Die Reden Ciceros in seinem Konsulatsjahr: Pro Murena · M. Tullius Cicero, Pro Murena, in: Marcus...

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0 Ludwig-Maximilians-Universität München Institut für Klassische Philologie Sommersemester 2007 Fachdidaktisches Seminar: Antike Rhetorik im Lateinunterricht Dozent: Prof. Dr. Markus Janka Franziska Fuchs Die Reden Ciceros in seinem Konsulatsjahr: Pro Murena Franziska Fuchs Dr.-Gerbl-Str. 11 86916 Kaufering [email protected] Tel.: 0172/8207657 Lehramt für Gymnasien Latein und Französisch 6. Semester

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Ludwig-Maximilians-Universität München

Institut für Klassische Philologie

Sommersemester 2007

Fachdidaktisches Seminar: Antike Rhetorik im Lateinunterricht

Dozent: Prof. Dr. Markus Janka

Franziska Fuchs

Die Reden Ciceros in seinem Konsulatsjahr:

Pro Murena

Franziska Fuchs

Dr.-Gerbl-Str. 11

86916 Kaufering

[email protected]

Tel.: 0172/8207657

Lehramt für Gymnasien Latein und Französisch

6. Semester

1

Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung 02

2. Ciceros Rede Pro Murena 2

2.1 Allgemeine Informationen 02

2.2 Inhaltszusammenfassung 03

2.2.1 Exordium (§ 1 – 10) 03

2.2.2 Confutatio (§ 11 – 83) 04

2.2.2.1 Lebensführung Murenas (§11 – 14) 04

2.2.2.2 Vergleich der beiden Kontrahenten nach

Wahlchancen (§ 15 – 53) 0 4

2.2.2.3 Zurückweisung der Vorwürfe (§ 54 – 83) 06

2.2.3 Epilogus (§ 84 – 90) 06

2.3 Ergebnisse 07

3. Didaktische Umsetzung 07

3.1 Fragebogen zu Pro Murena 09

3.2 Redetheoretische Aspekte 09

3.3 Oratio pro Catilina 11

4. Zusammenfassung 13

5. Literaturverzeichnis 15

6. Anhang 16

2

1. Einleitung

„Quid ad nos?“ 1 Diese Frage, die von Heinrich Krefeld als „Kernfrage aller humanistischer

Bildung“ formuliert worden ist, ist eine der wichtigsten Fragen, denen sich der altsprachliche

Unterricht immer wieder stellen muss und auf deren Grundlage er sich immer wieder neu

definieren muss.2 Denn sowohl Schüler als auch Eltern stellen die Relevanz des

altsprachlichen Unterrichts für unser heutiges Leben immer wieder in Frage.

„Quid ad nos?“ Wenn sich der altsprachliche Unterricht dieser Frage verpflichtet, kann er

seine Relevanz für das Heute deutlich machen. Er muss zeigen, dass die Antike nichts rein

Historisches ist, sondern direkter Ursprung unseres heutigen Weltverständnisses. Deshalb

müssen Schüler im Unterricht erleben, wie sich die Antike direkt auf unser heutiges Leben

auswirkt. Das Seminar Antike Rhetorik im Unterricht hat gezeigt, dass die antike Rhetorik

beispielsweise als ein solches Bindeglied zwischen Antike und Moderne im Unterricht

behandelt werden kann, da auch heute noch in sehr vielen Berufsfeldern rhetorische

Fähigkeiten gefordert werden.

Als Beitrag zu diesen Überlegungen wird nun im Folgenden die Rede Ciceros Pro Murena,

die er in seinem Konsulatsjahr gehalten hat, dargestellt. In einem zweiten Teil wird die Rede

innerhalb eines Lernzirkels zum Thema Die Reden Ciceros in seinem Konsulatsjahr

didaktisch aufbereitet werden.

2. Ciceros Rede Pro Murena

2.1 Allgemeine Informationen

Der Ambitus-Prozess gegen Murena fand in der zweiten Novemberhälfte des Jahres 63, also

zwischen der zweiten und dritten catilinarischen Rede statt. Die Anklage gegen L. Licinius

Murena wurde im Anschluss an die Konsulatswahlen für das Jahr 62 vor Christus erhoben.

Damals kandidierte L. Licinius Murena gegen S. Sulpicius Rufus, D. Iunius Silanus und L.

Sergius Catilina für das Konsulat.3

Im Vorfeld der Wahl hatte der jüngere Cato angekündigt, der schon damals als eine sittliche

und moralische Instanz galt, dass er jeden anklagen werden, der sich der unerlaubten

Wählerbeeinflussung schuldig mache und zwar nach der von Cicero eingebrachten Lex Tullia

1 Vgl.: Kipf, S.: Altsprachlicher Unterricht in der BRD, Bamberg, 2006, S. 346. 2 Vgl.: Kipf, S.: Altsprachlicher Unterricht in der BRD, Bamberg, 2006, S. 346. 3 Vgl.: Koren, M.: Einführung in die Rede Pro L. Licinio Murena, im Internet: http://www.uni-

regensburg.de/Fakultaeten/phil_Fak_IV/Klass_Phil/Cicero_Pro_Murena_Argumentum.htm (Stand: 04.09.07).

3

de ambitu. Nach der Lex Tullia wurde der Verurteilte mit einer zehnjährigen Verbannung

bestraft. Seinen Schwager Silanus hatte Cato natürlich von dieser Drohung ausgeschlossen.4

Als schließlich Murena und Silanus die Wahlen gewannen, erhob Cato Anklage gegen

Murena wegen unerlaubter Wählerbeeinflussung. Er wurde dabei von Servius Sulpicius Rufus

unterstützt, der seine Wahlniederlage so zu rächen versuchte. Zusammen mit diesen beiden

fanden sich C. Postumus und ein jüngerer, verwandter S. Sulpicius Rufus als weitere Kläger

ein. Als Verteidiger traten Q. Hortensius Hortalus, M. Licinius Crassus und M. Tullius Cicero

für Murena ein. Cicero verteidigte Murena deswegen, da ihm die damalige politische Lage

des Staates zur Zeit der catilinarischen Verschwörung sehr wichtig war. Er hielt es für

unerlässlich, dass das Amt des Konsulats von zwei tatkräftigen Konsuln ausgeübt wird und

dass dieses somit den Angriffen der Verschwörung trotzen kann. Denn der im Fall einer

Niederlage Murenas verbleibende Konsul wäre allzu sehr mit Nachwahlen beschäftigt und

könnte sein Amt und die Verteidigung des Staates gegenüber Catilina deshalb wahrscheinlich

nicht angemessen ausführen.5

Ciceros dazu gehaltene Rede wird heute als eine der besten angesehen, die Cicero jemals

gehalten hat. Denn zum einen findet der Prozess ausschließlich unter Optimaten statt und zum

anderen läuft er parallel zu den Strömungen der catilinarischen Verschwörung. Deshalb

musste Cicero sehr viel Fingerspitzengefühl anwenden, um keine Spaltung innerhalb der

Optimaten hervorzurufen. Die Einigkeit nämlich unter den Optimaten war unabdingbar, um

den Kampf gegen Catilina gewinnen zu können. Insbesondere musste Cicero Rücksicht auf

seine beiden Freunde, Cato und Sulpicius, nehmen und durfte nicht allzu rigide gegen sie

sprechen, um diese nicht gegen sich aufzubringen. Deshalb trägt er den beiden seine Kritik

auf humorvolle Weise entgegen, die diese nicht verärgert, sondern sie auf die tatsächlichen

Probleme in der momentanen Staatslage aufmerksam macht. Da es Cicero in dieser Rede

gelingt, sowohl den Freispruch Murenas als auch die Freundschaft zu seinen Parteikollegen zu

wahren, wird diese Rede immer noch als Meisterwerk ciceronianischer Rede- und

Überzeugungskunst gehandelt.6

2.2 Inhaltszusammenfassung

2.2.1 Exordium (§ 1 – 10)

4 Vgl.: Nadig, P.: Ardet Ambitus: Untersuchungen zum Phänomen der Wahlbestechungen in der römischen

Republik, Frankfurt/Main, 1997, S. 86. 5 Vgl.: M. Tullius Cicero, Pro Murena, in: Marcus Tullius Cicero: Sämtliche Reden, eingeleitetet, übersetzt und

erläutert von Manfred Fuhrmann, Zürich, 1970, S. 346. 6 Vgl.: Bürge, Alfons: Die Juristenkomik in Ciceros Rede Pro Murena, Übersetzung und Kommentar, Zürich,

1974, S. 9.

4

Zunächst verteidigt sich Cicero gegen die Vorwürfe der Ankläger. Dies war in solchen

Prozessen durchaus üblich, da auch die Persönlichkeit des Anklägers beziehungsweise des

Anwalts mitverhandelt wurde.7 Hier wollten die Ankläger Ciceros Gewicht als Verteidiger

mindern, indem sie ihm vorwarfen, dass er als Konsul einen Wahlbetrüger verteidige, wo er

doch selbst ein Gesetz gegen unerlaubte Wählerbeeinflussung erlassen hatte. Servius dagegen

warf ihm zusätzlich vor, dass Cicero ihn, seinen Freund, im Stich gelassen habe.8

Diese Vorwürfe versucht Cicero im Exordium als gegenstandslos zu erweisen.

2.2.2 Confutatio (§11 – 83)

Der Hauptteil der Rede, also die Widerlegung der gegnerischen Vorwürfe, ist in drei Teile

gegliedert. Zunächst wird Murenas Lebensführung behandelt, bevor die Wahlchancen der

beiden Kandidaten zur Sprache kommen; im letzten Teil werden schließlich die Vorwürfe der

Gegenseite zurückgewiesen.

