung des Laufbahnsystems

und der Befestigungsschrauben des Lagers

stößt man auf zahlreiche Schwierigkeiten.

Das Kraft-Verformungs-Verhalten der Wälz-

körper an ihren Kontaktstellen mit den

Laufbahnen ist nichtlinear. In Kugellagern

verändern sich die Druckwinkel der Kugeln

unter Belastung. In Rollenlagern kann es

bei Belastung durch ein Verkippen der

Lagerringquerschnitte zu einer ungleich-

mäßigen Verteilung der Flächenpressung

über die Länge der Rollen kommen.

Großwälzlager werden je nach Einsatzge-

biet mit Spiel oder auch mit Vorspannung

gefertigt. Dieser Umstand sollte bei der

Berechnung Berücksichtigung finden.

Die Schraubverbindung von Lagerringen

und Anschlusskonstruktionen verhält sich

bei geringer Belastung zunächst linear-

elastisch. Größere Belastungen, insbeson-

dere große Kippmomente und abhebende

Axialkräfte, führen zu einem partiellen Klaffen

der Trennfugen zwischen Lagerringen und

Anschlussflanschen (Bild 3). Unter diesen

Bedingungen ändert sich das elastische

Verhalten der verspannten Bauteile. Zusätz-

lich kommt es zu einer erheblichen Umver-

teilung der Wälzkörperkräfte in den Lauf-

bahnen.

Aufgrund ihres relativ großen Durchmes-

sers im Verhältnis zur Querschnittsfläche

haben Lagerringe von Großwälzlagern nur

eine geringe Eigensteifigkeit. Daher haben

die Stützsteifigkeiten der Anschlusskon-

struktionen einen ganz wesentlichen Ein-

fluss auf das Tragverhalten eines solchen

Lagers.

Herkömmliche Berechnungsverfahren

lassen sich in zwei Gruppen unterteilen.

Die erste Gruppe umfasst stark vereinfachte

Ansätze, bei denen gewöhnlich von starren

Lagerringen ausgegangen wird und lediglich

die Kontaktsteifigkeiten von Wälzkörpern

und Laufbahnen bei der Berechnung Be-

rücksichtigung finden. Die Steifigkeiten der

Anschlusskonstruktionen und das elastische

Verhalten der Schraubverbindungen werden

ignoriert. Auf diese Weise gewinnt man

schnelle Näherungslösungen. Im konkreten

Fall können die Ergebnisse jedoch ganz

erheblich von entsprechenden Messwerten

abweichen.

Die zweite Gruppe der Berechnungsver-

fahren umfasst aufwendige numerische

Näherungsverfahren, in der Regel auf der

Basis der Finite-Elemente-Methode. Hierbei

werden mit hohem manuellen Aufwand

Modelle erstellt, die alle für die Berechnung

wesentlichen Einflussgrößen berücksichti-

gen. Ein solches Modell muss das Lauf-

bahnsystem, die Schraubverbindungen

und beide Anschlusskonstruktionen bein-

halten. Wird diese Berechnung vom Groß-

Beispiele für verschiedene Bauformen von Großwälzlagern (Bild 2)

Profillager

Vierpunktlager

Kreuzrollenlager Axial-Radial-Rollenlager

Kombilager (Rolle/Kugel)

Doppel-Axial-Kugellager

41

Page 42: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

42

forumThyssenKrupp 1/2002

Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kundenspezifischen Anschlusskonstruktionen

wälzlagerhersteller durchgeführt, muss sich

dieser umfangreiche Detailkenntnisse zu

den Anschlusskonstruktionen beschaffen.

Das Studium der Konstruktionsunterlagen

und die Modellierung sind erfahrungsgemäß

äußerst zeitaufwendig. Wird die Finite-Ele-

mente-Berechnung hingegen vom Kunden

durchgeführt, muss dieser sich entsprechend

umfangreiche Spezialkenntnisse zur Model-

lierung des Lagers aneignen und vom Lager-

hersteller alle erforderlichen Daten zur Ver-

fügung gestellt bekommen.

Selbst dann, wenn der gesamte bisher

beschriebene Aufwand betrieben wird, ist

nicht sichergestellt, dass Berechnungs-

ergebnisse erzielt werden, die hinreichend

genau die Realität widerspiegeln. Selbst auf

einem modernen PC ist es ohne besondere

Optimierung der Lösungsalgorithmen ge-

genwärtig nicht möglich, Modelle zu berech-

nen, die alle erforderlichen Details beinhalten.

Die Anforderungen an Speicherplatz und

Rechenleistung zur simultanen Lösung

der Probleme im Wälzkontakt sowie in den

Trennfugen der Lagerringe und Flansche

sind extrem hoch. Aus diesem Grunde wird

eine solche Berechnung häufig in zwei

Schritten mit etwas vereinfachten Modellen

durchgeführt. Im ersten Schritt wird die

Lastverteilung im Laufbahnsystem ermit-

telt, wobei die Steifigkeiten der Lagerringe

und Anschlusskonstruktionen sowie die

Kontaktsteifigkeiten der Wälzkörper-Lauf-

bahn-Paarungen Berücksichtigung finden.

Die Besonderheiten der Schraubverbindun-

gen und ein eventuelles Klaffen der Trenn-

fugen werden hierbei ignoriert. Im zweiten

Schritt wird ein Teilmodell aus miteinander

verschraubten Ringsegmenten verwendet.

Die Steifigkeiten der verspannten Teile und

der Schrauben selbst sowie die Kontaktver-

hältnisse in den Trennfugen werden

dadurch sehr genau erfasst. Als Belastung

wählt man gewöhnlich die bei der vorange-

gangenen Lastverteilungsberechnung

ermittelten maximalen Wälzkörperkräfte.

Manchmal werden auch noch die an den

Schnittufern der freigeschnittenen Ringseg-

mente wirkenden inneren Kräfte und

Momente ins zweite Teilmodell übernom-

men. Diese durchaus übliche Vorgehens-

weise bei der Finite-Elemente-Berechnung

von Großwälzlagern weist jedoch erhebliche

Mängel auf. Durch die Vernachlässigung

des Klaffens der Trennfugen während der

Lastverteilungsberechnung werden unter

hohen Belastungen die maximalen Wälz-

körperkräfte nur ungenügend genau

berechnet. Werden diese fehlerbehafteten

Wälzkörperkräfte danach als Lasten auf das

zweite Teilmodell aufgebracht, errechnet

man aufgrund der vorhandenen Nichtlinea-

rität Schraubenzusatzspannungen mit

einem noch größeren relativen Fehler. Die

Ursache für diese großen Abweichungen

besteht darin, dass das bei hoher Last auf-

tretende Klaffen der Trennfugen in der Pra-

xis zu einer deutlichen Umverteilung der

Wälzkörperkräfte im Lager führt, was eben-

falls eine deutliche Veränderung der Schrau-

benbelastungen hervorruft.

3 Aufgabenstellung

Aufbauend auf der Analyse der bisher

bekannten Berechnungsverfahren für

Großwälzlager wurden die folgenden Anfor-

derungen an ein neu zu entwickelndes

Berechnungsverfahren definiert:

• Um einen hohen Grad an Übereinstim-

mung von Berechnungsergebnissen mit

Messergebnissen zu erreichen, müssen

die drei wesentlichen Einflussfaktoren,

das heißt

- die Kontaktverhältnisse von Wälz-

körpern und Laufbahnen,

- das elastische Verhalten der Schraub-

verbindungen einschließlich partiell

klaffender und gleitender Trennfugen

und

- die Stützsteifigkeiten beider Anschluss-

konstruktionen

in einem ganzheitlichen Berechnungs-

modell simultan berücksichtigt werden.

• Der manuelle Bearbeitungsaufwand

sollte erheblich geringer werden als

dies bei der Erstellung von Finite-Elemente

Modellen auf herkömmliche Art und

Weise der Fall war.

• Auf einem durchschnittlich ausgestatteten

modernen PC sollte eine komplette Lager-

berechnung mit einer Rechenzeit von

weniger als einer Stunde möglich werden.

• Der Kunde einerseits sollte sich nicht

mehr mit Details des Großwälzlagers

und der Großwälzlagerhersteller anderer-

seits sollte sich nicht mehr mit Details

der Anschlusskonstruktionen des Kunden

auseinandersetzen müssen.

Übertrieben dargestellte Verformung im Querschnitt beihoher abhebender Belastung (Bild 3)

42

Page 43: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

43

forumThyssenKrupp 1/2002

Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kundenspezifischen Anschlusskonstruktionen

4 Problemlösung

Bei der Entwicklung neuer Maschinen

wird in zunehmendem Maße die Finite-Ele-

mente-Methode zur Optimierung des Pro-

totypen eingesetzt. Der isolierte Nachweis

einzelner Komponenten wird, im Gegensatz

zur Vergangenheit, heute immer seltener

akzeptiert. Die Optimierung einer Maschine

bzw. Anlage bei Verwendung eines Groß-

wälzlagers ist eine Gemeinschaftsarbeit

zwischen dem Anlagenhersteller und dem

Großwälzlagerhersteller.

Das Gesamtmodell wird zuerst in drei

Teilmodelle zerlegt (Bild 4), um eine Arbeits-

teilung zwischen dem Kunden und dem

Großwälzlagerhersteller zu ermöglichen

und damit eine Voraussetzung für die wirt-

schaftliche Durchführung der Berechnung

zu schaffen. Es ist nicht mehr erforderlich,

ein Gesamtmodell an einer zentralen Stelle

komplett zu entwickeln. Auf diese Weise

werden Interpretationsfehler durch das

Lesen fremder Konstruktionsunterlagen

vermieden. Die drei Teilmodelle sind konkret:

• die obere Anschlusskonstruktion des

Kunden

• das Großwälzlager einschließlich Befes-

tigungsschrauben

• die untere Anschlusskonstruktion des

Kunden.

Bei Anwendung des neuen Berech-

nungsverfahrens erstellt der Kunde je ein

separates Finite-Elemente-Modell seiner

oberen und unteren Anschlusskonstruktion.

