Die Härte des Systems

download Die Härte des Systems

of 3

Transcript of Die Härte des Systems

  • 8/6/2019 Die Hrte des Systems

    1/3

  • 8/6/2019 Die Hrte des Systems

    2/3

    Handy-Daten erhoben. In dem bislangvergeblichen Versuch, einen 2009 vermut-lich von Linksextremen verbten Brand-anschlag auf eine Bundeswehrkaserne inDresden aufzuklren, sammelten sie so-gar 1,1 Millionen Datenstze.

    In Sachsen herrsche bestenfalls eineHalb-Demokratie, kritisiert Antje Her-menau, die grne Oppositionschefin imDresdner Landtag. Die Regierung pflegeein verqueres Verhltnis zu den Br-gern. Sie glaube, der Staat msse vor denMenschen geschtzt werden.

    Dass dabei regelmig gegen denGrundsatz der Verhltnismigkeit ver-stoen wird, nimmt die Regierung offen-bar in Kauf. So rckten im Februar Elite-polizisten bei Einbruch der Dunkelheitim Haus der Begegnung im NordenDresdens an. Mit einer Kettensge ver-schafften sie sich Zutritt zu dem Gebude.120 Beamte durchsuchten die Rume ei-nes Jugendvereins, eines Rechtsanwalts,von Politikern der Linkspartei. Sie nah-

    men etwa ein Dutzend Personen fest, be-schlagnahmten Computer und Handys.Der Durchsuchungsbefehl klang ful -

    minant. Die Polizei ermittle gegen einekriminelle Vereinigung, Paragraf 129Strafgesetzbuch. Mitglieder eines linkenSchlgertrupps ntzten das Haus, umStraftaten zu koordinieren. Am Endewirkte der Einsatz, als wollte der StaatMenschenhndler, Autoschieber und Isla -misten auf einmal bezwingen.

    Der offenkundige Anlass fr den Zu-griff war dann doch schlichter. Anti-Nazi-Demonstranten hatten Steine gegen Rei-sebusse geworfen, in denen Rechte zu einem Aufmarsch nach Dresden gereistwaren. Zwar sa in den Bussen whrenddes Angriffs niemand auer den unver-sehrt gebliebenen Fahrern, doch der Vor-fall gengte der Staatsanwaltschaft offen-bar, die Razzia anzuordnen. Die Tterhtten mgliche Verletzungen der Fahrerin Kauf genommen, so die Begrndungder Justiz.

    Die Staatsanwaltschaft behauptet, dieVerdchtigen knnten noch weitere Straf-

    taten begangen haben, will aber nicht sa-gen, welche.

    Mit aberwitzigem Aufwand verfolgendie schsischen Behrden knapp zweiDutzend Verdchtige, die die Polizei in-tern als Antifa-Sportgruppe bezeichnetund die sie fr wiederholte Angriffe auf Rechtsextreme in Sachsen verantwortlichmacht. Doch trotz abgehrter Telefone,Hausdurchsuchungen und DNA-Testswurde bislang gegen keinen der Beschul-digten Anklage erhoben.

    Die angebliche Bedrohung durch linkeSchlger scheint im Freistaat zum Frei-brief geworden zu sein, smtliche Vor-ste der Polizei zu rechtfertigen. DieGrne Hermenau glaubt, hier werde ver-sucht, die Bundesrepublik von vor 1968wiederaufleben zu lassen.

    So ist auch die Handy-Affre Teil einesKleinkriegs schsischer Polizisten undStaatsanwlte, die um ihre Ehre kmpfen.In all den Jahren, in denen jeweils imFebruar rechte und linke Gruppen am

    Jahrestag der Dresdner Bombennachtaufeinandertrafen, sahen die zum Schutzder rechtsextremen Demonstranten ausdem gesamten Bundesgebiet abgeordne-ten Polizeieinheiten schlecht aus. DasKatz-und-Maus-Spiel gewannen Linkeund aufgebrachte Brger, die rechte Auf-mrsche in der Stadt nicht dulden moch-ten. Die Stimmung bei Polizei und Straf-verfolgern wurde zunehmend gereizt, zu-mal die ffentliche Meinung stets gegensie war. Die Ermittlungen gegen die omi-nse kriminelle Vereinigung sollte endlichEntlastung bringen.

    2009 hatten Autonome in Dresden eineGruppe Rechtsradikaler verprgelt, vondenen sie mit Flaschen beworfen wordenwaren. Fnf Monate spter verletzten lin-ke Schlger einen Rechtsextremen schwer.Die Polizei vermutet, dass es sich nichtum die Taten Einzelner gehandelt hat, son-dern um die einer organisierten Bande.