2.2.2.1 Lebensführung Murenas (§ 11 – 14)

In diesem Abschnitt geht Cicero auf den Vorwurf ein, dass Murena, der zunächst als Legat

unter seinem Vater und später unter Lucullus in Asien gedient hat, dort allzu ausschweifend

gelebt hätte. Doch Cicero entgegnet hier, dass Murena der Kriegsdienst in diesem Fall nicht

als belastend vorgeworfen werden kann. Dabei führt er an, dass Murena, wenn er keinen

Kriegsdienst geleistet hätte, entweder Feigheit vor dem Feind oder dem väterlichen

Kommando vorgeworfen würde oder er sich sogar mit der Behauptung, dass sein Vater ihn

nicht im Heer hätte gebrauchen können, auseinandersetzen müsste. Darüber hinaus versucht

Cicero zu zeigen, dass Murenas Zeit in Asien keineswegs als ausschweifend bezeichnet

werden kann, da er dort lediglich rechtmäßig seinen Kriegsdienst verrichtet hat.9

2.2.2.2 Vergleich der beiden Prozessgegner nach Wahlchancen (§ 15 – 53)

Die Ankläger hatten Murena vorgeworfen, dass seine Chancen im Vorfeld der Wahl so gering

waren, dass er nur durch Betrug die Konsulatswürde erlangt haben könne. Diesem Vorwurf

7 Vgl.: Adamietz, J.: Ciceros Verfahren in den Ambitus-Prozessen gegen Murena und Plancius, in: Gymnasium

93, 1986, S. 103/104. 8 Vgl.: Adamietz, J.: Ciceros Verfahren in den Ambitus-Prozessen gegen Murena und Plancius, in: Gymnasium

93, 1986, S. 103/104. 9 Vgl.: M. Tullius Cicero, Pro Murena, in: Marcus Tullius Cicero: Sämtliche Reden, eingeleitetet, übersetzt und

erläutert von Manfred Fuhrmann, Zürich, 1970, S. 302 – 305.

5

entgegnet Cicero, indem er die einstigen Rivalen, Murena und Sulpicius, hinsichtlich ihrer

Herkunft, ihrer beruflichen Laufbahn sowie ihrer Wahltaktik vergleicht.10

Zunächst geht Cicero auf die Herkunft der beiden Kandidaten ein. Sulpicius Rufus stammt

aus einem altehrwürdigen Adelsgeschlecht, während Murena von plebejischer Abstammung

ist. Da Sulpicius in seiner Anklage die Familie des Murena herabgewürdigt hatte und im

Gegenzug seine adlige Abstammung herausgestellt hatte, entgegnet ihm Cicero hier, dass in

Murenas Familie das Prätorenamt seit seinem Urgroßvater beheimatet sei. Murenas Vater, der

einen bedeutenden Triumph für das römische Volk errungen hat, hat sich also dem römischen

Staat als äußerst verdient erwiesen und ebnet aufgrund dessen somit seinem Sohn den Weg

ins Konsulat. Bezüglich Sulpicius’ Familie bringt Cicero vor, dass sie zwar adlig sei, doch

dieser Adel nur aus alten Schriften bekannt sei und nicht aufgrund von großartigen

Leistungen, die in der näheren Geschichte für den römischen Staat errungen worden sind.11

Nun kommt Cicero zum Beruf der beiden Kandidaten. Dabei erklärt er, dass das Volk nur

diejenigen im Gedächtnis behält, die dem Staat durch großartige militärische oder rhetorische

Leistungen gedient haben. Deshalb sei es, laut Cicero, einleuchtend, dass das Volk eher für

Murena gestimmt habe, da dieser sich während seiner Zeit als Soldat erfolgreich um den Staat

bemüht habe. Sulpicius dagegen in seiner Tätigkeit als Jurist habe zwar vielen Einzelpersonen

in bestimmten Rechtsangelegenheiten geholfen, doch habe er keine Aufsehen erregenden

Siege für Rom errungen. Hier beschreibt Cicero die Tätigkeit der Juristen als arge

Kleinkrämerei, die sich allzu sehr mit Kleinigkeiten beschäftigt und veräppelt somit seinen

Freund Sulpicius als einen etwas pedantischen Paragraphenreiter, was allgemein mit dem

Begriff Juristenkomik bezeichnet wird.12

Ein weiterer Grund, warum die Wähler eher für Murena gestimmt haben, kann seine Zeit als

Provinzverwalter sein. Denn diese habe er, so Cicero, vorbildlich verwaltet, wohingegen

Sulpicius sich gescheut habe, in die Provinz zu gehen. Wiederum im Gegensatz zu Sulpicius

habe Murena während seiner Zeit als Prätor herausragende Spiele veranstaltet, die den

Wählern im Gedächtnis haften geblieben waren. Darüber hinaus konnte Murena aus seiner

Zeit als Heerführer unter Lucullus auf die Unterstützung des Heeres hoffen, was natürlich

eine gewaltige Anzahl von Stimmen bedeutet.13

10 Vgl.: M. Tullius Cicero, Pro Murena, in: Marcus Tullius Cicero: Sämtliche Reden, eingeleitetet, übersetzt und

erläutert von Manfred Fuhrmann, Zürich, 1970, S. 293/294. 11 Vgl.: M. Tullius Cicero, Pro Murena, in: Marcus Tullius Cicero: Sämtliche Reden, eingeleitetet, übersetzt und

erläutert von Manfred Fuhrmann, Zürich, 1970, S. 305. 12 Vgl.: M. Tullius Cicero, Pro Murena, in: Marcus Tullius Cicero: Sämtliche Reden, eingeleitetet, übersetzt und

erläutert von Manfred Fuhrmann, Zürich, 1970, S. 306 - 317. 13 Vgl.: M. Tullius Cicero, Pro Murena, in: Marcus Tullius Cicero: Sämtliche Reden, eingeleitetet, übersetzt und

erläutert von Manfred Fuhrmann, Zürich, 1970, S. 318 - 322.

6

Im Folgenden kritisiert Cicero nun Sulpicius’ Wahltaktik. Er wirft ihm vor, dass er seine

Wahlziele nicht engagiert genug verfolgt habe. Denn anstatt sich siegessicher und

selbstbewusst zu zeigen, wie es von einem Kandidaten erwartet wird, habe er die Zeit des

Wahlkampfes schon dafür genutzt, um eine große Menge von Beweisen gegen seinen

Mitbewerber zu sammeln, so dass er ihn sofort im Anschluss an die Wahl habe vor Gericht

bringen könne. Cicero wirft ihm also vor, dass sein Verhalten Murena mehr genützt als

geschadet habe.14

2.2.2.3 Zurückweisung der Vorwürfe

Der dritte Teil der confutatio befasst sich mit der Widerlegung der Vorwürfe, die Murena von

der Gegenseite entgegengebracht wurden. Zunächst versucht Cicero die Tatsache, dass Cato

die Anklage vorgebracht hatte, abzumildern. Hier zeigt er, dass Cato die Anklage

übernommen habe, da er sich durch seine hohen Ideale der stoischen Ethik dazu verpflichtet

gefühlt habe. Doch führt Cicero hier weiter, indem er aufzeigt, dass die stoische Ethik sehr

rigoros urteilte. Denn sie ahndet geringfügige Vergehen und ihre Täter ebenso hart wie

schwerwiegende Verbrechen. Hier ruft Cicero zu ein wenig mehr Milde auf und kritisiert

Cato hier indirekt als allzu harsch und fast ein wenig weltfremd. Doch geschieht dies nicht

ohne eine gewisse Ironie, der es gelingt, dass sich Cato nicht direkt angegriffen fühlt und

Cicero doch darauf aufmerksam machen kann, dass Murenas Fall im Vergleich zur

catilinarischen Verschwörung eher unbedeutend ist. Denn er sagt weiter, dass er während

seines Konsulates immer bestrebt war, der Verschwörung Einhalt zu gebieten. Da sein

Konsulat nun bald ausläuft, findet er es unerlässlich, dass dieses Amt von zwei

handlungsfähigen Konsuln übernommen werden muss, die den Staat angemessen gegen

Catilina verteidigen können. Deshalb plädiert Cicero für Murenas Freispruch zum Wohle des

Staates.15

2.2.3 Epilogus (§ 84 – 90)

In der Schlusspassage appelliert Cicero nochmals an die Richter, dass sie bei ihrer

Urteilsfindung unbedingt an die derzeitige politische Lage des Staates denken sollen. Sie

sollen beachten, dass sie, wenn sie für Murenas Verurteilung stimmen, gleichzeitig Catilina

Tür und Tor öffnen, da nur ein Konsul die Verschwörung nicht ausreichend bekämpfen

14 Vgl.: M. Tullius Cicero, Pro Murena, in: Marcus Tullius Cicero: Sämtliche Reden, eingeleitetet, übersetzt und

erläutert von Manfred Fuhrmann, Zürich, 1970, S. 322 - 328. 15 Vgl.: M. Tullius Cicero, Pro Murena, in: Marcus Tullius Cicero: Sämtliche Reden, eingeleitetet, übersetzt und

erläutert von Manfred Fuhrmann, Zürich, 1970, S. 328 – 345.

7

könnte. In der derzeitigen politischen Lage legt Cicero den Richtern ans Herz, dass sie sich

für das kleinere Übel zum Wohle des Staates entscheiden sollen.16

2.3 Ergebnisse

Mit dieser Rede hat Cicero verschiedene Ziele erreicht, denn zum einen hat er natürlich sein

Hauptziel, den Freispruch Murenas, bewirkt. Doch darüber hinaus konnte Cicero diese

Streitfrage, die ja ausschließlich unter Optimaten stattfand, beenden, ohne eine der Parteien zu

beleidigen und somit ohne eine Spaltung der Optimaten, die im Kampf gegen Catilina

unverzeihlich gewesen wäre, hervorzurufen.

Außerdem gelang es ihm, die Richter davon zu überzeugen, Murena im Interesse des Staates

frei zu sprechen. Denn in jeder anderen politischen Lage wäre Murena sicherlich schuldig

gesprochen worden. Doch hier hat es Cicero durch seine Redekunst bewirkt, dass sich die

Richter quasi für das kleinere Übel entschieden haben, um den Staat vor der Bedrohung durch

Catilina zu schützen.

3. Didaktische Umsetzung

Innerhalb des Lehrplans werden die Reden Ciceros für die zehnte Jahrgangsstufe vorgesehen.

Darüber hinaus sollen die Schüler Cicero hinsichtlich aller seiner Aufgabenfelder als Redner,

Politiker und Anwalt kennen lernen. Während der alte Lehrplan des G9 konkrete Vorschläge

darüber macht, welche Reden gelesen werden sollen, wie beispielsweise In Verrem, In

Catilinam, Pro Milone, De Imperio Cn. Pompei,…, bestimmt der neue Lehplan des G8 nur,

dass eine Rede Ciceros in Auszügen gelesen werden soll.

