Die betreuungssituation von Unbegleiteten minderjährigen ... · bezeichnet, welche die Merkmale...
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Bachelorstudiengang Soziale Arbeit
Wintersemester 2015/2016
Sozialpädagogische Unterstützungsmöglichkeiten für
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
mit traumatischen Erfahrungen in Deutschland und Spanien.
Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Arts
Von: Kathrin Väth
Abgabedatum: 30.11.2015
Vorgelegt bei: Prof. Dr. Ralf Bohrhardt
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ........................................................................................................................................... 3
1.Politische und rechtliche Rahmenbedingungen für umF......................................................... 5
1.1 Begriffsdefinition „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ .................................................. 5
1.2 Internationale Schutzabkommen und europäische Rechtsgrundlagen ............................. 7
1.2.1 UN-Kinderrechtskonvention (KRK) ...................................................................................... 7
1.2.2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ................................................................................... 9
1.3 Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland ............................................................... 12
1.4 Gesetzliche Rahmenbedingungen in Spanien .................................................................... 17
2.Hintergrundinformationen und soziodemographische Aspekte bezüglich umF ................ 19
2.1 Fluchtgründe ............................................................................................................................. 19
2.2 Flüchtlingsrouten ...................................................................................................................... 21
2.3 Aktuelle Zahlen und Hauptherkunftsländer in Deutschland und Spanien ....................... 25
2.3.1 Situation in Deutschland ...................................................................................................... 25
2.3.2 Situation in Spanien ............................................................................................................. 27
2.4 Zwischenergebnisse ................................................................................................................ 28
3.Zwangsmigration, Flucht und Trauma...................................................................................... 29
3.1 Definition des Begriffes „Trauma“ und seiner Entstehung ................................................ 29
3.2Sequentielle Traumatisierung.................................................................................................. 32
4.Sozialpädagogische Unterstützungsmöglichkeiten im Umgang mit traumatisierten umF in der Jugendhilfe ................................................................................................................................ 33
4.1 Darbietung eines sicheren Ortes ........................................................................................... 34
4.2 Ermöglichung von positiven Beziehungserfahrungen ........................................................ 36
4.3 Hilfestellung bei alltäglichen Angelegenheiten .................................................................... 37
4.4 Ressourcenorientierung .......................................................................................................... 39
4.5 Interdisziplinäre Vernetzung und Kooperation .................................................................... 40
5.Empirische Untersuchung .......................................................................................................... 42
5.1 Methodisches Vorgehen ......................................................................................................... 43
5.1.1 Erstellung des Interviewleitfadens...................................................................................... 43
5.1.2 Auswahl der Experten .......................................................................................................... 44
5.1.3 Dokumentation des Experteninterviews ............................................................................ 44
5.1.4 Auswertung ............................................................................................................................ 45
5.2. Darstellung der Ergebnisse ................................................................................................... 46
5.3 Diskussion der Ergebnisse ..................................................................................................... 53
Fazit .................................................................................................................................................. 54
Abkürzungsverzeichnis .................................................................................................................. 57
Literaturverzeichnis ........................................................................................................................ 58
Abbildungsverzeichnis ................................................................................................................... 65
3
Einleitung
Die Arbeit mit „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“1 (umF) ist noch ein neues
Aufgabenfeld das erst seit einigen Jahren einen eigenen Arbeitsbereich in der Sozialen
Arbeit darstellt. Gerade in den letzten Jahren ist die Zahl der Flüchtlinge weltweit rasant
angestiegen. Waren 2011 noch 42.5 Millionen Personen auf der Flucht, stieg innerhalb
von drei Jahren die Zahl der Flüchtlinge auf rund 40 Prozent mit 59.5 Millionen
Flüchtlinge bis Ende des Jahres 2014 (UNHCR 2015a: 5). Da in vielen Teilen der Welt
die Krisenherde andauern, suchen viele Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren
Osten sowie Afrika Zuflucht in Europa. Unter den Flüchtlingen befinden sich auch viele
umF. So stieg die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen, die in der EU einen
Asylantrag gestellt haben, auf nahezu das Doppelte an: von 11.700 in 2011 auf 22.900
in 2014 (Parussel 2015:32). Viele der umF leiden unter einer Traumatisierung, da sie
in ihren Heimatländern und auf der Flucht traumatisierenden Erlebnissen ausgesetzt
waren. Hinzu kommen die Schwierigkeiten, mit denen sie im Aufnahmeland
konfrontiert sind, sowie ihre Minderjährigkeit und die Trennung von ihren Eltern,
welche zusätzliche Vulnerabilitätsfaktoren darstellen. Das Zusammenspiel dieser
verschiedenen Faktoren bei der Entstehung von Trauma und anderen psychischen
Problemen hebt auch die Agentur der Europäischen Union für Menschenrechte hervor:
“Separated, asylum-seeking children are likely to suffer from post-traumatic stress disorders,
depression or other psychological problems due to their experiences in their country of origin
or during their journey, as well as to the difficulties they face in adapting to their new situation
in the receiving country.” (FRA 2010: 33)
Dabei spielt die Soziale Arbeit in Bezug auf die traumatischen Erfahrungen der umF
Arbeit eine entscheidende Rolle. Dies wurde durch die Entwicklung des Konzeptes der
sequentiellen Traumatisierung von Hans Keilson deutlich, der in einer
Längsschnittstudie mit jüdischen Kriegswaisen herausfand, dass die Phase nach der
direkten Verfolgung entscheidend für die Unterbrechung der Traumatisierungskette ist
(vgl. Keilson 2002). Bezogen auf die Situation der umF bedeutet dies, dass eine
adäquate Betreuung in der Jugendhilfe viel zur Beendigung einer Traumatisierung
beitragen kann. Aus diesem Grund beschäftigt sich diese Arbeit mit der Fragestellung
welche Unterstützungsmöglichkeiten die Soziale Arbeit für umF mit traumatischen
1 In dieser Arbeit verwende ich für den Begriff „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ die Abkürzung „umF“. Zur Begriffsdefinition siehe 1.1.
4
Erlebnissen hat. Dabei soll ein Vergleich zwischen den Ländern Deutschland und
Spanien hergestellt werden, um mögliche Unterschiede in der Herangehensweise im
spezifischen Aufgabenfeld der Jugendhilfe mit umF zu analysieren.
Zu Beginn dieser Arbeit werden die politischen Rahmenbedingungen bezüglich umF
beleuchtet. Nachdem die Begriffsdefinition von umF dargelegt wurde, geschieht eine
Auseinandersetzung mit der Rechtslage auf internationaler und europäischer Ebene,
da diese Auswirkungen auf nationale Gesetzgebungen haben. Anschließend werden
die wichtigsten deutschen und spanischen Gesetze bezüglich umF aufgezeigt.
Im zweiten Kapitel werden Hintergrundinformationen wie Fluchtrouten und
Fluchtgründe, sowie soziodemographische Aspekte bezüglich der aktuellen Zahlen
und Hauptherkunftsländer von umF in Deutschland und Spanien dargelegt.
In Kapitel 3 wird zunächst der Begriff des Traumas definiert und seine Entstehung
aufgezeigt. Im Anschluss wird das Konzept der sequentiellen Traumatisierung von
Hans Keilson erläutert.
Daraus folgend werden in Kapitel 4 die sozialpädagogischen
Unterstützungsmöglichkeiten für umF mit traumatischen Erfahrungen in der
Jugendhilfe aufgezeigt, die sich in fünf Unterpunkte gliedern. Diese liefern wichtige
Erkenntnisse darüber, wie in der Jugendhilfe durch sozialpädagogische Maßnahmen
eine Fortsetzung der Traumatisierung verhindert werden kann.
In Kapitel 5 wird die Durchführung des Experteninterviews in Deutschland erläutert,
um Einblick aus der Praxis zu erhalten. Hierzu war eigentlich geplant jeweils ein
Interview mit einer Fachkraft in Deutschland und Spanien zu führen. Dies stellte sich
für Spanien jedoch als nicht umsetzbar heraus, da kein/e passende/r
InterviewpartnerIn gefunden werden konnte.
Um die Erkenntnisse dieser Arbeit exemplarisch darzustellen, wurde die Geschichte
von zwei Jugendlichen kreiert, von John der Deutschland erreicht und Emmanuel der
in Spanien ankommt. Diese tauchen ab Kapitel 2 auf und sollen so den theoretischen
Erkenntnissen ein Gesicht geben.
5
1. Politische und rechtliche Rahmenbedingungen für umF
In der Betreuung von umF befinden sich SozialarbeiterInnen in einem Spannungsfeld
zwischen der Orientierung am Kindeswohl und den ausländerrechtlichen Regelungen
der Flüchtlingspolitik. Hier muss sich das Handeln von SozialarbeiterInnen an den
aktuellen gesetzlichen Bestimmungen orientieren. Daher ist es wichtig, zu Beginn die
rechtliche und politische Lage von umF aufzuzeigen. Dabei werde ich zuerst die
verschiedenen Definitionen bezüglich dieser Personengruppe näher beleuchten, um
anschließend internationale sowie europäische Richtlinien und Übereinkommen, die
dem Schutz von umF dienen, zu betrachten. Im nächsten Schritt werden die
wichtigsten nationalen Gesetzgebungen von Deutschland und Spanien, die umF
betreffen, erläutert.
1.1 Begriffsdefinition „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ Bei der Bezeichnung „unbegleitete minderjährige Flüchtlingen“ gibt es verschiedene
Definitionen, die im Sprachgebrauch unterschiedlich benutzt werden. Während in
Deutschland in den Fachdiskussionen und in der Sozialen Arbeit der Begriff
„unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ mit der Abkürzung „umF“ hauptsächlich
vorzufinden ist (Hargasser 2014: 49), wird auf der europäischen Ebene häufig von
„seperated children“ geredet, z.B. im „Seperated Children in Europe Programme
(SCEP), einem Zusammenschluss von Mitgliedern der International Save the Children
Alliance in Europa und dem UNHCR, die sich für die Rechte von unbegleiteten Kindern
stark machen (SCEP/ B-UMF: 2006: 11).
Dagegen wird im neuen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der Anfang 2016 in Kraft
treten soll, von „unbegleiteten ausländischen Minderjährigen (vgl. BMFSFJ 2015),
sowie in der spanischen Gesetzgebung von „Menores extranjeros no acompañados2“
gesprochen (vgl. Ministero de Interior 2013a). Um ein allgemeines Verständnis
vorauszusetzen, ist es wichtig, die unterschiedlichen Bezeichnungen näher zu
erläutern. Den verschiedenen Definitionen ist gemeinsam, dass sie alle von Kindern
bzw. Minderjährigen sprechen.
2Die deutsche Übersetzung bedeutet “unbegleitete minderjährige Ausländer“ (Übers. d. Verf., K.V.)
6
In der UN-Kinderrechtskonvention heißt es in Artikel 1 dazu:
„Im Sinne dieses Übereinkommens ist ein Kind jeder Mensch, der das achtzehnte Lebensjahr
noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht
nicht früher eintritt.“ (Art. 1 UN-KRK)
Auch im §2 des BGB tritt erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres die Volljährigkeit
ein, sowie im § 7 des SGB VIII, in der jeder als Kind der unter 14 Jahren bzw. als
Jugendlicher der unter 18 Jahren alt ist, bezeichnet wird. In der spanischen Verfassung
wird ebenfalls in Art. 12 festgelegt, dass ein Minderjähriger unter 18 Jahren ist:
„Spanier sind volljährig mit achtzehn Jahren“ (Art. 12 CE, Übers. d. Verf., K.V)3.
In der Allgemeinen Bemerkung Nr. 6 des Ausschusses des Rechtes des Kindes
werden unbegleitete Kinder wie folgt definiert:
“Unaccompanied children” (also called unaccompanied minors) are children, as defined in
article 1 of the Convention, who have been separated from both parents and other relatives and
are not being cared for by an adult who, by law or custom, is responsible for doing so.” (UN
2005:6)
Der Unterschied zu “getrennten Kindern” wird beschrieben, indem zwar, wie in der
oben genannten Definition die Kinder von ihren Eltern oder anderen Sorgeberechtigten
getrennt sind, es aber möglich ist, dass sie von Verwandten begleitet werden, die
allerdings keine Sorgeberechtigung für sie haben. Aus diesem Grund wird in den
Dokumenten des SCEP der Begriff des „getrennten Kindes“ bevorzugt, da es den
Fokus darauf legt, dass die Kinder ohne den Schutz eines Sorgeberechtigten im
Aufnahmeland ankommen. Außerdem beziehen sich diese Definitionen auf diejenigen
Kinder, die sich außerhalb ihres Herkunftslandes aufhalten oder im Falle von
Staatenlosigkeit, auf das Land, wo sie sich gewohnheitsmäßig aufgehalten haben
(ebd.).
Bei dem Begriff „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ wie er im deutschen
Sprachraum sehr geläufig ist, kommt als zusätzliches Wort das des Flüchtlings hinzu.
Dabei wird selbiges in der deutschen Sprache sehr unterschiedlich interpretiert. Im
juristischen Sinn werden nur all diejenigen als Flüchtlinge bzw. als Asylberechtigte
bezeichnet, welche die Merkmale der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) bzw. des
Artikels 16a des Grundgesetzes erfüllen. Stellt eine Person, die in ein anderes Land
3 „Los españoles son mayores de edad a los dieciocho años“ (Art. 12 CE)
7
flüchtet, einen Antrag auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaften z.B. nach der
GFK, wird er/sie während der Zeit der Überprüfung seines/ihres Asylantrags als
AsylbewerberIn bezeichnet (vgl. Tiedemann 2015: 108)
Nun befinden sich aber unter den minderjährigen Kindern, die alleine nach
Deutschland kommen, auch jene, die keinen Asylantrag stellen. Dies ist z.B. der Fall,
wenn ihr Herkunftsland als sicheres Drittland gilt oder sie aufgrund von Armut geflohen
sind, und aus diesem Grund kaum Aussicht auf eine Anerkennung als Flüchtling Diese
Kinder und Jugendlichen fallen trotzdem erst einmal unter den Schutz der Jugendhilfe
und benötigen dieselben Schutzmaßnahmen wie Minderjährige, die einen Asylantrag
stellen.
Aus diesem Grund werde ich in der vorliegenden Arbeit den Begriff des umF
verwenden, da er neben den oben genannten Kriterien, vor allem die Flucht, als Grund
ihres Aufenthalts im Ausland in den Fokus nimmt. Außerdem verweist der Begriff des
Flüchtlings auf die besondere Schutzbedürftigkeit von Kindern, die ihre Heimat
verlassen haben. Die Bezeichnung des Begriffes Flüchtling verwende ich dabei in
dieser Arbeit nicht im engeren juristischen Sinn. Er soll für alle Kinder stehen, die ihre
Heimatländer aus unterschiedlichen Gründen verlassen haben, um in einem anderen
Land Schutz und die Sicherstellung ihrer Grundbedürfnisse zu suchen und die ohne
die Fürsorge eines Erziehungsberechtigten oder Verwandten hierhergekommen sind.
1.2 Internationale Schutzabkommen und europäische Rechtsgrundlagen
Die internationalen und europäischen Rechtsgrundlagen bieten im Bereich der
Flüchtlingspolitik wichtige Grundlagen und Orientierungshilfen in der Arbeit mit umF.
Außerdem sind sie ausschlaggebend für nationale Gesetzgebungen. Dabei sind die
folgenden Ausführungen aufgrund der inhaltlichen Fülle nicht allumfassend. Diese alle
darzulegen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Im Folgenden wird daher nur
auf die zentralsten Abkommen und Rechtsvorschriften eingegangen.
1.2.1 UN-Kinderrechtskonvention (KRK)
Das bedeutsamste internationale Abkommen in der Arbeit mit Kindern ist das
Übereinkommen über die Rechte des Kindes oder auch UN-Kinderrechtskonvention
(KRK) genannt, welche 1989 von den Vertragsstaaten vereinbart wurde. Diese
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Konvention wurde von allen Vertragsstaaten, außer Somalia und den USA, ratifiziert
(OHCR 2015). Sie ist ein wichtiger Maßstab in der Überprüfung und Einforderung der
Einhaltung der Kinderrechte. Dazu existiert ein spezielles Monitoring z.B. in Form einer
Nationalen Koalition oder dem Erstellen von Berichten an die Vereinten Nationen, (vgl.
argasser 2014:57).
Gültigkeit der KRK
Gültig sind die Rechte der KRK nach Art. 1 für alle Kinder, die das 18. Lebensjahr noch
nicht vollendet haben. Dabei wird im Diskriminierungsverbot im Art. 2 deutlich, dass
dies allen Kindern gewährleistet werden sollte, unabhängig von ihrem
Aufenthaltsstatus oder ihrer Nationalität. Im Moment steht aber das Ausländerrecht in
Deutschland im Gegensatz zu der besagten Forderung, da nach §12 Abs. 1 AsylVfG
Minderjährige ab dem 16. Lebensjahr verfahrensmündig sind. Dies führt dazu, dass
sie oft wie Erwachsene behandelt werden und ausländischen Jugendlichen oftmals
nicht dieselben Rechte zur Verfügung stehen, wie deutschen Jugendlichen
(Espenhorst 2013: 2). Die Alterseinschränkung soll jedoch mit dem neuen
Gesetzentwurf, der 2016 in Kraft tritt, aufgehoben werden, worauf in Punkt 1.3 näher
eingegangen wird.
