Einführung in die ökonomische Theoriengeschichte · Ökonomie – Éléments d’économie...
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Prof. Heinrich Bortis. Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte
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Theoriengeschichte (Dogmengeschichte)
Einführung in die ökonomische Theoriengeschichte
I. Vorbemerkungen
1. Definition: Geschichte des systematischen volkswirtschaftlichen Denkens
2. Die grossen Problemkreise: Wert und Preis, Verteilung, Proportionen und Strukturen,
Beschäftigung (& Wachstum, Konjunktur, wirtschaftliche Entwicklung), Geld
(Monetarisierte Wirtschaft und monetäre Theorie der Produktion), internationaler Handel
3. Untersuchungsobjekt (Materialobjekt) der DG: die grossen Denksysteme
II. Zweck des Studiums der Theoriengeschichte
1. Nutzen des Studiums der Theoriengeschichte
2. Überblick über unterschiedliche theoretische Ansätze gewinnen
3. Theoriengeschichte als Orientierungshilfe in der heutigen Theorienvielfalt und
Informationsflut
III. Theorien und ihre historische Entwicklung
1. Heute bestehende Theorien: Übersichtsschema (unterste Blöcke)
2. Historische Entwicklung: Übersichtsschema und Überblick über die Gesamtvorlesung
3. Grosse Stationen der Theoriengeschichte: Entwicklung der Ökonomie (Economics) und
der Politischen Ökonomie (Political Economy)
IV. Sozialphilosophie und Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
1. Das Problem: Hinter jeder Theorie steht eine Vision von Mensch und Gesellschaft
(Menschenbild - Gesellschaftsbild)
2. Allgemeine Zusammenhänge zwischen Sozialphilosophie und ökonomischen Ideen
3. Spezifischer Zusammenhang zwischen Sozialphilosophie und ökonomischen Ideen
V. Einige dogmengeschichtliche Spezialprobleme
1. Die Werturteilsproblematik
2. Die Frage der Methode: Das Verhältnis von Theorie und Geschichte
3. Die Frage des Fortschritts in den Wirtschaftswissenschaften
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1. Teil: Vorgeschichte: Antike und Mittelalter
A. Griechenland
I. Platon (428-348 v. Chr.)
1. Leben und Werk: aristokratische Familie / Der Staat und Die Gesetze
2. Soziale Gliederung des Idealstaates: Philosophen, Wächter, Erwerbstreibende, Sklaven
3. Die Wirtschaft im Staat: Gerechtigkeit, Arbeitsteilung, Tausch
4. Die Wirtschaft in den Gesetzen: Eigentum, Verteilung
5. Platonische Grundgedanken in Bezug auf das Wirtschaftsleben
II. Aristoteles (384-322 v. Chr.)
1. Leben und Werk - Nikomachische Ethik und Politik
2. Methode
3. Das sozialwissenschaftliche System von Aristoteles: Gesellschafts- und Menschenbild,
das System, Ethik, Nikomachische Ethik, Politik, soziale Gliederung, Staatsformen
4. Ethik
5. Wirtschaft und Gesellschaft
6. Geld und Zins
7. Verteilung, Tausch und Gerechtigkeit
8. Mittelstand und Eigentum
9. Schlussbemerkungen: Begründung der Politischen Ökonomie im Rahmen der
Philosophie
B. Rom: Römisches Recht (Privatrecht; öffentliches Recht zweitrangig)
C. Mittelalter
I. Geistige Grundhaltung:
1. Dominanz der Ethik
2. Implikationen: a) Kanonisches Recht b) Politische Struktur
II. Modifikation der Grundhaltung
1. Wirtschaftsgeschichtlicher Hintergrund
2. Eigentum und Geld
3. Geldlehre: Zwei Geldtheorien
4. Zins: Anknüpfen an Aristoteles & Modifikation des Zinsverbots durch die Scholastiker
5. Der gerechte Preis
6. Charakterisierung des scholastischen Systems
III. Vom Mittelalter zur Neuzeit
1. Veränderung der geistigen Grundhaltung
2. Geistige Tendenzen um 1500
3. Veränderungen in der Haltung zum Wirtschaftlichen: a) Zins b) Handel
4. Veränderungen in der politischen Struktur
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2. Teil: Die Entstehung des klassischen Systems
A. Merkantilismus und Kameralismus
I. Einleitende Bemerkungen
1. Zum Begriff des Merkantilismus
2. Die Problematik
3. Literatur über den Merkantilismus und wichtige Vertreter der Doktrin
II. Die Rahmenbedingungen des Merkantilismus
1. Der neue wissenschaftliche Geist
2. Der Absolutismus (die dem Merkantilismus entsprechende Staatsphilosophie):
a) Grundlagen des Systems
b) Das Menschen- und Gesellschaftsbild von Hobbes
[Exkurs: Die politische Philosophie des Absolutismus von Hobbes in einem weiteren
Zusammenhang (die Achsenzeit in Europa/Griechenland und in China).]
3. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen:
a) Politische Veränderungen
b) Wirtschaftliche Veränderungen (stichwortartig: Wirtschaftsgeschichte!)
c) Gesellschaftliche und politische Folgen dieser Veränderungen
4. Neues Wirtschaftsdenken
III. Das Wesen des Merkantilismus
1. Der Merkantilismus als politisches und ökonomisches System (Eli Heckscher):
a) Liberalismus und Merkantilismus
b) Drei Massnahmen zur Stärkung der Wirtschaft und damit zur Erhöhung der
Steuereinnahmen (Eli Heckscher, Der Merkantilismus)
2. Die zentrale Bedeutung des Aussenhandels illustriert am Beispiel einer Schrift von
Thomas Mun (1571-1641)
3. Der analytische Kern der merkantilistischen "Wirtschaftstheorie":
a) Der Warenaspekt (realer Aspekt):
b) Der Geldaspekt (modern, der monetäre Aspekt) des Aussenhandelsüberschusses
IV. Mit dem realen (Waren-) Aspekt verbundene theoretische und wirtschaftspolitische
Überlegungen
1. Schutzzollpolitik (Protektionismus)
2. Effektive Nachfrage und Beschäftigung
3. Förderung der inländischen Nachfrage
4. Arbeitsproduktivität, Bevölkerung und effektive Nachfrage
V. Mit dem Geldaspekt verbundene theoretische Vorstellungen
1. Geld und Reichtum
2. Wieviel Geld braucht eine Wirtschaft?
3. Fortschritte in der Geldtheorie – Notenmerkantilismus
VI. Merkantilistische Persönlichkeiten und Institutionen
1. Persönlichkeiten
2. Die grossen Handelskompanien
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VII. Übergang zum Liberalismus
1. Gründe für Veränderungen:
a) Das Bürgertum strebt nach Selbständigkeit
b) Ländliche Reaktion
c) Ruf nach mehr Steuergerechtigkeit: allgemeine Einkommenssteuer
d) Neben ökonomischem auch politischer Liberalismus
2. Merkantilismus und Liberalismus
3. Verschiebung des theoretischen Gesichtspunktes
4. Zusammenfassung (theoretischer Gehalt des Merkantilismus)
B. Physiokratie (François Quesnay) – Begründung der Politischen Ökonomie
aus der Sicht der Natur
I. Einleitende Bemerkungen
1. Definition der Physiokatie
2. Die physiokratische Schule
II. Rahmenbedingungen
1. Wirtschaftliche und politische Lage in Frankreich
2. Ablösung der absolutistischen durch die liberale Gesellschafts- und Staatsauffassung
3. Der staatliche Naturzustand bei Quesnay:
a) Die natürlichen Rechte der Individuen
b) Die natürliche politische Ordnung
III. Die ökonomische Theorie der Physiokraten
1. Der theoretische Gehalt des Tableau
2. Das (kleine) tableau abrégé
3. Das (grosse) tableau fondamental
IV. Implikationen des Tableau Economique
1. Sozialphilosophische Prinzipien, die dem Tableau zugrunde liegen