Aufgrund der Richtlinie, dass die Schüler alle Facetten Ciceros kennen lernen sollen, scheint

mir die Rede Pro Murena nicht so sehr geeignet, um als Ganzschrift im Unterricht gelesen zu

werden. Sicherlich zeigt sie eindrucksvoll Ciceros rhetorische Fähigkeiten auf sowie die

Tätigkeit eines Anwalts, jedoch behandelt sie ein politisches Phänomen, das zwar zeitgleich

zur catilinarischen Verschwörung abläuft, jedoch als weniger „sensationell“ anzusehen ist.

Deshalb erscheint es mir wichtiger, mit den Schülern gemeinsam Auszüge aus den

catilinarischen Reden vertieft zu behandeln, um die Schüler somit direkt in das Geschehen der

Verschwörung einweihen zu können. Dieses Thema erscheint mir zu wichtig als dass es nur

als Hintergrund für Pro Murena erwähnt wird. Deshalb schlage ich vor, während einer

solchen Lektürephase von In Catilinam die Rede Pro Murena als Nebenlektüre einzubauen,

16 Vgl.: M. Tullius Cicero, Pro Murena, in: Marcus Tullius Cicero: Sämtliche Reden, eingeleitetet, übersetzt und

erläutert von Manfred Fuhrmann, Zürich, 1970, S. 345 - 349.

8

mit dem zusammen auch redetheoretische Aspekte vertieft besprochen werden können. Denn

Pro Murena zeigt sehr eindrucksvoll Ciceros Überzeugungskraft, die natürlich maßgeblich

aus seinen rhetorischen Fähigkeiten resultierte.

Darüber hinaus muss festgestellt werden, dass der Text neben Ausgaben vom Aschendorff-

Verlag und der Reihe „Disputando“ nicht so gut erhältlich ist, da ich Schwierigkeiten hatte,

mir den Text zur Vorbereitung dieser Arbeit und des Referates zu besorgen. Dies ist für eine

statarische Ganzschriftlektüre sicherlich auch etwas abschreckend, da die Lehrkraft einen

enormen Arbeitsaufwand bewältigen muss, um den lateinischen Text der Oxford-Ausgabe so

zu kommentieren, dass Schüler ihn übersetzen und bearbeiten können. Auch aus diesem

Grund plädiere dafür Pro Murena höchstens als Ergänzung zu einer gründlicheren Lektüre

der catilinarischen Reden zu lesen.

Im Folgenden soll nun eine Möglichkeit aufgezeigt werden, wie die Rede Pro Murena in

Ergänzung zur üblichen Lektüre von In Catilinam verwendet werden könnte. Die nachfolgend

dargestellten Materialien müssen innerhalb eines Lernzirkels zum Thema Ciceros Reden in

seinem Konsulatsjahr gedacht werden, der sich an eine schon länger andauernde und vertiefte

Lektüre der Reden In Catilinam in einer zehnten Klasse anschließen würde. Dieser Lernzirkel

würde insgesamt neun Stationen umfassen, von denen ich drei vorstellen werde. Als zeitliche

Rahmensituation werden dafür acht Schulstunden veranschlagt, wobei die achte Stunde als

Zeitpuffer eingerechnet wird, falls die Schüler noch zusätzlich Zeit benötigen. Insgesamt

werden für die Arbeit an diesem Lernzirkel also drei Schulwochen veranschlagt, in denen die

Schüler selbstständig in Gruppen von drei bis vier Schülern arbeiten sollen und die

Lehrperson quasi als Supervisor fungiert. Dabei soll neben den direkten Lernzielen der

einzelnen Stationen auch der selbstständige Umgang mit Lexika und Wortkunden praktiziert

werden, wie es der Lehrplan fordert. Eine dieser sieben oder acht Stunden soll zur

Besprechung von Kurzplädoyers dienen, die während des Zirkels erstellt werden.

Im Allgemeinen muss natürlich festgestellt werden, dass ein solcher Lernzirkel nur mit guten

und motivierten Schülern durchgeführt werden kann. Innerhalb dieser Arbeit wird also von

einer optimalen Lehr- und Lernsituation ausgegangen, die ein solches Arbeiten zulässt. Im

Einzelfall muss natürlich die Lehrkraft entscheiden, ob in ihrer Klasse ein solches

Unterfangen machbar ist oder nicht. Möglicherweise können die Aufgaben des Lernzirkels

auch differenziert behandelt werden, je nach Leistungsstand der einzelnen Schüler. Bei

weniger guten oder nicht so sehr motivierten Schülern könnten einzelne Aufgaben des Zirkels

auch herausgegriffen werden und als Gruppenarbeit durchgeführt werden, sodass sich die

9

Schüler ihre Kenntnisse nicht nur durch Lektürearbeit erwerben, sondern auch andere

Herangehensweisen an den Text und die zeitgeschichtliche Situation kennenlernen.

Im Anschluss werden nun die drei Stationen des Lernzirkels dargestellt, die ich entworfen

habe.

3.1 Fragebogen zu Pro Murena

Da der Lernzirkel das Thema Ciceros Reden in seinem Kosulatsjahr behandelt, ist es natürlich

unverzichtbar, die Schüler in die Zusammenhänge der Murena-Frage einzuweihen. Um ihnen

die Bedingungen erläutern zu können, die Cicero in diesem Fall zu Murenas Verteidiger

machen und um ihnen zu erklären, was sich Cicero von Murenas Freispruch erhofft, müssen

sie sich innerhalb der catilinarischen Verschwörung auskennen. Dies ist der Fall, da sich die

Lernzirkelarbeit schon an eine längere Lektürephase von In Catilinam anschließt. Um darüber

hinaus die Zusammenhänge der Konsulatswahlen im Jahr 63 vor Christus und somit Ciceros

Absichten zu verstehen, müssen die Schüler kurz und präzise in die Zusammenhänge

eingeführt werden. Deshalb habe ich eine Zusammenfassung der Rede Pro Murena und der

Umstände, in denen sie stattfand, für die Schüler zusammengestellt, die die Schüler vor der

Bearbeitung der Lernzirkel-Aufgaben lesen müssen.17 Im Rahmen des Lernzirkels wird den

Schülern dieses Informationsmaterial auf Anfrage hin von der Lehrkraft ausgehändigt, so dass

die jeweilige Arbeitsgruppe es sich durchlesen und die Inhalte aneignen kann.

Anschließend müssen die Schüler die Zusammenfassung wieder an die Lehrkraft zurückgeben

und erhalten im Austausch einen Fragebogen zum Ausfüllen, der die wichtigsten

Zusammenhänge abfragen soll, also zum Beispiel mit Fragen nach Anklägern und

Verteidigern, Catos Beteiligung, Vergehen, die zu einer Ambitus-Anklage führen oder der

Gliederung einer Rede. Nachdem die Schüler diesen Fragebogen beantwortet haben,

erarbeitet die Lehrkraft mit ihnen im Unterrichtsgespräch eine Musterlösung. Die Lehrkraft

muss zuvor einen Erwartungshorizont mit Bewertungsschlüsseln erarbeitet haben, der dann

den Schülern zeigt, wie viele Punkte es auf die einzelnen Fragen gab und wie viele sie davon

erreicht haben. Anhand dieser Bewertungsmatrix können die Schüler ersehen, ob sie die

einleitende Zusammenfassung der Rede gut gelesen haben oder nicht.18

3.2 Redetheoretische Aspekte

17 Diese Zusammenfassung findet sich im Anhang I als Blatt 1. 18 Beide Vorlagen sowohl für den Fragebogen als auch für die Musterlösung lassen sich im Anhang I als Blatt 2

und 3 finden.

10

Die zweite meiner Stationen befasst sich mit redetheoretischen Aspekten, wie der Gliederung

der Rede sowie den Aufgaben des Redners. Die Behandlung dieser Aspekte, die auch der

Lehrplan als lohnenswert empfiehlt, soll folgendermaßen vor sich gehen. Zum einen sollen

die Schüler für sich eine Tabelle erstellen, in die sie die Aufgaben und Tätigkeiten, die ein

Redner im Vorfeld seiner eigentlichen Redetätigkeit auszuführen hat, eintragen. Diese Tabelle

sollen sie auf der Grundlage des Textabschnittes De Inventione I, 9 erstellen. Der

Textausschnitt von De Inventione wird den Schülern auf Lateinisch vorgelegt. Natürlich

erhalten sie Wortangaben, um in der Bearbeitung leichter und schneller voranzukommen.

Schließlich soll innerhalb dieser Aufgabenstellung der Schwerpunkt nicht auf der

Übersetzungsarbeit liegen, sondern auf der möglichst dauerhaften Verinnerlichung der

Tätigkeiten des Redners. Falls dann noch Unklarheiten auftreten, kann der Lehrer als

Supervisor fungieren und den Schüler Hilfestellung geben. Sicherlich ist das ein positives

Erlebnis für den Schüler, wenn er selbst sein Lernmaterial aus Originaltexten herausarbeiten

kann und dies auf eine relativ schnelle und unproblematische Weise.19

Ergänzend zu dieser Aufgabenstellung bietet es sich an, einen Aktualitätsbezug herzustellen,

indem die Schüler untereinander diskutieren sollen, ob die Vorgehens- und Arbeitsweisen des

antiken Redners auch heute noch aktuell sind. Eine Diskussion über Berufsfelder, in denen

Reden gehalten werden müssen und zu welchem Zweck diese Reden gehalten werden, schärft

den Schülern möglicherweise den Blick dafür, dass sie selbst, egal welche berufliche

Laufbahn sie einschlagen werden, immer wieder über dieses Handwerkszeug verfügen

müssen, um rhetorisch kompetent und erfolgreich auftreten zu können. Dies zeigt wiederum,

welchen Einfluss die antike Redekunst auch auf uns moderne Menschen ausübt und wie sie

uns und unser modernes Denken und Verhandeln entscheidend geprägt hat.

Die zweite Aufgabe zu diesem Thema verhält sich ähnlich. Hier sollen die Schüler ebenfalls

eine Tabelle erstellen, in der sie die einzelnen Teile einer Rede einzeichnen. Als Grundlage

für diese Frage dient ein lateinischer Textauszug aus der Rhetorica ad Herennium I, 4, aus

dem die Schüler die nötigen Schlüsselbegriffe herausgreifen können. Zu diesem

Textausschnitt werden ebenfalls Wortangaben gemacht, um ein zügiges Arbeiten zu

gewährleisten.

