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Mitteilungen
Heft zum Jahr 2018/2019
Zivilgesellschaft in Deutschland und Russland
Programm Östliche Partnerschaft und Russland
Aus dem Leben unserer Gesellschaft
Den Toten zur Ehre
Russische Literatur am Samowar
DEUTSCH-RUSSISCHE FREUNDSCHAFTS-GESELLSCHAFT IN THÜRINGEN E.V.
VORSTAND DER DEUTSCH-RUSSISCHEN FREUNDSCHAFTS-GESELLSCHAFT IN THÜRINGEN E.V.
Dr. Martin Kummer (Vorsitzender), 98527 Suhl, Rückertstraße 8, Tel.: 03681-70 80 30
Stellvertretende Vorsitzende
Günter Guttsche (Erfurt)Waltraut Teichmann (Weimar)
Schatzmeisterin
Doris Kasten (Bad Berka)
Geschäftsführerin
Karin Badelt, 99087 Erfurt, Alfred-Delp-Ring 24, Tel.: 0361-7 46 10 71
Vorstandsmitglieder
Erwin DöringHeike GutzeitHubert HeiderichBernd-Christian HyckelKarin SchippaGerhard Siebert †
ehemaliger EhrenvorsitzenderProf. Dr. habil. Horst Fliege †
REDAKTIONSKOLLEGIUM Günter GuttscheDr. Reinhard Duddek
INTERNETPRÄSENZ
Aktuelle Informationen über die Arbeit der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft in Thüringen e.V. finden Sie auch im Internet unter der Internetadresse: www.drfg-th.de
BANKVERBINDUNG
Erfurter Bank, IBAN: DE 98 8206 4228 0000 4378 59 BIC: ERFBDE8EXXX
M ITTEILUNGEN DER DEUTSCH-RUSSISCHEN FREUNDSCHAFTS-GESELLSCHAFT IN THÜRINGEN E.V.Mitglied des Bundesverbandes Deutscher West-Ost-Gesellschaften e. V.
Drucktechnische Herstellung: CityDruck&Verlag GmbH Erfurt (Thüringen)
© Deutsch-Russische Freundschaftsgesellschaft in Thüringen e. V.
© Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft
Inhaltsverzeichnis
Editorial
Rückschau und Ausblick Dr. Martin Kummer
In eigener Sache
Trauer um Gerhard Mendl Günter Guttsche
Zivilgesellschaft in Deutschland und Russland
Fremde werden Freunde Waltraud Teichmann
Ein Abzug in Würde Peter Vogel
Völkerverbindend handeln – auch in Zukunft Prof. Dr. Horst Schützler
Videokonferenz mit Belarus Petra Mühlmann
„Russische Woche“ in Gotha oscar-am Freitag.de
Vom russischen Klang begeistert – Solis-tengruppe „Kyrillisch“ gastierte ... Heidrun Sedlacik Klänge aus Russland ... Heidrun Sedlacik
Ferne leuchtet der Sterne Chor ... Heidrun Sedlacik
Schüler aus Rostow am Don zu Gast Elke Kolodzy
Mit dem Rad durch die Welt Günter Guttsche
Programm Östliche Partnerschaft und Russland
Programm Östliche Partnerschaft Dr. Reinhard Duddek
Förderbescheide ... übergeben Günter Guttsche
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50 Jahre Städtepartnerschaft Dr. Martin Kummer
Suhl und Kaluga – Neue Perspektiven ... Günter Guttsche
Idee der Dualen Hochschulausbildung Dr. Reinhard Duddek
100 Jahre Bauhaus Tamara Jeliaskova
Erich Borchert – Schicksal ... Heidrun Sedlacik
Aus dem Leben unserer Gesellschaft
Buchlesung mit Jewgenij A. Schmagin Günter Guttsche
Der 1. Mai auf dem Erfurter Anger Karin Badelt
Der Stille DON – Filmveranstaltung in Suhl Hubert Heiderich
Tage der russischen Literatur 2018 in Suhl Hubert Heiderich
Den Toten zur Ehre
Buchenwald – Nichts und Niemand ist vergessen Günter Guttsche
Tag der Befreiung 2018 Günter Guttsche
Der Tag des Sieges in Russland ... Elke Kolodzy
Russische Literatur am Samowar
Er folgte dem Jahrhundertweg Günter Guttsche
Ivan Sergejewitsch Turgenjew Günter Guttsche
„Ein Wort der Wahrheit überwindet ...“ Günter Guttsche
Alexander S. Puschkin ... Günter Guttsche
Ins Buch geschaut
Weltordnung ohne den Westen? Dr. Christian Wipperfürth
Auf den Kalten Krieg lässt die NATO Günter Guttsche
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Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft2
Ausgabe zum Jahr 2018/2019 3
Editorial
Die Deutsch-Russische Freund-
schaftsgesellschaft in Thüringen
e.V. setzt sich auch 2019 dafür ein,
Vertrauen und freundschaftliche
Gefühle zu den Menschen in Russ-
land zu bilden, die Partnerschaft auf
politischen, sozialen und kulturellen
Gebieten zu stärken.
Unsere Gesellschaft nimmt die zi-
vilgesellschaftliche Zusammen-
arbeit zwischen Russland und
Deutschland als Impuls für den
zwischenstaatlichen Dialog wahr
und wir wollen mit unseren Mög-
lichkeiten dazu beitragen, dass die
Beziehungen zwischen den Zivilge-
sellschaften unserer Länder nicht
auseinander triften, sondern viel-
mehr enger und intensiver werden.
Wir brauchen Kooperation, statt
Konfrontation! Auf diesem Gebiet
haben wir auch 2018 einige Fort-
schritte und Ergebnisse zu ver-
zeichnen.
Mit unserer „Erklärung zu den Be-
ziehungen zu Russland vom 29.
März 2018“, die von 29 Organisati-
onen und Vereinen mit unterschrie-
ben wurde, haben wir einen neuen
Weg beschritten und so auf die
dringendsten zu lösenden Pro-
bleme in den zwischenstaatlichen
Beziehungen aufmerksam ge-
macht. Unsere langjährigen Erfah-
rungen mit und in Russland sind,
dass es dort viele Menschen gibt,
die sehr aufgeschlossen und
konstruktiv kritisch zugleich zu
unseren Werten von Recht und
Freiheit, von Kultur und dem politi-
schen System stehen. Das Pro-
gramm des Auswärtigen Amts
„Ausbau der Zusammenarbeit mit
der Zivilgesellschaft in den Ländern
der Östlichen Partnerschaft und
Russland“, getragen von vielen
ehrenamtlichen Vereinen, hat in den
vergangenen Jahren zu nachhaltig
positiven Resultaten geführt.
Unsere Fragestellung damals war:
Soll das alles umsonst gewesen
sein?
Statt mit Russland auf allen Ebenen
friedliche und gutnachbarliche Be-
ziehungen zu gestalten, wird offen-
sichtlich eine Verschlechterung der
Deutsch-Russischen Beziehungen
billigend in Kauf genommen.
Niemand wird bezweifeln, dass die
heutige Welt vor neuen, extremen
Umbrüchen steht – sowie in einem
neuen Kalten Krieg. Gerade auch
4 Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft
Ein Ausblick darauf ist angebracht.
In diesem Jahr begehen Vertreter
der Städte Kaluga und Suhl den 50.
Jahrestag der Unterzeichnung ei-
nes Partnerschaftsvertrages. An
der Aufrechterhaltung und Ver-
wirklichung dieser Vereinbarung
waren in den letzten Jahren viele
Bürgerinnen und Bürger beider
Städte und Regionen beteiligt.
deshalb werden wir unsere Arbeit
zur Festigung des Vertrauens der
Zivilgesellschaften beider Länder in
2019 fortsetzen.
Unsere Ortsgruppen aber auch der
Landesverband der Freundschafts-
gesellschaft haben eine große Aktie
daran und erfüllten die Partner-
schaft durch viele Ideen und Akti-
onen mit Leben. Gerade das Projekt
"Neue Perspektiven für Deutsch-
Russische Städtepartnerschaften
2018 - 2020" im Rahmen des
Programms "Östliche Partner-
schaft und Russland" ist auf vielfälti-
ge neue Begegnungen gerichtet.
Mit Leben erfüllen wir auch die
Beziehungen zu ukrainischen Part-
nern. Hier führt unsere Thüringer
Gesellschaft gemeinsam mit ukrai-
nischen Teilnehmern das „Pilotpro-
jekt duales Hochschulstudium in der
Ukraine“ durch, welches 2019 ab-
geschlossen wird.
Im Jubiläumsjahr 2019 des Bau-
hausgedankens unterstützt unsere
Gesellschaft den Verein „Museion
Weimar e.V.“ bei dem Projekt „100
Jahre Bauhaus – Spuren und Zeug-
nisse in Russland“, welches für die
Jahre 2018/19 konzipiert und ge-
nehmigt wurde. Der Verein konzen-
triert sich darauf, einem breiten
Publikum die wenig bekannten
Seiten der Bauhausgeschichte in
Deutschland und Russland am Bei-
In eigenerSache
Trauer um Gerhard Mendl 17.09.1928 – 14.10.2018
Günter Guttsche
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Ein Kämpferleben hat sich vollen-
det. Im Alter von 90 Jahren verstarb
am 14.Oktober 2018 der Mitbegrün-
der und das langjährige Mitglied
unserer Freundschaftsgesellschaft
Gerhard Mendl.
In einer bewegenden Gedenkver-
anstaltung gedachten am 28. No-
vember 2018 in der Erfurter Garten-
gaststätte „Dahlie“ Freunde und
Weggefährten des Lebens und
Wirkens von Gerhard Mendl, den
sie liebevoll Männe Mendl nannten,
und nahmen von ihm Abschied.
Gerade noch nahm der Jubilar
Glückwünsche zahlreicher Gratu-
lanten zu seinem 90. Geburtstag
entgegen und nun hat sich sein
Lebensk re i s vo l l ende t . De r
Vorstand und die Mitglieder der
Ausgabe zum Jahr 2018/2019
spiel des Schicksals der deutschen
Architekten Philipp Tolziner, Erich
Borchert und Konrad Püschel einer
breiten Öffentlichkeit näher zu
bringen.
Erste Ergebnisse hierzu finden Sie
in diesem Heft. Natürlich kommen
auch Fragen von Kunst und Litera-
tur in diesem Jahr nicht zu kurz. Die
bunte Palette reicht von literari-
schen Veranstaltungen zu Jubiläen
von Dichtern und Schriftstellern,
über Filmveranstaltungen und
Buchbesprechungen.
Die Veranstaltungen um den 8. Mai
2019 sowie in Thüringen den
Gedenktag für die Opfer des
Faschismus gestalten die Orts-
gruppen mit Kranzniederlegungen
in enger Partnerschaft mit Vereinen,
Gesellschaften und Vertretern des
Landes sowie der Kommunen.
Doch schauen und lesen Sie selbst.
Viel Spaß dabei, Ihr
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft6
Deutsch-Russischen Freund-
schaftsgesellschaft in Thüringen
trauern um einen wahren Brücken-
bauer in Sachen Freundschaft
zwischen den Völkern unserer
Länder. Bereits in vielen gesell-
schaftlichen Funktionen, zuletzt bis
1989 als Bezirkssekretär der Ge-
sellschaft für Deutsch-Sowjetische
Freundschaft im Bezirk Erfurt hat
sich Gerhard Mendl bleibende Ver-
dienste erworben. Die Gesellschaft
für Deutsch-Sowjetische Freund-
schaft, die über sechs Millionen
Mitglieder in der DDR zählte, zerfiel.
Hunderttausende, die persönliche
Sorgen bedrückten und vom „Sozia-
lismus“ und der Freundschaft zur
Sowjetunion enttäuscht waren,
vergaßen und verließen die Gesell-
schaft. Sie verlor ihren Massencha-
rakter. Doch Einige, Wenige rangen
um deren Erhalt und ihre Erneue-
rung. Zu ihnen gehörte in vorderster
Reihe zweifellos Gerhard Mendl.
Auch nach der Wende, 1989, blieb
er seinen Idealen treu. Für Gerhard
Mendl und viele Thüringer aus
Erfurt, Gera und Suhl blieb die
Bewahrung und Festigung des
Freundschaftsgedankens mit den
Völkern der ehemaligen Sowjet-
union eine Herzenssache. Sie
waren auch bereit, sich aktiv an der
Umgestaltung, Erneuerung und
Demokratisierung der Gesellschaft
für Deutsch-Sowjetische Freund-
schaft einzusetzen. So gehörte
unser Gerhard 1992 mit zu den
Neugründern der „Thüringischen
Freundschaftsgesellschaft" e.V.,
die auf Beschluss der Mitglieder-
versammlung vom 8. März 2008
den Namen „Deutsch-Russische
Freundschaftsgesellschaft in Thü-
ringen" e.V. erhielt.
Bis zum Schluss beteiligte sich
Gerhard Mendl regelmäßig an Ver-
anstaltungen der Freundschafts-
gesellschaft. Zu unserer Vollver-
sammlung im März 2018 wurde er –
siehe Bild – vom Landesvorsit-
zenden, Dr. Martin Kummer, für
seine langjährigen Verdienste um
unsere Gesellschaft geehrt. Seine
Ratschläge und sein reicher Er-
fahrungsschatz werden uns fehlen.
Wir sagen hier:
Gerhard – Danke!
Zivilgesellschaft in Deutschland und Russland
Der Text eines alten Volksliedes –
„Wahre Freundschaft soll nicht
wanken, wenn sie gleich entfernet
ist…“ – hat sich in meinem Leben
bei vielen Begegnungen mit ehema-
ligen Sowjetbürgern oft bewahrhei-
tet. Über einige davon möchte ich
hier berichten:
Die Sympathie zu diesen Menschen
nahm ihren Anfang, als wir Kinder
1945/46 täglich die Straße säumten
und auf die mit Kohlen voll belade-
nen Lastwagen warteten. Oben auf
der Ladung saßen meistens ein
oder zwei Sowjetsoldaten, die uns
Kindern Kohlen runter warfen. Ich
weiß nicht, wie meine Familie ohne
diese Kohlen den bitterkalten Win-
ter überstanden hätte. Obgleich
auch aus dieser Begegnung keine
Freundschaft entstehen konnte, so
denke ich doch noch heute dankbar
daran zurück.
In den 1950er Jahren wurden oft
Freundschaftstreffen mit Komso-
molzen durchgeführt, bei denen wir
unsere russischen Sprachkennt-
nisse erweitern konnten. Später, als
ich schon im Berufsleben stand,
Fremde werden Freunde
Waltraud Teichmann
organisierten wir regelmäßig Touris-
tentreffen mit Sowjetbürgern, wobei
es zu einem regen Erfahrungs- und
Adressenaustausch kam. Durch
diese Begebenheiten wurde bereits
der Grundstein für die bis heute be-
stehenden Freundschaften gelegt.
Eines Tages erschienen Alla und
Viktor in meiner Kinderkrippe, in der
ich als Leiterin tätig war, und melde-
ten ihre kleine Tochter Olga an. Alla
arbeitete als Dolmetscherin in der
sowjetischen Kommandantur und
Viktor gehörte der Roten Armee an.
Aus diesem ersten Kennenlernen
entwickelte sich eine feste Freund-
schaft. Wir trafen uns als Familien
privat nicht nur zu allen möglichen
Anlässen, sondern wir machten
unsere Freunde mit vielen Orten im
schönen Thüringen bekannt. Doch
dann hieß es, Abschied nehmen,
denn Alla und ihre Familie kehrten in
ihre Heimat zurück.
Zur selben Zeit begann meine Toch-
ter Irina ihr fünfjähriges Studium in
der Sowjetunion. In dieser Zeit
waren Alla und Viktor ihre Ansprech-
partner und standen ihr mit Rat und
Tat zur Seite. Bei ihnen in Moskau
verbrachte sie in ihrer Freizeit viele
erlebnisreiche Tage. Später trafen
sich unsere Familien noch einige
Male in Moskau und in Weimar.
Zum 20. Jahrestag des Abzugs der
sowjetischen Hubschrauberstaffel
aus Nohra fand 2012 ein dreitägiges
Flugplatzfest statt. Alla war als
7Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Zeitzeugin eingeladen und berichte-
te hier über ihr Leben und Wirken in
der DDR.
Ich freue mich jetzt sehr auf ein
neues Treffen mit Alla im April 2019
in Moskau. Unsere Freundschaft
besteht dann bereits 45 Jahre.
1978 erhielten einige Mitarbei-
terinnen unserer Kindereinrich-
tungen eine Einladung zum Interna-
tionalen Frauentag ins Haus der
Offiziere. Dabei kam ich mit der Lei-
terin des sowjetischen Kindergar-
tens ins Gespräch und sofort ver-
ständigten wir uns auf eine Zusam-
menarbeit unserer Einrichtungen.
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft8
Obwohl sich der sowjetische Kin-
dergarten auf dem Kasernenge-
lände befand, gab es keine Schwie-
rigkeiten, uns gegenseitig zu den
verschiedensten Anlässen zu besu-
chen und viele Jahre in einen regen
Erfahrungsaustausch über unsere
Arbeit zu treten. Mein Briefkontakt
zu Soja, der Kindergartenleiterin,
besteht bis heute. Groß war die
Freude, als wir uns während meiner
Wolga-Don-Reise in Samara, ihrem
Wohnort, wiedergesehen haben.
1988 lernte ich Lena „aus dem
fernen Osten“ als Touristin in
Weimar kennen, die als Deutsch-
lehrerin an der Universität in Birsk
arbeitete. Sie wohnte einige Tage
bei uns zu Hause und wiederholte
ihren Besuch im folgenden Jahr.
Seit dieser Zeit stehe ich mit ihr in
regem Briefwechsel. Trotz der
großen Entfernung sind wir nach
wie vor freundschaftlich miteinan-
der verbunden.
Das Haus Cranachstraße 49 spielt
auch eine besondere Rolle im
Leben meiner Familie. Mit drei
sowjetischen Familien waren wir zur
gleichen Zeit befreundet, weil auch
sie miteinander befreundet waren.
Wir haben viel gemeinsam unter-
nommen und waren unzertrennlich.
1989 luden uns alle drei Familien in
die Ukraine ein. Bei jeder Familie
wohnten wir eine Woche, verbrach-
ten aber auch herrliche Urlaubstage
mit allen gemeinsam. Die Tochter
von Katja und Schora ist in Weimar
geboren und vor einigen Jahren
durften wir ihre Hochzeit in Korsun-
Schewtschenko miterleben. Eine
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feste Freundschaft verbindet mich
mit diesen Menschen bis zum
heutigen Tag. Der Besuch Katjas im
September vergangenen Jahres bei
mir in Weimar war für mich eine
wunderbare Zeit.
1998 organisierte unsere Ortsgrup-
pe der DRFG einen Schüleraus-
tausch zwischen der C. A. Musäus-
Schule in Weimar und der 403.
Mittelschule in Puschkin. Für die
Schülerin Sofia waren wir während
ihres Aufenthaltes in Weimar die
Gastfamilie.
2001 erfolgte der Gegenbesuch
unserer Schüler in Puschkin. Ich
lernte die Schule kennen und wurde
herzlich in Sofias Familie aufge-
nommen. In der Schule gibt es den
Klub „Die Glocke von Buchenwald“,
der ausschließlich von Schülern
betrieben wird. Sie beschäftigen
sich mit der Geschichte des KZ
Buchenwald und luden uns zu Zeit-
zeugengesprächen ein. Auch aus
dieser Begegnung hat sich eine
feste Freundschaft entwickelt und
die Weimarer Schüler werden
erneut zu Gast an der Schule sein.
Sofia ist inzwischen verheiratet und
hat mich vor zwei Jahren mit ihrem
Mann und den Kindern besucht. Ich
werde sie in diesem Jahr erneut in
Puschkin wieder sehen.
