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102 Reisen Migros-Magazin 26, 26. Juni 2006 W elch atemberaubende Aus- sicht:Im Osten die beiden scharfzackigen Mythen, un- ten im Tal der Lauerzersee, dlich, unverkennbar – die Rigi. Nur dort links, da scheint etwas nicht zu stimmen. Dort weist der 1533 Meter hohe Gnipen an seiner Flanke eine ganz eigenartige F orm auf,als wäre der F els abgehobelt worden. Die Wunde in der Landschaft stammt von einer verheerenden Naturkatastrophe, dem Goldauer Bergsturz. Am 2. Septem- ber 1806 sten sich auf der Fläche eines halben Quadratkilometers 40 Millionen Kubikmeter Gestein. 457 Menschen und 323 Sck Vieh fielen dem schlimmen Ereignis zum Opfer , und 111 W ohnhäuser wurden zerstört. Die F elsmassen lösten im Lauerzersee einen Tsunami aus – 198 Jah- re,bevor dieses W ort überhaupt in unser Bewusstsein drang. V erhängnisvoller Dauerregen «Wir leben mit dem Berg. Und der Berg- sturz ist auchnach 200 Jahren ein Thema. Er gehört einfach zu Goldau», sagt Mar- grit Betschart (50),Gemeinderätin in Arth, zu dem Goldau gehört. Sie erklärt, wes- halb sich der Fels gelöst hat: «Das Gestein besteht aus Nagelfluh, einem lockeren Material, das durch Mergel zusammen- gehalten wird. W eil es mehrere W ochen lang regnete, weichte sich dieser auf und es kam zur Katastrophe. Dadurch wurde fast die ganze Bevölkerung ausgelöschtZum 200. Jahrestag des verhängnis- vollen Unglücks wird bei der Bergsturz- spur von Lauerz bis auf den Gnipen hinauf ein Themenweg eröffnet. Auf diesem kön- nen sich Wanderer ein Bild von der Katas- trophe machen und die Fauna und Flora im Bergsturzgebiet bewundern. Anlandschaftlich besonders attrak- ti ven Punkten hat eine F orstgruppe unter Mithilfe von Oberstufenschülerinnen und -schülern Grillplätze eingerichtet. Nicht einmal ums Holz fürs Servelatbraten muss man sichkümmern. Die V erantwortlichen für den Wanderweg stellen es zur V er- fügung. Im Talboden führt dieser W eg von Lauerz aus zunächst durch den Natur park rund umdas idyllische Goldseeli, weiter durch die Ortschaft Goldau und hinein in die lder am Gnipen. Dort hat sichnach dem Bergsturz eine spezielle Florabreit- gemacht, mit mehr als 30 verschiedenen Orchideenarten. W er einen Blick hinaufwirft, erkennt eine neue Wunde im Wald. Bei den ver- heerenden Unwettern im letzten August hat sich ein Murgang gelöst, ist bis ins Tal vorgedrungen und hat tonnenweise Ge- «W i r le ben mi t dem Be r g. De r Be r gsturz i st bi s he ut e ein ThemaAl s Goldau im Schutt versank Der Bergsturz von Goldau SZ erschütterte vor 200 Jahren die Schweiz. Hunderte Menschen starben. Am Freitag wird ein Themenpfad zu dieser nationalen Katastrophe eröffnet. stein und ume mit sich gerissen – der Berg lebt. Der neue Goldauer Themenweg ist auf seiner ganzen nge in etwa drei Stunden zu bewältigen. Etwa zwei Drittel der Stre- cke sind in steilem Gelände angelegt, und Am Goldseeli: Margrit Betschart, Gemeinderätin aus Arth, geniesst den neuen Weg im Naturpark. Ausug ins Bergsturzgebiet: Eine Schulklasse beim steilen Aufstieg.

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102 Reisen Migros-Magazin 26, 26. Juni 2006

Welch atemberaubende Aus-sicht: Im Osten die beidenscharfzackigen Mythen, un-ten im Tal der Lauerzersee,

südlich, unverkennbar – die Rigi. Nur dort links, da scheint etwas nicht zu stimmen.Dort weist der 1533 Meter hohe Gnipen anseiner Flanke eine ganz eigenartige Formauf, als wäre der Fels abgehobelt worden.