Damit diese beiden Tabellen nicht völlig unbesehen im Schulranzen verschwinden oder im

Abfall landen, könnte ich mir auch vorstellen, sowohl die Tätigkeiten des Redners als auch

19 Die Aufgabenstellung sowie die Textstelle und die Musterlösung finden sich im Anhang II auf den Blättern 1

und 2.

11

die Gliederungsteile der Rede für die Abfrage im B-Teil der nächsten Schulaufgabe zum

Lernen aufzugeben.20

Um abzuprüfen, ob die Schüler verstanden haben, was die einzelnen Teile einer Rede

ausmacht, bietet es sich natürlich an, ein bestimmtes Textstück auszuwählen und die Schüler

bestimmen zu lassen, welchem Redeteil es zuzuschreiben ist. Ich habe hierzu das Exordium

aus Pro Murena ausgewählt, da ich im beschriebenen Fall sicherlich schon ein Exordium zu

Catilina behandelt habe und es sich zusätzlich dadurch auszeichnet, dass viele direkte

Anreden wie iudices enthalten sind, die es den Schülern natürlich erleichtern, den Text

einzuordnen. Diesen Textabschnitt würde ich sowohl auf Deutsch als auch auf Lateinisch,

also bilingual aufbereitet, angeben, so dass die Schüler den Text auf Deutsch lesen und

verstehen können mit relativ geringem Zeitaufwand, aber zumindest die passenden

Belegstellen aus dem lateinischen Text zitieren können. Dabei würde ich mir als Antwort

erhoffen, dass die Schüler den Text eben als Exordium klassifizieren aufgrund der zahlreichen

direkten Anreden und aufgrund einer ziemlich deutlichen Captatio benevolentiae, da Cicero

zweimal die Götter anruft und sich beim dritten Mal an die Richter wendet, was einer

Erhöhung zu göttlich anmutendem Niveau gleichkommt.21

3.3 Oratio pro Catilina

Die dritte meiner Stationen befasst sich sowohl mit der praktischen Umsetzung der

redetheoretischen Aspekte als auch mit dem Thema des Konsulatsjahres. Die Schüler sollen

nun ein Kurzplädoyer erstellen, in dem sie Catilina gegen die Anschuldigungen Ciceros

verteidigen. Dies stellt wiederum einen Aktualitätsbezug her, da die Schüler, indem sie eine

deutsche Rede mithilfe von antikem Handwerkszeug erstellen, sehen, dass diese antiken

Mittel immer noch anwendbar sind. Dies ist natürlich nur dann möglich, wenn die Station zu

den redetheoretischen Aspekten zuvor bearbeitet wurde. Da die Bearbeitung der

Zirkelstationen jedoch nicht festgelegt ist, kann es auch sein, dass einige Schüler die Rede

ohne Berücksichtigung der Punkte, die in De Inventione und in Rhetorica ad Herennium

dargestellt werden, abfassen. Da die Kurzplädoyers jedoch in einer eigenen Stunde

vorgetragen und besprochen werden sollen, kann dabei herausgearbeitet werden, wer die

antiken Hilfsmittel verwendet hat und ob diejenigen, die sie nicht eingesetzt haben, mit ihnen

etwas anders oder besser gemacht hätten. Hier lässt sich natürlich ebenfalls bestens überleiten

zu einer Diskussion, die die Auswirkungen der antiken Rhetorik auf unsere Kultur behandelt

20 Sowohl die Textangaben als auch die Musterlösung dieser Aufgabe befinden sich auf Blatt 1 und 2 im Anhang

II. 21 Sowohl der Erwartungshorizont als auch der Textausschnitt finden sich im Anhang II auf Blatt 1 und 3.

12

und die den Schülern aufzeigt, von welchem Wert es ist, sich mit der antiken Rhetorik

auseinanderzusetzen und dadurch für das eigene rhetorische Repertoire zu profitieren.

In diesem konkreten Fall der Kurzplädoyers, die die Schüler innerhalb dieser Station

anfertigen sollen, gebe ich den Schülern nochmals eine kurze Zusammenfassung über die

catilinarische Verschwörung an die Hand, die ich selbst im Internet bei Wikipedia gefunden

habe.22 Diese versucht relativ neutral die Geschehnisse der Verschwörung zu schildern, ohne

allzu sehr Sallusts und Ciceros Abneigung gegen Catilina nachzuempfinden. Aufgrund dieser

Angaben können die Schüler Argumente sammeln, die es ihnen ermöglichen, selbst die

Wirkungsmöglichkeiten der Rhetorik zu testen und beispielsweise gegen Cicero zu sprechen

und Catilina als „Nationalhelden“ zu zeigen, der sich für das Wohl der Bürger einsetzt. Als

Erwartungshorizont für diese Plädoyers erhoffe ich mir eine angemessene sprachliche

Gestaltung, die zumindest an der ein oder anderen Stelle Stilmittel einsetzt und somit

beispielsweise mit Adjektiven wertende Konnotationen ausdrückt, Vergleiche anwendet oder

Appositionen beifügt. Auf der inhaltlichen Ebene wünsche ich mir eine kleine Captatio

benevolentiae, die dem Adressaten beziehungsweise hier dem Gegner schmeichelt und die

eigenen Fähigkeiten kleinredet. Als Einstieg zu dieser Rede könnte ein kurzes

Schuldgeständnis dienen, da ja einige der Schandtaten Catilinas wie der Mordversuch an den

Konsuln oder die Ausbeutung der Provinz Asien unbestreitbar feststehen. Dies schafft den

Eindruck von Ehrlichkeit und weckt den Anschein zur Klärung der Frage beitragen zu wollen.

Im Anschluss kann dann die Schuldfrage umgedreht werden, so dass der eigentliche Täter als

Opfer dargestellt wird. Hier können Catilinas Taten verteidigt, verharmlost sowie verherrlicht

werden. Dies kann beispielsweise geschehen, indem der vermeintlich integre Ankläger Cicero

des Neids überführt wird. Dieser könnte Neid auf Catilina empfinden wegen seiner adligen

Abstammung, seiner Begeisterungsgabe, die sowohl bei Armen als auch bei Reichen wirkt,

sowie wegen der Tatsache, dass Catilina zunächst im Senat besser ankam als Cicero selbst.

Darüber hinaus kann die marode Lage des Staates illustriert werden, in welcher der Senat und

die Volksversammlung um die Kompetenzen streiten, was zu einer politischen Lähmung des

Staates führt. Das Ausbleiben der Agrarreform führt zu einer schwierigen Lebenssituation für

die Landbevölkerung, da diese sich nicht mehr ernähren kann. Dies veranlasst diese Bürger,

die aufgrund von Kriegen, Dürre und Missernten in Armut leben, in die Stadt nach Rom zu

kommen, da dort kostenlos Brot und Geld verteilt werden. Aufgrund all dieser Umstände

kann Catilina als Streiter für die Armen charakterisiert werden, der sich endlich einmal für die

normalen Bürger einsetzt, während die anderen Politiker nur um ihre Kompetenzen streiten.

22 http://de.wikipedia.org/wiki/Catilinarische_Verschw%C3%B6rung (Stand: 04.09.07)

13

Hier kann nun das Gesamtbild gewendet werden, so dass Catilina und Cicero allmählich die

Rollen tauschen. Denn während die namhaften Politiker diskutieren und um ihre Rechte

debattieren, setzt sich Catilina als Fürsprecher für die Armen ein, gibt ihnen Arbeit, gibt ihnen

Essen und versucht das alte, marode Staatssystem aus seiner Lähmung herauszureißen und es

auf kreative Weise zum Wohl für alle Staatsbürger neu zu gestalten.

Es müssen natürlich nicht alle dieser Aspekte in den Plädoyers verarbeitet werden, doch kann

anhand dieses Erwartungshorizonts demonstriert werden, dass sich den Schülern hier einiges

an Material für eine solche Rede bietet. So können sie zwar am Beispiel eines antiken

Themas, allerdings jedoch mit den rhetorischen Mitteln der lebendigen, deutschen Sprache

sehen, dass Rhetorik zu jeder Zeit ein wichtiges und gewinnbringendes Thema ist.23

4. Zusammenfassung

Uvo Hölscher bezeichnet die Antike als das „nächste Fremde“.24 Oftmals erscheint es den

Schülern schwierig, dieses nächste Fremde zu verstehen und zu begreifen. Da ihnen oft das

nötige Hintergrundwissen zu den einzelnen historischen Ereignissen fehlt, können sie nicht

nachvollziehen, weshalb antike Texte Spannung und Faszination ausüben können. Hier zeigt

der gesamte Lernzirkel, also zusammen mit den übrigen sechs Stationen meiner

Kommilitoninnen, eine Möglichkeit auf, wie den Schülern Hintergründe und Zusammenhänge

nahe gebracht werden können. So können antike Ereignisse, wie die der catilinarischen

Verschwörung und des Konsulatsjahres, in direkten Zusammenhang mit dem Heute gestellt

werden und als Vergleichsmaterial dazu heran gezogen zu werden. Hier kann den Schülern

deutlich gemacht werden, dass die Antike Ursprung und Quell unserer heutigen Kultur des

Abendlandes ist und somit nicht als fremd und unantastbar zu betrachten ist, sondern als

direkter Vorläufer unserer heutigen Kultur, der uns aufgrund seiner Historizität sowohl als

Anleitung als auch als Hilfestellung in unserem heutigen Leben dienen kann.

Der Lernzirkel zeigt, dass insbesondere die antike Rhetorik, deren Auswirkungen auf das

heutige Leben niemand abstreiten kann, als optimales Bindeglied zwischen Antike und

Moderne gesehen werden kann. Denn zum einen werden uns wichtige politische

Zusammenhänge der Antike unter anderem durch Reden, also durch rhetorische Werke,

dargestellt. Dies ermöglicht uns sowohl den Zugang zur antiken Politik, als auch zum antiken

Recht, die beide ebenso wie die Rhetorik bedeutende Auswirkungen auf unsere moderne

Gesellschaft ausüben.

23 Eine Folie, die den Schülern bei der Besprechung als Erwartungshorizont präsentiert werden kann, findet sich

im Anhang III. 24 Kipf, Stefan: Altsprachlicher Unterricht in der Bundesrepublik Deutschland, Bamberg, 2006, S. 351.

