Drägerheft - Medical and Safety Company · Ob nach einem Erdbeben oder einer Überschwemmung:...

20
Drägerheft Sondermüll Eine Deponie wird zurückgebaut Notwasserung Wie man heil aus dem Helikopter auftaucht Atemkalk Unscheinbare Pillen Maximaler Schutz aus eigener Fertigung Die neuen Helme Das Magazin für die Sicherheitstechnik Mai 2009 Drägerheft 382

Transcript of Drägerheft - Medical and Safety Company · Ob nach einem Erdbeben oder einer Überschwemmung:...

Das Magazin für die Sicherheitstechnik Mai 2009

Drägerheft 382

Sondermüll Eine Deponie wird

zurückgebaut

Notwasserung Wie man heil aus dem

Helikopter auftaucht

Atemkalk Unscheinbare Pillen

Maximaler Schutz aus eigener FertigungDie neuen Helme

Das Magazin für die Sicherheitstechnik Mai 2009

Drägerheft 382

3Drägerheft 382 | Mai 2009

Inhalt

Erfahrung 4 Menschen, die bewegen Die einen

singen Vierlinge in den Schlaf, die anderen sitzen auf gepackten Kisten.

nachrIchtEn 6 neues aus der Dräger-Welt

ein neuartiger temperatursensor fliegt ins all, eine CCtV-Kamera erkennt flammen, und in China steht eine moderne anlage für die heißausbildung.

fokus 8 hier kommt der helm von morgen!

Nichts weniger als den „besten feuerwehrhelm der Welt“ will Dräger demnächst produzieren.

rEport 14 trainieren, bevor es eng wird

arbeiten in Behältern und engen räumen birgt risiken. Praxisnahe Schulun gen machen sie beherrschbar.

16 sieben sekunden muss ruhig warten, wer aus einem notgewasserten helikopter heil aussteigen will. Wie, das wird in Vietnam trainiert.

20 Der fremde planet in Kölliken wird eine Sondermülldeponie zurück gebaut. alle Welt schaut auf das Konzept.

h IntErgrunD 24 Mobile sicherheit gegen unsicht-

bare gefahren bietet moderne gasmesstechnik – ein Überblick.

ausblIck 28 faktor Mensch Neue iSO-Normen

sollen dafür sorgen, dass helme wie angegossen sitzen und schützen.

schultErblIck 32 unscheinbare pillen Dräger stellt

den atemkalk für seine Kreislauf-atemschutz- und anästhesiegeräte selbst her – ein high-tech-Prozess.

sErvIcE 35 Wo und wer? Dräger in aller Welt,

impressum.

EInblIck 36 Enge Einstiege Querschnitt durch

das nebulöse Labyrinth.

rund 7.000 m2 beträgt die innere oberfläche eines kilogramms des von Dräger

entwickelten und gefertigten atemkalks für kreislaufbeatmungsgeräte – mehr ab seite 32.

16 ausstEIgEn 24 aufatMEn8 aufsEtzEn

tit

eL

fO

tO:

D-1

09

37-

200

9

ma

ur

itiu

s i

ma

ge

s

D-1

09

40

-20

09

D-1

09

32-

200

9

4

Erfahrung Menschen, die Bewegen

5drägerheft 382 | April 2009drägerheft 382 | MAi 2009

Björn und Sven guericke, Technisches hilfswerk (ThW), Itzehoe, Schleswig-holstein„Wir sitzen auf gepackten Reisekisten: Eine steht immer bereit. In sechs Stunden können wir aufbrechen. Dorthin, wo etwas passiert ist, wo Menschen dringend Hilfe brauchen. Vor allem frisches Wasser. Ob nach einem Erdbeben oder einer Überschwemmung: Immer fehlt es an Trinkwasser. Verschmutztes Wasser ist besonders für Kinder eine tödliche Gefahr, und es kostet jedes Jahr mehr Leben als Malaria. Da können wir helfen: Itzehoe zählt zu den Standorten, an denen das THW Spezialausrüstung konzentriert hat. Mobile Aufbereitungstechnik, mit der wir große Mengen Wasser filtern und entkeimen können.

Wir arbeiteten in China, Indien, Indonesien und Afrika. Viel-leicht sind wir dort, in Uganda, den Menschen am nächsten ge-kommen. Besonders den Kindern in einem Flüchtlingslager, die trotz der Not nach der Überschwemmung im Herbst 2007 jeden

Tag in die Schule gingen. Wir waren rund 40 Helfer, die 3.500 Menschen mit Wasser versorgt haben. In der großen Pause war-teten wir am Frischwasserhahn auf sie, und bald hatten wir Fuß-ballspiele organisiert. Weil uns die Menschen beeindruckt haben und man schon mit einfachsten Mitteln unglaublich viel errei-chen kann, sind wir noch einmal privat dorthin gereist und ha-ben das ,Oongora Partnership Project‘ gegründet. Es hat bereits Schuluniformen gestiftet und einen Stromgenerator. Am Anfang der THW-Laufbahn steht die Faszination der Technik. Doch dann wird Helfen-Können zum stärksten Motiv: Wir sehen, wie viel wir bewirken. Und wenn morgen etwas geschieht, sind wir bereit.“ Das Technische Hilfswerk ist mit Dräger-Technik ausgerüstet: vom Helm über Atemschutzgeräte bis hin zur Gasmesstechnik.

großfamilie Janine und Jörn Stührenberg, Bremen„gerade warten wir auf unseren Vierlings-Kinderwagen. Bis es so weit ist, setze ich den leichtesten in ein tragetuch, drei fahren in einem Zwillings-wagen: kuschelig, aber bald zu klein. das leben mit Vierlingen braucht improvisation – leider sind längst nicht alle so improvisations freudig wie unsere familie. Zwillingsrabatte gibt es in vielen geschäften, aber versuchen sie mal, einen Vierlingsrabatt zu bekommen! Beim Baby-schwimmen brauchen sie pro Kind einen erwachsenen. Aber auch Vierlinge haben nur zwei eltern. dennoch kommen wir, auch die beiden großen geschwister, gut zurecht.

die vier wurden wurden in der 30. schwangerschaftswoche geboren, zehn wochen zu früh. im Klinikum links der weser war das team von dr. thorsten Körner auf alles vorbereitet – und im Kreißsaal ging es fast zu wie auf einem Bahnhof. eine Anästhesistin, ärzte, hebammen und

Kinder schwestern und irgendwo, mitten in der Menge, mein Mann. nach der geburt musste ich mich an die technik gewöhnen.

im Kopf hat man: eigentlich möchte man die Kinder selbst versorgen. Aber natürlich brauchen sie Brutkästen und Atemhilfe. Mit kleinen Masken wurden sie versorgt, und ich lernte schnell, alles zu verste-hen. Bald konnte ich schon an den tönen erkennen, ob die sauerstoff-sättigung des Blutes sank oder der puls, ganz intuitiv. Alles funktionierte zuverlässig, die Kinder gediehen und nabelten sich von den geräten ab. nach hause kamen wir zum eigentlich berechneten geburtstermin.

im Krankenhaus fand ich es angenehm. Oft kamen Mitarbeiter auf mich zu und sagten: ,Oh, tut uns leid, wir beachten sie so wenig mit ihren Kindern‘ – es kam notfall nach notfall herein. Und ich war froh, dass sie an mir vorbeiliefen. dann wusste ich, es ist alles okay.“

Was uns bewegt – Dräger weltweit

fO

tOs

: JA

sM

in l

ind

en

th

Al

(l

inK

s),

Ul

riK

e s

ch

Ac

ht

(r

ec

ht

s);

te

xt:

sil

Ke

UM

BA

ch

6 Drägerheft 382 | Mai 2009 7Drägerheft 382 | Mai 2009

Sieht rot bei Flammenihm entgeht kaum etwas: ist eine flamme größer als 0,1 Quadratmeter, so erkennt sie der Dräger flame 5000 zuverlässig noch aus 44 Meter entfernung innerhalb eines horizontalen Sichtfeldes von 90°. Damit bietet diese robuste CCtV-Kamera die größte abdeckung aller derzeit er -hältlichen flammendetektoren. Die Soft-ware wertet das charakteristische farb- und formbild von flammen aus.

intelligente algorithmen reduzieren fehlalarme auf ein absolutes Minimum. Der mit alu- oder Stahlgehäuse erhält-liche Detektor mit weltweiten Zulassun gen kann als einzelgerät zur Übertragung von Live-Videoaufnahmen genutzt oder in ein Kontrollsystem bzw. eine Brand - mel -deanlage integriert werden. Die gut sichtbare Status-LeD-anzeige leuchtet rot, wenn das gerät flammen erkennt.

Astronauten messen Kerntemperaturfast auf dem Weg zum Mars: als am 11. februar 2009 eine rakete im auftrag der europäischen raumfahrtagentur eSa von Baikonur (Kasachstan) aus mit Ziel internationale raumstation iSS abhob, war auch ein neu artiger Dräger-Sensor mit an Bord. erste Untersuchungen haben zuvor be stätigt, dass er die men schliche Körper kerntemperatur zuverlässig und auf nicht invasive Weise bestimmt. Weitere Untersuchungen zeigten zudem, dass diese Methode derart zuverlässige er geb- nisse liefert, dass beispielsweise bisher übliche invasive Messungen in der Speise- röhre durch das neuartige nicht invasive Ver fahren ersetzt werden könnten.

Bei der Weltraummission wird der Sensor auch zur Übertragung von Vital-daten nach einem neuartigen Konzept genutzt, sodass die physiologische Be las-tung des astronauten bestimmt werden kann. Diese Konfiguration wird unter an-derem für eine kommende bemannte Mars-Mission getestet.

Dräger entwickelt Messverfahren: Bald Handy im OP?funkkommunikation ist hoch effizient. Doch bislang sind dem einsatz von handy, WLaN & Co. (nicht nur) im Kranken- haus grenzen gesetzt. ihre elektromagne-tischen Wellen können medizinische geräte in ihrer funktion beeinträchtigen. Um hier ganz sicher zu gehen, verlangt die bisherige Sicherheitsnorm ieC60601-1-2 einen abstand von mindestens 3,30 Meter.

„Dies ist ein reiner Vorsorgewert, weil die Norm für kürzere abstände kein geeignetes Prüfverfahren vorsieht“, sagt Physiker gerd Matzke, der bei Dräger ein neues Prüfverfahren mitentwickelt hat. Bei dessen anwendung sinken die soge-nannten Schutzabstände drastisch: „Nach bisherigen erkenntnissen können dann Dräger-Medizingeräte noch im abstand zweier fußlängen von allen (gängigen) funkenden Mobilgeräten betrieben werden.“

Matzke und sein team entwickelten eine kleine Spezialantenne, mit der sich das elektromagnetische feld sehr dicht an sensible Komponenten von Medizinge-räten und Sicherheitstechnik heranführen lässt. „Bei unseren ausführlichen Versu-chen mit Dräger-Produkten konnten wir feststellen, dass der bisherige Sicher-heitsabstand von 3,30 Meter stark re du-ziert werden kann – in manchen Be - rei chen sogar bis auf Null“, fasst gerd Matzke zusammen, dessen Prüfverfahren reproduzierbare Messungen für einen deutlich geringeren Sicherheitsabstand bieten und grundlage für eine neue Norm bilden könnte.

„Jedem gerät, das diese Prüfung erfolgreich absolviert, wird man sich dann mit drahtlos kommuni zierenden Mobil-geräten auf mindestens bis zu 60 Zenti-meter nähern können!“ Die anwen- dung des neuen Verfahrens kann den einsatz beispielsweise von Patienten- Monitoring-geräten erweitern und voraus-sichtlich viele funk-anwendungen in der Nähe empfindlicher elektronik über-haupt erst möglich machen.

Empfindliche „Nasen“ schützenZwei geräte, ein Zweck: Menschen vor schädlichen gasen zu schützen. Die neuen eingasmessgeräte Dräger Pac 3500 und 5500 signalisieren die Kon zen - trationen von Sauerstoff, Kohlenmonoxid und Schwefel wasserstoff ebenso schnell wie zuverlässig.

Beide Detektoren basieren auf XXS-Sensoren mit einer erwarteten Lebensdauer von mehr als fünf Jahren. eine patentierte Drei-elektrodentechnik verhindert den Verschleiß. Der Sauerstoffsensor arbeitet nicht-ver brauch end und ist bleifrei hergestellt.

Beim Dräger Pac 5500 lassen sich Batterie, Sensor und filter austauschen. es kann daher nach einer Wartung wieder verwendet werden. Die erwartete Nutzungsdauer liegt zwischen fünf und acht Jahren. Das Pac 3500 arbeitet zwei Jahre lang wartungsfrei.

Beide geräte bieten einen gaszutritt von mehreren Seiten, was den rechtzeitigen Schutz für den fall erhöht, dass gase durch einen abgedeckten Zutritt nicht an den Sensor gelangen. Beide Detektoren weisen eine kurze ansprechzeit (t50 von weniger als zehn Sekunden) auf und warnen optisch bzw. akus tisch – inklusive Vibrationsalarm.

Warnt verlässlich am Mann vor Gas.

NAcHricHtEN

Außen kalt, innen Wohlfühltemperatur. Der scharfe Blick erkennt die Flamme.

Heiß auf chongqing: realitätsnah Brandbekämpfung trainierenDie größte Stadt der Welt? angeblich die Verwaltungseinheit Chongqing in Zentral - china mit mehr als 30 Millionen einwohnern. Die können nun noch fester schlafen dank des trainings zentrums und -konzeptes, das die Chongqing fire Brigade kürzlich von Dräger bezog. entwickelt nach weltweit anerkannten europäischen Normen, können dort feuerwehrleute Brandbekämpfung und -rettung realitätsnah trainieren – aber auch einsätze bei beispielsweise terroristischen anschlägen.

im Zentrum des trainingsgeländes steht ein zehnstöckiges gebäude. Der erste Stock enthält zwei räume für die heißausbildung und die Steuerzentrale mit Über wachung der anlage via infrarotkameras, während sich im zweiten Stock ein Labyrinth befindet, das vernebelt und mit einer Klangkulisse beschallt werden kann. am angebau ten turm üben Kursteilnehmer die rettung aus größeren höhen, auch mit Drehleitern. herz des trainingszentrums sind die beiden gasbefeuerten Brandräume. Sie sind auf -ge baut wie eine Wohnung, sodass sich etwa ein Küchen-brand (ein schließ lich fettex plosion) computergesteuert simulieren lässt.

ein weiteres Szenario bildet ein Brand im Schlafzimmer – inklusive Bettenbrand. auch die realitätsnahe Bekämpfung einer rauchgasdurchzündung („flashover“) ist Bestandteil des Schulungszentrums, das in Zusammenarbeit mit den architekten der örtlichen feuerwehr entwickelt wurde. „Das trainingszentrum in Chongqing“, sagt Mat Lock, regional Manager Dräger Safety Solutions – asia Pacific, „repräsentiert den aktuellen Stand der technik, wie ihn feuerwehrleute auf der ganzen Welt erwarten.“

Damit es nicht brenzlig wird, wenn es brennt: Üben im Brandraum für den Ernstfall.