Nicht vergessen zu erwähnen
möchte ich Alexej. Er war ein ehe-
maliger Häftling im KZ Buchenwald
und hat im April 1976 an der
Gedenkveranstaltung zur Erinne-
rung an die Befreiung des Lagers
Buchenwald 1945 teilgenommen.
Wir waren seine Gastfamilie wäh-
rend seines Aufenthaltes. Später
haben wir uns als Freunde wieder-
gesehen und stehen noch regelmä-
ßig in brieflicher Verbindung.
Gegen das Vergessen: Fremde
wurden Freunde – wenn man in
Wort und Tat intensiv daran interes-
siert war.
Die Menschen können nur in Frie-
den leben, wenn sie freundschaft-
l ich und tolerant miteinander
umgehen.
* * * * *
Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft10
Ein Abzug in Würde – in
Erinnerung des Abzuges
der sowjetischen Truppen
Peter Vogel
Der Zwei-plus-Vier-Vertrag, der am
12. September 1990 in Moskau
unterzeichnet wurde, ebenete den
Weg zur Deutschen Wiederver-
einigung. In ihm wurde auch der
Abzug der sowjetischen Truppen
bis zum 31. Dezember 1994 – die
größte Truppenverlegung zu Frie-
denszeiten in der Militärgeschichte
– vereinbart. Tatsächlich verließen
die letzten sowjetischen/russischen
Soldaten des Nachkommandos
bereits am 9. September 1994 von
Berlin-Schönefeld aus Deutsch-
land.
In Erinnerung der 25jährigen
Wiederkehr dieses Ereignisses hier
der leicht gekürzte Nachdruck eines
Beitrages von Peter Vogel aus un-
serem Grünen Heft von 2010, d.R.
Nach der Veröffentlichung der
Ergebnisse des „Zwei-plus-Vier-
Vertrages“, der am 15. März 1991 in
Kraft trat, war allen Thüringern, aber
auch den Angehörigen der 8. Gar-
dearmee (damals nahe Weimar
stationiert) bewusst, dass die Streit-
kräfte der Sowjetunion (Russland)
bis 1994 unser Land verlassen
werden.
Dieser Termin galt für alle, in ganz
Deutschland stationierten Streit-
kräfte. Aber für die in Thüringen sta-
tionierten Truppenteile war ein
früherer Termin gesetzt. Der
offizielle Abzugstermin für den
letzten Soldaten war hier der 21.
November 1992.
Bis dahin kam es damals noch zu
vielen freundschaftlichen Treffen
von Mitgliedern unserer, am 22.
November 1990 in Erfurt gegründ-
eten, „Thüringischen Gesellschaft
für Freundschaft mit der UdSSR
e.V.“ und sowjetischen/russischen
Militärangehörigen. So fand am 14.
Dezember 1991 die letzte große
Zusammenkunft der Mitglieder des
Landesausschusses und der Vor-
stände der Kreisausschüsse mit
Soldaten und Offizieren der 8. Gar-
dearmee in Nohra statt. Sie begann
zunächst mit einem Besuch des
hervorragend gestalteten Armee-
museums. Daran schloss sich
anschließend ein Freundschafts-
treffen an, das bis zum späten
Abend andauerte.
Ein anderer Höhepunkt freundchaft-
lichen Zusammenseins bestand
1990 in der Weihnachtsüberra-
schung, die Mitglieder der Thüringer
Freundschaftsgesellschaft für die
Militärangehörigen gestalteten. So
hatten allein in Erfurt die Vorstands-
mitglieder Gerhard Mendl und
Gerhard Schmidt sowie weitere 10
aktive Mitglieder mit Erfolg 441
Familien angesprochen, die sich
bereit erklärten, über Weihnachten
an einem der drei Feiertage insge-
samt 476 Soldaten zum Mittag-
essen zu sich nach Hause einzula-
den. Weihnachten 1990 in einer
Erfurter Familie begehen; hierbei
fanden v ie le, sehr herz l iche
Gespräche statt und diese Familien
bekamen einen kleinen Einblick in
das Leben der Soldaten und die
Fragen, die diese im Zusammen-
hang mit dem bevorstehenden
Abzug bewegten. Weiteren 84
Angehörigen der 8. Gardearmee
wurden damals auch kleine Weih-
nachtspäckchen überreicht.
Aber auch in anderen Kreisen
fanden damals vielfältige Aktivitäten
statt. So in Saalfeld, wo auf Initiative
von Leopold Röhlig, Sonja Alpenfel-
der und Manfred Hintze viel für die
Verabschiedung der 6. Panzerdivi-
sion geleistet wurde. In Jena taten
sich insbesondere die Freunde
Prof. Dr. Fliege, Dr. Weih und Dr.
Schröder hervor. In Weimar, wo sich
der Stab der 8. Gardearmee befand,
organisierten der Ortsvorsitzende
Karl Teichmann und seine Frau
Waltraud sehr viel für die sowjeti-
schen Soldaten. In meiner Aufzäh-
lung will ich auch Gerhard Mensel
und Günter Weiß aus Suhl nicht
vergessen, die einen mit Päckchen
voll beladenen LKW nach Ohrdruf
fuhren, um dort die Soldaten zu
überraschen.
Der große Abschied, das letzte „Do
swidanja“, erfolgte für die Soldaten
der 8. Gardearmee dann am 21.
November 1992 auf dem Güter-
bahnhof in Weimar im Beisein vieler
Thüringer, Regierungsverant-
wortlicher des Freistaates und des
Vorstandes der Thüringer Freund-
schaftsgesellschaft.
Die Abschiedsworte an die Solda-
ten, in denen auf eine friedliche
Zukunft verwiesen wurde, hielt
damals auf dem Weimarer Güter-
bahnhof unser Landesvorsitzender
der Freundschaftsgesellschaft,
Prof. Dr. Horst Fliege. Bevor es zu
diesem Abschied kam, hatten z.B.
Ende August 1992 16 Hubschrau-
ber im Tiefflug einen Blumengruß
11Ausgabe zum Jahr 2018/2019
verbunden mit einer Briefkarte und
der russischen Aufschrift – „Zum
Gedenken an die 8.000 sowjeti-
schen Soldaten, die hier ermordet
wurden“ – über dem ehemaligen
Appellplatz des KZ Buchenwald
abgeworfen. Dann zum Abschied
flogen die Maschinen in tiefen
Schleifen über Nohra, dem Etters-
berg und Weimar. Viele Einwohner
standen auf den Dächern und
winkten den Abschied nehmenden
Soldaten zu – für immer. Nur ein
ganz kleiner Rest an Soldaten
verblieb damals noch in Thüringen.
Endgültig verließen auch sie dann
am 14. Juni 1994 unser Land. Es
waren dies Angehörige einer Nach-
richteneinheit, die auf dem Schnee-
kopf stationiert war. Der über
40jährige Aufenthalt sowjetisch-
russischer Truppen in Thüringen
bildete später für uns, die Thüringer
Freundschaftsgesellschaft, Anlass,
zwei Ausstellungen zu diesem
Thema durchzuführen.
Dies erfolgte in Zusammenarbeit
mit dem Erfurter Stadtmuseum, an
dessen Spitze der Direktor Hardy
Eidam steht. Unser Anl iegen
bestand dabei darin, die Geschichte
der 8. Gardearmee von ihrer Grün-
dung auf den Schlachtfeldern vor
Stalingrad, ihren Kampfesweg bis
Weimar und die Zeit in Deutschland
aufzuarbeiten und den Menschen
zugänglich zu machen.
Aus Anlass des 60. Jahrestages der
Museumsdirektor Hardy Eidam (li.) und Peter Vogel bei der Eröffnung der ersten Ausstellung
Befreiung Deutschlands vom Hitler-
faschismus wurde im Erfurter Stadt-
museum die Sonderausstellung
„Die Russen kommen“ in der Zeit
vom 21.05.2005 bis 03.10.2005
gezeigt. Zu unserer großen und
freudigen Überraschung sahen sich
diese Installation über 42.000
Besucher an.
Manche Tafeln dieser Ausstellung,
die die Menschen zum Nachdenken
aber auch zum Fragen anregen soll-
ten, waren provokant, auch unter
unseren Mitgliedern nicht unumstrit-
ten und führten zu kontroversen
Debatten.
Fünf Jahre später erfolgte eine
zweite Auflage dieser Ausstellung.
Damals gingen wir mit ihr direkt „in
die gute Stube“ von Erfurt und
stellten unsere Installation auf dem
Erfurter Anger der Öffentlichkeit vor.
Jeder Vorbeigehende sollte so die
Möglichkeit bekommen, sich hier zu
informieren.
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft12
Nachsatz der Redaktion
Die sowjetischen Ehrenmale
Zu den „Hinterlassenschaften“ der
Roten Armee gehören auch unzäh-
lige sowjetische Ehrenmale. Die
Bundesrepublik hatte sich vertrag-
lich verpflichtet, diese Denkmäler,
an denen oftmals Hammer und
Sichel oder ein roter Stern prangen,
zu schützen und zu pflegen. Mit den
Denkmälern wird vielerorts an die
sowjet ischen Gefal lenen, an
Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene
und KZ Häftlinge des Zweiten Welt-
kriegs erinnert. Leider wird heute
nicht überall diese Verpflichtung
zum Schutz und zur Pflege der
Denkmäler eingehalten.
Dr. Martin Kummer bei der Eröffnung der zweiten Ausstellung
* * * * *
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Völkerverbindend handeln – auch in Zukunft
Prof. Dr. Horst Schützler
Diesen Beitrag, der einen Nachtrag
zur Fußballweltmeisterschaft 2018
in Russland darstellt, erhielten wir
vom Verein Berliner Freunde der
Völker Russlands e.V., d.R.
Sie zog viele in ihren Bann. Viel
Beeindruckendes gab es. Nur ein
Beispiel: Zur Zeit eines der Spiele in
Sankt Petersburg versammelten
sich in einer der legendären
„weißen Nächte“ an der Newa auf
den ausnahmsweise nicht nach
oben ragenden Brücken, auf dem
Platz vor dem Winterpalais tausen-
de junge Menschen, um das Beste-
hen der Schulprüfungen zu feiern,
mit Plänen für die Zukunft im Kopf,
mit Optimismus, das eigene Leben
und das eigene Land betreffend,
vielleicht auch von der Absicht
getragen, beim Studium die Welt
kennen zu lernen und an diesem
Tage bestimmt auch auf ein gutes
Abschneiden ihrer Mannschaft bei
der WM zu hoffen. Die Fantasie
Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft14
beflügelnd, fuhr auf der Neva ein
großes, rot strahlendes Segelboot
vorbei.
Die große Zahl der in Sankt Peters-
burg versammelten Touristen,
Fans, Journalisten versetzte die
Nacht am Flussufer in hohes
Erstaunen. Und man kann sicher
sein: Ähnliche Ereignisse gab es in
nicht wenigen russischen Städten.
Der Kontrast dabei im Hinblick auf
die täglichen Äußerungen westli-
cher Politiker und Medien über
Russland und seine Menschen war
unübersehbar. Wie passt das Erleb-
te zusammen mit der vermeintlich
so klaren Einordnung von Gut und
Böse? Russland, als dem vorgege-
benen Schuldigen an den großen
Problemen der internationalen Be-
ziehungen ist – so wird suggeriert –
Einhalt zu gebieten mit NATO Trup-
pen vor seiner Haustür, mit Einmi-
schungen, vielgestaltige Einfluss-
nahme, mit Sanktionen ...
Russland, nicht unwesentlich auch
ein Objekt der Begierde, schien
Anfang der Neunzigerjahre in die
Knie gezwungen – bestenfalls eine
„Regionalmacht“. Allerdings und
glücklicherweise für Russland, sei-
ne Bürger und die internationalen
Beziehungen haben sich die Dinge
anders entwickelt. Sich seiner Kraft
bewusst, den Willen der Bürger
achtend, hat sich das Land nach der
Situation am Ende der Sowjetunion
und in den Jahren danach verändert
und stellt heute einen gewichtigen
Faktor im Weltgeschehen dar – von
seinen Gegnern angefeindet, ver-
leumdet, bedroht, sanktioniert.
Und trotzdem: Allem wahrhaft
Bösem zum Trotz streckt Russland
die Hand zur Zusammenarbeit aus.
Leider ohne großen Erfolg. Die anti-
russische Politik findet täglich ihre
Fortsetzung. Und darum ist es auch
nur zu verständlich, dass das Land
seine legitimen Interessen schützt.
Das entspricht auch dem Willen
seiner Bürger, für deren Wohl
ebenso innenpolitisch – unter oft
nicht leichten Bedingungen – zu-
nehmend Sorge getragen wird.
Denkt man als Freund der russi-
schen Menschen nach, so wäre viel
präzisierend hinzuzufügen.
Eindeutige Gedanken und Schluss-
folgerungen sind möglich, wenn
man sich seines eigenen Verstan-
des bedient – entgegen all der
täglichen Beeinflussungsversuche.
Zum eigenen Denken fordert zum
Beispiel auch die Autorin Gabriele
Krone-Schmalz in ihrem Buch
„Eiszeit“ auf, in dem sie auf die Ge-
fahren der ständigen Dämonisie-
rung Russlands hinweist und in dem
sie Immanuel Kant mit den Worten
zitiert: „Habe den Mut, dich deines
eigenen Verstandes zu bedienen!“
Dabei ist es sicherlich nicht immer
ganz einfach, die Wahrheit zu
erkennen, aber es ist möglich.
Die Wahrheit darzustellen, sie mit
Haltung zu vertreten, ohne Angst
vor Konsequenzen – das ist das
Anliegen von uns, Freunden der
Völker Russlands, seit über 25
Jahren, auf guter Tradition fußend.
Die Aussagen unseres Programms
und der Satzung waren und sind
eine gute Richtschnur dafür. Sie
benennen die Wege für unser
Handeln. Im Sinne unserer Grund-
prinzipien wurde und wird Beach-
tenswertes geleistet – immer auch
unsere Wirkungsmöglichkeiten be-
achtend. Zweifellos werden wir in
der Zukunft ebenso gebraucht.
Wir – das sind unsere Mitglieder,
gleichfalls auch viele andere, die
sich mit dem Verein verbunden
fühlen, und – unter den Mitgliedern
die Verantwortlichen in den Wahl-
funktionen. Es gilt, nicht nachzulas-
sen in den Bemühungen. Dabei sind
die Aufgaben aktuell zu beraten und
den konkreten Erfordernissen anzu-
passen. Nicht zu unterschätzen ist,
dass wir für unser Tun gute Partner
an der Seite haben. Betrachten wir
unser langjähriges Wirken, das
Interesse und Anerkennung fand
und f indet, so waren es von
Anbeginn die Mitglieder, die mit
grundsätzlichen Beschlüssen, mit
vielfältigem Tun im Einzelnen, durch
die Teilnahme am Leben des Ver-
eins den Inhalt und die Wege der
Arbeit bestimmt haben. Der Vor-
stand – den Zielen und Aufgaben
des Vereins verpflichtet – trug als
Ganzes seinen Teil dazu bei, Wirk-
sames zu leisten.
So muss es in gleicher Weise auch
zukünftig sein. Bekanntermaßen
und jeden Tag erlebbar laufen
regional- und weltpolitisch sehr
schwierige und gefährliche Prozes-
se ab. Wir sind damit ständig
konfrontiert. Auch wenn natürlich
unsere Möglichkeiten, hierauf zu
reagieren, nicht über ein gewisses
Maß hinausreichen, so sind wir
doch sehr veranlasst und gewillt, im
Sinne von Frieden, Menschlichkeit
und Zusammenarbeit zu handeln.
Konzentrieren wir uns darauf!
* * * * *
Videokonferenz mit BelarusPetra Mühlmann
Mit den Mitteln der modernen Kom-
munikation werden neue Brücken
gebaut, um das gegenseitige Ver-
ständnis und die Einblicke in den
Alltag des jeweils Anderen besser
zu verstehen und zu festigen. Man
„skypt“ (sprich skeipt) miteinander.
15Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Unwissenheit über das Leben ande-
rer, fremder Menschen befördert
Entfremdung. Und Entfremdung
führt zu Nichtverstehen und kann
negative Gefühle wie Feindschaft
bis hin zu Hass hervorrufen. Unsere
Zivilgesellschaft muss gerade die-
sem Phänomen in der heutigen Zeit
entschiedener entgegentreten. Es
geht uns nicht um Besserwisserei
oder darum, dem Gegenüber unbe-
dingt die eigene Meinung aufzu-
zwingen. Nein, es geht einfach ums
Zuhören und Verstehen. Auch hier
gilt Goethes Zitat aus den Wahlver-
wandtschaften: "Wir lernen die
Menschen nicht kennen, wenn sie
zu uns kommen, wir müssen zu
ihnen gehen, um zu erfahren, wie es
mit ihnen steht“.
Aus meinen Russischkenntnissen
kann ich heute noch schöpfen. Für
die Verständigung bedarf es nicht
viel, nur den Wunsch und guten
Willen, dem Anderen etwas mitzu-
teilen. So kann auch der Entfrem-
dung entgegengewirkt werden.
Nun haben wir, meine Freundin
Elena, die als Deutschlehrerin in
Rossoni, Weißrussland, arbeitet,
und ich, unsere Kommunikation auf
eine neue Ebene gehoben.
Im Deutschunterricht in Elenas
Schule gab es die erste Begegnung
per Computer und das war für alle
Beteiligten ein voller Erfolg. Bereit-
willig beantwortete ich die Fragen
und habe auch meinerseits die
Schüler angeregt, sich mit mir in der
bestimmt nicht ganz einfachen
deutschen Sprache zu verständi-
gen. Elena half den Schülern über
die anfängliche Scheu und so kam
es zu einem regen Frage-Antwort-
Dialog in der Schulstunde, die viel
zu schnell vorüber ging.
Themen dieser Videoschaltung
waren ein Fragenkatalog der Schü-
ler über Deutschland und Erfurt. So
wollten sie z.B. zu Deutschland wis-
sen:
– Welche Jugendorganisationen
gibt es in D / Wofür interessieren
sich deutsche Jugendliche/
welche Berufe sind gefragt in D
– welche Eigenschaften charakte-
risieren die Deutschen / gibt es
Unterschiede zwischen den Men-
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft16
schen in Deutschland-Schweiz-
Österreich
– unterscheiden sich die Men-
schen in D von den Menschen in
Belarus / unterscheiden sich die
Städte und Dörfer ...
zu Erfurt:
– wodurch ist Erfurt bekannt
– welche Erfinder und Entdecker
gibt es in Erfurt
– gibt es Arbeitsgemeinschaften an
den Schulen und wie steht es mit
dem Schüleraustausch.
Auch „löcherte“ man mich selbst mit
unterschiedlichsten Fragen zu mir
und meinem beruflichen Werde-
gang.
Natürlich sprach ich auch über
unsere Freundschaftsgesellschaft
und erwähnte dabei auch die vom
Landesvorstand der DRFG initiier-
ten Erklärung zu den Beziehungen
zu Russland. Klar, dass die Schüler
mehr darüber wissen wollten, also
erläuterte ich dies den Schülern der
10.Klasse von Rossoni.
Mein Fazit: ... es wird nicht das
letzte Mal gewesen sein, dass wir
über diese Videobrücke gegangen
sind.
Vielleicht sagt sich jetzt der eine
oder andere, der diese Zeilen liest,
guter Gedanke, das kann ich auch
machen, dann sage ich nur: folgt
doch meinem Beispiel.
* * * * *
„Russische Woche“ in Gotha
Quelle: www.oscar-am-freitag.de
Wie in einem Bericht von Andrea
Fanselau auf der Internetseite
„Oscar-am-Freitag“ gemeldet, fand
vom 11. bis 17. März 2018 fand die
"Russische Woche" in Gotha statt.
