Fallstudie: die Erste Grosse Debatte zwischen Idealismus und Realismus.
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Fallstudie: die Erste Grosse Debatte zwischen Idealismus und Realismus
Grosstheorien internationaler Beziehungen
sie formulieren unterschiedliche Prämissen und Annahmen
• über die Beschaffenheit, Qualität und Struktur des internationalen Milieus, d.h. des Handlungs(um)feldes internationaler Akteure;
• über Beschaffenheit, Qualität und Charakter der in diesem Handlungs(um)feld (überwiegend) handelnden Einheiten, d.h. der internationalen Akteure selbst;
• über die von diesen verfolgten Interessen und Ziele sowie über die
Mittel, die zur Verwirklichung dieser Interessen und Ziele gemeinhin eingesetzt werden.
IDEALISMUS REALISMUS
MENSCHENBILD
Der Mensch ist von Natur aus vernunftbegabt; er orientiert sein Handeln an vernunftbegründeten und deshalb für ihn einsehbaren Normen oder Idealen, die sein Handeln auf den Fortschritt zum Besseren verpflichten
Der Mensch ist eingebunden in die Widersprüche von Norm und Realität, von schöpferischen und zerstörerischen Verwirklichungs-Möglichkeiten der Freiheit. Aus diesen Widersprüchen resultiert Angst, aus der Angst der Versuch, durch Machterwerb Sicherheit zu gewinnen
ERKENNTNIS-INTERESSE
Bewahrung des Weltfriedens durch Überwindung der Staatenkonkurrenz zugunsten einer internationalistisch-kosmopolitischen Weltgesellschaft oder eines Weltstaates
Bewahrung des Weltfriedens durch Einsicht in die Lehren der Vergangenheit und deren Nutzung zur Lösung der Probleme der Gegenwart
FRAGE-STELLUNG
Welche Normen sind zu entwickeln, um
politisches Handeln am Ziel der
Verwirklichung des Weltfriedens zu
orientieren ?
Oder:
Wie soll internationale Politik beschaffen
sein ?
Welche vergleichbaren, typischen
Bedingungen, Formen, Triebkräfte
bestimmen die Beziehungen
zwischen den Staaten ?
Oder:
Wie ist internationale Politik
tatsächlich beschaffen?
Grundpositionen Idealismus –
Realismus Debatte
IDEALISMUS REALISMUS
GEGENSTAND
Weltgesellschaft als (im Entstehen begriffene)
Weltgemeinschaft der Individuen und
sozialen Gruppen
offenes, multipolares
Staatensystem ohne zentrale
Entscheidungs- oder
Sanktionsinstanz
HAUPTAKTEURE DER
INTERNATIONALEN POLITIK
Individuen und deren gesellschaftliche
Zusammenschlüsse (auch: grenz-
übergreifende nichtgouvernementale
Organisationen - INGOs)
Souveräne Nationalstaaten
HANDLUNGS-PRÄMISSE
Analogie zum Gesellschaftsvertrag und
zur Innenpolitik: die den anarchischen
Naturzustand im Staatsinnern
überwindenden Faktoren lassen sich als
ordnungsstiftende Elemente auf der
internationalen Ebene reproduzieren und
instrumentalisieren
Analogie zum
vorgesellschaftsvertraglichen
Naturzustand: mangels einer
den einzelstaatlichen
Souveränen übergeordneten
Zwangsgewalt befindet sich die
Staatenwelt im Zustand
internationaler Anarchie
Grundpositionen Idealismus –
Realismus Debatte
IDEALISMUS REALISMUS
HANDLUNGSZIELE
Herstellung einer internationalen Friedensordnung
Sicherung der staatlichen Eigenentwicklung und
Durchsetzung des Nationalinteresses in einer dem
Grunde nach feindlichen Umwelt; Stabilisierung des internationalen
Staatensystems
TYPISCHE MITTEL ZUR
VERWIRKLICHUNG DER ZIELE
Aufklärung über gemeinsame Interessen Erziehung zu normgerechtem Handeln Demokratisierung autokratischer
Herrschaftsgebilde Förderung der kollektiven Sicherheit und
der internationalen Zusammenarbeit spinnwebnetzartige Vermaschung
internationaler Organisationen im
Weltmaßstab
Erwerb, Erhalt, Vermehrung Demonstration von Macht Sicherheits-, Bündnis- und Gleichgewichtspolitik
notfalls militärische Selbsthilfe
oder Gewaltanwendung
HANDLUNGSMILIEU universaler Weltstaat bzw. universales Weltgemeinwesen
Strukturprinzip: horizontale Schichtung
Zersplittertes Milieu der Staatenwelt
Strukturprinzip: vertikale Segmentierung
Grundpositionen Idealismus –
Realismus Debatte
Menschenbild Der Mensch ist von Natur aus vernunftbegabt; er orientiert sein
Handeln an vernunftbegründeten und deshalb für ihn
einsehbaren Normen oder Idealen, die sein Handeln auf den
Fortschritt zum Besseren verpflichten
Erkenntnisinteresse Bewahrung des Weltfriedens durch Überwindung der
Staatenkonkurrenz zugunsten einer internationalistisch-
kosmopolitischen Weltgesellschaft oder eines Weltstaates
Fragestellung Welche Normen sind zu entwickeln, um politisches Handeln am
Ziel der Verwirklichung des Weltfriedens zu orientieren ?