Im Gegensatz zur üblichen Vorgehenswei-

se dienen diese Modelle zunächst jedoch

nur der Steifigkeitsanalyse dieser Kon-

struktionen. Der Kunde erhält vom Groß-

wälzlagerhersteller Rothe Erde eine Anlei-

tung, wie die Modelle der Anschlusskon-

struktionen im Bereich der Lagerflansche

anzupassen sind, um ein problemloses

späteres Zusammenfügen mit dem Finite-

Elemente-Modell des Großwälzlagers zu

gewährleisten. Für die Finite-Elemente-

Modelle der Anschlusskonstruktionen gibt

es keine besonderen Beschränkungen

bezüglich der Anzahl der Freiheitsgrade

bzw. der verwendeten Details. Die erzeugten

Gesamtsteifigkeitsmatrizen beliebiger

Größenordnung werden in einem nachfol-

genden Schritt durch statische Kondensa-

tion auf die Freiheitsgrade der Verbin-

dungsknoten im Anschlussbereich des

Lagers reduziert. Auf diese Weise erhält

man Dateien in einer Größenordnung von

einigen Megabytes, die problemlos per

E-Mail vom Kunden zu Rothe Erde über-

tragen werden können.

Hafenmobilkran; Zerlegung in drei Teilmodelle (Bild 4)

Finite-Elemente-Modell der oberen Anschlusskonstruktion

Finite-Elemente-Modell des Großwälzlagers

Finite-Elemente-Modell der unteren Anschlusskonstruktion

Page 44: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

44

forumThyssenKrupp 1/2002

Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kundenspezifischen Anschlusskonstruktionen

Bei Rothe Erde wurde eine spezielle

Software entwickelt, die eine wirtschaftliche

Generierung des Teilmodells ‘Großwälzlager’

ermöglicht. Hierbei wird prinzipiell eben-

falls ein Finite-Elemente-Modell erstellt,

welches die Lagerringe, die Wälzkörper

und die Befestigungsschrauben beinhaltet.

Die Querschnitte der einzelnen Lagerringe

werden mit CAD-ähnlichen Eingabedaten

beschrieben. Die Angaben zu Wälzkörpern

und Befestigungsschrauben sind nur

geringfügig umfangreicher als beim bisher

verwendeten Routineverfahren und können

der Werknorm entnommen werden. Die

vom Kunden generierten Dateien mit den

reduzierten Steifigkeiten der Anschluss-

konstruktionen können von der Spezial-

software ohne manuellen Bearbeitungs-

aufwand direkt importiert und zum Modell

des Lagers hinzugefügt werden (Bild 5).

Auf diese Weise entsteht ein komplettes

Gesamtmodell, bei dem alle wesentlichen

Einflussgrößen gleichzeitig in einem

Rechenlauf berücksichtigt werden.

Die Ergebnisse bestehen für Kugelbah-

nen aus der Verteilung der einzelnen

Kugelkräfte nach Betrag und Richtung,

sowie bei Rollen aus der Verteilung der

einzelnen Rollenkräfte sowie deren Exzen-

trizitäten. Des Weiteren werden für die

Laufbahnsysteme die Kontaktflächen, die

Pressungen in den Kontaktflächen, die

maximalen Wälzkörperkräfte und die da-

raus resultierenden theoretischen Lebens-

dauern berechnet. Ebenso ist es möglich,

Lagerspiele bzw. Vorspannungen in der

Berechnung zu berücksichtigen.

In besonderen Fällen, wenn Planabwei-

chungen, Abwinklungen bzw. Unrundheiten

der Anschlussflansche des Lagers bekannt

sind, können diese ebenfalls bei der Berech-

nung Berücksichtigung finden. Das Groß-

wälzlager wird durch eine beliebig komplexe

Belastung beaufschlagt. Es besteht die

Möglichkeit der Simulation beliebiger Dreh-

stellungen des drehbaren Teils gegenüber

dem feststehenden Teil durch einfache

Änderung eines Eingabeparameters, näm-

lich des Drehwinkels. Die Modellierung der

Trennfugen zwischen Lagerringen und

Anschlussflanschen erfolgt sehr wirklich-

keitsnah. Die Simulation berücksichtigt ein

mögliches Klaffen der Trennfugen sowohl

von außen wie auch von innen. Das Kon-

taktverhalten in der Trennfuge ist abhängig

vom gegebenen Reibwert. Bei Überschrei-

tung dieses Reibwertes erfolgt der auto-

matische Übergang von Haftreibung zur

Simulation von Gleitreibung in den einzel-

nen verschraubten Ringsegmenten.

Die Befestigungsschrauben werden

analog einer Abkühlung im Modell vorge-

spannt. Das Berechnungsmodell simuliert

die vollständige räumliche Belastung der

Schraube, d.h. man erhält Biegung um

zwei Achsen, Torsion, Zug bzw. Druck

sowie Querkräfte in zwei Achsen. Die

Ergebnisse werden in Form von Zusatz-

spannungen relativ zum Vorspannungs-

zustand oder auch als Absolutspannungen

ausgegeben. Des Weiteren ist eine Berech-

nung der Spannungen in den Lagerringen

möglich.

Nach erfolgter Lagerberechnung erhält

der Kunde per E-Mail Dateien mit den Ver-

schiebungen und Verdrehungen der Ver-

bindungsknoten an den Flanschen der

Anschlusskonstruktionen. Diese Daten

können direkt von seinem Finite-Elemente-

Programm importiert und daraus die dazu

gehörigen internen Verformungen und

Spannungen der Anschlusskonstruktionen

berechnet werden (Bild 5). Auf diese Weise

ergibt sich die Möglichkeit der kostengün-

stigen Optimierung des Prototypen. Kon-

struktive Schwachstellen werden schnell

identifiziert. Nach Modifikation der betroffe-

nen Teilmodelle lässt sich die Simulation

mit geringem Aufwand wiederholen.

Ablaufschema des bei Rothe Erde entwicklelten Berechnungsverfahrens (Bild 5)

Kunde

Finite-Elemente-Modell der oberenAnschlusskonstruktion erstellenund deren Steifigkeit berechnen

KondensierteSteifigkeitsmatrix

der oberenAnschlusskonstruktion

Finite-Elemente-Modell desGroßwälzlagers erstellen unddessen Steifigkeit berechnen

Finite-Elemente-Modell der unterenAnschlusskonstruktion erstellenund deren Steifigkeit berechnen

Steifigkeiten aller dreiTeilmodelle zu einem

Gesamtsystem zusam-menfügen

KondensierteSteifigkeitsmatrix

der unterenAnschlusskonstruktion

Verschiebungen undVerdrehungen der

Verbindungsknotender unteren

Anschlusskonstruktion

Auswertung derErgebnisse des

TeilmodellsGroßwälzlager

Berechnung derinneren Unbekannten

der oberenAnschlusskonstruktion

Verschiebungen undVerdrehungen der

Verbindungsknotender oberen

Anschlusskonstruktion

Spannungen,Verformungen ...

Wälzkörperkräfte,Schraubenzusatz-

spannungen ...

Spannungen,Verformungen ...

Iterative Berechnungdes nichtlinearenGesamtsystems

durchführen

Berechnung derinneren Unbekannten

der unterenAnschlusskonstruktion

Per E-Mail

Per E-Mail Per E-Mail

Per E-Mail

Hersteller

Page 45: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

45

forumThyssenKrupp 1/2002

Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kundenspezifischen Anschlusskonstruktionen

5 Fazit

Die Bereitstellung des von Rothe Erde

entwickelten Berechnungsverfahrens bietet

dem Kunden und dem Hersteller eine

nachhaltige Entwicklungspartnerschaft.

Das neue Verfahren ermöglicht sowohl

eine sehr wirtschaftliche als auch eine im

Sinne der technischen Mechanik sehr

gründliche Analyse des Gesamtsystems

Großwälzlager-Anschlusskonstruktion. Zum

ersten Mal wird die Simulation des gegen-

seitigen Einflusses von Laufbahnsystem

und Schraubverbindung für beliebige Bela-

stungen auf einem PC berechenbar. Die

Berechnungsergebnisse zeichnen sich

durch eine sehr hohe Übereinstimmung

mit experimentell ermittelten Ergebnissen

aus. Der durch die Simulation mögliche

Verzicht auf experimentelle Bauteiluntersu-

chungen verkürzt die Zeit der Prototypent-

wicklung beim Kunden in hohem Maße.

Der Bearbeitungsaufwand bei Rothe Erde

verringert sich um bis zu 90 % gegenüber

früheren Verfahren auf der Basis der Finite-

Elemente-Methode.

Page 46: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

46

forumThyssenKrupp 1/2002

Triebwerkscheiben der ThyssenKrupp Turbinenkomponenten GmbH (Bild 1)

Dr.-Ing. Peter Klaus Kirner

Dr.-Ing. Daniel Holstein

Vollautomatische Wärmebehandlungslinie für Triebwerkscheiben

Page 47: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

47

forumThyssenKrupp 1/2002

Vollautomatische Wärmebehandlungslinie für Triebwerkscheiben

1 Einleitung

Die ThyssenKrupp Turbinenkomponen-

ten GmbH, mit Sitz in Remscheid, fertigt

geschmiedete Komponenten für die Luft-

fahrtindustrie und Energiewirtschaft. Als

qualifizierter und erfahrener Zulieferer von

Flugtriebwerksteilen umfasst das Produkt-

portfolio neben Verdichterschaufeln eine

Fülle unterschiedlicher Triebwerkscheiben

und scheibenähnlicher Produkte mit Durch-

messern von bis zu 1.100 mm (Bild 2). Die

geschmiedeten und anschließend spanend

bearbeiteten Scheiben werden bei den

Triebwerksherstellern mit einer entsprechen-

den Beschaufelung bestückt. In nahezu

allen am Markt gängigen zivilen und

militärischen Triebwerken finden dabei

Scheiben der ThyssenKrupp Turbinen-

komponenten GmbH Verwendung und

zwar sowohl im Verdichter- als auch im

thermisch hoch beanspruchten Turbinen-

bereich.

