Der kognitiv-behaviorale Ansatz in der Sozialen...
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Hochschule Esslingen
Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege
Bachelorarbeit
Der kognitiv-behaviorale Ansatz in
der Sozialen Arbeit
Eine Umsetzung anhand einer kognitiv-behavioral ausgerichteten Unterstützung von
Eltern zu einer gelingenden Erziehung
Vorgelegt von: Jona Ruehs
Matrikelnummer: 751816
Studiengang: Bachelor Soziale Arbeit
Fachsemester: 7
Abgabe: 15.11.2018
Erstkorrektorin: Prof. Dr. Phil. Christine Köckeritz
Zweitkorrektor: Prof. Dr. Phil. Thomas Heidenreich
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Inhalt
1. Einleitung ...................................................................................................................... 3
1.1 Motivation des Verfassers und Fragestellungen für die Arbeit .................................. 3
1.2 Aufbau der Arbeit ..................................................................................................... 4
2. Was ist gelingende Erziehung ....................................................................................... 5
2.1 Erziehung und Erziehungsstil ................................................................................... 5
2.2 Die ‚fünf Säulen der Erziehung‘ ................................................................................ 6
3. Grundlagen des kognitiv-behavioralen Ansatzes ........................................................ 8
3.1 Die Sozialkognitive Lerntheorie ................................................................................ 9
3.1.1 Lerneffekte ........................................................................................................ 9
3.1.2 Phasen des Modelllernens .............................................................................. 10
3.1.3 Arten von Verstärkern ...................................................................................... 12
3.2 Das klassische Konditionieren ............................................................................... 13
3.3 Das operante Konditionieren .................................................................................. 14
3.3.1 Verstärkung ..................................................................................................... 14
3.3.2 Bestrafung ....................................................................................................... 17
3.4 Der kognitive Ansatz .............................................................................................. 23
3.4.1 Ebenen von Kognitionen.................................................................................. 23
3.4.2 Ebenen der kognitiven Therapie ...................................................................... 24
4. Erziehungsfehler ......................................................................................................... 25
4.1 Durch die Sozialkognitive Theorie erklärbare Erziehungsfehler .............................. 25
4.2 Durch klassische Konditionierung bedingte Erziehungsfehler ................................ 27
4.3 Durch operante Konditionierung bedingte Erziehungsfehler ................................... 28
4.3.1 Fehler beim Aufbau erwünschter Verhaltensweisen ........................................ 28
4.3.2 Fehler beim Abbau unerwünschter Verhaltensweisen ..................................... 29
4.3.3 Eskalationsfallen ............................................................................................. 31
4.4 Durch den kognitiven Ansatz erklärbare Erziehungsfehler ..................................... 32
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5. Triple P ........................................................................................................................ 34
5.1 Die Geschichte von Triple P ................................................................................... 34
5.2 Das Triple P Mehrebenen-Modell ........................................................................... 35
5.3 Inhalte von Triple P ................................................................................................ 37
5.3.1 Grundregeln für eine positive Erziehung .......................................................... 37
5.3.2 Stärkung der Beziehungs- und Erziehungskompetenzen ................................ 38
5.4 Ausbildung zum Triple P-Anbieter und Finanzierung der Angebote ....................... 45
6. Kritische Auseinandersetzung mit Triple P .................................................................. 46
6.1 Kritikpunkt: Problematisierung von altersangemessenem Verhalten ...................... 47
6.2 Kritikpunkt: Beziehungslose, dressurmäßige Erziehungshaltung ........................... 49
6.3 Kritikpunkt: Fragwürdige und schädliche Erziehungsmethoden.............................. 52
6.4 Kritikpunkt: Keine wirkliche Verbesserung der Erziehungskompetenzen ................ 54
6.5 Zwischenfazit bezüglich der Kritik .......................................................................... 55
7. Empirische Untersuchungen zur Wirksamkeit von Triple P .......................................... 56
7.1 Studie Naumann et Al. ........................................................................................... 57
7.1 Studie Eichelberger et Al. ....................................................................................... 58
8. Schlussteil ................................................................................................................... 59
8.1 Bezugnahme auf die Forschungsfrage ................................................................... 59
8.2 Persönliches Fazit .................................................................................................. 61
I Quellenverzeichnis ........................................................................................................ 63
II Abbildungsverzeichnis .................................................................................................. 67
III Eigenständigkeitserklärung .......................................................................................... 67
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1. Einleitung
1.1 Motivation des Verfassers und Fragestellungen für die Arbeit
In verschiedenen Feldern der Sozialen Arbeit werden Hilfeprozesse planvoll gestaltet, wobei
die Fachkräfte auf bestimmte Methoden zurückgreifen (Galuske 2011, 931-933). Um als
Sozialarbeiter mehr Handlungssicherheit zu gewinnen, stellt sich für mich die Frage, wie das
Methodenrepertoire für konkrete Beratungssituationen und Interventionen erweitert werden
kann. Der kognitiv-behaviorale Ansatz stellt dabei meiner Ansicht nach mit seiner empiri-
schen Fundierung und seiner Methodenvielfalt eine wertvolle Möglichkeit dar.