D-1

013

8-2

00

9

ST-

80

07-

200

8

Na

Sa

/Co

Ur

te

Sy

of

Na

Sa

iMa

ge

S.o

rg

D-1

09

21-2

00

9

8 Drägerheft 382 | Mai 2009 9Drägerheft 382 | Mai 2009

Fokus helMfertigung

Hier kommt der Helm von morgen!ein feuerwehrhelm ist zentraler Bestandteil der persönlichen Schutzausrüstung. Mit einer neuen Produktions stätte will Dräger nun auch hier impulse geben – und trends setzen.

dräger? AtemscHutz! Wie aus der Pistole geschossen bekommt die-se Antwort, wer Feuerwehrleute nach Pro-dukten aus dem Unternehmen fragt. Ver-gleichsweise selten werden die Lübecker jedoch mit Feuerwehrhelmen in Verbin-dung gebracht, wenngleich Helme wie der HPS 4300 und der HPS 6200 komplett im eigenen Hause entwickelt wurden. Bis-her jedoch produzierte sie ein Zulieferer. Das soll sich nun ändern. Mit einer eige-nen Produktion im tschechischen Cho-mutov, die in Kürze starten soll.

„Wir bieten ja bereits ein umfangrei-ches Programm zur persönlichen Schut-zausrüstung, aber bei Feuerwehrhelmen wurden wir bislang nicht so stark wahrge-nommen“, sagt Markus Lamm, Portfolio Manager und verantwortlich für Strate-giefragen rund um das Thema Kopfschutz bei Dräger: „Der Helm ist ein integraler Bestandteil eines Schutzsystems für die Feuerwehreinsatzkräfte.“ Gefertigt wer-den die Feuerwehrhelme von einem eigens hierfür mit der deutschen Firma Busch gegründeten Gemeinschaftsunter-nehmen: Dräger Busch Helmets Produc-tion s.r.o. soll ausschließlich Dräger-Hel-me produzieren.

rund 80 einzelteile

Ein gelungener Schachzug sei es, die Fir-ma Busch als Partner gewonnen zu haben: „Dadurch verbindet sich die Fertigungs-erfahrung von Busch mit dem Projektma-nagement in der Produktentwicklung und dem Prozessmanagement in der Produk-tion von Dräger“, sagt Dräger-Produkti-onsexperte Werner Jumpertz, einer von zwei Geschäftsführern der neuen Produk-

tionsfirma. Mit der neuen Fertigung will man künftig auch bei Feuerwehrhelmen Impulse geben – und den Spielraum ver-größern. Ein Feuerwehrhelm besteht aus rund 80 Einzelteilen, und bei jedem Teil muss man fragen, was man daran noch verbessern könnte. Das Ergebnis hat sich an den Marktpreisen zu orientieren und sollte bezahlbar sein – ohne dabei an Qua-lität oder Sicherheit einzubüßen. Für die Preiskalkulation gilt es somit abzuwägen, welche Einzelteile andere günstiger ferti-gen, also hinzugekauft werden, und wel-che man besser selbst fertigt. Hierbei über-zeugen fast immer die eigenen Lösungen am meisten. So geht schon heute die Fer-tigungstiefe bis ins kleinste Detail. Natür-lich wird die Kunstfaser Nomex dazuge-kauft, doch die anfallenden Näharbeiten – zur Herstellung der Innenausstattung zum Beispiel – werden direkt bei Drä-ger vorgenommen. Qualität verpflichtet eben. „Der Kunde erwartet von einem Helm, bei dem Dräger draufsteht, dass auch Dräger drin ist“, sagt Markus Lamm. „Möglicherweise gibt es sogar eines Tages Helme mit eingebauter Wärmebildkame-ra und ins Visier integriertem Display“, denkt sein Kollege Jumpertz die neuen Spielräume schon mal weiter.

ehrgeiziges ziel

Auch Egon Busch, Gründer und Geschäfts-führer der Firma Busch, ist vom Erfolg des neuen Gemeinschaftsunternehmens überzeugt. Feuerwehrhelme hatte man bisher noch nicht im Programm. Dafür gelang den Spezialisten aus Gütersloh mit dem Bundeswehr-Gefechtshelm ein gro-ßer Coup. Seine Helmschale aus Aramid-Auch ein Helm ist mehr als die summe seiner teile – und jedes von ihnen ist vielfach optimiert für höchste sicherheit.

fasern bietet besten Durchschlagschutz bei hohem Tragekomfort. Heute hat diese Helmkonstruktion einen Weltmarktanteil von rund 80 Prozent. „Wir wollen den bes-ten Feuerwehrhelm auf den Markt brin-gen“, bringt Egon Busch die Zielsetzung von Dräger Busch Helmets Production auf den Punkt. Dass man dieses ehrgeizige Ziel erreicht, gilt für den Unternehmer aus Gütersloh und weiteren Geschäfts-führer der neuen Produktionsfirma als ausgemacht.

Zudem sei der Markt vergleichswei-se krisenfest: „An der Sicherheit der Ein-satzkräfte wird selbst in Zeiten wie diesen nicht gespart. Das Sicherheitsbedürfnis steigt – und mit ihm der Bedarf an hoch-wertiger Schutzausrüstung.“

der Helm als teil eines systems

Der Helm, kompatibel mit allen Anbau- und Zusatzteilen als Teil eines Komplett-systems, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Mit Entwicklung und Fertigung in einer Hand bieten sich neue Chancen: „Ein integriertes Kopfschutzsystem, bei dem Helm, Maske und Zubehör – wie etwa Kommunikations- und Monitoringsys-teme – perfekt aufeinander abgestimmt sind und damit einen Beitrag für mehr Sicherheit leisten, lässt sich nun deutlich einfacher und schneller realisieren“, ist sich Markus Lamm sicher. Für die Inte-gration neuer Funktionen und Senso-rik am Helm wird man auch neue Fra-gen klären müssen. „Erweiterte Sensorik zur Einsatzüberwachung und verbes-serte Visualisierungstechniken müssen kritisch auf den Nutzen für die Feuer-wehr untersucht werden. Nicht alles, was

nahtlos glänzend: manuelles schleifen und Polieren ist aufwendig, aber für die perfekte kom­bi nation von Form und Funktion gibt es nichts Besseres.

fo

toS

: S

ve

n D

ör

ing

>

10 Drägerheft 382 | Mai 2009 11Drägerheft 382 | Mai 2009

Fokus helMfertigung

heute schon technisch möglich ist, ergibt Sinn. Einige Systemideen wie etwa das Gesundheitsmonitoring im Einsatz wer-fen sogar neue Sicherheitsfragen auf“, erläutert Jumpertz. „Immerhin können Feuerwehrleute bereits heute an der Sig-nal- und Warneinheit Dräger BodyGuard II für Pressluftatmer neben den Geräte daten auch die Umgebungstemperatur messen und diese telemetrisch an die Einsatz-zentrale weiterleiten.“

Für die Helm-Masken-Kombination gibt es schon Beispiele. Mit dem S-Fix-Sys-tem werden Atemmasken wie die Dräger FPS-7000 von außen am Helm arretiert und können daher mit Helmen anderer Her-steller kombiniert werden und umgekehrt. Dagegen ist der Helm HPS 6200 alternativ zum S-Fix-Systems mit dem Q-Fix-System lieferbar – und passt damit zur Dräger-Voll-maske FPS-7000. Ein zusätzlicher Siche-rungsknopf verhindert bei dieser Kom-bination, dass sich durch mechanischen Anstoß im Einsatz eine Atemmaske aus der Arretierung löst. So kann durch ein opti-mal abgestimmtes System die Sicherheit erhöht werden. Neben Helm-Masken-Kom-binationen sind für Dräger-Feuerwehrhel-me Lampenhalter als Zubehör erhältlich, in denen Ex-geschützte Lampen mit LED- oder gar mit (extrem heller) Xenon-Tech-nik arbeiten.

in zukunft sicherheit mit Leichtigkeit

Über weitere technologische Vorstöße wür-de sich auch Dr. Dirk Hagebölling, Leiter der Feuerwehr in Bochum und Vizeprä-sident der Vereinigung für Gefahrstoff- und Brandschutzforschung, freuen. Als

Obmann des entsprechenden Ausschusses im Deutschen Institut für Normung (DIN) befasst er sich intensiv mit der Zukunft der persönlichen Schutzausrüstung.

„Wenn Sie mich auf die Notwendigkeit neu entwickelter Feuerwehrhelme an -sprechen, halte ich eine Feuerwehrhelm-Light-Variante für besonders dringlich.“ Ein solcher Helm wäre vor allem für den Rettungsdienst und die Technische Hilfe-leistung angebracht. „Der müsste in erster Linie leicht sein und einen hohen Trage-komfort bieten. Es gibt auf dem Weltmarkt schon Waldbrandhelme. Das geht in die richtige Richtung“, findet Dr. Hagebölling und verweist darauf, dass die Idee eines leichten Einsatzhelms bereits auf der Agen-da des Normenausschusses zu finden sei. Indes sollte der Feuerwehrhelm für Atem-schutzgeräteträger zudem über entspre-chende Sensorik wichtige Informationen liefern: „Der Flaschendruck und die Tem-peratur, das sind wesentliche Angaben“, sagt Hagebölling. Und die sollten einfach

trotz hohen Automatisierungsgrades sorgen immer wieder qualifizierte menschen für den letzten schliff an Qualität.

eine computergesteuerte Werkzeugmaschine bohrt Befestigungslöcher, was kritische Augen später genau prüfen.

der dräger­HelmMit der eigenen helmfertigung betritt das lübecker traditionsunternehmen neuland. in den 1980er Jahren startete Dräger eine Zusammenarbeit mit dem französischen helm hersteller gallet. Der von gallet für die französische feuerwehr entwickelte helm der f1-Serie unterschied sich erheblich in form und farbe von allen zu dieser Zeit bekannten und benutzten feuerwehrhelmen. Dräger hat diesen helm sehr erfolgreich (über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten) in europa und asien vertrieben. Seit 2002 lässt Dräger seine feuerwehrhelme bei der firma Schuberth fertigen. Schuberth baut unter anderem auch den sogenannten BMW-Motorradhelm, der von der deutschen Polizei getragen wird und entwickelte den formel-1-Schutzhelm für Michael Schuhmacher. ab 2009 fer tigt Dräger seine feuerwehrhelme in der eigenen Dräger-Busch-helmfabrik.

signalisiert werden können: „Habe ich genug Luft, wird hier gerade eine Raum-temperatur überschritten, bei der ein Gas-Luft-Gemisch im Deckenbereich zünden kann?“ Die Kostenfrage ließe sich über ein modulares Konzept lösen. „Der Truppfüh-rer muss sich während der Anfahrt sowie-so in seine Ausrüstung helfen lassen. Dabei könnte man ihn gleich mit der entspre-chenden Sensorik ausrüsten, wenngleich die Funktionen natürlich nicht jede Ein-satzkraft benötigt.“ Auch bei der Beleuch-tung tappt die Feuerwehr heute noch zu oft im Dunkeln: „Es gibt doch bereits starke LED-Lampen. So etwas gehört in den Helm integriert“, findet Hagebölling.

die summe aller eigenschaften

In Deutschland sind neben den Berufs- vor allem freiwillige Feuerwehren mit der Brandbekämpfung beauftragt. So stehen hier 28.000 Berufsfeuerwehrleute einem Heer von mehr als einer Million Frei-willigen gegenüber. In Hessen müssen

in den Produktionsschritten wird sicherheit eingebaut

Lackieren im minu­tentakt: Über einen fünf armigen Lackier­roboter erhält der Helm die gewünschte Farbe – eine von sieben möglichen.

>

>

fo

toS

: S

ve

n D

ör

ing

12 Drägerheft 382 | Mai 2009

Fokus helMfertigung

13Drägerheft 382 | Mai 2009

Weiter im internet, dort unter anderem: einblick in die fertigung

www.draeger.com/382/helm

beispielsweise erst Städte über 100.000 Ein-wohner eine Berufsfeuerwehr einrichten. In der 36.000-Einwohner-Stadt Neu-Isen-burg, zwischen Frankfurt und Offenbach gelegen, unterhält man eine Freiwillige Feuerwehr mit 120 Einsatzkräften. Zur Verwaltung dieser vergleichsweise großen Einsatzeinheit werden zudem neun haupt-amtliche Kräfte aufgeboten. Unter ihnen ist Frank Burger, Gerätewart der FF Neu-Isenburg: „Ein Feuerwehrhelm muss für alle Einsatzsituationen taugen. Ein Helm für die Technische Hilfeleistung und einer für die Brandbekämpfung, das würde sich bei uns nicht rechnen“, glaubt Burger zwar und hofft auf ein modulares Helmschalen-konzept. „Wir brauchen einen Helm mit Licht oder passenden Lampenhaltern, unter dem wir hörfähig bleiben und auch die Funkkommunikation abwickeln kön-nen.“ Nach hauseigener Untersuchung der infrage kommenden Feuerwehrhelme fiel die Wahl der Neu-Isenburger letztlich auf den HPS 6100 und HPS 6200.

tragekomfort ist individuell

„Der Kopfschutz hat für die Feuerwehr-männer und -frauen den höchsten Stel-lenwert. Den perfekten Helm gibt es aber nicht“, findet Helge Weber. Der Brandamtsrat war bei der Berliner Feuer-wehr jahrelang mitverantwortlich für die Beschaffung von Schutzbekleidung in der Serviceeinheit für Fahrzeuge und Geräte. Im September 2003 beschaffte die Berli-ner Feuerwehr den Dräger-Helm HPS 4100 für alle Einsatzkräfte. Für Deutschlands größte Berufsfeuerwehr und die freiwil-ligen Feuerwehren in Berlin waren etwa 5.000 Feuerwehrleute neu auszustatten.

Heute befasst sich Weber an der Landes-feuerwehrschule vor allen Dingen mit den Einsatzfahrzeugen, bleibt aber als Beauf-tragter für den Atemschutz der Berliner Feuerwehr eng mit dem Thema verbun-den: „Beim Innenangriff setzen wir auf Atemschutzmasken mit 5-Punkt-Kopfspin-ne, einer zweilagigen Kopfschutzhaube und den Helm.“ Die Schutzkomponen-ten sind auch genau in dieser Reihen-folge anzulegen. Das klingt kompliziert, scheint aber ohne Alternative: „Wir haben derzeit drei Maskentypen in verschiedenen Ausführungen im Einsatz. Die Gesichts-formen sind nun einmal unterschied-lich, hinzu kommen die Feuerwehrfrau-en. Nur so können wir annähernd 5.000 Atemschutzgeräteträger(innen) bestmög-lich ausrüsten“, sagt Weber. Was einen guten Feuerwehrhelm auszeichnet, da ist

sich Weber sicher: „Hoher Tragekomfort und geringes Helmgewicht sind wichtig.“

Die Berufsfeuerwehr der dänischen Hauptstadt Kopenhagen hat sich erst 2007 für den Dräger HPS 6200 entschieden. „Wir hatten beim vorherigen Helm eines ande-ren Herstellers Probleme durch Hitzeschä-den“, erläutert Niels-Ole Blirup, Chef der Feuerwehr- und Rettungskräfte Kopenha-gens. Der neue Helm sollte mehr aushal-ten: „Wir haben also Versuche mit sechs verschiedenen Helmen durchgeführt. Mit den infrage kommenden Helmen haben wir vier Feuerwehr-Instruktoren in unser Brandhaus geschickt, und der Dräger-helm zeigte dabei die beste Hitzebestän-digkeit.“ Nach einem Jahr im Einsatz sind kaum Materialausfälle zu beklagen, lobt Blirup: „Es zeigt sich, dass der Helm auch unempfindlich gegen starke Anstöße ist.