Kindeswohl als oberste Priorität
Art. 3 spielt die zentralste Rolle der KRK und sollte deswegen grundlegend für alle
Entscheidungen und Handlungsmaßnahmen sein, die in Bezug auf umF getroffen und
ausgeführt werden. In ihm wird die Wichtigkeit der Berücksichtig des Kindeswohles in
allen Maßnahmen, die das Kind betreffen hervorgehoben (Art. 2 Abs. 2 KRK). Weiter
wird in Art. 6 das Recht auf das Leben des Kindes hervorgehoben, sowie die
Verpflichtung des Staates in „größtmöglichem Umfang das Überleben und die
Entwicklung des Kindes“ (Art. 6, Abs.2 KRK) zu gewährleisten. Aus diesem Grund ist
es von hoher Bedeutung, dass umF dieselben Rechte zustehen, wie inländischen
Kindern.
Die Berücksichtigung des Kindeswillens in allen Angelegenheiten, die sein Leben
betreffen, wird in Art. 12 betont, welcher vor allem in Bezug auf das Asylverfahren der
Kinder und seiner Unterbringung von großer Bedeutung ist.
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Besondere Rechte für Flüchtlingskinder
In Art. 12 wird die besondere Schutzbedürftigkeit und Einhaltung der Rechte von
Flüchtlingskindern aufgezeigt. Die Vertragsstaaten werden dazu aufgefordert, dem
Kind, welches in ein anderes Land flüchtet, „angemessenen Schutz und humanitäre
Hilfe bei der Wahrnehmung der Rechte“ zukommen zu lassen (Art. 22, Abs. 1 KRK)
und
„denselben Schutz zu gewähren, wie jedem anderen Kind, das aus irgendeinem Grund dauernd
oder vorübergehend aus seiner familiären Umgebung herausgelöst ist“ (Art. 22, Abs. 2 KRK).
Um spezifischer auf die Situation von unbegleiteten Minderjährigen einzugehen,
wurden auf Grundlage der KRK weitere Richtlinien entwickelt. So wurde im Jahr 2005
vom Ausschuss der Rechte des Kindes die Allgemeine Bemerkung Nr. 6 über die
„Behandlung unbegleiteter und von ihren Eltern getrennter Kinder außerhalb ihres
Herkunftslandes“ verfasst, sowie die „Standards für den Umgang mit unbegleiteten
Minderjährigen“, die vom SCEP entwickelt wurden. Diese Standards sind wichtige
Grundlagen in der Arbeit mit ihnen, da sie spezifische Forderungen für eine bessere
Umsetzung der Rechte von unbegleiteten Minderjährigen darstellen.
1.2.2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK)
Die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) von 1951 ist das wichtigste internationale
Abkommen im Bereich der Flüchtlingspolitik. Sie sichert den Schutz der Flüchtlinge
und stellt eine wichtige Grundlage dar, um die Praxis der Flüchtlingspolitik in den
einzelnen Vertragsstaaten zu überprüfen (vgl. UNHCR 2011: 3). So wird in Artikel 1
definiert, unter welchen Umständen eine Person als Flüchtling anerkannt wird. Dies
gilt, wenn eine Person
„aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität,
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich
außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses
Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch
nehmen will; oder die sich als staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes
befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann
oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.“ (Art. 1 Abs. A, Nummer
2 GFK)
10
Artikel 1 der GFK wurde im deutschen Recht in § 3 Abs. 1 AsylVfG umgesetzt, welcher
bestimmt wem die Flüchtlingseigenschaft nach der GFK zuerkannt wird. In der
spanischen Gesetzgebung bildet Art. 13 der spanischen Konstitution (Constitución
Española) zusammen mit der GFK die Grundlage, um internationale Protektion in
Form des Asyls bzw. des subsidiären Schutzes zu beantragen (vgl. Ministerio de
Interior 2013b).
Gab es am Anfang eine zeitliche Limitierung für Personen, die von den Ereignissen
vor dem 1. Januar 1951 betroffen waren, wurde diese mit dem Protokoll von New York
1967 aufgehoben (Tiedemann 2015:100).
Ein weiteres wichtiges Prinzip der GFK ist das Verbot der Ausweisung und
Zurückweisung (Refoulement-Verbot). So heißt es in Art. 33:
„Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die
Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit
wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten
sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.“ (Art. 33 Abs.
1 GFK)
Dadurch soll die Abschiebung in Verfolgerstaaten verhindert werden, in denen den
Asylsuchenden Gefahren für ihr Leben oder Kettenabschiebungen drohen (vgl.
Hailbronner 2014: 380).
1.2.3 Europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik Im Folgenden werde ich einen kurzen Überblick über die aktuellen Entwicklungen der
Asylpolitik der EU aufzeigen, da diese einen großen Einfluss auf umF haben.
Nationalstaatliche Regelungen werden heute maßgeblich durch das europäische
Recht geprägt, sowie auch die Mobilität der umF in den einzelnen EU-Staaten (Löhlein
2010: 27). Dabei gibt es zu beachten, dass Asylpolitik immer auch zum Ziel hat,
Flüchtlingsbewegungen zu steuern und zu regulieren.
In den letzten Jahren wurden auf europäischer Ebene viele Rechtsakte erlassen, um
ein „gemeinsames Europäisches Asylsystem“ zu entwickeln, „GEAS“ genannt, mit
dem Ziel die europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik zu harmonisieren und einheitliche
Standards in der EU zu etablieren (BAMF 2014b). Dies hatte seinen Ursprung in der
Entwicklung des Schengen-Raums im Jahr 1985, der die Grenzkontrollen an den
Binnengrenzen abschaffte. Dadurch entstand die Notwendigkeit, Verfahren zu
11
schaffen, um sowohl die Freizügigkeit als auch die Sicherheit der Menschen zu
gewährleisten. Dazu wurden bis 2005 Mindestnormen geschaffen, die 2013 einer
Aktualisierung und Reformierung unterliefen (ebd.). Hierzu zählen:
- die Aufnahmerichtlinie, die für humanere Aufnahmebedingungen der
Asylsuchenden in den einzelnen EU-Staaten sorgen soll
- die Anerkennungsrichtlinie, die definiert, wer Anspruch auf Schutz hat
- und die Asylverfahrensrichtlinie, durch die schnellere, gerechtere und qualitativ
bessere Asylentscheidungen getroffen werden sollen (vgl. Hirseland 2015: 19).
Für eine bessere Koordinierung der praktischen Zusammenarbeit der einzelnen
Mitgliedstaaten wurde das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO)
eingeführt, welches 2011 seine Tätigkeit in Malta aufgenommen hat (BAMF 2014a).
Eine weitere wichtige Verordnung in der Politik der EU ist die Dublin-Verordnung.
Diese wurde eingeführt, um zu verhindern, dass Asylsuchende in mehreren Ländern
einen Asylantrag stellen können. Selbige hat 2013 seine dritte Reform, die Verordnung
(EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013, erlebt, die auch „Dublin III“ genannt wird. Durch
sie wird die Zuständigkeit des Mitgliedstaates geregelt, welcher für den Asylantrag
zuständig ist. Dies ist im Regelfall jenes Land, in dem der/die AsylbewerberIn zuerst
europäischen Boden betreten und registriert wurde (Hirseland 2015: 19). Für eine
bessere Überprüfung des zuständigen Mitgliedsstaates wurde die „EURODAC-
Verordnung“ eingeführt, welche regelt, dass Fingerabdrücke von den Asylbewerbern
gemacht werden sollen (BAMF 2014b: 10).
Die Dublin-Verordnung führte jedoch nicht zu einer gerechteren Verteilung von
Flüchtlingen in den Mitgliedsstaaten, da gerade Länder, die an den EU-Außengrenzen
liegen, wie z.B. Italien und Griechenland überproportional stark von den
Flüchtlingsbewegungen betroffen sind (vgl. Pro Asyl 2013: 3ff.) Dies hat zur Folge,
dass diese mit den ansteigenden Flüchtlingszahlen überfordert sind, und zum einen
Maßnahmen treffen, um ihre Grenzen stärker vor den ankommenden Flüchtlingen
abzusichern und zum anderen sich die Bedingungen in den Aufnahmelagern
verschlechtern. Auf dieses Problem und die daraus folgenden Auswirkungen auf umF
wird in Kapitel 2 näher eingegangen.
12
Bezüglich der Situation von umF gelten nach Art. 8 der Dublin III VO besondere
Bestimmungen. Zuständig für den umF ist das Land, in dem sich ein
Familienangehöriger wie Vater oder Mutter, Geschwister oder Verwandte des
Minderjährigen rechtmäßig aufhält, soweit dies dem Wohl des Minderjährigen nicht
widerspricht (Art.8 Dublin III VO). Halten sich Angehörige in mehr als einem
Mitgliedsstaat auf, muss berücksichtigt werden, was für das Wohl des Kindes am
besten ist (vgl. Müller 2014: 18). Befindet sich in keinem Staat ein Angehöriger, ist der
Mitgliedsstaat zuständig, in dem der/die Minderjährige seinen/ihren Schutzantrag
gestellt hat (ebd.).
1.3 Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland
Die ausländerrechtlichen Auflagen in Form des Aufenthaltsgesetzes und des
Asylverfahrensgesetzes ihrerseits und des Schutzauftrages der Jugendhilfe durch das
SGB VIII andererseits, stellen ein Spannungsverhältnis dar, mit denen
SozialarbeiterInnen in der Betreuung mit umF stetig konfrontiert sind. Während der
Schutz des Kindeswohles in der Jugendhilfe als oberste Priorität gilt, geht es im
Ausländerrecht aufgrund restriktiver Gesetze darum, Migrationsströme zu steuern und
zu begrenzen (vgl. Parusel 2015:36f.). Im Folgenden werde ich daher die wichtigsten
nationalen Gesetzgrundlagen aufzeigen, die es in der Arbeit mit umF zu beachten gibt,
da diese die Grundlage für das sozialarbeiterische Handeln in der Betreuung mit umF
bilden.
Ankunft und Clearingverfahren
Wollen Drittstaatsangehörige in das Bundesgebiet einreisen, müssen sie nach §3 und
§4 AufenthG über einen gültigen Reisepass und ein Visum verfügen, da ihnen sonst
die Einreise von den Grenzschutzbehörden verweigert wird. Dies gilt für Erwachsene
wie auch für unbegleitete Minderjährige (Müller 2014:14). UmF verfügen jedoch oft
über kein gültiges Visum, da in den meisten Herkunftsländern keine funktionierende
Verwaltung existiert und sie aufgrund der Minderjährigkeit nicht die Bedingungen für
den Erhalt eines Visums erfüllen (z.B. Studium, Familiennachzug). Eine Beantragung
ist somit für sie nicht möglich und dabei bleibt ihnen oft als einzige Option nur der Weg
der illegalen Einreise, die häufig mit Hilfe von „Schleppern“ geschieht (Parusel
2009:22).
Erhält die Bundespolizei bei Aufgriff des umF den Hinweis, dass er/sie Schutz in
Deutschland sucht, ist sie zur Weiterleitung des Minderjährigen an das Jugendamt
13
verpflichtet (Müller 2015:15). Dieses ist nach §42 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII zur
Inobhutnahme verpflichtet, welches die Befugnis umfasst „ein Kind oder einen
Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in
einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen“ (§42 Abs. 1 S. 2 SGB VIII). Galt
vor der Gesetzänderung des §42 Abs. 1 SGB VIII die Inobhutnahme des Jugendamtes
nur für diejenigen Kinder, bei denen eine Gefährdung des Kindeswohles festgestellt
wurde, gilt dies nun seit dem 01. Oktober 2005 für alle umF (DCV 2014: 57).
Das Jugendamt leitet das sogenannte „Clearingverfahren“ ein, indem zum einen die
Grundversorgung und zum anderen die Erholung von den Strapazen der Flucht
sichergestellt werden soll (vgl. B-UMF 2008: 14ff.). Außerdem werden wichtige Fragen
bezüglich der Situation der umF geklärt. Dazu gehören Fragen nach ihrer Identität,
ihrem Alter, ihrer Familie, ihrem Gesundheitszustand, ihrer Fluchtgeschichte und ihren
persönlichen Interessen und Perspektiven.
Einige Aspekte, die entscheidend für das weitere Vorgehen des Jugendamtes sind,
sollen im nachfolgenden näher beleuchtet werden.
Alterseinschätzung
Die Minderjährigkeit ist ausschlaggebend für die Schutzbedürftigkeit und somit der
Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung (vgl. DCV 2014: 33). Allerdings reisen
umF oft ohne Dokumente, die ihr Alter bestätigen können. Daher wird bei
Fragwürdigkeit des Alters eine sogenannte „fiktive Altersfestsetzung“ durchgeführt
(vgl. B-UMF 2015b: 2f.). Dies geschieht in der Regel in der Erstaufnahme durch das
zuständige Jugendamt. In den Bundesländern kommen unterschiedliche Methoden
zur Anwendung, z.B. eine Inaugenscheinnahme, Gespräche mit dem Jugendlichen
oder eine medizinische Untersuchung z.B. das Röntgen des Handwurzelknochens
(DCV 2014: 35). Dabei ist zu beachten, dass keine dieser Methoden exakte
Ergebnisse liefern kann, was auch vom Europäischen Unterstützungsbüro festgestellt
wurde: “It is widely acknowledged that there is not currently a method available which
can determine the exact age of a person.” (EASO 2014: 24). Vor allem die
medizinische Untersuchung wird von vielen Organisationen kritisiert, so auch im
aktuellen Leitfaden zur Alterseinschätzung, der vom B-UMF herausgegeben wurde (B-
UMF 2015: 4). Diese sind der Meinung, dass das Jugendamt, welches für die
Alterseinschätzung zuständig ist, in der Lage sein sollte, eine pädagogische und
psychologische qualifizierte Alterseinschätzung durchzuführen, in der
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„es nicht vornehmlich um die Einschätzung von Knochenaltern geht, sondern um die
Berücksichtigung einer individuellen Lebenssituation und spezifischer Bedürfnisse.“ (ebd.)
Weiter fordern sie, dass der komplette Prozess transparent und verständlich für den
umF dargelegt wird, z.B. indem ihm die Rechtsfolgen der Alterseinschätzung erklärt
werden. Auch muss berücksichtigt werden, dass die Umstände die zur Flucht geführt
haben und die Erlebnisse in ihren Heimatländern die Minderjährigen bei ihrer Ankunft
eventuell älter erscheinen lassen. Nach einer anschließenden Erholungsphase kann
es vorkommen, dass diese in ihrer Erscheinung dann wieder wesentlich jünger wirken
(DCV 2014:41).
Wird bei der Altersfestsetzung festgestellt, dass der umF über 18 Jahre ist, wird er in
eine Erstaufnahmeeinrichtung für Erwachsene überstellt.
Da die Alterseinschätzung von großer Bedeutung für den weiteren Verlauf des
Hilfeverfahrens ist, kann gerade dieser Prozess für den umF eine sehr belastende
Situation darstellen. Dieser kann unter Umständen zur Fortsetzung der
Traumatisierung des umF beitragen, worauf im Kapitel 3 näher eingegangen wird.
Bestellung eines Vormundes und Handlungsfähigkeit
Eine weitere wichtige Aufgabe im Clearingverfahren ist die Bestellung eines
Vormundes, falls die Suche nach Erziehungsberechtigten erfolglos bleibt (B-UMF
2008: 20ff.) Dieser ist für die gesetzliche Vertretung in Form der Personen- und
Vermögenssorge des umF zuständig und ist dazu verpflichtet, dass alle seine
Entscheidungen dem Kindeswohl des umF dienen (Noske 2015: 16).
Bezüglich der Handlungsfähigkeit der umF gilt, dass diese laut §80 AufenthG und
§12AsylVG ab dem 16. Lebensjahr verfahrensfähig sind. Daher ist es für sie möglich,
auch ohne Vormund einen Asylantrag zu stellen. Da dies aber nicht mit den
Forderungen der KRK übereinstimmt und in der Vergangenheit zu viel Kritik geführt
hat, soll sich dies nun mit der Gesetzänderung, die Anfang 2016 in Kraft treten soll,
ändern.
„Ergänzend soll mit diesem Gesetz in asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren das Alter ab
dem Verfahrenshandlungen wirksam vorgenommen werden können, von 16 auf 18 Jahre
angehoben werden, um auch für die ausländischen Minderjährigen, die bereits das 16.
Lebensjahr vollendet haben, den Vorrang des Kinder- und Jugendhilferechts zu betonen.“
(BMFSFJ 2015:16)
15
Aufenthaltsrechtliches Clearing
Die Klärung des Aufenthaltsstatus ist ebenso ein wichtiger Bestandteil des
Clearingverfahrens, da dies entscheidend für die weitere Zukunft des umF ist. Zuerst
sollte geklärt werden, ob eine Familienzusammenführung in Deutschland, in einem
Drittland oder im Herkunftsland möglich ist, wobei dabei das Wohl des Kindes
berücksichtigt werden muss (vgl. B-UMF 2008: 23ff.). Ist dies nicht möglich, sollte
abgeklärt werden, ob es sinnvoll ist,
- ein Asylverfahren nach Art. 16a GG und §60 Abs. 1 AufenthG,
- ein Abschiebungsverbot nach §60 Abs. 2-7 AufenthG
- oder ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen nach §25 Abs. 3 oder 4
AufenthG zu beantragen (vgl. DCV 99ff.).
Kindern fällt es häufig schwerer die individuellen Gründe, die zur Flucht geführt haben,
nachvollziehbar darzustellen, weshalb das Asylverfahren eine zusätzliche Belastung
für sie bedeuten kann. Daher muss gut abgewogen werden, was im besten Interesse
des umF ist (ebd.), insbesondere in Bezug auf seine/ihre psychische Verfassung. Galt
früher das Asylverfahren als einziger Weg, ein vorläufiges Aufenthaltsrecht zu
erhalten, ist dies nun auch ohne einen Asylantrag möglich (ebd.). Dies kann z.B. in
Form eines nationalen Abschiebungsverbotes gewährt werden (Müller 2015: 16).