In einer Studie zur Bedeutung der Verhaltensmodifikation in der Sozialen Arbeit geben
50,94 % der befragten Fachkräfte an, sie würden behaviorale Methoden anwenden, wenn sie
dazu die fachlichen Kompetenzen hätten (Bartmann und Grün 2004, 86), was auf ein großes
Interesse Sozialarbeitender für den kognitiv-behavioralen Ansatz hindeutet. Dem zuwiderlau-
fend ist der kognitiv-behaviorale Ansatz aktuell in der Hochschulausbildung jedoch nur
schwach vertreten und wird dementsprechend auch in der Praxis kaum integriert (Löbmann
und Como-Zipfel 2012, 237), was ich persönlich sehr schade finde. In der vorliegenden Arbeit
setze ich mich daher damit auseinander, wie das theoretische Wissen und die Methoden des
kognitiv-behavioralen Ansatzes in die Soziale Arbeit einfließen können.
Um die Umsetzung in ein konkretes Arbeitsfeld zu veranschaulichen, werde ich auf die Arbeit
mit Familien mit Erziehungsschwierigkeiten eingehen.
Mollenhauer definiert Erziehung als eine der ersten sozialen Handlungen, die das Kind erlebt
und durch die es lernt und in seiner Entwicklung beeinflusst wird (2006, 609). Doch durch
welche Merkmale kennzeichnet sich eine positive Erziehung? In der pluralistischen Gesell-
schaft verschwinden tradierte Werte und allgemeingültige Normen, wodurch bei Eltern aller
Schichten Unsicherheiten bezüglich der richtigen Erziehungshaltung entstehen (Tschöpe-
Scheffler 2006, 9-10). Nicht zuletzt dadurch kann es dazu kommen, dass Eltern fragwürdiges
Erziehungsverhalten zeigen, das sich durch Nachgiebigkeit, Inkonsequenz oder übertriebene
Strenge kennzeichnet (Petermann und Petermann 2012, 240, 242).
Die Gesetzgebung legt jedoch nicht nur das Recht des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung
nach § 1631 BGB fest, sondern verpflichtet zugleich die Jugendhilfeträger nach § 16 SGB VIII
dazu, Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung zu unterstützen und gewaltfreie Wege der
Konfliktlösung aufzuzeigen. Dieser Auftrag kann beispielsweise durch präventive Elternpro-
gramme umgesetzt werden. Triple P (Positive Parenting Program) ist nicht nur eines der
bekanntesten davon, sondern hat ein theoretisches Fundament, es integriert kognitiv-
behaviorale Methoden und wurde ausgiebig evaluiert (Dirscherl, Obermann und Hahlweg
2006, 51-54; Dirscherl et Al. 2011, 5). Insofern eignet es sich gut dafür, die Integration des
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kognitiv-behavioralen Ansatzes in die Soziale Arbeit zu verdeutlichen und kritisch zu hinter-
fragen.
Für diese Arbeit ergibt sich somit die Hauptforschungsfrage:
Welche Bedeutung kommt dem kognitiv-behavioralen Ansatz bei der Unterstützung
von Familien mit Erziehungsschwierigkeiten zu?
Um die Hauptforschungsfrage beantworten zu können, wird diese in drei Teilforschungsfra-
gen untergliedert:
1. Gelingt mit Hilfe des kognitiv-behavioralen Ansatzes ein Verständnis über die Entstehung
und Aufrechterhaltung destruktiver Interaktionsmuster in der Erziehung?
2. Sind Elemente des kognitiv-behavioralen Ansatz in der Unterstützung von Familien mit
Erziehungsschwierigkeiten umsetzbar und wie gelingt dies am Beispiel von Triple P?