2. Die soziologischen Grundlagen des Tableau Economique:
a) Die Grundeigentümer (classe des propriétaires)
b) Die produktive Klasse (Pächter)
c) Die sterile Klasse
d) Die besitzlose (passive) Klasse
3. Wirtschaftliche Prinzipien, die dem Tableau Economique zugrunde liegen (die im TE
implizierte reine Theorie)
a) Der Produktionsprozess als sozialer und zirkulärer Prozess
b) Wert und Preis
c) Einkommensverteilung
d) Das Problem der Beschäftigung im Tableau
e) Geld
V. Einige wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen aus dem Tableau Economique
1. Das Tableau Economique: eine Volkswirtschaft im natürlichen (gesunden) Zustand
2. Wirtschaftliche Krankheitszustände
VI. Quesnays Methode
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1. Quesnays ökonomische Theorie ist eindeutig normativer Art
2. Das von Quesnay verwendete Modell ist ein Kausalmodell
3. Quesnays Methode ist in erster Linie rationaltheoretisch und deduktiv
4. Das Denken von Francois Quesnay ist ungeschichtlich
5. Quesnays System ist statisch
6. Das von Quesnay verwendete Modell ist makroökonomisch
7. Moderne Interpretationen des Tableau Economique:
a) Das einfache Tableau als Input- Output (Mengen-)Modell (Klassische
Makroökonomie)
b) Das grosse Tableau als Multiplikatorprozess (Keynesianische Makroökonomie)
VIII. Übergang zur Klassik
1. Der Untergang des physiokratischen Systems
2. Eine Reinterpretation von Quesnays Theorie
3. Von François Quesnay zu Adam Smith
C. Klassik
Adam Smith: Optimistischer Liberalismus [Begründung der (ethischen)
Ökonomie]
I. Definition der Klassik
II. Vorbemerkungen und geistiger Rahmen
1. Das Hauptwerk von Adam Smith
2. Biographische Notizen
3. Wirtschaftliche, politische und soziale Rahmenbedingungen (Ende 18. Jh.)
4. Die Sozialphilosophie von Adam Smith: Die Theorie der ethischen Gefühle
5. Das Gesamtsystem von Adam Smith
III. Die ökonomische Theorie: Funktionsweise der Handelsgesellschaft
Einleitung: Der Aufbau des 'Reichtums der Nationen'
1. Arbeitsteilung und Reichtum: die gesamtwirtschaftliche Produktionstheorie
2. Die Rolle des Geldes (Kap. 4, 22)
3. Wert- oder Preistheorie
a) Einleitung
b) Das Wertproblem
c) Das Wertmass (nicht Wertursache!)
d) Die Wertursache
e) Der natürliche Preis und der Marktpreis der Güter
4. Die Verteilungstheorie von Adam Smith
a) Die Lohntheorie
b) Die Profittheorie
c) Die Bodenrente
5. Die Wachstumstheorie von Adam Smith (Buch II)
a) Problematik
b) Definitionen
c) Das Wachstumsmodell:
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6. Die Theorie der ökonomischen Entwicklung (Buch III)