Im Nachfolgenden soll kurz auf die verschiedenen Aufenthaltstitel eingegangen
werden, da diese wesentlich über die Zukunft des umF im Bundesgebiet bestimmen.
Außerdem hat dieser Aspekt großen Einfluss auf die psychische Verfassung des umF.
Während des Asylverfahrens erhält der/die AsylbewerberIn eine vorläufige
Aufenthaltsgestattung nach §55 AsylVfG. Dies erlaubt dem/r AsylbewerberIn
seinen/ihren Aufenthalt in Deutschland während des Verfahrens, ist aber mit gewissen
Auflagen verbunden z.B. der Residenzpflicht nach 56§ AsylVfG (vgl. Detemple 2015:
28f.)
Im Falle eines positiven Bescheides, erhält der/die AsylbewerberIn eine
Aufenthaltserlaubnis nach §7 AufenthG, die befristet ist und zu bestimmten Zwecken
vergeben wird (ebd.). Nach §§22 – 26 AufenthG kann dies bei Flüchtlingen
„völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe“ umfassen. Die
Aufenthaltserlaubnis wird zunächst für mindestens sechs Monate ausgestellt und wird
16
in der Regel nach drei Jahren in eine unbefristete Niederlassungserlaubnis
umgewandelt, sofern die Fluchtgründe, die zum positiven Bescheid geführt haben,
weiterhin bestehen.
Bei Ablehnung des Asylantrags, kann dem/der AsylbewerberIn eine „Duldung“
ausgestellt werden, welche eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach
§60a des AufenthG darstellt (ebd.). Diese kann z.B. aufgrund von humanitären
Gründen ausgestellt werden oder wenn die Ausreise aufgrund von Krankheit nicht
möglich ist (ebd.). Bei einer Duldung gelten die gleichen Einschränkungen, wie für
Personen mit einer Aufenthaltsgestattung.
Die Erhaltung eines Abschiebungsverbots ist möglich, wenn die Abschiebung gegen
die Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen würde
(§60 Abs. 5 AufenthG) oder dem/der AsylbewerberIn im Staat, in den er/sie
abgeschoben werden soll, „eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder
Freiheit besteht“ (§60 Abs. 7 AufenthG).
Klärung des weiteren Hilfebedarfs
Ebenfalls wichtig ist die Klärung des weiteren Hilfebedarfs im Bereich der
pädagogischen, psychologischen, medizinischen und schulischen Versorgung. So
muss z.B. abgeklärt werden, ob therapeutischer Bedarf aufgrund traumatischer
Ereignisse besteht und wie dieser dem umF gewährt werden kann (vgl. DCV 2014:
64). Das Clearingverfahren endet mit der Bewilligung der Jugendhilfe nach dem SGB
VIII z.B. der stationären Unterbringung in einer Wohngruppe, der Unterbringung in
einer Pflegefamilie oder die Übergabe an Personensorgeberechtigte z.B.
Familienangehörige oder Verwandte.
Vollendet der umF das 18. Lebensjahr ist es möglich, dass ihm/ihr nach §41 SGB VIII
bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres weiterhin Jugendhilfe gewährt wird, „wenn
und solange die Hilfe auf Grund der individuellen Situation des jungen Menschen
notwendig ist.“ (§41 Abs. 1 SGB VIII)
Nachdem nun die wichtigsten gesetzlichen deutschen Grundlagen in Bezug auf umF
dargelegt wurden, soll im anschließenden Kapital auf die rechtliche Situation in
Spanien eingegangen werden.
17
1.4 Gesetzliche Rahmenbedingungen in Spanien
Zu Beginn dieses Abschnittes ist es von Bedeutung hervorzuheben, dass im Gegen-
satz zu Deutschland, in Spanien nur eine geringe Anzahl von unbegleiteten Minder-
jährigen einen Asylantrag stellt. (ECRE 2014: 22). Der SCEP geht davon aus, dass
dies zum einen daran liegt, dass die zuständigen Behörden nicht erkennen, dass die
Minderjährigen internationalen Schutz benötigen. Zum anderen herrscht die Meinung
vor, dass das bestehende Ausländerrecht ausreichend für den Schutz der Kinder ist
und dadurch kein zusätzlicher Schutz durch Asyl benötigt wird (SCEP 2015:30).
Vergleichbar mit der deutschen Gesetzgebung regeln in Spanien hauptsächlich zwei
Gesetze den Umgang mit unbegleitete Minderjährige. Das ist das Jugendschutzgesetz
- „la Ley de Protección del Menor“-, sowie das Ausländergesetz - „la Ley de
Extranjería“ (Perazzo 2013: 49ff.). Auch hier befindet sich sowohl der/die Sozialarbei-
terIn als auch der umF im Spannungsverhältnis zwischen den beiden Gesetzen.
Ankunft
Kommen die unbegleiteten Minderjährigen im spanischen Hoheitsgebiet an, wird der
Staatsanwaltschaft bzw. den Sicherheitskräften über deren Aufenthalt Bekannt
gegeben (ebd.) Diese leiten die Minderjährigen weiter an den in der autonomen Region
zuständigen Jugendschutzdienst. Dort erhält der umF materielle und psychologische
Versorgung und die Staatsanwaltschaft ernennt einen gesetzlichen Vertreter sowie
einen Verantwortlichen für das Sorgerecht des Kindes. Dies ist in der Regel der
Direktor des Auffanglagers, in dem der umF Zuflucht gefunden hat. Dieser soll die
Minderjährigen über ihre Rechte informieren und zwar in einer Sprache die sie
verstehen (ebd.).
Alterseinschätzung
Bestehen Zweifel über die Minderjährigkeit des umF (z.B. wenn er keine gültigen
Dokumente vorweisen kann) wird innerhalb von 24 Stunden eine Alterseinschätzung
durchgeführt, welche im Ausländergesetz geregelt ist (vgl. SCEP 2011:24ff). Hierfür
verantwortlich ist die Staatsanwaltschaft, die in den jeweiligen autonomen Regionen
unterschiedliche Methoden anwendet. Erst danach wird der umF an die
Jugendschutzbehörde weitergeleitet (EMN 2015a: 17). Dabei wird kritisiert, dass es
keine allgemeinen Vorgehensweisen gibt und die Verantwortlichen nicht für die
18
besondere Situation des umF sensibilisiert sind. Außerdem wurde der umF im Voraus
oft nicht ausreichend über das Verfahren und seine Folgen informiert (SCEP 2011:25).
Erklärung der Schutzlosigkeit und Bestellung des Vormunds
Werden die umF in das Jugendschutzsystem aufgenommen, wird ihr Status der
Schutzlosigkeit erklärt und die zuständige Behörde übernimmt ihre Vormundschaft,
falls kein Sorgeberechtigter vorhanden sind, wie es auch in Art. 172 des Bürgerlichen
Gesetzbuches („Codigo Civil“) geregelt ist (Perrazo 2013: 51ff.).
Asylantragsstellung
Möchten die umF Asyl stellen, müssen sie sich der zuständigen Behörde zuwenden.
Dies geschieht in Begleitung ihres Vormundes (EMN 2015b: 14). Dabei regelt Art. 48
des Gesetzes 12/2009 das Recht auf Asyl und subsidiären Schutz (EMN 2015b: 29).
Langfristige Lösungen
In der spanischen Gesetzgebung werden im Art. 35.5 des Ausländergesetz zwei
Lösungen für die unbegleiteten Minderjährigen aufgezeigt: eine
Familienzusammenführung oder eine Bereitstellung des Kinderschutzdienstes im
Heimatland (Perazzo 2013: 52f.). Diese Optionen müssen jedoch eingehend
untersucht werden, und falls ein ständiger Aufenthalt in Spanien dem Kindeswohl am
meisten entspricht, muss der Staat die Sicherheit der Minderjährigen garantieren. Dies
gilt in Bezug auf ihre physische Sicherheit z.B. Schutz vor Verfolgung; ihre gesetzliche
Sicherheit z.B. Bewilligung einer Aufenthaltsgenehmigung und der materiellen
Sicherheit z.B. durch Zugang zu sozialen Diensten (ebd.).
Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung
War es nicht möglich die Minderjährigen zu ihrer Familie bzw. in ihre Heimat zurück zu
führen, spätestens jedoch 9 Monate nachdem sie unter den Jugendschutz gestellt
wurden, erhalten die Minderjährigen eine Aufenthaltsgenehmigung (EMN 2015b: 13).
Die erste Genehmigung erhalten die umF für die Geltungsdauer eines Jahres mit
Beginn ihres Aufenthaltes im Schutzsystem (Perazzo 2013:53f.). Eine Erneuerung
muss durch den Vormund geschehen. Sind die umF außerhalb des Schutzsystems
müssen sie ein Arbeitsangebot oder ausreichendes Einkommen für die Erneuerung
vorweisen. Eine Arbeitsgenehmigung können die umF ab 16 Jahren mit Vollmacht des
Vormundes erhalten, falls dies ihre Integration fördert (ebd.).
19
2. Hintergrundinformationen und soziodemographische Aspekte
bezüglich umF
Um die aktuellen Bedürfnisse der umF bezüglich ihrer Betreuung zu verstehen, ist es
wichtig, die Situation in ihren Heimatländern sowie der Flucht zu betrachten, da diese
maßgeblich für ihr momentanes Empfinden sind. Oft mussten die Minderjährigen
schlimme Erfahrungen sowohl in ihrem Heimatland als auch während der Flucht
durchleben, worauf ich im nachfolgend näher eingehen werde. Außerdem wird die
aktuelle Datenlage bezüglich umF in Deutschland und Spanien aufgezeigt.
2.1 Fluchtgründe
Die Gründe, die Minderjährige zur Flucht bewegen, sind vielschichtig und nicht immer
eindeutig erkennbar (EMN 2014a:12). Dies kann daran liegen, dass der umF nicht den
wahren Grund seiner Flucht nennt, was wiederum verschiedene Ursachen hat. So
könnte dies z.B. die Angst sein, dass der wahre Grund der Flucht nicht zur
Anerkennung als Flüchtling führt, in anderen Fällen fehlt aufgrund der mangelnden
Reife und des jungen Alters das Verstehen der Hintergründe (ebd.). Eine
Traumatisierung kann ebenfalls dazu führen, dass umF nicht in der Lage sind, die
Umstände der Flucht richtig zu schildern (ebd.).
Oft fliehen Kinder aus denselben Gründen wie Erwachsene z.B. vor Bürgerkriegen,
Menschenrechtsverletzungen, Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer
bestimmten ethnischen oder religiösen Gruppe, politischen Unruhen,
Naturkatastrophen und Armut (Parussel 2015: 33). Dies spiegelt sich auch in dem
aktuellen Bericht des UNHCR wider:
„Out of the top 10 countries of origin for asylum applications, nine are currently facing war,
conflict, or gross human rights violations.” (UNHCR 2015a: 31)
Dabei waren die Hauptherkunftsländer von Minderjährigen, die in den EU-Staaten und
Norwegen Asyl beantragt haben, Afghanistan, Eritrea, Syrien, Somalia, Gambia und
Marokko (EMN 2015a: 12).
Dagegen fliehen unbegleitete Minderjährige, die keinen Asylantrag stellen, häufig
aufgrund der Hoffnung für eine bessere Zukunft im Aufnahmeland. Vor allem hoffen
sie auf Bildung und Arbeitsmöglichkeiten, die sich ihnen im Herkunftsland nicht bieten
(ebd.).
20
Neben den oben genannten Gründen gibt es aber auch kinderspezifische
Fluchtursachen (Parussel 2015:34). Dies kann eine Verfolgung aufgrund einer
Wehrdienstverweigerung, drohende Zwangsrekrutierung als Kindersoldat, Sklaverei
oder Kinderarbeit sein. Bei Mädchen und Frauen kommen die Ursachen
Zwangsverheiratung, sexueller Missbrauch, Zwangsprostitution oder einer drohenden
Genitalverstümmelung hinzu (ebd.).
Dabei fallen die Minderjährigen die Entscheidung zur Flucht oft nicht alleine, sondern
gemeinsam mit ihren Familien, was auch in einer vom UNHCR finanzierten Feldstudie
in Afghanistan festgestellt wurde (Chona et al. 2014: 30). Diese legen für die Flucht
des Kindes, in vielen Fällen des Sohnes, all ihre Familienersparnisse zusammen oder
nehmen sogar Kredite auf, um die Flucht finanzieren zu können. Dabei hoffen sie, wie
auch der Minderjährige selbst, dass ihr Kind in Europa ein besseres Leben, vor allen
in Bezug auf Bildung, Arbeit und Sicherheit erhält. In manchen Fällen wird auch
erwartet, dass durch den Minderjährigen ein Nachzug der Eltern als
Erziehungsberechtigte und evtl. anderer minderjähriger Geschwister möglich wird
(Parussel 2015: 34).
Oft haben umF bestimmte Länder als Ziel, wobei die spätere Wiedervereinigung mit
der Familie, der Anschluss an Diaspora-Gemeinden oder die Aussicht auf
ökonomische Perspektiven, Bildung- und Arbeitsmöglichkeiten sowie gute Chancen
auf die Anerkennung als Flüchtling, bei der Landeswahl eine Rolle spielen können
(EMN 2015a:13).
John und Emmanuel, sind beide 16 Jahre alt und kommen aus Eritrea. Während John nach seiner
Flucht in Deutschland ankommt, strandet Emmanuel in Spanien. Beide flohen, aus Angst in ihrem
Heimatland zum Militärdienst eingezogen zu werden. Dabei gestaltet sich ihre Geschichte sehr ähnlich:
Nachdem John´s Vater versuchte, aus seinem langjährigen Militärdienst auszusteigen, was ihm aber
nicht erlaubt wurde, floh er heimlich nach Äthiopien, wo er sich seitdem versteckt hält. Daraufhin bekam
die Mutter von John Angst, dass die Familie aufgrund der Flucht des Vaters nun vom Militär bedroht
werden könnte. Außerdem wollte sie nicht, dass John und sein zwei Jahre jüngerer Bruder das gleiche
Schicksal erleiden müssen wie ihr Vater. Aus diesem Grund gab sie ihren beiden Söhnen ihr ganzes
erspartes Geld und besorgte ihnen einen Schlepper, der ihr versprach, ihre beiden Söhne nach
Deutschland zu bringen.
Emmanuel musste miterleben, wie sein Vater von den Soldaten körperlich misshandelt wurde, da sie
ihm vorwarfen, kritisch gegenüber der Regierung eingestellt zu sein. Daraufhin beschlossen seine
21
Eltern, dass er mit seinem jüngeren Bruder die Flucht ergreifen soll. Mit ihrem ganzen ersparten Geld
bezahlten sie einen Schlepper für ihre beiden Söhne, der sie nach Europa bringen soll.
2.2 Flüchtlingsrouten
Nicht nur die Situation im Herkunftsland stellen für umF eine große Belastung dar,
sondern auch die Flucht an sich. Daher sollen im Folgenden die verschiedenen
Flüchtlings-Routen aufgezeigt werden Außerdem werde ich die Strapazen und
Gefahren, die den Minderjährigen auf ihrem Weg nach Deutschland und Spanien
begegnen, darlegen4.
UmF aus Afrika und dem Mittleren Osten gelangen meist über das Mittelmeer nach
Europa. Da es für sie keine legalen Fluchtwege gibt Europa zu erreichen und die EU
ihre Außengrenzen immer mehr absichert, sind sie auf die Hilfe von Schleppern oder
Schleußer angewiesen (vgl. Rieger 2010: 21). Während ihrer Reise sind sie häufig in
hohem Maße von Missbrauch, Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen
betroffen (UNHCR 2015b:7). Vor allem Mädchen und Frauen riskieren, dass sie
während der Flucht sexuell missbraucht und vergewaltigt werden (vgl.
Gahleitner/Loch/Schulze 2012:19). In manchen Fällen kommt es vor, dass die
Flüchtlinge von Schleppern gefangen genommen werden, um ein Lösegeld von ihren
Familien einzufordern (UNHCR 2015b:7). Dazu kommt, dass sie um das Mittelmeer
zu überkreuzen, oft gefährliche Überfahren in kleinen und seeuntauglichen Booten auf
sich nehmen, wodurch es immer wieder zu Unglücken kommt, bei denen die
Flüchtlinge in Seenot geraten und schlimmstenfalls dabei ertrinken. Laut UNHCR sind
alleine in diesem Jahr dadurch bereits 2.9625 Flüchtlinge ums Leben gekommen oder
gelten als vermisst (UNHCR 2015c). Der CEAR gibt an, dass in den letzten 15 Jahren
insgesamt über 25.000 Flüchtlinge bei der Überkreuzung des Mittelmeers ertrunken
sind (CEAR 2015a). Einige Kinder mussten dadurch den Tod von
Familienangehörigen, Verwandten oder Freunden bei der gefährlichen Überfahrt
miterleben oder wurden von ihnen getrennt (Parussel 2015:34).
4 Da sich die Situation in den einzelnen Ländern durch die Aktualität der weltweiten Flüchtlingskrise
stetig ändern kann, soll hier kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Die Schilderungen dieses Kapitels wurden von mir dabei unter Einbezug der aktuellen Literatur im Zeitraum der Erstellung dieser Arbeit dargelegt. 5 Stand dieser Zahl: 21. September 2015
22
Der Weg lässt sich hauptsächlich in drei verschiedene Routen unterteilen, wie die
folgende Grafik darstellt.