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Zum anderen ist die Rhetorik für jeden einzelnen wichtig, denn selbst diejenigen, deren

Berufe es nicht erfordern, müssen auf privatem Feld immer wieder überzeugen, abwehren

oder verteidigen, was mithilfe der antiken, redetheoretischen Hilfestellungen wesentlich

überzeugender getan werden kann, als wenn Argumente unzusammenhängend aneinander

gereiht werden.

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5. Literaturverzeichnis

• M. Tullius Cicero, Pro Murena, in: Marcus Tullius Cicero: Sämtliche Reden,

eingeleitetet, übersetzt und erläutert von Manfred Fuhrmann, Zürich, 1970.

• Adamietz, Joachim: Ciceros Verfahren in den Ambitus-Prozessen gegen Murena und

Plancius, in: Böhmer, Franz; Voit, Ludwig (Hg.): Gymnasium, Zeitschrift für Kultur

der Antike und humanistische Bildung, 93, Heidelberg, 1986.

• Bürge, Alfons: Die Juristenkomik in Ciceros Rede Pro Murena, Übersetzung und

Kommentar, Zürich, 1974.

• Kipf, Stefan: Altsprachlicher Unterricht in der Bundesrepublik Deutschland, Bamberg,

2006.

• Nadig, Peter: Ardet Ambitus: Untersuchungen zum Phänomen der Wahlbestechungen

in der römischen Republik, Frankfurt/Main, 1996.

Internetquellen:

• Zum Wikipedia Artikel über die Catilinarische Verschwörung:

http://de.wikipedia.org/wiki/Catilinarische_Verschw%C3%B6rung

(Stand: 04.09.2007)

• Koren, M.: Einführung in die Rede Pro L. Licinio Murena, im Internet:

http://www.uni-regensburg.de/Fakultaeten/phil_Fak_IV/Klass_Phil/Cicero_Pro_

Murena_Argumentum.htm

(Stand: 04.09.07)

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6. Anhang

• Anhang I

~ Zusammenfassung der Rede Pro Murena (Blatt 1)

~ Fragebogen zu Pro Murena (Blatt 2)

~ Musterlösung des Fragebogens (Blatt 3)

• Anhang II

~ Arbeitsauftäge sowie Musterlösung (Blatt 1)

~ Textstellen zu De Inventione und Rhetorica ad Herennium (Blatt 2)

~ Exordium zu Pro Murena (Blatt 3)

• Anhang III

~ Wikipedia-Auszug zur catilinarischen Verschwörung

~ Erwartungshorizont zu Pro Murena

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ANHANG I

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Anhang I – Teil 1 Marcus Tullius Cicero, Pro Murena Allgemeines:

• Die Rede ist ein Verteidigungsplädoyer, das im Jahr 63 v. Chr., also während Ciceros Konsulatsjahr, gehalten wurde. Sie kann zeitlich eingeordnet werden auf die zweite Novemberhälfte, zwischen der 2. und 3. Rede gegen Catilina.

• Der Prozess wurde ausschließlich unter Optimaten geführt, so dass Cicero die schwierige Aufgabe hatte, Murena zu verteidigen, ohne seine Parteikollegen zu beleidigen. Denn um der drohenden catilinarischen Verschwörung effektiv entgegentreten zu können, durften die Optimaten nicht untereinander zerstritten sein, sondern mussten Geschlossenheit demonstrieren. Dies gelang Cicero, indem er keine persönlichen Beschuldigungen hervorbrachte, sondern in heiter-ironischen Partien die allgemeinen Systemzwänge von Jurisprudenz und stoischer Ethik kritisierte ohne Einzelpersonen direkt zu kritisieren.

Umstände: Neben Lucius Licinius Murena hatten sich auch Servius Sulpicius Rufus, Decimus Iunius Silanus und Lucius Sergius Catilina um das Konsulat beworben. Murena und Silanus gewannen die Wahl. Seit dieser Niederlage plante Catilina mehr denn je seine Verschwörung. S. Sulpicius Rufus dagegen ließ sich durch seine Niederlage dazu veranlassen, Murena in einem Ambitus-Prozess vor Gericht zu fordern. Er erhoffte sich, dass Murena, falls er schuldig gesprochen würde, das Konsulat abgeben müsste und er, Sulpicius, an seiner Stelle Konsul würde. Zusammen mit Sulpicius klagten Marcus Porcius Cato, Gaius Postumus und ein jüngerer verwandter Servius Sulpicius Rufus Murena an. Cato, hatte schon vor dem Prozess angekündigt, er werde alle gerichtlich verfolgen, die sich des Ambitus schuldig machten. Deshalb und wegen seines großen moralischen Ansehens hat er sich wohl zur Mithilfe in diesem Pozess verpflichtet. Die großen Redner Quintus Hortensius Hortalus, Marcus Licinius Crassus und Cicero (Cicero sprach als letzter) verteidigten zusammen Murena und konnten schließlich seinen Freispruch bewirken. Ambitus:

• Ambitus: Alle Formen von unerlaubter Wahlwerbung, z. B.: Handel mit Stimmen, geschenkähnliche Vergünstigungen (Einladungen zu Festschmäusen), Gemietetes Gefolge, um Prunk zu demonstrieren und um ärmere Leute zu alimentieren.

• Ambitio: Rechtmäßige Wahlbewerbung • Geschichte: Seit dem 2 Jhd. v. Chr. gibt es Versuche gegen unrechtmäßige

Wahlwerbung vorzugehen. 115 v. Chr. wurde ein ständiger Gerichtshof (quaestio) zur Behandlung von Ambitus-Fällen eingerichtet.

• Lex Tullia de ambitu: Gesetz zur Ahndung von Wahlbetrug, das von Cicero im Jahr 63 v. Chr. eingebracht wurde. Das Gesetz bestrafte Ambitus mit 10-jähriger Verbannung.

Inhalt: Einleitung (exordium; 1-10): Cicero verteidigt sich hier gegen die Vorwürfe Catos. (Cato hatte ihm zum Vorwurf gemacht, dass er, der er selbst ein Gesetz gegen Ambitus erlassen hat, nun Murena, also einen Wahlbetrüger, verteidigte.) Cicero entgegnet hier, dass er zwar das Gesetz eingebracht habe,

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aber bei Murena keineswegs erkennen kann, dass er sich im Sinne des Gesetzes schuldig gemacht hätte. Darüber hinaus sagt Cicero, dass wohl niemand den zukünftigen Konsul besser verteidigen kann als der amtierende Konsul. Hauptteil (confutatio;11-83): Die dreiteilige Beweisführung der Rede befasst sich zunächst mit der einwandfreien Lebensführung des Murena, bevor sie sich mit den Wahlchancen der beiden Kontrahenten auseinandersetzt und schließlich die Vorwürfe der Amtserschleichung zu entkräften versucht. Lebensführung: Murena hat sich zum Kriegsdienst in Asien gemeldet, was von seiner Liebe zu seinem Vaterland zeugt. Er hat sich dort tadellos verhalten und große Erfolge erringen können. Wahlchancen: Beide Bewerber zeichnen sich durch gute Herkunft aus. Murena hat sich durch seine Leistungen als Feldherr mehr Sympathien beim Volk errungen als sein Rivale Sulpicius, der als Rechtsgutachter keine solchen Erfolge für das Vaterland verzeichnen konnte. Murena hatte, laut Cicero, bessere Chancen, da er großartige Spiele für das Volk veranstaltet hat, seine Provinz gut verwaltet hat und darüber hinaus Unterstützung durch sein Heer erhalten hatte. Vorwürfe der Amtserschleichung: Cicero erklärt, dass die Vorwürfe, die gegen Murena vorgebracht worden sind, nicht eindeutig bewiesen werden können. Danach zeigt Cicero auf, dass die Ambitus-Vorwürfe gegen Murena in der momentanen Staatslage vergleichsweise unbedeutend sind. In dieser für den Staat prekären Lage ist es Ciceros Hauptanliegen, dass der Staat am 1. Januar 62 eine tatkräftige Regierung mit 2 Konsuln hat, die im Stande sind, die Angriffe der catilinarischen Verschwörung abzuwehren, deshalb plädiert er für Murenas Freispruch. Schluss (conclusio; 84-90): Der Epilog beinhaltet noch einmal einen dringenden Aufruf an die Richter, bei ihrer Entscheidung an das Wohl des Staates zu denken. Denn, laut Cicero, ist derjenige, der sich gegen Murena entscheidet, ein Befürworter Catilinas.

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Anhang I – Teil 2 Fragebogen zu Ciceros Rede Pro Murena

1. Wann wurde die Rede gehalten?

___________________________________________________________________________

2. Innerhalb welcher politischen Gruppe wurde Murena angeklagt? Was war dabei die

Schwierigkeit für Cicero?

___________________________________________________________________________

___________________________________________________________________________

___________________________________________________________________________

3. Erläutere kurz, wie es zu diesem Prozess kam!

___________________________________________________________________________

___________________________________________________________________________

___________________________________________________________________________

___________________________________________________________________________

4. Nenne Ankläger und Verteidiger des Prozesses!

___________________________________________________________________________

___________________________________________________________________________

___________________________________________________________________________

5. Warum beteiligte sich Cato an dem Prozess?

___________________________________________________________________________

___________________________________________________________________________

6. Was könnte jemand getan haben, der des Ambitus beschuldigt wird?

___________________________________________________________________________

___________________________________________________________________________

7. Wie hieß das von Cicero dazu erlassene Gesetz? Welches Strafmaß setzte es fest?

___________________________________________________________________________

8. Welche bedeutende Verhandlung fand außerdem im Jahr 63 v. Chr. statt?

___________________________________________________________________________

9. Wie ist der Hauptteil der Rede gegliedert?

___________________________________________________________________________

___________________________________________________________________________

10. Was wollte Cicero mit der Rede und durch Murenas Freispruch erreichen?

___________________________________________________________________________

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Anhang I – Teil 3 Erwartungshorizont zum Fragebogen

1. Wann wurde die Rede gehalten?

Im Jahr 63 v. Chr. (1 P.), zwischen der 2. und 3. catilinarischen Rede, also während der

catilinarischen Verschwörung (1 P.).