Die Wunde in der Landschaft stammt von einer verheerenden Naturkatastrophe,dem Goldauer Bergsturz. Am 2.Septem-ber 1806 lösten sich auf der Fläche eines halben Quadratkilometers 40 MillionenKubikmeter Gestein. 457 Menschen und323 Stück Vieh fielen dem schlimmenEreignis zum Opfer, und 111 Wohnhäuser wurden zerstört. Die Felsmassen lösten imLauerzersee einen Tsunami aus – 198 Jah-re, bevor dieses Wort überhaupt in unser Bewusstsein drang.

Verhängnisvoller Dauerregen«Wir leben mit dem Berg. Und der Berg-sturz ist auch nach 200 Jahren ein Thema.Er gehört einfach zu Goldau», sagt Mar-grit Betschart (50), Gemeinde rätin in Arth,zu dem Goldau gehört. Sie erklärt, wes-halb sich der Fels gelöst hat: «Das Gesteinbesteht aus Nagelfl uh, einem lockerenMaterial, das durch Mergel zusammen-gehalten wird. Weil es mehrere Wochenlang regnete, weichte sich dieser auf undes kam zur Kata strophe. Dadurch wurdefast die ganze Bevölkerung ausgelöscht.»

Zum 200. Jahrestag des verhängnis-vollen Unglücks wird bei der Bergsturz-spur von Lauerz bis auf den Gnipen hinaufein Themenweg eröffnet. Auf diesem kön-nen sich Wanderer ein Bild von der Katas-trophe machen und die Fauna und Flora imBergsturzgebiet bewundern.

An landschaftlich besonders attrak-tiven Punkten hat eine Forstgruppe unter Mithilfe von Oberstufenschülerinnen und-schülern Grillplätze eingerichtet. Nicht einmal ums Holz fürs Servelatbraten muss man sich kümmern. Die Verantwortlichenfür den Wanderweg stellen es zur Ver-fügung. Im Talboden führt dieser Weg vonLauerz aus zunächst durch den Naturparkrund um das idyllische Goldseeli, weiter durch die Ortschaft Goldau und hinein indie Wälder am Gnipen. Dort hat sich nachdem Bergsturz eine spezielle Flora breit-gemacht, mit mehr als 30 verschiedenenOrchideenarten.

Wer einen Blick hinaufwirft, erkennt eine neue Wunde im Wald. Bei den ver-heerenden Unwettern im letzten August hat sich ein Murgang gelöst, ist bis ins Talvorgedrungen und hat tonnenweise Ge-

«Wir leben mit dem Berg. Der Bergsturz ist bis heute einThema.»

Als Goldau imSchutt versankDer Bergsturz von Goldau SZ erschütterte vor 200 Jahrendie Schweiz. HunderteMenschen starben. Am Freitag wirdein Themenpfad zu dieser nationalen Katastrophe eröffnet.

stein und Bäume mit sich gerissen – der Berg lebt.

Der neue Goldauer Themenweg ist aufseiner ganzen Länge in etwa drei Stundenzu bewältigen. Etwa zwei Drittel der Stre-cke sind in steilem Gelände angelegt, und

Am Goldseeli: Margrit Betschart, Gemeinderätinaus Arth, geniesst den neuen Weg im Naturpark.

Ausfl ug ins Bergsturzgebiet: Eine Schulklassebeim steilen Aufstieg.

103ReisenMigros-Magazin 26, 26. Juni 2006

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«Bähnlifreaks» wissen, dass es bei Bergüneinen Bahnlehrpfad gibt. Auch dürftevielen bekannt sein, dass in Appenzell einWitzweg existiert, in Arosa ein Eichhörn-chenweg oder auf der Lenzerheide einGlobiweg. Wie wärs mit einem der zahl-reichen für die ganze Familie interessantenLehrpfade und Themenwege? Die nach-stehend erwähnten Routen sind nur 25 vonmehr als 500 im Land.• Safran-Erlebnisweg, Mund VS (neu)• Olivenpfad Gandria TI (neu)• Kastanienweg Arosio TI• Spielspazierweg Cardada/Orselina TI• Rätoromanisch-Sprachlehrweg Flims GR• Murmeltierpfad Avers GR• Toggenburger Klangweg SG• Toggenburger Sagenweg SG• Sagenweg Flumserberg SG• Schabzigerweg Mollis GL• Industrie-Lehrweg Zürcher Oberland• Schmetterlingspfad Lungern OW• Luchstrail Lenk BE• Kristallweg Guttannen BE• Industriepfad Luterbach SO• Planetenweg Weissenstein SO• Industrieweg Pratteln BL• Solar- und Windenergieweg St-Imier BE• Märchenweg Diemtigtal BE• Ameisenweg Château d’Oex VD• Moorpfad Yverdon VD• Geologischer Lehrpfad Binntal VS• Schlemmer-Wanderweg Conthey VS• Lucky-Luke-Trail Ovronnaz VS• Gemüsepfad Kerzers FR