Die Beschichtung der Helmschale hält so einiges aus.“ Doch selbst ein guter Helm lässt sich noch verbessern. Blirup gab seine Erfahrungen gleich an Dräger weiter. So wurde der HPS 6200 schon in einem Detail modifiziert: „Nach den Erfahrungen des Hitzetests haben wir uns im Stirnbereich eine Hitzebarriere zusätzlich einbauen las-sen, denn neben der Hitzebeständigkeit ist das Thema Tragekomfort ein wichti-ges Argument“, sagt Blirup, der in Kopen-hagen rund 600 Köpfe zu schützen hat: „Sicherheit und Tragekomfort haben abso-luten Vorrang. Wenn der Helm der Zukunft bei gleichbleibender Sicherheit und Hit-zestabilität noch ein paar Gramm leich-ter werden würde, dann wäre ich restlos zufrieden.“

Vor ort in tschechien, April 2009

Gebannt schauen zwei Männer durch das Fenster in den Reinraum und verfolgen die Arbeit des speziellen Helm-Lackierroboters. Stimmen alle Bewegungen und Einstellun-gen des Spritzkopfes, damit der Lackauf-trag gleichmäßig wird? „Sah vom Ablauf sehr gut aus“, befindet der Lackierfach-mann und sein Kollege nickt stumm. Die beiden Männer nehmen den Helm nach der Trocknung in Augenschein, betrachten ihn von allen Seiten, prüfen Ränder und die Innenseite. Die Anspannung in ihrem Gesichtsausdruck weicht einem Lächeln: „Der Lackauftrag ist tadellos“, kommen-tiert der Fachmann. „Von uns aus kann es losgehen“, sagen sie. mario gongolsky

ein rezept mit zukunftDie helmschalen-grundkonstruktion bei feuerwehrhelmen von Dräger verbindet Sicherheit mit tragekomfort. Kernstück des Dräger „head Protection Systems“ (hPS) sind helmschalen aus glasfaserverstärkten duroplastischem Kunststoff. Diese Materialkombination ist extrem kälte- und hitzebeständig, zudem ausgesprochen leicht. Die tests für die Zulassung eines feuerwehrhelms nach en 443:2008 haben es in sich: ein feuer-wehrhelm muss heute acht Minuten unter einer hitzebestrahlung von 14 kW/m2 eine helmtemperatur von fast 300 grad Celsius aushalten. Selbst zehn Sekunden bei 1.000 grad Celsius in einer „vollbeflammung“ sollte der helm überstehen, ohne dabei in Brand zu geraten oder tropfend abzuschmelzen. Die Dräger-helme können bei 250 bis 270 grad Celsius Schalentemperatur (je nach helmfarbe) eine 5-kg-Kugel aus 2,5 Metern höhe abhalten, den Kopf wirksam vor der aufschlagenergie schützen und die Durchdringung eines 1-kg-Spitzkörpers aus 2,5 Metern höhe verhindern.

sicherheit ohne grenzen Der euroPäiscHe normungsProzess gewährleistet höchst mögliche Sicherheit nach dem Stand der technik. Die der-zeitige feuerwehr helm norm en443:2008 ist weltweit vorbild. Markus lamm hat als Mitglied in Din- und Cen-gremien für feuer-wehrschutzhelme an der formulierung dieser norm mitgearbeitet.

normen garantieren grundlegende Sicherheit und vergleichbarkeit. Sie bieten einen verlässlichen Mindestrahmen. Dabei führt die globalisierung zu einem Übergang von nationalen hin zu europäischen und internationalen Standards.

Die in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg geltende Din 14940 beschreibt den feuer-wehrhelm als eine gegen Stoß- und Wärmeeinwirkung schützende Kopfbedeckung, bestehend aus helmschale, innenausstattung, Kinn-nacken-riemen und nackenschutz. Bis ende 1997 folgte jedes land in europa seinem eigenen Standard. Seitdem jedoch gilt europaweit die en 443, die alle fünf Jahre auf den Prüfstand kommt: ist sie angesichts der aktuellen und zukünftigen anforderungen noch aktuell? Wo besteht verbesserungspotenzial, das sich beispielsweise mit innovativen Materialien verwirk lichen lässt? Schließlich geht es um Menschenleben, um die Sicherheit in extremen Situationen wie Brand- und Chemieereignissen, unfällen oder technischen Pannen – im freien wie auch in gebäuden.

natürlich hat die fortschreibung von normen auch eine harmonisierung im Blick. Schon vor mehreren Jahren begann eine intensive Diskussion von anwendern und herstellern zur Überarbeitung der norm en 443 von 1997, an der auch Dräger maßgeblich mitgewirkt hat. Daraus entstand die neue feuerwehrhelmnorm en 443:2008, die im februar 2008 in Kraft trat. für ihre formulierung ist auf euro-päischer ebene das technische Komitee „Cen/tC 158 Schutzhelme“ verantwortlich, das von deutscher Seite der arbeitsausschuss „Persönliche Schutzausrüstung für die feuerwehr“ des fachnormenausschusses feuerlöschwesen (fnfW) unterstützt. Das ergebnis kann sich sehen lassen: en 443:2008 ist für viele internationale helm-experten die wohl anspruchsvollste und umfangreichste feuerwehrnorm, die sich zudem an aktuellen und sehr realistischen Szenarien orientiert – auch im vergleich zu den anforderungen des uS-amerikanischen nfPa-1971-Standards oder die der australischen helmnorm aS/nSZ 4067.

Darüber hinaus verfolgt die en 443:2008 einen neuen ansatz. Statt Bauvorschriften (wie etwa die alte Din 14940) beschreibt sie die leistungsanforderungen an einen feuer-wehrhelm für die Brandbekämpfung in gebäuden und anderen baulichen anlagen. erstmals unterscheidet sie dabei zwei helmtypen: typ a für halbschalenhelme und typ B für vollschalenhelme. Je nach einsatz, notwendigem Schutzgrad und ergonomischen gesichtspunkten können die feuerwehren den geeigneten helm wählen. Die anforderun-gen und Prüfverfahren wurden hauptsächlich aus einer neubewertung der gefähr- dungsanalyse sowie unter Berücksichtigung praktischer erfahrungswerte entwickelt.

einige wesentliche verbesserungen für den noch wirksameren Personenschutz sind vorschriften für: u einen flame-engulfment-test, bei dem das equipment völlig von flammen umhüllt wird (totalbeflammung) u Stoßdämpfung und Durchdringung nach Wärmeein wirkung u erhöhung der Strahlungswärme auf 14 kW/m2

D-1

09

36

-20

09

>

fo

toS

: S

ve

n D

ör

ing

14 15Drägerheft 382 | MAI 2009Drägerheft 382 | MAI 2009

RepoRt enge eInst Iege

es ist ja nuR eine puppe, Modell „Frau“, gerade mal 55 Kilogramm schwer, gefüllt mit Granulat. „Aber anders, als wenn Sie Ihre gleich schwere Freundin auf den Arm nehmen, kommt einem die Puppe doppelt so schwer vor“, sagt Michael Bergold, Dräger Service-Mitarbeiter in der Region Nord, der das sichere Retten auch bewusstloser Men-schen aus einem Kanalsystem mit engem Einstieg theoretisch wie praktisch unter-richtet. Beides ist Pflicht, die Theorie ebenso wie die Praxis. So legen es die ver-schiedenen Vorschriften der Berufsgenos-senschaften fest, insbesondere die BGR 117, die eine derartige Übung mindestens einmal jährlich verlangt.

Seit 2005 verfügt Dräger über fahr-bare Übungsmodule, dank derer dieses ein- oder zweitägige Training (letzte-res für Aufsichtsführende) direkt beim Kunden stattfinden kann. Dazu zählen von der Energie- bis zur Abwasserwirt-schaft alle Branchen, in denen Personen ihren Arbeitsplatz nur durch (über- wiegend oder vollständig) von festen Wänden umgebene luftaustauscharme Räume erreichen – und das mitunter nur durch einen engen Einstieg (Confined Space Entry).

nicht ohne schutzausrüstung

Mitentwickelt hat das fahrbare Trainings-modul Werner Ochse, Business Deve-lopment Manager, Bergbau, Ver- und Entsorger bei Dräger, der mit seinem Team auf einer Fläche von nur zehn mal zehn Metern damit alle Voraus-setzungen für ein realitätsnahes Trai-ning geschaffen hat: „Der Kursteil-

trainieren, bevor es eng wirdDas Arbeiten in Behältern und engen räumen birgt hohe risiken, die sich durch einhaltung einschlägiger richtlinien drastisch reduzieren lassen. Diese sehen beispielsweise ein regelmäßiges training in theorie und Praxis vor. Die Dräger Academy bietet diese Kurse in einem mobilen tRainingsmodul an.

nehmer steigt durch ein enges Loch ein, passiert einen auf Wunsch verne-belten oder überhitzten Raum und klet-tert dann in ein Röhrenlabyrinth, um seinen bewusstlosen Kollegen zu retten – im Übungsfall die Puppe.“

Das dauert dann sieben bis zehn Minuten, wie Michael Bergold bei sei-nen zahlreichen Trainings beobachtet hat: „Wobei eine gute Vorbereitung eben-falls wichtig ist.“ Hierbei geht es zum einen um die Theorie, also um Gesetze und Vorschriften sowie Bestimmungen, aber auch um allgemeine Wissensver-mittlung zur Arbeitssicherheit. Gerade hier herrsche besonders bei vielen klei-nen kommunalen Betreibern von Klär-anlagen noch erschreckende und zum Teil lebensgefährliche Unkenntnis, wie Zweimetermann Bergold immer wieder beobachtet: „Zum Teil klettern Mitarbei-ter allein und ohne persönliche Schutz-ausrüstung in Kanäle, die sie mangels Gaswarngeräten nicht einmal vorher ‚freimessen‘ konnten – so nennen wir die Prüfung auf gefährliche Gase auch am Grunde eines Schachtes, bevor er ‚befahren‘ werden kann.“ „Das sei zwar nicht der Regelfall, aber auch keine abso-lute Ausnahme“, ergänzt Bergold. „Aber selbst, wo dieses Verhalten auf Unwis-

sen basiert, wird im Falle eines Falles der dafür Verantwortliche zur Rechen-schaft gezogen. Mit einer Geldstrafe ist das nicht erledigt!“

drei mobile anlagen weltweit

Obwohl die Teilnehmer ihre persönliche Schutzausrüstung zum Training mitbrin-gen und nutzen sollen, hat das Modul vom Gaswarngerät über Pressluftatmern bis hin zu den sichernden Auffanggurten alles mit an Bord – für die Teilnehmer, deren Arbeitgeber diese notwendige Schutzaus-rüstung noch nicht zur Verfügung gestellt hat. „Aber selbst, wenn unsere Kursteil-nehmer alles selbst mitbringen“, erfährt Michael Bergold immer wieder, „hapert es nur zu oft am sachgemäßen Umgang damit.“ So werde der Auffanggurt fast immer zu locker angelegt mit der Gefahr, zwischen den Beinen zu verdrehen und beim Sturz schwere Verletzungen zu ver-ursachen. Auch die richtige Bedienung der mobilen Gaswarngeräte sei selbst für viele ihrer Besitzer noch Neuland.

Deshalb legt der theoretische Teil des Programms erst die Grundlagen, die dann in der Praxis erfahren werden. „Bei unserem Training kommen auch oft weniger bekannte, aber dennoch wich-tige Dinge zur Sprache wie das sogenann-

te Hängetrauma“, sagt Katharina Nadol-ny von der Dräger Academy, die weltweit diese Unterweisungen koordiniert und vorantreibt. Hängen abgestürzte Kollegen beispielsweise 20 Minuten in einem Tra-gegurt, so können sie Schäden davon-tragen, etwa durch verminderte Blut-zirkulation. Nur wer diese Übersicht hat, kann mit effizienten Rettungsmaß-nahmen Schlimmeres verhindern.

Das alles kommt an. Die Nachfrage ist etwa dreimal so hoch, wie zunächst prognostiziert. „Derzeit haben wir zwei mobile Anlagen in Europa und eine in Australien“, sagt Nadolny und auch, dass sie über eine weitere in Brasilien nach-denke. „Überdies“, ergänzt Werner Ochse als Mitentwickler der Trainingsmodule, „kläre man nicht nur über die Vorschrif- ten auf, sondern spreche auch gezielt beispielsweise sogenannte ,Kanalnach-barschaften‘ an“. Zu denen haben sich kleine Kanalnetzbetreiber einer Region zusammengeschlossen, die regelmäßig gemeinsam Fortbildungsveranstaltun- gen organisieren. Dank der mobilen Trainingsmodule ist die Sicherheit von Mitarbeitern somit keine Frage der Betriebsgröße oder des Standortes mehr. Mehr über das Trainingsmodul: siehe Seite 36. nils schiffhauer

Was kommt nach dem einstieg? Wissen und praktisches training geben erfahrung und sicherheit.

eine Übung – nur. und doch wird manchem teilnehmer dabei manchmal eng ums Herz.

D-1

09

81-

200

9

D-1

09

82-

200

9

D-3

143

-20

09

D-1

09

84

-20

09

Überkopf: Die nachgebildete Hub­schrauberkabine lässt sich drehen. Der Ausstieg ver­langt Konzentration.

MittAgs, feucHte 32° Celsius. Die Sonne brennt durch leichte Wolken-schleier auf Vung Tau, eine Halbinsel etwa 120 Kilometer südöstlich von Ho-Chi-Minh-Stadt, dem ehemaligen Sai-gon. Jetzt in den blauen Pool zu springen, müsste die reine Erholung sein. Doch zwölf Männern steht mehr der Respekt ins Gesicht geschrieben als reine Freude. In blauen Overalls aufgestellt am Rand eines vier Meter tiefen Beckens, setzen sie sich die gelben Schutzhelme auf. Gleich wird Ernst, worauf sie in den vergangenen Stunden minutiös vorbereitet wurden: der Ausstieg aus einem notgewasserten Hubschrauber.