3. Wie ist der Einsatz von Methoden des kognitiv-behavioralen Ansatzes in der Sozialen
Arbeit am Beispiel von Triple P im Hinblick auf die Kritik aus der Fachwelt und die empiri-
sche Befundlage zu bewerten?
1.2 Aufbau der Arbeit
Um eine Grundlage für die Arbeit mit Familien mit Erziehungsschwierigkeiten zu schaffen
wird im ersten Kapitel definiert, was Erziehung ist und anschließend anhand der ‚Fünf Säulen
der Erziehung‘ herausgearbeitet, wodurch sich eine entwicklungsfördernde Erziehung
kennzeichnet.
Im zweiten Kapitel werden für die Erziehung relevante Grundlagen des kognitiv-behavioralen
Ansatzes erläutert. Sie sollen ein theoretisches Verständnis über unbeabsichtigte und
beabsichtigte Lerneffekte in der Erziehung und die Entstehung und Veränderung von
Erziehungshaltungen der Eltern ermöglichen. Für ein Verständnis der Lerneffekte in der
Erziehung werden die Sozialkognitive Lerntheorie, das klassische Konditionieren und das
operante Konditionieren behandelt. Darauffolgend wird der kognitive Ansatz kurz umrissen,
um einen Einblick zu geben, wie Erziehungshaltungen der Eltern entstehen und in einem
therapeutischen Prozess verändert werden können.
Im Anschluss erfolgt im vierten Kapitel eine intensive Auseinandersetzung mit Erziehungsfeh-
lern, die anhand der zuvor erläuterten theoretischen Grundlagen analysiert werden.
Um die Umsetzung der Integration des kognitiv-behavioralen Ansatzes in die Arbeit mit
Familien zu verdeutlichen wird im Fünften Kapitel das präventive Elternprogramm Triple P mit
seiner Entstehungsgeschichte, den verschiedenen Präventionsebenen und Methoden
vorgestellt.
Da Triple P nicht zuletzt aufgrund der kognitiv-behavioralen Ausrichtung sehr umstritten ist,
werden im sechsten Kapitel einige Kritikpunkte aufgegriffen und unter Hinzuziehen der
Argumente der Befürworter von Triple P und der Fachliteratur diskutiert.
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Um zusätzlich zu der Diskussion um Triple P auch empirische Fakten einfließen zu lassen
werden schließlich im siebten Kapitel zwei aus Deutschland stammende Studien zur Wirk-
samkeit von Triple P beschrieben.
Zuletzt wird im achten Kapitel Bezug auf die Forschungsfragen genommen und es wird ein
persönliches Fazit gezogen.
2. Was ist gelingende Erziehung
Es gibt eine Vielzahl von Autorinnen und Autoren, die sich mit der Frage auseinandersetzen,
wodurch sich eine gelingende Erziehung kennzeichnet und dabei sehr unterschiedliche
Aspekte in den Fokus stellen, sodass für die Leserin / den Leser ein sehr einseitiges Bild von
Erziehung entstehen kann. Um diesbezüglich Klarheit zu schaffen werden in diesem Kapitel
zunächst die Begriffe Sozialisation, Erziehung und Erziehungsstil kurz behandelt, um im
Anschluss auf Basis der fünf Säulen der Erziehung die Merkmale einer gelingenden Erzie-
hung darzulegen.
2.1 Erziehung und Erziehungsstil
Sozialisation bezeichnet den Prozess der Persönlichkeitsentwicklung durch die Gesamtheit
der Einflussfaktoren aus der sozialen und materiellen Umwelt, der Veranlagung der Person
und ihrer psychischen und körperlichen Verfassung (Hurrelmann 2006, 730).
Erziehung ist ein Teil der Sozialisation (ebd., 17). Nach Tschöpe-Scheffler bezeichnet
Erziehung den „Versuch, das Kind in seiner Entwicklung positiv zu beeinflussen, indem
bestimmte Methoden eingesetzt werden, um wünschenswerte Verhaltensweisen, Fähigkeiten
und Eigenschaften des Kindes zu unterstützen und zu fördern“ (2003, 40). Deutlich wird aus
dieser Definition, dass der Erziehung immer bestimmte von den Erwachsenen ausgewählte
Zielvorstellungen zugrunde liegen. Außerdem geht daraus hervor, dass Erziehung nur den
Versuch einer positiven Beeinflussung darstellt und somit erzieherisches Handeln auch
wirkungslos sein oder sich sogar negativ auf das Kind auswirken kann und sich daraus viele
mögliche Erziehungsfehler (siehe Kapitel 4) ergeben können.
