Die Macht der Worte: Placebo - docstrauss.info · Placebo – Compliance - Mortalität Coronary...
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Henry Knowles bemerkte, dass in Krankenhäusern im 2. Weltkrieg verwundete
Soldaten weniger Betäubungsmittel forderten, als Zivilisten (25-80 %).
Beecher fand 1955 bei 35 % der Schmerzpatienten einen positiven Placebo-Effekt.
Gegenstudien fanden „wenig – keinen“ Effekt – jedoch nicht bei Schmerzen.
Der therapeutische Kontext ist entscheidend; wird eine Infusion vom Computer
gesteuert, wirkt sie schlechter als vom Arzt gesteuerte Infusionen.
Hat der Patient Vertrauen, dann ist der Placebo-Effekt größer.
Schü2239
Placebo-Effekt
In klinischen Studien bei
Funktionellen Störungen > 40 %
Depression > 30 %
Bipolar > 30 %
Migräne > 25 %
Placebo effects on physical (ANS) but not on biochemical outcome
parameters (Messner et al. 2007)
Schü2281
Placebo – Compliance - Mortalität
Coronary Drug Project 1980 5-Year Mortality
Clofibrate 20 % Placebo 20,9 %
Adherers 15 % Adherers 15,0 %
Beta Blocker Heart Attack TRG 1984
Non-Adherers (< 75 %) 5,4 % 1 year mortality
Adherers (> 75 %) 2,2 % 1 year mortalityBetablocker (> 75 %) 1,4 % 1 year mortalityBetablocker (< 75 %) 4,2 % 1 year mortalityPlacebo (> 75 %) 3,0 % 1 year mortalityPlacebo (< 75 %) 7,0 % 1 year mortality
Schü2289
Ansprechen auf Verum / Placebo
• Spontane Verbesserung im klinischen Verlauf
• Klinischer Verlauf
• Erwartung
• Konditionierung (soziale Erfahrung)
• Compliance
Schü2294
spezifischer EffektRoutine-Behandlung Ergebnis
psychosoziale Effekte
Placebo psychosozialer Effekt Ergebnis
Verborgene Behandlung spezifischer EffektErgebnis
mit aktiver Substanz
Schü2292
Psychosozialer Kontext derBehandlung
Ergebnis
Individuelle Patient/ArztFaktoren
Krankheitskonzepte,Erwartungen, Leidensdruck,Erfahrungen
AktivespezifischeBehandlung
Ergebnis aufgrund derspezifischen undpsychosozialenTherapie-Bedingungen
Interkationen Patient-Arzt-Behandlungsrahmen
Arzt-Patient-Beziehungen(Kommunikation, Empathie,Hoffnung u.a.)Behandlungsrahmen (Ort, Artund Weise der Behandlung viaMedikament, Rituale, technischeEingriffe)
PlaceboErgebnis aufgrund derpsychosozialenTherapie-Bedingungen
Schü2290
STÖRUNGSSYSTEM MECHANISMEN REFERENCES
Schmerz
Parkinson‘scheErkrankung
Depression
Angst
Herz-Kreislauf
Immunsystem
Aktivierung von endogenenOpioiden
Aktivierung von Dopaminund Veränderung derNeuronenaktivität
Veränderung der elektrischenund metabolischen Aktivität
Veränderung der elektrischenund metabolischen Aktivität
Reduktion der ß-adrenergenAktivität
Konditionierung (u.a. IL-2,IFN-γ, Lymphozyten)
Levine et al 1978,Benedetti 2009
De la Fuente-Fernandez et al2001
Mayberg et al 2002
Petrovic et al 2005
Pollo et al 2003
Goebel et al 2002
Einige unterschiedliche Placebo-MechanismenSchü2291
Schmerzplacebo
Bei Patienten wurde die Blutzufuhr zur Hand gedrosselt und sie mussteneine Sprungfeder zusammendrücken→ nach 15 Minuten unerträgliche Schmerzen→ Injektion von Morphin → 23 Minuten Versuchsdauer→ Injektion von Placebo (Kochsalz) eine Woche später → 20 Minuten
Versuchsdauer→ Blockade der Opioid-Rezeptoren durch Opioid-Antagonisten lässt
diese Reaktion verschwinden
Price, FinnissBeneditti 2007
Schü1556
Placebo - 1
- Ärztliche Suggestion unterstützt Placebo-Wirkung„Dieses Mittel wirkt bei vielen Menschen sehr zuverlässig“
- Farbige Placebo sind weißen überlegen
- Spritzen wirken besser als Tabletten
- Je mehr es den Erwartungen entspricht – umso mehr Wirkung
- Ein Placebo ruft jene Symptome hervor, über die der Arzt aufgeklärt hat:„Das erhöht ihre Magenaktivität“ – in Folge kann man erhöhteMagenaktivität messen, hingegen keine HF- oder Hautleitfähigkeits-Änderung
- Nach Konditionierung des Verums Ersatz durch Placebo. Kaffe-Placeborufen bei Kaffee-Trinkern Kaffee-Wirkung hervor (physiologisch undpsychisch) Schü1328
Placebo - 2
- Ein verdecktes Morphin wirkt bei Schmerz schlechter als offenverabreichtes Morphin.