a) Problematik
b) Der natürliche Entwicklungsprozess
c) Natürlicher und tatsächlicher Entwicklungsprozess
IV. Begründung und Rolle des Staates bei Adam Smith
1. Staat und Gesamtwohl (Normative Theorie)
2. Realistische Staatstheorie
V. Würdigung
1. Adam Smith - erstes systematisches Werk der Wirtschaftswissenschaften
2. Adam Smith - ein optimistischer Liberaler
David Ricardo: Pessimistischer Liberalismus – Politische Ökonomie mit der
menschlichen Arbeit im Zentrum
A. Einleitende Bemerkungen
I. Vom Optimismus von Adam Smith zum Pessimismus von Ricardo
1. Wieso war Adam Smith ein Optimist?
2. Der Pessimismus von Ricardo
II. Leben und Werk Ricardos
III. Der wirtschaftsgeschichtliche Hintergrund (siehe Wirtschaftsgeschichte)
1. Die industrielle Revolution
2. Die Lage der Arbeiterschaft
IV. Der geistige Rahmen
1. Der Utilitarismus
2. Politische Implikationen des Systems der 'Philosophischen Radikalen'
a) Vertretung eines extremen Laissez-Faire
b) Demokratie und Meinungsfreiheit
c) Erziehung und Bildung
B. Ricardo's Theorie
I. Einleitende Bemerkungen
II. Die Verteilungstheorie
1. Allgemeines
2. Das Grundmodell der Einkommensverteilung (das Weizenmodell)
III. Probleme im Zusammenhang mit Verteilung und Wachstum
1. Der prinzipielle Zusammenhang zwischen Verteilung und Wachstum
2. Wachstum, Landwirtschaft und Handelspolitik
3. Verteilung und Wachstum im Zeitablauf
4. Das malthusianische Bevölkerungsgesetz und der stationäre Zustand
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IV. Wert und Verteilung
Einleitung
1. Ricardo's Arbeitswerttheorie
2. Arbeitswerttheorie und Verteilung
3. Die Bedeutung der Verteilungstheorie von Ricardo
V. Modifizierte Arbeitswerttheorie und Verteilung
1. Einleitung
2. Die Grundgleichung der modifizierten Arbeitswerttheorie (Produktionspreise)
3. Produktionspreise und Arbeitswerttheorie
4. Produktionspreise und Reichtum
VI. Beschäftigung
1. Unmöglichkeit allgemeiner Überproduktion: Das Saysche Gesetz
2. Beschäftigung und das Malthusianische Bevölkerungsgesetz
3. Mittelfristige Arbeitslosigkeit (technologische Arbeitslosigkeit)
VII. Geld und Aussenhandel
1. Geldtheorie
2. Aussenhandelstheorie
C. Von Ricardo ausgehende Entwicklungen
I. Neoklassische Entwicklungslinie
II. Kapitalismuskritik und ökonomische Theorie des Sozialismus
Grundlage: Das System der Politischen Ökonomie von Karl Marx
III. Die deutsche historische Schule und der amerikanische Institutionalismus
IV. Die merkantilistisch-Keynesianische Entwicklungslinie
V. Ricardo: Untergang seines Systems und Renaissance durch Piero Sraffa
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3. Teil: Von der Klassik ausgehende Entwicklungen – Die Herausbild-
ung der heutigen Schulen
[A. Das System der Politischen Ökonomie von Karl Marx und seine
Weiterentwicklungen – Paul Sweezy: Theorie der kapitalistischen Entwicklung,
Frankfurt (Suhrkamp) 1976; orig. 1942]
B. Die Neoklassik: die marginalistische Revolution 1870-1890 [Reine
Ökonomie – Éléments d’économie politique pure (Walras)]
Einleitung
I. Allgemeines zur Neoklassik
1. Einige Kennzeichen der Neoklassik
2. Zeitumstände und Gründe für das Zustandekommen der marginalistischen (neoklassischen)
Revolution
3. Das Wesentliche an der marginalistischen Revolution
a) Wert und Verteilung in der österreichischen Neoklassik
b) Die neoklassische Theorie der Einkommensverteilung
c) Beschäftigung
II. Der Verlauf der marginalistischen Revolution und die grossen neoklassischen Autoren
1. Verlauf
2. Autoren
a) William Stanley Jevons
b) Walras: Allgemeine Gleichgewichtstheorie
i) Claudio Napoleoni
ii) Einige Eigenschaften des Gleichgewichts
iii) Wie funktioniert das allgemeine Gleichgewichtsmodell?
Tauschende Individuen
Produktion
Kapitalakkumulation
Versorgung mit zirkulierendem Kapital und Geld
iv) Implikationen des Systems von Walras
v) Wissenschaft und Ethik
c) Carl Menger
III. Skizze des neoklassischen (Lehrbuch-)Systems
1. Marshall: Partielles Gleichgewicht
a) Der Kern seiner Theorie
b) Beurteilung
2. Grenzproduktivitätstheorie
a) Die Grenzproduktivitätstheorie der Einkommensverteilung
b) Das 'adding-up' – Problem
3. Neoklassische Geldtheorie
a) Die langfristige neoklassische Geldtheorie
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b) Der schwedische Ökonom Knut Wicksell
Schlussbemerkungen
C. Die klassisch-keynesianische Gegenrevolution: John Maynard Keynes und
Piero Sraffa
Diese Gegenrevolution fand in George Shackle’s Years of High Theory 1926-1939 statt.
Maynard Keynes (1883-1946) und Piero Sraffa (1898-1983) waren die Hauptakteure.