Aufgrund extrem hoher Qualitätsanfor-

derungen in allen Bereichen eines Flug-

triebwerks ist auch bei den Triebwerkschei-

ben die Einhaltung exakt definierter Bau-

teileigenschaften zwingend erforderlich. Im

Flugbetrieb, das heißt beim Zusammen-

wirken hoher Temperaturen und Zentrifugal-

kräfte, sind ausreichende Sicherheitsreser-

ven zu gewährleisten. Darüber hinaus sind

die Bauteileigenschaften maßgebend für

die Lebensdauer der Triebwerkscheiben.

Eine gleichbleibend hohe Bauteilqualität

ermöglicht längere Revisionszyklen und

somit geringere Betriebskosten der Trieb-

werke.

2 Ausgangssituation und Ziel-stellung

Die wesentlichen Bauteileigenschaften

einer Triebwerkscheibe werden durch den

Eigenspannungszustand und das Gefüge

geprägt. Ein homogenes, dem lokalen

Beanspruchungszustand angepasstes

Gefüge sorgt bei den häufig eingesetzten,

warmfesten Titan- und Nickel-Super-Legie-

rungen für ein hohes Niveau der mecha-

nisch-technologischen Eigenschaften, wel-

che die zulässige Betriebsbeanspruchung

der Triebwerkscheibe weitestgehend cha-

rakterisieren. Die gezielte Einstellung der

mechanisch-technologischen Eigenschaf-

ten erfolgt nach dem Schmieden der Trieb-

werkscheiben im Rahmen einer Wärmebe-

handlung. Diese besteht im Wesentlichen

aus einem Lösungsglühen des Bauteils

inklusive anschließender Abschreckung in

einem speziellen Öl- bzw. Wasserbad

sowie einem nachgeschalteten Auslagern.

Bei der Abschreckung gilt es, eine homo-

gene, exakt definierte Abkühlung zu errei-

chen. Die Abkühlraten müssen an der

gesamten Scheibenoberfläche möglichst

identisch sein, um geringe Streuungen der

Scheibeneigenschaften zu erhalten.

In konventionellen Wärmebehandlungs-

linien wird weder eine Regelung der Bad-

temperatur noch eine Homogenisierung

des Temperaturniveaus in verschiedenen

Tiefen des Bades vorgenommen. Folglich

besteht die Gefahr einer ungleichmäßigen,

wenig definierten Abkühlung der Trieb-

werkscheiben. Zur Erreichung der o.g.

Ziele wurde im Rahmen einer seitens des

BMBF (FKZ: 03N3067) geförderten Koope-

ration zwischen MTU Aero Engines, der

Rolls-Royce Deutschland GmbH, der Bran-

denburgischen Technischen Universität

Cottbus und der ThyssenKrupp Turbinen-

komponenten GmbH die Aufgabe formu-

liert, eine neuartige Prozesstechnologie für

die Nickel-Super-Legierung Udimet 720 zu

entwickeln. Hierbei war die Implementierung

einer innovativen Abschrecktechnologie in

eine neu aufzubauende Wärmebehand-

lungslinie mit hohem Automatisierungs-

grad geplant. Aus der Sicht des Kunden

sollte mit diesem Projekt die Grundlage

geschaffen werden, in Folge optimierter

Bauteileigenschaften die Revisionszyklen

der Triebwerkscheiben signifikant zu ver-

längern.

Produkte der ThyssenKrupp Turbinenkomponenten GmbH im Flugtriebwerk (Bild 2)

Page 48: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

48

forumThyssenKrupp 1/2002

Vollautomatische Wärmebehandlungslinie für Triebwerkscheiben

3 Automatisierte Wärmebehand-lungslinie

Das wesentliche Merkmal der bei der

ThyssenKrupp Turbinenkomponenten

GmbH aufgebauten Wärmebehandlungsli-

nie ist die richtungweisende Abschreck-

technologie mit umweltgerechter Rauchab-

saugung. Konstante Abkühlraten an der

gesamten Bauteiloberfläche werden

dadurch sichergestellt, dass erstmalig eine

Ölumwälzung in vertikaler und horizontaler

Richtung in Ergänzung zu einer oszillierenden

Wippfunktion für die Charge realisiert werden

konnte (Bild 3). Eine gezielte Positionier-

barkeit der Ausströmdüsen des Abschreck-

öls in Verbindung mit variablen Regelungen

der Umwälzleistung sowie der Amplitude

und Frequenz der Wippfunktion ermöglichen

es, eine vorgewählte Temperatur im

gesamten Abschreckbad einzustellen.

Hierdurch gelang es, die Voraussetzungen

für bauteilspezifische Abschreckcharakteri-

stika zu schaffen.

Neben der innovativen Abschrecktech-

nologie erfüllt die Wärmebehandlungslinie

im Hinblick auf die Anlagenbeschickung

und die Prozesskontrolle alle Erwartungen

an eine moderne Produktionsanlage (Bild 4).

Der zentrale Kammerofen (Bild 5) sowie

die Abschreckbecken mit den unterschied-

lichen Ölqualitäten werden vollautomatisch

chargiert. Der hohe Automatisierungsgrad

ermöglicht, definierte, exakt reproduzierba-

re Transferzeiten zwischen Ofen und Ab-

schreckbad zu realisieren. Die lückenlose

Prozesskontrolle erfasst jene Zeiten genauso

wie sämtliche Prozessdaten. Hierbei werden

nicht nur die frei programmierbaren Soll-

Daten, sondern auch die entsprechenden

Ist-Daten, so z.B. die Badtemperatur und

der Temperaturverlauf im Ofen, dokumen-

tiert. Dieses Monitoring der Prozessdaten

wird ergänzt durch eine computergestützte

Visualisierung des Prozessablaufs, welche

einen Überblick über die gesamte Prozess-

kette der Wärmebehandlung vermittelt.

Die Kapazität der Wärmebehandlungslinie

ist für ein Chargengewicht von bis zu

2.000 kg ausgelegt. Dabei ist die Anlage

sowohl für die Wärmebehandlung von

Nickel-Legierungen als auch für Stähle

und Titan-Legierungen verwendbar. Mitte

des Jahres 2001 hat die vollautomatische

Linie die kundenseitige Zulassung für die

Wärmebehandlung von Luftfahrtteilen

erhalten.

4 Vorteile

4.1 Interne Vorteile

Die vollautomatische Wärmebehand-

lungslinie bietet bei der Herstellung der

Triebwerkscheiben Vorteile in Bezug auf

die Reproduzierbarkeit der Prozesse sowie

hinsichtlich der Prozesssicherheit und

-stabilität (Bild 6). In Folge der umfangrei-

chen Regelungs- und Monitoringmöglich-

keiten wird eine deutliche Verbesserung

der Bauteilqualität erzielt. Die mechanisch-

technologischen Eigenschaften der Trieb-

werkscheiben werden beanspruchungsge-

recht eingestellt und weisen eine sehr

geringe Streuung auf (Bild 7). Hieraus

ergeben sich letztlich reduzierte Qualitäts-

kosten, da ein reduzierter Aufwand bezüg-

lich der fertigungsbegleitenden Prüfungen

erforderlich ist.

Vollautomatische Wärmebehandlungslinie (Bild 4) Kammerofen (Bild 5)

Umwälz- und Wippfunktion (Bild 3)

Page 49: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

49

forumThyssenKrupp 1/2002

Vollautomatische Wärmebehandlungslinie für Triebwerkscheiben

Der hohe Automatisierungsgrad der

Anlage sorgt dafür, dass sich kürzere

Durchlaufzeiten bei der Wärmebehandlung

ergeben. Es kann ein höherer Durchsatz

realisiert werden, was bei den zeitintensi-

ven Prozessen des Lösungsglühens und

Warmauslagerns als besonders vorteilhaft

einzuschätzen ist. Die Summe der Vorteile

dieser Anlage bedeutet für die Thyssen-

Krupp Turbinenkomponenten GmbH, dass

die Technologieführerschaft in der Produkt-

gruppe Triebwerkscheiben untermauert

werden konnte.

4.2 Kundenvorteile

Für den Kunden eröffnen sich aufgrund

der optimierten Bauteileigenschaften

ebenfalls signifikante Potenziale. Während

der Weiterbearbeitung beim Kunden kam

es in der Vergangenheit immer wieder zu

eigenspannungsbedingtem Verzug, der

außerhalb der Toleranzgrenzen lag. Die

hieraus resultierende Ausschussrate konnte

durch die verbesserte Abschrecktechnologie

auf ein Minimum reduziert werden. Aber

auch die Sicherheitsreserve der Triebwerk-

scheibe, d.h. ihre Zuverlässigkeit, erhöht

sich in Folge der beanspruchungsgerech-

ten Eigenschaften, welche eine geringe

Streuung aufweisen. Dies stellt die Voraus-

setzung dafür dar, dass der Lebensdauer-

und Revisionszyklus der Triebwerkscheiben

verlängert werden kann, so dass schließlich

geringere Betriebskosten der Flugtriebwerke

anfallen.

5 Fazit

Die vorgestellte vollautomatische Wärme-

behandlungslinie für Triebwerkscheiben

stellt ein Beispiel für eine erfolgreiche

Kooperation zwischen Kunden, einer Hoch-

schule und einem Lieferanten dar. Kun-

denseitige Forderungen hinsichtlich der

Bauteilqualität wurden in modifizierten

Prozessen beim Lieferanten umgesetzt. Im

Rahmen des Projektes konnte dabei nicht

nur eine richtungweisende Prozess- und

Anlagentechnologie entwickelt, sondern

auch die partnerschaftliche Kunden-Liefe-

ranten-Beziehung gefestigt werden. Die

Synergien dieser Kooperation führten

dazu, dass sich die ThyssenKrupp Turbinen-

komponenten GmbH einen technologischen

Vorsprung vor den Wettbewerbern am

Markt sichern konnte.

6 Danksagung

Die ThyssenKrupp Turbinenkomponen-

ten GmbH dankt dem Bundesministerium

für Bildung und Forschung (BMBF) für die

Förderung des Verbundprojektes „Erfor-

schung des Werkstoffpotenzials von Udimet

720 Li bei Temperaturen oberhalb von

650 °C“.