„Die Angst findet hier statt“, tippt sich Trainer Hoang Van Manh an die Schlä-fe. Fast drei Stunden hatte er vor seinen zwölf Teilnehmern eine mitreißende Prä-sentation darüber gegeben, wie sie die-se Angst durch ein striktes Training und mentale Kontrolle erfolgreich überwin-den. Er führte dabei durch die sechs Kate-gorien der Notlandung: die kontrollierte, die halb-kontrollierte und die unkontrol-lierte Landung, wobei wir jeweils zwi-schen bereits zerborstenen und noch intakten Fenstern unterscheiden. Der Trainer fasziniert durch seine direkten Beispiele: Zufallsvideos von Hubschrau-berunfällen, resümierende Fragen und die praktische Vorführung, beispiels- weise der Rettungsweste: „Wenn ihr die im Helikopter aufblast, kommt ihr wahrscheinlich kaum noch durch den engen Notausgang!“

Wer das hört und sieht ist überzeugt, dass diese Art von Helicopter Underwa-ter Escape Training (HUET) auf dem

Pflichtprogramm von allen steht, die den Hubschrauber nutzen – nicht nur zum Shutt le zwischen Land und Bohr-inseln, wie es hier bei PetroVietnam vor allem der Fall ist. Doch die Praxis sieht anders aus, wie Jo-Frey Valenzuela von den Philippinen von der Firma Tanker Pacific selbst erfahren hat: „Ich habe mal ein ähnliches Training mitgemacht. Das fand aber nur trocken statt, auf dem Papier.“ Weder ihn noch seinen Arbeitge-ber stellte das zufrieden. Und so buchte er einen Kurs in Vung Tau, bei dem die-se Fähigkeiten wie live trainiert und mit Stempel im persönlichen Safety Logbook der erfolgreichen Teilnehmer bestätigt werden.

Orientierung bewahren

PetroVietnam ist nach eigenen Angaben eines der größten Unternehmen der Öl- und Gasbranche in Asien, das in diese Verbindung von Theorie und Praxis inve-stiert hat. Die Achtung vor den Menschen gebiete das, wie später Trinh Hai, Deputy Director aller Trainingscenter des größ-ten Öl- und Gasförderers vor der südviet-namesischen Küste berichten wird (siehe Interview, S. 19). Doch erst einmal ste-hen die Männer in ihren blauen Overalls am Beckenrand. Der Trainer erklärt den Kasten, dessen Innenraum dem Super Puma der EADS nachgebildet ist, den PetroVietnam neben dem russischen Mi-17 und dem Eurocopter EC155B für den Personentransport einsetzt.

Vorn zwei Sitze für den Pilot und seinen Copilot, hinten sechs für die Flug-gäste, die einander gegenübersitzen. Der Gitterboden lässt bei einer simulierten

sieben sekundenDie NOtlANDuNg eiNes HubscHrAubers ist ein gefährliches Manöver. Besonders, wenn sie im Wasser erfolgt und der Helikopter überkopf rollt. Training in Theorie und vor allem in der Praxis erhöht die Chance, dass die Fluggäste dennoch sicher wieder auftauchen. Das vietnamesische Öl- und Erdgasunternehmen PetroVietnam bietet genau diese Schulungen an.

>

Wasser hat keine balken – auch für Heli­kopter nicht. bei einer Not­was serung kommt es auf die richtigen Handgriffe an. sie müssen realitätsnah trai­niert werden.

16 DrägErHEFT 382 | Mai 2009 17DrägErHEFT 382 | Mai 2009

repOrt noT WaSSErung

© C

on

st

ru

Ct

ion

Ph

oto

gr

aP

hy

/Co

rb

is

D-1

09

79-2

00

9

Notwasserung sofort Wasser durch. Und die Fens ter lassen sich für die unter-schiedlichen Trainingsstufen einfach ein- und ausbauen. Die blaue Kapsel hängt an einem Einschienenlaufkran, der eine Tragfähigkeit von sechs Tonnen besitzt. Die Kapsel kann nicht nur quer über das Trainingsbecken verschoben werden, sondern lässt sich ebenfalls vom Becken-rand aus (elektronisch gesteuert) um 180 Grad kippen. Wenn unten zu oben wird und umgekehrt, so die Erfahrung des Trainers, dann verlieren viele Insas-sen schnell die Orientierung. Das hatte er zuvor im Schulungsraum mit der Frage verdeutlicht, ob der vor Drehung um die Längsachse (Rollen) links sitzende Nach-bar danach zur Rechten oder zur Linken sitze. Zur Rechten, antwortete das Gros der Teilnehmer falsch und zeigte damit gleichzeitig, dass sich ohne praktisches Training und rein intuitiv derartige Situ-ationen kaum beherrschen lassen.

Die ersten sechs Teilnehmer machen es sich auf den Stühlen aus rostfreiem Stahl so bequem wie möglich und schnallen sich an. Sie steigen wieder aus. Ohne zu merken, haben damit alle den ersten Punkt „kontrollierte Notlandung über Land“ ab solviert. Wieder eingestiegen, fährt sie der Kran auf die offene See des Übungsbeckens, bis auf die Tiefe einem großzügi gen Swimmingpool nicht unähn-lich. Die In sassen verbergen ihre Nervo-sität. Nur Über sprungshandlungen wie Nesteln am Over all verraten bei man-chem die Neugierde. Natürlich stehen zwei Taucher mit Schwimmflossen und Pressluftatmer bereit. Ebenso wie ein Arzt. Doch als wirklich beruhigend wer-den sich nur die eigenen Fähigkeiten erweisen. Nach dem Training.

Der Kasten setzt auf der Wasser-oberfläche auf, das Wasser steht in ihm knöchelhoch. Routiniert schafft jeder den Weg in die längsseits liegende Ret-

tungsinsel. Dass die Trimmung beim Ausstieg noch nicht ganz stimmt und der simulierte Hubschrauber zu kippen drohte, haben die Teilnehmer in ihrer Aufregung nicht bemerkt. Der Trainer weist sie darauf hin. Beim nächsten Mal wird alles nicht nur besser, sondern auch schwieriger. Dann nämlich setzt die Kapsel nicht nur auf, sie geht auch unter. Jeder zählt bis sieben. Langsam. So hat man es ihnen beigebracht. Erst dann dreht sich der Hauptrotor des Heli-kopters nicht mehr, der die größte Gefah-renquelle beim Aussteigen darstellt, auch an Land übrigens. Die Videos hatten die Folgen drastisch gezeigt. Niemand, der sie gesehen hat, wird vergessen, wie lange ein Rotor noch das Wasser aufschäumt.

Das hat Wirkung

„Am Beckenrand wirken sieben Sekun-den kurz, unter Wasser kommen sie einem ganz schön lang vor“, prustet Cao Van Tuan, einer der Teilnehmer. Beifall von den Zuschauern, als alle Köpfe und hochgereckte Daumen – Thumbs up! – aus dem Wasser auftauchen. Während-dessen setzen Taucher Fenster in die Öff-nungen. Der Trainer hatte vorher genau erklärt, dass sie wegen der Hebelwirkung am leichtesten an einer der vier Ecken herauszuschlagen sind, nicht in der Mit-te: Und erst angeschnallt bleiben! Das in Wirbeln einstürzende Wasser lässt euch sonst rotieren, und ihr verliert die Orien-tierung! Alles geht glatt.

Jetzt sind sie reif für die Königsdis-ziplin: den Ausstieg, nachdem die Kap-sel sich im Wasser halb um die Längs-achse drehte. Dass das gut trainierte

petroVietnam – ein unternehmen gibt gasgegründet wurde PetroVietnam 1975 zur Erschließung von Öl vorkommen vor der Südküste des südostasiatischen Landes. Fünf Jahre später ging es ein Joint Venture mit der damaligen udSSr ein. Seit 1981 fördert es auch gas. Das unternehmen erlöste 2008 mehr als 16 Milliarden uS-Dollar, eine Steigerung um mehr als 30 Prozent gegen über dem Vorjahr. Das von PetroVietnam

ins ausland verkaufte rohöl macht 18 Prozent des gesamten Exportvolumens des Landes aus, dessen Haushalt die Erträge daraus zu fast einem Drittel finanzieren. Erfolgreich ist auch die Suche nach weiteren offshore-Ölfeldern: 2008 konnte PetroVietnam fünf weitere erschließen. (www.petrovietnam.vn)

„unsere Mitarbeiter sind weltweit gefragt“Das liegt nicht zuletzt an ihrer qualifizierten ausbildung, wovon triNH HAi, Deputy Director, PetroVietnam Manpower Training College, überzeugt ist.

Welche bedeutung haben schulungen in ihrem unternehmen?Wir beschäftigen mehr als 10.000 Mitarbeiter. Sie alle arbeiten in einer industrie mit hohen risiken. Dafür müssen wir sie fit machen. Deshalb haben wir 1993 unser Zentrum für Sicherheitstrainings aller art in Vung Tau eingerichtet und passen es laufend dem Stand der Technik an.Wobei petroVietnam ja schrittmacher nicht nur in südostasien ist …Ja, wir haben beispielsweise ein Training für den ausstieg aus notgewasserten Hubschraubern ausgeschrieben. Die Sicherheit unserer Mitarbeiter ist uns das wert. Seit august 2008 trainieren wir hier sehr erfolgreich Teilnehmer – inzwischen aus aller Welt.Warum haben sie sich bei der Auftragsvergabe für Dräger entschieden?Wir kannten das unternehmen bislang vor allem durch seine zuverlässigen atemschutzgeräte und gasdetektoren. Dann haben wir aber auch in Sachen Training kompetente und freundliche Mitarbeiter gefunden, die sehr genau verstehen, was wir wollen. Durch sie partizipieren wir in einem fairen austausch zugleich von modernster Sicherheitstechnik. und Dräger hat alle Kriterien der ausschreibung erfüllt – einschließlich unseres Budgets.Der bedarf bei petroVietnam für sicherheitstechnik dürfte künftig eher steigen?Sicherlich, denn neben gesteigerten umsätzen erweitern wir unsere geschäftsfelder. Wir fördern neben Öl seit 1981 ja auch gas und wollen neben neuen Quellen vor der Küste Südvietnams auch Quellen vor nordvietnam erschließen.bleibt es beim export von rohöl und dem import von raffinierten produkten?nein, denn unsere erste raffinerie hat gerade im Februar 2009 in Dung Quat ihren Betrieb aufgenommen. Zwei oder drei weitere sollen folgen. Schon jetzt bilden wir hier auch für die Steuerung von raffinerien aus.Wie finden sie qualifizierte Mitarbeiter?Das ist schwieriger geworden, seitdem auch ausländische unternehmen in Vietnam operieren dürfen und beispielsweise sehr attraktive gehälter bieten. Da müssen wir mitziehen. und wir versuchen, hinsichtlich der Weiterbildung Maßstäbe zu setzen. auch damit gewinnen wir hochqualifizierte Mitarbeiter, die inzwischen zudem auf vielen weiteren Ölfeldern weltweit begehrt sind. Diese nachfrage zeigt uns, dass wir auch in Sachen ausbildung auf dem richtigen Weg sind.

Verlassen der Kapsel dennoch so schnell klappt, wundert selbst die Teilnehmer, deren Puste langsam knapper wird. Erst vor kurzem saß man zusammen bei Hüh-nersuppe mit Chili, frittierten Krabben auf Koriandergrün und sautierten Rind-fleischstreifen mit Knoblauchspinat zubereitet von der hauseigenen Küche des Trainingscenters. Was die Teilneh-mer danach können, beherrschen sie mit nüchternem Magen erst recht.

Doch unter den erleichtert Auftau-chenden setzen Taucher bereits die Fen-ster ein. Wieder auf den Sitzen festschnal-len, ins Wasser, drehen, langsam bis sieben zählen, nun über Kopf das Fenster aus-schlagen, losschnallen und auftauchen. Einer nach dem anderen. Begeisterter Beifall, über den weitere sechs Teilneh-mer am Beckenrand beinahe vergessen, dass nun sie als nächste dran sind. Auch sie schlagen sich bravourös.

„Anders war es auch kaum zu erwar-ten“, resümiert der Trainer mit seinen drei Jahren Erfahrung, die er zudem auch an älteren Geräten gesammelt hat. Und nur einer von dreihundert Teilnehmern schafft es nicht. Die neuartige Anlage in Vung Tau hingegen stellte Dräger im August 2008 fertig. Cao Van Tuan findet: „Es hat gro ßen Spaß gemacht! Und durch das Praxistraining fühle ich mich auf den Ernstfall vorbereitet.“ Den jedoch habe die Öl- und Gasindustrie vor der Südküs-te Vietnams noch nie gesehen. Aber sicher sei sicher. Nils schiffhauer

im schulungsraum erklärt trainer Hoang Van Manh, was später im Wasser konzentriert geübt wird: Aussteigen aus einem notgewasserten Helikopter.

Weiter im internet, dort unter anderem: „Mittendrin“

www.draeger.com/382/dss

>

18 DrägErHEFT 382 | Mai 2009 19DrägErHEFT 382 | Mai 2009

noT WaSSErung repOrt

D-1

09

40

-20

09

D-1

09

39

-20

09

D-1

09

38

-20

09

D-1

09

80

-20

09

21Drägerheft 382 | MAI 2009

SonDerMüllDeponIe RepoRt

Der fremde planetDas projekt ist einzigartig: Im schweizerischen Kölliken wird eine Deponie zurückgebaut, in der jede Menge SonDeRabfälle lagern. So erfolgreich, dass andere Deponien sich daran orientieren. Besonders wichtig dabei: der Schutz von Mensch und Umwelt.

auS DeR DiStanz sieht die Son­dermülldeponie Kölliken aus, wie vom Verhüllungskünstler Christo in die Landschaft gesetzt. Als weißer Hügel schmiegt sich die bogenförmige Kon­struktion in die frühlingsgrüne Umge­bung. Auf der Autobahn aus Zürich kom­mend Richtung Westen, würde man es im Winter bei Schnee wahrscheinlich gar nicht registrieren, so arglos wirkt das Gebäude. Aber hinein kommt man nur mit Sondererlaubnis, also eigent­lich gar nicht. Und wenn, dann muss man eine Luftschleuse passieren, Atem­maske und Vollkörperschutzanzug sind Pflicht, denn hinter dem Beton liegen rund 300.000 Kubikmeter Problem­abfälle und verseuchter Boden.

Absolut luftdicht ins Mauerwerk eingeklebte Fenster gestatten immer­hin einen Blick in die fremde Welt. Die Erde ist aufgerissen, nur wenige Menschen sind zu sehen. Sie tragen schweres Schutzgerät und schützen den restlichen Köper mit einer gelben Gummihülle. Mitten in der Halle parkt ein Raupenfahrzeug mit beleuchteter Glaskanzel. Es sieht aus, als könnte man damit auch eine Mondmission bewälti­gen. Ein Bagger kurvt herum und legt mit großer Vorsicht vom Rost zerfres­sene Fässer frei.

umweltsünde wird Vorzeigeprojekt

Was in der Halle von Kölliken passiert, ist ein bislang weltweit einmaliges Vor­haben: Eine alte Sondermülldeponie wird zurückgebaut. Noch nie wurde eine Deponie mit Sonderabfällen solchen Aus­maßes und Inhalts wieder abgetragen.

Schon in fünf Jahren soll hier – statt der Halle – wieder eine grüne Wiese sein. Aus einer alten Umweltsünde machen die heutigen Betreiber für 445 Millionen Schweizer Franken (rund 300 Millionen Euro) ein Vorzeigeprojekt. Und die Abfall­industrie der Welt schaut nach Kölliken, denn das, was hier passiert, könnte bald auch in anderen Teilen Europas, den USA und Asien nötig werden.