2. Innerhalb welcher politischen Gruppe wurde Murena angeklagt? Was war dabei die

Schwierigkeit für Cicero?

Innerhalb der Optimaten (1 P.). Um Catilina abwehren zu können, mussten die Optimaten

Geschlossenheit an den Tag legen. Deshalb musste Cicero darauf achten, dass er niemanden

der Ankläger beleidigte oder vergraulte (2 P.).

3. Erläutere kurz, wie es zu diesem Prozess kam!

S. Sulpicius Rufus verlor die Wahl gegen Murena. Deshalb klagte er Murena an, um so selbst

das Konsulat zu erlangen, falls dieser vor Gericht schuldig gesprochen worden wäre und das

Amt hätte abgeben müssen (3 P.).

4. Nenne die Ankläger und Verteidiger des Prozesses!

Kläger: S. Sulpicius Rufus, M. Porcius Cato, C. Postumus, S. Sulpicius Rufus (4 P.)

Verteidiger: L. Licinius Murena, Q. Hortensius Hortalus, M. Licinius Crassus, M. Tullius

Cicero (4 P.)

5. Warum beteiligte sich Cato an dem Prozess?

Da er schon zuvor angekündigt hatte, gegen alle Wahlbetrüger vorzugehen (1 P.).

Da er damals als eine große moralische Autorität angesehen wurde (1 P.).

6. Was könnte jemand getan haben, der des Ambitus beschuldigt wird?

Er hat mit fremden Stimmen Handel getrieben, geschenkähnliche Vergünstigungen ausgeteilt,

er zog mit einem gemieteten Gefolge durch die Stadt, um seine Macht zu demonstrieren (3 P.)

7. Wie hieß das von Cicero dazu erlassene Gesetz? Welches Strafmaß setzte es fest?

Lex Tullia de ambitu (1 P.); 10-jährige Verbannung (1 P.).

8. Welche bedeutende Verhandlung fand außerdem im Jahr 63 v. Chr. statt?

Der Prozess gegen Catilina (1 P.).

9. Wie ist der Hauptteil der Rede Pro Murena gegliedert?

Murenas Lebensführung, Wahlchancen der beiden Kandidaten, Zurückweisung der

Amtserschleichungsvorwürfe (3 P.).

10. Was wollte Cicero durch seine Rede und Murenas Freispruch erreichen?

22

Dass der Staat am 1. Januar 62 eine schlagkräftige Regierung mit zwei Konsuln hat, die den

Staat gegen die Angriffe der catilinarischen Verschwörung schützen kann (2 P.).

Insgesamt 29 erreichbare Punkte:

29 … 26 sehr gut

25 … 22 gut

21 … 18 befriedigend

17 … 14 ausreichend

13 … 09 mangelhaft

08 … 0 ungenügend

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ANHANG II

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Anhang II – Teil 1 Gliederung der Rede und Aufgaben des Redners

• Erstelle eine tabellarische Übersicht, in der du die Aufgaben einzeichnest, die ein Redner nacheinander bewältigen muss, um seine Rede zu erstellen! Nimm den lateinischen Text De Inventione I, 9 zu Hilfe!

• Zeichne dir dann auf, in welche Teile eine Rede gegliedert werden kann (lateinischer Text – Rhetorica ad Herennium, I, 4)!

• Lies dann intensiv das Textbeispiel aus Ciceros Rede Pro Murena durch! Welchem Gliederungsteil der Rede würdest du das angegebene Textstück zuordnen und warum?

Erwartungshorizont: 1. Aufgaben des Redners: Inventio Auffinden des Stoffes Dispositio Gliederung und Anordnung des Stoffes Elocutio Ausformulierung der Rede Memoria Einprägen der Rede Actio Halten der Rede vor Publikum 2. Redeteile: Exordium Einleitung der Rede Narratio Schilderung des Sachverhaltes Divisio Ankündigung des Beweisziels Confirmatio/Confutatio Beweisführung/Widerlegung Conclusio Schluss der Rede 3. Einordnung des Textbeispiels: Captatio benevolentiae: - Zweifache Bitte an die Götter: Bei der Wahl: Der Gewählte soll Volk und Staat zum Heil gereichen.

Bei der Verteidigung: Götter sollen Murenas Konsulat und Heil erhalten, zum Wohle des Volkes.

- Empfehlung Murenas an die Richter, an die göttliche Macht übergegangen ist (Erhebung der Richter auf göttliche Stufe!).

Viele Anreden � Exordium

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Anhang II – Teil 2 Textangaben zum Thema Gliederung der Rede und Aufgaben des Redners 1. Aufgaben des Redners (de inventione I, 9): […] Partes autem eae, quas plerique dixerunt, inventio, dispositio, elocutio, memoria, pronuntiatio. Inventio est excogitatio rerum verarum aut veri similium, quae causam probabilem reddant; dispositio est rerum inventarum in ordinem distributio; elocutio est idoneorum verborum ad inventionem accomodatio; memoria est firma animi rerum ac verborum et dispositionis perceptio; pronuntiatio est ex rerum et verborum dignitate vocis et corporis moderatio. Vokabeln: 1 dispositio: Anordnung, Gliederung; elocutio: Ausdrucksweise, Stil; 2 pronuntiatio: Vortrag; excogitatio: Ausdenken, Ersinnen; 4 accomodatio: Anpassung; 5 perceptio: Erfassen; 6 moderatio: Beherrschung 2. Aufbau einer Rede (Rhetorica ad Herennium I, 4): Inventio in sex partes consumitur: exordium, narrationem, divisionem, confirmationem, confutationem, conclusionem. Exordium est principium orationis, per quod animus auditoris vel iudicis constituitur ad audiendum. Narratio est rerum gestarum aut proinde ut gestarum expositio. Divisio est, per quam aperimus, quid conveniat, quid in controversia sit, per quam exponimus, quibus de rebus simus dicturi. Confirmatio est nostrorum argumentorum expositio cum asservatione. Confutatio est contrariorum locorum dissolutio. Conclusio est artificiosus terminus orationis. Vokabeln: 1 consumere: hier: sich erstrecken; exordium: Einleitung; divisio: Gliederung; 2 confutatio: Widerlegung; 8 asservatio: Nachdruck; dissolutio: Widerlegung 3. Textbeispiel aus Ciceros Rede Pro Murena: Quae precatus a dis immortalibus sum, iudices, more institutoque maiorum illo die quo auspicato comitiis centuriatis L. Murenam consulem renuntiavi, ut ea res mihi fidei magistratuique meo, populo plebique Romanae bene atque feliciter eveniret, eadem precor ab isdem dis immortalibus ob eiusdem hominis consulatum una cum salute obtinendum, et ut vestrae mentes atque sententiae cum populi Romani voluntatibus suffragiisque consentiant, eaque res vobis populoque Romano pacem, tranquillitatem, otium concordiamque adferat. Quod si illa sollemnis comitiorum precatio consularibus auspiciis consecrata tantam habet in se vim et religionem, quantam rei publicae dignitas postulat, idem ego sum precatus ut eis quoque hominibus quibus hic consulatus me rogante datus esset, ea res feliciter prospereque eveniret. Quae cum ita sint, iudices, et cum omnis deorum immortalium potestas aut

translata sit ad vos aut certe communicata vobiscum, idem consulem vestrae fidei commendat qui antea dis immortalibus commendavit, ut eiusdem hominis voce et declaratus consul et defensus beneficium populi Romani cum vestra atque omnium civium salute tueatur. Entnommen aus: Pro Murena (§ 1- 21), in: M. Tulli Ciceronis, Orationes, Ed. Albertus Curtis Clark, Oxford, 1905, S. 245.

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Ihr Richter! Ich habe an jenem Tage, da ich in geweihter Versammlung der Zenturien die Wahl des L. Murena zum Konsul verkündete, nach Brauch und Satzung der Vorfahren zu den unsterblichen Göttern gebetet, dass dieses Ereignis mir und den Obliegenheiten meines Amtes, dem Gesamtvolk und der Plebs von Rom zu Glück und Segen ausschlagen möge. Dieselbe Bitte richte ich jetzt abermals an die unsterblichen Götter, um das Konsulat und zugleich das Heil desselben Mannes zu bewahren und dass eure Meinung und Entscheidung mit dem Willen und der Wahl des römischen Volkes übereinstimmen möchte und diese Tatsache euch und dem römischen Volke Frieden, Ruhe und ungestörte Eintracht bringe. Wenn das feierliche und durch die Zeichenschau des Konsuls geheiligte Gebet der Komitien die Kraft und Weihe enthält, wie die Hoheit unseres Staates sie erheischt: niemand anders als ich hat gebetet, dass dies auch den Männern, denen unter meiner Leitung die Konsulwürde verliehen worden ist, zu Glück, Heil und Segen ausschlagen möge. Da es so steht, ihr Richter, und da die Macht der unsterblichen Götter entweder ganz oder jedenfalls zum Teil auf euch übergegangen ist, empfiehlt derselbe Fürsprecher einen Konsul eurem Ermessen, der ihn zuvor den unsterblichen Göttern empfohlen hat: er soll, von desselben Mannes Stimme als Konsul ausgerufen und verteidigt, die Auszeichnung des römischen Volkes zu eurem und aller Bürger Heil behalten dürfen. Entnommen aus: Pro Murena, in: M. Tullius Cicero: Sämtliche Reden, eingeleitet, übersetzt und erläutert von Manfred Fuhrmann, Zürich, 1970, S. 297.

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ANHANG III

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Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Catilinarische_Verschw%C3%B6rung (Stand: 04.09.2007)

Catilinarische Verschwörung aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Catilinarische Verschwörung war ein Umsturzversuch des römischen Senators Lucius Sergius Catilina im Jahr 63 v. Chr., bei dem er versuchte, die Macht im Staat an sich zu reißen. Der Versuch misslang jedoch. Bekannt ist die Verschwörung besonders durch Ciceros Reden gegen Catilina sowie durch Sallusts historische Monographie De coniuratione Catilinae.

Cicero klagt Catilina an (Fresko von Cesare Maccari, 19. Jh.)