Gegenüberstellung der Eigenschaften einer konventionellen und derneuen Wärmebehandlungslinie (Bild 6)

Scheibengeometrie und Eigenspannungszustand (Bild 7)

Page 50: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

50

forumThyssenKrupp 1/2002

Edelstahl-Außenfassade am neuen Terminal des Airports Düsseldorf; Thyssen Schulte war an der Erarbeitung des Werkstoffeinsatz-Konzeptes und mit umfangreichen Lieferungen von Rohren und Blechen aus Edelstahl einschließlich Anarbeitung beteiligt (Bild 1).

Dipl.-Ing. Jochen Adams

Dr. rer. pol. Claus Algenstaedt

Datenbank für Kunden zur Optimierung der Stahlsortenauswahl

W E R K S T O F F Eoptimalauswählen

Thyssen Schulte

Page 51: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

51

forumThyssenKrupp 1/2002

Datenbank für Kunden zur Optimierung der Stahlsortenauswahl

1 Die Konzeption

Technisches Marketing und werkstoff-

orientierte Kundenberatung haben einen

hohen Stellenwert in der Geschäftsstrate-

gie von Thyssen Schulte, führender Werk-

stoffhändler und Dienstleister in Deutsch-

land. Bei der Beratung der Kunden – vor

allem mittelständisch geprägte verarbeitende

Betriebe aus einem breiten Branchenspek-

trum – werden zunehmend Fragestellungen

über Werkstoffeinsatz, Werkstoffprüfung

(Bild 2) und optimale Werkstoffauswahl

unter spezifischen Einsatzbedingungen

aufgegriffen und betreut. Dies ist ein we-

sentlicher Aufgabenbereich der Abteilung

„Technischer Verkauf“ in Essen. Die Zen-

tralstelle unterstützt die Verkaufsabteilungen

der Niederlassungen und Tochtergesell-

schaften. Seit Mitte der 90er Jahre werden

systematisch die sich verbessernden elek-

tronischen Medien für die Speicherung von

Werkstoffdaten genutzt.

Inzwischen ist ein umfassendes, elektro-

nisches Programm zur Auswahl und Opti-

mierung des Stahlsorteneinsatzes ent-

wickelt worden. In dem Programm sind

mehr als 400 Stahlsorten (Güten) der

DIN-EN-Qualitäts- und Edelstähle zusam-

mengefasst, Schwerpunkt: Flachprodukte.

Im einzelnen sind dies unlegierte und

legierte Stähle (rost-, säure- und hitzebe-

ständig), Sonderbaustähle, Schiffsbau-

stähle einschließlich Offshore-Anwendun-

gen sowie Stähle für geschweißte Rohrlei-

tungen und druckwasserstoffbeständige

Stähle.

Im Gegensatz zu anderen Ansätzen, die

nur theoretische Werte oder Grenzwerte

der jeweiligen Normen berücksichtigen,

liegen dem elektronischen Datenbanksys-

tem von Thyssen Schulte statistisch abge-

sicherte Häufigkeitsverteilungen zugrunde.

Diese Daten sind aus jahrzehntelanger

Praxis und Fortschreibung gewonnen wor-

den. Ausgangsdaten bilden Ergebnisse der

Qualitätsstelle der August-Thyssen-Hütte

bzw. ThyssenKrupp Stahl sowie die Ergeb-

nisse aus langjähriger Beratungspraxis der

Abteilung „Technischer Verkauf“.

Die Datenbank arbeitet parametergestützt

und nutzt kombinierte Eigenschaften als

Auswahlkriterium für den optimalen Stahl-

einsatz im Hinblick auf die geplante Verar-

beitung oder den Verwendungszweck.

Unter Bezug auf die vom jeweiligen Anwen-

der vorgegebenen Restriktionen bietet das

Programm ein Werkstoffblatt der jeweils

optimalen Stahlsorten. Das Grundkonzept

dieser Information ist ebenfalls von

Thyssen Schulte entwickelt worden und

enthält für jede Stahlsorte folgende

Angaben:

• Geltungsbereich

• Anwendung und typische Einsatzbereiche

• chemische Zusammensetzung

• mechanische Eigenschaften

• physikalische Eigenschaften

• Warmformgebung

• Verarbeitung/Schweißen

• Literaturhinweise.

2 Generelle Zielsetzungen: Kun-denbindung durch Kompetenz

Der Bedarf an qualifizierter technischer

Beratung im Handelsgeschäft mit Stahl

und anderen Werkstoffen wächst. Dabei

geht es immer häufiger um spezielle Pro-

bleme der Verarbeitung (Bild 3), Stand-

zeiten, Korrosionseinflüsse, aber auch des

Vergütens, Umformens und Schweißens.

Neben planenden und stahlberatenden

Institutionen, Konstrukteuren, Ingenieuren

und Hochschulen ist das Stahlauswahl-

Programm vor allem zur Förderung und

Unterstützung des Lager- und Servicege-

schäftes (einschließlich der steigenden

Leistungen in der Anarbeitung (Bild 4))

für die typischen Kundengruppen aus

Industrie und anderen Verarbeitungs-

bereichen gedacht. Besondere Bedeutung

hat das Auswahlprogramm für stahlverar-

beitende Betriebe mit wechselnder Auf-

tragsstruktur und/oder fixen Lieferterminen.

Taschentuchfaltprobe zur Ermittlung der Extrem-belastbarkeit beim Kaltumformen (Bild 2)

Einsatz von Feinblechen in Verbindung mit Tiefzieh-technik und Laserstrahlschweißen (Bild 3)

Page 52: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

52

forumThyssenKrupp 1/2002

Datenbank für Kunden zur Optimierung der Stahlsortenauswahl

Durch eine spezielle Verschlüsselung

aller Stahlsorten nach dem Status ihrer

Lagerhaltung bzw. der Beschaffung im

Streckengeschäft ist automatisch ein wei-

teres Kriterium für die Optimierung der

Auswahl gegeben: Häufig spielt der

Gesichtspunkt der besten (schnellsten)

Verfügbarkeit einer Stahlsorte bei der

Beschaffung durch den Kunden eine

wichtige Rolle.

Ein besonders schneller Zugriff auf die

Stahlgüte ist dann gegeben, wenn die ört-

liche Verkaufsabteilung von Thyssen Schulte

das eigene Lager, also die Bestände unmit-

telbar in Kundennähe, nutzen kann. Eine

andere gute Alternative, durch die Thyssen

Schulte nach hohen Investitionen ein be-

sonders umfangreiches Programm aus

ständigem Lagerbestand bieten kann, ist

die kurzfristige Belieferung über Zentralläger.

Derartige Zentralläger unterhält Thyssen

Schulte in allen Produktsparten. Bei Stahl

sind es die Zentralläger in Essen/Mülheim

(Bild 5) und Heilbronn (Bild 6). Bei Edel-

stählen werden viele Geschäfte über das

in Europa führende Zentrallager Dortmund

(Bild 7) abgewickelt.

Die Datenbank basiert auf verknüpften,

praxisrelevanten Eigenschaften und Merk-

malen (Bild 8) von 400 Stahlsorten. Dabei

sind je Stahlsorte bis zu 40 Merkmale hinter-

legt. Beispielhaft seien an dieser Stelle die

mechanisch-technologischen Kennwerte

(Streckgrenze (Bild 9), Zugfestigkeit, Bruch-

dehnung, Kerbschlagarbeit etc.) erwähnt.

Zusätzlich bietet das Programm auch die

Möglichkeit, sich darüber zu informieren,

welche Stahlsorten typischerweise in ein-

zelnen Branchen eingesetzt werden. Auf

diese Weise kann man im konkreten Fall

wesentliche Anforderungsprofile abgleichen.

3 Weiterentwicklungen

Das Datenbanksystem wird systematisch

weiterentwickelt. Es enthält inzwischen

eine Reihe von Kriterien und Informationen,

die weit über den klassischen Ansatz einer

Auswahldatei hinausgehen.

• Wöhler-Kurven

Die komplexe Thematik der Dauerfestigkeit

von Stählen ist für Konstrukteure und Kun-

denbetriebe im Maschinenbau von wesent-

licher Bedeutung. Da sich die Belastungen

von Maschinenteilen häufig in Größe und

Richtung ändern, ist es erforderlich, Dauer-

oder Ermüdungsbrüche im Vorhinein durch

optimalen Einsatz geeigneter Baustähle zu

verhindern.

Dauerschwingfestigkeiten werden vom

Programm als Wöhler-Kurven für unter-

schiedliche Spannungsverhältnisse (Quotient

aus sogenannter Unter- und Oberspannung)

sowie für Proben mit verschiedenen Ober-

flächen zur Verfügung gestellt. Je Stahlsorte

unterschiedlich (Bild 10) weisen sie die in

Versuchen ermittelten Werte der Lebens-

dauer in Abhängigkeit von den jeweiligen

Spannungsamplituden (Beanspruchungs-

art) auf.

• Korrosionsbeständigkeit

Kriterien für die Stahlauswahl sind in

diesem Programmteil wichtige chemische

und physikalische Parameter für die Korro-

sionsbeständigkeit von legierten und hoch-

legierten Stählen unter Einflüssen von

Neue Laseranlage zur Bearbeitung von Kundenauf-trägen bei Edelstahl und Aluminium im Zentrallagerin Dortmund (Bild 4)

Schneidleisten für den Baggerschaufelbau aushochfestem Sonderbaustahl XAR 400, hergestellt imBrennbetrieb des Zentrallagers in Essen (Bild 5)

Zuschnitte aus Profilen und Grobblechen, gestrahltund/oder geprimert/Zentrallager in Heilbronn (Bild 6)

Das Zentrallager in Dortmund von Thyssen Schulteist europaweit der größte und modernste Lager-komplex seiner Art – im Foto eine Halle (Bild 7)

Page 53: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

53

forumThyssenKrupp 1/2002

Datenbank für Kunden zur Optimierung der Stahlsortenauswahl

Abwasser und Abgasen. Das PC-Programm

(Bild 11) bietet im Abwasserbereich 4.000

und bei Abgasen 56.000 Beanspruchungs-

varianten.