Die Geschichte der Sondermüllde­ponie (SMDK) am Rande des 4.000­See­len­Dorfes Kölliken im Kanton Aargau beginnt im Jahr 1976. Die Tonwerke Kel­ler AG beantragt, ihre einstige Tongrube zu einer „Kehrrichtdeponie“ umzuwid­men. Die Kantone Aargau und Zürich, und die Basler chemische Industrie schließen sich zu einer Betreiberge­sellschaft für eine Sondermülldeponie zusammen. Das Areal, eine Hanglage, liegt nur zweihundert Meter entfernt von einer grundwas serführenden Schicht. Dann geht alles sehr schnell. Mit drei Probebohrungen attestiert der dama­lige Gutachter dem Untergrund nahe­zu optimale hydrogeologische und tech­nische Eigenschaften, um hier Abfälle aus der chemischen Industrie sicher ein­zulagern.

Im Mai 1978 ist offizielle Betriebs­eröffnung. In den nächsten sieben Jah­ren werden 350.000 Tonnen Abfälle eingelagert. Darunter Quecksilberbatte­rien, zyanidhaltige Stäube, Ammonium­chlorid, Mangansulfat, Phenole, Harze, Farbrückstände, chlorierte Kohlenwas­serstoffe und giftige Schlacken. Über die angelieferte Ware wurde zwar Pro­tokoll geführt, aber es gab damals kei­

ne vollständige Eingangskontrolle – nur Farbe, Geruch und Konsistenz wurden registriert.

Kein Gramm Gift soll entweichen

Als die Kölliker 1985 protestieren, weil es rund um die Deponie, aus der Kana­lisation und in den Waschküchen, nach Chemie stinkt, wird diese geschlossen. Der Untergrund, den man, da lehmig, für dicht gehalten hatte, lässt zudem das gif­tige Deponiewasser durchsickern. Nach diesen und weiteren Vorfällen wird das Betreiberkonsortium neu organisiert und die Sicherung der Deponie geplant. Zu dieser Zeit kommt der Chemiker Jean­Louis Tardent nach Kölliken. Er soll die Verhältnisse verbessern – soweit, dass die Deponie spätestens nach fünf Jahren wie­der geöffnet werden kann. Die Untersu­chungen zeigen jedoch die Notwendigkeit massiver und langwieriger Sicherungs­maßnahmen. Tardent ist es, der schließ­lich auch den Rückbau der Deponie koor­dinieren wird, weil sich herausstellt, dass die Deponie über Generationen hinweg eine Umweltbedrohung bleiben wird. Und, dass die langfristigen Kosten für den Unterhalt der Sicherungsmaßnahmen höher ausfallen als für den Rückbau der Deponie.

Im Jahr 2003 wird das aufwendigste Sanierungsvorhaben in der Geschichte der Schweiz beschlossen: der vollständige Rückbau der SMDK. Im März 2006 wird mit dem Bau der gigantischen Halle begon­nen. Die gesamte Fläche der alten Depo­nie wird ummauert und mit einem Dach versehen. 32 Meter ragt die Stahlkonstruk­tion in den Himmel, an der das Hallen­

beinahe sehen sie aus wie astronauten. und

auch ihre arbeitsatmo - s phäre beim Rückbau

der Deponie verlangt den best möglichen Schutz. > f

oto

: r

DB

/SI/

re

Ich

en

BA

ch

22

RepoRt SonDerMüllDeponIe

23Drägerheft 382 | MAI 2009 Drägerheft 382 | MAI 2009

gesammelt und kontrolliert verbrannt; das Sickerwasser mehrstufig gereinigt, bevor es in den Wasserkreislauf der Natur zurück darf. Aus der alten Deponie soll kein Gramm Gift mehr herauskommen, jedenfalls nicht ohne die ausdrückliche Erlaubnis Tardents. Seither dürfen die Alt­lasten die Halle nur in luftdichten Contai­nern verlassen, auf dem Weg in speziali­sierte Entsorgungsbetriebe.

Durch eines der Gucklöcher in der Beton­hülle zeigt Tardent, was mit den Fässern und dem verseuchten Boden passiert. Gelbe Bagger und grüne Transportfahr­zeuge stehen in der Halle bereit. „Allesamt Sonderanfertigungen“, sagt Tardent. Sie verfügen alle über eine eigene Luftversor­gung. Damit die Arbeiter einsteigen kön­nen, werden die Bagger an „Dockingsta­tionen“ angeschlossen, Schleusen, die wie tunnelartige Passagierbrücken auf Flughä­fen in die Halle ragen, in der permanent ein leichter Unterdruck herrscht. „Damit, falls die Hülle ein Leck bekommt, nichts in die Umwelt entweichen kann.“

Dauernd Überraschungen

Das größte Problem in Kölliken ist das Ungewisse. So exakt Tardent auch die Umgebung und den Untergrund hat ver­messen lassen, was in der Deponie selbst auf die Arbeiter wartet, ist nicht genau bekannt. Man vertraute auf die Ehrlichkeit der Mülllieferanten und so kann es sein, dass im deklarierten Schlamm einer Gal­vanikfirma noch ein paar extrem giftige Zyanidbällchen stecken. „Alles was man erwarten kann, ist geregelt“, sagt Tardent, „aber es gibt dauernd Überraschungen“.

Zwei Männer in voller Schutzmontur und Atemschutzgeräten beugen sich über einen Container und nehmen Proben. „Wir versuchen, die Fässer als Ganzes zu ber­gen“, sagt Tardent. „Alles was wir finden wird analysiert.“ Aus einer Baggerschaufel Erdreich werden kleine Mengen in Gläser abgefüllt, auch der Inhalt von Fässern wird im eigenen Labor innerhalb von 48 Stun­den geprüft. Bei der sogenannten Triage wird dann je nach Zusammensetzung

entschieden, was mit dem Abfall oder dem Abraum passiert. Schwach kontaminiertes Erdreich wird einer Bodenwäsche unter­zogen, der größte Teil aber kommt in Ver­brennungsanlagen oder wird zu sicheren Lagern wie etwa der Untertagedeponie im hessischen Herfa­Neurode transportiert und dort 700 Meter unter der Erdober­fläche in alte Stollen eingemauert.

Nachdem das Schicksal einer Fuhre durch die Inhaltsstoffanalyse entschie­den ist, werden in einer Schleuse die im „weißen Bereich“ stehenden Container aus dem „schwarzen Bereich“, dem kon­taminierten, heraus befüllt, luftdicht ver­schlossen und abgeduscht. Im „weißen Bereich“, den man ohne Schutzanzug betreten kann, rangieren riesige Stapler die versiegelte Fracht durch eine keimfrei wirkende Halle. Über verwinkelte Gänge geht es in die Leitwarte, ein mit Moni­toren voll gestopfter Raum, in dem rund um die Uhr eine Wache sitzt und das Inne­re der Abbauhalle im Blick behält. Wäh­rend der normalen Arbeitsschicht aber geht es hier lebhaft zu. Um die Termine einhalten zu können, rechnet die Projekt­leitung mit einem Rückbau von 500 Ton­ nen je Arbeitstag. „Doch die Sicherheit der Mitarbeiter und der Bevölkerung stehe trotz der rigiden Leistungsanforderungen an oberster Stelle“, sagt Tardent.

Deshalb wird die Halle während der Schicht taghell ausgeleuchtet. 14 steuer­bare Kameras überwachen jeden Schritt, der in der schwarzen Zone gemacht wird. Außerdem ist jeder Mitarbeiter in der Gefahrenzone mit einem GPS­Gerät am Helm ausgestattet. Auf einem Monitor können die Männer in der Leitwarte so

jeden Einzelnen auf Schritt und Tritt ver­folgen. „Der Sensor am Helm könne sogar erkennen, ob sein Besitzer aufrecht steht oder geht, oder ob er gerade umgefallen ist“, erklärt Tardent, der selbst dieses Käst­chen am Helm trägt. Vor dem Jahreswech­sel wurden zusätzlich Wärmebild kameras installiert, nachdem es dreimal in der Rückbauhalle gebrannt hatte. Zuletzt waren im Sommer 2008 Flammen acht Meter hoch aus einem Fass mit Magnesi­umspänen geschossen und der Rückbau stand bis Mitte Januar 2009 still.

Müll: Rohstoff von morgen

Gleich neben der Leitwarte befindet sich der Lagerraum für die persönliche Schutzausrüstung (PSA) der Arbeiter in der schwarzen Zone. Seit dem Start des Deponierückbaus betreut der Dräger­Unternehmensbereich Sicherheitstech­nik die Baustelle mit einem eigenen Mitarbeiter als PSA­Gerätewart vor Ort. Michael Sigrist ist verantwortlich dafür, dass die mobilen und stationären Gas­messgeräte immer einwandfrei funkti­onieren, er inspiziert die Atemschutz­masken, Druckluftschlauchgeräte, die gasdichten Schutzanzüge und die Press­luftatmer genauso wie die Fluchtanzüge, die in jedem Fahrzeug für Notfälle depo­niert sind. In einer eigenen Werkstatt wartet und gegebenenfalls repariert er das Material. Dafür stehen ihm alle not­wendigen Kalibrier­ und Prüfgeräte zur Verfügung. Und er sorgt dafür, dass die Explosivstoffdetektoren an den Bagger­schaufeln einwandfrei ihren Dienst ver­richten. Auf Knopfdruck kann der Fahr­zeugführer eine Gasprobe einsaugen und

weiß 20 Sekunden später, ob ihm an die­ser Stelle Gefahr droht.

Kölliken gilt in der Branche als Mus­ter beispiel, nach dessen Vorbild nun eine weitere Sondermülldeponie zurückge­baut wird. In Bonfol (nahe der franzö­sischen Grenze) wird zurzeit eine ähn­liche Halle über einer alten Grube voller Chemieabfälle errichtet, in die die Bas­ler Chemie zwischen 1961 und 1976 rund 114.000 Tonnen gefährliche Abfälle einla­gerte. Dort soll die Sanierung 2010 begin­nen. Allerdings haben die Betreiber dort ge plant, die gefährlichste Arbeit von Robotern verrichten zu lassen.

Nachdem sich die Schutztechnik für Mensch und Umwelt bewährt hat, könnten diese Projekte den Anfang einer ganzen Reihe von Rückbauvorhaben welt­weit markieren. Auf 400 Millionen Ton­nen schätzt das Bundesumweltministe­rium die Menge des gefährlichen Mülls weltweit. Wie Bonfol oder Kölliken wer­den auch die zukünftigen Rückbaupro­jekte erst möglich durch eine Reihe tech­nischer Innovationen. Und nicht nur die Gesundheit des Menschen und der Umwelt sind treibende Kräfte hinter dieser Entwicklung, sondern auch gute Geschäfte mit dem, was man vor einem Jahrzehnt noch als Abfall erachtet hat. Die Betreiber von Herfa­Neurode verkau­fen bereits Teile des Deponats: selenhal­tigen Abfall an Mikrochiphersteller oder ausrangierte Transformatoren, um das Kupfer ihrer Kerne wieder zu verwerten. Explodierende Rohstoffpreise und fortge­schrittene Recyclingtechnik machen es möglich. Der Müll von heute ist der Roh­stoff von morgen. Hanno Charisius

plötzlich schoss eine acht Meter hohe flamme aus einem fass mit Magnesiumspänen

Riesenhaft wölbt sich das Gerüst für die freitragende Halle in den blauen Himmel von Kölliken. und die abfallindustrie der ganzen Welt schaut hierher.

Jean-louis tardent; mit 250 bohrungen das Deponieumfeld erkundet

präzise analysen: Maren Schwalm leitet das labor in Kölliken.

dach aufgehängt wird. Auf der gesamten Breite von 170 Metern wird es im Inneren der Halle keine einzige Stütze geben, die die Aufräumarbeiten stören könnte.

Heute, nach fast 25 Jahren, lebt SMDK­Geschäftsführer Tardent noch immer mit seiner Familie in Kölliken. Kein Mensch kennt die Deponie so gut wie er. Mit 250 Bohrungen wurde das Umfeld der Deponie erkundet. Das brennbare Deponiegas wird

>

fo

toS

: r

DB

/SI/

re

Ich

en

BA

ch

D-1

09

26-2

00

9

24 Drägerheft 382 | MAI 2009 25Drägerheft 382 | MAI 2009

hintergrund gAsMesstechnIk

Am AnfAng wAr der Kanarien­vogel: Die zarten Finken warnten Berg­leute vor gefährlichen Gasen unter Tage. Zwitscherten sie nicht mehr, mussten die Kumpels schnell nach oben. Solche kruden wie ungenauen Methoden (zur Bestimmung von Gaskonzentrationen in der Atmosphäre) sind längst Geschichte. Heute wachen präzise Messgeräte über die Konzentration gefährlicher Gase und brennbarer Dämpfe. Stand der Technik sind kompakte, kleine, widerstandsfähige und flexible Multigas­Messgeräte.

Gase und Dämpfe müssen nicht an sich schädlich sein – schließlich machen sie die Atmosphäre der Erde aus. Erst, wenn ihre Konzentration (je nach Stoff) kritische Werte überschreitet (Vergiftungs­ und Explosionsgefahren) beziehungs­weise unterschreitet (Erstickungsgefahr durch Sauerstoffmangel), können sie zur Bedrohung werden. Quer durch verschie­dene Branchen wird daher mobile Gas­messtechnik sehr flexibel eingesetzt: Die Szenarien reichen vom einzelnen Mitar­beiter oder kleineren Arbeitsgruppen bis zu Großeinsätzen wie dem industriellen Shutdown (Stillstand) einer ganzen petro­chemischen Anlage.

gezielt vor Ort

Das extrem heterogene Einsatzbild macht die Entwicklung von mobilen Gaswarn­geräten so anspruchsvoll: Haben sich toxische Gase über dem Abwasser gesam­melt, 30 Meter tiefer in der unteren Ebe­ne der Kanalisation? Kann der Mitarbei­ter den gerade entleerten Tankwagen ohne Gefahren für die Gesundheit betre­ten? Wo befindet sich das Leck in der

Transportleitung? Sind brennbare Dämp­fe im Erdöl verarbeitenden Betrieb ent­standen? Und ist die Arbeitsatmosphäre bei der Verlegung von Kabeln unter der Erde noch sicher?

Solche Fragen stehen für typische Anwendungsgebiete mobiler Gasmess­technik: Personenschutz, Freigabe­ und Kontrollmessungen, Bereichsüberwa­chungen und Lecksuche sind Eckpunkte ihres Einsatzes. Die Bauart der Sensoren unterscheidet sich dabei nicht grundsätz­lich von der stationären Gasmesstechnik, verwendet werden vor allem katalytische, elektrochemische und Infrarotsensoren (siehe auch Drägerheft 381, S. 22­27). Immer strengere Grenzwerte und die – auf hohem Niveau – weiter steigenden Ansprüche an die Arbeitssicherheit ver­langen noch genauere Messtechnik.