Der Erziehungsstil bezeichnet die Gesamtheit der beobachtbaren Erziehungsmethoden und
der Grundhaltung der Erziehenden (Tschöpe-Scheffler 2003, 40). Aufgrund seiner nachge-
wiesenermaßen positiven Auswirkungen gilt der autoritative Erziehungsstil als Idealform der
Erziehung. Er kennzeichnet sich durch ein hohes Maß an Wärme und Kontrolle. Wärme
zeigen Eltern in der Erziehung durch eine liebevolle Zuwendung und unbedingte Wertschät-
zung. Kontrolle ist in der autoritativen Erziehung behauptend und unterstützend. Behaupten-
de Kontrolle äußert sich durch eine klare, jedoch nicht restriktive Überwachung des Lebens-
stils des Kindes oder des / der Jugendlichen. Unterstützende Kontrolle beinhaltet es, das
Kind durch die Anregung zu neuen Lernerfahrungen, durch rationale Erklärungen und
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einfühlende Hilfe zu unterstützen und damit die Ausbildung einer eigenen Persönlichkeit zu
fördern (Liebenwein und Weiß 2012, 162).
2.2 Die ‚fünf Säulen der Erziehung‘
Tschöpe-Scheffler legt die Grundlagen einer gelingenden entwicklungsfördernden Erziehung
dar. Unter Einbezug der aktuellen Forschungsergebnisse beschreibt sie fünf entwicklungsför-
dernde Dimensionen der Erziehung und stellt diese als die „fünf Säulen der Erziehung“ vor.
Um zu verdeutlichen, welche Fehler in diesen Bereichen möglich sind, geht sie auch auf die
Gegenpole, also die entwicklungshemmenden Dimensionen ein (2013, 45-46). Ihr Ziel ist es
dabei, „für bereits bestehende positive Elemente in der Erziehung zu sensibilisieren und zu
ermutigen, die entwicklungsfördernden Aspekte weiter auszubauen und die entwicklungs-
hemmenden zu minimieren“ (ebd., 47).
Erste Säule: Liebe
Liebevolle Zuwendung ist die Grundlage einer gelingenden Erziehung. Die Eltern sollen für
das Kind verfügbar sein, ihm reine Aufmerksamkeit zukommen lassen, wohlwollend auf seine
Bedürfnisse eingehen und Anteilnahme an seinen Problemen zeigen. Dies soll sich in der
gesamten Kommunikation widerspiegeln: in der Mimik, in der Gestik, im Blickkontakt und im
Körperkontakt (Tschöpe-Scheffler 2003, 47-48). Durch diese positive Interaktion und die
Befriedigung der Bedürfnisse des Kindes wird ermöglicht, dass das Kind eine sichere
Bindung aufbauen und ein positives Weltbild entwickeln kann (ebd., 51).
Abzugrenzen ist die liebevolle Zuwendung von der instinktiven Liebe, die spontan und
unkontrolliert ist und dazu führen kann, dass Eltern ihr Kind überfürsorglich bedrängen. So
kann es zu einer Überbehütung, überstarken Bindung oder Fixierung kommen, sodass das
Kind sich nicht von dem Elternteil ablösen kann oder in seiner weiteren Entwicklung gehemmt
wird. Anstatt der instinktiven Liebe freien Lauf zu lassen, sollen Eltern daher ihr fürsorgliches
Verhalten dahingehend hinterfragen, ob es der Entwicklung des Kindes förderlich ist oder nur
der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse dient (ebd., 48-49.)
Zweite Säule: Achtung und Respekt
Das Kind zu achten bedeutet, es als gleichwertigen Interaktionspartner zu sehen und es in
seiner Individualität mit all seinen Eigenschaften zu akzeptieren, auch wenn diese von dem
Elternteil selbst als befremdlich empfunden werden. Respekt sollen Eltern vor dem Willen des
Kindes haben, indem sie dem Kind die Möglichkeit geben, eigene Entscheidungen zu treffen,
eigene Erfahrungen zu machen und aus diesen zu lernen. Wichtig ist es, zu akzeptieren,
dass das Kind unplanbar und unkontrollierbar bleibt (Tschöpe-Scheffler 2013, 64-65).