Dieser Programmteil ist vor allem für

Branchen wie Wassertechnik, Chemie,

Maschinen- und Anlagenbau gedacht,

wo Stähle in Umgebungen mit besonderen

Belastungen eingesetzt werden müssen.

Aus der Kombination der individuellen

Anforderungen (Parameter) ergibt sich die

im jeweiligen Belastungsumfeld optimale

Stahlsorte. Hierzu lässt sich ein Werkstoff-

blatt mit Detailinformationen aus dem

Programm abrufen und ausdrucken.

• ZTU-Schaubilder

Inzwischen ist auch die Übernahme von

Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Schaubildern

erfolgt. Bislang mussten die ZTU-Schau-

bilder gesondert beim „Technischen Ver-

kauf” in Essen angefordert werden. ZTU-

Schaubilder, die über die zeitabhängigen

Härtevorgänge und den Ablauf der Aus-

tenit-Umwandlung (γ/α-Umwandlung)

beim Abkühlen einer Stahlsorte nach Wärme-

behandlung informieren, sind vielfach als

Hilfsmittel unverzichtbar. Das gilt insbe-

sondere dann, wenn es um die optimalen

Vorgaben für die Wärmebehandlung einer

Stahlsorte im Verarbeitungsbetrieb geht.

• Anlass-Schaubilder

Stahlsorten können durch Anlassvergüten

in ihren Eigenschaften wesentlich beein-

flusst werden. Dabei kommt dem Erwärmen

eines Werkstücks nach dem Härtevorgang

unterhalb des ersten Haltepunktes (t < Ac1)

besondere Bedeutung zu. In Abhängigkeit

von der Anlasstemperatur verändern sich

die noch enthaltenen Spannungen sowie

die Festigkeit, Zähigkeit, Streckgrenze und

die dynamische Beanspruchbarkeit. Jede

Stahlsorte hat ein individuelles, für Kon-

strukteure aussagefähiges Vergütungs-

schaubild. Es ist geplant, diese Schaubilder

in das Programm zu übernehmen.

4 Technisch orientierte Verkaufs-unterstützung

Der Einsatz eines eigenen, elektronisch

basierten Abfrage- und Informationssystems

für Verarbeiter unterstreicht die Werkstoff-

kompetenz von Thyssen Schulte. Für eine

solche universelle, praxisorientierte Daten-

bank von Eigenschaften und Daten-/Fakten-

Kombinationen im Stahlbereich gibt es

bisher keine Vergleichsangebote im Markt

(Alleinstellungsmerkmal).

Durch die je Stahlsorte systemimmanente

Information über ihre Verfügbarkeit (Beschaf-

fung) ergeben sich nicht nur zusätzliche Ent-

scheidungsparameter für die Kunden bei

ihrer eigenen Auftragsabwicklung, sondern

200 300 400 500 600 700

3,0

2,5

2,0

1,5

1,0

0,5

t ≥ 6 mm

3 < t ≤ 6 mm

t ≤ 3 mm

Streckgrenze [MPa]

Abk

antr

adiu

s/B

lech

dick

e (r

/t)

Empfohlene Abkantradien im Verhältnis zur Blechdicke in Abhängigkeit von der Streckgrenze(Bild 9)

Im Stahlauswahl-Programm hinterlegte mechanisch-technologische, physikalische und diverseandere Werkstoffeigenschaften als Auswahlkriterien (Bild 8)

Page 54: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

54

forumThyssenKrupp 1/2002

Datenbank für Kunden zur Optimierung der Stahlsortenauswahl

auch neue Anknüpfungspunkte für den Ver-

kauf von Thyssen Schulte: Das moderne

Lagersystem bietet gegenüber dem Wettbe-

werb viele Vorteile in der Bevorratung sowie

hinsichtlich der schnellen Lieferfähigkeit ab

Lager/Zentrallager.

Bei Thyssen Schulte steigt der Umsatz

mit höherwertigen Stahlsorten überpropor-

tional. Die innovative Entwicklung von Stahl-

güten – mehr als die Hälfte der rund 2.000

Stahlsorten der Stahl-Eisen-Liste ist in den

letzten sechs Jahren weiterentwickelt worden

oder neu hinzugekommen – hat zur Aus-

weitung der Lagerhaltung und Geschäfts-

tätigkeit geführt. Es ist davon auszugehen,

dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird.

Die Nutzung des Stahlauswahl-Programms

erspart den Anwendern eigene zeitaufwen-

dige Untersuchungen oder Beratungsauf-

wendungen, um den Materialeinsatz im

konkreten Einzelfall abzusichern. Dies ist

vor allem für verarbeitende mittelständische

Betriebe, die vielfach ohne große Personal-

ressourcen für Forschung und Materialprü-

fung arbeiten, von erheblichem Vorteil.

5 Fazit

Thyssen Schulte setzt pro Jahr rund 3,0

Millionen Tonnen Grund-, Qualitäts- und

Edelstähle mit einem Volumen von 1,7 Mrd €

um. Im letzten Jahrzehnt ist es gelungen,

den Anteil hochwertiger Stahlsorten, wie

hochfeste, verschleißfeste und korrosions-

beständige Stähle, nachhaltig auszubauen

und entsprechende Verarbeiter in den Kun-

denstamm zu integrieren.

Das elektronisch basierte Stahlauswahl-

Programm ist ein wichtiges Hilfsmittel, um

den weiteren strategischen Ausbau von

Kundenmarktanteilen im höheren Produkt-

sortiment zu unterstützen. Es bietet den

Anwendern und Verarbeitern folgende

Vorteile:

• Auswahl und Optimierung der Stahl-

sorten anhand individueller Vorgaben

der Anwender

• Problemoptimierung durch Zugriff über

drei Einstiegsvariablen als wesentliche

Steuerungsgrößen für den individuellen

Auswahlprozess

• Verfügbarkeit je Stahlsorte ab Lager,

Zentrallager oder in der Strecke ver-

schlüsselt,

• Entscheidungsunterstützung durch

praxisorientierte, statistisch abgesicherte

Kenndaten

• einfache Handhabung durch Bereit-

stellung als PC-Software oder Internet-

basiert in Verbindung mit Online-

Systemen.

Mit dem Stahlauswahl-Programm ver-

fügt Thyssen Schulte im Kernbereich des

Lagergeschäftes über einen bedeutenden

Wettbewerbsvorsprung: Weder in den

metallurgisch forschenden oder beratenden

Instituten, noch bei Konkurrenzunternehmen

im in- und ausländischen Werkstoffhandel

gibt es vergleichbare benutzerfreundliche

und universelle Programme oder Daten-

banken.

Im Hinblick auf die Kundenvielfalt und

die breitgefächerten Lagerprogramme

ergeben sich durch das hier vorgestellte

Datenbank-Programm für Thyssen Schulte

attraktive Möglichkeiten zur laufenden

Geschäftsunterstützung. Der Einsatz bei

Tochtergesellschaften und in anderen

Segmenten des Konzerns ist denkbar, der

weitere Ausbau vorgesehen.

Stahl 1 2 3

Bruchschwingspielzahl nB

4 6 8 105 2 4 6 8 106 2 4 6 8 107

Spa

nnun

gsam

plitu

de

Wöhler-Kurven, die das Verhalten der Stähle bei schwingender Beanspruchung beschreiben,beruhen, wie alle Daten, auf statistisch abgesicherten Praxiswerten (Bild 10)

Page 55: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

55

forumThyssenKrupp 1/2002

Datenbank für Kunden zur Optimierung der Stahlsortenauswahl

Bei den internationalen Rohr- und Blechmessen im Jahre 2002 in Düsseldorf bzw.Hannover wurde das Auswahl-Programm in seiner erweiterten Fassung vorge-stellt; auf dem Foto der Messestand auf der Rohrfachmesse TUBE (Bild 11).

Page 56: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

56

forumThyssenKrupp 1/2002

Die Revolution im Schalungsmarkt (Bild 1)

Ulrike Grönefeld

Dipl.-Ing. Jürgen Schlenker

Re-Use-Platte: Kunststoff-Verbund-Platte mit Ersatzfolie

Page 57: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

57

forumThyssenKrupp 1/2002

Re-Use-Platte: Kunststoff-Verbund-Platte mit Ersatzfolie

1 Status Quo

Im weltweiten Schalungsmarkt werden

vorwiegend Schalungsplatten aus Sperr-

holz in System-Rahmenschalungen aus

Stahl oder Aluminium zur Herstellung von

Wänden und Decken aus Beton eingesetzt.

Diese Systemschalungen werden in zuneh-

mendem Maße als Dienstleistung der

Schalungshersteller an ihre anspruchsvollen

Kunden vermietet. Dabei kann der Belag

einer Deckenschalung für ca. 40-60 Ein-

sätze und der einer Wandschalung für ca.

60-80 Einsätze verwendet werden. Zwischen

den Baustelleneinsätzen allerdings liegen

das Reinigen und aufwendige Reparieren

der Platten von Hand.

Diese notwendigen Tätigkeiten stellen

die derzeit größten Kostentreiber dar. Des-

halb kommt es darauf an, den Aufwand im

Bereich Reinigung und Reparaturen zu

minimieren, die Langlebigkeit zu erhöhen

und den Kunden gleichzeitig eine durch-

gängig herausragende Qualität zu liefern.

Bei der Suche nach einem geeigneten

Werkstoff, der all diese Eigenschaften

vereint und trotzdem so tragfähig und steif

wie die übliche Sperrholz-Schalhaut ist,

setzt die Baubranche seit Anfang 2001

auf Kunststoffe. Unter den verschiedenen

Kunststoffen hat sich Polypropylen als

technisch und wirtschaftlich am geeignet-

sten herauskristallisiert. Doch das Material

allein bringt noch nicht den gewünschten

Erfolg. Daher hat Hünnebeck eine Technik

zur thermischen Behandlung der Ober-

fläche entwickelt, die erhebliche Verbesse-

rungen mit sich bringt.

2 Kunststoff contra Sperrholz

Gegenüber der üblichen Sperrholzplatte

bietet eine Kunststoff-Schalplatte vier große

Vorteile.