    Anhaltspunkte fr den Verdacht scheintes kaum zu geben. In den Akten heit esnur, die Angreifer seien gezielt und ko-ordiniert vorgegangen. Dennoch erffne-

    te die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungs-verfahren nach Paragraf 129. Schwerere

    juristische Geschtze lassen sich kaumauffahren. Wird Paragraf 129 bemht, ha-ben die Ermittler freie Bahn, und dieGrundrechte mssen sich kleiner machen.Die Existenz einer kriminellen Vereini-gung zu beschwren sei eine Verlockungfr die Fahnder, glaubt Ulrich Stein, Straf-rechtsprofessor an der Universitt Mns-ter. Sie bekmen dadurch Mittel in dieHand, die ihnen andernfalls verwehrtblieben.

    Manche Linke werden verfolgt, weilsie in einem Bus zu einer Demonstrationgereist sind, in dem die Fahnder spterPfefferspraydosen fanden. Andere, weilsie am Telefon von Verdchtigen nach ei-ner leeren Videokassette gefragt wurden.

    Doch wenn es darum geht, echte odervermeintliche Gegner zu bekmpfen, darf

    3 1 / 2 0 1 126

    Hausdurchsuchung bei Ex-Minister Schommer

    Protest gegen Nazi-Demo in Dresden: Offenba

    Deutschland

    Rotlichtaffre Sachsensumpf S V E N D O E R I N G / A G E N T U R F O C U S / D E R S P I E G E L

    Regierungskritiker Nolle O V E L A N D G R A F / D R E S D N E R M O R G E N P O S T

    J R G T E R V E H N / L E I P Z I G E R V O L K S Z E I T U N G

    Affren-Land Sachsen: Eklatante Flle staatlichen Machtmissbrauchs und polizeilicher Willkr

  • 8/6/2019 Die Hrte des Systems

    3/3

    niemand in Sachsen mit rechtsstaatlicherZurckhaltung rechnen. Wer nicht mitspieltim konservativen Freistaats-Theater, demdroht die ganze Hrte des Systems. Das istinzwischen offenbar Tradition in dem nachwie vor jungen Bundesland. Mal trifft esmutmaliche linke Randalierer, mal reni-tente Oppositionspolitiker, von denen sichdie Regierung herausgefordert fhlt.

    Einen Mann wie Karl Nolle zum Bei-spiel. Der Sozialdemokrat war einer derentschiedensten Kritiker der dauerregie-renden CDU-Truppe. Er sorgte einst mitdafr, dass Kurt Biedenkopf als Minister-prsident zurcktreten musste, er triebden jetzigen Regierungschef Stanislaw Til-lich vor sich her.

    In Biedenkopfs Rcktrittsjahr 2002 hat-te der Druckerei-Unternehmer Besuchvom Steuerfahnder. Als er kam, erinnertsich Nolle, habe er erklrt, die Knigs-treuen htten ihn geschickt. 2007 kamensie erneut. Nolles Anwalt hielt die Ermitt-lungen zwar fr einen Akt der Willkr,doch der SPD-Landtagsabgeordnete ver-stummte bald mit seiner Kritik am Geba-ren der CDU-dominierten Landesregie-rung. Auftrge brachen weg, 18 Monatelebte der Politiker mit den Vorwrfen,mglicherweise ein Betrger zu sein.

    Dann wurde das Verfahren gegen eineGeldauflage von 7000 Euro eingestellt zahlbar zugunsten der Ausstzigenhilfe.Die Druckerei berlebte die Aktionknapp. Nolle musste die Geschftsfh-rung abgeben, ist ein gebrochener Mann.

    Und er ist kein Einzelfall. Als 2007 imLandesamt fr Verfassungsschutz Aktenber angebliche Verwicklungen ranghoher

    Juristen und Politiker mit der organisier-

    ten Kriminalitt auftauchten (Sachsen-sumpf), war die Ruhe im Land nur kurzin Gefahr. Die Papiere hatten vernichtetwerden sollen, jetzt ging das nicht mehr.

    Man musste also ermitteln, doch raschlag ein Ergebnis vor, das die politischeKlasse des Landes erfreut haben drfte:Der Dienst habe alte, unbewiesene Ge-schichten wie einen Teebeutel immer wie-der aufgekocht.