Im Gegensatz zu fest installierten Anla­gen, deren jeweilige Konfiguration genau auf die lokal spezifischen Verhältnisse und die zu erwartenden Stoffe abgestimmt werden kann, müssen mobile Messgeräte auf verschiedene Szenarien reagieren können. Das verlangt eine hohe Flexibili­tät. Am besten erfüllen Mehrgas­Messge­räte diese Anforderung. Zu diesen Multi­talenten geht denn auch der Trend, wenn Unternehmen mit neuer Messtechnik ihre Mitarbeiter noch besser schützen wollen.

Dafür soll beispielsweise das neue Dräger Multigas­Warngerät X­am 5600 sorgen, das einen Infrarot(IR)­Doppelsen­sor für brennbare Gase und Dämpfe sowie Kohlendioxid kombiniert. Die Marktein­führung ist für das zweite Halbjahr 2009 geplant. Insgesamt erkennt und misst es gleichzeitig bis zu sechs verschiedene

Gase. Diese Zuverlässigkeit wird durch Infrarottechnik in einer besonders kom­pakten Bauform zu einem attraktiven Preis realisiert. Unternehmen können damit personenbezogene Gaswarntech­nik nach dem Stand der Technik auf brei­ter Basis anschaffen. Denn auch im Per­sonenschutz sind über die Zuverlässigkeit hinaus kompakte Geräte mit guter Ergo­nomie bei günstigen Kosten in Anschaf­fung sowie Unterhalt gefragt – darin spie­geln sich die langen Einsatzzeiten und die hohen Stückzahlen wider.

gesamtkosten im Blick

Beim X­am 5600 fallen die Betriebskos­ten (beispielsweise im Vergleich zu kata­lytischen Sensoren) deutlich niedriger aus. Davon profitieren die Unternehmen, wie Ulf Ostermann erklärt, bei Dräger als Portfoliomanager Portable Instruments für die mobile Gasmesstechnik verant­wortlich: „Dieser Faktor der ‚Total Cost of Ownership‘ fällt bei der Infrarottechnik geringer aus als bei elektrochemischen und katalytischen Sensoren, weil die IR­Sensorik robuster und wartungsärmer ist. So amortisiert sich der im Vergleich zu Messgeräten mit anderer Messtechnik höhere Anschaffungspreis in einem über­schaubaren Zeitraum.“

„Diese Entwicklung kompakter Mehr­gasgeräte mit ihrer großen Flexibilität gehe in die richtige Richtung“, sagt Bernd Römer von der BIS Prozesstechnik GmbH. Römer, der als Experte für Gasmesstech­nik auch Mitglied des Fachausschusses Chemie, Sachgebiet „Mess­ und Warn­geräte für gefährliche Gaskonzentrati­onen“ der Berufsgenossenschaft Chemie

mobile Sicherheit gegen unsichtbare gefahren trAgBAre gASmeSStechnik muss verschiedene stoffe unter wechselnden rahmenbedingungen zuverlässig messen können – und dabei einfach zu warten und zu kalibrieren sein.

dräger X-am-familieDas neue mobile gaswarngerät X-am 5600 mit Infrarotsensorik ist für eine lange einsatzzeit ausge-legt. Innerhalb der X-am-familie zählt es zu jenen im kompakten handy-format. Diese reihe umfasst Lösungen wie das Basisgerät X-am 2000 zur Messung von brennbaren gasen und Dämpfen, sauerstoff, kohlenmonoxid und schwefelwasserstoff. Am oberen ende der Produktpalette steht das 5-gas-Messgerät X-am 5000. sein katalytischer ex-sensor lässt sich genau auf spezifische Messzwecke justieren, außerdem kann das gerät individuell mit sensoren bestückt werden. Während solche geräte in erster Linie auf den Bereich des Personenschutzes ausgerichtet sind, zielen größere geräte wie das X-am 3000 und das X-am 7000 vor allem auf freigabemessungen, Bereichs überwachung und Lecksuche ab. Dabei kann das Dräger X-am 7000 parallel mit elektro-che mi schen, katalytischen, Infrarotsensoren und Photoionisationssensoren bestückt werden.

immer am mann getragen, gibt ein mobiles gaswarngerät direkt vor Ort die notwendige Sicherheit.

ST-

1612

5-2

00

8

>

26 Drägerheft 382 | MAI 2009 27Drägerheft 382 | MAI 2009

gAsMesstechnIk h intergrund

(MEWAGG) ist, betont gleichzeitig die Notwendigkeit für eine breit gefächer­te Modellpalette innerhalb der persön­lichen Gaswarntechnik. Denn die Anwen­der benötigen einerseits vergleichsweise einfache Geräte für definierte, immer wiederkehrende Aufgaben, andererseits modulare High­End­Technik.

Schnell und sicher

Viele Anwender setzen eine sehr große Bandbreite von Geräten ein. „So kom­men etwa bei der Hamburger Stadt ent ­ wässerung (HSE, ein Unternehmen von Hamburg Wasser) Kurzzeitröhr chen für die gezielte Messung von Momentan­konzentrationen zum Einsatz, während das Dräger X­am 7000 zur Freigabemes­sung und Bereichsüberwachung genutzt werde“, sagt Gerd Götte, Teammeister von HSE Netzbetrieb. Gemessen werden vor allem Sauerstoffkonzentration, brenn­bare Gase und Schwefelwasserstoff – das sind die kritischen Gase für die Abwasser­experten, die sich um eine der traditions­reichsten und größten Kanalisationsan­lagen Deutschlands kümmern.

Die wichtigsten Fähigkeiten eines Mehr gas­Warngeräts? Götte nennt neben robuster Bauart vor allem schnelle An ­

sprechzeiten, Freigabemessung über Ver­längerungsschläuche auch in 30 Meter Tiefe, dazu ein überzeugendes Konzept für Wartung und Kalibrierung. Diesem Aspekt von Service und Organisation wid­mete Dräger bei der mobilen Gasmess­technik stets viel Aufmerksamkeit. Stich­wort: Service­Effizienz. Denn zuverlässige und einfache Bedienung im Außeneinsatz baut auch auf zuverlässiger Kalibrierung und Justage auf.

Das beginnt beim Check (Bump­Test) mit einem Testgas zur täglichen Funkti­onsüberprüfung. Als nächste Stufe folgt die Justage der Sensoren, die je nach ein­gesetzter Technologie im Abstand von einem Monat bis einem Jahr erfolgt. Die Jahresinspektion schließlich gewährleis­tet die reibungslose Funktion aller Ele­mente. Gerade der Bump­Test, der stets vor sicherheitsrelevanten Einsätzen vor­genommen werden muss, gehört zur täg­lichen Arbeitsroutine im Umgang mit mobiler Gasmesstechnik – ebenso wie Aus­ und Rückgabe, Dokumentation und Rei­nigung. Einfache, schnelle und zuverläs­sige Testverfahren gehören deshalb zum Gesamtsystem, das Dräger rund um seine Geräte anbietet. Gründe für die hohe Test­frequenz gibt es genug. „Schließlich sind

die Messgeräte direkt verantwortlich für die Sicherheit und Gesundheit der Mitar­beiter. Und auch das Leben eines mobi­len Gasmessgeräts ist kein Kinderspiel“, schildert Bernd Römer: „Die Geräte werden Hitze ausgesetzt, sie müssen in Staubwolken und Nässe präzise arbeiten.“ „Äußere und innere Robustheit“ haben deshalb zusätzlich zur einfachen, zuver­lässigen Funktionsprüfung oberste Prio­rität für den Fachmann. Die Norm zur Schutzart IP 67 beschreibt den Spagat für die Gehäuse, die einerseits wasserabwei­send sein müssen, andererseits durch­lässig für Gase und Dämpfe. Der Funk­tionstest überprüft unter anderem die Permeabilität genannte Gasdurchlässig­keit der Membran.

erfahrung, die zählt

Die Experten von Dräger entwickeln die Geräte aber nicht nur, sondern bieten den Kunden umfassende Dienstleistun­gen rund um die mobile Gasmesstech­nik. „Der Service hinter den Geräten ist ebenso wichtig wie die Funktionalität“, sagt Thielo Hammer, Vertriebs­ und Mar­keting­Leiter von Dräger Shutdown & Rental Management (SRM) Europe. Mit SRM deckt Dräger kurzfristige Bedarfe

an Mess­ und Sicherheitstechnik für Einsätze wie den Shutdown großer Produktionsanlagen ab – bis hin zu Off­shore­Einrichtungen der Ölindustrie. „Hier stellt der DrägerService in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden und Dräger SRM sicher, dass die Geräte rich­tig und auf das Zielgas kalibriert sind“, erklärt Hammer.

Und wer als Industriekunde die mobilen Gasmessgeräte von Dräger ein­mal im Einsatz des SRM erlebt hat, ent­scheidet sich auch für die eigene Aus­rüstung im alltäglichen Betrieb oft für Geräte der Familien Pac und X­am, weiß Michael von Gahlen, Operation Mana­ger von Dräger SRM: „Ich setze unsere eigenen Geräte in internationalen Groß­stillständen ein und habe im täglichen Einsatz die gute Performance 10.000er Dräger Gaswarngeräte erlebt“, berich­tet von Gahlen.

Das überzeuge auch die Kunden von der Leistungsfähigkeit der Messtechnik – bis hin zum einfachen, zuverlässigen Umgang mit der dazugehörigen Kali­brierstation Dräger E­Cal und der Bump­Test­Station für die nach geltenden Richt­linien notwendigen Funktionstests und Kalibrierungen. Peter thomas

Sensoren: für alles den richtigen riechersensoren sind die „spürnasen“ der gaswarngeräte. sie müssen empfindlich für das entsprechende gas sein, das sie auch in verschiedenen gemischen zielgenau erschnüffeln. hier eine Übersicht über die wichtigsten Dräger-sensoren:

doppelsensor drägerSensor XXS cO h2 kompensiert: Dieser elektrochemische sensor zur Bestimmung von kohlenmonoxid lässt sich nicht durch die typische Quer empfindlichkeit solcher Messsonden gegenüber Wasserstoff verwirren. Dafür sorgt seine Vier-elektroden-technologie, bei der neben gegen- und referenzelektrode zwei getrennte Messelektroden eingesetzt werden. Während die erste Mess elek trode kohlenmonoxid und Wasserstoff gemeinsam misst und dabei die Querempfindlich- keit bewusst in kauf nimmt, detektiert die zweite elektrode lediglich Wasserstoff. Aus beiden signalen wird der präzise korrekturwert für die Anzeige des wasserstoffkom-pensierten cO-Wertes berechnet. Die kohlenmonoxid-Anzeige weicht um nur +/– 15 ppm bei 1000 ppm Wasserstoff in der gemessenen Atmosphäre ab. Der funktionstest erfolgt ausschließlich mit kohlenmonoxid.

drägerSensor XXS O2: Besonders langlebig dank innovativer Drei-elekroden- technologie ist dieser O2-sensor aus der XXs-familie. Der elektrochemische sensor besitzt eine gegen-, referenz- und Messelektrode. Dieser Aufbau erlaubt im gegen-satz zu herkömmlichen sauerstoffsensoren einen nicht-verbrauchenden Betrieb. Der patentierte Aufbau spiegelt sich in der erwarteten Lebensdauer von mehr als fünf Jahren für diesen Drägersensor wider – das entspricht einer um den faktor drei bis vier höheren Lebensdauer als marktübliche, bleihaltige sensoren mit zwei elektroden und sorgt für deutlich reduzierte Instandhaltungskosten.

drägerSensor ir cO2: Infrarottechnik bietet Vorteile gegenüber elektrochemischen und katalytischen sensoren in der mobilen gasmesstechnik. An erster stelle stehen die hohe Messgenauigkeit im Vergleich zu elektrochemischer sensorik und der im Vergleich deutlich geringere Wartungsaufwand durch die erhöhte Langzeitstabilität: Während die erwartete Lebensdauer eines Infrarotsensors mehr als fünf Jahre beträgt, muss ein elektrochemischer cO2-sensor in der regel jährlich gewechselt werden. Der Dräger-sensor Ir cO2 ist ein Messwandler zur Detektion der kohlendioxid-konzentra tion in der Atmosphäre nach dem Prinzip der Absorption von Infrarotlicht. Dazu wird das Mess-gas in einer küvette breitbandiger, mehrfach reflektierter Infrarotstrahlung ausgesetzt. enthält das Messgas in der küvette kohlendioxid, wird ein teil der Ir-strahlung im typischen Wellenlängenbereich absorbiert. Diese Absorption quantifiziert die Messung durch den Doppelelement-Detektor.

drägerSensor ir ex: schnell und präzise bestimmt dieser miniaturisierte Infrarot-Messwandler die konzentration von kohlenwasserstoffen nach dem Prinzip der Ab-sorption von Infrarotstrahlung. Das zu messende gas tritt durch Diffusion über eine Membran entsprechend der schutzklasse IP 67 in die Messküvette ein. Je nach Anteil der kohlenwasserstoffe wird die breitbandige infrarote Messstrahlung in einem spezifischen Wellenlängenbereich absorbiert. Über zwei schmalbandige Interferenzfilter misst der sensor den Umfang der Absorption und errechnet daraus die konzen tra tion der kohlenwasserstoffe. neben dem schnellen Ansprechen dieser sensorik und der langen Lebensdauer liegen seine Vorteile in der Unempfindlichkeit gegenüber sensor-giften und in der einsatzmöglichkeit auch in inerten (sauerstofffreien) Atmosphären. Um ein komplettes ex-signal zu erhalten, kann im Dräger X-am 5600 das ex-signal des Infrarotsensors mit einem elektrochemischen Wasserstoffsensor gekoppelt werden.

in vielen umgebungen ist gas die unsichtbare gefahr. mobile gaswarngeräte schlagen schnell und zuverlässig an, bevor die gaskonzentration in der Atmosphäre dem menschen schaden kann. Vor jedem sicherheitsrelevanten einsatz ist ein Bump-test (rechtes Bild) vorzunehmen. einfach handhabbare Prüfverfahren erhöhen die wirksamkeit des Schutzes.

>

ST-

56

04

-20

05

Fo

To:

ma

ur

iTiu

S i

ma

ge

S

29Drägerheft 382 | Mai 2009

NorMeN für MaskeN Ausblick

Eine Maske bietet nur dann maximalen schutz, wenn sie wie angegossen sitzt. Normen helfen dabei.

>

D-1

09

23-2

00

9

Drägerheft 382 | Mai 2009

Faktor Menschfür einen neuen weltweiten stANdArd

Für AtEMschutzgErätE schlägt eine Normungsgruppe der international standardization organization (iso) einen völlig neuen Weg ein – der orientiert sich nicht an der technik, sondern an den anforderungen.

bEi EiNEr schrAubE ist die Sache einfach: Sind ihre Charakteristika wie Länge, Durchmesser und Steigung normiert, kann man sie – innerhalb der ebenfalls standardisierten Toleranzen – überall auf der Welt in gleicher Qualität herstellen. Der Mensch entzieht sich die-ser Standardisierung weitgehend.