[Shackle G.L.S.(1967): The Years of High Theory – Invention and Tradition in Economic
Thought 1926 –1939, Cambridge (Cambridge University Press)]
C1. John Maynard Keynes: Eine neue Politische Ökonomie
I. Leben und Werk
1. Die Bedeutung von Keynes für die ökonomische Theorie
2. Der zeitgeschichtliche Hintergrund des Lebens von Keynes
3. Biographische Notizen
4. Sein Werk
II. Keynes als Philosoph
1. Frühe Einflüsse
2. Die zentrale Rolle der Ethik
3. Der Treatise on Probability (Die Erkenntnistheorie von Keynes)
4. Von der Philosophie zur Ökonomie
III. Das ökonomische Frühwerk von Keynes
1. The Economic Consequences of the Peace (1919)
2. A Treatise on Money (1930) [Vom Gelde]
IV. 'Die Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes' (1936)
1. Einleitung
2. Zweck der 'Allgemeinen Theorie': Widerlegung des Sayschen Gesetzes
3. Das Wesentliche an der 'Allgemeinen Theorie'
4. Kommentare zum Original [später]
V. Vorschläge für eine neue Weltwirtschaftsordnung; Beschäftigung in einer offenen Wirtschaft
(The Clearing Union, Band XXV der gesammelten Werke)
VI. Würdigung
C2. Piero Sraffa: Die Renaissance der ricardianischen Klassik (analytische
Grundlagen der neuen politischen Ökonomie)
In einem kleinen Artikel (15 Seiten), geschrieben 1926, übte Piero Sraffa grundlegende Kritik an
der Theorie von Angebot und Nachfrage von Alfred Marshall: Sraffa, P. (1926): The laws of
returns under competitive conditions, in Readings in Price Theory, London (The American
Economic Association) 1953, pp. 180–197; orig. Economic Journal, vol. 36, pp. 535–50. Sein
Angriff richtete sich vor allem gegen die Angebotskurve auf den Gütermärkten, hinter der die
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Grenzkosten stehen. Die Grenzkosten, so argumentierte Sraffa würden nicht ansteigen, sondern
horizontal verlaufen. Zudem sei das grundlegende Marktmodell nicht das Modell der
vollkommenen Konkurrenz, sondern das Modell der monopolistischen Konkurrenz. Jeder
Anbieter hat vor allem aufgrund von differenzierten Produkten seinen eigenen Markt und steht
doch in Konkurrenz mit andern Unternehmern, die ein ähnliches Produkt anbieten. Daraus
folgen wichtige Konsequenzen: Erstens, ist auch für den einzelnen Unternehmer die
Nachfragekurve fallend und nicht horizontal wie bei vollkommener Konkurrenz. Dies impliziert,
zweitens, dass die Preise im sozialen Produktionsprozess bestimmt werden und nicht auf dem
Markt. Die einzelne Unternehmung bestimmt den Preis ihres Produkts über die Normalpreis- und
Kostenkalkulation. Die Nachfragekurve bestimmt die Menge, die zum normalen Preis abgesetzt
werden kann. Sraffa hat deshalb mit seinem 1926er Artikel die mikroökonomische Grundlage für
die Keynesianische Theorie der effektiven Nachfrage geschaffen. Die Produktionspreistheorie
von Sraffa impliziert, dass die Einkommensverteilung ein Machtproblem, nicht ein
Marktproblem ist.
Sein kleines Buch (99 Seiten), Sraffa, P. (1960): Production of Commodities by Means of
Commodities, Cambridge (Cambridge University Press), enthält eine Theorie der
Produktionspreise. Diese zeigen auf, wie die von den Unternehmern kalkulierten normalen
Preise im Prinzip im sozialen Produktionsprozess gebildet werden. Für Sraffa sind nicht der
Markt und die Marktpreise fundamental, sondern der soziale Produktionsprozess und die
Produktionspreise, die bekannt sich, bevor die Güter auf den Markt kommen. Mit Sraffas
Produktionspreistheorie kommt die Natur des Verteilungsproblems klar zum Ausdruck. In der
wirtschaftlichen Realität (Istzustand) ist die Einkommensverteilung ein sozialer und
politischer Prozess, in dem die soziale und politische Macht der Gewerkschaften, von
Arbeitgeberverbänden und dem Staat grundlegend ist und nicht Marktkräfte; heute spitzt sich
allerdings, wie im 19. Jahrhundert, der Gegensatz zwischen Unternehmern und Kapitalisten
einerseits und Arbeitern und Angestellten anderseits wieder zu. Wegen ihrer fast völligen
Zersplitterung und teilweise hoher unfreiwilliger Arbeitslosigkeit befinden sich die Arbeiter auch
heute wieder in einer schwachen Position, ausser wenn hochwertige fachspezifische Kenntnisse
eine Rolle spielen. Normativ gesehen (Sollzustand) ist die Einkommensverteilung ein
sozialethisches Problem. Es geht um Verteilungsgerechtigkeit: möglichst gerechte
Lohnstrukturen innerhalb von Unternehmungen und zwischen Unternehmungen und
Industriebereichen durch Arbeitsplatzbewertung und sozial angemessene Profitraten.