Der Gegenpol dazu stellt die Missachtung dar, bei der Eltern den Willen des Kindes nicht
ausreichend beachten und ihre Machtposition ausnutzen, um dem Kind ihren Willen aufzu-
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zwingen. Kennzeichnend ist dabei ein bestimmender, kontrollierender und herabwürdigender
Kommunikationsstil, der eine Form der psychischen Misshandlung darstellt (ebd., 66).
Dritte Säule: Kooperation
Eltern sollen mit dem Kind kooperativ umgehen. Wichtig sind dabei eine wechselseitige
Kommunikation, Erklärungen und ein Bemühen um gegenseitiges Verständnis. Es sollte ein
partnerschaftlicher Umgang gepflegt werden, bei dem das Kind seine Meinung äußern darf,
in Entscheidungen einbezogen wird und so eigenverantwortliches Handeln erlernen kann.
Beim Erlernen neuer Verhaltensweisen sollen die Eltern das Kind begleiten und unterstützen,
wobei die Eigenständigkeit des Kindes das Ziel ist (Tschöpe-Scheffler 2013, 68).
Bei der Erziehung wird unterschieden in intentionales Handeln, bei dem die Eltern gezielt
Einfluss auf das Verhalten des Kindes nehmen und funktionales Geschehen, bei dem Kinder
beiläufig lernen (Wiater 2012, 20). Nach Tschöpe Scheffler sollte Erziehung in erster Linie
funktional erfolgen, sodass das Kind durch Nachahmung der Eltern oder Erfahrungen aus der
Umwelt lernt. Eine intentionale Erziehung ist nur angebracht, wenn dafür eine Notwendigkeit
besteht (2013, 71). Übertritt das Kind gesetzte Grenzen, muss es die Möglichkeit haben, sich
zu entschuldigen und die Eltern sollen dies annehmen (ebd., 68-69).
Der Gegenpol zur Kooperation ist eine durch ein hohes Maß an Lenkung gekennzeichnete
Beziehung, bei der die Eltern das Kind zu kontrollieren und zu formen versuchen und Fehler
bestrafen. Das Kind erlebt sich dadurch als passiv und inkompetent und lernt nicht, mit
Freiheiten umzugehen und für sich selbst verantwortlich zu sein (ebd., 71).
Vierte Säule: Struktur, Verbindlichkeit und Grenzsetzung
Wenn es um das Setzen von Grenzen geht ist eine positive Beziehung wichtig, die sich durch
emotionale Wärme und gegenseitiges Vertrauen kennzeichnet. Denn Kinder bemühen sich
um die Zustimmung und Anerkennung der Erwachsenen und versuchen, deren Missbilligung
zu vermeiden und lernen auf die Weise in der Interaktion mit den Eltern auch beiläufig das
Einhalten bestimmter Regeln (Tschöpe-Scheffler 2013, 72-73).
Normen und Regeln dienen dem Kind als wichtiger Orientierungsrahmen, den das Kind im
Umgang mit den Mitmenschen und besonders durch die Eltern erfährt, schließlich als eigenes
Werte- und Normensystem internalisiert und dadurch eine Ich-Identität ausbilden kann.
Regeln sollen klar verständlich, angemessen und einhaltbar sein, um das Kind nicht zu
überfordern.
Konsequenzen sollten dem Kind vorher bekannt sein, konsequent erfolgen und auf das
Verhalten des Kindes zurückzuführen sein, um für das Kind verständlich und vorhersehbar zu
sein. Eltern sollten zwischen der Person des Kindes und seinem Verhalten trennen, dem Kind
also immer die unbedingte Wertschätzung zukommen lassen (Tschöpe-Scheffler 2013, 74-
75).
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Der Gegenpol ist hier ein widersprüchliches oder willkürliches Erziehungsverhalten der Eltern,
das sich durch körperliche oder psychische Gewalt äußern kann oder ein Mangel an Struktu-
ren und Grenzen, wodurch dem Kind eine wichtige Orientierung vorenthalten wird (ebd., 76).
Fünfte Säule: Allseitige Förderung
Um ein Kind allseitig zu fördern ist eine anregungsreiche Umgebung wichtig, in der das Kind
sinnliche Erfahrungen machen kann und kulturell gebildet wird. Zwischen Eltern und Kind soll
eine rege Interaktion bestehen, in der die Neugier des Kindes unterstützt wird und auftreten-
de Fragen beantwortet werden. Um Neugierverhalten von klein auf zu fördern ist eine sichere
Bindung wichtig. Kinder mit sicherer Bindung explorieren ihre Umwelt und machen dort
eigenen Erfahrungen, vergewissern sich dabei immer wieder, dass der Elternteil noch
anwesend ist und sie zu diesem zurückkehren können (Tschöpe-Scheffler 2013, 78-79).