Abb. 1 Flüchtlingsrouten nach Europa mit Stand vom 29. Juni 2015 (UNHCR 2015b: 9)
Von der Türkei gelangen hauptsächlich Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem
Irak nach Griechenland und den dazugehörigen Inseln. Diese setzen ihre Reise meist
über die Balkan-Staaten (Mazedonien, Serbien), Ungarn und Österreich fort, um
Deutschland zu erreichen (UNHCR 2015b:11). Dieses Jahr erreichten so bereits
347.4746 Personen griechischen Boden (UNHCR 2015c). Da Ungarn bemüht ist, seine
Grenzen immer mehr abzusichern und zu schließen, verlagert sich laut UNHCR7 der
Weg der Flüchtlinge dadurch über Kroatien, wie auf der Karte durch die blauen Pfeile
zu sehen ist.
6 Stand: 21.09.2015 7
23
Abb. 2 Verlagerung der Flüchtlingsroute mit Stand vom 17. September 2015 (UNHCR 2015d: 8)
Die Route von Libyen/Ägypten nach Italien nutzen vor allem Personen aus Eritrea,
Nigeria, Somalia, Syrien und Gambia (UNHCR 2015b:11), die ihre Reise meist über
Österreich nach Deutschland weiterführen. Dabei erreichten Italiens Außengrenze laut
UNHCR in 2015 bereits 128.0008 Flüchtlinge (UNHCR 2015c)
Der Fluchtweg von John und seinem Bruder führte sie über den Sudan, Ägypten und Libyen.
Nachdem beide in Libyen aufgrund ihres illegalen Aufenthaltes ins Gefängnis eingesperrt
wurden, verloren sich die beiden Brüder aus den Augen. Nach mehreren Monaten im
Gefängnis, in denen John von den Wärtern immer wieder geschlagen und gefoltert wurde, kam
er schließlich frei. Nachdem er versuchte, seinen Bruder wiederzufinden, dies aber erfolglos
8 Stand: 21.09.2015
24
blieb, beschloss er nach mehreren Wochen, seine Flucht weiter fortzusetzen, aus Angst, in
Libyen erneut gefangen zu werden.
Er machte sich auf die Suche nach einem Schlepper, der ihm versprach, ihn nach Italien zu
bringen. Eines Nachts machte er sich mit 50 weiteren Flüchtlingen in einem kleinen und
überfüllten Schlauchboot auf die gefährliche Reise über das Mittelmeer. Nach mehreren Tagen
auf hoher See und nach ständiger Angst, dass das Boot kentert und sie sterben werden,
erreichen sie schließlich italienisches Festland. Dort traf er auf Flüchtlinge, die ebenfalls aus
Eritrea kamen und die ihm rieten, weiter nach Deutschland zu fliehen, da die Aufnahmesituation
in Italien nicht gut sei. Daraufhin machte er sich zusammen mit 2 Erwachsenen auf den Weg
nach Österreich, um schließlich in Deutschland anzukommen.
Auf der Route von Marokko nach Spanien gelangen hauptsächlich Flüchtlinge aus
Afrika über die Meerenge von Gibraltar nach Europa (vgl. Heck 2010:43ff.). Auch
versuchen viele, über den sechs Meter hohen Grenzzaun zwischen Marokko und den
dortigen spanischen Exklaven Ceuta und Melilla europäischen Boden zu betreten oder
nehmen den Weg von der Westsahara, Mauretanien oder Senegal auf die kanarischen
Inseln (ebd.). Da aber Spanien mithilfe der EU viel Geld in die Aufrüstung seiner
Grenzkontrollen gesteckt hat (ebd.), dürfte dies einer der Gründe sein, warum die Zahl
der Flüchtlinge, die in Spanien ankommen, im Vergleich zu Italien und Griechenland,
deutlich geringer ist. So erreichten in diesem Jahr laut UNHCR nur 2.3389 Flüchtlinge
spanischen Boden (UNHCR 2015c).
Der Fluchtweg von Emmanuel und seinem Bruder ging über den Sudan, Tschad, Niger und
Algerien. Der Weg durch die Wüste dauerte sehr lange. Dabei waren die Jungs extremen
Temperaturen ausgesetzt, Hitze am Tag und Kälte in der Nacht. Tagelang fuhren sie
zusammengequetscht auf einem Pick-Up durch die Wüste. Da manche Flüchtlinge nicht genug
Wasser dabei hatten, überlebten sie die Durchquerung der Sahara nicht und verdursten. Von
Algerien versuchen die beiden Brüder nach Marokko zu gelangen, wo sie sich ständig
verstecken mussten, aus Angst dort entdeckt zu werden und wieder in ihr Heimatland
abgeschoben zu werden. Bei dem Versuch, den Grenzzaun zu überqueren, verloren sich die
beiden Brüder aus den Augen, wobei Emmanuel es nach Marokko schaffte, während sein
Bruder von der Polizei aufgegriffen wurde.
Nach Spanien gelangt er, indem er sich unter einen LKW versteckte und so die Straße von
Gibraltar überquerte.
9 Stand: 31.08.2015
25
Waren es bis Ende Juni 137.000 Flüchtlinge, die über diesen Weg Europa erreichten
(UNHCR 2015b: 2), stieg diese Zahl innerhalb von nur drei Monaten mit 477.906
Flüchtlingen auf mehr als das Dreifache an (UNHCR 2015c). Dabei nehmen die
Flüchtlinge vor allem die erste und zweite Route, wodurch sich die Situation in den
Aufnahmelagern in diesen Ländern immer mehr zuspitzt. Darunter leiden auch
unbegleitete Minderjährige, da sie aufgrund ihrer größeren Vulnerabilität spezielle
Versorgung benötigen (vgl. UNHCR 2015b: 12).
2.3 Aktuelle Zahlen und Hauptherkunftsländer in Deutschland und Spanien
In seinem aktuellen Bericht über die Flüchtlingszahlen weltweit hat der UNHCR einen
neuen Höchststand der Flüchtlingszahlen von 59,5 Millionen Menschen bekannt
gegeben (UNHCR 2015a: 3). Dies stellt eine Steigerung von 7,3 Millionen Flüchtlingen
im Vergleich zu 2013 dar. Dabei sind 38,2 Millionen Menschen, die in ihrem eigenen
Heimatland geflohen sind, sogenannte „internally displaced persons“10, 19,5 Millionen
Flüchtlinge und 1,8 Millionen von ihnen sind Asylsuchende.
Unter ihnen befinden sich auch 34.300 unbegleitete minderjährige asylsuchende
Flüchtlinge in 82 Ländern, welches ebenfalls einen Höchststand der Zahlen seit der
Registrierung dieser Gruppe darstellt (ebd.) Die größten Herkunftsländer stellen Kinder
aus Afghanistan, Syrien, Eritrea und Somalia dar. Dabei werden in Deutschland und
Schweden die meisten Asylanträge von umF gestellt, die damit zusammen ein Drittel
aller Anträge von umF weltweit darstellen (ebd.).
2.3.1 Situation in Deutschland
Da es sich in dieser Arbeit um unbegleitete Minderjährige handelt, die von den
Jugendämtern in Obhut genommen worden sind, sollen diese Zahlen hier näher
betrachtet werden. Dabei ist anzumerken, dass bezüglich der umF, die in Obhut
genommen werden, keine zufriedenstellende Datenlage vorliegt, da einige Städte
dazu keine Angaben machen (vgl. B-UMF 2015a: 1ff.). Der B-UMF hat jedoch für 2014
eine Erhebung bei den Jugendämtern auf kommunaler und Landesebene
durchgeführt, die aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. In dieser hat er
10 Übersetzt bedeutet dies „im eigenen Land Vertriebene“ (Übers. d. Verf., K.V.).
26
einen Anstieg der Zahlen von 45 % auf 10.400 unbegleitete Minderjährige im Vergleich
zu 2013 festgestellt (ebd.), wie auch die folgende Grafik darstellt.
Abb. 3 Aktuelle Entwicklungen der Zahlen von 2009 - 2014 bezüglich umF (B-UMF 2015: 3)
Aber nicht nur die Zahlen der Inobhutnahme, sondern auch die Zahlen der Asylanträge
haben sich im Vergleich zu 2013 fast verdoppelt (B-UMF 2015:3). Setzt man dies in
Vergleich mit der allgemeinen Zunahme der Flüchtlinge europa- und weltweit, ist dies
nicht verwunderlich, vor allem im Anbetracht der zunehmenden und andauernden
Krisenherde weltweit.
Allgemein lässt sich eine Diskrepanz zwischen den Zahlen der Inobhutnahme und der
Asylanträge feststellen. Dies lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass
Vormünder und Betreuer bei einigen umF von einer Antragsstellung absehen, da ihre
Chance auf einen positiven Bescheid von vornherein schlecht stehen (Parusel 2015:
32). Für sie wird versucht, über den Weg der Duldung ihren Aufenthalt in Deutschland
zu sichern. Wie in der unten stehenden Statistik zu sehen ist, gilt dies vor allem für
Minderjährige aus Marokko. Diese werden vergleichsweise sehr oft in Obhut
genommen, aber nur ein geringer Prozentsatz stellt einen Asylantrag. Dies hängt vor
allem zusammen mit den sehr geringen Chancen auf einen positiven Bescheid durch
das Asylverfahren (vgl. B-UMF 2015a: 6).
27
Abb. 4 Herkunftsländer 2014 mit Vergleich der Zahlen der Asylanträge und Inobhutnahmen (B-UMF
2015: 6)
Zur Zusammensetzung der umF für 2014 zeichnet sich folgendes Bild ab.
Die Hauptherkunftsländer der umF waren 2014 Afghanistan, Eritrea, Syrien und
Somalia, wie in der obigen Tabelle zu sehen ist.
Die meisten umF waren dabei männlich und das Durchschnittsalter der Erhebung
betrug 15,7 Jahren (B-UMF 2015a:8). Der Anteil der 16-jährigen belief sich auf 37%,
wohingegen der Anteil der 17-jährigen nur bei 27% lag. Der B-UMF deutet dies
dadurch, dass viele 17-Jährige der Alterseinschätzung zum Opfer gefallen sind und
älter eingeschätzt werden, als sie in Wirklichkeit sind (ebd.)
2.3.2 Situation in Spanien
Zu Beginn dieser Ausführungen ist anzumerken, dass es sich als schwierig
herausgestellt hat, aktuelle Daten bezüglich umF in Spanien zu finden. Dabei half die
europäische Datenbank Eurostat, die Statistiken über unbegleitete Minderjährge im
Jahr 2014 liefert, aber keinen Aufschluss über die Herkunftsländer der umF bietet. Auf
der zuständigen Regierungsseite dagegen war es schwierig an aktuelle Daten
heranzukommen.
28
Allgemein lässt sich feststellen, dass im Gegensatz zu Deutschland die Zahl der
Asylanträge in Spanien deutlich geringer ist. So haben 2014 in Deutschland 202.815
Flüchtlinge einen Asylantrag gestellt, wohingegen dies in Spanien nur 5.615 taten
(Eurostat 2015a). Davon erhielten in Deutschland in erster Instanz 33.310 einen
positiven Bescheid, in Spanien empfingen dies nur 385 AsylbewerberInnen (Eurostat
2015b).
Nachdem sich die Zahl von unbegleiteten Minderjährigen in Spanien im Zeitraum von
1996 bis 2007 aufs fünffache verdoppelte11, ist die Zahl der Minderjährigen in den
letzten Jahren wieder stark zurück gegangen (Chofré 2015: 125f.). So war die Zahl der
unbegleiteten minderjährigen AsylbewerberInnen 2014 in Spanien deutlich geringer
als in Deutschland. 2014 stellten nur 15 umF einen Asylantrag, wohingegen sich diese
Zahl in Deutschland auf 4400 unbegleitete Minderjährige belief (Eurostat 2015c). Dies
liegt daran, dass viele der umF, die in Spanien ankommen, keinen Asylantrag stellen.
So wurden 2,480 umF 2013 in Spanien in Obhut genommen, (EMN 2014b:51), jedoch
stellten nur 10 davon einen Asylantrag (Eurostat 2015c).
Die Hauptherkunftsländer waren 2013 Marokko, Algerien, Mali und Guinea (ECRE
2014:23). Dabei fällt auf, dass die Zahl der umF aus Marokko, die in Spanien
ankommen, relativ hoch ist, diese aber kaum woanders in Europa eintreffen (FRA
2010: 16f.). Wie auch in Deutschland sind die meisten von ihnen männlich und
zwischen 15 und 18 Jahren alt (Fuentes 2014:107).
In den letzten Jahren stieg außerdem die Zahl der unbegleiteten Mädchen aus
Ländern der Sub-Sahara an, die potentielle Opfer von Menschenhandel, besonders
der sexuellen Ausbeutung sind (ebd.).
2.4 Zwischenergebnisse
Betrachtet man die Ausführungen der letzten beiden Kapitel lassen sich einige
Unterschiede zwischen Deutschland und Spanien feststellen.
Während in Deutschland die Zahl der umF in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist,
sind die Zahlen in Spanien zurückgegangen. Auch gibt es bezüglich der
Hauptherkunftsländer Unterschiede. Kommen in Spanien viele unbegleitete Kinder
aus Marokko, Algerien, Mali und Guinea an, sind in Deutschland die
11 So kamen im Jahr 1996 1.260 unbegleitete Minderjährige in Spanien an, wohingegen sich diese Zahl in 2007 auf 6.475 belief (Chofré 2015:126)
29
Hauptherkunftsländer Afghanistan, Eritrea, Syrien und Somalia. Dabei stellen in
Deutschland viele der umF einen Asylantrag, während in Spanien nur sehr wenige
Minderjährige um Asyl suchen. Betrachtet man die Herkunftsländer der umF, könnte
einer der Gründe dafür sein, dass in Deutschland die umF hauptsächlich aus
Kriegsgebieten kommen, während es sich bei Spanien hauptsächlich um ökonomisch
eher ärmere Länder handelt. So liegt in Deutschland der Fokus auf dem Asylverfahren,
während es in Spanien um die Schutzlosigkeit der Minderjährigen geht (vgl. GIFA
2010: 34).
3. Zwangsmigration, Flucht und Trauma
Nachdem im vorangegangen Kapitel Hintergrundinformationen bezüglich umF
gegeben wurden, soll nun auf die Zwangsmigration und den damit
zusammenhängenden traumatischen Erfahrungen eingegangen werden. Dabei ist es
wichtig zuerst den Begriff des Traumas und seiner Entstehung näher zu betrachten.
Anschließend wird das Modell der „Sequentiellen Traumatisierung“ von Hans Keilson
dargelegt, da dieses in Bezug auf die traumatischen Erfahrungen der umF eine
adäquate Erklärung darstellt.
3.1 Definition des Begriffes „Trauma“ und seiner Entstehung
Wie in Punkt 2.2. dargelegt wurde, geht bei vielen umF ein wirtschaftlicher, politischer
oder sozialer Druck voraus, der ihnen und ihren Familien die Flucht oft als einzigen
Ausweg erscheinen lässt, weshalb hier die Zwangsmigration eine passende Kategorie
bildet (vgl. Zimmermann 2012:20). Dabei sind umF in ihren Heimatländern, während
der Flucht aber auch im Aufnahmeland sozialen Extremerfahrungen ausgesetzt, die
ihr innerpsychisches Erleben massiv beeinträchtigen (ebd. 14).
Der Begriff des Traumas bietet sich dabei als ein geeigneter Ausdruck, um diesen
Zusammenhang zu beschreiben:
„Ein Trauma im Kontext einer Zwangsmigration ist demnach eine schwerwiegende seelische
Verletzung, die ihr Bedingungsfeld in verschiedenen, miteinander interagierenden
Belastungssequenzen hat.“ (Zimmermann 2012: 14).
Das Wort Trauma kommt dabei ursprünglich aus dem Altgriechischen und bedeutet
„Verletzung“ oder „Wunde“ (Scherwath/Friedrich 2012: 17). In der Psychologie wird
30
daher von der Verletzung der menschlichen Psyche, dem sogenannten
„Psychotrauma“ gesprochen.
Die im deutschen Sprachraum am häufigsten verwendete Definition für Psychotrauma
kommt von Fischer und Riedesser, wonach dieses als ein
„vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen
Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe
einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt.“
(Fischer/Riedesser 2009: 84) definiert wird.
Dabei sind traumatische Ereignisse verbunden mit Gefühlen der Ohnmacht, des
Kontrollverlustes und extremen Ängsten, da Selbstschutzstrategien von Flucht und
Widerstand, sowie erlernte Hilfsstrategien nicht angewendet werden können
(Gahleitner/Loch/Schulz 2012: 6). Dabei ist von Bedeutung, dass nicht jedes
traumatische Ereignis automatisches zu einer Traumatisierung führt. Gelingt es z.B.
einem umF seinen Fluchterfahrungen und Ohnmachtserfahrung einen Sinn zu geben
und in sein Leben zu integrieren, kann er aus dieser Situation mehr gefestigt in seiner
Persönlichkeit hervorgehen (vgl. Walter 2002: 65).
Ob dies gelingt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, worauf im Folgenden näher
eingegangen werden soll.
1.) Art, Umstände und Dauer des potentiell traumatisierenden Ereignisses
Bei traumatischen Erfahrungen kann zwischen zwei Typen unterschieden werden:
Einer Monotraumatisierung (Typ-I), die durch einmalige Ereignisse z.B.