Diese wurde mit dem Vortrag
"Mütterchen Russland, Väterchen
Frost und göttliches Gotha – Krieg
und Frieden in unserer Zeit" eröff-
net. Der Gothaer Oberbürgermei-
ster, Knut Kreuch (SPD), gab damit
den Auftakt für die Veranstaltung,
deren Schirmherrschaft der Bot-
schafter Russlands in Deutschland,
Sergej J. Netschajew, übernommen
hatte.
Das vielfältige Programm, das wäh-
rend der russischen Woche darge-
boten wurde, umfasste Vorträge,
Lesungen, Musik, Ausstellungen,
Stadtführungen, russische Küche
und Vieles mehr. So gab es z. B.
eine Lesung mit dem bekannten
Fernsehmoderator Steffen Quase-
barth, einen Vortrag mit dem ZDF-
Korrespondenten Roland Strumpf,
russische Musik mit dem Gothaer
Kalinka-Chor, Ausstellungen und
17Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Führungen im Schloss- und im
Herzoglichen Museum, sowie eine
Führung zu russischen Autoren in
der Forschungsbibliothek.
Die Tourist-Information bot aus
diesem Anlass zum ersten Mal
Stadtführungen in russischer Spra-
che an und es gab einen ungewöhn-
lichen Stadtspaziergang in deut-
scher Sprache mit verschiedenen
Akteuren der Stadt Gotha.
Im Kaffeehaus Sust und dem Bistro
mimi K. wurde während der russi-
schen Woche russische Küche
angeboten.
* * * * *
Vom russischen Klang
begeistert – Solistengrup-
pe „Kyrillisch“ gastierte in
Erfurt und Weimar
Heidrun Sedlacik
Seit 2005 feiert das Ensemble
„Kyrillisch“ große Erfolge mit seinen
Konzertauftritten in verschiedenen
französischen Städten wie Lyon und
Avignon, Toulouse und Pau, Vichy
und Nantes, La Rochelle, Chartres
und natürlich Paris. Überwältigende
Auftritte hatte die Gesangsgruppe
im August 2017 auch in Weimar
(Forum Seebach) und in Ilmenau
(Katholische Kirche St. Josef). Auf
ihrer Sommertour 2018 durch Euro-
pa machte dieser Tage die Solisten-
gruppe „Kyrillisch“ aus Sankt Pe-
tersburg auch Station in Thüringen.
Bei Auftritten in Langewiesen, in der
Michaeliskirche zu Erfurt und in der
Traukirche Johann Sebastian
Bachs in Dornheim begeisterten sie
ihr Publikum und ernteten stürmi-
schen Beifall für jede ihrer Interpre-
tationen. Auf geistliche Chormusik
folgten Klassikadaptionen und
natürlich die vielgewünschten und
in höchster individueller Meister-
schaft vorgetragenen russischen
Volkslieder, die Zugaben nahezu
herausforderten. Einer Hymne
gleichsam erklang das Lied von den
„Moskauer Abenden“. Es wurde mit
lang anhaltendem Beifall belohnt.
Dieses kleine, aber feine Ensemble
zeigte bei seinem Konzert in Dorn-
heim, dass es zu den weltweit
besten A-Cappella-Gruppen zählt.
Das spannende, virtuose und unter-
haltsame Konzert der fünf Solisten
bot eine abwechslungsreiche Mi-
schung aus geistlicher und weltli-
cher Musik, aus russischen Volks-
liedern und Kunstliedern, die fast
schon Volkslieder geworden sind.
Die Gruppe „Kyrillisch „wurde 2004
von A lexander M in tschenko
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft18
gegründet. Die stimmgewaltigen In-
terpretinnen Nadezhda Isaeva - So-
pran und Irina Pozdnyakova-Ehrl -
Mezzosopran, wie auch ihre männ-
lichen Kollegen Aleksander Mint-
schenko - Bass, Ilja Demutskij - Ba-
riton und Daniil Sokolov -Tenor, sie
sind allesamt Absolventen des
Staatlichen Konservatoriums Sankt
Petersburg.
Dem Verein Museion Weimar e.V.
haben wir es zu verdanken, dass wir
im Forum Seebach Weimar erneut
ein Programm mit der Gesangs-
gruppe „Kyril l isch“ aus Sankt
Petersburg erleben konnten. Die
Gesänge umfassten die geistigen
Hymnen der besten russischen
Komponisten des 17. bis 20.
Jahrhunderts, sowie russische
Volkslieder und Romanzen. Die
Komponisten und die Dichter haben
den Geist und die Traditionen der
russischen Folklore so perfekt
überliefert, dass es dem Zuschauer
scheint, die vorgetragenen Weisen
wären Volkslieder.
Bereits 2017 hatte der Chor über-
wältigende Auftritte in Thüringen
und so hat diese Gesangsgruppe
bereits in Weimar begeisterte Fans.
Die Künstler bieten den Zuhörern
einen raffinierten Gesang, bei dem
jeder Sänger als Solist, begleitet
von einem erstklassigen Ensemble,
auftritt. Museion Weimar e.V. stellte
den Gästen der Darbietung sogar
kurze Übersetzungen zur Verfü-
gung, so dass durch uns auch unbe-
kannte Lieder inhaltlich und musika-
lisch begeistert aufgenommen wer-
den konnten.
Hierfür danken wir dem Verein und
wünschen uns noch viele kulturelle
Begegnungen mit solch Klasse
Künstlern.
* * * * *
Klänge aus Russland –
Weimarer Stadtorchester
brillierte
Heidrun Sedlazik
Ein großartiges Konzert erlebten wir
am 4. Juni 2018 an der Albert-
Schweitzer-Schule, Weimar-West,
mit dem Weimarer Stadtorchester,
Dirigent Matthias Böcking, und den
Schülern der Grundschule, unter-
stützt durch engagierte Lehrer. Dem
begeisterten Publikum sangen und
spielten sie Volkslieder in russischer
und deutscher Sprache.
Leider klappt es aktuell in der gro-
ßen Politik nicht so gut. Das Verhält-
nis von Russland und Deutschland
19Ausgabe zum Jahr 2018/2019
ist von einer Krise der gegenseiti-
gen politischen Beziehungen ge-
prägt. Oder besser gesagt – von
einer kommunikativen Struktur-
Krise zwischen den Eliten. Dabei
waren sich Russland und Deutsch-
land im Laufe ihrer Geschichte über
lange Zeiträume sehr nah und ver-
bunden, insbesondere seit den
Befreiungskriegen gegen Napoleon
1813/1814.
Traditionell eng waren daher auch
die Verbindungen zwischen den
deutschen Fürsten- und Königshäu-
sern und den russischen Zaren. In
Weimar war das Maria Pawlowna
Romanowa, Großfürstin von Russ-
land (1786 - 1859), durch Heirat
Großherzogin von Sachsen-Wei-
mar-Eisenach. Besondere Bedeu-
tung erlangte die Großherzogin als
Förderin der Künste am Weimarer
Hof. In ihrer Zeit begann auch die
Industrialisierung des Kleinstaates.
Und sie wurde als „Engel der Ar-
men, Kranken und Waisen“ geliebt
und verehrt.
Und auch heute arbeiten tausende
deutsche Ingenieure, Wissen-
schaftler, Kaufleute und hunderte
Unternehmen erfolgreich in Russ-
land. Aber auch viele hunderttau-
sende russischsprachige deutsche
Staatsbürger sind Beispiele selbst-
verständlicher Integration. Dort, wo
Menschen würdige Lebensverhält-
nisse und Gerechtigkeit erfahren,
kann sich Frieden langfristig entwik-
keln. Und ein friedliches Leben
erfordert eine zukunftsweisende
Politik, die anerkennt, dass nach-
haltige soziale, ökologische und
wirtschaftliche Entwicklung und
Frieden untrennbar verbunden sind.
Zurück zur Musik, sie kennt keine
Grenzen, weder ethnische noch
musikalische, die Musik verbindet
die Menschen und vermittelt Re-
spekt gegenüber den unterschied-
lichsten Kulturen.
* * * * *
Ein berühmtes Zitat, das Johann
Gottfried Seume zugeordnet wird,
sagt: Wo man singt, da lass dich
ruhig nieder, böse Menschen haben
keine Lieder.
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft20
Ferne läutet der Sterne Chor – klangvolles Konzert russischer Künstler zu Ehren der Weimarer Republik
Heidrun Sedlazik
Der Verein Museion e.V. in Weimar
hat sich zum Ziel gesetzt, mit seinen
Initiativen die kulturellen Verbindun-
gen mit dem Ausland zu erweitern
21
und inhaltlich auszubauen.
Hauptanliegen des Vereins ist es
daher, die vielfältigen Formen aus-
ländischer Kunst als Teil des euro-
päischen Kulturerbes noch stärker
ins Bewusstsein der hiesigen
Öffentlichkeit zu rücken und insge-
samt den kulturellen Austausch zu
verstärken.
Die Veranstaltung im Forum See-
bach „Ferne läutet der Sterne Chor“
widmeten die Künstler dem 100.
Jahrestag der Weimarer Republik.
Die Weimarer Republik existierte in
Deutschland von 1919 bis 1933.
Trotz aller Spannungen, der Situa-
tion und der Fülle von Konflikten, mit
denen die junge Republik fertig
werden musste, war sie eine der
kreativsten und experimentellsten
Perioden in der kulturellen Entwick-
lung Deutschlands.
Ein gewaltiger Modernisierungs-
schub erfasste alle Lebensberei-
che. Und im kulturellen Bereich
genoss Deutschland Weltgeltung –
ob in der Literatur, Musik, Theater,
Film oder Design.
Mit dieser kulturellen Veranstaltung
am 1. November 2018 im Forum
Seebach und einer weiteren am
Sonntag, dem 4. November, ab 11
Uhr im Schießhaus Weimar setzte
sich der Verein „Museion Weimar
e.V.“ das Ziel, die positiven Momen-
te der revolutionären Jahre zu ver-
deutlichen.
Zum Auftakt präsentierte das Kam-
mermusikensemble „Seraphin“ aus
Leipzig am 1. November 2018 die
Musik der Weimarer Republik in der
ganzen Palette von dem Grundstein
des Neoklassizismus J.S. Bach bis
hin zur Avantgarde und weiter zur
Musik von Kurt Weil und Hans
Eisler.
Der Musikwissenschaftlicher Yuri
Kroner, geboren in St. Petersburg,
moderierte geschickt zwischen den
Stücken zu den verschiedenen
Epochen der Musik und Stilarten.
Dies war ein sehr klangvolles Erleb-
nis gebürtiger russischer Musiker,
welche schon Jahrzehnte im MDR
Sinfonieorchester erfolgreich tätig
sind.
* * * * *
Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft22
Schüler aus Rostow am
Don zu Gast
Elke Kolodzy
Seit 2015 begegnen sich jährlich
Schüler des Osterlandgymnasiums
Gera und Schüler der Schule Num-
mer 83 aus Rostow am Don. Was
anfangs mit monatlichen Videokon-
ferenzen begann, wird nun zum
fünften Mal im Schüleraustausch
realisiert. Das Projekt 2018 steht
unter dem Motto „Partnerstädte mit
den Augen junger Künstler“ und
wird 2019 in Rostow am Don fort-
geführt.
Die gastgebende Schule, die Eltern
und viele Helfer und Sponsoren
haben ein tolles Programm zusam-
mengestellt. Am ersten Tag beka-
men die Gäste gleich Gelegenheit,
am Unterricht teilzunehmen. Um
noch mehr Vertrautheit zu schaffen,
wurde anschließend mit Sprache
gespielt. Die Angebote zur Sprach-
animation waren sehr lustig, ver-
einten Bewegung und Sprache
miteinander und erheiterten die
Gruppe.
Der anschließende Besuch bei
Geras Oberbürgermeister Julian
Vonarb (parteilos) wurde sehr wert-
geschätzt. Es gelang dem OB,
einen tatsächlichen Dialog mit den
Gästen zu führen. Die Deutschleh-
rerin aus Rostow am Don, Swetlana
Gladkowa, betonte in ihrer Anspra-
che die große Bedeutung der
Städtepartnerschaft und sprach
gleichzeitig den Wunsch aus, die-
sen Freundschaftsgedanken wei-
terhin zu pflegen. Mit der Übergabe
der Gastgeschenke war auch eine
Einladung an den OB verbunden,
baldmöglichst selbst die Stadt im
Süden Russlands zu besuchen.
Russischlehrerin Elke Kolodzy
machte deutlich, wie wichtig die
Begegnung junger Menschen sei,
vor allem, wenn sie fremde Spra-
chen lernen und erhofft sich natür-
lich auch eine neue Motivation für
das Lernen von Russisch als
Fremdsprache am Osterland-
gymnasium und für Deutsch als
Fremdsprache an der Schule der
Gäste.
Toleranz, Akzeptanz, Andersartig-
keit, Verständnis und Vielfalt kann
man tatsächlich nur erfahren, wenn
man den Kontakt miteinander
pflegt.
Andreas Schubert (Linke) ergänzte,
dass es gerade in Zeiten der politi-
schen Unruhe darum gehe, zu zei-
gen, wie man friedlich miteinander
umgeht. Das Verhältnis zu Russ-
land sei geprägt von vielen Unklar-
heiten, Fragen, Sanktionen und
deshalb sei es so besonders
wichtig, auch junge Menschen an
den Dialog heranzuführen und den
Austausch miteinander zu pflegen
und so zu erfahren, wie es wirklich
im anderen Land aussieht. Als
Unterstützung für die Finanzierung
der Busfahrt nach Eisenach über-
reichte er im Namen der Alternative
54 einen Check über 500 Euro.
Anschließend genossen die jungen
Leute den Blick auf Gera vom Rat-
hausturm aus. Danach gingen alle
ins Stadion. Es war bereits im
Sommer für die russischen Kinder
klar, dass sie sich an der Aktion
„Laufen mit Herz“ beteiligen“. Da die
Schüler seit Mai über soziale Netz-
werke private Kontakte miteinander
pflegten, waren die sieben gemisch-
ten Teams schnell zusammenge-
stellt. Finanziell wurden die Teams
von Familie Hoyer, Andy Seiler,
Dieter Hausold, Ralph Lenkert,
Andreas Schubert, Marc Brade,
Andreas Kinder und Lehrerin Elke
Kolodzy unterstützt.
Das schöne Wetter machte es
möglich, das Kunstprojekt auch im
Freien als Pleinair durchzuführen.
Gemeinsam fertigten die Schüler
Skizzen am Elsterufer in Unterm-
haus an, erfuhren beim Besuch des
Otto-Dix-Hauses, dass der Na-
mensgeber der Stadt als 16-Jäh-
riger genau an gleicher Stelle malte,
wo sie selbst gesessen haben. Am
Nachmittag fand eine Hüttengaudi
in der Turnhalle der Schule statt.
23Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Lehrerin Irena Beer gelang es, mit
vielen lustigen Mannschaftsspielen
die Stimmung richtig anzuheizen.
Weitere Unterrichtsbesuche, eine
Exkursion nach Eisenach mit dem
Besuch der Wartburg gehörten
gleichfalls zum Programm.
Der zweite Ort zum Malen war nach
einem ereignisreichen Wochenen-
de in den Familien das Stadtzent-
rum. Allerdings war es am frühen
Morgen noch sehr kalt, so dass
spontan alle gemeinsam eine digi-
tale Unterrichtsstunde absolvierten.
Besonders viel Freude machte das
eigens für den Schüleraustausch in
einer Nachtschicht von Elke Kolod-
zy erstellte Spiel auf der Plattform
Kahoot. Wer hatte sich da die vielen
originellen Begebenheiten gemerkt,
wer hat aufmerksam den Führung-
en gelauscht und wer kann beson-
ders schnell lesen?
Alle diese Kompetenzen mussten
beim Spiel unter Beweis gestellt
werden. Da die Gäste aus einer
Schule mit erweitertem Deutschun-
terricht kommen, wurden sie auch in
einer speziellen Deutschstunde
beschult. Elke Kolodzy hatte dafür
den Song „Wenn sie tanzt“ ausge-
wählt. Es war sehr interessant, die
Rolle der Frau an diesem Liedbei-
spiel zu erörtern und zu reflektieren.
Viel zu schnell neigte sich die
Begegnung dem Ende zu. Der krö-
nende Abschluss war sicherlich der
letzte Abend mit den Eltern, Lehrern
und einigen Sponsoren, bei dem
auch das grüne Klassenzimmer
eingeweiht wurde. Programm und
Ansprachen begeisterten, berühr-
ten und zeigten, wie schnell die
Kinder eine gemeinsame Sprache
gefunden haben. Nach einem kultu-
rellen Programm mit Schülerband,
Tänzerinnen, Modenschau, Liedern
und Gedichten machten alle deut-
lich, wie sehr sie die gemeinsame
Zeit genossen haben. Kein Wunder,
dass am nächsten Morgen vor der
Abreise die Tränen rollten und man
sich eigentlich nicht trennen wollte.
Ein Wiedersehen wird es schon im
kommenden Jahr in Rostow am
Don geben.
Die Autorin ist Russischlehrerin am
Osterlandgymnasium und Vorsit-
zende der Ortsgruppe der DRFG
Gera/Altenburg.
* * * * *
Mit dem Rad durch die Welt
Günter Guttsche
Roswitha Söchtig auf ihrem RadFoto:Christine Pelz
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft24
Von Europa über Asien nach Austra-
lien – Roswitha Söchtig erradelt sich
die Welt. Zwischen Juni und De-
zember war sie mit einem Touren-
rad auf dem 5. Kontinent unterwegs.
18.000 Kilometer, täglicher Kalori-
enverbrauch zwischen 6.000 und
8.000 Kalorien. Das Ganze spielte
sich in Australien ab, denn genau
dorthin ist die 71-Jährige Welten-
bummlerin auf dem Highway Num-
mer 1, ins Outback gefahren.
Down Under kennt unsere Sympa-
thisantin, Roswitha Söchtig, deren
Hobby schon seit langem das Rad-
fahren ist, wie ihre Westentasche:
Zwölfmal war sie bereits dort, hat
Tasmanien zu Fuß und per Rad
erkundet. Sie liebt das Land. „Man
hat Platz zum Atmen und es gibt
außerhalb der Metropolen nicht so
viele Menschen“, erklärt die Frau,
die immer noch als Nachhilfe-
lehrerin aktiv ist, ein Buch nach dem
anderen schreibt und sich selbst als
„freien Vogel“ bezeichnet.
Viel Kraft hat diese Frau auch und
gerade weil sie einen offenen Um-
gang mit ihrer Blutkrebserkrankung
hat, die 2016 bei ihr diagnostiziert
wurde. Seitdem muss Roswitha,
wie ihre Freunde sie nennen,
Medikamente nehmen und sich
regelmäßig untersuchen lassen.
In ihren Büchern hält sie ihre
Erlebnisse fest, von denen sie zehrt.
Sie berichtet vom Bergsteigen und
Wandern, vom Weg zu sich selbst
durch Joggen, von ihrer Radtour
nach China und schreibt aktuell an
drei neuen Werken.
Nach ihrer Tour will sie auch die
Australien-Tour in einem Buch
beschreiben – ihr erstes über Aus-
tralien. Dann wird auch nachzule-
sen sein, dass ihr Gepäck schmal
ist: Werkzeugtasche, Fotoapparat,
wenig Wechselwäsche, erstmals
ein Zelt, einen Biwak-Sack und eine
kleine Maschine für die Wasserrei-
nigung. Die Temperaturen erwartet
sie im Bereich zwischen 0 und 40
Grad Celsius. Eine Nacht im Freien
mache ihr nichts aus – auch wenn
sie großen Respekt vor frei leben-
den Tieren habe. Aber der Reiz, die
Landschaft zu entdecken und
Kontakt zu den Ureinwohnern zu
haben, überwiegt.