Schliesslich wurde Sraffa (1960), Production of Commodities by Means of Commodities,
Ausgangspunkt für eine grundlegende Kritik an der Neoklassik in der kapitaltheoretischen
Diskussion. Diese Diskussion hat gezeigt, dass auch unter den idealen Bedingungen der
vollkommenen Konkurrenz im Prinzip keine Tendenz zu Vollbeschäftigung besteht, weil es
keine normalen (well-behaved) Beziehungen zwischen Faktorpreisen und Faktormengen gibt,
wenn der Produktionsprozess ein sozialer Prozess ist. Zum Beispiel sind niedrigeren Zinssätzen
nicht höhere Kapitalmengen zugeordnet und umgekehrt. Damit ist der Weg frei für die
klassisch-Keynesianische Politische Ökonomie, gemäss der permanente unfreiwillige
Arbeitslosigkeit die Regel ist.
Piero Sraffa hat also aufgezeigt, dass in einer monetären Produktionswirtschaft der soziale
und zirkuläre Produktionsprozess und nicht der Markt grundlegend ist. Dieses klassische
Postulat muss mit Keynes kombiniert werden: Das Geld und der Finanzsektor sind in einer
modernen Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Moderne Wirtschaften sind also in erster
Linie monetäre Produktionswirtschaften, nicht Marktwirtschaften, was impliziert, dass die
klassisch-Keynesianische Politische Ökonomie grundlegend ist, nicht die neoklassische
Mainstream-Theorie. Der Markt spielt in einer monetären Produktionswirtschaft nur eine
sekundäre Rolle, in dem er über die effektive Nachfrage die Produktmengen festlegt, die
abgesetzt werden können.
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4. Teil: Entwicklungen in der Wirtschaftstheorie nach dem Zweiten
Weltkrieg
A. Die Neoklassik: Von Walras zur Schule der Rationalen Erwartungen
(Verfeinerung der reinen Ökonomie)
I. Integration von Keynes in die Neoklassik
1. Das IS-LM-Diagramm: Bastard-Keynesianismus (Joan Robinson)
Das IS-LM-Diagramm symbolisiert die neoklassische Synthese, die von Paul Anthony
Samuelson in seinem berühmten Lehrbuch „Economics – Volkswirtschaftslehre“
präsentiert wurde. Die neoklassische Synthese ist eine Synthese von Keynes und Marshall.
2. Neokeynesianismus und Neukeynesianismus
Integration von Keynes und Walras (!), in die Wege geleitet von Robert Clower und Axel
Leijonhufvud.
[B. Felderer und St. Homburg: Makroökonomik und neue Makroökonomik, achte, neu
bearbeitete Auflage, Berlin, Heidelberg, New York (Springer Verlag) 2003, Kapitel IX und
X]
Vereinfachend gesagt: Arbeitslosigkeit entsteht, wenn nicht zu Gleichgewichtspreisen
getauscht wird, weil kein Auktionator postuliert wird (Neokeynesianismus) oder wenn aus
verschiedenen Gründen Lohn- und Preisstarrheiten bestehen, wegen Gewerkschaften und
Monopolen zum Beispiel (Neukeynesianismus). Diese walrasianischen Interpretionen
von Keynes haben mit Keynes’ Originalschriften nicht mehr das geringste zu tun und
sind am besten als Variationen der neoklassichen Mainstream-Theorie zu betrachten.
II. Der Monetarismus (Milton Friedman)
Die durch den Erdölpreisschock ausgelöste Kosteninflation wird durch die Ausweitungen der
Geldmenge in den Keynesschen Ära 1950-1973 erklärt. Keynes wird deshalb von einigen
ultraliberalen Ökonomen für die Inflationen verantwortlich erklärt und als gesellschaftlicher
Schädling bezeichnet (W. H. Hutt: The Keynesian Episode – A Reassessment, Indianapolis
(Liberty Press) 1979)!! Motto des Monetarismus: den Marktkräften vertrauen; deshalb keine
Staatseingriffe.