Naturkatastrophen verursacht wird (Gahleitner/Loch/Schulz 2012: 7). Im Gegensatz
dazu führen sich wiederholende und länger andauernde Ereignisse wie z.B. Krieg und
Verfolgung zu einer komplexen Traumatisierung (Typ-II) (ebd.). Diese ist in ihrem
Ausmaß weit schwerwiegender und komplexer als Typ-I (ebd.). Bei umF ziehen sich
die traumatischen Erfahrungen meist über einen längeren Zeitraum hin. Häufig sind
sie Gewalt, Krieg und anderen Extremsituationen ausgesetzt. Es kann davon
ausgegangen werden, dass bei ihnen ein hohes Risiko besteht, eine kumulative
Traumatisierung zu entwickeln. Im nachfolgenden Punkt 3.2 soll in diesem
Zusammenhang auch auf das Konzept der sequentiellen Traumatisierung
eingegangen werden.
31
2.) Dem Entwicklungsstand des Opfers zum Zeitpunkt der traumatischen
Erfahrungen
Ob eine Person eine Traumatisierung entwickelt oder nicht, hängt maßgeblich von
seiner Persönlichkeit und den bisherigen Lebenserfahrungen ab. Kinder und
Jugendliche sind dabei verletzlicher, da sie sich noch in ihrem Entwicklungsprozess
befinden (vgl. ebd. 8).
3.) Das Fehlen oder Vorhandensein von unterstützenden Bedingungen
Unterstützende Bedingungen, sogenannte Resilienzfaktoren tragen maßgeblich dazu
bei, dass es nach einer Extremerfahrung nicht zu einer Traumatisierung kommt (ebd.
9). Dabei wird unter Resilienz „die psychische Widerstandsfähigkeit von Kindern
gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken
verstanden (Wustmann 2004: 22).
Dazu gehören:
- ein emotional, tragfähiges, stabiles, soziales Umfeld;
- ein konstruktiv persönlicher Bewältigungsstil in schwierigen Situation;
- eine nicht durch Trauma vorbelastete Familien- und Lebensgeschichte;
- positive vorangegangen Lebenserfahrungen;
- die Erfahrung unterstützender Reaktionen der weiteren Umwelt
(Gahleitner/Loch/Schulz 2012: 9)
Diese Resilienzfaktoren sind gerade im Betreuungssetting von umF von großer
Bedeutung, da sie ihnen dabei helfen können ein Umfeld zu schaffen, in dem ihren
Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit begegnet wird, worauf ich im Kapitel 4 näher
eingehen werde.
Neben den Resilienzfaktoren, können auch Risikofaktoren dazu beitragen, dass eine
Person unter Folgesymptomen einer Traumatisierung leidet (Scherwath/Friedrich
2012:49f.). Dazu zählt u.a. ein niedriger sozial-ökonomischer Standard/Armut, geringe
soziale Einbindung und Unterstützung sowie Trennungs- /Verlusterlebnisse in der
Vorgeschichte (ebd.). Gerade umF haben in ihrer Vergangenheit oft Verlusterlebnisse
32
erfahren. So mussten viele den Tod bzw. die Trennung von einem oder mehreren
Familienangehörigen in ihrem Heimatland oder auf der Flucht miterleben. Auch im
Aufnahmeland müssen sie sich ohne enge Bezugspersonen allein in einem neuen
Land zurecht finden.
3.2 Sequentielle Traumatisierung
Für die Beschreibung der psychosozialen Situation der umF eignet sich am besten das
Modell der „sequentiellen Traumatisierung“, welches von Hans Keilson in einer
Längsschnitts-Studie mit jüdischen Kriegswaisen in den Niederlanden entwickelt
wurde (vgl. Keilson 2002: 45). In dieser geht er davon aus, dass
„die extreme Belastungssituation […] aus einer steten Folge massiver, einander verstärkender
traumatischer Situationen besteht, die auch nach dem Kriege, also nach Beendigung der Verfolgung
selbst“ (ebd., 51) weitergeht.
Er unterteilte dabei die extremen Belastungssituationen in drei aufeinanderfolgende
Sequenzen. Die erste beginnt mit der feindlichen Besatzung der Niederlande und den
damit beginnenden Angriffen gegen die jüdische Minderheit. Die zweite Sequenz ist
durch die Deportation von Eltern und Kindern mit der damit einhergehenden Trennung
von Mutter und Kind gekennzeichnet. In der dritten Phase, der sogenannten
Nachkriegsperiode, sind vor allem die Vormundschaftszuweisungen für die Kinder von
großer Bedeutung (vgl. ebd., 48)
Dabei hob er vor allem die Bedeutung der dritten Sequenz hervor, die bei einer
günstigen Entwicklung der Kinder zur Unterbrechung der Traumatisierungskette
führen kann:
„Kinder mit einem relativ günstigen Verlauf der zweiten traumatischen Sequenz […], aber einer
ungünstigen Nachkriegszeit (dritte traumatische Sequenz) zeigen ca. 25 Jahre später ein
ungünstigeres Entwicklungsbild als Kinder mit einer ungünstigeren zweiten, aber günstigeren
dritten Sequenz.“ (ebd., 58)
Bezogen auf die psychosoziale Situation der umF stellt die erste Sequenz in der Regel
die Situation im Heimatland dar, die oft von Krieg, Armut und Verfolgung
gekennzeichnet ist. Die zweite Sequenz beschreibt vor allem den Fluchtweg,
wohingegen die dritte Sequenz mit dem Ankommen des umF im Aufnahmeland
beginnt.
33
Durch dieses Modell wird deutlich, dass Traumatisierung nicht nur durch ein singuläres
Ereignis entsteht. Gerade im Kontext von Zwangsmigration ist es wichtig, die
Erfahrungen im gesamten Prozess zu betrachten und nicht nur die jetzige
psychosoziale Verfassung des umF. Außerdem sollten SozialarbeiterInnen die hohe
Bedeutung der dritten Sequenz für die Bearbeitung der traumatischen Erfahrungen
des umF bewusst sein und Jugendhilfemaßnahmen so gestalten, dass die
Traumatisierung nicht fortgesetzt wird. Wie dies aussehen kann, werde ich im
nächsten Kapitel aufzeigen.
Die psychosoziale Situation von John in Deutschland ist gekennzeichnet durch sein Heimweh,
vor allem nach seiner Familie, zu der er sehr wenig Kontakt hat, aus Angst vom Militär
ausspioniert zu werden. Außerdem hat er große Schuldgefühle wegen der Trennung von
seinem Bruder in Libyen und da er keinerlei Informationen über seinen Verbleib hat. Es fällt ihm
schwer, sich zu verständigen, da seine Deutschkenntnisse noch sehr brüchig sind und es in
seiner Gruppe auch sonst niemanden gibt, mit dem er sich in seiner Muttersprache unterhalten
kann. Dadurch fühlt er sich isoliert, was dadurch noch verstärkt wird, dass er der einzige Christ
in der Wohngruppe ist, da die anderen Jungs alle Muslime sind. Des Weiteren fällt es ihm
schwer, sich in der deutschen Gesellschaft zurechtzufinden mit all den Regeln und Vorschriften,
die es einzuhalten gibt. Nachts hat er immer wieder Alpträume und da er noch über keinen
sicheren Aufenthaltsstatus verfügt, ist er ständig von der Angst geplagt, in sein Heimatland
zurückkehren zu müssen.
In Spanien ist Emmanuel nun in einer Wohngruppe untergebracht, in der er sich aber aufgrund
mangelnder Sprachkenntnisse sehr isoliert fühlt. Da er der Einzige aus Eritrea ist, hat er
niemanden dort, mit dem er sich in seiner Muttersprache unterhalten kann. Hinzu kommt, dass
die Mehrheit Muslime sind, während er der christlichen Religion angehört. Ihn plagen
Schuldgefühle, da er auf dem Weg nach Marokko seinen Bruder aus den Augen verloren hat
und nun nicht weiß, was mit ihm passiert ist. Außerdem kommen ihm immer wieder
Erinnerungen an die Misshandlung seines Vaters in den Kopf und seiner Reise durch die Wüste,
wo er Menschen sterben sah.
4. Sozialpädagogische Unterstützungsmöglichkeiten im Umgang mit
traumatisierten umF in der Jugendhilfe
Wie im vorausgegangen Kapitel schon hervorgehoben wurde, kann eine
traumasensible Betreuung durch Jugendhilfeeinrichtungen maßgeblich zur Beendung
der Traumatisierungskette beitragen. Als eine Grundvoraussetzung im
34
sozialpädagogischen Handeln ist die Entwicklung eines verstehensorientierten
Zugangs, der die Bedürfnisse, die hinter einem Verhalten liegen, zu enträtseln
versucht (vgl. Scherwarth/ Friedrich 2012: 60ff.). Anders als im verhaltensorientiertem
Handeln, in dem versucht wird, z.B. das aggressive Verhalten eines umF durch
Ermahnungen zu verändern, versucht ein verstehensorientierter Ansatz zusammen
mit den Jugendlichen herauszufinden, welche Absichten hinter ihrem Verhalten liegen.
Dahinter steht die Annahme, dass die Verhaltensweisen der Jugendlichen einen guten
Grund haben und einen Sinn in ihrer Geschichte machen (BAG Traumapädagogik
2011: 5). So können die Gründe für die Aggressivität eines jugendlichen Flüchtlings in
den Erfahrungen seiner Vergangenheit sein, in denen er kämpfen und sich verteidigen
musste, um sein Überleben zu sichern. Daher ist es im Betreuungssetting wichtig, die
Verhaltensweisen der umF zu verstehen und die damit zusammenhängenden
Bedürfnisse anzuerkennen (ebd.).
Im nachfolgenden soll daher auf wichtige Handlungsleitlinien eingegangen werden, die
einen traumasensiblen Umgang mit den umF ermöglichen.
4.1 Darbietung eines sicheren Ortes
Für umF mit traumatischen Erfahrungen ist die Wiedererlangung von Sicherheit von
großer Bedeutung, da sie in der Vergangenheit wiederholt Ohnmachtserfahrungen
erlebt haben und somit ihr Vertrauen in sich selbst und ihre Umwelt erschüttert wurde
(Scherwath/Friedrich 2012: 69ff.) Um Sicherheit herzustellen, ist es wichtig einen
„sicheren Ort“ zu schaffen. Dabei soll der „sichere Ort“, der aus der Traumapädagogik
stammt, zunächst durch äußere Rahmenbedingungen in einer Einrichtung geschaffen
werden (ebd.) Dadurch kann ein „innerer sichere Ort“ etabliert werden, (ebd.), wofür
folgende Aspekte zu berücksichtigen sind:
Verlässliche Beziehungen zu Betreuungspersonen
Wichtig ist die Erfahrung von tragfähigen und verlässlichen Beziehungen mit den
BetreuerInnen, z.B. indem die umF sich wertgeschätzt und ernst genommen fühlen
(Hargasser 2014). Dadurch ist es ihnen möglich neue Erfahrungen zu machen. In
diesem Zusammenhang sollte auch jedem minderjährigen Flüchtling ein/e
BezugsbetreuerIn zugeteilt werden, der/die AnsprechpartnerIn für alle sozialen,
rechtlichen und psychosozialen Belangen ist (Weeber/Gögercin 2014:82).
35
Schaffung von Strukturen und Transparenz
Da traumatische Erfahrungen mit Gefühlen des Kontrollverlustes einhergehen, ist es
von Bedeutung, dass die umF das Gefühl haben, neu Vertrauen in ihre Umgebung
fassen zu können (ebd.). So mussten z.B. die beiden Jungs aus den Fallbeispielen
den Verlust ihrer Geschwister auf der Flucht miterleben, ohne in dieser Situation etwas
dagegen unternehmen zu können. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sie eine
Struktur in der Einrichtung vorfinden und diese ihnen transparent dargelegt wird. Dies
geschieht durch verbindliche Regeln, wiederkehrende Routinen sowie Tages- und
Wochenpläne (Weeber/ Gögercin 2014: 68f). Ein transparenter Umgang mit den
Strukturen der Einrichtung gibt den umF das Gefühl ihre Umgebung einschätzen und
verstehen zu können, wodurch sie das Gefühl der Kontrollierbarkeit zurück erlangen.
Zur verständlichen Erklärung sollten diese für alle sichtbar in der Einrichtung in
mehreren Sprachen und Symbolen – damit auch Analphabeten diese verstehen –
aufgehängt werden. Auch sollte bei Bedarf ein Dolmetscher hinzugezogen werden, um
sicherzugehen, dass die Regeln und Strukturen von allen Jugendlichen verstanden
werden (ebd.).
Gewaltfreie Orte
Da die jugendlichen Flüchtlinge in der Vergangenheit gewalttätigen Situationen
ausgesetzt waren, ist es umso wichtiger, dass die Jugendhilfe als ein gewaltfreier
Raum konstituiert wird, in denen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den
umF eine größtmögliche Sicherheit bieten. Dazu gehört z.B. die Möglichkeit ihre
Zimmer abschließen zu können und die Möglichkeit der Selbstbestimmung durch
Partizipation (Hargasser 2014: 235). Partizipation bedeutet hier Teilhabe des
Jugendlichen an der Gestaltung seines Hilfeplanprozesses, z.B. indem die
BetreuerInnen ihn über seine Wünsche für die Zukunft fragen. Auch sollte ein
friedvolles Miteinander sichergestellt werden, indem z.B. Konflikte zügig und bei
Bedarf mit Hilfe von Dolmetschern geklärt werden. Bei gewalttätigen
Auseinandersetzungen ist es bei der Klärung wichtig, den Blick der Beteiligten auf die
Sicherheit für alle zu richten, anstatt nur das Abwerten der gewaltvollen
Auseinandersetzung, da dieses ihnen keine Handlungsalternativen bietet (Scherwath/
Friedrich 2012: 76).
36
4.2 Ermöglichung von positiven Beziehungserfahrungen
Die Jugendlichen sind aufgrund ihrer traumatischen Erfahrungen oft in ihrer
Beziehungsfähigkeit stark eingeschränkt, da ihre Grundbedürfnisse in
schwerwiegender Weise verletzt wurden (Gahleitner/Loch/Schulz 2012: 29f.) Die
beiden Jungs aus der Fallgeschichte wurden z.B. von ihren Müttern als wichtige
Bezugsperson enttäuscht, indem diese sie zur Flucht drängten. Außerdem ist John in
seinem Selbstwertgefühl stark verletzt worden, indem die Polizei ihn in Libyen folterte.
Die vergangenen Erfahrungen können dazu beitragen, dass die Angst vor
Verletzungen und Kontrollverlust beim Eingehen neuer Beziehungen ein gesundes
Sozialverhalten verhindert oder zur Isolation führt (ebd.).
Als ein wichtiger Resilizienfaktor in der Traumaforschung gilt eine dauerhafte gute
Beziehung zu mindestens einer Bezugsperson (Fischer/Riedesser 2009: 160),
weswegen die Herstellung von vertrauensvollen, verlässlichen Beziehungen in der
Betreuung von umF von großer Bedeutung ist (Hargasser 2014: 233). Erfahren z.B.
John und Emmanuel in der Betreuung, dass sie von den SozialpädagogInnen
wertgeschätzt werden, sie ihnen vertrauen können, Interesse an ihrer
Lebensgeschichte haben und sie auch die Widersprüchlichkeiten in den Schilderungen
ihrer Lebensgeschichte akzeptieren, können sie die positiven Beziehungserfahrungen
auch auf andere Beziehungen übertragen (Kruse 2011: 87). Dadurch erhöht sich die
Wahrscheinlichkeit, dass die umF den Mut und das Vertrauen haben sich gegenüber
anderen zu öffnen und über ihre psychischen Belastungen zu reden, z.B. in einer
Psychotherapie.
Ein weiterer wichtiger Resilienzfaktor ist die Erfahrung unterstützender Reaktionen der
Umwelt (siehe 3.1.). Dies kann geschehen, in dem die SozialarbeiterInnen einen Raum
schaffen, indem es den Jugendlichen möglich ist, über ihre traumatischen Erfahrungen
zu sprechen (Loch/Schulze 2012: 92f.). Die Fachkräfte sollen den Jugendlichen helfen,
die vergangenen Erfahrungen in ihre Lebensgeschichte einzuordnen, ohne dabei den
Blick für die Gegenwart zu verlieren (ebd.).
Vor allem wenn bei intensiver Erinnerung der Erlebnisse die Gefahr einer
Retraumatisierung besteht, ist es wichtig, die Jugendlichen in das Hier und Jetzt zurück
zu holen. Dies geschieht indem ihnen aufgezeigt wird, dass sie sich an ihrem jetzigen
Ort in Sicherheit befinden (ebd.). Erzählt John z.B. von seinen Erlebnissen im
37
Gefängnis in Libyen und wird dabei von großen Angstzuständen überwältigt, ist es
Aufgabe des/der BetreuerIn ihn in die Gegenwart zurück zu holen, um ihm zu
versichern, dass er in der Einrichtung sicher ist.
Für das Gelingen einer tragfähigen und verlässlichen Beziehung ist es wichtig, dass
die BetreuerInnen über interkulturelle Sensibilität im Umgang mit den umF verfügen
(Loch/Schulze 2012: 84). Dabei kann
„interkulturelle Kompetenz als Sensibilität gegenüber kulturellen Unterschieden und
verschiedenen Perspektiven aus der Sicht von Personen anderer Herkunft verstanden werden.“
(ebd.).
Dies ist vor allem im Kontext verschiedener kultureller Hintergründe der umF von hoher
Bedeutung. Diese kann SozialpädagogInnen zu einer offenen Haltung gegenüber
unterschiedlichen Verhaltensweisen und Wertvorstellungen der Jugendlichen helfen.