Bei Atemschutzgeräten (Respira-tory Protective Devices, RPDs) etwa macht dies einen neuen Ansatz not-wendig. Er muss sich an den Anforde-rungen orientieren, nicht an der Technik. Diese Anforderungen werden derzeit von einer internationalen Expertengruppe erarbeitet, dem Standardisierungskomi-tee ISO TC 94 SC15. Bei der zukünftigen Norm steht der Mensch im Mittelpunkt. Seine Charakteristik, in der Standardisie-rungssprache „Human Factors“ genannt, bildet die Grundlage für die Experten, die den zukünftigen Standard entwickeln und formulieren.

Faktor Atmung

Der Mensch braucht Atemluft. Je mehr er leistet, desto mehr Sauerstoff brauchen seine Muskeln, desto heftiger atmet er. Die Atmung wird durch das sogenannte Atem-minutenvolumen (AMV) beschrieben und in Litern je Minute (l/min) gemessen. Für die Standardisierung wurden daher typische und unterschiedlich anstren-gende Tätigkeiten betrachtet und in Grup-pen unterteilt: Ein Atemschutzgerät muss die Atmung des Menschen in jedem der beschriebenen Arbeitseinsätze schützen. Daraus konnte eine Klassifizierung erar-beitet werden, die sich an dem hierfür jeweils notwendigen AMV orientiert.

Die höchste Klasse wird bei 135 l/min liegen. Das ist gewissermaßen die prak-tische Leistungsgrenze, die ein Mensch über wenige Minuten erbringen kann. Viele Arbeitseinsätze, etwa bei Kontroll-gängen, sind dagegen körperlich weni-ger anstrengend. Für sie ist ein RPD mit einem Atemminutenvolumen der Klasse 50 l/min völlig ausreichend. Damit wird auch das Konzept deutlich: Die Klassi-fizierung nach bedarfsorientierter Lei-stung erlaubt die Auswahl passender Atemschutzgeräte.

Die zukünftige Norm nutzt Herstel-lern wie Anwendern gleichermaßen. Das Ergebnis dieser Untersuchungen und Bewertungen ist als erstes Dokument dieser ISO-Serie der „Human Factors ISO 16976 Teil 1 – Metabolic rates and flow rates“ seit Herbst 2007 veröffentlicht – und der Grundstein gelegt. Weitere sollen folgen. Teil 2 der Normenreihe „Human Factors“ befasst sich mit der Anthropome-trie, der Lehre von der Vermessung des menschlichen Körpers.

Faktor gesichtskontur

Atemschutzmasken müssen wie angegos-sen sitzen. Nur eine sichere Verbindung zwischen Mund, Nase und dem RPD schützt den Menschen in verunreinigter Atmosphäre. Da der Mensch so vielfäl-tig ist, sind auch seine Gesichtszüge sehr unterschiedlich: Der zukünftige ISO-RPD Standard soll für 90 Prozent aller Benut-zer weltweit gelten. Dazu knüpft die ISO an ein Projekt in den USA an: Das Amerika-nische Nationale Institut für Arbeitssicher-heit und Arbeitsschutz (National Institut of Occupational Safety and Health, NIOSH)

Jedes gesicht ist individuell unterschiedlich. Masken können sich in einem be stim ­m ten rahmen daran an­passen. Fünf unterschiedliche und sorgfältig erarbeitete kategorien sorgen dafür – auch im globalen Maßstab.

D-1

09

24-2

00

9D

-10

925

-20

09

30 Drägerheft 382 | Mai 2009 31Drägerheft 382 | Mai 2009

NorMeN für MaskeN Ausblick

Kohlendioxyd in Konzentrationen vorhan-den sein, die es dem Benutzer erlauben, ohne Einschränkungen agieren zu kön-nen. Hierzu werden im 3. Teil der Norm die entsprechenden Grenzwerte festge-legt – beispielsweise die minimale Kon-zentration von Sauerstoff oder der maxi-male Anteil an Kohlendioxyd.

Wenn der Mensch atmet, leistet sei-ne Atemmuskulatur Arbeit. Diese über-steigt das gewohnte Maß, wenn beispiels-weise durch einen Filter zu atmen ist. In diesem Fall sind höhere Atemdrücke auf-zubauen, um Widerstände zu überwin-den. Die Atemarbeit wird spürbar. Auch hier sind dem Menschen Grenzen gesetzt, die sich in Zahlen fassen lassen. Die Stan-dardschreiber bei ISO greifen auch dieses Thema auf und werden mit Teil 4 „Work of Breathing and Breathing Resistance“ (Atemarbeit und Atemwiderstände) ein weiters Basisdokument erstellen.

Ergonomie ist ein umfassender Be -griff, fasst sie doch die gesamte Gesetzes-mäßigkeit menschlicher Arbeit zusam-men. Diesem Aspekt widmet sich Teil 5 der Serie. Hier werden Einflüsse wie Sicht, Lärm, Temperatur (Kälte wie Wärme) und Feuchtigkeit mit ihren jeweiligen vom Menschen tolerierbaren Grenzen aufgeführt, damit das System „Mensch-Atemschutzgerät“ auch in Extremfällen funktioniert. Erst wenn alle diese Faktoren erarbeitet wurden, liegt der Rahmen vor, innerhalb dessen der neue Standard für Atemschutz defi-niert werden kann. Dann lassen sich die Anforderungen an ein Atemschutzgerät nach dem Stand der Technik auf brei-ter Datenbasis international begründen,

ableiten und nachhaltig dokumentieren. Der Weg hierzu führt über den beschrie-benen analytischen Prozess. Doch dieser Weg wäre eine Sackgasse, wenn der Pro-zess als Ergebnis ausschließlich die von menschlichen Toleranzgrenzen abgelei-teten sicherheitsrelevanten Eigenschaften von Atemschutzgeräten definiert. Denn zusätzlich muss auch die Auswahl geeig-neter RPDs für die jeweiligen Einsatzge-biete vorgenommen werden.

standardisierung von gebrauch und Wartung

Darf auch hier die Standardisierung ein-greifen? Das Normungskomitee sagt: Ja! Nur das sichert, dass bei einem Auswahl-prozess die Vorgehensweisen weltweit ver-gleichbar werden. Sicherlich lassen sich Überschneidungen mit nationalen und behördlichen Vorgaben nicht immer ver-meiden, aber sie dürfen den Standard im Sinne einer die Auswahl unterstützenden Richtlinie nicht ersticken.

Die Standardisierung von Gebrauch und Wartung ist Aufgabe des Doku-mentes ISO 16975 „Selection Use and Maintenance“. Die Arbeit hieran ist weit vor der Herausgabe der eigent-lichen neuen Performance Standards begonnen worden, damit zeitgleich auch hierfür geeignete Auswahl- und Bewertungsverfahren verfügbar sein werden. In diesem Dokument wird auf zwei Notwendigkeiten hingewiesen: ein Atemschutzgeräte-Programm und eine Gefährdungsanalyse des Arbeitsplatzes durchzuführen. Ohne eine Gefährdungs-analyse lässt sich kein auch noch so gut beschriebenes und ausgelegtes Atem-

ßen des Auswahlprozesses aufgegriffen. Charakteristika der individuellen Benut-zer („wearer“ im Jargon) werden eben-so abgefragt wie Besonderheiten des Arbeitseinsatzes – ob also beispielsweise Spezialwerkzeuge benutzt werden müs-sen oder besondere Umgebungsbedin-gungen vorliegen. Werden alle Anforde-rungskriterien gelistet, erhält man durch Anwendung der Norm die abschließende Spezifikation des genau passenden Atem-schutzgerätes und kann gezielt in die Beschaffung einsteigen.

standard voraussichtlich 2014

Die Standardisierung schafft somit Sicher-heit in Auswahl und Anwendung. Zudem ermöglicht sie ein transparentes Beschaf-fungsverfahren und direkte Vergleichbar-keit der Basisanforderungen. Weiterhin lässt sie natürlich Spielräume für unter-nehmensspezifische Ausprägungen. Der hohe Rationalisierungseffekt der Norm ist Ergebnis eines nicht allein technisch außerordentlich komplexen Vorganges, der einen ganzheitlichen Ansatz erfordert. Seit dem Start im Jahr 2002 hat das Nor-mungskommitee ISO TC 94 SC15 mit der Erarbeitung der Human Factors zunächst die Basis für eine erfolgreiche Standardi-sierung von RPDs geschaffen und konn-te sich zugleich parallel dem Thema „RPD-Eigenschaften“ widmen. Ziel ist es, nach weiteren fünf Jahren intensiver Arbeit der weltweiten Fachöffentlich-keit einen umfassenden Satz neuer Stan-dards für Atemschutzgeräte vorzulegen – für den oft lebensrettenden Einsatz dieser Geräte ebenso wie für ihre kosten-effiziente Beschaffung. Wolfgang drews

Fünf typen, die passenMehr als 3000 gesichter wurden weltweit dreidimensional vermessen. Die auswertung der beiden wichtigsten Merkmale (first bzw. second Principal Component) zeigt schematisch das sogenannte PCa-Panel-Diagramm. es führt zu fünf gesichtstypen, unter die sich etwa 90 Prozent der Mas ken träger weltweit fassen lassen. Diese sind oben mit ihren englischsprachigen abkürzungen verzeichnet: „klein“ (small), „mittel“ (Medium) und „groß“ (Large) sowie „lang und schmal“ (Long/Narrow) und „kurz und breit“ (short/Wide). Diese kategorisierung ist Basis eines umfänglichen Pro zes -ses der entwicklung, internationalen abstimmung, formulierung und Publizierung von Normen, der Mitte 2002 gestartet wurde und schrittweise zu ver schiedenen teilen der iso-Normenfamilien 16900, 16972, 16974 bis 16976 sowie 17420 schon beigetragen hat und in Zukunft noch weiter beitragen wird. Voraussichtlich im Jahr 2014 wird diese neue Norm dann komplett vorliegen und weltweit die Voraussetzung für eine hinsichtlich sicherheit, tragekomfort und Preis transparente Beschaffung sein.

so funktioniert das system „Mensch­Atemschutzgerät“ auch noch in Extremfällen

>

10240 260 280 300 320

20

30

40

50

First Principal Component

Sec

ond

Prin

cipa

l Com

pone

nt

schutzgerät zielgerichtet auswählen und wirkungsvoll einsetzen. Ein Fragenka-talog führt systematisch und vollstän-dig durch diesen Prozess. Jede Antwort führt zum nächsten Auswahlschritt. Auch in Zukunft wird hierbei zwischen filtrierenden und umluftunabhängigen RPDs unterschieden. Die Klassifizierung nimmt neben den grundlegenden atem-physiologischen und mechanisch-physi-kalischen Eigenschaften auch jene auf, die sich aus Spezialanwendungen ablei-ten lassen – wie sie beispielsweise von Feuerwehren oder aus dem Bergbau bekannt sind.

Ein RPD wird also neben den Basisanfor-derungen auch Anforderungen aus beson-deren Einsatzbereichen abdecken müs-sen, wenn es die Einsatznotwendigkeit erfordert. Ein eigens entwickeltes Klas-sifikationsschema greift diese Abhängig-keiten auf und erleichtert später die Ver-gleichbarkeit verschiedener RPD-Typen. Ein RPD mit gleicher Klassifizierung bie-tet dann auch den gleichen Schutz unab-hängig davon, ob es sich beispielsweise um einen Pressluftatmer oder ein Rege-nerationsgerät handelt.

Neben diesen Basis- und Spezialan-wendungen werden weitere Einflussgrö-

hat mehr als 3.000 Gesichter erwachsener, erwerbstätiger Frauen und Männer aller Rassen und unterschiedlichen Alters drei-dimensional vermessen. Eine ergänzende Studie wurde in China mit Unterstützung des NIOSH durchgeführt. Ein mathema-tisches Modell verdichtete die Flut der Messdaten zu einem Verteilungsschema.

Daraus lassen sich fünf charakteris-tische Gesichts- beziehungsweise Kopf-formen ableiten. Allein „Medium“ deckt rund die Hälfte aller Benutzer ab. 90 Prozent schließlich erreicht man durch die Varianten „Small“, „Medium“ und „Large“ sowie „Long/Narrow“ und „Short/Wide“ (siehe Grafik). Moder-ne computergestützte Konstruktionsver-fahren helfen hier gleich dreifach: Zum einen errechnen sie aus den 3D-Scans der Gesichter die notwendigen Daten. Zum anderen können diese zum Abgleich pas-sender Anschlussgeometrien von Atem-schutzmasken genutzt werden. Und schließlich produziert man auf ihrer Datenbasis die entsprechenden Prüfköpfe für Testzwecke. RPDs gehören zur persön-lichen Schutzausrüstung, die beispiels-weise nach EU-Richtlinien geprüft und zuge lassen werden. Testpersonen erpro-ben die Eignung anhand praktischer Übungen. Je nach Größenangabe der Atemschutzmaske werden sie gezielt aus-gewählt, ihre Gesichtsabmessungen dem entsprechenden Segment zugeordnet.

Atemarbeit und Ergonomie

Nicht nur die Menge der eingeatmeten Luft, auch ihre Zusammensetzung ist entscheidend für die Leistungsfähigkeit des Menschen. So müssen Sauerstoff und

M

lN

sW

l

schmal und breit, lang und kurz: aus vier grundlegenden Eigenschaften der gesichtsform lassen sich fünf kategorien gewinnen, die zusammen für etwa 90 Prozent der Maskenträger optimale Passform sicherstellen – Erklärung siehe unten.

50 Prozent

gr

af

ik:

Dr

äg

er

We

rk

ag

& C

o.

kg

aa

s

32 Drägerheft 382 | Mai 2009 33Drägerheft 382 | Mai 2009

Schulterblick ateMkalk

er hat daS richtige Händchen: Thorsten Peters nimmt einen Klumpen weißer Atemkalkpaste in die linke Hand und streicht mit dem Daumen der ande­ren einen Teil davon ab. „Am Glanz dieser Fläche erkennt man“, sagt der Ferti gungs­technologe, „ob die Masse die richtigen Eigenschaften für die Weiterverarbei­tung aufweist.“ Der gelernte Elektrotech­niker steht in einer großen Halle, in der 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr Atem­kalk produziert wird. „Wir entwickeln und fertigen unseren Atemkalk selbst und können so alles perfekt aufeinander abstimmen“, begründet Benoît Donot dieses Konzept. Als Projektleiter hat der diplomierte Maschinenbau­Ingenieur die Fertigungserweiterung, sein Kollege Peters den Umzug von der alten Produk­tionsstätte in die große Halle an der Reval­straße geplant und durchgeführt.

Atemkalk. Er zieht aus der durchströ­menden, ausgeatmeten Luft das Kohlen­dioxid heraus (siehe Kasten S. 34). Schon das weltweit erste Anästhesiegerät mit Rückatemsystem (1924) vertraute hier­bei einer Entwicklung des damaligen Drägerwerks. Das heutige Granulat sieht auf den ersten Blick aus wie Katzen­streu, nur weißer und in der Form halb­runder (plankonvexer) Linsen, jede von ihnen 25 Milligramm leicht. Die Kartu­sche eines BG4­Einwegabsorbers enthält etwa 120.000 dieser Pillen, deren inne­re Oberfläche etwa der Größe von drei Fußballfeldern entspricht. „Nur diese gleichmäßige Form des Atemkalks stellt seine hohe Effizienz und gleichmäßige Reproduzierbarkeit sicher“, nennt Peters das Ziel der Eigenfertigung.