Anfang Februar 2019 schrieb sie
uns: „Inzwischen habe ich meine
Radreise auf dem hw1 um Austra-
lien beendet und ich habe Schwein
gehabt“.
Sie hat noch viele hochfliegende
Träume, die Wirklichkeit werden
sollen.
Bis zu ihrem 80. Geburtstag will sie
alles, was sie sich noch vorgenom-
men hat, schaffen. „Dann soll
Schluss sein – mit allem.“
* * * * *
25Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Programm Östliche Partnerschaft und
Russland
Programm Östliche Partnerschaft
Dr. Reinhard Duddek
Eigentlich heißt es ja Programm
zum „Ausbau der Zusammenarbeit
mit der Zivilgesellschaft in den
Ländern der Östlichen Partner-
schaft und Russland“. Doch der
Einfachheit halber sprechen alle nur
vom ÖPR-Programm, das vom
Auswärtigen Amt der Bundesrepu-
blik bereits seit 2014 jährlich aufge-
legt wird. In unserem „Grünen Heft“
wurde bereits darüber berichtet.
Das Programm ist auf den Ausbau
der Zusammenarbeit mit der Zivil-
gesellschaft in den Ländern der Öst-
lichen Partnerschaft und Russland
ausgerichtet und soll es Organisa-
tionen der Zivilgesellschaft – wie
unserer – und den in ihnen enga-
gierten Bürgerinnen und Bürgern
ermöglichen, ihre Rolle als zentrale
Akteure und wichtige Partner staat-
lichen Handelns wahrzunehmen
und dabei die andauernden Trans-
formationsprozesse in der Region
zu unterstützen. Unter den Ländern
der Östlichen Partnerschaft ver-
steht man einen Teil der ehemaligen
Sowjetrepubliken und zwar Arme-
nien, Aserbaidschan, Belarus, Ge-
orgien, die Republik Moldau und die
Ukraine. Zunächst ausschließlich
nur für die Länder der Östlichen
Partnerschaft aufgelegt, wurde das
Programm schließlich 2016 auch
auf Russland ausgedehnt. Durch
die Bundesrepublik Deutschland
werden hierbei Maßnahmen geför-
dert, die auf eine dauerhafte Zu-
sammenarbeit der deutschen Zivil-
gesellschaft mit den Zivilgesell-
schaften in den genannten Ländern
ausgerichtet sind, bzw. solche auf-
und ausbauen. Dabei bilden die
Zielgruppe der Maßnahmen Akteu-
re außerhalb des Bereichs staatli-
chen Handelns. Typische Akteure
sind Medien, Verbände, Stiftungen
(einschließlich der politischen Stif-
tungen), Hochschulen, Jugendver-
einigungen, Kulturschaffende und
sonstige Nichtregierungsorganisa-
tionen. Auch öffentlich-rechtliche
Rundfunk- und Medienanstalten
werden der Zivilgesellschaft zuge-
rechnet.
Im Landesvorstand der DRFG wur-
den Aktivitäten im Rahmen dieses
Programmes immer besprochen
und sich im Herbst 2017 darauf
verständigt, dass wir versuchen,
uns auch im Jahr 2018 wieder mit
daran zu beteiligen. Im Dezember
wurden daher zwei Anträge gestellt,
die wir in Form von Projektskizzen
einreichten – einmal zur Thematik
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft26
„50 Jahre Städtepartnerschaft Suhl
– Kaluga“ und zum anderen Schaf-
fung „Pilotprojekt Duales Hoch-
schulstudium in der Ukraine“.
Nicht unwichtig ist es hierbei, zu
wissen, dass dieses Programm
mittlerweile auf sehr großes Inter-
esse in der deutschen Zivilgesell-
schaft gestoßen ist, denn antrags-
berechtigt sind ausschließlich nur
die deutschen Projektpartner.
Jährlich werden im Schnitt etwa 500
bis 600 Projektanträge auf Förde-
rung beim Auswärtigen Amt einge-
hen. Die Statistik zeigt, dass von
2014 bis 2018 ungefähr 2.600 Pro-
jektideen eingereicht und von de-
nen schließlich etwa 900 mit gut 63
Mio. € unterstützt wurden. Das Aus-
wärtige Amt spricht dabei hochach-
tungsvoll von einer „Außenpolitik
der Gesellschaften“ und würdigt
damit die verstärkte Zusammenar-
beit der Zivilgesellschaft in den
betreffenden Ländern.
Im Jahr 2018 wurden 420 Projekt-
ideen mit einem Fördervolumen von
40,2 Mio. € angemeldet. Der
Fördertopf war allerdings zunächst
nur mit 14 Mio. € gefüllt. Damit ist
klar, dass nicht alle angemeldeten
Vorschläge eine Unterstützung er-
fahren konnten. Allerdings meinen
wir, dass der vom Auswärtigen Amt
durchgeführte Prozess der Bewer-
tung und Auswahl der förderfähigen
Anträge äußerst intransparent und
nach nicht nachvollziehbaren Krite-
rien gestaltet ist. Auf jeden Fall
erhielten unsere Projektvorschläge
zunächst eine Absage.
Erst nachdem im Sommer 2018 der
Fördertopf nochmals um 3 Mio. €
aufgestockt wurde, bekam unsere
Freundschaftsgesellschaft die Auf-
forderung – bei noch bestehendem
Interesse – Förderanträge beim
Auswärtigen Amt einzureichen. Das
taten wir dann. Dabei erfuhren wir,
dass 2018 insgesamt 240 Projekte
eine Förderzusage erhalten haben,
darunter auch unsere.
Bestimmt fragen Sie sich jetzt: gab
es wirklich keine Auswahlkriterien?
Doch, die gab es. Die wichtigste
Forderung, die an eine Förderung
gebunden ist, lautete: mit dem
vorgeschlagenen Projekt möglichst
viele Akteure der Zivilgesellschaft
zu erreichen – auch über Multipli-
katoren – sowie eines der nachfol-
genden Ziele zu realisieren:
a. „Pluralismus stärken“ – Auf- und
Ausbau von Informations-, Mei-
nungs- und Medienvielfalt
b. „Wertediskurse fördern“ – Werte
durch zivilgesellschaftlichen Dia-
27Ausgabe zum Jahr 2018/2019
log und kulturpolitische Maßnah-
men stärken
c. „Zukunftsperspektiven geben“ –
Maßnahmen der akademischen,
beruflichen und gesellschaftspo-
litischen Aus- und Fortbildung
d. „Förderung von Dialog und Ver-
ständigung“ – Wiederaufbau von
vor dem Hintergrund territorialer
Konflikte verloren gegangenen
Vertrauens
Im Oktober bekamen wir dann die
mit Freude aufgenommene Nach-
richt, dass unsere Projekte bewilligt
und Förderbescheide ausgestellt
worden sind.
Förderbescheide für
Projekte des Programms
Östliche Partnerschaft und
Russland übergeben
Günter Guttsche
* * * * *
Stellv. Sprecher der Arbeitsgruppe
Außenpolitik im Deutschen Bundes-
tag, Christoph Matschie, MdB,
begrüßt die Initiativen unseres
Vereins
Das Russische Spezialitäten-Res-
taurant "Russischer Hof" in Erfurt
war ein gut gewählter und sehr
geeigneter Ort für ein willkommenes
Gespräch mit dem Bundestags-
abgeordneten Christoph Matschie
und einiger Mitglieder des Vorstan-
des unserer Gesellschaft. Was bil-
dete den Anlass? Der stellvertre-
tende Sprecher der Arbeitsgruppe
Außenpolitik im Deutschen Bundes-
tag war nicht mit leeren Händen
gekommen. Im Gepäck hatte er die
Förderbescheide für zwei wichtige
Projekte der Deutsch-Russischen
Freundschaftsgesellschaft, die wir
im Rahmen des vom Auswärtigen
Amt der Bundesrepublik Deutsch-
land ins Leben gerufenen Pro-
gramms „Östliche Partnerschaft
und Russland“ realisieren wollen.
Diese Übergabe erfolgte am 13.
November 2018.
Für die Förderung und Unterstüt-
zung zivilgesellschaftlicher Zusam-
menarbeit mit den Ländern der
Östlichen Partnerschaft und Russ-
land stehen 2019 für das Gesamt-
programm der Bundesregierung,
laut einer Information von Dirk
Wiese, Koordinator für die zwi-
schengesellschaftliche Zusam-
menarbeit mit Russland, Zentral-
asien sowie den Ländern der
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft28
Östlichen Partnerschaft insgesamt
18 Millionen Euro zur Verfügung.
Bei der Bekanntgabe der Haus-
haltsvorgaben für 2019 sagte der
Russlandbeauftragte: "Ich freue
mich, dass wir den Dialog zwischen
Deutschland und seinen östlichen
Nachbarn noch stärker als bisher
fördern können. Es gibt eine immen-
se Nachfrage aus der Zivilge-
sellschaft. Das ist hervorragend
investiertes Geld".
Unsere Gesellschaft wird in den
Jahren 2018/2019 mit zwei wich-
tigen Projekten die zivilgesell-
schaftlichen Beziehungen weiter
ausbauen. Das Projekt „Pilotprojekt
für Duales Hochschulstudium in der
Ukraine“ baut auf den Erfahrungen
einer ersten, in den vergangenen
zwei Jahren durchgeführten Aktivi-
tät auf und das zweite Projekt der
DRFG mit dem Titel „Neue Perspek-
tiven für deutsch-russische Städte-
partnerschaften“, das Ende Oktober
2018 startete, soll in den kommen-
den zwei Jahren immer wieder
Begegnungen und Austausch zwi-
schen den Menschen in Suhl und
Kaluga ermöglichen.
So sollen unter dem Stichwort
„Wertedialog“ Bürger gefragt wer-
den, worauf sich die Städtepart-
nerschaft in Zukunft gründen soll
und wie sie sich die Partnerschaft
und Beziehungen im Jahre 2030
vorstellen. Angedacht ist ebenfalls,
mit Künstlern einen Austausch zu
ermöglichen und eine Ausstellung
zu organisieren. „Die Sprache und
das Bild des Anderen“ lautet hierfür
der Arbeitstitel. Mit Schülern und
Studenten soll es ein Projekt zur
Gedächtniskultur und zur Vergan-
genheit beider Städte geben. Darin
sind nicht nur Zeitzeugen gefragt,
sondern vor allem soll sich auch die
nachfolgende Generation mit den
Zeitzeugen austauschen. Gleich-
zeitig soll auch die Verbindung
zwischen den Menschen gesucht
werden. „Wir wollen das Alte nicht
vergessen, aber jetzt muss eine
neue Basis gelegt werden für eine
weiter lebende Städtepartner-
schaft“, meinte Dr. Martin Kummer
bei der Übergabe der Förderbe-
scheide.
In dem sehr interessanten und leb-
haften Gespräch begrüßte der
Bundestagsabgeordnete ausdrück-
lich die Initiativen unseres Vereins.
Dabei ist für uns sehr wichtig, dass
Christoph Matschie seine volle
Unterstützung bei der Umsetzung
der Vorhaben unserer Freund-
schaftsgesellschaft zugesagt hat.
* * * * *
29Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft30
50 Jahre
Städtepartnerschaft Suhl
und KalugaDr. Martin Kummer
Neues Projekt rückt Zukunft der
Städtepartnerschaft in den Mittel-
punkt. Was macht die Städtepart-
nerschaft zwischen Kaluga und
Suhl aus und wohin soll die Reise
gehen? Mit einem neuen Projekt,
das über eine Laufzeit von drei
Jahren vom Auswärtigen Amt
gefördert wird, will die Deutsch-
Russische Freundschaftsgesell-
schaft diesen Fragen auf den Grund
gehen.
Im Vorfeld fragte das „Freie Wort“
Kalugaer Bürger: „Welche Erin-
nerung haben Sie an Suhl?“ Hier
einige der erhaltenen Antworten:
Möglichkeit, nach Suhl zu reisen. Es
war für mich das erste Mal, im
Ausland zu weilen. Später bin ich
noch einmal nach Suhl gefahren.
Ich habe dort eine Freundin und wir
besuchen uns gegenseitig, wenn es
möglich ist. Die zwei Wochen in
Suhl waren eine tolle Erfahrung für
mich und es hat mir dort sehr gut
gefallen.
Irina Petrowna, Direktorin des
Instituts für Psychologie an der
Universität Kaluga:
Ich war bereits 1983 mit Studenten
der Universität Moskau in Suhl. Wir
haben auch Oberhof und viele an-
dere Städte besucht. Viele Erinne-
rungen daran sind noch lebendig.
Zum Beispiel hatten wir damals an
den sowjetischen Schulen nur zwei
Stunden Sport, in Suhl waren es
aber vier. Das war ein Schock für
uns. Und in Oberhof lag am 25.
Januar kein Schnee, aber dann hat
es über Nacht wahnsinnig viel
geschneit und wir haben einen
tollen Winterspaziergang unter-
nommen und sind Ski gelaufen.
Andrej Volochow, Leiter des
KROK, Kaluga:
Für uns ist der Austausch mit Suhl
eine großartige Erfahrung. Erstmals
haben wir in Kaluga ein Festival
ausgerichtet mit Menschen mit Be-
hinderungen und in Suhl gab es
interessante Workshops mit Tho-
mas Loos von den Suhler Werkstät-
Lisa Slyschkina, Studentin,
Kaluga:
Als ich 16 Jahre alt war, hatten wir in
der Schule ein Projekt zum Thema
„Inklusion“ und für mich gab es die
31
ten. Bei einem meiner zwei Besu-
che in Suhl war ich am 8. Mai in der
Stadt. Ich habe gemerkt, dass die
Menschen hier genauso über Krieg
denken wie wir. Niemand soll das
jemals wieder erleben. Vor allem
das Entgegenkommen der Men-
schen, die Liebe für- und die Ach-
tung voreinander haben mich beein-
druckt. Und viele Suhler haben noch
Erinnerungen an Kaluga, das ver-
bindet die beiden Städte heute
noch.
Nina Malowa, Dolmetscherin,
Kaluga
Suhl ist eine sehr schöne Stadt. Ich
war einmal im Herbst dort und die
Blätter in den Wäldern waren bunt
und alles so farbenfroh. Auch alles
was es in den Läden gab, war für
uns interessant. Ich reiste mit einer
offiziellen Delegation und es gab ein
Treffen mit den FDJlern mit allem
Drum und Dran. Außerdem haben
wir uns Zella-Mehlis, Meiningen und
Schmalkalden angeschaut und wir
waren in der Gedenkstätte Buchen-
wald. 1991 war ich noch einmal in
Suhl.
Larissa Syliander, Dozentin,
Kaluga
Ich war mit einem Schüleraus-
tausch im Sommer 1989 für 10 Tage
in Suhl. Wir waren in der Wilhelm-
Pieck-Schule. Unter der Woche
haben wir in der Turnhalle geschla-
fen und am Wochenende waren wir
bei Gastfamilien. Für uns war das
ein ungewöhnliches Erlebnis – die
Läden waren voll mit Dingen, die
man kaufen konnte und die Straßen
waren sauber. Wir haben damals
auch Weimar und Berlin besucht
und ich habe viele schöne Erinne-
rungen an diese Zeit. Von dem
bevorstehenden Umbruch haben
wir als Schüler damals nichts
bemerkt.
(aus FW: 10.03.2018)
* * * * *
Suhl und Kaluga – Neue
Perspektiven der Städte-
partnerschaft diskutiert
Günter Guttsche
Begegnung in Kaluga während der Konferenz im April
Ausgabe zum Jahr 2018/2019
1969 wurden das russische Kaluga
und die deutsche Stadt Suhl Partner
Somit gibt es bereits seit 50 Jahren
freundschaftliche Beziehungen zwi-
schen Kaluga und Suhl. Das Inter-
essanteste dabei ist, dass sie nicht
nur auf der hohen Leitungsebene
Freunde waren.
Herzliche unvergessene Beziehun-
gen wurden zwischen Gewerk-
schaften, Arbeitskollektiven und
Jugendlichen geknüpft. Bereits
1969 wurden beide Städte Partner.
Sowjetische Bauleute, die nach
Suhl kamen, fragten sich, warum es
auf den deutschen Baustellen keine
Wachen gab. Und die Gäste aus
Suhl waren von der Gastfreund-
schaft überwältigt.
Auf einer Konferenz zu den Per-
spektiven der weiteren Zusam-
menarbeit diskutierten im April 2019
Vertreter aus Kaluga und Suhl über
die Möglichkeiten, neue Aufgaben-
felder in der gemeinsamen Tätigkeit
zu erschließen. Im Ergebnis dieser
Diskussion wurde eine neue Verein-
barung zwischen der Filiale der
Akademie für Volkswirtschaft und
den staatlichen Dienst Kaluga und
der Deutsch-Russischen Freund-
schaftsgesellschaft in Thüringen für
die kommende Zeit unterzeichnet.
In den Jahren vor 1989 verkehrten
zwischen den Städten Freund-
schaftszüge, fanden Sportwett-
kämpfe statt und Arbeitsbrigaden
tauschten Erfahrungen aus. Die
Zusammenarbeit wurde auch in den
Jahren danach fortgesetzt. Und
heute besteht wieder ein solches
Vertrauen. Im vergangenen Herbst
2018 besuchte eine Delegation aus
Kaluga Suhl, wo sie konkret weitere
Perspektiven für die Zusammen-
arbeit bei der Entwicklung des
sozialen Bereichs diskutierten.
Vieles wurde bereits auf den Weg
gebracht. In den letzten drei Jahren
wurde eine riesige ehrenamtliche
gemeinsame Arbeit geleistet, um
Menschen mit Behinderungen zu
helfen. Auch ein Schulaustausch-
projekt ist jetzt geplant. Kinder aus
Suhl werden im Frühjahr 2019 nach
Kaluga reisen, auf sie wartet dort ein
umfangreiches Programm wie der
Besuch von Museen, Literaturaben-
de und vieles mehr. Und junge
Leute aus Kaluga werden im Herbst
nach Suhl fahren.
Im Augenblick richtet sich die
Aufmerksamkeit der Freund-
schaftsgesellschaft auf den Hospi-
tationsaufenthalt von drei Studen-
tinnen der Kalugaer Universität bei
den Fraktionen von CDU, Linke und
SPD des Thüringer Landtages, die
sich von Anfang bis Mitte Mai 2019
mit Erfahrungen bei der Umsetzung
von freiheitlicher Demokratie und
Bürgereinsatz vertraut machen wer-
den. Hautnah werden die jungen
Gäste auch die Vorbereitung der
Europa- und Kommunalwahlen
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft32
miterleben, an der Gedenkstunde
zum 8.Mai teilnehmen, Weimar und
Buchenwald, die Neue Synagoge
und den Gedenkort „Topf und Söh-
ne“ in Erfurt besuchen.
Die Aussichten für eine Zusam-
menarbeit sind für die nächsten
Jahre klar umrissen. Unmittelbar
nach den Studierenden wird die
herzliche Beziehung unter den
Erwachsenen weitergehen. Suhler
Bürger gehen im September 2019
auf Reisen und besuchen Moskau
und Kaluga.
