Ein neuer theoretischer Bezugsrahmen für die ... · Das Kongruenz-Modell Rüdiger Bauer....
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Ein neuer theoretischer
Bezugsrahmen für die psychiatrische Pflege
Das Kongruenz-ModellRüdiger Bauer
GliederungFallbesprechungPatientin aus der Forensik, Borderline Persönlichkeitsstörung,
Abhängigkeit
Theoretische GrundlagenNeurobiologie und Konstruktivismus
Aktuelle AnwendbarkeitBegründung der Fallschwere, Übernahme in Pflegediagnosen
Kritik
Patientin, geb. 1982, eine jüngere SchwesterEltern trennen sich noch vor der GeburtMutter alkoholabhängig, Vater ebenso,
Stiefvater ebensoMutter wollte Patientin im Alter von 4
Monaten in der Badewanne ertränken, Stiefvater rettet, die Patientin
Vernachlässigung, liebloser Umgang, immer wieder Krankenhausaufenthalte nach Schlägen bis zum Alter von 5 Jahren
Ab dem Alter von sechs Jahren, Übergriffe durch den Stiefvater, bietet der Patientin Geld oder andere Geschenke, Tiere
Schlechte Schulleistungen, Außenseiterin, Aggressionen, ab ca. 8 Jahre mit Rauchen begonnen und Schule schwänzen
Zwischen 9 und 11 Jahren Heimaufenthalt, erster Kontakt zu Alkohol und erste Selbstverletzungen
Mit 12 Jahren verprügelt die Patientin ihre Mutter und läuft von Zuhause fort.
Jugendamt verfügt, dass Patientin durch den leiblichen Vater erzogen werden soll.
Dieser nimmt sie in seine Gaststätten mit und sie trinkt viel Alkohol
Nach einem Fahrradunfall in betrunkenem Zustand ein halbes Jahr Krankenhaus-aufenthalt, Vater besucht sie 2 mal.
Nach einem heftigen Streit wirft der Vater sie mit 14 Jahren aus der Wohnung.
Jugendamt besorgt beschützende Wohneinrichtung mit Werkstätte, dort erster Kontakt mit Drogen und Dealern, in der Wohneinrichtung wurde unendlich viel getrunken und gekifft.
Erster psychiatrischer Aufenthalt in KJP, mit heftigen Räuschen, Entlassung nach Hause.
Vater nimmt sie nicht auf, sie schlägt sich auf der Straße durch, mit viel Drogen und Alkohol, wiederholte Missbräuche, viele heftige Schlägereien und Diebstähle.
Weitere Stationen:Versuch Drogenentzug scheitertHeirat, einen Sohn geboren, in dieser Zeit relativ
trocken. Sohn mit drei Monaten in Pflegefamilie, Ehe scheitert. Wieder Drogen und Alkohol, Schlägereien, Diebstähle, promiskuitives Verhalten.
Einweisung in die Forensik Anfang 2007.Sehr schlecht eingewöhnt, machte dann aber
mit bei allen Therapien, nach sechs Wochen keine Gruppen mehr, nur noch Ergotherapie, Kochen und Backen, Gartengruppe. Fehlende Therapiemotivation. Später wieder mehr Motivation, Rückfälle bei Ausgängen, hohe Aggression, viele verbale Auseinandersetzungen.
Beginn der Arbeit mit dem Kongruenzmodell Mitte des Jahres 2008, Bezugspflegekraft und Vertretung.
Nach Vertrauensaufbau erfolgt langsam Biographiearbeit und die Erstellung der Lebensereignisskala.
Daraufhin erfolgt die Erstellung der bio-psycho-sozialen Hypothese
Bio-psycho-soziale HypotheseNeu entwickeltes Instrument zur
Beziehungsprozessplanung, basierend auf den neuen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen und den Thesen zum Verhältnis zwischen Geist und Gehirn von E. Kandel (2008,9).
(J. Bauer 2004, 6, 9, G. Rizzolatti 2008, L. Cozolino 2007 uvam.)
SpiegelneuronensystemBei der Patienten konnten wegen
Vernachlässigung Spiegelneuronen nicht in ausreichendem Maß entwickelt werden. Dadurch relative Unfähigkeit zur Empathie und zur Selbstreflektion. Unfähigkeit andere Personen einzuschätzen, dadurch viele wechselnde Beziehungen.
Ressource: Großmutter
Vertrauens- und BindungssystemHormon: OxytozinVertrauens- und Bindungssystem konnten
ebenfalls nicht ausreichend entwickelt werden. Fehlende Zuwendung, Vernachlässigung, Gewalt, Misshandlung und Missbrauch.
Motivations- und BelohungssystemSchwere Schäden im System der
Dopaminachse und der Produktion von endogenen Opioiden. Dadurch Alkohol-und Drogenabhängigkeit, kaum Lebensfreude und Antrieb. Meistens Missstimmung. Die Gründe liegen wieder in fehlender Zuwendung, keine Freude mit Eltern erlebt, Misshandlung, Missbrauch.
StressbewältigungssystemPatientin ist sehr leicht reizbar, keine
Kontrolle bei aggressivem Verhalten, leichte Reize genügen um heftige Auseinandersetzungen auszulösen.
Kaum funktionsfähige Cortisolrezeptoren, metylisiertes Antistressgen durch Misshandlung, Missbrauch und Vernachlässigung. Niedriger vagaler Tonus.
TraumatisierungenErste sehr starke Traumatisierung im Alter
von 4 Monaten, weiter Misshandlungen durch den Stiefvater, ebenso wie Missbrauch.