Oder:
Wie soll internationale Politik beschaffen sein ?
Gegenstand Weltgesellschaft als (im Entstehen begriffene) Weltgemeinschaft
der Individuen und sozialen Gruppen
Hauptakteure der internationalen Politik
Individuen und deren gesellschaftliche Zusammenschlüsse (auch:
grenzübergreifende nichtgouvernementale Organisationen -
INGOs)
Handlungsprämisse Analogie zum Gesellschaftsvertrag und zur Innenpolitik: die den
anarchischen Naturzustand im Staatsinnern überwindenden
Faktoren lassen sich als ordnungsstiftende Elemente auf der
internationalen Ebene reproduzieren und instrumentalisieren
Handlungsziele Herstellung einer internationalen Friedensordnung
Handlungsmilieu universaler Weltstaat bzw. universales Weltgemeinwesen.
Strukturprinzip: horizontale Schichtung
Charakteristikum der
internationalen
Politik
Nichtnullsummenspiel
Der auf Fortentwicklung der Produktivkräfte und sich stetig
ausbildender internationaler Arbeitsteilung beruhende
Zuwachs an verteilbaren Wirtschaftsgütern im
freihändlerisch verfassten internationalen System erlaubt
die Befriedigung steigender Akteursansprüche aus der
Zuwachsmasse des Weltsozialprodukts
Menschenbild Der Mensch ist eingebunden in die Widersprüche von Norm
und Realität, von schöpferischer und zerstörerischer
Verwirklichungsmöglichkeiten der Freiheit. Aus diesen
Widersprüchen resultiert Angst, aus der Angst der Versuch,
durch Machterwerb Sicherheit zu gewinnen
Erkenntnisinteresse Bewahrung des Weltfriedens durch Einsicht in die Lehren der
Vergangenheit und deren Nutzung zur Lösung der Probleme
der Gegenwart
Fragestellung Welche vergleichbaren, typischen Bedingungen, Formen,
Triebkräfte bestimmen die Beziehungen zwischen den
Staaten ?
Oder:
Wie ist internationale Politik tatsächlich beschaffen?
Gegenstand offenes, multipolares Staatensystem ohne zentrale
Entscheidungs- oder Sanktionsinstanz
Hauptakteure der
internationalen Politik
Souveräne Nationalstaaten
Handlungsprämissen Analogie zum vorgesellschaftsvertraglichen Naturzustand:
mangels einer den einzelstaatlichen Souveränen
übergeordneten Zwangsgewalt befindet sich die Staatenwelt im
Zustand internationaler Anarchie
Handlungsziele Sicherung der staatlichen Eigenentwicklung und Durchsetzung
des Nationalinteresses in einer dem Grunde nach feindlichen
Umwelt; Stabilisierung des inter-nationalen Staatensystems
typische Mittel zur
Verwirklichung der
Ziele
Sicherheits-, Bündnis- und Gleichgewichtspolitik
notfalls militärische Selbsthilfe oder Gewaltanwendung
Erwerb, Erhalt, Vermehrung, Demonstration von Macht
Handlungsmilieu zersplittertes Milieu der Staatenwelt. Strukturprinzip:
vertikale Segmentierung
Charakteristikum
der internationalen
Politik
Nullsummenspiel
Die Gesamtmenge der im internationalen Staatensystem
verteilbaren Güter (Macht, Ressourcen, Einfluss) bleibt in
aller Regel unverändert; in der Staatenkonkurrenz geht der
Güterzuwachs eines Akteurs immer zu Lasten anderer
Kennlinien des klassischen Realismus
Historischer Hintergrund:
Radizierung von Herrschaft
Genese der friedens- und sicherheitsstiftenden Funktion des Territorialstaats
Trennung von Innen und Aussen
Entstehung des europäischen Staatensystems seit 1648/1713
Ideengeschichtliche Quellen:
Machiavelli
Hobbes
Idealtypisch-metaphorische Charakteristika der internationalen Politik
Entwicklung des Staatsräsongedankes als legitimatorischer Bezugspunkt für die Selbstbehauptung des modernen Territorialstaats.