Am 8. April besuchte die kleine
Delegation aus Suhl auch die Stadt
Obninsk im Kalugaer Gebiet. Im
Laufe der Jahre haben deutsche
Partner wiederholt Obninsk, die
erste Wissenschaftsstadt Russ-
lands, besucht. Im Haus der Wis-
senschaftler kam es zu einem
Treffen der Delegation mit der
staatlichen Verwaltung der Stadt
Obninsk, die durch den stellvertre-
tenden Leiter der Wirtschafts-
förderung, Gennadi Ananiev, die
stellvertretende Leiterin für soziale
Fragen, Tatyana Popova, und die
Leiterin für Innovationsentwicklung,
internationale Zusammenarbeit,
Unterstützung und Entwicklung,
Valentina Zinchenko, und andere
vertreten waren. Auf russischer
Seite war auch der Direktor der
Förderagentur für Innovation des
Gebiets Kaluga, Anatoly Sotnikov,
vertreten. Gennadi Ananiev zeigte
den Gästen eine kleine Präsen-
tation über die Stadt Obninsk, deren
Begleittext in deutscher Sprache
verfasst war. Auch Tatyana Popova
konnte in Deutsch frei mit den
Gästen kommunizieren. Ananiev
sprach über die wirtschaftliche,
wissenschaftliche und innovative
Entwicklung der Stadt und sagte,
dass sie daran interessiert seien,
den Austausch von Erfahrungen mit
ihren deutschen Kollegen im Pro-
gramm „Smart City“ zu führen. In
seiner Antwort betonte der Vor-
sitzende der Deutsch-Russischen
Freundschaftsgesellschaft in Thü-
ringen, der ehemalige Oberbürger-
meister von Suhl Dr. Mart in
33Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Kummer, die Bedeutung einer lang-
fristigen Zusammenarbeit beider
Städte und bedankte sich bei der
Verwaltung von Obninsk für den
herzlichen Empfang. Die russische
und deutsche Seite erörterten Fra-
gen der Beziehungen der Städte im
Rahmen des Programms „Ausbau
der Zusammenarbeit der Länder
der Östlichen Partnerschaft und
Russland“, das vom Auswärtigen
Amt der Bundesrepublik großzügig
finanziell gefördert wird.
Dr. Kummer übergab eine Einla-
dung zur Städtepartnerschafts-
konferenz in Düren, die Ende Juni
2019 stattfinden wird. Während der
Diskussion wurden eine Reihe von
Vorschlägen im Bereich der Kultur
angesprochen. So schlug Tatyana
Popova der deutschen Seite vor,
eine Konzertreise des Obninsker
Kinderchores „Canzone“ in Suhl zu
veranstalten. Bei den deutschen
Gästen fand dieser Vorschlag
großen Widerhall, vor allem jetzt, da
es Gespräche über einen Besuch
eines Chores aus Thüringen gibt.
Ein Gegenbesuch des Obninsker
Chores wäre daher eine gute Fort-
setzung der Zusammenarbeit. Im
Gegenzug bekundete Dr. Martin
Kummer die Absicht, dass Foto-
grafen der Stadt Suhl Ende April
Kaluga besuchen, um eine Foto-
ausstellung vorzubereiten. Laut
Martin Kummer, könnten die Foto-
grafen auch Obninsk besuchen und
die Fotos mit in ihre Ausstellung
einbauen. Gennadi Ananiev und die
weiteren Obninsker Kollegen waren
von diesem Angebot begeistert und
sicherten den Machern der Ausstel-
lung ihre volle Unterstützung zu.
Fotos: Dr. Kummer und Medien /
Kaluga u. Obninsk
* * * * *
Idee der dualen Hoch-
schulausbildung auch in
der Ukraine angekommen
Dr. Reinhard Duddek
Das System der dualen Ausbildung
von Lehrlingen wird in Deutschland
bereits über ein Jahrhundert erfolg-
reich praktiziert. Vor etwa 40 Jahren
kam der Gedanke auf, diese Verfah-
rensweise auch auf die Hochschul-
ausbildung zu übertragen. Seitdem
wurden in einigen Bundesländern
verschiedene Modelle einer dualen
Hochschulausbildung (DHS) etab-
liert, so auch in Thüringen.
Unser kleiner Thüringer Verein, der
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft34
den Freundschaftsgedanken zwi-
schen den Zivilgesellschaften der
Menschen in den Ländern der ehe-
maligen Sowjetunion und Deutsch-
land befördern möchte, nutzte das
Angebot des Auswärtigen Amtes
zur Teilnahme am Programm „Aus-
bau der Zusammenarbeit mit der
Zivilgesellschaft in den Ländern der
Östlichen Partnerschaft und Russ-
land“, um gemeinsam mit Partnern
in der Ukraine und Deutschland das
Thüringer Modell der DHS in der
Ukraine zu propagieren und nach
Möglichkeit Hilfestellung zu geben,
dieses dort zu etablieren. In einem
ersten Projekt, das wir vor zwei
Jahren realisierten, wurde daher
dieses Modell einem größeren Kreis
von Fachleuten vorgestellt und
diskutiert. Dieser Prozess fand sehr
positiven Anklang, was die Akteure
bewog, in einem zweiten Schritt
eine Pilotprojektlösung in der Ukra-
ine zu etablieren. Unerwartete
Unterstützung erhielten die Akteure
zudem durch eine Festlegung des
Ministerrates der Ukraine im Spät-
sommer 2018, der die Bildungsmi-
nisterin beauftragte, die Vorausset-
zungen für ein DHS bis 2023 zu
schaffen.
Im November 2018 wurden im Rah-
men des durch das Auswärtige Amt
bestätigten Projektes in der Ukraine
unter ziemlich großer medialer
Beachtung zwei Symposien durch-
geführt, die der Erläuterung der
verfolgten Projektziele und einem
Erfahrungsaustausch mit den Fach-
leuten vor Ort dienten. Gerade
diese unmittelbare Begegnung, der
direkte Austausch erwies sich als
sehr ergiebig und zielführend.
Blick in den Tagungsraum des Symposiums in der privaten Hochschule Robert Elvorti in Kropyvnyz'kyj, Ukraine
Eine zweite Maßnahme in Thürin-
gen bot fünf ukrainischen Gästen
die Möglichkeit unmittelbar mit allen
Beteiligten einer DHS – dualen
Studenten, Arbeitgebern und der
dualen Hochschule Gera-Eisenach
Besuch des Maschinenbauun-ternehmens DECKEL MAHO in Seebach, Projektteilnehmer im Ge-spräch mit einem Studenten der DHGE
35Ausgabe zum Jahr 2018/2019
(DHGE) – ins Gespräch zu kommen
und einen sehr intensiven Gedan-
kenaustausch zu führen. Die Gäste
vertraten den Arbeitgeberverband
und drei ukrainischen Hochschulen.
Manche, der hier in Thüringen er-
haltenen Antworten, bestätigten
ihre eigenen Vorstellungen.
Im Präsentationsraum der Firma DECKEL MAHO in Seebach, einem Praxispartner der DHGE, vor einer verkaufsfertigen Maschine
Es gab aber auch etliche aha-
Effekte, die bei den Gästen zum
Nachdenken führten, so z.B., dass
die „praktischen“ Phasen im Unter-
nehmen ein fester Bestandteil der
Ausbildung – hier Wissensinhalte
praxisnah vermittelt und vertieft
Nach dem Gedankenaustausch mit dem Vizepräsidenten der DHGE
werden – aber keine Phase der
„Lohnarbeit“ sind.
Beim Besuch der DHGE gehörte
neben der Besichtigung der Bil-
dungseinrichtung, den Seminarräu-
men, der Bibliothek und Gesprä-
chen mit Studierenden und Profes-
soren natürlich auch eine Verkos-
tung in der Mensa mit zum oblikato-
rischen Programm.
Ein Glühwein zur Erwärmung auf dem Weihnachtsmarkt – e in absolutes Muss
Neben der Beschäftigung am Pro-
jekt fanden die Gäste aber auch
Gelegenheit, um die historische Alt-
stadt von Erfurt, das Rathaus und
den Weihnachtsmarkt zu besichti-
gen.
* * * * *
Die am Projekt Beteiligten brachten
ihren festen Willen zum Ausdruck,
auch weiterhin ihren Beitrag zum
Gelingen zu leisten.
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft36
1919 – 2019
Tamara Jeliaskova – Verein
Museion Weimar
Beiträge zum vom Auswärtigen Amt
geförderten Projekt: Spuren und
Zeugnisse Thüringer Bauhäusler im
Ural und ihr Schicksal
Das 100-jährige Bauhaus-Jubi-
läum 2019 ist uns Anlass, das
Projekt „Spuren und Zeugnisse
Thüringer Bauhäusler im Ural und
ihr Schicksal“ zu starten und Kennt-
nisse über wenig bekannte Seiten
der Geschichte Deutschlands und
Russlands zu vertiefen und zu ver-
mitteln.
Vor Ort in einem kleinen Ort im Ural
Der Verein Museion Weimar e.V.
richtet im bevorstehenden 100.
Bauhaus-Jubiläum 2019 sein Enga-
gement darauf, mit dem Projekt
„Spuren und Zeugnisse Thüringer
Bauhäusler im Ural“ die Kenntnisse
über das Leben und Wirken der
Bauhäusler näher zu beleuchten
und damit die Meinungs- und
Informationsvielfalt zu stärken.
Die Vermittlung von allgemein
humanistischen Werten im Prozess
des zivilgesellschaftlichen Dialogs
als „Partnerschaft unter Gleichen“
stehen besonders im Fokus der
Betrachtungen. Ziel unseres Pro-
jektes ist es, einem breiten Publi-
kum wenig bekannte Seiten der Ge-
schichte Deutschlands und Russ-
lands, am Beispiel des Schicksals
der deutschen Architekten, die mit
dem Bauhaus verbunden sind, der
Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Ihr Leben ist unvermeidlich mit dem
Leiden in den Arbeitslagern der
1930-er Jahre in der Sowjetunion
verbunden. „Der Begriff Gulag ist
zum Synonym für das sowjetische
Repressionssystem geworden,
dem Millionen Menschen zum Opfer
fielen.“ Doch denken das auch
heutige Schülergenerationen? Was
müssten und was könnten diese auf
der Basis ihrer Kenntnis der Ge-
schichte und der Erzählungen der
älteren Generation über den Gulag
wissen?
Daran knüpft unser Projekt an.
37Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Im Jahr 1925 hörten die Weimarer
Behörden auf, das Bauhaus zu sub-
ventionieren, die Schule wurde von
Weimar nach Dessau verlegt. 1928
wurde der damalige Bauhausdirek-
tor Walter Gropius von Hannes
Meyer abgelöst. Sein Name war
nicht nur in europäischen Ländern,
sondern auch in der UdSSR schon
bekannt. Am 1. August 1930 wurde
der "marxistische" Direktor von den
Nazis aus der Schule verwiesen.
Die Thüringer Bauhäusler wurden
von der sowjetischen Regierung
eingeladen, um zu helfen, neue
Städte zu entwerfen. Um sich vor
der faschistischen Repression zu
retten und seine berufliche Tätigkeit
fortzusetzen, entschied sich Han-
nes Meyer für einen Umzug nach
Moskau, woher verlockende Ange-
bote kamen.
Dem jungen Land fehlten eigene
Fachkräfte, so dass ausländische
Experten, die marxistische Ideen
hatten, nach Moskau eingeladen
Auf den Spuren der Vergangenheit -
ehemaliges Gulag Solikamsk
wurden. In der UdSSR wird sogar
ein besonderes Kadergremium
geschaffen – der Glavpromkadr des
Obersten Wirtschaftsrats (Oberer
Rat der Volkswirtschaft). Diese
Abteilung lud Meyer und seine
Studenten ein, in der Sowjetunion
zu arbeiten. 1931 ging H. Meyer in
die UdSSR, begleitet von mehreren
Studenten, darunter Ph. Tolziner
und K. Püschel.
Gulag Perm 36
In die UdSSR kam im Allgemeinen
die größte Gruppe deutscher Stu-
denten und Lehrer aus dem Bau-
haus – 23 Personen. Zunächst
waren sie von Aufmerksamkeit und
Sorgfalt umgeben. Meyer zum Bei-
spiel, der kein Russisch sprach,
wurde am All-Union-Institut für
Architektur und Bauwesen (VASI)
zum Professor ernannt. Junge
deutsche Architekten, die davon
träumten, gleiche Lebensbedingun-
gen für alle zu schaffen, wurden als
„Rote Brigade“ bezeichnet. Ihre
architektonischen Werke, innovati-
ven Projekte, die am Bauhaus
entwickelt worden waren, gefielen
der Bolschewiki und sie unterstütz-
ten den Konstruktivismus und die
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft38
architektonische Projekte ohne
Schnickschnack, die durch Strenge,
Kompaktheit, Solidität und Billigkeit
gekennzeichnet waren. Projekte
des „Bauhauses“ wurden in Moskau
ausgestellt, sie selbst wurden im
Kreml empfangen und ihnen wurde
großes Vertrauen entgegen ge-
bracht. Trotzdem war das Schicksal
der Mehrheit der deutschen Archi-
tekten, die von der UdSSR dazu
aufgerufen worden waren, hier
neue Städte zu bauen, zum Teil sehr
tragisch. Aber es gelang ihnen
immer noch, etwas zu tun ...
Keiner von ihnen konnte wissen,
welches Schicksal jeden von ihnen
erwartete. Es ist wenig bekannt
über die tragischen Schicksale die-
ser Menschen und wie sie in jener
Zeit gelebt haben. Die aus heutiger
Perspektive teilweise absurd wir-
kenden so genannten Gründe, we-
gen derer die Menschen u.a. verur-
teilt und in das Lagersystem kamen,
das Leben der Menschen im Gulag,
die Bedingungen unter denen sie
arbeiten mussten und wie viele von
ihnen dort zu Tode kamen, wird mit
der Darstellung derjenigen Biogra-
phien erreicht, die man rekonstruie-
Gedenktafel im Museum des Lagers in Perm
ren konnte.
Dabei ist von Interesse, dass sich
unter den tausenden Häftlingen in
den Lagern auch Thüringer Archi-
tekten befanden:
Erich Borchert, geboren am16.
Februar 1907 in Erfurt, übernahm
die sowjetische Staatsangehörig-
keit, heiratete eine russische Male-
rin und kam im Gulag/Karagandа
um.
Borchert wuchs in Erfurt auf. Von
1926 bis 1929 studierte er Wand-
malerei am Bauhaus Dessau und
war Schüler bei Paul Klee, Wassily
Kandinsky und Lyonel Feininger.
Das Studium schloss er 1930 mit
dem Diplom des Künstler-Architek-
ten ab. Schon 1928 war er der Kom-
munistischen Zelle (KPD) beim
Bauhaus beigetreten.
https://www.bauhaus-museon.com/
39Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Philipp Tolziner, geboren am 16.
Oktober 1906 in München; † 1. Mai
1996 in Moskau
Er lebte mehr als 60 Jahre in Russ-
land. 10 Jahre im Lager, danach war
er ein Hauptarchitekt der speziali-
sierten wissenschaftlichen Wieder-
herstellungswerkstatt in Perm und
restaurierte die Denkmäler der alt-
russischen Baukunst in Solikamsk;
er hat ein langes und aktives Leben
gelebt und starb in Moskau.
Konrad Püschel, geboren am 12.
April 1907 in Wernsdorf bei Glau-
chau; gestorben 1977 in Weimar.
Er begann seine Ausbildung 1923 in
Glauchau als Tischler und ging
1926 an das Bauhaus Dessau. Sein
Bauhausstudium beendete er mit
der 21. im Bauhaus ausgestellten
Diplomurkunde. Lehrer wie Josef
Albers, Marcel Breuer, Carl Flieger
und Hannes Mayer waren prägend
für sein gesamtes Schaffen.
Von 1931 bis 1937 ging er mit einer
Bauhausgruppe unter H. Mayer
nach Moskau, um in der Sowjet-
union Schulen, technische Lehran-
stalten und Stadtplanungen zu ent-
werfen. Nach dem Krieg aus russi-
scher Gefangenschaft zurückge-
kehrt, konnte er ab 1948 an der
Hochschule für Architektur und
Bauwesen in Weimar tätig werden
und hat dort von 1960 bis zu seiner
Emeritierung 1972 als Dozent und
Professor das Lehrgebiet „Dorfpla-
nung“ begründet, aufgebaut und
geleitet. Zwischenzeitlich wirkte er
von 1955 bis 1959 als Planer und
Bauleiter beim Wiederaufbau der
kriegszerstörten Städte Hamhung
und Hungnam in Korea.
Er war der letzte Bauhäusler und
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft40
starb 1977, kurz vor seinem 90.
Geburtstag in Weimar. Zwischen
1938 und 1947 war er im Gulag.
Nach dem Krieg aus sowjetischer
Gefangenschaft zurückgekehrt, war
er ab 1948 (bis 1972) an der Hoch-
schule für Architektur und Bauwe-
sen in Weimar tätig.
Mehr dazu unter:
http://newreportage.ru/archives/13
282
Ursula Muscheler „Das rote Bau-
haus“
Fotos: H.Sedlacik und wikipedia
* * * * *
Erich Borchert – Schicksal
eines Bauhäuslers in der
Sowjetunion
Heidrun Sedlacik
Er zeichnete sich durch seine viel-
fältigen Aufgaben und Aktivitäten in
der Wandmalerei, die von Hinnerk
Scheper geleitet wurde, und durch
seine experimentellen Arbeiten in
den Bereichen Malerei und Grafik
aus.
Bereits 1928 hatte er zusammen mit
mehreren Kommilitonen, darunter
Xanti Schawinsky, Fritz Kuhr und
Lou Scheper, die Ausstellung Junge
Bauhausmaler initiiert. Die Aus-
stellung wurde in wichtigen Künst-
lerverbänden in ganz Deutschland
gezeigt und versprach einen erfolg-
reichen Start von Teilnehmer-
karrieren auf dem Kunstmarkt.
Borcherts Ziele gingen jedoch da-
rüber hinaus: Sein starkes Interesse
an sozialen Fragen äußerte sich in
seinem aktiven Engagement in der
kommunistischen Studentenfrak-
tion am Bauhaus. Dementspre-
chend ergriff er die Gelegenheit,
zum Aufbau einer sozialistischen
Gesellschaft beizutragen, indem er
1930 Hinnerk Scheper nach Mos-
kau folgte. Sein Lehrer am Bauhaus
hatte dort einen Auftrag erhalten,
die Farbgestaltung sowjetischer
Kommunal- und Wohngebäude
durchzuführen.
Als ein ernüchterder Scheper 1931
nach Deutschland zurückkehrte,
übernahm Borchert seinen Posten
beim Malyarstroy Trust. Zusammen
mit seiner Frau, der Malerin Sofia
Matveyeva aus dem Moskauer
künstlerisch-technischen Institut,
entwickelte er zahlreiche Farbsche-
mata für die Gemeinschaftsgebäu-
de in und um die Hauptstadt. Ab
1931 schuf er auch Karikaturen, die
die drohende Hitlerdiktatur verurteil-
ten.
Die von Borchert in Russland ent-
standenen Gemälde und Zeich-
nungen, die sich größtenteils mit
deutschen Themen befassen, wur-
den in Form einer Einzelausstellung
1933 im Museum of New Western
Art in Moskau gewürdigt.
41Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Ab 1939 musste er seine Familie als
unabhängiger Kunstmaler und
Zeichner unterstützen, was ange-
sichts der Tatsache, dass seine
Karikaturen von sowjetischen Zen-
soren abgelehnt und als „fremd“
bezeichnet wurden, schwierig war.
Die sowjetische Staatsbürgerschaft
wurde ihm lange verweigert.
Erst Ende 1938 stimmten die Behör-
den seinem Antrag zu. Zur Weih-
nachtszeit 1941 wurde Borchert
dennoch als feindlicher Ausländer in
ein Baubataillon im Ural deportiert.
Im November 1942 wurde er
beschuldigt, in Kamensk-Uralsky
einen „faschistischen Ablenkungs-
akt“ begangen zu haben. In seiner
ursprünglichen Verhandlung wurde
er zum Tode verurteilt. Diese wurde
jedoch Anfang 1944 in ein „korrigie-
rendes Arbeitslager“ von 20 Jahren
umgewandelt. Am 24. September
1944 starb Borchert im Zwangs-
arbeiterlager KarLag im Alter von 37
Jahren. Erst 1962 rehabilitierte ihn
ein Militärgericht des Militärbezirks
Ural postum. In Erfurt wurde er 2009
mit einer Gedenktafel am Wohn-
haus seiner Jugend in der Friedrich-
Engels-Straße 67 geehrt.