Schü1329
Placebo bei IBS Hyperalgesie / Schmerz
Lidocaine ↓ ↓ versus Placebo ↓
„Adding a verbal suggestion for pain relief can increase the magnitude
of placebo analgesia to that of an active agent.“
Vase et al. 2003
Schü2284
DOSIS
SchmerzpatientInnen erhielten Buprenorphin-Infusion nach Bedarf drei
Tage lang.
Gruppe 1 – natural history 11.5 mg
Gruppe 2 – Doppelblind Painkiller/Placebo 9.15 mg
Gruppe 3 – Potent Painkiller 7.65 mg
„Different verbal instructions about expectations produce different
effects …. significant reduction of opioid intake“
Pollo et al. 2001Schü2283
Placebo bei Parkinson-Krankheit
• Freiwillige Patienten erhielten die Instruktion, mit 25 - 50 - 75 oder100 % Wahrscheinlichkeit, das abgesetzte Levodopa zu erhaltenund kein Placebo – jedoch erhielten alle Placebo
• Patienten mit 75 % Wahrscheinlichkeit (höchste Erwartungshaltung)reagierten am deutlichsten mit Besserung, bei ihnen wurde diestärkste Dopamin-Freisetzung im Mittelhirn gemessen. Bei 100 %verbesserten sich weder die Symptome noch die Dopamin-Freisetzung.
Arch Gen Psychiatry 2010, 857-865Schü2050
Placebo
- Patienten mit Reizdarm
- Gruppe 1 Warteliste
- Gruppe 2 Ärzte kamen ins Zimmer und injizierten ohne viele Worteein Placebo
- Gruppe 3 Injektion eines Placebos begleitet von Ritualen ärztlicherZuwendung (Aufklärung, Aufmunterung, usf.)
Ergebnis: Beste und stärkste Linderung in Gruppe 3, am geringstenin Gruppe 1, jedoch einzelne Ärzte in Gruppe 2 erzieltenbei einzelnen Patienten in Gruppe 2 bessere Ergebnisseals in Gruppe 3
Kaptchuk et al. 2007Schü1555
Der Placeboeffekt wird beeinflusst vonAnzahlFarbeHäufigkeitArt der VerabreichungSettingSpritzen / chirurgische Eingriffe sind am wirksamsten
Alzheimer-Kranke (Degeneration des präfrontalen Cortex) sprechen wenigerauf Placebo an.
Plaebo-Wirkmechanismen
Erwartung „Sie werden ein hochwirksames Medikamentgegen ....... erhalten“
Konditionierung VorerfahrungenSchü1373
Placebos können je nach Gabe als
- Tranquilizer oder Stimulantien wirken (Kirsch 1997)
- unabhängig vom Effekt des aktiven Mittels können Suggestionenandere Wirkungen/Nebenwirkungen hervorrufen (Kaptchuck 2006)
- für 8 Wochen, 6 Monate, ja sogar 30 Monate anhalten
- können Entzugserscheinungen hervorrufen (Brody 1980)
Schü1375
Placebo-Effekt
ruht auf drei Elementen:
- Glaube und Erwartungen des Patienten
- Glaube und Erwartungen des Arztes
- Arzt-Patient Beziehung
Schü22
Postoperative Zahnschmerzen
Schmerzerhöhung Naloxon
Schmerzlinderung Fentanyl Gruppe A
kein Effekt Placebo
In Gruppe B erhielten die Ärzte die Anweisung, es gebe keine
Analgesie → Placebo-Effekt war in dieser Gruppe deutlich geringer.