Ein Gegenpol zur allseitigen Förderung ist eine Überforderung durch einen ehrgeizigen
Erwachsenen, der das Kind zu Höchstleistungen zwingt oder eine mangelnde Förderung
durch eine Überbehütende oder anregungsarme Umgebung (ebd., 79).
Nach dieser kurzen Darstellung der Merkmale der entwicklungsfördernden und entwicklungs-
hemmenden Aspekte in der Erziehung werden im nächsten Kapitel die Grundlagen des
kognitiv-behavioralen Ansatzes beschrieben, um so Verständnis über die Mechanismen in
der Erziehung zu bekommen.
3. Grundlagen des kognitiv-behavioralen Ansatzes
Der kognitiv-behaviorale Ansatz umfasst behavioristische und kognitive Modelle (Benecke
2014, 152-153). Das behavioristische Modell gehen davon aus, dass menschliches Verhalten
zum großen Teil durch Umwelteinflüsse bestimmt wird und durch eine Veränderung der
Umwelteinflüsse modifizierbar ist (Gerrig 2015, 525). Kognitive Modelle sind historisch aus
dem behavioristischen hervorgegangen (Bennecke 2014, 152) und sind somit als Ergänzung
zu diesem zu sehen. Sie gehen davon aus, dass zusätzlich zu den Umwelteinflüssen auch
kognitive Prozesse das Verhalten des Menschen beeinflussen und sich darauf auswirken,
welche neuen Lernerfahrungen gemacht werden (Gerrig 2015, 525). Der kognitiv-behaviorale
Ansatz ermöglicht mit seinen verschiedenen Modellen ein Verständnis über menschliches
Verhalten und eröffnet therapeutische Methoden, um dieses verändern zu können (Benecke
2014, 152-153).
Im folgenden Kapitel werden die theoretischen Grundlagen dafür geschaffen, Fehler in der
Erziehung zu verstehen und Eltern dabei zu unterstützen, fragwürdige Erziehungshaltungen
zu verändern und ihre Erziehungskompetenzen zu verbessern. Dazu wird zunächst die
Sozialkognitive Lerntheorie dargestellt, die behaviorale und kognitive Prozesse einbezieht. Im
Anschluss wird das behavioristische Modell mit dem klassischen und operanten Konditionie-
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ren beschrieben und zuletzt wird der kognitive Ansatz dargelegt. Die Fallbeispiele sind jeweils
auf die Erziehung bezogen.
3.1 Die Sozialkognitive Lerntheorie
Jeder Mensch greift auf ein Repertoire an möglichen Verhaltensweisen zurück. Doch wie
wurden diese erworben? Müsste jeder alle Verhaltensweisen durch Versuch und Irrtum
erproben, würde dies vermutlich viel Zeit in Anspruch nehmen, ein großes Chaos auslösen
und den kontinuierlichen Fortschritt der Gesellschaft behindern.
Beim Erwerben neuer Verhaltensweisen greift der Mensch daher auch auf die Strategie des
Modelllernens zurück. Dabei dienen andere Menschen als Modelle, bei denen Verhaltens-
weisen und deren Konsequenzen beobachtet werden. Auf diese Weise wird der Mensch
bereits von klein auf unabsichtlich oder absichtlich von anderen beeinflusst (Petermann und
Petermann 2012, 82).
Eine besondere Bedeutung hat das Modelllernen bei Kindern, da diese viele Verhaltenswei-
sen neu erlernen und dabei auf die ihnen verfügbaren Modelle zurückgreifen, zu denen in
besonderem Maß ihre nahen Bezugspersonen zählen. So können Kinder von ihren Eltern
und anderen Personen durch Aussagen wie „Schau, wie ich (oder die Person dort) das
mache!“ oder „Schau zu, ich zeig Dir’s!“ gezielt zum Nachahmen wünschenswerter Verhal-
tensweisen aufgefordert werden (Langfeldt und Nothdurft 2015, 114). Außerdem ist es
möglich, dass Eltern bewusst oder unbewusst selbst unerwünschte Verhaltensweisen zeigen
und Kinder diese dadurch ebenfalls erlernen (Baumgart 2007, 159).