In seinem Gesamtwerk entwickelte
er eine breite Palette künstlerischer
Arbeiten, von seinen frühen Land-
schaftsstudien aus der Umgebung
von Erfurt über experimentelle
Zeichnungen und Auftragsarbeiten
für die Wandmalerei am Bauhaus
bis hin zu Aquarellen und Zeichnun-
gen mit Motiven aus seiner privaten
Umgebung und antifaschistische
Karikaturen.
Borchert ist ein Paradebeispiel für
Deutschlands verlorene Genera-
t ion, deren Fortführung ihrer
künstlerischen Arbeit durch den
Aufstieg des Nationalsozialismus in
Deutschland behindert wurde.
Einige von ihnen machten sich mit
jugendlichen Erwartungen und
utopischen Zielen auf den Weg in
die Sowjetunion: Sie wurden dort
mit offenen Armen und zahlreichen
Kommissionen begrüßt, aber ihre
Situation wurde immer verzweifel-
ter, und während der stalinistischen
Säuberungen wurden sie entweder
erschossen oder starben – ähnlich
Borchert – in Arbeitslagern. Dabei
gerieten nicht nur ihre Biografien,
sondern auch ihre künstlerischen
Arbeiten in Vergessenheit. Umso
mehr freuten wir uns, als Borcherts
Tochter Erika und die Familie
Koltschenko großzügig Fotos der
meist verschollenen Werke aus
seinem frühen Oeuvre spendeten,
die es uns ermöglichten, das
Zeugnis seiner hier zur Verfügung
gestellten Arbeiten öffentlich zu
präsentieren.
Quelle der biographischen Arbeit:
bauhaus -archiv/museum für
gestaltung
* * * * *
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft42
Aus dem Leben unserer Gesellschaft
43Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Buchlesung mit Jewgeni A.
Schmagin
Günter Guttsche
Eine besondere Beziehung verbin-
det die Deutsch-Russische Freund-
schaftsgesellschaft in Thüringen mit
Jewgeni A. Schmagin. Er war Leiter
der Außenstelle der Botschaft der
Russischen Föderation in Berlin, die
Botschaft befand sich in den 90-iger
Jahren in Bonn. Danach wechselte
er nach Moskau und war u.a. Bot-
schafter seines Landes in Kirgisien.
So verwundert es nicht, dass wir ihn
einluden, hier in Thüringen sein
aktuelles Buchvorzustellen.
Die Ortsgruppen der Deutsch-Rus-
sischen Freundschaftsgesellschaft
in Thüringen e.V., vertreten durch
Gera-Altenburg, Weimar, Suhl und
Erfurt erwiesen sich als gute Gast-
geber und organisierten erfolgreich
die Lesungen, die durch die Stiftung
„West-Östliche Begegnungen“ und
den Verein „Alternative 54“ eine
finanzielle Förderung erfuhren
sowie durch einen eigenen finan-
ziellen Beitrag unserer Gesellschaft
getragen wurde. Die Fördervorga-
ben der Sponsoren wurden inhaltich
eingehalten. Bei allen Veranstal-
tungen wurde auf die großzügige
Hilfe der Stiftung „West-Östliche
Begegnungen“ verwiesen, die ein
solches Mammutprogramm erst
ermöglichte.
Mit der Lesung aus seiner Biografie
"Meine Botschaft – Ungeschminkte
Erinnerungen eines russischen Dip-
lomaten“ gewährte uns Jewgeni
Schmagin einen äußerst kurzweili-
gen und seltenen Einblick in den
Alltag eines Diplomaten. Viele
kleine Randepisoden, von denen er
berichtete, gaben den Veranstal-
tungen ihren besonderen, unver-
wechselbaren Reiz.
Inhalt und Ausgestaltung der Buch-
lesungen:
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft44
6. November 2018 in Gera
Die Vorsitzende der OG Gera-
Altenburg, Elke Kolodzy, eröffnete
den Abend. Bernd-Christian Hyckel,
stellv. Vorsitzender der Ortsgruppe,
berichtete dem über siebzigköpfi-
gem Publikum, wie es zu den
privaten Kontakten zwischen ihm
und dem Diplomaten a.D. kam.
Über die Jahre fand er, als Schma-
gin Botschafter der Russischen
Föderation in der Republik Kirgistan
war, in ihm einen großmütigen und
aufrichtigen Freund und Unterstüt-
zer, der ihm bei vielfältigen Kontak-
ten in diesem mittelasiatischen
Land zur Seite stand und auch so
manches Mal als „Türöffner“ fun-
gierte. Herr Schmagin hob die
besondere Bedeutung der städte-
partnerschaftlichen Beziehungen
hervor und erzählte von seinen
Erlebnissen mit damaligen Ober-
bürgermeistern, Stadträten, Politi-
kern verschiedener Parteien und
Bürgerinnen und Bürgern.
7. November 2018 in Weimar
Die Lesung in Weimar wurde von
den Organisatorinnen und Organi-
satoren der Ortsgruppe vorbildlich
abgesichert. In die Stadtbücherei,
wo sie stattfand, kamen diesmal mit
61 Teilnehmenden besonders viele
Zuhörer. Für Jewgeni Schmagin
war Weimar nicht unbekannt, denn
dies war auch ein Ort vielfältiger
Begegnungen in seiner Zeit als
Generalkonsul.
8. November 2018 in Suhl
Ebenso in Suhl, im Salon “Kaluga“
des CCS Hotels, wo die Ortsgrup-
penvorsitzende, Frau Hagemann,
und der Landesvorsitzende, Herr
Dr. Martin Kummer, den Gast unter
dem Beifall der 87 Anwesenden
herzlich begrüßten.
Schmagin bekannte hier: „Ich habe
in Hunderten deutschen Städten
Antrittsbesuche absolviert, aber
niemals ist so eine tiefe Verbunden-
heit und Freundschaft entstanden
wie zu Suhl.“ Ausführlich berichtete
45Ausgabe zum Jahr 2018/2019
die Lokalzeitung „Freies Wort“ über
die Lesung und den Inhalt der Dis-
kussion.
9. November 2018 in Erfurt
In Erfurt fanden zwei Begegnungen
mit Botschafter a.D. J. Schmagin
statt. Zunächst war er Gast in der
Walter-Gropius-Schule, einer Be-
rufsschule mit Gymnasialteil, der
bereits einen langjährigen Schüler-
austausch mit einem Gymnasium in
Sankt Petersburg praktiziert.
Die über 120 Schülerinnen und
Schüler sowie der Lehrkörper traten
in einen umfänglichen Dialog mit
dem Gast aus Russland. Bei der
Einführung in sein Leben und Wir-
ken zeigte Jewgeni A. Schmagin
anschaulich auf, wie es zum Schrei-
ben von „Meine Botschaft“ kam. In
der interessanten kurzweiligen Dis-
kussion mit dem Autor wurden – wie
so oft – Fragen der Einführung eines
visafreien Reiseverkehrs mit Russ-
land, besonders im Hinblick auf die
Schüleraustausche thematisiert.
Fragen zum realen Leben fanden
ebenso in der Diskussion ihren
Niederschlag wie auch die Art und
Weise, wie in den deutschen Me-
dien ein teilweise feindseliges Bild
von der russischen Realität ge-
zeichnet wird, welches auf einige
Schüler durch eigene Anschauung
beim Austausch mit Sankt Peters-
burger Schülern sehr befremdlich
wirkte. Die geplante Lesung von ca.
einer Stunde musste dann nach 2
1/2 Stunden beendet werden und,
wie es der stellv. Schulleiter Dr.
Finke ausdrückte, hat der Besuch
gezeigt, „wie notwendig friedliche
Kontakte zwischen den Menschen
in Deutschland und der Russischen
Föderation auch in Zukunft sein
werden“. Dem Aufenthalt an der
Gropius-Schule schloss sich eine
Lesung in der „Contineo“ Buch-
handlung in Erfurt an. Auch hier war
die Resonanz auf die Buchlesung
ebenfalls hoch.
Herr Schmagin verstand es, die
Zuhörer mit seinem Bericht in sei-
nen Bann zu ziehen und zu beein-
drucken. Die Auszüge aus seinem
Buch faszinierten die Zuhörer und
wurden bei allen Leserunden mit
sehr viel Applaus honoriert. Die
vorgestellten Episoden vermittelten
einen authentischen, sehr persönli-
chen Einblick in Schmagins Leben
und regten sowohl zum Schmun-
zeln als auch zum Nachdenken an.
Ein Dankeschön an den Autor J. A.
Schmagin. Seine Botschaft, einan-
der freundschaftlich und friedlich zu
begegnen, hat das Publikum in
Thüringen auf jeden Fall erreicht.
Auch in diesem Fall – wie auch in
den anderen Veranstaltungsorten –
wurde das Publikum nicht müde,
den Episoden zu lauschen, der
durchaus witzigen Sprache zu fol-
gen und immer wieder den Bezug
zum gegenwärtigen Leben und den
komplizierten politischen Bezie-
hungen zu Russland herzustellen.
Wir möchten daher im Namen des
Vorstandes vor allem Elke Kolodzy,
Maria Hoyer, Waltraut Teichmann,
Doris Kasten, Ingrid Hagemann,
Karin Badelt, Ellen Eichler, Hubert
Heiderich, Harald Fischer, Bernd-
Christian Hyckel, Matthias Abend-
roth und weiteren Helfern ein gro-
ßes Dankeschön sagen, weil sie
mitgeholfen haben, dieses Vorha-
ben zum Erfolg zu führen.
Insgesamt können wir konstatieren,
dass die Lesereise durch die Thü-
ringer Ortsgruppen mit viel Ideen-
gehalt und Engagement vorbereitet
und durchgeführt wurde. Die
Außenwirkung unserer Gesell-
schaft wurde gestärkt und fand auch
mittels einer vorbildlichen Öffent-
lichkeitsarbeit ihren Ausdruck.
Insgesamt erreichten wir mit den
Lesungen etwa 400 interessierte
Besucher.
Fotos: Freunde der Ortsgruppen
der DRFG, Internet
* * * * *
Der 1. Mai auf dem Erfurter Anger
Karin Badelt
Die größte DGB-Kundgebung in
Thüringen gab es nach Gewerk-
schaftsangaben in Erfurt mit rund
3.000 Teilnehmern, unter ihnen
viele junge Leute. Es sei gelungen,
den 1. Mai, an dem es um zentrale
Werte der Gewerkschaftsbewe-
gung wie Solidarität, Vielfalt und
Gerechtigkeit gehe, gegen Neona-
zis und Rechtspopulisten zu be-
haupten, sagte der Vize-Vorsit-
zende des DGB Hessen-Thüringen,
Sandro Witt, in Erfurt. Erfurts Ober-
bürgermeister, Andreas Bausewein
(SPD), protestierte ebenfalls gegen
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft46
eine NPD-Aktion, zu der die Partei
ihre Anhänger überregional aufge-
rufen hatte.
Auch unsere Freundschaftsgesell-
schaft hatte sich mit einem Stand,
der viel Aufmerksamkeit erregte, auf
dem Erfurter Anger präsentiert.
Vorgestellt wurden neben Souve-
nirs aus Russland, Prjannikis, Kon-
fekt und Kwas auch die neuesten
Mitteilungshefte des Vereins, be-
kannt unter der Bezeichnung das
"Grüne Heft“, welches ein breites
Echo fand. Selbst der fast orkanar-
tig stürmische Wind konnte unse-
rem Standpersonal Karin Badelt,
Tamara Barabasch, Petra Mühl-
mann, Karin Schippa, Hans-Jürgen
Weißkopf, Reinhard Duddek, Man-
fred Krause, Eberhard Redlich, Gert
Weisse und Günter Guttsche nichts
anhaben. Sie alle trotzten dem Wind
und dem kühlen Wetter, das nur ab
und an die Sonne einmal durchbli-
cken ließ.
Ein besonderes Dankeschön spre-
chen wir unserem Freund Gerhard
Siebert aus, der uns beim Heran-
schaffen der Standmaterialien eine
große Hilfe war. Da wussten wir
noch nicht, dass wir uns nur wenige
Wochen später für immer von ihm
verabschieden mussten.
Mit der Aktion am 1. Mai haben wir
einen wichtigen Beitrag zur Außen-
wirkung unseres kleinen Vereins
geleistet, der auch die Würdigung
verschiedener Persönlichkeiten aus
Parteien und anderer Vereinigun-
gen fand.
* * * * *
Der Stille DON – Filmveran-
staltung in Suhl
Hubert Heiderich
Die Suhler Ortsgruppe hat es aus-
probiert und es hat geklappt. Warum
nicht einen Filmabend organisie-
ren? Durch die Initiative von Hubert
Heiderich und der Leiterin des
Suhler Kinos gelang es, die histori-
sche Fassung des Films “Der Stille
Don“ von 1957 zu bekommen und
damit bei vielen Filmfreunden Inter-
esse zu wecken. Nachdem 2017
der erste Teil vorgeführt wurde und
jetzt der zweite, soll noch 2019 der
dritte Teil dieses Filmepos gezeigt
werden.
Der Film der „Stille Don“ – ein drei-
teiliges Werk – basiert auf einem
47Ausgabe zum Jahr 2018/2019
gleichnamigen Roman von Michail
Scholochow. In diesem beschreibt
er das Schicksal der Donkosaken
von Russland zu Beginn des zwan-
zigsten Jahrhunderts. Scholochow
erhielt für das Werk 1965 den
Nobelpreis für Literatur.
Der junge Kosake Grigori Melechow
ist in die verheiratete junge Frau
Aksinija Astachova verliebt und sie
erwidert seine Liebe, stemmt sich
jedoch mit alle Macht gegen eine
solche Liaison. Nachdem er mit der
schönen Natalja verheiratet wurde,
flüchtet er mit Aksinija, kehrt aber,
nachdem diese ihn betrog, zu
Natalja zurück und zeugt mit ihr
zwei Kinder. Zu dieser Zeit kämpft er
bereits als Soldat im Ersten Welt-
krieg,
Er schließt sich den Bolschewiki an,
die er jedoch nach kurzer Zeit wie-
der verlässt. Melechow sehnt sich
nach einem friedlichen Kosakenle-
ben, wird jedoch bald wieder vom
Krieg eingeholt und kämpft auf der
Seite der Weißen gegen die Rote
Armee. Er sitzt „zwischen zwei
Stühlen“. Nachdem die Weißen
vernichtet wurden, bleibt ihm aber
nichts anderes übrig, als den Roten
zu dienen. Er kämpft kurz an der
polnischen Front. Von Aksinija wird
er immer wieder getrennt, und als er
schließlich, nach Ausschluss aus
der Roten Armee zu ihr zurückkehrt,
muss er erfahren, dass auch seine
Mutter verstorben ist und seine
Schwester Dunja sich mit seinem
ehemaligen Freund, dem überzeug-
ten Bolschewiken Michail, verheira-
tet hat. Michail, voller Hass auf die
Weißen, zwingt den ehemaligen
Rittmeister Melechow, sich vor den
Bolschewiki für seine Tätigkeiten in
der Weißen Armee zu verantworten.
Melechow ahnt, dass dies seinen
Tod bedeuten könnte, und verlässt
seinen Heimatort. Nachdem er das
Stankt-Georg-Kreuz erhalten hatte,
kehrt Grigori nach Hause zurück,
doch er erfährt, dass Aksinija ihm
untreu war. Aksinija verliert ihr Kind,
wird aber von dem fürsorglichen
Sohn von General Jewgenij getrös-
tet. In einem Anfall von Eifersucht
schlägt Grigori den Sohn des Gene-
rals und Aksinija mit einer Peitsche,
woraufhin er zu seinem Vater und
Natalia zurückkehrt. Er schließt sich
schweren Herzens einer Räuber-
bande an, die schon bald von
Schwadronen der Roten Armee
zerschlagen wird. Nachdem er sich
auf einer Insel versteckt hielt, wagt
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft48
er eine kurze Heimkehr, um Aksinija
zu holen und mit ihr zu flüchten. Auf
dieser Flucht wird Aksinija jedoch
erschossen und Grigori Melechow,
von der Sehnsucht nach seinen
Kindern geplagt, legt alle Waffen ab
und kehrt zurück auf den heimatli-
chen Hof.
Das Ende des Romans bleibt weit-
gehend offen. Melechow findet sei-
nen Sohn, der ihm erzählt, dass die
Tochter verstorben und der gefährli-
che Schwager Michail an der Front
ist. Vater und Sohn nehmen sich in
den Arm.
Das Kosaken-Wiegenlied aus dem
dritten Kapitel des ersten Roman-
buches inspirierte den amerikani-
schen Sänger Pete Seeger dazu,
das weltbekannte Antikriegslied
„Sag mir, wo die Blumen sind?“ zu
schreiben.
Der Stoff des Romans inspirierte
dann noch andere Schriftsteller.
1987 erschien ein Buch über Grigori
Melechow von Vladimir Skwortsow,
in dem das Schicksal des Helden
auf die Zeit des Großen Vaterländi-
schen Krieges zurückgeführt wer-
den kann.
1993 erschien das Buch „Der Don
fließt zum Meer“ von Vladimir
Schatov. Hier wird das Schicksal
einiger der Romanfiguren ebenfalls
in die Zeit vor und nach dem Großen
Vaterländischen Krieg gelegt.
* * * * *
Ta g e d e r r u s s i s c h e n Literatur 2018 in Suhl
Hubert Heiderich
Die ersten zwei Jahrzehnte des 20.
Jahrhunderts gelten in der russi-
schen Literatur als Silbernes Zeit-
alter. Zu ihren wichtigsten Vertretern
zählen Alexander Blok, Iwan Bunin
und Nikolai Gumiljow. Expressiv-
irrationale Erzählungen und Thea-
terstücke schrieb Leonid Nikolaje-
witsch Andrejew.
In der Sowjetzeit von 1917 bis 1991
entstand eine eigene Ausprägung
der Literatur. Maxim Gorki, Nobel-
Bild: Internet, amazon.de
49Ausgabe zum Jahr 2018/2019
preisträger Michail Scholochow,
Walentin Katajew, Alexei Tolstoi,
Wladimir Majakowski, Tschingis
Aitmatow oder Ilf und Petrow wur-
den bedeutende Vertreter der
Sowjetliteratur. In der Kinderliteratur
sind Samuil Marschak, Alexander
Wolkow, Nikolai Nossow oder
Kornei Tschukowski nennenswert.
Weitere bekannte Autoren der
Epoche sind Anatoli Pristawkin und
Walentin Rasputin.
Während der Sozialistische Realis-
mus in der Sowjetunion offiziell
gefördert wurde, setzten einige
Schriftsteller wie Michail Bulgakow,
Boris Pasternak, Andrei Platonow,
Ossip Mandelstam, Isaak Babel und
Wassili Grossman die Tradition der
klassischen russischen Literatur
entgegen dem sowjetischen Ideal
fort. Häufig wurden ihre Werke erst
Jahrzehnte später und in einer
zensierten Version veröffentlicht.
Die Serapionsbrüder um Nikolai
Niki t in und Konstantin Fedin
bestanden auf dem Recht, eine
eigenständige Literatur unabhängig
von der politischen Ideologie her-
vorzubringen, was sie in Konflikt mit
der Regierung brachte.
Der russische Dichter Maxim Gorki
hatte im März den 150. Geburtstag.