Infos auf www.myswitzerland.com/deim Kapitel Familienferien.

Immer dem Thema nach

somit ungeeignet für Kinderwagen oder Leute, die schlecht zu Fuss sind. Währenddes ganzen Jahres finden in der RegionVeranstaltungen zum Thema statt: Exkur-sionen ins Bergsturzgelände, Vor träge,Ausstellungen oder Kindermusicals. Die

offi zielle Gedenkfeier am 2.September steht zudem unter dem Motto «Tod undVerwüstung – Aufbruch und Neues».

Text Carl Bieler, Bilder Roberto Ceccarelli

Infos: www.bergsturz.chAm 31. August zeigt SF1 einen Bericht zum Thema.

Gefährlicher Nagel-fl uh: Der Bergsturz,dessen Spuren links

im Bild sichtbar sind,löste im Lauerzerseeeinen Tsunami aus.

104 Reisen Migros-Magazin 26, 26. Juni 2006

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Der Kulturauf der SpurUnterwegs in der Vergangenheit.

Alte Verkehrswege sindZeugen des einstigenHandels. Ob römische

Fahrstrassen oder mittelalter-liche Saumwege – an vielenOrten erinnern Brücken, Mau-ern und Strassenpflästerungenan die Zeit, als man noch geruh-sam zu Fuss oder mit Pferde-fuhrwerken unterwegs war.Alle diese historischen Zeugenfügen sich harmonisch in dieKulturlandschaft ein.

Die Geschichte erwandernDas «Zentrum für Verkehrs-geschichte, Via Storia» setzt sich dafür ein, dass die einsti-gen Verkehrswege touristischgenutzt werden. Was mit denJakobswegendurchdieSchweiz und dem Ecomuseum Simplonbegonnen hat, findet nun ineinem umfassenden Projekt «Kulturwege Schweiz» eineFortsetzung.

Die zwölf Kulturwegroutensollen bis im Sommer nächstenJahres realisiert sein. All dieseWege können in Etappen zu-rückgelegt werden, am erleb-nisreichsten zu Fuss oder mit dem Velo.

Die Philosophie von Kul-turwege Schweiz lautet: Einensanften Tourismus mit sorg-losem Wandern, gutem Essenund Trinken, stilvollem Über-nachten geniessen und dabeidie Schönheiten des Landes mit allen Sinnen erleben. Ho-tels und Restaurants mit beson-derer Atmosphäre und einemtypischen Angebot werden ins Programm aufgenommen.

Die regionalen Verkehrs-büros bieten Packages in ver-schiedenen Preislagen an, dieein unbeschwertes Erlebnis er-möglichen: Übernachtungen,Routeninformationen, Gepäck-transport und so weiter.

Folgen Sie für einmal denSpuren von Säumern, Pil-gerinnen, Fuhrknechten undrömischen Legionären. Undlassen Sie dabei die Vergan-genheit aufleben. Carl Bieler

• Buchtipp: Basel–Gotthard – Zu Fuss querdurch die Kulturlandschaft Schweiz,Appenzeller Verlag, Herisau, Fr. 42.–

• Broschüren zum Thema: ErlebnismagazinSchweiz. Bisher sind erschienen: Wallis undBern–Freiburg–Solothurn. Einzelnummer Fr. 8.–Ausgaben über weitere Regionen folgen.Zu beziehen über [email protected]

• Infos: www.viastoria.ch,www.kulturwege-schweiz.ch

Historischgekleidete

Pilgergruppeauf einer

Brücke beiMatran FR.

BILD

HANS

DIET

ERFINK

/VIA

STOR

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