    Umgehend ging die Obrigkeit zum Ge-genangriff ber. Ermittelte gegen Verfas-sungsschtzer, gegen Journalisten, gegenZeugen. Die Ermittler erstellten das Be-wegungsprofil eines verdchtigen Verfas-sungsschtzers, werteten Handy- undComputerdaten aus. Externe Spezialistenwurden aufgefordert, nach Verbindungenzu einem Journalisten und zwei Landtags-abgeordneten der Linken zu suchen, diedurch ihre parlamentarische Immunittgeschtzt waren.

    Als die Affre hochkochte, besuchteder Anwalt einer ebenfalls verfolgten Ver-fassungsschtzerin seine Mandantin imKrankenhaus. Zurck in seinem Auto,steckte er sein Mobiltelefon in die Halte-rung. Pltzlich fing der Apparat, dergleichzeitig als Navi diente, an zu spre-chen. Das Gert!, habe eine aufgeregteStimme getnt. Dann Tumult, dann Ruhe.Wer hatte sich da eingeklinkt?

    Oder der Fall des ehemaligen Wirt-schaftsministers Kajo Schommer. Fnf Jahre ermittelten die Sachsen wegen Ver-dachts der Bestechlichkeit, Untreue undfalscher uneidlicher Aussage gegen denEx-Minister.

    Unter anderem ging es um den Vor-

    wurf, Schommer habe beim Verkauf ei-

    nes staatlichen Unternehmens zustzlicheFrdermittel angewiesen, mit denen sp-ter eine Imagekampagne der CDU-Lan-desregierung finanziert worden sei. Eskam noch zu einer Anklage, doch da er-lag Schommer einem Krebsleiden. ImCharterflieger reiste MinisterprsidentGeorg Milbradt zur Trauermesse nachKln. Die Staatskasse kam fr die Ver-fahrenskosten auf, die Geschichte wurdenie richtig aufgeklrt.

    Einem ermittelnden Staatsanwalt undeinem Journalisten aber wurde ihr Inter -esse fr den Minister zum Verhngnis.Schommer wurde bei einer Hausdurch-suchung im Schlafanzug von einem war-tenden Journalisten fotografiert. Dasreichte fr eine Handy-Abfrage des Jour-nalisten aus. Die Mobildaten wurden auf-gelistet, die Kontakte ausgewertet, umeine undichte Stelle im eigenen Apparatzu finden. Die Konten des verdchtigenStaatsanwalts wurden gefilzt und seineTelefondaten ausspioniert.

    Es war der CDU-Patriarch Kurt Bie-denkopf, der in den neunziger Jahren vor-lebte, wie dehnbar der Rechtsbegriff dochist. Immer wieder hatte er sich fr ein Im-mobilienprojekt seines Klner Unterneh-mer-Freundes Heinz Barth in Leipzigstark gemacht. Der Rechnungshof mo-nierte, Barth vermiete dem Freistaat 4700Quadratmeter, die das Land gar nichtbrauche. Schaden whrend der 25-jhri-gen Laufzeit: 30 Millionen Mark. Es gabBriefe an den lieben Kurt-Hans, beiBarth-Projekten Deinen Einfluss geltendzu machen. Am Ende beerdigte der Ge-neralstaatsanwalt den Fall gegen denWiderstand von Kriminalisten und Staats-anwlten. Ein Vorsatz sei nicht belegt.

    Beim einstigen schsischen Kandidatenfr das Amt des Bundesprsidenten undEx-Justizminister Steffen Heitmann(CDU) war es hnlich. Heitmann zhltzum Revolutionsadel, 1989 war er juristi-scher Berater der Dresdner Opposition.Er stoppte als Minister Ermittlungen we-gen des Verdachts der Strafvereitelunggegen den ehemaligen Kabinettskollegenund Parteifreund Heinz Eggert.

    Heitmann wurde erst aus dem Verkehrgezogen, als er sich auch noch ber einanderes Verfahren laufend berichten lieund die Informationen an einen Partei-freund im Landtag weitergab. Der Prsi-dent des Dresdner Verwaltungsgerichtsklagte im Zuge des Skandals: Ich kennekein anderes Bundesland, in dem das Jus-tizministerium so offen Einfluss auf dieVerwaltungsgerichte nimmt.

    Doch Sachsen wre nicht Sachsen, wennnicht auch diese Geschichte ein Nachspielgehabt htte. Zwar trat Heitmann zurck,doch dann traf es den Datenschutzbeauf-tragten, der die Affre aufgedeckt hatte.Er wurde schsische Verhltnisse eben mit einem Verfahren berzogen.

    M P , S W

    3 1 / 2 0 1 1 27

    H E N D R I K S

    C H M I D T / P I C T U R E A L L I A N C E / D P A

    elten im Sdosten auch zwei Jahrzehnte nach dem Untergang der DDR eigene Regeln