Anlass genug für die Ortsgruppe
Suhl der Deutsch-Russischen
Freundschaftsgesellschaft in Thü-
ringen e.V. zu Tagen der russischen
Literatur einzuladen. Unsere Freun-
din Elisabeth Pfestorf stellte Maxim
Gorkis Meistererzählungen „Jahr-
markt in Holtwa“ vor. Als junger
Mann aus dem Volk wurde Gorki mit
seinen Erzählungen in Europa
berühmt. Besonders mit seinen
frühen Erzählungen traf Maxim
Gorki den Nerv der Zeit: Romanti-
sche Legenden von der Würde und
der Kraft der Armen, derjenigen, die
von den Segnungen der Industriali-
sierung ausgeschlossenen waren.
Doch Gorki bringt ihnen weder
Mitleid entgegen wie Dostojewski,
noch will er sie erziehen, wie die
sogenannten Volkstümler, oder will
er von ihnen lernen wie Tolstoi. Die
Menschen, die Gorki interessierten
und die ihm imponierten, waren
arm, grob, ungebildet, unbeküm-
mert um moralische Normen, aber
willensstark und von ungebroche-
nem Stolz. Zu einer weiteren Veran-
staltung nahm uns Tatjana Kusch-
tewskaja mit auf die Reise in Russ-
lands Fernen Osten. Sie las aus
ihrem Buch „Kamtschatka“.
* * * * *
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft50
Den Toten zur Ehre
Buchenwald – Nichts und Niemand ist vergessen!
Günter Guttsche
Im einstigen Konzentrationslager
Buchenwald bei Weimar haben am
Sonntag, 15.April 2018, etwa 850
Menschen an die Befreiung des
Lagers vor 73 Jahren erinnert.
An der vom Internationalen Komitee
Buchenwald-Dora und Kommandos
organisierten Gedenkfeier nahmen
auch zwölf Überlebende unter an-
derem aus den USA teil. Auf dem
ehemaligen Appellplatz hinter dem
Lagertor legten neben Politikern,
Vereinsvertretern und Gedenkstät-
tenbesuchern auch Angehörige
diplomatischer Vertretungen der
USA, Frankreichs und Weißruss-
lands Kränze und Blumen nieder.
Zuerst waren es vor allem politische
Gegner des Naziregimes aus
Deutschland wie Kommunisten,
Sozialdemokraten, Gewerkschafter
aber auch Christen, die hier inhaf-
tiert wurden, später kamen Juden,
Sinti und Roma, Homosexuelle
sowie Gefangene aus ganz Europa
hinzu. 56.000 Häftlinge ließen dort
auf dem Ettersberg ihr Leben.
In Buchenwald wurden etwa 8.000
sowjetische Kriegsgefangene ge-
zielt ermordet. Sie wurden in einer
als Messlatte getarnten Genick-
schussanlage im ehemaligen Pfer-
destall während einer fingierten
ärztlichen Untersuchung durch
Buchenwalder SS-Männer von hin-
ten erschossen oder im Keller des
Krematoriums grausam erhängt.
Ihnen zu Ehren legten am Gedenk-
stein für die Kriegsgefangenenopfer
unter anderem die Vertreter der
Deutsch-Russischen Freund-
schaftsgesellschaft in Thüringen
Gerhard Siebert und Dr. Hans-
Jürgen Weißkopf Blumen und Ge-
binde nieder. Auch das Leben und
Sterben der kriegsgefangenen
Sowjetsoldaten bleibt unvergessen.
Das KZ Buchenwald, in das die
deutschen Nazis seit dem Sommer
1937 rund 280.000 Menschen aus
ganz Europa verschleppt hatten,
war am 11. April 1945 von den KZ-
Häftlingen – im Wissen um die
herannahenden US-Truppen –
befreit worden.
* * * * *
51Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Tag der Befreiung 2018 –
Gedenken an verschie-
denen Orten in Thüringen
Günter Guttsche
Mit Kranzniederlegungen, Kundge-
bungen und Zeitzeugengesprächen
wurde in Thüringen an vielen Orten
an das Ende des Zweiten Weltkrie-
ges vor 73 Jahren gedacht.
Der Tag der Befreiung am 8. Mai ist
in Thüringen seit 2015 nach einem
Beschluss der rot-rot-grünen Mehr-
heit im Thüringer Landtag gesetzli-
cher Gedenktag.
Auf dem Erfurter Hauptfriedhof fand
traditionell gemeinsam mit der
Deutsch-Amerikanischen Gesell-
schaft und dem VVN/BdA – Bund
der Antifaschisten eine Gedenk-
stunde statt, an der neben Vertre-
tern des öffentlichen Lebens auch
der Vizekonsul aus dem General-
konsulat der Russischen Födera-
tion in Leipzig begrüßt wurde.
Die Deutsch-Russische Freund-
schaftsgesellschaft hatte im Rah-
men des Vorhabens der Stiftung
West-Östliche Begegnungen „Stif-
tung und Freundschaftsgesell-
schaften als gute Gastgeber“ den
Vertreter des Veteranenkomitees
der Westgruppe der Roten Armee,
Herrn Oberst a.D. Alexander
Gorbatschow, zu Gast. Er verbrach-
te einige Jahre als Militärangehöri-
ger in der Garnison Weimar. Im
Anschluss an die Feierstunde fand
noch ein Treffen mit Schülern der
Erfurter Gesamtschule am Roten
Berg statt und er diskutierte mit
ihnen über die Bedeutung, die die-
ser Tag hat und welche Erfahrungen
Menschen verschiedener Generati-
onen und Nationen damit verbin-
den.
Am späten Nachmittag beteiligte er
sich zudem noch an einer Friedens-
kundgebung auf dem Erfurter
Anger.
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft52
Schülerinnen der Klasse 10c des
Osterlandgymnasium Gera legten
an diesem Tag gemeinsam mit den
Mitgliedern der Ortsgruppe Gera-
Altenburg der Deutsch-Russischen
Freundschaftsgesellschaft in Thü-
ringen e.V. ein Kranzgebinde auf
dem Ehrenhain des Ostfriedhofes
nieder.
Die Mitglieder der Ortsgruppe Gera-
Altenburg versammelten sich am
Gedenkstein für die Opfer des
Faschismus in Altenburg.
Fotos: Ortsgruppen der DRFG
* * * * *
Der Tag des Sieges in Russ-
land mit den Augen junger
Russischschülerinnen
Elke Kolodzy
Jüngst erklärte der deutsche
Außenminister Heiko Maas, dass
sich ein gefährliches Unwissen
gerade der jungen Deutschen über
den 2. Weltkrieg und die Untaten
der Nazis offenbare, wonach etwa
40 Prozent der jungen Leute nach
eigener Einschätzung kaum etwas
darüber wissen. Umso wichtiger ist
es deshalb, ein Beispiel zu zeigen,
wie es gelingen kann, Schülerinnen
und Schüler an dieses historische
Thema heranzuführen.
Werfen Sie deshalb gemeinsam mit
mir einen Blick in das Reisetage-
buch:
Mittwoch, 9. Mai 2018
Da heute ein Teil meiner Neunt-
klässler unterwegs war, haben die
verbliebenen Schülerinnen in Ab-
sprache mit mir die Russischstun-
den dazu genutzt, um einen Einblick
in die russische Tradition der gro-
ßen Feierlichkeiten zum 09. Mai zu
bekommen.
So wurde mit Hilfe eines Lesetextes
d i e G e s c h i c h t e d e s L i e d e s
Священная война – Der Heilige
Krieg – erforscht. Es ist wohl das
bekannteste sowjetische Lied, das
dem 2. Weltkrieg gewidmet ist.
Священная война, geschrieben
von W. Lebedjew-Kumatsch nach
dem faschistischen Überfall auf die
Sowjetunion, der am 22. Juni 1941
erfolgte. Text am 24. Juni in der Zei-
tung Iswestija veröffentlicht. Sofort
wurde das Lied von A. Alexandrow
vertont und bereits am 26.06.1941
auf dem Vorplatz des Weißrus-
sischen Bahnhofs in Moskau
anlässlich der Verabschiedung der
53Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Soldaten der Roten Armee uraufge-
führt. Dieses Lied wurde sehr
populär und erklang täglich mor-
gens nach dem Glockenspiel des
Kreml im Radio. Dieses sehr emo-
tionale und eindringliche Lied
stärkte fortan den Kampfgeist der
Roten Armee-Soldaten und wurde
somit zur Hymne des Großen
Vaterländischen Krieges.
DER HEILIGE KRIEG
Steh auf, steh auf, du Riesenland!
Heraus zur großen Schlacht!
Den Nazihorden Widerstand!
Tod der Faschistenmacht!
Es breche über sie der Zorn
wie finstre Flut herein.
Das soll der Krieg des Volkes,
Der Krieg der Menschheit sein.
Den Würgern bieten wir die Stirn,
Den Mördern der Ideen.
Die Peiniger und Plünderer,
Sie müssen untergehn.
Es breche über sie …
Die schwarze Schwinge schatte
nicht mehr Uns
überm Heimatland.
Und nicht zertrete mehr der Feind
Uns Feld und Flur und Strand.
Es breche über sie …
Wir sorgen dafür, dass der Brut
Die letzte Stunde schlägt.
Den Henkern ein- für allemal
Das Handwerk jetzt gelegt!
Es breche über sie …
Text: Wassili Lebedew-Kumatsch
Deutsche Fassung: Stephan Herm-lin
Musik: Alexander Alexandrow
Zitiert nach Ernst Busch: Der heilige Krieg – Frieden der Welt. Aurora5 80 020/021. Erstmals erschienen 1967 (zum 50. Jahrestag der Russischen Oktoberrevolution).
Anschließend wurde das Lied
präsentiert. In der Tat spürten die
Mädchen die Stärke, Geschlos-
senheit und Willenskraft, die dieses
Lied vermittelte. In einem Video
erlebten sie die alljährlich auf dem
Roten Platz nachgestellten Szenen
vom 26.06.1941. Das ging schon
sehr unter die Haut.
Der Vorschlag nun zum Ehrenhain
zu gehen, das Denkmal „Fortan
gemeinsam“ und die Tafeln der 58
sowjetischen Soldaten anzuschau-
en, wurde sofort angenommen. Also
machte sich unsere kleine Gruppe
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft54
auf den Weg. Alle Schülerinnen
sahen das Mahnmal zum ersten Mal
aus der Nähe, kannten es vorher
nur vom Vorbeifahren. Am Tag
vorher wurden anlässlich des Tages
der Befreiung vom Hitlerfaschismus
von einigen Organisationen der der
Partei Die Linke Kränze und Blumen
niedergelegt. Symbolisch legten wir
unsere Nelken dazu und gedachten
der Opfer der Roten Armee. Ich bin
mir sicher, dass diese Doppel-
stunde einen bleibenden Eindruck
bei den Schülerinnen hinterlassen
hat.
Foto: Ch. Müller
* * * * *
Russische „Literaturam Samowar“
Er folgte dem Jahrhundert-weg – Leben und Werk des Tschingis Torekulowitsch Aitmatow
Günter Guttsche
Die Veranstaltungsreihe „Literatur
am Samowar“, gemeinsam von der
Deutsch-Russischen Freund-
schaftsgesellschaft und der Erfurter
Stadtbibliothek organisiert, ist – wie
man so schön sagt – zu einem
Selbstläufer geworden. So standen
im Frühjahr 2018 Erzählungen des
2008 verstorbenen Autors Tschingis
Aitmatow im Mittelpunkt der Veran-
staltung.
Literaturinteressierten ist er kein
Unbekannter. "Djamila" kommt
ihnen in den Sinn, "Die Richtstatt"
55Ausgabe zum Jahr 2018/2019
und natürlich auch "Der Tag zieht
den Jahrhundertweg".
Genau genommen durchzieht die
Beschreibung des Jahrhundert-
weges das gesamte Lebenswerk.
Der Leser erfährt von alten Mythen
und Legenden, aber auch von
Zukunftsvisionen des Autors.
Aitmatow fragt nach den Wider-
sprüchen im Inneren des einzelnen
Menschen und innerhalb der
Menschheit ebenso wie nach tiefen
Gefühlen und schicksalhaften
Begebenheiten. Seine poetischen
Beschreibungen der Landschaft
strahlen eine tiefe Naturverbun-
denheit aus.
Eine immense politische und künst-
lerische Aktivität hielt Aitmatow
stetig in medias res und trieb ihn zur
Auseinandersetzung mit den The-
men der Welt an. Die Besucher der
Lesung erwartete deshalb eine
spannende, aber auch genussvolle
literarische Zeitreise. Der Eintritt
war natürlich – wie immer bei dieser
Reihe – frei. Tee, Gebäck und eine
entsprechende Raumausgestal-
tung verleihen dieser gemeinsamen
Veranstaltung von Bibliothek und
Deutsch-Russischer Freund-
schaftsgesellschaft ihren ganz
eigenen Charme und Charakter.
* * * * *
Ivan Sergejewitsch Turgenjew
Günter Guttsche
Dem 200. Geburtstag von Ivan
Turgenjew widmeten wir in unserer
Reihe "Literatur am Samowar"
einen eigenen Abend im Oktober.
Christina Klauke von der Bibliothek
nahm die interessierten Literatur-
freunde mit auf einen Streifzug
durch die Vielzahl seiner Werke. Mit
Textauszügen zeichnete sie das
Porträt dieses brillanten Erzählers
und gab Einblicke in seine Biogra-
phie.
Foto:prv-lib.ru
I. S. Turgenev trat als Romanautor
mit hervorragendem Stil in die
russischsprachige und Weltliteratur
ein. Seine Arbeit hatte nicht nur
einen bedeutenden Einfluss auf das
Inland, sondern strahlte auch auf
internationale Ebene aus. Alles,
was I. S. Turgenev schuf, wurde in
dieser perfekten Sprache geschrie-
ben, für die er die große und mäch-
tige russische Sprache definierte.
Der künstlerische Stil des Schrift-
stellers wird als vorbildlich angese-
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft56
hen, er unterscheidet sich nicht
durch die Komplexität, nicht durch
die Fülle von Verzierungen, sondern
durch die Freiheit, Worte zu verwen-
den, das Fehlen der geringsten
Spannung oder Lüge.
Turgenevs perfekte Beherrschung
des Wortes verbindet sich mit einem
Gefühl der Ehrfurcht für die Men-
schen. Er wurde zu einer Legende
in der Gesamtheit seiner Werke –
seiner Verse, Prosa und den vielen
Skizzen, in denen er sorgfältig aus
seiner Sicht interessante Auszüge
aus Briefen und zufälligen Notizen
sammelte. Aus dieser Sammlung
wurden separate Texte verwendet
und in den Roman „Väter und
Söhne“ aufgenommen.
Aus den Blättern, die viele Jahre in
der geheimnisvollen Mappe gele-
gen hatten, schuf der Autor am
Ende seines Lebens "Lyrik in
Prosa", in dem Prosa wie Musik
eines Verses klingt und winzige
Verschwörungen als Gleichnisse
oder Aphorismen wahrgenommen
werden. „Unsere Klassiker wählten
die genauesten, hellsten und
gewichtigsten Wörter aus dem
Sprachchaos aus und schufen
diese ‚großartige, schöne Sprache',
die Turgenev, Leo Tolstoy zur
weiteren Entwicklung aufforderte“,
äußerte sich hierzu Maxim M.
Gorky.
Der berühmte russische Europäer
war nicht nur in der literarischen
Szene seiner Zeit, sondern auch in
Politik und Philosophie aktiv inte-
griert.
* * * * *
„Ein Wort der Wahrheit
überwindet die ganze Welt“
Günter Guttsche
Podium zu Alexander Solsche-
nizyns „Beitrag zur Ethik der
Globalisierung“ am 8.Dezember
2018
Kurz vor seinem Tod sprach der her-
ausragende russische Schriftsteller
und Literaturnobelpreisträger Alex-
ander Solschenizyn, in einem Inter-
view mit den deutschen Medien
über den Einfluss, den Schiller,
Goethe und Schelling auf ihn hatten
und dass er sich sein Leben ohne
Bach, Beethoven, Schubert nicht
vorstellen konnte.
Wir unsererseits können definitiv
sagen, dass Deutschland sich die
Literatur und die politische Ge-
schichte des 20. Jahrhunderts ohne
Solschenizyn nicht vorstellen kann.
„Die unbestrittene Autorität“ nannte
ihn einmal „Der Spiegel“. „Der
Spiegel“ begann seinen zentralen,
mehrseitigen Aufsatz, der nach dem
Ausschluss des Schriftstellers aus
der UdSSR im Jahr 1974 mit den
Worten veröffentlicht wurde: „Die
Kremlbehörden konnten die Her-
ausforderung eines Einzelkämpfers
57Ausgabe zum Jahr 2018/2019
nicht ertragen“. Sie wurde von der
Süddeutschen Zeitung wiederholt:
„Sie können einen Schriftsteller ins
Ausland schicken, aber Sie können
das Gewissen der russischen Lite-
ratur nicht zerstören.“ Und die Stutt-
garter Zeitung betonte: „Das Bei-
spiel von Solzhenitsyn zeigt, wie
groß die Macht eines Schriftstellers
sein kann.“ Diese Gedanken nahm
die Friedrich-Naumann-Stiftung auf
und organisierte gemeinsam mit der
Deutsch-Russischen Freund-
schaftsgesellschaft ein Podium zur
aktuellen Bedeutung des Schaf-
fenswerkes des weltberühmten
Autors.
Alexander Issajewitsch Solsche-nizyn, Foto: Internet
Gerade in dem von historischen
Daten so aufgeladenen Jahr 2018
zeigt sich Europa in seinem zwie-
spältigen Potential. Ein Protagonist
des 20. Jahrhunderts war Alexander
Solschenizyn, dessen 100. Ge-
burtstag am 11. Dezember 2018 An-
lass dazu bietet, auf Leben und
Werk des bekanntesten russischen
Dissidenten zurückzublicken. Es ist
eine unbestrittene Tatsache, dass
Solschenizyn der angesehenste
russische Schriftsteller der Nach-
kriegszeit war, dessen aktives Han-
deln mit zum Sturz des sowjeti-
schen Systems beitrug. Seine Kritik
an den Verhältnissen in der UdSSR
führte zunächst zum Ausschluss
aus dem Schriftstellerverband im
Jahr 1969, später dann zu seiner
Ausbürgerung im Jahr 1974.
„Ein Wort der Wahrheit überwindet
die ganze Welt“, heißt es in seiner
Dankesrede zur Verleihung des
Nobelpreises für Literatur, den er
erst 1974 entgegennehmen konnte.
Wenn es Solschenizyn auch immer
zunächst um Russland ging, so wid-
mete er sich in den zwanzig Jahren
seines Exils doch auch der Betrach-
tung der westlichen Zivilisation in
ihrer Widersprüchlichkeit.
Seinen autobiografischen Schriften
und zahlreichen Festreden ist zu
entnehmen, dass er im Begriff der
„Prawda“ (Wahrheit, Rechtschaf-
fenheit, Gerechtigkeit) das Heilmit-
tel für die ganze Welt erblickte. Dass
seine unbestechliche und sehr
eigenwillige Wahrheitsauffassung
weltweit nicht immer auf Verständ-
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft58
nis stieß, nahm er mit großer
Gelassenheit hin. Sein Beitrag zur
Ethik der Globalisierung stellt den
Kampf der Kulturen in Frage und
liefert eine den Menschen dienende
Antwort, die bis heute nicht an
Aktualität verloren hat.
Das seinem Jubiläum gewidmete
Podium begann mit einem einleiten-
den Vortrag „Heute fällt es dem
Westen schwer…, sich nicht als
Festung zu empfinden“, den Frau
Prof. Dr. Birgit Harreß vom Institut
für Slavistik Universität Leipzig hielt.
Foto: MDR/Clara Minckwitz
Sie regte mit mannigfaltigen Bei-
spielen die anschließende Runde
zu vielfältigen Diskussionen an.