Erstens nimmt sie keine Feuchtigkeit

auf und ist somit witterungsbeständig

und formstabil, während Holz aufquillt.

Zweitens ist die Reinigung von Kunst-

stoffplatten weniger aufwendig, da das

Material schmutzabweisend ist. Ebenso

verhält es sich mit der Reparatur.

Zu guter Letzt sind flächige Beschädigun-

gen an einer Kunststoffplatte seltener.

Sperrholz hingegen weist häufig Deckfurnier-

ablösungen auf.

Auch in punkto Umweltschutz ist die

Kunststoffschalhaut der Sperrholzplatte

überlegen. Die Holzressourcen werden

geschont. Außerdem kann Kunststoff

recycelt werden, während die mit Phenol-

harz behandelte Sperrholzschalhaut als

Sondermüll entsorgt werden muss.

3 Technische Revolution

Die Kunststoffplatten, die bisher dem

Markt vorgestellt wurden, sind nur von Hand

zu reparieren. Das erfordert nach wie vor

einen hohen Aufwand und bringt somit

ebenfalls hohe Kosten mit sich. Deshalb

geht Hünnebeck noch einen Schritt weiter

und arbeitet an einer Re-Use-Platte, deren

Oberfläche maschinell nach Bedarf erneuert

werden kann.

4 Das Prinzip

Der tragende Teil und die Oberfläche

sind voneinander getrennt (Bild 2). Dabei

besteht die Trägerplatte aus gewichtsredu-

zierendem, geschäumtem Polypropylen

und einer ein bis zwei Millimeter dünnen

Verstärkung aus Glasfasergewebe (Bild 3,

Bild 4). Die Oberfläche ist eine zirka ein

Millimeter starke Polypropylen-Folie. Beide

Elemente werden maschinell miteinander

verklebt (Bild 5). Sollte die Oberfläche der

Polypropylen-Folie zum Beispiel durch

Nageleinschläge beschädigt sein, kann sie

ebenfalls auf maschinellem Wege problem-

los von der Trägerplatte entfernt werden.

Die Trägerplatte wird anschließend einfach

mit einer neuen Folie beschichtet und steht

mit einer absolut perfekten Oberfläche für

weitere Einsätze zur Verfügung. Dadurch

erhöht sich die Einsatzzahl der Trägerplatte

um ein Vielfaches auf über 200 Einsätze.

Bei allen Vorgängen verbleibt die Träger-

platte im Rahmen.

5 Die Vorteile

Die Re-Use-Platte erfüllt alle wesentlichen

Anforderungen, an eine moderne System-

schalung. Dem Kunden steht stets eine

Schalung mit einer neuen Oberfläche zur

Verfügung. Dies ermöglicht stets hervorra-

gende Ergebnisse hinsichtlich einer glatten

Betonoberfläche und dies zu bisher nicht

gekannten günstigen Konditionen. Die ex-

treme Langlebigkeit der Trägerplatte und

Re-Use-Platte: die Polypropylen-Folie wird auf dasGlasfasergewebe der Trägerplatte geklebt (Bild 2)

Page 58: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

58

forumThyssenKrupp 1/2002

Re-Use-Platte: Kunststoff-Verbund-Platte mit Ersatzfolie

das maschinelle Reparaturverfahren

erhöhen die Wirtschaftlichkeit sowohl von

Kauf- als auch von Mietschalungen. Zwi-

schen 35 und 40 Prozent der derzeitigen

Reinigungs- und Reparaturkosten können

eingespart werden. Auch der Umweltaspekt

ist berücksichtigt. Das verbrauchte Material

kann recycelt als Trägerplatte wiederver-

wertet werden.

6 Ausblick

Geplant ist der Einsatz für die Hünne-

beck-Produkte Topec, Rasto und Manto.

Da das patentierte Re-Use-Platten-System

aber auch für Fremdfabrikate denkbar ist,

erschließt sich Hünnebeck mit diesem Ver-

fahren Kunden im Kreis der Mitbewerber

am Schalungsmarkt und kann dadurch die

eigene Marktposition entscheidend verbes-

sern.

Glasfasergewebe bildetmit Polypropylen-Kerndie Trägerplatte

gewichtsreduzierendergeschäumter Polypropylen-Kern

1 mm starke Ersatzfolie ausPolypropylen mit seidenmatter

Oberfläche und Klebe-Rückseite

Kontrolle der Trägerplatte aus Polypropylen (Bild 4) Austritt der fertigen Trägerplatte an Heiss-Press-Anlage (Bild 5)

Schematischer Aufbau der Trägerplatte (Bild 3)

Page 59: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

59

forumThyssenKrupp 1/2002

Dr.-Ing. Volkhard Nobis

Sicherheit in unterirdischen Verkehrsanlagen durch Entrauchungs-systeme von ThyssenKrupp HiServ

forumThyssenKrupp 1/2002

Personen- und Gebäudeschutz durch die unmittelbare Rauch- und Wärmeabfuhr am Brandherd (Bild 1)

Page 60: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

60

forumThyssenKrupp 1/2002

Sicherheit in unterirdischen Verkehrsanlagen durch Entrauchungssysteme von ThyssenKrupp HiServ

Brandkatastrophe im Gotthard-Tunnel, 2001 (Bild 2)

1 Ausgangssituation

Die Brandkatastrophen der Vergangen-

heit haben uns auf erschreckende Art und

Weise gezeigt, dass Menschen sich, insbe-

sondere in Tunnelanlagen und auch in

unterirdischen Bahnhöfen nicht rechtzeitig

in Sicherheit bringen können. Vom Rauch

eingeschlossen verlieren sie die Orientie-

rung und werden Opfer der giftigen Ver-

brennungsgase. Wenige Atemzüge des

Gases Kohlenmonoxid genügen, um das

Bewusstsein zu verlieren, ein längeres

Einatmen führt zum Tod.

2 Gefahren eines Tunnelbrandes

Gerade zu Beginn eines Brandes in

unterirdischen Verkehrsanlagen entsteht

viel Rauch, der sich zunächst unter der

Decke ausbreitet. Im Tunnel kühlen sich

die Rauchgase mit zunehmender Lauflän-

ge ab und werden mit der bodennah nach-

strömenden Verbrennungsluft rücktrans-

portiert. In unterirdischen Bahnhöfen

strömt der Rauch durch den thermischen

Auftrieb über die Treppenstiegen. Die Men-

schen sind eingeschlossen. Rapide abneh-

mende Sichtverhältnisse und die lähmen-

de Wirkung von Kohlenmonoxid verhindern

die Flucht. Dies geschieht innerhalb kürze-

ster Zeit.

Neben der raschen Entwicklung des

Rauches und dessen Ausbreitung, die eine

Selbstrettung bzw. Evakuierung bei einem

unterirdischen Brand erschweren, spielt

auch die Hitzeentwicklung eine Rolle. Auf-

grund der räumlichen Enge und der zum

Teil erheblichen Brandlasten kann die Ver-

brennungswärme ebenso wie das Rauch-

volumen nicht ausreichend abgeleitet wer-

den. Die hohen Temperaturen entzünden

weitere Fahrzeuge, so dass Tunnelbrände

über Tage andauern können. Wenn die

Feuerwehr nicht rechtzeitig zum Brandherd

vordringen kann, sind Löschversuche zum

Scheitern verurteilt.

Die Konsequenzen von Tunnelbränden

sind bekannt: Verluste von Menschenleben

und Sachschäden wie ausgebrannte Kraft-

fahrzeuge und beschädigte Bauwerke sind

unmittelbare Folgen eines Brandes. Nach-

wirkungen wie Tunnelsperrungen aufgrund

notwendiger Reparaturarbeiten bewirken

zusätzliche Verkehrsprobleme und eine

erhöhte Belastung der Ausweichrouten.

Nicht zu unterschätzen sind zudem die

Ängste der Menschen vor weiteren

Unglücken.

Die teilweise erheblichen Schäden an

Bauwerken veranschaulichen beispielhafte

Daten einiger Tunnelbrände (Bild 3).

Nahezu alle Tunnelanlagen, in denen

Feuer ausbrachen, waren bereits mit Ent-

rauchungsanlagen ausgestattet. Die Aus-

wirkungen vergangener Katastrophen

machen jedoch die begrenzte Leistungs-

fähigkeit dieser Anlagen deutlich.

Brände in unterirdischen Verkehrsanlagen

können trotz aller Präventivmaßnahmen

auch in Zukunft nicht ausgeschlossen

werden: Beispielsweise weist die über

Jahre geführte Statistik der hoch frequen-

tierten Elbtunnel jeden Monat durchschnitt-

lich einen Brand aus. Aufgrund des stetig

steigenden Verkehrsaufkommens und des

zunehmenden Anteils des Schwerlastver-

kehrs, hier vor allem in Tunnelanlagen, for-

dern Öffentlichkeit und Behörden ein immer

höheres Maß an Sicherheit und damit

leistungsfähigere Entrauchungssysteme.

Jahr Tunnel Brandlast Schäden an derTunnelkonstruktion

1969 Moorfleet Tunnel, LKW mit 14 t Wände und Decke auf Hamburg Polyäthylengranulat 25 m beschädigt

1984 Summit Tunnel, Güterzug mit Beschädigter Bereich 60 mEngland 600 t Benzin

1996 Eurotunnel 15 LKW mit Ladung Beschädigter Bereich 500 m

1999 Montblanc Tunnel LKW mit 12 t Mehl Beschädigter Bereich 1,5 km Frankreich-Italien und 8 t Margarine,

nachfolgend30 Kraftfahrzeugeausgebrannt

1999 Tauerntunnel LKW mit Lacken Österreich beladen, nachfolgend Beschädigter Bereich 400 m

40 Kraftfahrzeugeausgebrannt

Beispielhafte Tunnelbrände/Quelle: Tunnel 2/2002 (Bild 3)

Page 61: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

61

forumThyssenKrupp 1/2002

Sicherheit in unterirdischen Verkehrsanlagen durch Entrauchungssysteme von ThyssenKrupp HiServ

3 Aufgabenstellung

Die zentrale Forderung an Entrauchungs-

systeme ist die Freihaltung der Fluchtwege

über den Zeitraum der Selbstrettung hinaus.

