Energiewirtschaftlicher Ordnungsrahmen - Grundlagen - Vorlesung Sommersemester 2015 an der...
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Energiewirtschaftlicher Ordnungsrahmen
- Grundlagen -Vorlesung
Sommersemester 2015an der
Fachhochschule DüsseldorfFB 7: Wirtschaft
Lehrbeauftragter: Rechtsanwalt Dr. Ralf Schäfer
Energiewirtschaftlicher Ordnungsrahmen - Grundlagen -
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Grundlagen
Energie(wirtschafts)recht ist Teil der Gesamtrechtsordnung
Energie(wirtschafts)recht wird angewendet/ funktioniert wird durchgesetztwie andere Gebiete der Rechtsordnung
Allgemeine Prinzipien der Rechtstheorie gelten also auch für das Energie(wirtschafts)recht
Energiewirtschaftlicher Ordnungsrahmen - Grundlagen -
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Grundlagen- Rechtstheorie -
Begriff: Rechtstheorie umfasst folgende Aspekte Begriff und Funktionen des Rechts Geltungsgrund Recht und Moral / Ethik Recht und Gerechtigkeit Rechtsquellen / Normenhierarchie /
Gerichtsbarkeit Rechtsanwendung (Juristische
Methodenlehre)
Rechtsphilosophie
Energiewirtschaftlicher Ordnungsrahmen - Grundlagen -
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Grundlagen- Rechtstheorie -
Funktionen: Beschreibung der Grundlagen und Funktionsweisen des Rechts möglichen Geltungsgründe von Recht Folgen der Anwendungsmethoden von Recht
Ziele: Aufzeigung der Gründe für die Notwendigkeit von
Gesetzesgehorsam der geschichtlichen, wirtschaftlichen, politischen und
weltanschaulichen Einbettung von Recht in eine Gesellschaft/ Gemeinschaft
Energiewirtschaftlicher Ordnungsrahmen - Grundlagen -
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Grundlagen- Begriff und Funktionen des Rechts -
Begriff kein einheitlicher, allgemein akzeptierter Rechtsbegriff (seit
2500 Jahren)• DDR-Mauerschützenprozess• Mafia-Kodex
Definitionsversuch:Recht = alle vom Gesetzgeber erlassenen und / oder von den Gerichten angewendeten Vorschriften
Rechtspositivistischer Ansatz – kontinental-europäische Tradition
Bedeutung des Richterrechts – anglo-amerikanische Rechtstradition
Ergänzende (korrigierende) Aspekte Geltungsgrund Rechtsquellen Gerechtigkeit
Energiewirtschaftlicher Ordnungsrahmen - Grundlagen -
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Grundlagen- Begriffe und Funktionen des Rechts -
Funktionen – Allgemeines Steuerung, Organisation und Kontrolle gesellschaftlichen
Zusammenlebens Kanalisierung des menschlichen Verlangens nach
Bedürfnisbefriedigung in einer Welt der Güterknappheit Funktionen – im Einzelnen (Auswahl)
formale Ordnungsfunktion (Bsp.: Straßenverkehr) Gestaltungs- / Steuerungsfunktion (Bsp.:
Umweltschutzgesetzgebung) Befriedungscharakter (Bsp.: Gewaltmonopol des
Staates / Streitentscheidung) Schutzfunktion (Bsp.: Grundrechte)
Energiewirtschaftlicher Ordnungsrahmen - Grundlagen -
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Grundlagen- Geltungsgrund -
Geltungsgrund kein einheitlicher / allgemein akzeptierter
Geltungsgrund wesentliche Geltungs(Akzeptanz)gründe (Auswahl)
• Vermeidung von Sanktionen• Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung• moralische Wirkung auf den Einzelnen• überwiegende gesellschaftliche Akzeptanz
Verbindung von Recht und Moral / Ethik
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Grundlagen- Recht und Moral / Ethik -
Recht ≠ Moral / Ethik Moral / Ethik:
Regelsystem für menschliches Verhalten, das auf kultureller Erfahrung, Religion, philosophischer Anschauung beruht
Befolgung von sittlichen Normen erfolgt aufgrund von Einsicht, nicht aufgrund staatlichen Zwangs
Verbindung von Recht und Moral / Ethik sog. Grundwerte
(= fundamentale Wertvorstellungen über das menschliche Zusammenleben in einer Gesellschaft innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts)
kein Recht ohne moralische /ethische Wertvorstellungen Moral / Ethik als Ziel des Rechts
(= Schutz und Verwirklichung der Werteordnung)
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Grundlagen- Recht und Gerechtigkeit -
Gerechtigkeit: Begriffsentwicklung ursprünglich:
Recht = Gerechtigkeit heute:
Trennung von Recht und Gerechtigkeit Möglichkeit, geltendes formales Recht an einen gesonderten (Gerechtigkeits)Maßstab zu messen
Gerechtigkeit: Begriffsinhalt keine allgemein anerkannte Definition nicht: das einzig Richtige / Wahre Aspekte:
- sittliches Gutes / Billigenswertes- Appell an Willen und Einstellung des Einzelnen, jedem anderen
„sein“ Recht zuzugestehen- Ausgleich von Freiheit / Gleichheit / Gemeinwohl
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Grundlagen- Recht und Gerechtigkeit –
(Fortsetzung)
Gerechtigkeit: Arten austeilende (verteilende) Gerechtigkeit
= Regelung der (Um)Verteilung (Zuteilung) von knappen Gütern und des Verteilungsverfahrens
ausgleichende Gerechtigkeit= Regelung der Gleichwertigkeit beim Austausch von Gütern (gerechter Lohn, gerechter Preis)
Gerechtigkeit: Funktionen Beendigung von Streit und Konflikten Schaffung von Frieden
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Grundlagen- Recht und Gerechtigkeit –
(Fortsetzung) Gerechtigkeit. (Philosophische) Herleitung
Empirische Erfahrungen (was „empfindet“ die Mehrheit als „gerecht“)
Verfahrensgestaltung (Gerechtigkeit durch Verfahren?) materielle Aspekte
• Naturrecht:fundamentale, vorstaatliche Rechte, die dem Zugriff des Staates entzogen sind (Ursprung: Religion oder Vernunft)
• Stiftung von Nutzen:Gerechtigkeit ist die Verwirklichung des größtmöglichen Glücks für die größtmögliche Zahl von Menschen
• Einsicht:Akzeptanz eines gerechten Gemeinwesens, weil die damit verbundene Hinnahme der Freiheitsbeschränkung von Nutzen für alle ist
• Gleichheit:Gerechtigkeit ist die Herstellung von Gleichheit bei der Verteilung von knappen Gütern
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Grundlagen- Recht und Gerechtigkeit –
(Fortsetzung)
Gerechtigkeit: Fazit Feststellung von Gerechtigkeit ist unmöglich; nur
Annäherung denkbar Feststellung von Ungerechtigkeit ist leichter
möglich Funktion von Gerechtigkeit:
Erkennbarmachung / Beschreibung von Ungerechtigkeit
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Grundlagen- Rechtsquellen / Normenhierarchie /
Gerichtsbarkeit -
Rechtsquellen Begriff
Jede von einem Gesetz-/ Normgeber erlassene Regelung, die für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen für eine unbestimmte Zahl von Personen Geltung beansprucht (Allgemeinheitsaspekt)
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Grundlagen- Rechtsquellen / Normenhierarchie /
Gerichtsbarkeit –(Fortsetzung) Rechtsquellen (Fortsetzung)
Arten• Völkerrecht
- Allgemeine Regeln des Völkerrechts (insb. der allgemein anerkannten Rechtsprinzipien, Völkergewohnheitsrecht)
- Völkerrechtliche Verträge• Europarecht
- Primärrecht (EU-Verträge)- Sekundärrecht (Richtlinien, Verordnungen, Entscheidungen)
• Nationales Verfassungsrecht (Grundgesetz, Landesverfassungen)• (einfache) Parlamentsgesetze (von Bund und Ländern)• Rechtsverordnungen (von Bund und Ländern)• Satzungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften• Gewohnheitsrecht?• Arbeitsrechtliche Kollektivverträge (Tarifverträge)• Richterrecht? (Lückenfüllung / Richtlinienfunktion /
Normenverwerfungskompetenz / Gesetzeskraft / „case law“)
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Grundlagen- Rechtsquellen / Normenhierarchie /
Gerichtsbarkeit –(Fortsetzung)
Normenhierarchie Stufenbau der Rechtsordnung / Normkollisionen/
Anwendungsvorgang Rangfolge
• EU-Recht• Grundgesetz• Allgemeine Regeln des Völkerrechts• Bundesgesetze• Rechtsverordnungen / Satzungen auf Bundesebene• Landesverfassungen• Landesgesetze• Rechtsverordnungen / Satzungen auf Landesebene• Gewohnheitsrecht• Kollektivarbeitsverträge
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Grundlagen- Rechtsquellen / Normenhierarchie /
Gerichtsbarkeit –(Fortsetzung)
Gerichtsbarkeit – Aufbau (Überblick) Völkerrechtsebene
• Internationaler Gerichtshof (auf Basis der UN-Charta), Sitz: Den Haag
• Streitschlichtung zwischen Staaten EU-Ebene
• Europäischer Gerichtshof (auf Basis der EU-Verträge), Sitz: Luxemburg
• Einhaltung der EG-Verträge durch die Mitgliedstaaten• kein Instanzgericht
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Grundlagen- Rechtsquellen / Normenhierarchie /
Gerichtsbarkeit –(Fortsetzung)
Gerichtsbarkeit – Aufbau (Überblick) (Fortsetzung) Nationale Ebene
• Bundesverfassungsgericht; Sitz: Karlsruhe- Einhaltung des Grundgesetzes durch Staatsorgane- kein Instanzgericht
• Bundesgerichte(Bundesgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht, Bundesarbeitsgericht, Bundessozialgericht, Bundesfinanzhof)