Außerdem ist es wichtig, dass SozialpädagogInnen die Möglichkeit erhalten, sich im
Bereich Trauma weiterzubilden, um Wissen über traumatische Erfahrungen und damit
zusammenhängenden Folgen zu erlernen (ebd.). Dies ermöglicht den Fachkräften,
angemessen auf die Bedürfnisse der Jugendlichen einzugehen und sie in der
Traumabearbeitung durch entsprechende Maßnahmen zu unterstützten.
Wenn möglich sollte versucht werden, dass die Jugendlichen den Kontakt zu ihrer
Herkunftsfamilie halten können z.B. durch Bereitstellung von Internet. So leiden auch
die beiden Jungs aus der Fallgeschichte unter der Trennung von ihrer Familie.
Telefonischer Kontakt kann dieses Heimweh abmildern und zur psychischen
Stabilisierung der Jugendlichen beitragen.
4.3 Hilfestellung bei alltäglichen Angelegenheiten
Eine wichtige Aufgabe in der Jugendhilfe ist es, den umF Orientierungshilfen bei der
Bewältigung ihres Alltags zu geben. Dies ist vor allem unter dem Aspekt wichtig, dass
die umF bei ihrer Ankunft im Aufnahmeland keinerlei Kenntnisse über die Rechte,
Regeln, Werte- und Normvorstellungen des Aufnahmelandes besitzen. So fällt es umF
sehr schwer, die komplizierten Vorschriften der Asyl- und Aufenthaltsregelungen zu
verstehen. Außerdem sind durch die traumatischen Erfahrungen in ihnen starke
38
Gefühle der Angst und Ohnmacht entstanden und sind von dem Gefühl bestimmt, an
keinem Ort mehr sicher sein zu können (vgl. Gahleitner/Loch/Schulze 2012: 31).
Aus diesem Grund müssen SozialarbeiterInnen ihnen Hilfen an die Hand geben, die
den umF dabei helfen ihren Alltag zu bewältigen (Hargasser 2014: 234). Dies kann
geschehen, indem der/die SozialarbeiterIn die umF über ihre Rechte und das
Asylverfahren aufklären, Werte- und Normvorstellungen erklärt und sie bei
Behördengängen begleitet. Außerdem ist es wichtig, ihnen dabei zu helfen wieder
ordnende Strukturen in ihrem Leben aufzubauen. Dies kann durch Etablierung von
Routinen und Ritualen geschehen, z.B. in dem ein regelmäßiger Gruppenabend und
Freizeitaktivitäten etabliert werden (vgl. Schulze 2012: 131ff.). Diese innere Sicherheit
und Ordnung hilft ihnen, wieder neu Vertrauen in ihre Umwelt zu fassen und das Gefühl
zu bekommen, dass ihre Lebenswelt Bestand hat. Dabei können Freizeitaktivitäten
zum einen das Zusammengehörigkeitsgefühl der umF untereinander stärken, zum
anderen die Integration in die Aufnahmegesellschaft fördern, indem sie z.B. Anschluss
an einen Verein finden. Positive Beziehungserfahrungen mit Gleichaltrigen ist ein
weiterer wichtiger Resilienzfaktor für die umF (Wustmann 2004: 116).
Zu beachten ist, dass die Unterstützungsangebote auf eine Verselbstständigung der
Jugendlichen hinführen sollten. In der Regel endet die Jugendhilfe mit Vollendung des
18. Lebensjahres. Das Jugendamt ist nun nicht mehr zuständig für sie und auch die
Vormundschaft endet (Noske 2015: 23ff.). Wichtige Ansprechpartner, die davor bei
allen Problemen bereit gestanden haben, fallen nun weg. Wurden die umF nicht
ausreichend auf das Leben danach vorbereitet, kann die Entlassung aus der
Jugendhilfeeinrichtung zu einer Retraumatisierung führen, da dies Gefühle der
Ohnmacht und Hilfslosigkeit in ihnen hervorrufen kann (ebd.). Neben der
alltagspraktischen Vorbereitung sollten die umF auch darüber informiert werden, an
welchen Stellen sie sich bei bestimmten Problemlagen wenden können (ebd.). Falls
der Jugendliche noch nicht ausreichend stabilisiert wurde, sollte die Verlängerung der
Jugendhilfemaßnahme beantragt werden. Ob dies aber genehmigt wird, hängt vom
zuständigen Jugendamt ab und ist somit außerhalb des Entscheidungsspielraums der
BetreuerInnen (ebd.). Unter diesem Aspekt sollte über Paten- oder Mentorenprojekte
nachgedacht werden, die für die umF zu einer beständigen Bezugsperson werden und
ihnen auch nach Ende der Jugendhilfe zur Seite stehen können (ebd.).
39
4.4 Ressourcenorientierung
Der Blick auf die Ressourcen der umF ist von großer Bedeutung, da das
Selbstwertgefühl von traumatisierten Menschen stark beschädigt wurde und sie dazu
neigen, nur die Seite ihrer Persönlichkeit zu zeigen, die von Leid und Trauer besetzt
ist (vgl. Kruse 2002: 89). SozialarbeiterInnen sollten in der Arbeit mit umF den Blick
weniger auf ihre Defizite und stärker auf ihre Ressourcen richten. Diese haben durch
ihre traumatischen Erlebnisse Fähigkeiten entwickelt, um bedrohliche Situation
überhaupt erst überstehen zu können (vgl. Schulze 2012: 118), z.B. eine innere Stärke
durch die ihre Flucht aus dem Heimatland nach Deutschland erst gelungen ist. Die
Aussage eines ehemaligen Kindersoldaten bringt deutlich zum Ausdruck, dass seine
Hoffnung das einzige war, was ihn angetrieben hat, die schwierigen Situationen
durchzustehen:
,Ich denke, um die härteste Situationen durchzustehen, ist die einzige Sache, an die
du immer denken kannst, die Hoffnung. Und wenn du sie nicht hast, bist du nicht mehr.
(…) Das war es was mich angetrieben hat.' (Zito 2009: 53)
Es gilt, diese Überlebensstrategien der umF wertzuschätzen und ihnen bei negativen
Gedanken aufzuzeigen, dass sie in der Vergangenheit schon viel geschafft haben
(Scherwath/Friedrich 2012:97). Indem SozialarbeiterInnen den Blick auf die
Fähigkeiten und Stärken der umF richten, können sie den Jugendlichen helfen, ihren
Blick auf die Gegenwart zu lenken und nicht nur die vergangenen traumatischen
Ereignisse zu sehen.
Außerdem unterstützt eine ressourcenorientierte Haltung die Stärkung des
Selbstvertrauens (ebd., 96), welches einen weiteren Schutzfaktor darstellt (vgl.
Wustmann 2004: 115). Dies kann z.B. durch einen Ressourcencheck geschehen
(Scherwath/Friedrich 2012: 99), indem versucht wird die Stärken des Jugendlichen in
verschiedenen Kontexten zu erschließen. Im Beispiel der zwei Jugendlichen aus
meinem Fallbeispiel sollte dies mithilfe eines Dolmetschers in ihrer Muttersprache
durchgeführt und visuell aufgezeigt werden z.B. in Form einer Hand (siehe Anhang 1).
Zur Ressourcenorientierung gehört auch die Erschließung des sozialen Netzwerkes
der umF, also wo sie in ihrem Umfeld Unterstützung bei der Bewältigung ihrer
Probleme erfahren können (vgl. Kruse 2002: 88). Dies könnte im Fallbeispiel der
Anschluss an eine Community aus ihrem Heimatland Eritrea sein, die eine Verbindung
zum Alten herstellt und gleichzeitig eine Brücke zur Aufnahmegesellschaft bietet. Auch
40
der Anschluss an eine christliche Gemeinde kann ihnen dabei helfen, ihre aktuelle
Situation besser zu bewältigen, da der Glaube ebenfalls einen wichtigen
Resilienzfaktor darstellt (Wustmann 2009: 115).
4.5 Interdisziplinäre Vernetzung und Kooperation
Langfristige und nachhaltige Zukunftsperspektiven tragen wesentlich zur
Stabilisierung von umF bei. Dabei sind ein sicherer Aufenthaltsstatus und der Zugang
zu Schule, Ausbildung und Arbeit von großer Bedeutung (Noske 2015: 3). Da die
SozialpädagogInnen in den Jugendhilfemaßnahmen dies nicht alleine erreichen
können, ist eine interdisziplinäre Vernetzung und Kooperation mit den
unterschiedlichen Stellen wichtig. Wie in der folgenden Abbildung aufgezeigt, sollte
dies auf möglichst unterschiedlichen Ebenen erfolgen:
Abb. 5 Interdisziplinäre Vernetzung und Kooperation (Hargasser 2014: 237)
Exemplarisch sollen hier einige wichtige Kooperationen aufgezeigt werden:
Für den Erhalt eines sicheren Aufenthaltsstatus ist eine enge Zusammenarbeit mit
Rechtsanwälten, die auf Asylrecht spezialisiert sind wichtig, da diese den umF –
spätestens mit Vollendung des 18. Lebensjahres – darin unterstützen können, ihren
41
Aufenthalt im Aufnahmeland zu sichern (Hargasser 2014: 234). Des Weiteren kann
so eine Weitervermittlung von Basiswissen in Asyl- und Ausländerfragen an die
BetreuerInnen geschehen (ebd.).
Die enge Zusammenarbeit mit Schulen, Ausbildungsorten, Dolmetschern und
Freiwilligen stellt im Kontext von Spracherwerb, Schulbildung und Ausbildung eine
große Rolle dar. So können Freiwillige den umF durch Sprachkurse oder
Tandemprogramme helfen, die Landessprache zu lernen und stellen gleichzeitig ein
Berührungspunkt zur Aufnahmegesellschaft dar.
Eine enge Zusammenarbeit mit den LehrerInnen und AusbilderInnen wirkt sich positiv
auf die Stabilität und Leistungsfähigkeit der Jugendlichen aus, da so durch einen
Informationsaustausch frühzeitig Problemen vorgebeugt und Lösungsstrategien
entwickelt werden können (Hargasser 2014: 235f.). Außerdem können die
BetreuerInnen den LehrerInnen und AusbilderInnen dabei helfen, die Lebenssituation
der minderjährigen Flüchtlinge besser zu verstehen.
Auch eine enge Kooperation mit Vormund und Jugendamt stellt eine wichtige
Komponente dar, da die BetreuerInnen oft näher am Alltagsgeschehen sind und daher
wichtige Ansatzpunkte für weitere Hilfemaßnahmen liefern können (ebd.).
Im Kontext der traumatischen Erfahrungen der umF ist außerdem eine zeitnahe
psychologische Versorgung durch Psychotherapeuten wichtig (ebd.). So wäre es für
die beiden Jungs aus meiner Fallgeschichte sehr hilfreich, ihre Alpträume und
Schuldgefühle in einer Psychotherapie bearbeiten zu können. Aber auch um eine
Sekundäre Traumatisierung12 der SozialpädagogInnen vorzubeugen, ist
Psychohygiene unabdingbar (Scherwath/Friedrich 2012: 196). Dies sollte in Form von
einer regelmäßigen Supervision im Team - bei Bedarf auch in Einzelsupervision –
geschehen (ebd.).
12 Zu einer sekundären Traumatisierung kann es kommen, wenn professionelle HelferInnen mit
traumatisierten Menschen zusammenarbeiten (Scherwath/Friedrich 2012: 179). Durch das enge Beschäftigen mit den Erfahrungen besteht die Gefahr selber traumatypische Symptome wie z.B. Angstzustände, Flashbacks zu entwickeln.
42
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für die Verbesserung der psychosozialen Situation
der beiden Jungs folgende Unterstützungsmaßnahmen eingeleitet werden sollten:
- Unterstützung beim Erwerb der Landessprache (Deutsch bzw. Spanisch), um sich
besser im Alltag zurecht zu finden und mit anderen Personen in Kontakt zu treten.
Dadurch wird ihr Gefühl der Isolation abgebaut.
- Besuch einer Schule, um ihnen Zukunftsperspektiven zu eröffnen und ihren
Aufenthalt im Land zu sichern.
- Ihnen Orientierung über ihre rechtliche Situation im Aufnahmeland geben.
- Unterstützung geben, um Anschluss an eine Community aus ihrem Heimatland bzw.
aus anderen afrikanischen Ländern zu finden. Außerdem Anschluss an eine
christliche Gemeinde. In diesen können sie Unterstützung und ein
Zusammengehörigkeitsgefühl erfahren.
- Vermittlung in eine Psychotherapie, in der erfahrenes Leid bearbeitet werden kann.
- Ermittlung ob weitere Familienangehörige sich im Aufnahmeland befinden. Falls ja,
sollte eine Kontaktaufnahme hergestellt werden.
- Da eine Rückkehr in ihr Heimatland sich als sehr gefährlich herausstellt, sollte über
eine Familienzusammenführung im Aufnahmeland nachgedacht werden.
5. Empirische Untersuchung
In den vorangegangenen Kapiteln wurde durch die Literaturrecherche dargelegt, in
welcher Ausgangssituation sich umF widerfinden und wie Soziale Arbeit die
Jugendlichen in der Aufarbeitung ihrer traumatischen Erfahrungen unterstützen kann.
Dabei war das Anliegen dieser Bachelorarbeit einen Vergleich bezüglich
sozialpädagogischer Unterstützungsmöglichkeiten im Umgang mit traumatischen
Erfahrungen der umF zwischen Deutschland und Spanien herzustellen. Es hat sich
jedoch als schwierig herausgestellt aktuelle Literatur über die Gestaltung der Praxis in
Spanien und Deutschland zu finden, da dieses in der sozialen Arbeit noch einen jungen
Arbeits- und Forschungsbereich darstellt. Um jedoch Antworten auf meine
Forschungsfrage und neue Erkenntnisse aus der Praxis zu erhalten, bot sich die
Durchführung von Experteninterviews als qualitatives Forschungsinstrument an (vgl.
43
Bogner/ Littig/Menz 2014). Dieses ist von einer offenen und einer dialektischen
Herangehensweise gekennzeichnet (vgl. Lamnek 1988: 258f.).
5.1 Methodisches Vorgehen
In der vorliegenden Arbeit wähle ich systematisierende Experteninterviews, da diese
den Fokus auf die umfassenden Erhebung des Sachwissens der Experten, in diesem
Falle den SozialpädagogInnen, die mit umF arbeiten legt (Bogner/Littig/Menz 2014:
24). Die befragende Person wird dabei in ihrer Funktion als ExpertIn für bestimmte
Handlungsfelder angesehen (vgl. Mayer 2008: 38). Sein/ihr Wissen bezieht sich auf
einen klar definierten Wirklichkeitsausschnitt, in dem der/die ExpertIn nicht als
Einzelfall sondern als RepräsentantIn in die Untersuchung miteinbezogen wird (ebd.).
In meiner Untersuchung möchte ich die sozialpädagogischen
Unterstützungsmöglichkeiten für umF erfragen.
Im Folgenden wird die Durchführung des Experteninterviews näher erläutert.
5.1.1 Erstellung des Interviewleitfadens
Zu Beginn der empirischen Untersuchung war es für die Wahrung der
wissenschaftlichen Standards erforderlich einen Leitfaden zu konstruieren. Dieser
diente zur inhaltlichen Vorbereitung und Unterstützung in der Interviewsituation
(Bogner/Littig/Menz 2014: 27ff.). Da es sich bei Experteninterviews nicht um etwas
Statisches handelt, dienen die Fragen nur als Faden in der Gesprächssituation. So
kann es in der Interviewsituation vorkommen, dass Fragen nicht mehr gestellt werden
müssen, da sie von dem/r ExpertIn bereits bei vorangegangen Fragen beantwortet
wurden.
Nachdem ich in Kapitel vier die sozialpädagogischen Unterstützungsmöglichkeiten für
umF dargelegt habe, entwickelte ich mithilfe dieser Erkenntnisse vier Hauptfragen, die
ich thematischen Blöcken zuordnete und ergänzenden Nachfragen (siehe Anhang 2).
Dabei formulierte ich die Hauptfragen möglichst offen, so dass diese viele Anreize zum
Erzählen bieten können. Die Nachfragen dienten mir zur Detaillierung der
Schilderungen der Befragten.
Mithilfe eines Pretests, den ich mit einer Sozialpädagogin durchführte, welche in einer
Einrichtung mit umF arbeitet, wurde der Leitfaden hinsichtlich seiner Präzision getestet
und im Anschluss neu überarbeitet.
44
5.1.2 Auswahl der Experten
Bei der Auswahl der Experten galt es zuerst festzulegen, wer sich dafür als geeignet
erweist. Dabei wird laut Mayer ein Experte als jemand definiert
„der auf einem begrenzten Gebiet über ein klares und abrufbares Wissen verfügt. Seine
Ansichten gründen sich auf sichere Behauptungen und seine Urteile sind keine bloße Raterei
oder unverbindliche Annahmen.“ (Mayer 2008:41)
Dabei war geplant jeweils eine/n SozialpädagogIn in Deutschland und eine/n in
Spanien zu befragen, die in einer Einrichtung mit umF tätig sind und seine/ihre
Erfahrungen bezüglich der sozialpädagogischen Unterstützungsmöglichkeiten
darlegen können. Ein Auswahlkriterium war es deshalb, ExpertInnen zu finden, die in
einer Betreuungseinrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge arbeiten und
bereit sind, mir Auskunft über ihre dortige Arbeit zu geben. Dabei stellen die
ExpertInnen bei der Befragung Repräsentanten ihrer Organisation dar, die über
Fachwissen im Umgang mit umF verfügen, da sie sich dieses durch Studium und
Berufspraxis angeeignet haben.