3.1.1 Lerneffekte
Beim Modelllernen sind drei Lerneffekte möglich.
Erstens besteht ein Beobachtungslerneffekt, das heißt bisher unbekannte Verhaltensweisen
werden bei einem Modell beobachtet und in das eigene Verhaltensrepertoire aufgenommen
(Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 236). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Eltern
sich bei einer Auseinandersetzung anschreien, das Kind dies beobachtet und ebenfalls
erlernt.
Zweitens besteht die Möglichkeit einer Verstärkung oder Hemmung eines Verhaltens, wenn
beobachtet wird, wie ein Modell Konsequenzen für sein Verhalten erhält. Werden positive
Konsequenzen für ein Verhalten beobachtet, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, das
Verhalten selbst zu zeigen. Werden negative Konsequenzen beobachtet, verringert sich die
Wahrscheinlichkeit dafür (Petermann und Petermann 2012, 82). Als Beispiel hierfür ist zu
nennen, dass ein Kind bereits gelernt hat, seinen Willen durch Quengeln durchzusetzen. Als
es beobachtet wie sein Geschwister an der Kasse quengelt und die Mutter ihm im Anschluss
den Lutscher kauft, quengelt es fortan an jeder Kasse nach Süßigkeiten.
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Drittens besteht die Möglichkeit des Diskriminationslernens, bei dem ein beim Modell
beobachtetes Verhalten auslösend für ein bereits erlerntes Verhalten derselben Verhaltens-
klasse ist (Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 237). Beispielsweise beobachtet ein Kind
wie die Eltern sich streiten und ein Elternteil sich durchsetzt, indem er den anderen schlägt.
Als es kurz darauf zu einem Streit mit seinem Geschwister um ein Spielzeug kommt, dient
dies als Hinweisreiz und löst nun eine bereits erlernte Verhaltensweise der Verhaltensklasse
‚jemandem weh tun‘ aus und das Kind beißt sein Geschwister, um seinen Willen zu behaup-
ten.
3.1.2 Phasen des Modelllernens
Im Folgenden werden die inneren Vorgänge des Modellernens und die relevanten Faktoren
für das Erlernen und Ausführen beobachteter Verhaltensweisen erläutert. Unterschieden wird
dabei zwischen der Aneignungsphase, in der bestimmte Verhaltensweisen wahrgenommen
und im Gedächtnis gespeichert werden und der Ausführungsphase, in der die Motivation und
die subjektive Einschätzung der eigenen Fähigkeiten darüber entscheiden, ob ein Verhalten
gezeigt wird (Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 240-241).
Aneignungsphase
Aufmerksamkeitsprozesse: Voraussetzung für das Modelllernen ist zunächst, dass die
nachzuahmende Verhaltensweise wahrgenommen und selektiv beobachtet wird. Ob dies
erfolgt, ist von Merkmalen der Beobachterin / des Beobachters und des Modells abhängig.
Bei der Beobachterin / dem Beobachter sind dabei kognitive Fähigkeiten wie Begabung und
Intelligenz, individuelle Lernerfahrungen und der momentane physiologische Erregungszu-
stand von Bedeutung. Beim Modell kommt es darauf an, wie dieses subjektiv von der
Beobachterin / dem Beobachter wahrgenommen wird (Schermer 2010, 803).
Erhöht wird die Aufmerksamkeit beispielweise durch Ähnlichkeiten zwischen Beobachter/in
und Modell z. B. gleiches Alter, gleiches Geschlecht oder wenn das Modell einen höheren
Status hat z. B. als beliebt, intelligent oder kompetent gesehen wird (Bodenmann, Perrez und
Schär 2011, 239).
Aber auch in der nachzuahmenden Verhaltensweise selbst finden sich für die Wahrnehmung
relevante Aspekte. So werden Verhaltensweisen eher wahrgenommen, wenn sie deutlich
erkennbar sind und für die Beobachterin / den Beobachter eine subjektive Bedeutung haben
(Schermer 2010, 803). Erschwert wird das Erlernen neuer Verhaltensweisen dagegen, wenn
diese sehr kompliziert sind oder nicht an das Verhaltensrepertoire der Beobachterin / des
Beobachters passen (Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 239).