Überwindung des innergesellschaftlichen Naturzustands durch die gesellschaftsvertragliche Begründung des Leviathan;
Legitimation von Herrschaft als Garant einer territorial abgegrenzten sicherheitsgemeinschaftlichen Schutzzone: Basis der Souveränitätsanspruchs; Freisetzung des Naturzustands-Konzepts zur Charakterisierung der Beziehung zwischen solchen Schutzzonen (d.h. souveränen Staaten)
Idealtypisch-metaphorische Charakteristika der internationalen Politik
Systemebene
anarchische Struktur
Sicherheitsdilemma: Erhöhung der eigenen Sicherheit durch Stärkung militärischer Fähigkeiten verringert die Sicherheit anderer; Folge: spiralenförmiger Rüstungswettlauf
Gleichgewicht der Mächte durch Abschreckung
Internationale Politik als Nullsummenspiel staatlicher Akteure um Macht, Ressourcen, Einfluss
Akteursebene
exklusiver Handlungsanspruch der Akteure im Bereich der „high politics“
Territorialität: Schutzfunktion der harten Schale
zweckrationales, nutzenmaximierendes /nutzen-optimierendes Handeln
Prinzip der (notfalls militärischen) Selbsthilfe bei der Durchsetzung von Interessen
Inhaltlich-perspektivische Differenzen von klassischem Realismus und Neorealismus
Gemeinsame Prämisse: Verhalten von Staaten über Zeit und Raum zeigt mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede
Realismus Neorealismus
Dominanz des Akteurs
Akteursverhalten bestimmt durch anthropozentrische Grundannahme:
Machtstreben
Charakteristische Eigenschaften, Situationsdefinitionen und
Zielsetzungen der Akteure eines Systems bestimmen dessen
Verhaltensergebnisse
(„bottom-up-view“)(„bottom-up-view“)
Dominanz des internationalen Systems
Akteursverhalten bestimmt durch systemische Grundannahme: strukturelle
Anarchie
Struktur des Systems (Verteilung der Macht unter den Akteuren) bestimmt
das Interaktionsverhalten der Akteure und die Verhaltensergebnisse
( „top-down-view“)( „top-down-view“)
Realismus Neorealismus
Primat des in Kategorien von Macht definierten National-interesses
Erwerb, Vermehrung, Demon-stration von Macht als Zweck der
Aussenpolitik des Akteurs
Maximierung von Macht als absoluter Gewinn im
Nullsummenspiel der Akteure
Sicherung der nationalen Souveränität als Voraussetzung des Überlebens des Akteurs
in einer feindlichen Umwelt
Primat der Sicherheit
Selbsthilfe
Verteidigung der Akteursposition im System relativ zu den
Positionen anderer Akteure
Herstellung und Sicherung des Gleichgewichts im System als Voraussetzung des Überlebens
der Akteure unter Anarchie
Internationale Beziehungen
Erkenntnisinteresse
Zivilisierung des Konfliktaustrags:
Reduzierung gewaltsamer Formen, Strukturen und Prozesse des Konfliktaustrags zugunsten der Förderung zunehmend gewaltfreier, rechtsförmiger Modi der Konfliktbearbeitung.