• Landesverfassungsgerichte; Nordrhein-Westfalen: Sitz in Münster• Fachgerichte
- für Zivil- und Strafrecht (Amts- / Land- / Oberlandesgerichte)- für Arbeitsrecht (Arbeitsgerichte / Landesarbeitsgerichte)- für Sozialrecht (Sozialgerichte / Landessozialgerichte)- für Verwaltungsrecht (Verwaltungsgerichte /
Oberverwaltungsgerichte)- für Steuerrecht (Finanzgerichte)
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Grundlagen- Rechtsanwendung -
BegriffAnwendung des geltenden Rechts auf einen konkreten Lebenssachverhalt („Fall“)
Grundstruktur Sachverhaltsfeststellung Aufsuchen der maßgeblichen Rechtsnorm(en) Subsumtion des Lebenssachverhalts unter maßgebliche(n)
Norm(en) Ausspruch der Rechtsfolge
Rechtsanwendung und Methodenlehre Methodenlehre = Festlegung der Anwendungsprinzipien Methodenehrlichkeit und –treue = Selbstkontrolle des
Rechtsanwenders / Bewirkung von „innerer“ Moralität des Rechts
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Grundlagen- Rechtsanwendung –
(Fortsetzung) Rechtsanwendungsmethoden (Übersicht)
Juristischer Syllogismus Normauslegung Rechtsanwendung im Lückenbereich
Juristischer Syllogismus (Logik) Begriff: Schluss von zwei Prämissen auf einen
Schlusssatz Beispiel:
• Alle Körperverletzer werden bestraft• Wer einen Schnitt in den Arm eines anderen erzeugt,
ist ein Körperverletzer• Wer einen Schnitt in den Arm eines anderen erzeugt,
wird bestraft
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Grundlagen- Rechtsanwendung –
(Fortsetzung) Normauslegung
objektive Auslegung (=Wille „des“ Gesetzes ist maßgeblich) vs. subjektive Auslegung (= Wille des Gesetzgebers ist maßgeblich)
Auslegungskriterien• Wortlaut
Ausgangspunkt / keine fixe Bindung• Systematik
- Ziel: Widerspruchsfreiheit innerhalb eines Normenkomplexes- Konkurrenzen (allgemeine / spezielle Norm; jüngere / ältere Norm;
höherrangige /niederrangige Norm)- Gesetzliche Definitionskataloge (EnWG, KWG)
• EntstehungsgeschichteBerücksichtigung der Entstehung einer Norm (insb.: Gesetzgebungsverfahren)
• NormzweckWille des Gesetzgebers als maßgebliches Auslegungsziel; Berücksichtigung des Wandels der Lebensverhältnisse im Laufe der Zeit
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Grundlagen- Rechtsanwendung –
(Fortsetzung)
Normauslegung (Fortsetzung) Sonderfall: Systemkonforme Auslegung
• keine Auslegungsmethode im o. g. Sinn, sondern Methode zur Vermeidung von Verstößen gegen höherrangiges Recht
• Ziele- Verwerfung aller Auslegungsergebnisse, die gegen
höherrangiges Recht verstoßen- Normerhaltung und -durchsetzung
• Arten- Verfassungskonforme Auslegung- Gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung
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Grundlagen- Rechtsanwendung –
(Fortsetzung)
Rechtsanwendung im Lückenbereich Ausgangspunkt
Planwidrige (ungewollte) Lücke / Unvollständigkeit im Gesetz
Arten• anfängliche / nachträgliche Lücke• Norm- / Gesetzes- / Gebietslücken
Unzulässigkeit im Strafrecht (Art. 103 Absatz 2 Grundgesetz)
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Grundlagen- Rechtsanwendung –
(Fortsetzung) Rechtsanwendung im Lückenbereich
Vorgehen• Lückenschließung durch Richter• Instrumente
- Analogie (Gesetzes- / Rechtsanalogie; Bsp.: PartG/ nicht eheliche Lebensgemeinschaft)
- (Erst-Recht-Schluss; Bsp.: Prüfungsrecht/ Hilfsmittel)- Umkehrschluss (Bsp.: Unterhaltspflicht Verwandte/
Geschwister)- Teleologische Reduktion / Extension (Bsp.: Abtretung
unpfändbarer Forderungen/ rechtlich indifferente Geschäfte des Minderjährigen)
- „Natur der Sache“ / freie richterliche Normsetzung? (Bsp.: Ausgleich von Lebenshaltungskosten in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft)
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Prüfungsrelevante Kontrollfragen
Was ist Recht und was sind seine wesentlichen Funktionen?
Was ist der Unterschied von Recht einerseits und Moral/Ethik andererseits? Was ist Gerechtigkeit und was sind die Funktionen von Recht und Gerechtigkeit?
Was ist eine Rechtsquelle (Definition)? Welche Rechtsquellen kennen Sie?
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Grundlagen- Literaturhinweise –
Rüthers, Bernd, Rechtstheorie, 4. Auflage, München 2008
Zippelius, Reinhold, Rechtsphilosophie, 5.Auflage, München 2007