Der Verlauf der Verschwörung

Die Vorgeschichte

Die Vorgeschichte der Verschwörung begann aller Wahrscheinlichkeit nach im Jahr 66 v. Chr., als Catilina wegen eines anstehenden Repetundenprozesses nicht als Bewerber für das Konsulat des nächsten Jahres zugelassen wurde. Statt dessen wurden für 65 v. Chr. Publius Autronius Paetus und Publius Cornelius Sulla gewählt, die jedoch kurze Zeit später wegen ambitus angeklagt und verurteilt wurden, so dass sie durch zwei neue Konsuln, Lucius Aurelius Cotta und Lucius Manlius Torquatus, ersetzt werden mussten. Ihre Nachfolger im Amt waren gleichzeitig ihre Ankläger. Zum Ende des Jahres 66 v. Chr. bildete sich daraufhin angeblich eine Verschwörung mit dem Ziel, die Annullierung der Wahl rückgängig zu machen. Daran beteiligt sollen die beiden abgesetzten Konsuln Autronius Paetus und Cornelius Sulla gewesen sein sowie Gnaeus Calpurnius Piso, Gaius Cornelius Cethegus, Lucius Vargunteius und auch Catilina. In der Forschung gibt es jedoch auch Vermutungen, dass Crassus und Caesar die eigentlichen Drahtzieher waren. Insgesamt sind diese Vorgänge sehr undurchsichtig und lassen sich nach der Quellenlage kaum vollständig aufklären. Catilina, dessen Bedingung für eine Teilnahme vielleicht das Konsulat für 64 v. Chr. war, hat jedoch mit einiger Sicherheit nur eine beiläufige Rolle bei diesem Unternehmen gespielt, das schließlich im Sande verlief.

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Der erfolglose Kampf um das Konsulat

Wegen des immer noch schwebenden Verfahrens des Repetundenprozesses, der gegen ihn angestrengt worden war, konnte Catilina auch für das Jahr 64 v. Chr. nicht für das Konsulat kandidieren; dies war erst für 63 v.Chr. wieder möglich, wo er aber nach heftiger Agitation durch Cicero diesem und Gaius Antonius Hybrida unterlag. Catilina hatte die Hoffnung jedoch noch nicht aufgegeben und bewarb sich für das nächste Jahr erneut. Dass er jedoch in seinem Wahlkampf mit Reduktion der Zinsen auf geliehenes Geld und Rückzahlungserleichterungen für die Schuldner warb (tabulae novae), verletzte verständlicherweise die Interessen der Gläubiger. Diesen Umstand nutzte Cicero dazu, Catilina sozialrevolutionärer Umtriebe zu bezichtigen. Negativ wirkte sich wohl auch die Entgleisung im Senat aus, dass, wenn man seine Existenz in Brand stecken wolle, er nicht mit Wasser, sondern mit dem Einreißen des ganzen Baues das Feuer löschen werde. Als der Wahltag gekommen war, erschien Cicero, da er ein Attentat auf sich und den Ausbruch von Unruhen befürchtete, für alle sichtbar im Panzer und mit einer Schutztruppe aus Freunden und Klienten. Es geschah jedoch nichts; Catilina fiel, wie zu erwarten gewesen war, durch, und Lucius Licinius Murena und Decimus Iunius Silanus wurden für das nächste Jahr gewählt. Inwieweit Catilina bis zu diesem Zeitpunkt wirklich an die Anwendung von Gewalt dachte, ist nicht mehr zu eruieren. Mit der verlorenen Wahl aber lief ihm die Zeit davon, was in ihm wohl den Entschluß zu einem Staatsstreich reifen ließ. Dabei konnte er das latente Unruhepotential ausnutzen, das von den vielen sullanischen Veteranen, die größtenteils verschuldet waren, und den ehemaligen Landbesitzern ausging, die von Sulla enteignet worden waren. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte wirklich von einer Verschwörung gesprochen werden.

Der Beginn der Verschwörung

Gaius Manlius, der unter Sulla als Centurio gedient hatte, begann bald in Etrurien und Gallia citerior mit der Aushebung von Truppen. Zeitgleich sollte dasselbe in Picenum durch Gaius Septimius, in Apulien durch Gaius Iulius und in Kampanien durch Publius Sulla geschehen. Der Plan sah dann wohl vor, in Rom nach dem Zusammenziehen des Heeres Brände zu legen, um Verwirrung zu stiften, und die strategisch wichtigen Punkte in der Stadt zu besetzen. Da die Vorbereitungen jedoch noch einige Zeit in Anspruch nahmen, setzte man den Zeitpunkt der Erhebung auf den 27. Oktober fest; am 28. Oktober sollten in Rom schließlich alle mißliebigen Optimaten ermordet werden.

Die Aufdeckung der Putschvorbereitungen

Cicero war jedoch unterdessen von Fulvia, die dem Verschwörer Quintus Curius nahestand, von den Vorgängen einigermaßen in Kenntnis gesetzt worden, so dass er am 22. September den Senat bat, diesbezüglich einen Beschluß herbeizuführen. Der Senat beschied Ciceros Anliegen jedoch negativ mit der Begründung, die Nachrichten über die angeblichen Ereignisse seien zweifelhaft. Wegen der Sachlage verzichtete Cicero überdies auf die Zuteilung seiner prokonsularischen Provinz, um in Rom weiterhin präsent zu sein. Erst in der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober 63 v. Chr. gelangte Cicero schließlich in den Besitz von durchschlagenden Beweisen in Form von anonymen Briefen, die ihm von Marcus Crassus, Marcus Marcellus und Metellus Scipio übergeben worden waren und die eine Warnung vor Mordanschlägen auf einige hochrangige Politiker durch Catilina beinhalteten.

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Der Notstandsbeschluss

Cicero ließ daraufhin am nächsten Morgen den Senat zusammentreten und referierte über den Inhalt der Briefe und die weiteren ihm bekannten Details, zudem berichtete der Praetorier Quintus Arrius über Truppenbewegungen des Manlius in Etrurien. Der Senat beschloß daraufhin endlich den Notstand (senatus consultum ultimum) und setzte kurz darauf das decretum tumultus in Kraft, das die Bekämpfung entstehender Unruhen ermöglichte. Es wurden sofort Aushebungen angeordnet, die zuständigen Beamten und Promagistrate wurden angewiesen, ihre Truppen zu übernehmen, und alle italischen Landstädte wurden beauftragt, ihre Territorien zu sichern. Die für den 28. Oktober geplanten Mordanschläge durch die Catilinarier und die Besetzung von Praeneste am 1. November konnten in der Folge nicht stattfinden, die Erhebung des Manlius in Etrurien war jedoch am 27. Oktober planmäßig erfolgt.

Catilinas Umtriebe in Rom

Catilina, der sich in Rom immer noch sicher zu fühlen glaubte, sah sich unterdessen, wahrscheinlich zusammen mit Cornelius Cethegus, mit einer Anklage wegen politischer Gewaltverbrechen (lex Plautia de vi) konfrontiert, die von Aemilius Paulus angestrengt worden war. Catilina bot sich daraufhin, da er wohl glaubte, nichts befürchten zu müssen, dem Konsular Manius Aemilius Lepidus, dem Praetor Metellus Celer und sogar Cicero an, sie möchten ihn in freiwillige Privathaft nehmen. Nachdem diese alle abgelehnt hatten, fand sich schließlich ein gewisser Marcus Metellus, der jedoch seiner Bewachungsaufgabe nur unzureichend nachkam, so dass er später von Cicero ebenfalls der Teilnahme an den verschwörerischen Umtrieben bezichtigt wurde. Catilina gelang es nämlich, trotz dieser „Bewachung“, im Hause des Marcus Porcius Laeca in der Nacht vom 5. auf den 6. November eine Versammlung der Mitverschwörer abzuhalten, in der das weitere Vorgehen besprochen wurde. Lucius Vargunteius und Gaius Cornelius, ein Senator und ein Ritter, sollten sich am 7. November bei Cicero zum Morgenbesuch anmelden und diesen ermorden, um die Stadt in die Gewalt der Verschwörer zu bringen. Catilina selbst beabsichtigte, gleich nach Ciceros Ermordung zu Manlius aufzubrechen. Der Mordversuch schlug jedoch fehl, da Fulvia Cicero abermals eine Nachricht bezüglich der Pläne zukommen ließ.

Catilina muss die Stadt verlassen

Cicero berief am Morgen des 7. November den Senat unter starker Bewachung im Tempel des Iupiter Stator zu einer Sitzung ein, um die neue Sachlage darzulegen und den Senatoren endlich entschiedenere Beschlüsse abzuringen. Auch Catilina erschien zu der Sitzung, wahrscheinlich, um seine angebliche Unschuld demonstrativ zur Schau zu stellen und zu zeigen, daß er vor dem Prozess, den Aemilius Paulus gegen ihn angestrengt hatte, nichts zu befürchten habe. Catilina als Angehöriger des alten patrizischen Adels fühlte sich sicher und konnte zu diesem Zeitpunkt wohl immer noch auf die Stimmen vieler popularer Senatoren zählen, so dass er alle gegen ihn gerichteten Vorwürfe abstritt und sogar eine Entscheidung des Senats bezüglich seiner Person forderte; bei negativem Bescheid bot er an, ins Exil zu gehen. Obwohl Cicero Catilina mit dem senatus consultum ultimum drohte, hatte er dennoch keine unwiderlegbaren Beweise gegen ihn in der Hand und damit keine wirkungsvolle Handhabe, da das senatus consultum ultimum sich in erster Linie gegen den offenen Aufstand des Manlius richtete. Cicero versuchte daher, Catilina durch die scharfen Angriffe in seiner ersten Rede gegen Catilina sozusagen aus der Reserve zu locken und zu einem freiwilligen Verlassen der Stadt zu bewegen, was schließlich noch am selben Tage gelang.

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Die Problematik des Senatus Consultum Ultimum

Joseph Vogt schreibt zu dieser Problematik folgendes: „Diese Rede ist eine glänzende rhetorische Leistung, ein hervorragender taktischer Zug und zugleich ein einzigartiges Armutszeugnis der Regierung, die hier ohne es zu wissen und zu wollen, die Ohnmacht der res publica kundgetan hat. [...] So mußte der Konsul in der allgemeinen Angst um Zuständigkeit und Befugnis es darauf anlegen, Catilina zum offenen Aufruhr zu treiben und dem schwankenden Senat für eine spätere Stellungnahme vollendete Tatsachen zu schaffen.“ Vogt spricht hier schon die Problematik der rechtlichen Auslegung des senatus consultum ultimum an, die an späterer Stelle, nämlich bei der Debatte über die Hinrichtung der Catilinarier, weit stärker zum tragen kommen sollte. Catilina verließ jedenfalls noch vor dem Ende der Sitzung die Versammlung und brach auf in Richtung Faesulae, um mit Manlius zusammenzustoßen, streute jedoch das Gerücht, er werde ins Exil nach Massilia gehen. Am nächsten Morgen sprach Cicero vor dem Volk („Zweite Rede gegen Catilina“), um über den Stand der Dinge zu referieren und die Massen zu beruhigen.