Bis Ende der 1970er Jahre produzierte man auch in Lübeck ausschließlich Bruch­kalk, der trotz sorgfältigen Brechens in definierten Körnungen immer unregel­mäßig ausfiel und mit ebensolchen Eigen­schaften behaftet war. „Schon in der Her­stellung staubte es kräftig“, erinnert sich Thorsten Peters, „und beim Transport in Behältern und Kartuschen setzte sich die­se unerwünschte Staubbildung durch das Reiben der scharfen Kanten aneinander fort.“ Zudem kam es während des (Bruch­kalk­)Einsatzes immer wieder zu uner­wünschten Kanalbildungen: Die Atem­luft suchte sich im unregelmäßigen Kalk Wege geringsten Widerstands und bil­dete so Kanäle aus. Diese reduzierten die Reaktionsfläche und damit die Standzeit des Atemkalks.

rezepturen für jede anwendung

Die Qualität des Atemkalks hat somit ent­scheidende Auswirkung auf die Funktion eines Gesamtsystems. Auch deshalb behält Dräger die gesamte Produktionskette in eigener Hand. „Mit unseren verschie­denen Rezepturen können wir je nach Anwendung eine optimale Funktion von Kreislauf­Tauchgeräten, ­Atemschutz­geräten oder Anästhesiegeräten mit Rückatemsys temen und nach dem neu­esten Stand der Technik sicherstellen“, begründet Chemie­Ingenieurin Annette Kosegarten die Entscheidung, 2002 eine neue Halle mit zunächst zwei Produk­tionslinien zu beziehen, die kürzlich aufgrund der hohen Nachfrage um eine dritte erweitert wurde.

In allen Linien und für alle Rezep­turen ist der Ablauf grundsätzlich gleich.

„Als Grundstoff verwenden wir ausschließ­lich hochreaktiven und reinweißen Kalk aus einer ganz bestimmten Steingrube in Mitteldeutschland, denn Qualität beginnt am Anfang“, sagt Annette Kosegarten.

Geliefert wird der gemahlene Kalk in Lebensmittelqualität in bis zu 26 Tonnen fassenden Lastzügen, aus deren Tanks ihn Druckluft in die Silos bläst. Unter Zugabe von Wasser und weiteren Chemikalien wird daraus eine Paste. Die dabei ausgelöste heftige (exotherme) Reaktion setzt in kür­zester Zeit enorme Wärmemengen frei.

Parallelen zum industriellen backen

„Aus Gründen des Umweltschutzes und der Wirtschaftlichkeit setzen wir hier auf ein Kreislaufsystem“, erläutert Benoît Donot, der mit Nutzung der Reaktions­wärme zugleich kräftig Energie spart. Hauptbestandteil der Paste ist Calciumhy­droxid. Ihr wichtigster Nebenbestandteil ist Natriumhydroxid, das der Beschleuni­gung der gewünschten Reaktion mit Koh­lendioxid dient. Für den Einsatz in der Sicherheitstechnik optimieren weitere Chemikalien die hier im Vergleich zur Medizintechnik höheren Anforderungen an Atemfrequenz und Atemvolumina. Im für die Anästhesie entwickelten Atemkalk Drägersorb Free verhindern spezielle Chemikalien die Bildung unerwünschter Zersetzungsstoffe, die im Kontakt mit üblichen Inhalationsästhetika auftreten können. Zusätzlich enthalten manche Rezepturen einen Indikator. Der zeigt an, wenn sich das CO2 im Wasser des Atem­kalks löst und Kohlensäure entsteht. Der pH­Wert verändert sich von basisch nach sauer, was den vorher weißfarbigen Indi­

unscheinbare PillenSeit jeher stellt Dräger den atemkalk für seine kreislaufatemschutz- und anästhesiegeräte selbst her. Was entfernt an katzenstreu erinnert, wird in einem high-tech-Prozess entwickelt und produziert.

>

eigens entwickelte maschinen sichern bis

hin zum abfüllen der kartuschen eine

effizien te Produktion.

D-1

09

14-2

00

9

D-1

09

15-2

00

9

D-1

09

16-2

00

9

D-1

09

17-2

00

9

Qualität von anfang an:

Von der roh- masse bis zum

gebrauchs- fertigen atemkalk

in kartuschen – thorsten Peters

hat mit einem sechsköpfigen

team die gesamte Prozesskette in

der hand.

34 Drägerheft 382 | Mai 2009

Schulterblick ateMkalk

kator deutlich nach Violett umschlagen lässt. Das ist dann das äußerlich sichtbare Signal zum Austausch des Atemkalks.

Hatte schon bis hierher die Produk­tion von Atemkalk gewisse Parallelen zum industriellen Backen, wozu eben­falls geheim gehaltene Rezepturen und Prozessschritte gehören, so sind diese bei den folgenden Stufen unübersehbar. Die Paste landet in einem Trog und wird anschließend granuliert. Die Atemkalk­pillen werden dann getrocknet und aus einer Form gerüttelt. Fertig.

Doch allein in den Schritten von der Paste zur Pille liegen zig patentwürdige Prozesse und endlose Versuchsreihen. „Die Maschinen haben wir in enger Zusammenarbeit mit Anlagenbauern spezifiziert und entwickelt“, blickt Benoît Donot auf den Aufbau der Fertigungs­straße zurück. „Hierbei geht es um ein gleichberechtigtes Geben und Neh­

men. Offener Austausch von Ideen und eine transparente, faire Preisfindung für die Maschinen führen zu stetigen, aber auch bezahlbaren Verbesserungen“, ergänzt Thorsten Peters, der zudem ein TPM (Total Productive Management) genanntes Konzept nutzt, bei dem Ver­besserungsvorschläge aus der Fertigung schnell im Produktionsprozess umge­setzt werden.

ein echter klopfer

Bei diesem bergen vor allem die glatten Edelstahlwände der Trockenschränke allerhand Kniffe. Allein die Befestigung ihrer Türen enthält so manche Geheim­nisse. „Was erst recht für den Trock­nungsprozess gilt“, wie Peters sagt, „denn wir wollen mit möglichst wenig Wärme­energie ein gleichmäßiges Ergebnis er zielen. Sonst reißen die Kalkpillen, was zu unregelmäßiger Form und höherer

Staubneigung beim Transport der Behäl­ ter führt.“ Hersteller von Backöfen prüfen ihre Konstruktionen in ähnlicher Weise mit einem Blech­Biskuitteig, des sen unter­schiedliche Bräunungsstufen Auskunft über Verbesserungspotentiale geben. Beim Klopfer dann schwankt Peters zwi­schen Stolz über diese in Material wie Technik wohl einmalige Konstruktion und der notwendigen Verschwiegen­heit über einen der zentralen Produkti­onsschritte: ein für Qualität und Wirt­schaftlichkeit gleichermaßen wichtiges Modul, in dem viel Erfindergeist steckt Bevor die Atemkalkpillen zur Konfektio­nierung wandern, werden Proben genom­men und in der hauseigenen Qualitätssi­cherung strengen Prüfungen unterzogen. Und die gehen weit über das übliche Maß hinaus: Jede Charge wird in der für sie bestimmten Anwendung mit dem Origi­nalgerät getestet. Dann erfolgt die Frei­gabe zur Abfüllung. Für Anwendungen im Bereich der Sicherheitstechnik erfolgt die Auslieferung in Kanistern oder auch zum Einsatz in Arbeitskreislaufgeräten.

Sechs Mitarbeiter sind es insgesamt, die in einem vollautomatischen Prozess Atemkalk fertigen in einer Halle, halb so groß wie ein Fußballfeld, in der es weniger staubig zugeht als auf mancher Ecke eines Kleiderschranks. „Die computergesteu­erten Prozesse können wir via Internet aus der Ferne überwachen und beeinflus­sen“, sagt Peters. Das Team sorgt auch in Zukunft dafür, dass in Lübeck ein lebens­wichtiges Verbrauchsgut in konstanter Qualität für unterschiedliche Verwen­dungen produziert wird, mit weiterhin steigendem Ausstoß. Nils Schiffhauer

>

gute chemie für einen langen atemausgeatmete luft enthält etwa vier Prozent kohlendioxid. atemkalk entfernt dieses CO2, sodass die restluft – angereichert mit Sauerstoff – wieder in den kreislauf eingeführt werden kann. Dieser Prozess verläuft in mehreren Schritten: u kohlendioxid und das im atemkalk enthaltene Wasser verbinden sich zu kohlensäure: CO2 + h2O = h2CO3

u im zweiten Zwischenschritt reagiert die kohlensäure mit Natriumhydroxid unter Wärmeentwicklung zu Natriumkarbonat und Wasser: h2CO3 + 2 NaOh = Na2CO3 + 2 h2O + Wärmeu abschließend reagiert das Natriumkarbonat mit dem gelöschten kalk zu Calciumcarbonat und Natriumhydroxid: Na2CO3 + Ca(Oh)2 = CaCO3 + 2 NaOh

100 gramm atemkalk können bis zu 15 liter kohlendioxid absorbieren. Der von Dräger produzierte atemkalk nutzt die kinetisch vorgegebenen grenzen dieser reaktion in sehr hohem Maße aus.

eine halle voller patentwürdiger details: Jeder Produktionsschritt ist für eine perfekt gleichbleibende Qualität optimiert.D

-10

918

-20

09

D-1

09

19-2

00

9

D-1

09

20-2

00

9

35

Service

Drägerheft 382 | Mai 2009

verTrieB ATeMScHUTZ, MOBiLe GASMeSSTecHNiK – NAcH STANDOrTeN

NOrD Albert-Schweitzer-Ring 22 22045 Hamburg Tel +49 40 668 67 0 Fax +49 40 668 67 150

OST An der Harth 10 b 04416 Markkleeberg Tel +49 341 35 34 660 Fax +49 341 35 34 661

SÜD Vor dem Lauch 9 70567 Stuttgart Tel +49 711 721 99 0 Fax +49 711 721 99 50

WeST Kimplerstraße 284 47807 Krefeld Tel +49 2151 37 35 0 Fax +49 2151 37 35 50

ÖSTerreicH Dräger Safety Austria GmbH Wallackgasse 8 1230 Wien Tel +43 1 609 36 02 Fax +43 1 699 62 42

ScHWeiZ Dräger Safety Schweiz AG Aegertweg 7 8305 Dietlikon Tel +41 44 805 82 82 Fax +41 44 805 82 80

reGiONeN

eUrOPA SÜD Dräger Safety France S.A.S. 3c, Route de la Fédération 67025 Strasbourg Cedex, Frankreich Tel +33 3 88 40 76 76 Fax +33 3 88 40 76 67

NAFTA Draeger Safety, Inc. 101 Technology Drive Pittsburgh, PA 15275, USA Tel +1 412 787 8383 Fax +1 412 787 2207

ASieN / PAZiFiK Draeger Safety Asia Pte. Ltd. 67 Ayer Rajah Crescent # 06-03 139950 Singapore Tel +65 68 72 92 88 Fax +65 67 73 20 33

Dräger Safety AG & co. KGaA revalstraße 1 23560 Lübeck, Deutschland Tel +49 451 882 0 Fax +49 451 882 2080 www.draeger.com

90 4

6 54

2

IMPRESSUMHerausgeber: Drägerwerk ag & Co. Kgaa, Corporate Communications Anschrift der redaktion: Moislinger allee 53-55, 23542 Lübeck / [email protected], www.draeger.com chefredaktion: Björn Wölke, tel.: +49 451 882 2009, fax: +49 451 882 3197 verlag: tellus PUBLiShiNg gMBh, hamburg redaktionelle Beratung: Nils Schiffhauer (V.i.S.d.P.) Art Direktion, Gestaltung und Bildredaktion: redaktion 4 gmbh, hamburg Druck: Dräger + Wullenwever print+media erscheinungstermin der nächsten Ausgabe: august 2009

Die Beiträge im Drägerheft informieren über Produkte und deren anwendungsmöglichkeiten im allgemeinen. Sie haben nicht die Bedeutung, bestimmte eigenschaften der Produkte oder deren eignung für einen konkreten einsatzzweck zuzusichern. alle fachkräfte werden aufgefordert, ausschließlich ihre durch aus- und fortbildung erworbenen Kenntnisse und praktischen erfahrungen anzuwenden. Die ansichten, Meinungen und äußerungen der namentlich genannten Personen sowie der externen autoren, die in den texten zum ausdruck kommen, entsprechen nicht notwendigerweise der auffassung der Dräger werk ag & Co. Kgaa. es handelt sich ausschließlich um die Meinung der jeweil igen Personen. Nicht alle Produkte, die in dieser Zeitschrift genannt wer den, sind weltweit erhältlich. ausstattungspakete können sich von Land zu Land unter scheiden. änderungen der Produkte bleiben vorbehalten. Die ak tuellen informationen erhalten Sie bei ihrer zuständigen Dräger-Vertretung. © Drägerwerk ag & Co. Kgaa, 2009. alle rechte vorbehalten. Diese Ver öffentlichung darf weder ganz noch teilweise ohne vorherige Zustimmung der Drägerwerk ag & Co. Kgaa wiedergegeben werden, in einem Datensystem gespeichert oder in irgendeiner form oder auf irgendeine Weise, weder elektronisch noch mechanisch, durch fotokopie, aufnahme oder andere art übertragen werden.

4

2

1

8

7

6

5

3

ST-

1329

4-2

00

7

Sicher rein – sicher raus! Das Dräger-Trainingsmodul für den Einstieg in (enge) Räume, Schächte und Kanäle: Wo liegt der verunglückte Kollege? 1 Der mit persönlicher Schutzausrüstung ausgestattete Teilnehmer 2 wird ihn unter Anlei-tung des Trainers 3 der Dräger Academy am Ende des Labyrinths realitätsnah finden und retten. Eine Reling 4 sichert die Plattform. Der Einstieg in die Anlage erfolgt nach Abheben des Kanaldeckels 5 und dem Freimessen mit befestigter Absturzsicherung am Dreibein 6 . Der Atemschutz 7 erschwert die Beweglichkeit und erhöht die körper-liche Belastung, während das mitgeführte Gaswarngerät fortlaufende

Messungen durchführt. Anfangs bietet die Leiter 8 noch Orientierung. Dann steht der Kursteilnehmer im künstlich erzeugten Nebel 9 . Eine zusätzlich schaltbare Wärmequelle erhöht den Stress durch Hitze. Bei Bedarf sorgt Wasser am Boden für weitere Realitätsnähe. Nun beginnt die Suche nach dem Kollegen. Hat sich der Retter zu ihm vorgearbei-tet, muss er ihn durch das enge Röhrensystem 10 nach oben bringen. Der Aufsichtsführende 11 wacht die ganze Zeit über die Sicherheit. Alle nehmen den Kollegen an der frischen Luft auf der Plattform in Empfang: dieses Mal nur eine Rettungspuppe (siehe auch S. 14 f.).

Einblick TRAININGSMODUL

9

10

11