Gracely 1985
Schü2285
Arzt-Patient-Beziehung und Placebo
Interpersonelle Kommunikationsfähigkeiten (Oh 1991)
Überzeugungskraft (Shapiro 1972)
Zeit, die für den Patienten aufgewandt wurde (Kaptchuk 2006)
Erwartungen und Haltungen des Arztes
Optimismus und Hoffnung des Arztes (Oraz 2005)
Schü1378
Placebo (Beschwerde gefallen)Positive symbolische Wirkung auf Vorstellungen,Erwartungen, Gefühle und Vorerfahrungen desPatienten
Nocebo (Ich werde schädigen)Negative symbolische Wirkung, negative Vorstellungenund Erwartungen werden mit der Therapie verbunden
Schü1374
In Indien wurde in den 1930er Jahren ein makabres Experiment aneinem zum Tod durch den Strang verurteilten Verbrecher zugelassen.Ein Arzt überzeugte den Gefangenen, dass Verbluten schmerzfreier unddaher angenehmer für ihn sei. Der Gefangene willigte ein, ließ sich ansein Bett fesseln und die Augen verbinden. Der Arzt hatteWasserbehälter vorbereitet, die er so an den Bettpfosten anbrachte,dass Wasser in Schüsseln auf dem Boden tropfte. Der Mediziner ritztedie Haut des Gefangenen an Händen und Füßen geringfügig ein, sodass er kaum verletzt wurde. Im selben Moment ließ der Arzt dasWasser tropfen.
Der Gefangene fühlte sich bald schwächer. Der Arzt stimmte einenmonotonen Singsang an. Als das Wasser in die Schüsseln getropft war,hatte der Arzt den Eindruck, dass der Gefangene in Ohnmacht gefallenwar, obwohl es sich um einen gesunden Mann handelte. Der Arzt irrte.Der Gefangene war gestorben, dabei hatte er kaum Blut verloren.
Schü2054
20
40
60
O O OO
OO offenes
Absetzen
verborgenesAbsetzen
0 4 8 StundenSTAI
Der Nocebo-Effekt konnte experimentell bei Schmerz, Parkinson und Angst nachgewiesen werden.Als Beispiel sei das offene („wir beenden Diazepam“) oder verborgene Absetzen von Diazepam beipostoperativen PatientInnen geschildert. Die Angst wurde mittels STAI-S alle 4 Stundengemessen.Auch das Absetzen einer Medikation bedarf folglich der gelungenen Arzt-Patient-Kommunikation!
Schü2278
Nebenwirkungen – Inform Consent-Nocebo
• Höhere Nebenwirkungen bei Trizyklischen Antidepressiva (TCA) > SSRI Anti-
depressiva
• Auch höhere Nebenwirkungen in der Placebo-Gruppe (TCA-Gruppe gegenüber
SSRI-Gruppe):
Mundtrockenheit TCA Placebo 19,2 % - Mundtrockenheit SSRI Placebo 6,4 %
Verstopfung TCA Placebo 10,7 % - Verstopfung SSRI Placebo 4,2 %
Müdigkeit TCA Placebo 17,3 % - Müdigkeit SSRI Placebo 5,6 %
• Aspirin versus Sulfinpyrazone bei unstabiler Angina pectoris: Die Aufnahme von
„gastrointestinalen Beschwerden“ in der Aufklärung führte zu einem sechsfachen
Anstieg von gastrointestinalen UAW und erhöhtem Studienabbruch.