Leider konnte ich das Experteninterview in Spanien nicht durchführen, da es mir nicht
gelang an eine/n passende/n InterviewpartnerIn heranzukommen. Dies lag daran,
dass eine versuchte Kontaktaufnahme aufgrund der räumlichen Distanz nur über E-
Mail erfolgte. Die zunächst ausgewählte Interviewpartnerin stellte sich im Laufe des
Interviews jedoch als nicht geeignet dar, da Ihre Einrichtung derzeit keine minderjähri-
gen umF betreute. Ein/e neue/r InterviewpartnerIn konnte leider nicht gefunden wer-
den. Wie in Punkt 2.3.2 dargelegt wurde, gibt es in Spanien weniger umF, weshalb
auch weniger Einrichtungen in diesem Feld tätig sind.
Für Deutschland konnte jedoch der Kontakt zu einer Sozialpädagogin hergestellt
werden, die seit drei Jahren mit umF als Sozialpädagogin tätig ist und bereits während
ihres Studiums Erfahrungen mit Flüchtlingen sammeln konnte. Sie arbeitet seit über
einem Jahr in einer teilstationären Einrichtung für umF in einer Stadt in Deutschland
.
5.1.3 Dokumentation des Experteninterviews
Aus zeitlichen Gründen wählte ich einen Anruf über Skype als Medium zur
Durchführung des Interviews. Als Vorteile sind vor allem die Zeit- und
45
Kostenersparnisse zu sehen sowie eine höhere Flexibilität (vgl. Gläser/Laudel
2009:153). Damit gehen aber auch einige Nachteile einher, da man die Situation in der
sich die Gesprächspartner befinden nicht beeinflussen kann, wodurch
Nebentätigkeiten und Störungen nicht vermieden werden können (ebd.). Das
Gespräch wurde nach Einwilligung der Interviewpartnerin und Zusicherung ihrer
Anonymität bei der Auswertung mithilfe eines heruntergeladenen Programmes
aufgezeichnet.
5.1.4 Auswertung
Bei der Auswertung der Experteninterviews bietet sich die zusammenfassende
qualitative Inhaltsanalyse an, die zum Ziel hat
„das Material so zu reduzieren, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben, durch Abstrak-
tion einen überschaubaren Corpus zu schaffen, der immer noch Abbild des Grundmaterials
ist.“ (Mayring 2010: 65)
Dies bietet sich an, da nicht alle Aspekte die im Interview genannt wurden auch rele-
vant für die Beantwortung der Forschungsfrage sind.
Ich orientierte mich dabei an dem fünfstufigen Auswertungsverfahren das Bogner,
Littig und Menz (2014) in ihrem Buch Interviews mit Experten darstellen.
Fragestellung und Materialauswahl
Zuerst muss die Fragestellung und Frageperspektive unter der man den Interviewtext
lesen möchte, festgelegt werden (vgl. Bogner/Littig/Menz 2014: 72ff.). Im Fall dieser
Arbeit war dies wie die in Kapitel 4 herausgefundenen sozialpädagogischen
Unterstützungsmöglichkeiten in Bezug auf die traumatischen Erfahrungen der umF in
die Praxis umgesetzt werden können. Es gilt also in dem aufgenommen Interview
herauszufinden, welche Aspekte für die Beantwortung dieser Frage relevant sind und
welche nicht.
Aufbau eines Kategoriensystems
Als zweiter Schritt werden verschiedene Kategorien entwickelt, anhand derer der
Interviewtext auf relevante Informationen hin untersucht wird (ebd.). Die einzelnen
Kategorien bilden in dieser Arbeit die Punkte 4.1 – 4.5, da diese mithilfe von
46
Literaturrecherche eine Antwort auf die Forschungsfrage bilden. Zusätzlich dazu
wurden die Kategorien „Wünsche für die Zukunft“ sowie „Grenzen in der Arbeit mit
umF“ hinzugefügt.
Extraktion
In diesem Schritt wird das Interview auf relevante Informationen hin untersucht, die
den davor gebildeten Kategorien zugeordnet werden (ebd.).
Aufbereitung der Daten
Hier geht es um die Verbesserung der davor gewonnen Daten, indem
zusammenhängende Informationen komprimiert werden und überflüssige gekürzt
werden (ebd.). Auch wurde vorhandener Dialekt und grammatikalische Fehler
behoben, sowie in Schriftdeutsch umgewandelt. Dies galt vor allem für die
Interviewausschnitte, die als direktes Zitat in die Auswertung miteinbezogen werden
sollten.
Auswertung
Im letzten Schritt werden durch die aufbereiteten Daten die Ergebnisse des Interviews
dargestellt (ebd.).
5.2. Darstellung der Ergebnisse
Das Interview wurde am 21.10.2015 über Skype durchgeführt und dauerte 65 Minuten.
Bei der Einrichtung, in der die Interviewpartnerin tätig ist, handelt es sich um eine
teilstationäre Einrichtung, in der im Moment 15 umF (12 männliche und 3 weibliche) in
4 Wohngemeinschaften untergebracht sind. In der Regel kommen die Jugendlichen
nach einer vollstationären Betreuung in die Einrichtung, nachdem sie schon ein
gewisses Maß an Selbstständigkeit erreicht haben.
Da es nicht möglich war, mehrere Experteninterviews zu führen, stellen die hier
vorgestellten Ergebnisse nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit dar.
Dementsprechend kann in dieser Arbeit nur darauf eingegangen werden, auf welche
Art und Weise die SozialpädagogInenn in der vorgestellten Einrichtung mit umF
arbeiten. Außerdem spielt die subjektive Wahrnehmung der Interviewpartnerin eine
Rolle, da diese durch ihre persönlichen Erfahrungen geprägt ist. Trotz allem liefert das
Fachwissen der Interviewpartnerin wichtige Erkenntnisse über sozialpädagogische
47
Unterstützungsmöglichkeiten in der Praxis. Daher wird im Folgenden auf die einzelnen
Erkenntnisse eingegangen, die durch das Experteninterview gewonnen und den
einzelnen Kategorien zugeordnet wurden.
Darbietung eines sicheren Ortes
Durch den teilstationären Charakter der Einrichtung können sich die Jugendlichen ihre
Tagesstruktur flexibel gestalten und anders als in der Vollbetreuung, gibt es keinen
festen Tages- und Wochenplan. Es gibt jedoch feste Putzdienste und Regeln sowie
Restriktionen bei brechen der Regeln z.B. bezüglich des Nichtputzen, Schule
schwänzen oder Rauchen im Zimmer. In den WGs selber sind jeweils vier männliche
bzw. drei weibliche Jugendliche untergebracht. Durch die kleinen Wohneinheiten kann
eine vertrauensvolle Atmosphäre untereinander entstehen. In den wöchentlichen WG-
Meetings werden organisatorische, hauswirtschaftliche und soziale Angelegenheiten
zusammen mit der/dem verantwortlichen SozialpädagogIn besprochen. Dadurch
entsteht ein transparenter Umgang und ein vertrauensvolles Klima, da mithilfe der
SozialpädagogInnen bestehende Konflikte in der Gruppe geklärt werden können sowie
das Wohlbefinden der Einzelnen und der Gruppe erfragt werden kann. Die
wöchentlichen Treffen sind vor allem in Anbetracht ihrer traumatischen Erfahrungen
von großer Bedeutung, da diese den Jugendlichen Sicherheit bieten.
„Einmal wöchentlich hat jede WG ein Meeting. Da werden Dinge besprochen die in der
Wohnung zu tun sind. Also nicht nur organisatorische und hauswirtschaftlichen Dinge werden
angesprochen, sondern auch soziale Dinge, also wie es mit den Jugendlichen läuft, ob es
Probleme in der WG gibt und wenn halt was auftaucht wird es thematisiert“ (16:11-16:38)
Ein weiterer Punkt der den umF hilft wieder neu Sicherheit zu erlangen ist mindestens
eine vertrauensvolle und verlässliche Beziehung zu einer Person, welches einen
wichtigen Resilienzfaktor darstellt (Fischer/Riedesser 2009: 160). Dies geschieht
indem jedem Jugendlichen ein/e BezugsbetreuerIn zugeteilt wird, welche/r der/die
Fallverantwortliche ist und mit allen wichtigen Stellen z.B. dem Jugendamt und
Vormund Kontakt hält. Mit dieser/diesem hat er/sie mindestens zweimal wöchentlich
ein Treffen zur Klärung notwendiger Aufgaben und Probleme. Da in der Einrichtung
die Selbstständigkeit der umF gefördert werden soll, ist die Beziehung mit den
Jugendlichen eher von einer Komm-Struktur geprägt. Von ihnen wird verlangt bei
Besprechungsbedarf auf die BetreuerInnen zuzugehen.
48
Ermöglichung von positiven Beziehungserfahrungen
Die Interviewpartnerin gibt an das ihr in der Beziehungsgestaltung mit den
Jugendlichen ein ehrlicher und direkter Umgang sehr wichtig ist. Dabei gehört für sie
Spaß genauso dazu wie das Aufzeigen von Grenzen.
“Ich mach einfach auch unglaublich viel Schmarrn mit den Jugendlichen […], aber es gibt
auch bestimmte Dinge die gehen nicht und da bin ich ganz klar und leg die Karten auf den
Tisch.“ (39:30-40:01)
Für sie ist es wichtig, dass sich die Jugendlichen so angenommen fühlen, wie sie sind.
Die Kraft dafür schöpft sie aus ihrem persönlichen Glauben.
„Also ich glaube schon das ich es hinbekomme, dass sie sich bei mir relativ wohl fühlen. Und
irgendwie kommt das auch ein bisschen aus dem raus was ich mit Jesus erlebe. Ich mein er
nimmt mich auch so an wie ich bin und das ist auch das was ich versuchen möchte
weiterzugeben.“ (54:11-54:36)
Für die Interviewpartnerin ist es nicht schwierig mit Widersprüchlichkeiten in den
Geschichten der Jugendlichen zurecht zu kommen. Für sie gibt es in der Arbeit eine
offizielle Geschichte, die vom Jugendamt und Bundesamt vermittelt wurde und die sie
in der Kommunikation mit amtlichen Stellen benutzt. Auf der zwischenmenschlichen
Ebene ist es ihr wichtig, dass die Jugendlichen spüren, dass sie ihr alles erzählen
können. Dies ist ihr so wichtig, da sie glaubt, dass viele von den umF, um ihren
Aufenthalt in Deutschland zu sichern, sich eine Geschichte ausdenken, die den
Anforderungen des Asylsystems gerecht werden.
„Ich persönlich finde es wichtig weil die Jugendlichen quasi mit einer gelogenen Geschichte
kommen. Die müssen die ganze Zeit eine falsche Identität aufrechterhalten und das finde ich
schrecklich, weil du einfach nicht du selbst sein kannst, geschweige denn du musst dein Selbst
leugnen.“ (52:18-52:44)
Viele umF belastet die fehlende Gewissheit über ihre Zukunft in Form einer
Aufenthaltsgenehmigung psychisch sehr:
„Also gerade einer meiner Jungs ist dadurch sehr belastet. Der hat voll die Schlafstörungen
und der nimmt zwei verschiedene Psychopharmaka und das hängt auf alle Fälle damit
zusammen weil seine Zukunft quasi in der Luft hängt. Wenn der einen Aufenthalt bekommen
würde, dann würde der sich voll entspannen.“ (01:07:56-01:08:18)
49
Da die SozialpädagogInnen keinen Einfluss auf die Sicherung des Aufenthaltes haben,
bleibt ihnen als einzige Möglichkeit eine Stabilisierung und Beruhigung der
Jugendlichen durch viele Gespräche über ihre jetzige Situation. Der Interviewpartnerin
ist es wichtig, den umF ihre momentanen Chancen aufzuzeigen und sie dazu
motivieren, diese bestmöglich zu nutzen. Dadurch geschieht ein Zurückholen in das
Hier und Jetzt. Die Interviewpartnerin merkt jedoch auch an, dass es ihr wichtig ist,
realistisch zu sein und den Jugendlichen keine falschen Versprechungen zu machen
z.B. bezüglich des Erhalts ihres Aufenthaltstitels.
Die positiven Beziehungserfahrungen können dazu führen, dass die Jugendlichen neu
Vertrauen in andere Personen gewinnen. Dies ist vor allem in Bezug auf die
Behandlung durch einen Psychologen wichtig, da viele Jugendliche am Anfang sehr
misstrauisch diesem gegenüber sind. Hier stellen die SozialpädagogInnen eine Art
Brücke dar, die den Jugendlichen helfen, sich auf die für sie ungewohnte Behandlung
einzulassen.
I: „Dann erkläre ich den Jugendlichen dass es einen Arzt für das Herz und einen Arzt für den
Kopf gibt. Es ist meistens ein sehr schwerer Prozess die Jugendlichen dazu zu bringen sich
zum Psychologengespräch einzulassen. Gerade afrikanische Jugendliche haben da oft sehr
Angst davor, da sie denken das es ihnen schadet.“ (24:36-24:58)
Im Umgang mit den unterschiedlichen Kulturen gibt die Interviewpartnerin an, dass
ihr einjähriger Auslandsaufenthalt in Afrika sehr dabei hilft, die Jugendlichen besser
zu verstehen. Weiter ist ihr ein offener und interessierter Umgang mit den Kulturen
wichtig. Auch sieht sie sich in ihrer Arbeit als ein Kulturdolmetscher, der den
Jugendlichen dabei hilft, Unterschiede in Deutschland zu verstehen und zu
akzeptieren.
I: „Ich versuche ihnen zu erklären dass es halt anders ist in vielen Dingen. Ich sage dann halt
sie müssen ja auch nicht alles mögen oder gleich machen aber sie müssen akzeptieren das
es hier so ist und sie müssen sich daran gewöhnen. Weil sonst funktioniert das nicht“ (57:36-
57:54)
In der Einrichtung besteht die Möglichkeit der Fortbildung, wofür jährlich 200€ zur
Verfügung gestellt werden. Dies wurde von der Interviewpartnerin bereits in diesem
Jahr genutzt, um eine traumaspezifische Fortbildung zu besuchen.
Hilfestellung bei alltäglichen Angelegenheiten
50
Der Alltag der umF gestaltet sich sehr flexibel, jedoch werden immer wieder Aktionen
organisiert z.B. Geburtstagsfeiern der Jugendlichen oder Ferienfreizeiten. Auch wird
versucht alle zwei Wochen eine Gruppenaktion anzubieten, welches jedoch nicht als
feste Regel in der Einrichtung vorherrscht. Wie schon oben erwähnt ist die
Selbstständigkeit in der Einrichtung sehr wichtig. Aus diesem Grund sind die
Jugendlichen selber für Kochen, Wäsche waschen und Aufstehen verantwortlich.
Der Interviewpartnerin ist es außerdem sehr wichtig die Jugendlichen auf ihr Leben
außerhalb der Jugendhilfe vorzubereiten, indem sie ihnen aufzeigt welche
Aufwendungen hinter den einzelnen Leistungen stecken. Diese Maßnahmen dienen
als Vorbereitung für die Verselbstständigung der umF nach der Jugendhilfe, die in der
Regel mit Vollendung des 18. Lebensjahres endet. Dafür nennt die Interviewpartnerin
die Wichtigkeit einer Ausbildungsstelle, da sie dann in der Regel in Deutschland
bleiben können.
I: „Ich versuche sie halt zu motivieren das sie das Jetzt nutzen und das sie halt so viel wie
möglich machen. Umso besser sie in der Schule sind und umso schneller sie schulisch
vorankommen, umso bessere Chancen haben sie auch. Wenn die erst einmal in der
Ausbildung sind werden die nicht mehr weggeschickt.“ (01:08:47-01:09:05)
Eine Entlassung aus der Einrichtung geschieht, wenn die Jugendlichen nur noch wenig
Betreuung benötigen und soweit psychisch stabil sind. Ist dies mit Vollendung des 18.
Lebensjahres noch nicht geschehen, kann der Verbleib in der Einrichtung bis zum 21.
Lebensjahr ausgeweitet werden.
Ressourcenorientierung
Für die Gestaltung der Freizeit sind hauptsächlich die BezugsbetreuerInnen
zusammen mit den Jugendlichen zuständig, die schauen, wo ihre Interessen liegen
und sie unterstützen, diesen nachzugehen.
Außerdem helfen die BetreuerInnen den Jugendlichen ein soziales Netzwerk
aufzubauen, falls sie dieses noch nicht besitzen Dabei kommen einige Jugendliche
besser mit der freien Struktur der Einrichtung zurecht, wohingegen andere sich mehr
Unterstützung von den SozialpädagogInnen wünschen. Die Interviewpartnerin führt
dies auf die individuellen Bedürfnisse der Jugendlichen zurück, denen es
unterschiedlich leicht fällt sich selbstständig ein neues Leben aufzubauen.
51
I: „Da gibt es halt immer die Jugendlichen die ganz schnell Leute kennen lernen oder
Jugendliche die total fokussiert sind, die sich selber Sachen suchen wo sie sich engagieren
können und was Neues lernen. Und dann haben wir halt auch Jugendliche die den ganzen Tag
da sitzen und mit dem Handy spielen. Wir haben auch von der intellektuellen Ebene ganz
unterschiedliche Jugendliche.“ (35:28-35:59)
Interdisziplinäre Vernetzung und Kooperation
In der Einrichtung gilt der Besuch eines Deutschkurses, einer Schule oder einer
Ausbildungseinrichtung als Pflicht. Dabei sind die Jugendlichen selber für den Besuch
zuständig. Fällt den Betreuern jedoch auf, dass ein Jugendlicher öfters in der Schule
fehlt, wird dies in den Betreuungsgesprächen zum Thema gemacht. Die
Interviewpartnerin gibt weiter an, dass es im Team eine einheitliche Linie gibt, wie mit
Schulschwänzen umgegangen wird.