Weitere Missbräuche im weiteren Verlauf. Folge sind Symptome einer Borderline Persönlichkeitstörung, mit Selbstverletzungen.
Positive ErinnerungenGroßmutter, Balaton Ausflug mit Bungee
Jumping, der eigene Hund, der Sohn, Feuerwerkerlebnis
Negative ErinnerungenFast nur negative Erinnerungen,
Misshandlungen, Missbräuche, Streitereien, Schlägereien, Vernachlässigung usw.
BeziehungsprozessplanungAufbau Spiegelneuronensystem – EmpathieAufbau des Vertrauens- und
Motivationssystems – Nutzung der positiven Erinnerungen, Einfühlung, Bezugsperson sein, Lebensfreude zeigen, Freude über die Person ausdrücken, gemeinsames Handeln und Belohnen.
Aufbau des Stressbewältigungssystems durch maßvolle Anforderung, die bewältigt werden kann, Grenzen setzen mit gleich-zeitigem Signal des vertrauensvollen Beziehungserhalts, Beistand in schwierigen Situationen, gemeinsames Bewältigen von Anforderungen.
Reize in Retraumatisierungen vermeiden!(Ohmachtsituationen)
VerlaufNach ca. drei Monaten, Vertrauen zu und
Motivation mit den Bezugspflegenden deutlich, Patientin öffnet sich ihnen mehr und mehr, nach Rückfall plötzlich „schlechtes Gewissen“ (Vetrauens-, Motivations- und Spielneuronensystem), wenig Bedarfsmedikation, kaum mehr Rückzug,
Ende des Jahres erneute Evaluation, Beziehungsprozessplanung wird weiter geführt. Die Patientin kann Beziehungen länger halten und ruhiger beenden. „Ich brauche keinen, den ich noch erziehen muss“.
Leider auch versuchte Rückfälle, konnten aber alle verhindert werden.
Heute: Sehr gute Therapiemotivation, hohes Vertrauen zu Bezugspflegenden, geht selbständig zur Außenarbeit in Pferdehof.
Das Kongruenzmodell ist ein neues Modell, das induktiv und deduktiv entwickelt wurde
Grundlagen: Konstruktivismus und neurowissenschaftliche Erkenntnisse – E. Kandel: Jede geistige Funktion entspricht einer Gehirnfunktion (J. Bauer, B. Lipton, L. Cozolino, G. Hüther, usw.)
KonstruktivismusAutopoiese (Maturana, Varela 1986)
Ein sich selbst erzeugendes und selbst erhaltendes System. (Biologische Notwendigkeit)
Maturana: Das Nervensystem ist ein geschlossenes System
WirkungsweiseWie erkennen Menschen Reize?Aus Erfahrung! (Das Nervensystem ist geschlossen –
Strukturdeterminiertheit)Erfahrungen sind Nervenzellnetzwerke im Cortex mit
Verbindung zum limbischen System.Hypothalamus verteilt Reize nach dem System der
Ähnlichkeit.Dies bedeutet, dass Menschen nicht das erkennen, was
außerhalb von ihnen ist.Sie erkennen das, was in ihnen bereits angelegt ist.
Menschenbild: Bio-psycho-sozial im Sinne der Komplementarität
Ziel: Aufgrund von Hypothesenbildung über die soziale Beziehungsfähigkeit von Menschen gezielte und geplante Beziehungsgestaltung hin zur neurobiologischen Veränderung
Instrumente: Biographie, Lebensereignisskala, bio-psycho-soziale Hypothese, Beziehungsprozessplanung, Durchführung, Evaluation
Die Kongruente Beziehungspflege ist die bewusste Wahrnehmung und bewusste Bearbeitung des Erkennens des Erkennens von Menschen im Pflegeprozess.
Definition
Unspezifische Wirkfaktoren der Psychotherapie
• Verständnis, Respekt,
• Interesse, Ermutigung,
• Anerkennung, Vergebung,
• Wärme,
• Empathie,
• Akzeptanz
Ergebnisvarianz Therapie5% Therapeutische Techniken20% Therapeut (Empathie)35% Allgemeine Faktoren (Zuversicht geben)40% Klientenvariablen (wie der Klient die
Welt erlebt)
Aktuelle AnwendbarkeitBio-psycho-soziale Hypothese ist geeignet zur
Darstellung der Fallschwereundkann als Pflegediagnose verwendet werden.
KritikDas Kongruenzmodell stellt viele thera-
peutische und pflegerische Herangehens-weisen in Frage.
Keine Orientierung an medizinischen Diagnosen und keine Arbeit am Symptom
Individualisierte Einzelfallbetrachtung (kein standardisiertes Vorgehen mehr).
Vorteil für die PflegeInhaltliche EigenständigkeitNachweis von Wirkung von PflegeMöglichkeit von PrognosenerstellungDarstellung der FallschwerePflegerische Profilbildung (Abgrenzung zur
Therapie)
WirksamkeitLandesnervenklinik Wagner-Jauregg in LinzAsklepios Fachklinik in TeupitzAmeos Fachklinik HaldenslebenForensische Abteilung Bad SchussenriedForensische Abteilung Klinikum ErlangenSt. Joseph Krankenhaus WeissenseePsych. Klinik, Valduna, Vorarlberg uvam.
Danke für Ihr InteresseRüdiger Bauer, Fachkrankenpfleger für PsychiatrieMaster of social work(moscow state university of service)IBI-InstitutPrimelweg 686869 UnterostendorfEmail: [email protected]. 08344/991597