Daran nahmen die Professorinnen
Dr. Ilse Nagelschmidt vom Institut
für Germanistik Universität Leipzig
und Dr. Claudia Weber von der
Europa-Universität Viadrina Frank-
furt/O. teil. Durch den Abend führte
als Moderator Hanno Müller, Thürin-
ger Allgemeine, der so keine Mühe
hatte, die Problemkreise zu bün-
deln. Nach etwa zwei Stunden fand
dieser interessante Abend seine
Fortsetzung bei einem kleinen
Empfang der Stiftung, verbunden
mit angenehmen Gesprächen an
diesem Adventssamstag.
* * * * *
Alexander S. Puschkin –
Die Lichtgestalt der rus-
sischen Literatur: Dichter –
Schriftsteller – Dramatiker.
1799-1837.
Günter Guttsche
In diesem Jahr begehen wir am 6.
Juni seinen 220. Geburtstag.
Alexander Sergejewitsch Puschkin
wurde Ende des 18. Jahrhunderts
im Jahre 1799 geboren und starb in
der Blütezeit seiner Lebens 1837,
nachdem er während eines Duells
im Magen schwer verletzt worden
war. Bis zum Einmarsch Napoleons
in Moskau 1812 sprach die russi-
sche Oberschicht Französisch.
Nach dem darauf folgenden Brand
Moskaus fragte man sich, warum
man eigentlich die Sprache des
Feindes spreche. Puschkin bereite-
te in seinen Gedichten, Dramen und
Erzählungen der Verwendung der
Umgangssprache den Weg; er
schuf einen erzählerischen Stil, der
Drama, Romantik und Satire misch-
te – ein Stil, der seitdem untrennbar
mit der russischen Literatur verbun-
59Ausgabe zum Jahr 2018/2019
den ist und zahlreiche russische
Dichter massiv beeinflusste.
Er schrieb dutzende Gedichte und
Verserzählungen, Dramen, Roma-
ne, Erzählungen und Tagebücher.
Unter seiner Feder entstanden: das
Versepos "Eugene Onegin", die
Erzählung "Dubrovsky" , das
Gedicht "Ruslan und Ljudmila".
Puschkin übertrug die Erzählungen
seiner Kinderfrau auf die literarische
Sprache, damit betraten sie den
goldenen Fundus der Kinderlite-
ratur.
Alexander Puschkin, Gemälde von Orest Kiprenski (1827);Quelle: Internet
Kurze Biografie
Der Schriftsteller wurde in einer
Moskauer Adelsfamilie geboren. Er
hatte zwei Geschwister Leo und
Olga. Im Sommer blieb der Junge
bei seiner Großmutter in Zakha-
rovo, in der Nähe von Moskau. Hier
war Arina Rodionowna Jakowlewa
mit seiner Erziehung beschäftigt.
Im Jahr 1811 trat Puschkin in das
berühmte Tsarskoye Selo Lyceum
für Jungen ein, wo er keineswegs
als Talent galt. Im Jahr 1817, been-
dete er das Lyzeum, im Range eines
Stabssekretärs. Der junge Mann
ging in die Akademie für auswärtige
Angelegenheiten. Im Jahr 1831 hei-
ratete Alexander Puschkin Natalia
Goncharova. Zeitgenossen zufolge
gab es im Tempel drei schlechte An-
zeichen, die den Zusammenbruch
dieser Ehe vorwegnahmen. 1836
wurden zwei Söhne und zwei Töch-
ter in der Familie Puschkin geboren.
Referenzen für das Verfassen poli-
tischer Texte im Jahr 1820 bezahlte
das Genie mit der Freiheit und
wurde von Alexander I. in den Sü-
den Russlands geschickt. Tatsäch-
lich sollte Puschkin nach Sibirien
verbracht werden, und nur Petitio-
nen der Aufklärer, wie Karamzin,
Schukowski, Krylov retteten ihn
davor. In der Verbannung widmete
sich A. Puschkin den Werken von J.
Byron. Nach seiner Rückkehr
äußerte er unvorsichtig seine Mei-
nung über die Religion, worauf er
abermals als Verbannter in das Dorf
Michailowskoje geschickt wurde,
wo er zwei Jahre von 1824 bis 1826
verbrachte.
Schaffensweg
Die Arbeiten von Voltaire und
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft60
russischen Aufklärungsautoren –
Shukowski, Radischtschew und
andere – beeinflussten die Arbeit
des jungen Puschkin. Die ersten
anerkannten Gedichte erschienen
1814. Eines davon, „An einen Dich-
terfreund“, wurde im „Bulletin of
Europe“ veröffentlicht, wonach der
junge Dichter in den Literaturkreis
„Arzamas“ aufgenommen wurde.
1819 wurde Alexander Sergeje-
witsch Puschkin Mitglied der Grü-
nen Lampe, einer in diesen Jahren
populären, gesellschaftlichen Ge-
meinschaft. Er beginnt das Werk
„Ruslan und Lyudmila“, welches er
1820 als Gedichtpoem fertigstellt.
Ein Jahr später erscheint die Vers-
erzählung „Der Gefangene im Kau-
kasus (Kavkazskij plennik)“, das
dem Autor Ruhm verleiht. Im Jahr
1823, dem Jahr, in dem der Dichter
akzeptiert wird, was noch niemand
vor ihm getan hat – schreibt er einen
Roman in Versen, dessen Arbeit
fast zehn Jahre dauerte. Der be-
rühmte „Eugene Onegin“ wurde
1832 fertiggestellt. Gleichzeitig ent-
stand die Idee, einen historischen
Roman über die Rebellion von
Pugatschow zu schreiben.
Der Schriftsteller beginnt, nach dem
dafür notwendigen Material zu su-
chen, reist zu Orten des Marsches
der Pugatschow-Armee, sammelt
faktenweise Daten. Im Ergebnis
dessen erscheint „Die Kapitäns-
tochter“. Zu dieser Zeit veröffent-
lichte er auch die Werke „Der
bronzene Reiter“, „Pique-Dame“,
„Dubrowskij“. Seit 1836 gibt der
Autor die Zeitschrift „Sovremennik“
heraus, in der die Kapitänstochter
zuerst veröffentlicht wurde.
Nachdem er den Rang des Kam-
merjunkers erhalten hatte, tritt der
Schriftsteller zurück, um sich kreativ
zu engagieren. Viele seiner Zensur-
arbeiten dürfen nicht gedruckt
werden. In der Familie gibt es ernste
finanzielle Probleme.
Quelle: Internet
Tod
Aufgrund des Konflikts aus persönli-
chen Gründen mit J. Dantes wird
das Genie bei einem Duell erschos-
sen. Der Schriftsteller starb am 29.
Januar (10. Februar) 1837.
Nicholas I. befahl, die Familie des
verstorbenen Dichters mit Zulagen
zu versorgen.
Quelle:
http://infoogle.com/kratkaya_biogra
fiya_pushkina.html
61Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Ins Buch geschaut
"Weltordnung ohne den
Westen?: Europa zwischen
Russland, China und
Amerika“.
Neues Buch von Gernot
Epler
Wipperfürth, Dr. Christian
(Die nachfolgende Rezension stel-
lte uns freundlicherweise der Autor,
Dr. Christian Wipperfürth, zur Ver-
fügung).
Erler besitzt eine sehr seltene
außenpolitische Erfahrung und
Umsicht. Sein Buch ist unbedingt
empfehlenswert.
Gernot Erler hat die deutsche Russ-
landpolitik der vergangenen 20
Jahre wesentlich mit geprägt. Er
gehörte 30 Jahre dem Deutschen
Bundestag an, war Staatsminister
im Auswärtigen Amt und von 2013
bis 2018, wie bereits einige Jahre
zuvor, Russlandbeauftragter der
Bundesregierung. Erler zählt zu den
ganz wenigen Westdeutschen, die
bereits in den 1960er Jahren länge-
re Zeit in Moskau waren: als Student
zu einem Sprachkurs.
Er pflegt seit Jahrzehnten vielfältige
Kontakte und Freundschaften in
Regierungs- aber auch Oppositi-
onskreise – und illustriert, wie poli-
tische Spannungen um die Ukraine
und die Krim diese belasten (21/22).
Das Buch ist gut und leicht zu lesen,
konzentriert sich auf das Wesent-
liche. Erler macht Entwicklungen
und Tendenzen wiederholt an-
schaulich, ohne jedoch ins Anekdo-
tische abzugleiten. Er berichtet
wiederholt aus der Insiderper-
spektive, z.B. in Bezug auf Putins
Rede auf der Münchner Sicher-
heitskonferenz 2007 (36-38).
Er übt mitunter und durchaus har-
sche Kritik an Moskau und Peking,
denen er vorwirft, Ansprüche zu
erheben, aber nicht erkennen zu
lassen, dass es ihnen dabei um
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft62
Mitverantwortung für das Gemein-
wohl ginge (12/13). Die außenpoliti-
schen Akteure sollten seines Erach-
tens hingegen in einer „Verantwor-
tungsgemeinschaft“ zusammenar-
beiten (16).
Diese Aufforderung richtet er aber
auch an den Westen. Er demon-
striert wiederholt große Distanz zu
dem, was als „westliche Selbst-
gefälligkeit“ bezeichnet werden
könnte. Erler stellt Entwicklungen
durchweg aus verschiedenen Blick-
winkeln dar.
Nach Ansicht des Rezensenten gibt
es an dem Buch weit mehr zu loben
als zu kritisieren. In die letzte
Kategorie fällt, dass Erler den 2014
gestürzten ukrainischen Präsiden-
ten Wiktor Janukowitsch mehrfach
als „pro-russisch“ bezeichnet (z.B.
33), was unzutreffend ist. Er nimmt
aber keineswegs eine einseitige
Pro-Kiew-Haltung ein: Erler ist nicht
der Ansicht, dass die ukrainische
Führung das Minsk-Abkommen
umsetzen wolle (44).
Die Aufrechterhaltung der Sanktio-
nen, bspw. der EU-Länder, gegen
Moskau wird offiziell jedoch damit
begründet, dass dieses Minsk nicht
umsetze – wobei Russland im
Minsk-Abkommen überhaupt nicht
erwähnt wird, also gar keine Ver-
tragspartei ist … Müsste folgerichtig
nicht auch Druck auf Kiew ausgeübt
werden, damit sich dieses vertrags-
konform verhält? Diese Frage stellt
Erler nicht, aber sie ergibt sich
zwangsläufig aus seinen Ausfüh-
rungen. Steinmeier hat in seiner Zeit
als Außenminister wiederholt ähn-
liche Überlegungen angestellt, ist
damit aber weder in Deutschland
noch international durchgedrungen.
Erler legt sogar den Schluss nahe,
dass er den Westen für die Eskala-
tion der Konflikte um die Ukraine
verantwortlich macht: „Im Februar
2013 aber hatte in Brüssel EU-Kom-
missionspräsident Barroso erklärt,
die Annäherung der Ukraine an die
EU sei mit einem Beitritt zur Zolluni-
on nicht vereinbar. Erst vor dem Hin-
tergrund dieses „Entweder-Oder“
begann die russische Führung
Druck auf Präsident Janukowitsch
auszuüben, das Assoziierungsab-
kommen nicht zu ratifizieren“ (40).
Die innere Entwicklung Chinas wird
in zentralen Linien mit Gewinn für
den Leser nachgezeichnet, man
spürt seine jahrzehntelange Erfah-
rung und intensive Beschäftigung
mit diesem Land (55ff). Er schildert
die wachsende außenpolitische
Macht Pekings (z.B. 80/81).
63Ausgabe zum Jahr 2018/2019
Erler widmet sich ausführlich der
inneren Entwicklung der EU, v.a.
seit Anfang der 1990er Jahre. Er
hofft auf einen neuen Schwung für
eine Weiterentwicklung der EU, für
den er handfeste Ansätze sieht
(115-39).
Erler äußert eine im Grunde ver-
nichtende Kritik an der westlichen
Interventionspolitik in Afghanistan,
dem Irak und Libyen (192/93).
Diese wird dadurch unterstrichen,
dass er eine längere Passage sei-
ner Abschiedsrede im Deutschen
Bundestag an das Ende seines
Buchs setzt: „Der Irak-Krieg, an
dem Deutschland zum Glück nicht
teilgenommen hat, war völker-
rechtswidrig und hinterließ eine
ganze Failing-State-Landschaft, die
sich als Biotop für den islamisti-
schen Terrorismus erwiesen hat.
Der Missbrauch der Benghasi-Re-
solution des UN-Sicherheitsrates
vom März 2011 hat uns letztendlich
vor schier unlösbare Probleme in
Libyen gestellt, hat internationales
Vertrauen zerstört und nebenbei
wahrscheinlich noch das Prinzip der
Schutzverantwortung auf Dauer
diskreditiert.
Wer heute die russische Seite auf
ihre Regelverletzungen im Ukraine-
Konflikt anspricht, bekommt immer
dieselbe Antwort: Und was habt ihr
im Kosovo, im Irak und in Libyen
gemacht? In dieser Falle stecken
wir.“ (204)
Gernot Erler, Weltordnung ohne
den Westen? Europa zwischen
Russland, China und Amerika, 207
S., Herder, Freiburg/Breisgau
(April) 2018, 20,- €
* * * * *
Auf den Kalten Krieg lässt
die Nato die Eiszeit folgen
Günter Guttsche
Günter Guttsche warf einen Blick
ins Buch „Eiszeit“ von Gabriele
Krone-Schmalz und bietet uns hier
seine Eindrücke an.
An den Anfang meiner Betrachtung
möchte ich zunächst ein paar
Fragen stellen:
– Zwischen Russland und dem
Westen herrscht Eiszeit. Warum
ist das so?
– Geht es wirklich nur um Men-
schenrechte und westliche
Werte?
– Wie kommt es eigentlich, dass
immer gerade die Staaten ins
Visier geraten, die den Westen
geostrategisch herausfordern?
Gabriele Krone-Schmalz' neuestes
Buch über die brandgefährliche
Dämonisierung Russlands durch
die Mainstream-Medien und füh-
rende westliche Politiker/innen
erschien 2018.
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft64
Den Titel Eiszeit stellt sie im Klap-
pentext in den Zusammenhang mit
den fast täglich „neuen Horrornach-
richten aus dem Reich Putins“, als
dem Reich des Bösen.
Zugleich ist Eiszeit schon durch die
warnenden Schlussfolgerungen,
die ihre Informationen nahe legen,
merklich von der Hoffnung getra-
gen, dass die von diesen Kräften
riskierte Möglichkeit eines heißen –
also als Krieg ausgetragenen Kon-
fliktes von Menschen, für die sie
Aufklärungsarbeit betreibt, durch-
kreuzt werden kann. Der Skandal,
dass die Strategen selbst die
g röß tanzunehmende Gefahr
fahrlässig oder gar wissentlich in
Kauf nehmen, wird schon durch den
Untertitel ihres Buches deutlich:
„Wie Russland dämonisiert wird und
warum das so gefährlich ist“.
In diesem, ihrem neuen Buch warnt
Gabriele Krone-Schmalz vor einem
Rückfall in die einfachen Denkmus-
ter und klaren Feindbilder des
Kalten Krieges. Medial „geschlach-
tet“ wird, wer sich für ein differen-
ziertes Russlandbild einsetzt. Diese
Beobachtung hat die ehemalige
Russland-Korrespondentin der
ARD, Gabriele Krone-Schmalz,
gemacht.
Ich habe es wirklich genossen, das
neue Buch „Eiszeit“ von Gabriele
Krone-Schmalz zu lesen und be-
trachte das Buch als Empfehlung,
vor allem an diejenigen, die sich
nicht so intensiv mit dem Thema
Russland auseinander gesetzt und
ihre Meinung über Russland und die
damit verbundenen Konflikte größ-
tenteils aus den hiesigen Medien
erfahren haben. Für solche Leser
kann das Buch eine Offenbarung
sein, denn in ihrem Buch füllt die
Professorin für Journalistik die
Lücken, die die Schöpfer der öffent-
lichen Meinung in den vergangenen
Jahren dank ihrer einseitigen und
fragmentierten Berichterstattung
hinterlassen haben. Das Buch bie-
tet viel mehr, als manche erwarten:
Daten, Fakten, Ursprünge, Konflikt-
ursachen, Beziehungen, sorgfältige
Analyse und vieles mehr. Die Art der
Präsentation des Materials ist
65Ausgabe zum Jahr 2018/2019
optimal: Die Autorin zeigt nicht nur
die fehlenden Puzzleteile des Kon-
flikts in Syrien, der Ukraine, Geor-
gien (Blitzkrieg 2008) u.a., nein sie
ergänzt erzählerisch die Vorge-
schichten der Konflikte, um die
Situation zu verstehen, indem sie
auch die geopolitischen Interessen
Russlands und die damit verbunde-
nen Unsicherheiten und Risiken
benennt. Sehr ausführlich stützt sie
sich auch auf verlässliche Quellen,
d.h. Wikileaks-Dokumente, die einst
als geheim eingestuft wurden. Das
ergibt ein Gesamtbild der komple-
xen Situationen, die ihre Wurzeln in
Geschichte und Politik haben.
* * * * *
Anmerkung der Redaktion:
Die den Artikeln beigefügten Fotos
wurden uns, wenn nicht anders
vermerkt, von den Autoren zur
Verfügung gestellt.
Ein Teil des verwendeten Bild-
materials stammt – wie dann ver-
merkt – aus der Quelle „Internet“.
Mitteilungen der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft66
"
"
"
Ein Gedicht von Alexander Puschkin (1799 - 1837) aus dem Jahre 1825
Я помню чудное мгновенье:
Передо мной явилась ты,
Как мимолётное виденье,
Как гений чистой красоты.
В томленьях грусти безнадёжной,
В тревогах шумной суеты,
Звучал мне долго голос нежный,
И снились милые черты.
Шли годы. Бурь порыв мятежный
Рассеял прежние мечты.
И я забыл твой голос нежный,
Твои небесные черты.
В глуши, во мраке заточенья
Тянулись тихо дни мои
Без божества, без вдохновенья,
Без слёз, без жизни, без любви.
Душе настало пробужденье:
И вот опять явилась ты,
Как мимолётное виденье,
Как гений чистой красоты.
И сердце бьётся в упоенье,
И для него воскресли вновь
И божество, и вдохновенье,
И жизнь, и слёзы, и любовь.
Ein Augenblick ist mein gewesen:
Du standst vor mir mit einemmal.
Ein rasch entfliegend Wunderwesen.
Der reinen Schönheit Ideal.
Im schmerzlich hoffnungslosen Sehnen.
Im ew'gen Lärm der Menschenschar,
Hört ich die süße Stimme tönen.
Träumt ich das milde Augenpaar.
Allein im Kampf mit dem Geschicke
Und in der Jahre düsterm Gang
Vergaß ich deine Engelsblicke
Und deiner süßen Stimme Klang.
Und lange Kerkertage kannt ich.
Es ward die Brust mir stumm und leer.
Für keine Gottheit mehr entbrannt ich.
Nicht weint ich, lebt ich, liebt ich mehr.
Es darf die Seele nun genesen:
Und du erscheinst zum zweitenmal,
Ein rasch entfliegend Wunderwesen,
Der reinen Schönheit Ideal.
Und wieder schlägt das Herz voll Weihe.
Sein Todesschlummer ist vorbei.
Für eine Gottheit glüht's aufs neue,
Es lebt, es weint, es liebt aufs neu.
(Aus dem Russischen von Karolina Pawlowa (Jaenisch))
MITTEILUNGEN DER DEUTSCH-RUSSISCHEN FREUNDSCHAFTSGESELLSCHAFT IN THÜRINGEN E.V.
© Deutsch-Russische Freundschaftsgesellschaft in Thüringen e. V.
Gäste aus Kaluga begegnen im Landtag den Thüringer Ministerpräsidenten