Dazu müssen Entrauchungssysteme derart

ausgelegt werden, dass sie den Rauch

unmittelbar aus dem Aufenthaltsbereich

von Personen ableiten und den dabei ent-

stehenden Rauchvolumenströmen ge-

wachsen sind. Vorteilhaft ist auch die Ein-

grenzung der Hitzeausbreitung und damit

der verursachten Schäden. Neuartige

Kanalsysteme und Erfassungseinrichtun-

gen zur Abfuhr des Brandrauches sollen,

anders als bei bestehenden betonierten

Systemen, auch für längere Brandzeiten

thermisch beständig sein.

Die wichtigsten Anforderungen im

Überblick:

• unmittelbare Fortführung der Rauch-

gase aus den Aufenthaltsbereichen

• Freihaltung der Fluchtwege

• Begrenzung der Rauch- und Hitzeaus-

breitung zur Schadensreduktion

• thermische Stabilität

• Sicherstellung des Zugangs zur Brand-

bekämpfung.

Da bei den derzeit installierten Systemen

die Abluftvolumenströme aufgrund der

begrenzten Tunnelquerschnitte nicht ohne

weiteres deutlich erhöht werden können,

müssen zukünftige Entrauchungssysteme

über eine wesentlich höhere Effizienz ver-

fügen. Das bedeutet, dass bei gleichem

Abluftvolumenstrom der Anteil der fortge-

führten Rauchgase deutlich höher ausfal-

len muss als bisher. Denn erst das Beherr-

schen größerer Rauchgasvolumenströme

bedeutet das sichere Bewältigen großer

Brandlasten, beispielsweise eines bela-

denen Lastkraftwagens.

4 Entrauchungssysteme fürTunnel von ThyssenKrupp HiServ

Um Systeme entwickeln zu können, die

den obigen Anforderungen gerecht werden,

müssen zuvor die Rauchausbreitung und

Volumenzunahme strömungstechnisch

analysiert werden. ThyssenKrupp HiServ

beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der

industriellen Erfassungstechnik zum Ab-

saugen luftfremder Stoffe sowie mit der

Entrauchung von Gebäuden im Brandfall

und ist Spezialist für thermodynamische

und lüftungstechnische Auslegung von

Luft- und Rauchgasführungen.

Das Kernelement der ThyssenKrupp

HiServ Entrauchungssysteme ist die mit

absperrbaren Klappen ausgerüstete Wirbel-

haube zur Erfassung des Rauches. Bild 4

zeigt ein Entrauchungssystem für Tunnel-

anlagen im Schnitt. Auf beiden Seiten

befinden sich an der Decke entlang des

Tunnels Wirbelhauben, zwischen denen

Kanäle zur Fortführung der Rauchgase zu

den Abluftventilatoren angeordnet sind.

Die Wirbelhaube selbst weist eine zylindri-

sche Form auf. Dieser Zylinder ist über

einen Winkel von etwa 90° geöffnet. Inner-

halb des Zylinders befinden sich in regel-

mäßigen Abständen Absaugrohre. Die

angesaugte Luft wird durch die Wirbelhaube

in Rotation versetzt, welche in ihrem Zentrum

entlang der Zylinderachse eine Unterdruck-

zone erzeugt. Das neue Entrauchungssystem

ermöglicht es, den Wirbel entlang des

Tunnels beliebig lang zu stabilisieren und

zu verlängern.

Die Wirbelhaube vereint mehrere

Vorteile:

• die enorme Sogkraft des Wirbels

• den äußerst gleichmäßigen Sog

entlang der Wirbelhaube

• die sichere Erfassung auch schneller

Gasströme durch Selbststabilisierung

der Wirbelströmung.

Wirbelhaubensystem zur Entrauchung (Bild 4)

Page 62: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

62

forumThyssenKrupp 1/2002

62 Sicherheit in unterirdischen Verkehrsanlagen durch Entrauchungssysteme von ThyssenKrupp HiServ

Im Ernstfall werden die Klappen (Bild 5)

nur über dem Brandherd geöffnet. Auf

diese Weise wird die volle Absaugleistung

gezielt eingesetzt. Bild 6 zeigt die bereichs-

weise Aktivierung der Wirbelhaubenseg-

mente. Darüber hinaus ist zum Zweck der

Rauchgasabkühlung das gleichzeitige Ein-

düsen von Wasser in die Wirbel möglich.

Das Ergebnis ist eine weitere Leistungs-

steigerung bei der Entrauchung und ein

wirksamer Schutz des Entrauchungssys-

tems vor Hitzeschäden durch die kühlende

Wirkung des Wassers.

Als Werkstoff für die Segmente wird

nichtrostender Stahl (Werkstoff-Nr. 1.4571)

eingesetzt. Die Verwendung von Stahl im

Vergleich zu Beton garantiert die erforderliche

thermische Festigkeit und erhöht aufgrund

geringer Wanddicken sowohl die Kanal-

querschnitte und damit die Leistungs-

fähigkeit des Systems.

5 Vorteile im Überblick

Die Entrauchungssysteme von

ThyssenKrupp HiServ erfüllen zentrale An-

forderungen an eine zeitgemäße Sicher-

heitstechnik. An erster Stelle steht der wirk-

same Schutz der Menschen im Brandfall.

Gerade im Bereich der Tunnelentrauchung

stellen die physikalischen Randbedingun-

gen eine besondere Herausforderung dar,

der die im Bereich der Decke installierten

Wirbelhauben gerecht werden können.

Umfangreiche Modellversuche und compu-

ter gestützte Strömungsberechnungen

haben dies erwiesen.

Die Stärken der ThyssenKrupp HiServ-

Wirbelhaube im Überblick:

• optimierter Wirkungsgrad der

Erfassung

• Einsatzfähigkeit bei höchsten Brand-

leistungen

• nachgewiesene thermische Stabilität

garantiert die Funktion auch bei hohen

Temperaturen

• thermischer Schutz der Tunneldecke

• geringere Empfindlichkeit gegen

Längsdurchströmungen des Tunnels

• einfacher Aufbau der Technik

• einfache Montage

• schnelle Wiederinbetriebnahme einer

unterirdischen Verkehrsanlage nach

einem Brand

• integrierte Be- und Entlüftung hoher

Qualität

• integrierte Versorgungsschächte.

6 Perspektiven

Das stetig wachsende Verkehrsaufkom-

men erfordert den kontinuierlichen Ausbau

der Verkehrssysteme. Gerade in dichtbe-

siedelten Regionen können zusätzliche Ver-

kehrswege oft nur durch Tunnelanlagen

bereitgestellt werden. Aber auch bei der

Erschließung von Verkehrswegen, bei

denen landschaftliche Voraussetzungen

Berücksichtigung finden müssen, so z.B.

bei Naturschutzgebieten oder Gebirgszü-

gen, können wirtschaftliche und ökologi-

sche Erwägungen Antrieb zur Errichtung

unterirdischer Verkehrsanlagen sein. Auch

in Zukunft wird deshalb die Zahl der unter-

irdischen Verkehrsanlagen kontinuierlich

wachsen. Sowohl bestehende, als auch in

Zukunft entstehende Tunnelanlagen bieten

durch Nach- bzw. Ausrüstung ein attrakti-

ves Marktpotenzial zum Vertrieb der Wirbel-

haubentechnologie. Die Wirbelhauben-

technologie, deren modulare und skalier-

bare Bauweise sowie der Einsatz von Stahl

ermöglichen die Beherrschung selbst

größter Brandereignisse. Dies macht das

Entrauchungssystem von ThyssenKrupp

Hiserv einzigartig. Laufende Patentverfah-

ren und die zusätzliche Entwicklung einer

speziell angepassten Detektionstechnologie

sichern darüber hinaus ThyssenKrupp

HiServ eine gute Position bei der Erschlie-

ßung dieses Marktsegmentes.

Gezielter Einsatz der Absaugleistung am Brandherd(Bild 6)

Absperrbare Absaugstutzen (Bild 5)

Page 63: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

63

forumThyssenKrupp 1/2002

Montage des Hinterachsantriebsmodules (HAAM) für den smart® in Hambach, Frankreich (Bild 1)

Dr. rer. nat. Wolfgang Zacharias

Triaton.Castrum Sequence – Der Leitstand für Just-in-SequenceModul-Fertigung in der Automobilzulieferindustrie

Page 64: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

Triaton.Castrum Sequence – Der Leitstand für Just-in-Sequence Modul-Fertigung inder Automobilzulieferindustrie

64

forumThyssenKrupp 1/2002

1 Ausgangssituation

Triaton ist der Hauptumsatzträger der

ThyssenKrupp Information Services, die

über rund 3.200 Mitarbeiter verfügen und

für einen Umsatz von ca. 0,5 Mrd € im

Geschäftsjahr 2000/2001 stehen. Die

Gesellschaft zählt zu den führenden inter-

nationalen Systemhäusern und ist dritt-

größtes herstellerunabhängiges System-

haus in Deutschland. Mit internationalen

Standorten und Global-Business-Partnern

ist Triaton weltweit in den industriellen

Ballungszentren präsent.

Entstanden aus den IT-Units der ehema-

ligen Konzerne Thyssen, Krupp, Hoesch

und Hoechst gehört Triaton zum Unterneh-

mensverbund eines der größten Industrie-

konzerne der Welt. Ein langjähriges Bran-

chen-Know-how in der Industrie zeichnet

den IT-Dienstleister aus. Die Herausforde-

rungen der Branchen Automotive, Chemi-

cals, Pharmaceuticals, Manufacturing und

Metal/Paper/Wood sind bekannt. Die Bran-

chenlösungen sind nicht von der Stange,

sondern orientieren sich an konkreten

Bedürfnissen.

Als "BusinessProcessor" ist es das Ziel,

die Geschäftsprozesse von industriellen

Unternehmen durch den Einsatz von IT zu

optimieren und auf die Erfordernisse der

eConomy anzupassen. Namhafte Kunden

sind von der Prozesskompetenz und Zuver-

lässigkeit überzeugt. Gemäß dem Ablauf

Plan/Build/Run erhält der Kunde eine maß-

geschneiderte Lösung - von Consulting,

über e-Business-Lösungen bis zum Out-

sourcing von Sekundärprozessen. Triaton

gehört mit über 500 Systemen zu einem

der führenden SAP-Dienstleister in Europa.