Akteure Nationalstaaten
Prozesse Nullsummenspielartige Konkurrenz um Macht, Einfluss und Ressourcen
Strukturprinzip Sicherheitsdilemma
Milieu Staatenwelt als internationaler anarchischer Naturzustand
Friedenskonzept Sicherheit des Akteurs (als Voraussetzung seines Überlebens)
(Erklärungs-)Ansatzebene
(außengerichtetes) Aktions-/Interaktionsverhalten der Akteure („unit-level-explanation“)
Mittel Machtakkumulation, (gewaltsame) Selbsthilfe zur Durchsetzung von Eigeninteressen, Abschreckung, Gleichgewichtspolitik
Schlagwort Abschreckungsfrieden unter Anarchie
Friedensschaffende Leitprinzipien klassischer Großtheorien:Friedensschaffende Leitprinzipien klassischer Großtheorien:
REALISMUS
REALISMUS
Akteure Nationalstaaten
Prozesse Konflikt und Kooperation im Rahmen gemeinschaftlich anerkannter Verhaltensregeln
und (informeller wie formeller) Institutionen
Strukturprinzip Kontrolle des Machtstrebens und der Machtausübung der Akteure
in der internationalen
Anarchie
Milieu Staatenwelt als rechtlich verfasste internationale Staatengesellschaft
Friedenskonzept Garantie der Erwartungsverlässlichkeit des
Akteurshandelns in der internationalen (Rechts-) Ordnung
(„pacta sunt servanda“) (Erklärungs-)Ansatzebene
Vergesellschaftung/ Systembildung der Akteure; Phänomen der „governance without
government“
Mittel Ausbildung eines Konsenses der Akteure über gemeinschaftliche Interessen,
(Selbstbindende Verhaltens-) Regeln und Institutionen; insbes. Anerkennung/
Befolgung von Verhaltensregeln, die die Gewaltausübung in der Staatengesellschaft
einhegen, beschränken, reduzieren
Schlagwort (Rechts-)Ordnungsfrieden unter regulierter Anarchie
ENGLISCHESCHULE
ENGLISCHESCHULE
Akteure individuelle, gesellschaftliche, nationalstaatliche Akteure
Prozesse internationale Arbeitsteilung und funktionale Vernetzung als Ergebnis wie als Voraussetzung wissenschaftlicher, technischer, ökonomischer und politischer
Modernisierung
Strukturprinzip Kooperation und Interdependenz
Milieu Staaten- und Gesellschaftswelt als Friedensgemeinschaft liberaler Demokratien
Friedenskonzept Fortschreitende Verwirklichung von Freiheit, Gerechtigkeit, Wohlfahrt als menschliche Existenzbedingungen plus Intensivierung der internationalen
Kooperation plus Förderung der Modernisierung als Bedingung moralischer Perfektibilität wie zunehmender Wohlfahrt der Menschheit
(Erklärungs-)Ansatzebene
Politische/ sozioökonomische Binnenstruktur der Akteure („inside-out-explanation“)
Mittel Freihandel, Förderung der internationalen Organisation und kollektiven Sicherheit, Demokratisierung der Akteure im Lichte von Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechtsverwirklichung, Aufklärung über gemeinsame (Menschheits-) Interessen und Erziehung zu kompromißhafter, interessenausgleichender
Konfliktbearbeitung
Schlagwort Demokratischer Frieden unter Kooperation
LIBERALER INTERNATIONA
-LISMUS
LIBERALER INTERNATIONA
-LISMUS
Literaturtipp
Klassiker der Internationalen Beziehungen
• Hedley Bull: The Anarchical Society. A Study of Order in World Politics. 3. Aufl.Basingstoke: Palgrave Macmillan 2002
• Edward Hallett Carr: The Twenty Years’ Crisis 1919 – 1939. An Introduction to the Study of International Relations. 2.Aufl. London: Macmillan 1974
• Hans J. Morgenthau: Politics Among Nations. New York:Alfred A.Knopf 1960• Edward L.Morse: Modernization and the Transformation of International
Relations. New York: Free Press 1976• Kenneth N. Waltz: Man, the state and war. A theoretical analysis. New York:
Columbia UP 1959• Adam Watson: The Evolution of International Society. A comparative
historical analysis. London: Routledge 1992• Martin Wight: International Theory. The three traditions, ed. Gabriele Wight &
Brian Porter. Leicester: Leicester U.P. 1991• Und zur Kritik der Realistischen Schule umfassend John A. Vasquez:
The Power of Power Politics: From Classical Realism to Neo-traditionalism. Cambridge UP 1998
Fazit: Konsequenzen unterschiedlicher Großtheorien –
Verschiedenheit der (wissenschaftlichen) Weltsichten