„Also natürlich gibt es welche die ab und zu gerne die Schule schwänzen. Aber da gibt es dann
höchstens zwei ordentliche Betreuungsgespräche und dann läuft es. […] Wir sind da alle
ziemlich ähnlich eingestellt und sind alle relativ gleich streng. Da gibt es keine Diskussion, also
entweder du bist krank und gehst zum Arzt und liegst im Bett oder du gehst in die Schule.“
(30:09-32:10)
Die Zusammenarbeit mit Dolmetschern stellt sich als sehr wichtig heraus, vor allem
bei Jugendlichen die noch nicht so lange in Deutschland leben. Jedoch gibt es, anders
als in der Erstaufnahme, ein finanzielles Budget von 300€ pro Jugendlichen. Da ein
Dolmetschergespräch ungefähr 50€ kostet, sind dies höchstens 6 Dolmetscher-
Gespräche. Bei wichtigem Bedarf kann - falls das Budget bereits aufgebraucht ist –
ein Nebenkostenantrag beim Jugendamt gestellt werden.
In der Stadt, in der die Einrichtung tätig ist, gibt es ein Netzwerk von Freiwilligen. Diese
sammelt BürgerInnen die sich gerne engagieren möchte und vermittelt sie an andere
Stellen weiter. Eine Mitarbeiterin der Einrichtung ist als Kontaktperson tätig und
besorgt bei Bedarf eine geeignete Person aus dem Netzwerk.
Benötigt ein Jugendlicher psychologische Betreuung geschieht die Weitervermittlung
durch eine Überweisung des Hausarztes. Sie gibt an das viele umF Psychopharmaka
nehmen, um besser schlafen zu können und bei vielen eine Weitervermittlung möglich
ist.
52
I: „Auf alle Fälle gibt es ganz viele Jugendliche die man therapeutisch anbinden kann und es
gibt auch ganz viele Jugendliche die Psychopharmaka nehmen damit sie schlafen können.“
(25:05 -25:12)
Die Fallbesprechungen im Team stellen sich als sehr wichtig heraus, da sich die
Interviewpartnerin mit den Problemen ihrer Bezugsjugendlichen nicht alleine gelassen
fühlt. Außerdem ist es für sie hilfreich eine andere Perspektive auf einen Fall zu
bekommen. Des Weiteren wirkt sich eine Besprechung im Team positiv auf die
Entlastung aus, was wichtig für die persönliche Psychohygiene ist.
„Dann sind das so Sachen, wo du weißt kann ich das alleine tragen oder muss ich das im Team
erzählen? Und da gibt es schon persönlich für mich eine Grenze. Es gibt Sachen, die kann ich
für mich behalten und es gibt Sachen die kann ich nicht für mich behalten.“ (46:58-47:15)
„Wenn es z.B. darum geht irgendwas zu entscheiden oder wenn man gerade Schwierigkeiten
mit einem Jugendlichen hat kann man das zusammen im Team einbringen und dann sagt halt
jeder von meinen Kollegen wie sie diese Situation wahrnehmen und was er mir raten würde zu
tun.“ (01:12:12-01:12:27)
Grenzen in der Arbeit mit umF
Für die Interviewpartnerin stellt es sich manchmal als schwierig heraus, ein gesundes
Verhältnis zu finden, um einerseits die Jugendlichen darin zu unterstützen ihre Zukunft
positiv zu gestalten, und andererseits deren Eigenverantwortlichkeit zu akzeptieren.
„Ok ich kann mir das zu einem gewissen Grad wünschen das er das alles schafft und ich kann
das auch mit ihm erarbeiten. Aber im Endeffekt muss ich auch akzeptieren, dass es quasi fast
erwachsene Menschen sind und dass ich da auch nur begrenzt mit ihm daran arbeiten kann.
Aber das ich letzten Endes nicht dafür verantwortlich bin das er es wirklich schafft.“ (01:11:24-
01:11:45)
Wünsche für die Zukunft
Für die Zukunft wünscht sich die Interviewpartnerin, das sich das BAMF eine
Einschätzung von den Sozialarbeitern holt die mit Flüchtlingen zusammen arbeiten,
da diese ihrer Meinung nach, oft einen realistischen Blick auf ihre Lebenssituation hat.
Außerdem wünscht sie sich, dass die Jugendlichen die deutsche Kultur kennen lernen
und in die Gesellschaft integriert werden z.B. in Form von Patenschaften.
„Ich sehe schon dass das wichtigste ist das die wirklich die deutsche Kultur kennen lernen
müssen und die Leute brauchen die sie mit reinnehmen in das Ganze […]Also so Patenschaften
53
wo man die wirklich mit in die Familien reinnimmt das wäre so gut, weil dann sehen sie was es
heißt in Deutschland zu leben“ (01:17:05-01:17:46)
5.3 Diskussion der Ergebnisse
Abschließend lässt sich sagen, dass es in der Einrichtung viele
Unterstützungsmöglichkeiten gibt auf die traumatischen Erfahrungen der Jugendlichen
einzugehen. So ist vor allem der wertschätzende und offene Umgang der
Interviewpartnerin mit den Jugendlichen von großer Bedeutung, da sie dadurch neu
Vertrauen in ihre Umgebung fassen können. Dabei ist gerade auch Offenheit im
Umgang mit den Widersprüchlichkeiten in den Geschichten der Jugendlichen wichtig.
Durch das Experteninterview zeigt sich, dass das System des Bezugsbetreuers ein
sehr wichtiger Bestandteil in der Arbeit mit umF ist. Somit können die BetreuerInnen
auf die individuellen Bedürfnisse und Interessen der Jugendlichen eingehen und sie
darin unterstützen, welches zu ihrer Stabilisierung beitragen.
Die Kooperation z.B. mit Dolmetschern oder Freiwilligen stellt sich ebenfalls als ein
sehr wichtiger Faktor heraus, da so eine Unterstützung der umF auf verschiedenen
Ebenen möglich wird. In diesem Kontext zeigt die Interviewpartnerin deutlich auf, wie
wichtig der Kontakt zu Einheimischen ist, da nur so die umF die Kultur des
Aufnahmelandes kennen lernen und sich integrieren können.
Durch die Vorbereitung der Jugendlichen auf ein Leben nach der Jugendhilfe kann
eine Retraumatisierung bei Entlassung vorgebeugt werden.
54
Fazit
In dieser Arbeit sollte eine Antwort auf die Forschungsfrage gefunden werden, welche
Unterstützungsmöglichkeiten SozialpädagogInnen umF mit traumatischen
Erfahrungen bieten können. Dabei sollten mögliche Unterschiede zwischen Spanien
und Deutschland herausgefunden werden. Diese Forschungsfrage konnte nur
teilweise beantwortet werden, da es aufgrund mangelnder Literatur und fehlender
InterviewpartnerInnen nicht möglich war, herauszufinden, wie sich die
sozialpädagogische Praxis in diesem Feld gestaltet. Daher konnte nur bezüglich der
rechtlichen Situation und den aktuellen Zahlen ein Vergleich zwischen Deutschland
und Spanien hergestellt werden. Dabei stellt die rechtliche Situation nur einen
Ausschnitt dar, da es in diesem Bereich aufgrund der aktuellen Lage zu ständigen
Veränderungen kommt und sich die Wirklichkeit um einiges komplexer darstellt, als in
dieser Arbeit aufgeführt wurde. Zwar gibt es schon einige Ansätze europaweite
Vergleiche bezüglich umF herzustellen, diese beziehen sich aber in den meisten
Fällen nur auf die rechtlichen Ausgangslagen. Bisweilen liegen nur sehr wenige
Forschungsarbeiten vor, die aufzeigen, wie SozialpädagogInnen mit den
traumatischen Erfahrungen der umF umgehen. In Deutschland wurde in diesem Feld
in den letzten Jahren schon mehr geforscht. Außerdem gibt es durch den
„Bundesfachverband für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ einen Verband, der
sich spezifisch für die Rechte dieser Personengruppe einsetzt und aktuelle
Informationen liefert. In Spanien konnte dagegen kein vergleichsweiser Verband
gefunden werden. Auch stammten die meisten Publikationen in Spanien bezüglich
umF aus den Jahren 2008 – 2010. In diesem Feld liegt jedoch ein hoher
Forschungsbedarf vor, da die Situation von umF aufgrund der engen Verknüpfung mit
Gesetzlagen und dem Weltgeschehen einem ständigen Wandel unterworfen ist.
Weiter konnte im Verlauf dieser Arbeit aufgezeigt werden, wie es zu einer
Traumatisierung kommen kann und was die Soziale Arbeit im Bereich der Jugendhilfe
dagegen tun kann. Es wurde deutlich, dass es für SozialpädagogInnen von hoher
Bedeutung ist, Wissen über traumatische Prozesse bei umF zu haben, da dies ihnen
hilft mit der spezifischen Situationen der Jugendlichen umzugehen. Aus diesem Grund
sollten BetreuerInnen, die mit umF arbeiten, traumaspezifische Schulungen erhalten.
Gerade in Anbetracht der Erkenntnisse aus dem Konzept der „Sequentiellen
Traumatisierung“ zeigt sich, wie wichtig eine traumasensible Betreuung der umF ist.
55
Durch das Experteninterview konnten wichtige Einsichten in die sozialpädagogische
Praxis in einer Einrichtung in Deutschland gewonnen werden. Dadurch konnte
aufgezeigt werden, wie die Beziehungsgestaltung mit umF aussehen kann und wo die
Grenzen des sozialpädagogischen Handelns liegen. Da die SozialpädagogInnen
keinen Einfluss auf den Aufenthaltsstatus der umF haben, befinden sie sich in einem
Spannungsfeld zwischen den Anforderungen der Asylpolitik und dem Schutzauftrag
durch die Jugendhilfe. Dieses gilt es auszuhalten und den individuellen Jugendlichen
darin zu unterstützen, das Beste aus ihrer jetzigen Situation zu machen. Durch das
Experteninterview wurde dank der Interviewpartnerin aufgezeigt, wie
SozialpädagogInnen mit diesem Spannungsverhältnis umgehen können.
Dabei ergaben sich weitere Forschungsfragen, die sich lohnen nachzugehen, da sie
in dieser Arbeit nicht ausreichend beantwortet werden konnten.
- Wie können Konzepte in den Einrichtungen verankert werden, die den umF bei
der Aufarbeitung ihrer traumatischen Erfahrungen helfen können?
- Wie kann in Anbetracht der steigenden Flüchtlingszahlen eine traumasensible
Betreuung von umF in den Aufnahmeländern, vor allem in Deutschland
stattfinden? Wie können SozialpädagogInnen auf die spezifische Situation der
umF besser vorbereitet werden?
- Wie kann das Asylsystem so gestaltet werden, dass umF schneller eine
Gewissheit über ihren Aufenthaltsstatus erhalten und somit psychisch entlastet
werden können?
- Was passiert mit den umF, wenn sie volljährig werden? Wie können sie auf das
Leben nach der Jugendhilfe vorbereitet werden?
Im Hinblick auf den Anstieg der Flüchtlingszahlen in Europa gilt es, Strukturen zu
schaffen, die den Rechten und Bedürfnissen der Einzelnen, besonders auch den
unbegleiteten Minderjährigen gerecht werden. Gelingt es der Sozialen Arbeit, sie in
der Aufarbeitung ihrer traumatischen Erfahrungen zu unterstützen, können aus ihnen
gefestigtere Persönlichkeiten erwachsen, die unsere Gesellschaft zum Positiven
mitgestalten. Dabei ist es wichtig, dass dies nicht nur als Aufgabe der Sozialen Arbeit
angesehen wird, sondern als eine gesamtgesellschaftliche. Nur so können Strukturen
auf unterschiedlichen Ebenen geschaffen werden, welche die Integration von
Minderjährigen in die Gesellschaft fördern. Darüber hinaus müssen Lösungen
56
gefunden werden, welche die Ursachen der Fluchtgründe in den Heimatländern der
Flüchtlinge bekämpfen. Nur so kann verhindert werden, dass sich unbegleitete
Minderjährige auf die gefährliche Reise nach Europa begeben.
Abschließend möchte ich mit einem Ausschnitt aus dem Brief von zwei Jugendlichen
aus Guinea, der zum Nachdenken anregen soll. Sie empfanden die Situation in ihrem
Heimatland als so schlimm, dass sie bereit waren ihr Leben zu riskieren in der
Hoffnung in Europa ein besseres Leben zu finden. Dies kostete schließlich ihr Leben
und so wurden sie 1999 tot im Fahrwerk eines Flugzeuges in Brüssel gefunden.
‚Therefore, if you see that we have sacrificed ourselves and risked our lives, this
is because we suffer too much in Africa and that we need you to fight against
poverty and to put an end to the war in Africa.’ (Swiss Foundation of the
International Social Service 2015: 3)
57
Abkürzungsverzeichnis
Abs. Absatz
Art. Artikel
AGJ Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe
AsylbLG Asylbewerberleistungsgesetz
AsylVfG Asylverfahrensgesetz
AufenthG Aufenthaltsgesetz
AuslG Ausländergesetz
BAG Bundesarbeitsgemeinschaft Traumapädagogik
BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
BRD Bundesrepublik Deutschland
B – UMF Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
CC Código Civil
CE Constitución Española
CEAR Comisíon Española de Ayuda al Refugiado
DCV Deutscher Caritasverband
ECRE European Council on Refugees and Exiles
EMN European Migration Network
Eurodac Europeen Dactyloskopie
EU Europäische Union
FRA European Union Agency for Fundemental Rights
GG Grundgesetz
GFK Genfer Flüchtlingskonvention
KJHG Kinder- und Jugendhilfegesetz
KRK UN-Kinderrechtskonvention (Englisch CRC: Convention of the Rights of the
child)
OHCR Office of the High Commissioner of Human
PUCAFREU Promover el acceso de los menores extranjeros no acompañados a sus
derechos fundamentales en la Unión Europea
SCEP Separated Children in Europe Programme
SGB Sozialgesetzbuch
umF unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
UN Vereinte Nationen (United Nations)
UNHCR Hochkommisariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (englisch: United
Nations High Commisioner for Refuges)
UNICEF Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (englisch: United Nations
International Children´s Emergency Fund)
VO Verordnung
58
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Flüchtlingsrouten nach Europa mit Stand vom 29. Juni 2015
Abb. 2 Verlagerung der Flüchtlingsroute mit Stand vom 17. September
2015
Abb. 3 Aktuelle Entwicklungen der Zahlen von 2009 – 2014 bezüglich
umF
Abb. 4 Herkunftsländer 2014 mit Vergleich der Zahlen der Asylanträge
und Inobhutnahmen
Abb. 5 Interdisziplinäre Vernetzung und Kooperation
Anhänge
Anhang 1 – Ressourcencheck
(Scherwath/Friedrich 2012: 202)
66
Anhang 2 – Interviewleitfaden
Einstieg - Danke für Gesprächsbereitschaft - Vorstellung des Themas sozialpädagogische Unterstützungsmöglichkeiten
im Umgang mit traumatisierten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen - Wie viel Zeit steht Ihnen zur Verfügung? - Erläuterung des Interviewablaufs (ausführlichere Schilderungen sind
erwünscht) - Interview wird für Bachelorarbeit benutzt, aber Anonymisierung wird
durchgeführt - Bitte um Erlaubnis der Tonbandaufzeichnung
Themen Hauptfrage Nachfragen
Allgemeine Fragen zur Einrichtung
- Können Sie mir etwas über Ihre Einrichtung erzählen in der Sie arbeiten?
-Art der Einrichtung - Anzahl der Mitarbeiter - vorhandene Professionen - seit wann gibt es Einrichtung? - Anzahl der umF und Altersspanne - Herkunftsländer - Zusammenarbeit mit anderen Stellen (Psychologen, Dolmetscher, Freiwillige)
Möglichkeiten der Alltagsbewältigung
Wie sieht in der Regel der Alltag der Jugendlichen aus?
-vorhandene Freizeitangebote -feste Regeln -Sprachkurse, Schule, berufsvorbereitende Maßnahmen -feste Tages- und Wochenpläne
Möglichkeiten der Beziehungsgestaltung zwischen BetreuerIn und umF
Wie gestaltet sich die Beziehung zwischen Ihnen und den Jugendlichen?
-Sprachbarrieren - kulturelle Unterschiede -Nähe- und Distanz-Verhältnis - Vertrauen zwischen Mitarbeiter und umF -Erzählen die Jugendlichen von ihren vergangenen Erfahrungen?
Möglichkeiten und Grenzen im Umgang mit umF
An welche Grenzen stoßen Sie im Umgang mit den Jugendlichen?
-Supervision im Team? -Finden Weiterbildungen statt? -Wie wird mit Konflikten umgegangen?
Sonstige Anmerkungen
Haben wir etwas vergessen, was Sie gerne noch ansprechen würden?
Wünsche für die Zukunft
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Abschluss Vielen Dank das Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben.
67
Selbstständigkeitserklärung Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig ver-
fasst, sie nicht für anderweitige Prüfungszwecke vorgelegt, keine anderen als die an-
gegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt sowie wörtliche und sinngemäße Zitate als
solche kenntlich gemacht habe.