• Studienabbruch bei Placebo-Statinen 4-20 %.Schü2293
Suggestion – Nocebo Effekt
„Nearly all healthy people experience itch“→ höheres Jucken, mehr Schmerz
Suggestion – Placebo Effekt
→ Rückgang des Juckens, weniger Schmerz„Nearly all healthy people do not experience itch anymore“
Van Laarhoven 2011
Schü2282
Individuelle Bedeutung von Diagnose und Therapie
Welche Bedeutung wird Diagnose/Therapie vom Patientenzugewiesen
Medikament = Heilung
= Gift
= etwas, das ihn abhängig macht
Abhängig von der Erwartung werden entsprechende
Botenstoffe im Gehirn aktiviert.
Schü2051
Wörterkönnen heilen und verletzen
Ärzte sollten niemals Unsicherheit und Schrecken vermitteln„Mit Ihnen geht‘s bergab ......“„Sie leben nur noch kurz .......“„Der Befund ist schrecklich .......“„Dieses Gefäß ist ein Witwenmacher .......“„Wenn ich an Ihr Röntgen denke .......“„Die nächste Herzattacke ist Ihre letzte .......“„Wenn Sie diese Untersuchung (Behandlung, Operation) nichtdurchführen lassen ......“
endlose Angst und Sorge beim Patienten
Reinhold Niebuhr: mean well, do ill and justify ill-doing by well-meaning
Dogmatische, grimmige Arztgespräche vermindern PatientennachfrageSchü17
Placebo - Nocebo
Diese experimentellen Ergebnisse untermauern die Bedeutung des
Placebo-(Nocebo-) Effekts in der ärztlichen Praxis, was M. Balint als
die „Droge Arzt“ benannte.
Schü2279
Auswirkungen effektiver Arzt-Patient-Kommunikation
- 21 Studien 1983-1993- 16 Studien zeigten verbesserte Behandlungsergebnisse: emotionale
Gesundheit, Leistungsfähigkeit, physiologische Outcomes (RR, BZu.a.)
- 4 Studien zeigten negative Ergebnisse,1 Studie weder/noch
Effektive Kommunikation bestand in• vollständiger Anamnese• Empathie und Unterstützung• klarer Information• SDM
Schü49
Elements of effective history taking
Element Patient outcomes affected
PhysicianAsks many questions about the patient‘sunderstanding of the problem, concerns andexpectations, and about his or her perceptionof the impact of the problemon function
Asks the patient about his or her feelings
Shows support and empathy
PatientExpresses himself or herself fully, especiallywith regard to conveying feelings, opinionsand information
Perceives that a full discussion of the problemhas taken place
Patient anxiety and symptom resolution
Psychologic distress
Psychologic distress and symptomresolution
Role limitation and physical limitation;health status, functional status and bloodpressure
Symptom resolution
Schü2287
Elements of effective discussion of the management plan
Element Patient outcomes affected
Patient is encouraged to ask morequestions
Patient is successful at obtaining information
Patient is provided with information programsand packages
Physician gives clear information along withemotional support
Physician is willing to share decision making
Physician and patient agree about the natureof the problem and the need for follow-up
Anxiety, role limitation and physicallimitation
Functional and physiologic status
Pain, function, mood and anxiety
Psychologic distress, symptom resolution,blood pressure
Patient anxiety
Problem and symptom resolution
Schü2288
Mehr Matsch
Der durchschnittliche Radius, in dem Kinder sich auf eigene Faustbewegen dürfen, ist in den letzten hundert Jahren dramatischgeschrumpft: von geschätzten zehn Kilometern in den 1920ern auf kaummehr als 200 Meter (in den meisten Fällen ungefähr die Länge dereigenen Wohnstraße, sofern man denn in einer solchen wohnt). 1990trieben sich fast drei Viertel aller Kinder zwischen sechs und 13 Jahrentäglich im Freien herum, 2003 waren es bereits weniger als die Hälfte.
Großbritannien: Mehr als 50 Prozent der britischen Sieben- bisZwölfjährigen ist es verboten, alleine oder nur mit Freunden im Park umdie Ecke zu spielen oder auf einen Baum zu klettern.
Ein Viertklässler bringt es auf den Punkt: „Ich spiele lieber drinnen, wodie Steckdosen sind.“
Andreas Weber 2011Schü2286