Kunden sollen sich auf das konzentrieren,

was sie am besten können – ihr Kernge-

schäft. Um das zu ermöglichen, bietet Triaton

IT-Lösungen im One-Stop-Shopping, die

die gesamte Bandbreite der Informations-

technologie abdecken. Der Vorteil für den

Kunden: er kann den Marktanforderungen

besser begegnen, innovative Akzente setzen

und sogar zum Vorreiter am Markt werden.

So wird der Kunde selbst zum "Business-

Processor".

Aus der langjährigen Tradition des IT-

Engagements im Bereich der Automobilzu-

lieferindustrie heraus hat Triaton schon seit

1995 Funktionen für die Just-in-Time-Pro-

duktion von Systemlieferanten (1. Tier

Supplier) der Automobilhersteller (OEM)

geschaffen. Heute ist es möglich, den

automobilen Systemzulieferern ein Modul-

konzept zur Unterstützung der Just-in-Time-

Produktionen ihrer Satellitenwerke an den

Standorten der Automobilhersteller zur

Verfügung zu stellen.

2 Triaton.Castrum Sequence

2.1 Funktionalität

In der Automobilzulieferindustrie hat

Supply Chain Management (SCM) eine

lange Tradition. Einer der komplexesten

Prozesse in der Fertigungssteuerung ist

die fahrzeugidentbezogene Anlieferung

von Systemteilen an das Endmontageband

des Automobilherstellers. Dieser Geschäft-

sprozess beinhaltet, dass der Systemliefe-

rant sein Produkt nicht nur „Just-in-Time“,

sondern auch spezifisch in der Ausstat-

tungsvariante für ein bestimmtes Fahrzeug

in der Reihenfolge der Verwendung am

Endmontageband anliefert.

Hierbei muss der Systemlieferant bereits

die Materialflüsse seiner Vorlieferanten in

die eigene Produktion unmittelbar berück-

sichtigen. Die hohe Zahl von Ausstattungs-

varianten der heutigen Automobilprodukti-

on bedingt, dass selbst Vorlieferanten auf-

grund der Vielzahl der Komponenten fahr-

zeugidentbezogen oder zumindest gemäß

KANBAN (Abruf beim Lieferanten behälter-

weise auf Basis des aktuellen Verbrauchs

in der Fertigung) und Just-in-Time den

Systemlieferanten beliefern (Bild 2).

Das modular aufgebaute Anwendungs-

Paket ‘Triaton.Castrum Sequence‘ ist für

die Kontrolle dieses speziellen “Just-in-

Sequence”-Fertigungsprozesses erstellt

Materialfluss zwischen den am Fertigungsprozess beteiligten Partnern (Bild 2)

Page 65: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

Triaton.Castrum Sequence – Der Leitstand für Just-in-Sequence Modul-Fertigung inder Automobilzulieferindustrie

65

forumThyssenKrupp 1/2002

worden. Dies bedeutet, dass folgende

wesentliche Funktionalitäten von einzelnen

Modulen unterstützt werden (Bild 3):

• produktionssynchrone Fertigungs-

abrufe des OEM

• Aufbau fahrzeugidentbezogener

Fertigungsdaten

• Plausibilitätsprüfungen zur Einhaltung

der Fahrzeug-Sequenz

• Ausdruck notwendiger Fertigungs-

papiere (Auftragspapiere/Barcode-

Etiketten/Kommisionierlisten)

• Integration von Fertigungs-Subsystemen

- Dokumentation der Drehmomente

von Tensor-Schraubsystemen (fahr-

zeugbezogene Qualitätsprüfung)

- Ansteuerung von Fördersystemen

(SPS-Steuerungen)

- Schnittstellen zu Test-Systemen

(Elektronik-Checks)

• Erfassung von Serial- oder Chargen-

nummern für dokumentationspflichtige

Teile (z.B. Airbag/Lenkung)

• Überprüfung oder alternative Steue-

rung der korrekten Modul-Sequenz

bei der Anlieferung an den Kunden

(OEM)

• Unterstützung von sequenzgenauer

Verpackung in Sonderladungsträgern.

2.2 Technologie

Das Anwendungs-Paket Triaton.Castrum

Sequence ist eine JAVA-basierte Anwen-

dung. Es nutzt Enterprise JavaBeans auf

einem Applikations-Server (BEA Weblogic

Server). Durch die Nutzung einer Drei-

schicht-Architektur sind Anwendungs-

daten, Funktionen des Systems und die

Benutzeroberfläche strikt voneinander

getrennt. Die Anwendung kann über jeden

Standard Personal-Computer per Internet-

Browser bedient werden. Weiterhin ermög-

licht diese Technologie eine den Kunden-

wünschen entsprechende Auslegung des

Gesamt-Anwendungssystems in Bezug auf

Performance und Ausfallsicherheit (Bild 4).

Durch die Nutzung der speziellen

Systemlogik der Applikationsserver wird

erreicht, dass parallel aufgebaute Server

im Betrieb sich bei Ausfall ohne Zeitverzug

gegenseitig ersetzen und im Normalbetrieb

die Systemlast gleichmäßig auf alle ver-

fügbaren Applikationsserver verteilt wird.

Hierdurch entsteht ein Anwendungspaket,

das in der Lage ist, in Hochverfügbarkeits-

szenarien eines Kunden Modulfertigungen

mit 1200 Fahrzeugen/Tag (Modulfertigung

im 30 Sekunden-Takt) zu steuern. Es können

hierbei gleichzeitig auch mehrere Montage-

Linien parallel unterstützt werden.

Die Geschäftsprozesse des Anwendung-

systems sind hierbei vollständig in die Pla-

nungssysteme des Kunden (Enterprise

Resource Planning) integrierbar. Insbeson-

dere verfügt das Anwendungspaket über

eine Standard-Schnittstelle zu SAP R/3

und unterstützt die Spezialfunktionen der

Branchenlösung SAP DI 4.6C (Discrete

Industry) im Bereich der Just-in-Time-

Fertigungslogik.

Das Anwendungspaket kann dabei in

zwei verschiedenen Installationsvarianten

genutzt werden:

• Castrum Sequence als Fertigungs-

leitstand

In dieser Variante dient CASTRUM als

führendes System zur Kontrolle des

gesamten Fertigungsprozesses der

Montagelinien, druckt die Fertigungs-

papiere, die benötigt werden und kon-

trolliert die Materialbestände der Ferti

gungslinien.

• Castrum Sequence als Notorganisa-

tionssystem

In dieser Variante wird die Sequenzfer-

tigung über Datenfernübertragung vom

zentralen Planungssystem des Kunden

(z.B. SAP R/3) gesteuert. Castrum

Sequence synchronisiert sich vollauto-

matisch mit der aktuellen Fertigungssi-

tuation und kann unverzüglich die Leit-

standsfunktionalität im Notfall (z.B. bei

Ausfall der Remote-Verbindung) über-

nehmen. Hierbei wird nach Wiederher-

Schematische Darstellung der Just-in-Sequence Fertigung mit Triaton.Castrum Sequence (Bild 3)

Page 66: forum · PDF fileRothe Erde ent-wickelte ein neues Verfahren zur Berechnung von Großwälzlagern in Verbindung mit kunden- ... und 600.000 Anlasszyklen bewegen kann:

Triaton.Castrum Sequence – Der Leitstand für Just-in-Sequence Modul-Fertigung inder Automobilzulieferindustrie

66

forumThyssenKrupp 1/2002

stellung der Funktionalität des führen-

den ERP-Systems die Kontrolle unter

Abgabe der kompletten Fertigungsin-

formationen für den Ausfallzeitraum

wieder an das ERP-System zurück-

gegeben.

2.3 Nutzen

Das modulare Anwendungspaket Castrum

Sequence ist in besonderer Weise dafür

geeignet, Systemlieferanten und führende

Logistikdienstleister beim Aufbau von

Sequenzfertigungen zu unterstützen. Die

Ausrichtung auf schlanke Logistik-Prozes-

se und vollautomatische Abläufe in der

Fertigung ermöglicht es, mit minimalen

Lagerbeständen in Losgröße 1 zu fertigen.

Dies bedeutet, dass Individualmodule

ohne die Notwendigkeit von kostenintensi-

ven Sicherheitsbeständen produziert wer-

den können.

Die Nutzung der modernen Software-

Architektur erweitert bestehende Pla-

nungssysteme mit Internet-Fähigkeit und

reduziert Hardware-Investitionen auf den

Kauf von Standard-Personal-Computern

an den Fertigungslinien. Aufgrund der

langjährigen Erfahrungen mit dem System

ist die Benutzeroberfläche speziell den

Bedürfnissen der einfachen Bedienbarkeit

im Montagebereich von Fertigungslinien

angepasst.

Diese Vorteile werden dabei aufgrund

der verwendeten Software-Architektur

ohne Verlust der Skalierbarkeit und der

Hochverfügbarkeit der Anwendung

erreicht.

3 Fazit

Mit dem Anwendungspaket ‘Triaton.

Castrum Sequence‘ verfügt Triaton über

eine Lösung für den automobilen System-

lieferanten und für führende Logistik-Dienst-

leister, die nicht nur innerhalb unseres

Konzerns die Just-in-Time-Fertigungslinien

von ThyssenKrupp steuert wie z.B. bei der

smart®-Produktion in Hambach, Frankreich

(Bild 1, Bild 5). Vielmehr ist das System

schon jetzt an sechs weiteren Standorten

außerhalb des Konzerns als Fertigungsleit-

stand im Einsatz. Dabei wird von den Kun-

den nicht nur die Funktionalität des

Systems genutzt, sondern gleichzeitig der

24h-Anwendungs-Support der Triaton als

sinnvolle Ergänzung in Anspruch genom-

men.

Systemarchitektur (Bild 4)

smart®-Montagelinie mit Ölbefüllung und End-prüfung (Bild 5)