Catilina wird zum Staatsfeind erklärt

Catilina, der, nachdem bekanntgeworden war, dass er bei seinem Auszug aus Rom die Insignien eines rechtmäßigen Konsuls angenommen hatte, Mitte November zusammen mit Manlius zum Staatsfeind (hostis) erklärt worden war, war zwar selbst nicht mehr in Rom, doch die Verschwörer, die er zurückgelassen hatte, befanden sich noch immer in der Stadt. Da gegen sie außer einem bloßem Verdacht nichts vorlag, stellten sie weiterhin eine latente Gefahr dar.

Im weiteren sahen die Maßnahmen der Regierung vor, dass Antonius Hibrida den Oberbefehl über das Heer übernehmen sollte, um gegen die Aufständischen außerhalb Roms vorzugehen, wohingegen Cicero in der Stadt für Ruhe sorgen sollte. Catilinas Anhänger schürten unterdessen die Unruhen in beiden Gallien, Picenum, Bruttium und Apulien; diese konnten jedoch durch die Regierungstruppen schnell eingedämmt werden. Catilina konnte zwar weiterhin großen Zulauf verzeichnen, lehnte aber die Aufnahme entflohener Sklaven ab. Da sein Heer zu großen Teilen nur unzureichend bewaffnet war, wich er einem offenen Kampf zunächst aus, um die Revolution in der Stadt selbst abzuwarten.

Die Verhaftung der Verschwörer in Rom

Die Pläne Catilinas wurden insofern durchkreuzt, als sich die Gesandtschaft der gallischen Allobroger mit der Information an den Konsul wandten, dass die Verschwörer sie um Mithilfe gebeten hätten. Cicero wandte daraufhin eine List an, um in den Besitz von unwiderlegbaren Beweisen zu kommen. Die Allobroger sollten von den Verschwörern eine schriftliche Bestätigung der Belohnungen erbitten, die sie für eine Teilnahme erhalten sollten. Die entsprechenden Schriftstücke wurden daraufhin tatsächlich ausgestellt und von den beiden Praetoren Lucius Valerius Flaccus und Gaius Pomptinus in der Nacht zum 3. Dezember auf der Milvischen Brücke abgefangen. Kurz darauf erfolgte die Verhaftung der Verschworenen Publius Gabinius Capito, Statilius, Cethegus, Lentulus und Marcus Caeparius. Cicero ließ am Morgen des 3. Dezember den Senat schnellstmöglich im Tempel der Concordia zusammentreten, um den Senatoren die Beweise vorzulegen. Um keine Zweifel aufkommen zu lassen, wurden die abgefangenen Briefe, in welchen die Verschwörer namentlich genannt wurden, erst im Senat und vor den Augen der Anwesenden geöffnet; gleichzeitig wurden die Sitzung und die Aussagen der Verhafteten von mehreren Senatoren protokolliert. Am Abend

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des gleichen Tages gab Cicero die Ergebnisse der Sitzung im Zuge seiner dritten Catilinarischen Rede in der Volksversammlung bekannt. Am nächsten Tag, dem 4. Dezember, fuhr der Senat mit den Beratungen fort. Während dieser Sitzung kamen schließlich Gerüchte auf, Crassus oder Caesar seien Hintermänner der Verschwörung; dies erwies sich jedoch offenbar als haltlos.

Die Debatte über die Hinrichtung der inhaftierten Verschwörer

Zeitgleich mit der Sitzung wurde bekannt, dass Klienten des Lentulus und des Cethegus versuchten, das Volk aufzuhetzen und die Inhaftierten zu befreien, woraufhin stärkere Sicherheitsmaßnahmen beschlossen wurden. Am 5. Dezember tagte der Senat erneut im Tempel der Concordia, um darüber zu beraten, was mit den Verschwörern zu geschehen habe. Cicero hatte zwar das senatus consultum ultimum in Händen; da er aber aufgrund der Gefahr eines Aufruhrs in der Stadt, der bei einer Befreiung der Anführer drohte, selbst die Todesstrafe als einzig wirksames Mittel erachtete, wollte er sich zuvor der Senatsmehrheit versichern, um später nicht wegen der unrechtmäßigen Hinrichtung römischer Bürger zur Verantwortung gezogen zu werden. Die Unsicherheit Ciceros zeigt sich auch darin, dass er die Reden dieser Sitzung mitschreiben ließ, um später alles dokumentieren zu können. Das Problem bestand nämlich darin, dass Cicero als Konsul zwar zur Bekämpfung dieses Aufstandes im Rahmen des Notstandsbeschlusses diktatorische Sondervollmachten besaß, die jedoch mit der Aussage der lex Sempronia de provocatione kollidierten. Dieses Gesetz ermöglichte jedem römischen Bürger bei drohender Todesstrafe die Provokation an das Volk und regelte die Verfolgung der zuwiderhandelnden Magistrate. Die Forschung ist sich bis heute uneins, wie weit die Vollmachten der Konsuln in diesem Fall gingen. Diese Uneinigkeit bezüglich der Auslegung des SCU, bei dem es sich nicht um ein kodifiziertes Staatsrecht, sondern um überkommenes Recht, also um einen mos maiorum, handelte, scheint auch in der Antike zwischen Popularen und Optimaten bestanden zu haben. Aus diesem Umstand ergeben sich auch die verschiedenen Standpunkte Caesars und Catos, in den uns überlieferten Senatsreden. Caesar forderte den Einzug des Vermögens der Verschwörer und eine lebenslange Gefängnisstrafe. Cicero hingegen argumentierte, dass ein Staatsfeind seine Bürgerrechte eingebüßt habe und damit einer sofortigen Hinrichtung nichts im Wege stünde. Cato fordert eine Hinrichtung der Verschwörer als Schwerverbrecher nach der Sitte der Vorfahren. Dass Cicero und Cato, die nicht daran interessiert waren, den Verschwörern eine Provokation an das Volk zu ermöglichen, die lex Sempronia de provocatione nicht ansprachen, leuchtet ein. Dass Caesar sich aber nicht auf sie beruft, deutet darauf hin, dass er die Position der Popularen in diesem Fall nicht völlig vertrat. Überdies bleibt zu bemerken, dass zwar durch Caesars Forderung einer Inhaftierung der Verschwörer später genügend Zeit geblieben wäre, um einen ordentlichen Prozess abzuhalten. Doch gegen genau diesen ordentlichen Prozess spricht auch Caesar sich aus. Wie Jürgen von Ungern-Sternberg feststellt, „ging es am 5. Dezember also nicht um ein Urteil und auch nicht um vorgesehene Strafen, sondern um möglichst Strenge Maßnahmen.“ Catos Rede gab jedenfalls den Ausschlag, und die Hinrichtung der gefangenen Catilinarier wurde beschlossen und noch am selben Abend vollzogen.

Der Endkampf

Catilina selbst begann durch die Lage in Rom Anhänger zu verlieren und wollte sich mit seinem Heer nach Gallien zurückziehen, um von dort aus weiter zu agieren. Er wurde jedoch bei Pistoria von zwei konsularischen Heeren gestellt, so dass er sich zum Angriff entschloß. Trotz des zähen Widerstandes der Catilinarier siegten die zahlenmäßig weit überlegenen Regierungstruppen; beide Heere mussten jedoch einen hohen Blutzoll entrichten.

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Literatur

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Anhang III – Teil 2

Rede Pro Catilina Erstelle ein Kurzplädoyer (max. 5 Minuten), in dem du Catilina gegen die unsäglichen Anschuldigungen Ciceros verteidigst! Beachte dabei die sprachliche Gestaltung einer Rede und verwende beispielweise Stilmittel! Bedenke die verschiedenen Teile einer Rede! In dem beigefügten Internetartikel über die Verschwörung kannst du dich nochmals über Ablauf und Umstände der Verschwörung informieren! Erwartungshorizont: Sprachlich:

• Nutzung von Stilmitteln - variierende Namensbezeichnungen (wertend) - Adjektive (wertend) - Appositionen (wertend) - Vergleiche (Nähe zum Sachverhalt)

Inhaltlich:

• Komplimente an Ankläger und Herabsetzung der eigenen Fähigkeiten („captatio benevolentiae“)

• Teilgeständnis der Schuld (gewisse Tatsachen zu oft bezeugt) - Eindruck der Ehrlichkeit z.B.: - Mordversuch an Konsuln - Beihilfe zur Klärung des Prozesses - Ausbeutung der Provinz - Untermauerung der eigenen Überzeugung Africa

• Umdrehung der Schuldfrage - Verteidigung, Verharmlosung, Verherrlichung der Taten Catilinas

- z. B.: Angriff des vermeintlich integren Anklägers Cicero Motive: - Neid auf Catilinas adlige Herkunft

- Neid, da Catilina sowohl Reiche wie Arme begeistert - Neid, da Catilina im Senat besser ankam als er selbst

- Marode Lage des Staates - Streit um Kompetenzen zw. Senat und Volksversammlung – politische

Lähmung - fehlende Umsetzung der Agrarreform – schwierige Lebenssituation für arme

Landbevölkerung - Viele Bürger lebten in Armut (Dürre, Krieg, Missernten) – da es kein soziales

Sicherheitsnetz gab, kam die verarmte Landbevölkerung in Scharen nach Rom, wo kostenlos Brot und Geld verteilt wurde.

Catilina – Streiter für die Armen

• Langsames Wenden des Gesamtbildes (Cicero und Catilina tauschen ihre Rollen)

Während die namhaften Politiker diskutieren und streiten, setzt sich Catilina als Fürsprecher der Armen ein, gibt ihnen Arbeit, gibt ihnen Essen und versucht das alte, marode Staatssystem aus seiner Lähmung herauszubringen und es auf kreative Weise uns zum Wohl für alle Bürger neu zu gestalten.