III. Die Theorie der Rationalen Erwartungen (neuklassische Theorie)
Die wirtschaftlichen Akteure bilden ihre Erwartungen auf Grundlage der neoklassischen Theorie,
dem allgemeinen Gleichgewichtsmodell von Walaras. Es besteht immer Gleichgewicht.
Arbeitslosigkeit ist freiwillige Gleichgewichtsarbeitslosigkeit. Geld ist neutral und staatliche
Interventionen sind wirkungslos.
Der Konjunkturzyklus ist eine Gleichgewichtserscheinung, hervorgerufen durch stochastische
Störungen auf der Angebots- und Nachfrageseite (Technologieschocks, Nachfrageschocks).
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Auch hier: vollständiges Vertrauen in die Marktkräfte; deshalb keine Staatsinterventionen.
Man kann sagen, dass das Grundmodell der Rationalen Erwartungen, das stochastische,
dynamische allgemeine Gleichgewichtsmodell, in den letzten 30 Jahren die Wirtschaftstheorie
und die Wirtschaftspolitik dominiert hat.
[B. Felderer und St. Homburg: Makroökonomik und neue Makroökonomik, achte, neu bearbeitete
Auflage, Berlin, Heidelberg, New York (Springer Verlag) 2003, Kapitel VIII]
B. Die Politische Ökonomie des Sozialismus mit zentraler Planung
I. Von der Neuen Ökonomischen Politik (NEP) zur zentralen Planung
II. Renaissance des Marxismus nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus
und mit den verstärkten Krisenerscheinungen des Kapitalismus
C. Alternativen zu Liberalismus (Kapitalismus) und Sozialismus mit
zentraler Planung
I. Post-Keynesianische Strömungen
II. Die Neo-Ricardianer
III. Die Klassisch-Keynesianische Synthese
Die Klassische-Keynesianische Politische Ökonomie stellt eine monetäre Theorie der
Produktion dar. Sie beruht auf drei Prinzipien: dem Arbeitswertprinzip, dem
Überschussprinzip und dem Prinzip der effektiven Nachfrage.
Das Arbeitswertprinzip besagt, dass der Wert der Güter und Dienstleistungen bestimmt wird
durch die direkte und indirekte Arbeit, die in ihre Produktion eingeht. Die Arbeitswerte werden
realisiert durch die Produktionspreise von Piero Sraffa.
Das Überschussprinzip impliziert, dass die Einkommensverteilung ein sozialer und politischer
Prozess ist, in dem der Machtfaktor im Vordergrund steht; normativ gesehen ist die
Einkommensverteilung ein sozialethisches Problem (siehe dazu: 3. Teil, Kapital C2). In
klassisch-Keynesianischer Sicht ist also die Einkommensverteilung kein Marktproblem.
Die effektive Nachfrage bestimmt die Höhe von Output und Beschäftigung. Es besteht keine
Tendenz zur Vollbeschäftigung; ein Systemgleichgewicht kann also bei massiver permanenter
unfreiwilliger Arbeitslosigkeit zustande kommen. Je ungleicher die Einkommensverteilung,
desto geringer die Kaufkraft der Bevölkerung und desto höher die Arbeitslosigkeit.
Das Geld und der Finanzsektor (Banken, Versicherungen, Börsen) sind in einer monetären
Theorie der Produktion von entscheidender Bedeutung. Die Dominanz des Finanzsektors über
den realen (produktiven) Sektor (Finanzialisierung) führt zu zunehmenden
Einkommensungleichheiten, steigender Verarmung und höherer Arbeitslosigkeit. Deshalb muss
der Finanzsektor strikt im Dienste der realen Wirtschaft, der Produktion stehen.
Die Klassisch-Keynesianische Politische Ökonomie ist die Wirtschaftstheorie des Sozialen
Liberalismus (Keynes), der einen humanistischen Mittelweg zwischen neo-liberalem
Kapitalismus und Sozialismus mit zentraler Planung darstellt.
Siehe dazu: Bortis-Website www.unifr.ch/withe/de/publications