Deutlich wird an dieser Stelle, dass es von verschiedenen Faktoren abhängig ist, ob eine
Person mit ihren Verhaltensweisen für eine andere Person als Modell dient. Faktoren wie
Begabung und Intelligenz liegen in der Person der / des Beobachtenden und sind von
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anderen Personen nicht oder nur schwer zu beeinflussen. Andere Faktoren liegen jedoch in
einem Bereich, den Eltern durchaus durch ihr Verhalten beeinflussen können. So können
Eltern sich beispielsweise bemühen, als Modell attraktiver zu werden, indem sie die Bezie-
hung zum Kind verbessern, mehr gemeinsame Zeit verbringen und dem Kind Aufmerksam-
keit schenken.
Gedächtnisprozesse: Um später auf das beobachtete Verhalten zurückgreifen zu können,
wird dieses kodiert und in die bereits vorhandenen kognitiven Strukturen eingeordnet.
(Bodenmann Perrez und Schär 2011, 240). Eine Kodierung ist deshalb nötig, da komplexe
Handlungsabläufe oft nicht detailliert erfasst werden können und deshalb in bildlicher oder
sprachlicher Form abgespeichert werden. Anschließend wird das kodierte Verhalten mit
anderen Erfahrungen und Glaubenssätzen verknüpft. Um eine Verhaltensweise längerfristig
im Gedächtnis zu speichern, ist es nötig, sie offen zu wiederholen, also motorisch auszufüh-
ren oder sie symbolisch zu wiederholen, also in Gedanken zu vergegenwärtigen (Petermann
und Petermann 2012, 84).
Ausführungsphase
Reproduktionsprozesse: Bei der Ausführung eines Verhaltens ruft die Beobachterin / der
Beobachter die symbolisch repräsentierte Verhaltensweise in Form der bildlichen oder
sprachlichen Kodierung aus dem Gedächtnis ab und führt diese anhand der vorhandenen
Informationen aus. Es wird also nicht direkt auf das modellierte Verhalten, sondern nur auf
die im Gedächtnis abgespeicherten Informationen zurückgegriffen, die für eine korrekte
Ausführung des Verhaltens unvollständig oder fehlerhaft sein können. Ob die Ausführung des
modellierten Verhaltens gelingt, hängt also stark von den Fähigkeiten und Fertigkeiten der
Beobachterin / des Beobachters ab. Besonders bei komplexeren Handlungsabläufen, die in
ihrer Komplexität nicht abgespeichert werden konnten, kann die Beobachterin / der Beobach-
ter bereits erlernte Verhaltensweisen kombinieren. Beim Erlernen komplexer Verhaltenswei-
sen ist daher ein Zerlegen in Teilabschnitte sinnvoll. Bei der Ausführung eines Verhaltens
erhält die Beobachterin / der Beobachter Feedback von der Umwelt (Baumgart 2007, 159)
beispielsweise durch das Anschauen in einem Spiegel, durch Reaktionen von anderen
Menschen oder durch sonstige Folgen des Verhaltens. Diese Informationen werden im
Anschluss mit den im Gedächtnis repräsentierten Informationen über das nachzuahmende
Verhalten verglichen, sodass das Verhalten korrigiert werden kann (ebd.). So erhält das Kind
beim Zähneputzen Feedback aus dem Spiegel aber auch von dem Elternteil, das das Kind
beobachtet und ihm Verbesserungsvorschläge macht.
Motivationsprozesse: Welche Motivation zum Zeigen eines Verhaltens entsteht, ist von der
Kompetenzerwartung und der Erfolgserwartung bezüglich des nachzuahmenden Verhaltens
abhängig.
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Unter Kompetenzerwartung wird die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten verstanden, die
zum Ausführen der beobachteten Handlung benötigt werden (Bodenmann, Perrez und Schär
2011, 234). Ob eine Person sich die Ausführung einer Handlung zutraut, ist also von der
Komplexität der nachzuahmenden Handlung und der Einschätzung der eigenen dazu
benötigten Fähigkeiten abhängig. Deutlich wird, dass die Einschätzung der eigenen Fähigkei-
ten sehr subjektiv ist und sich daher ein Kind mit einer hohen Selbstwirksamkeitsüberzeu-
gung eher zutrauen wird, komplexere Verhaltensweisen auszuführen.
Die Erfolgserwartung ist die Einschätzung der Beobachterin / des Beobachters über die
Folgen der nachzuahmenden Verhaltensweise (ebd.). Ist keine Verstärkung für das nachzu-
ahmende Verhalten in Sicht oder droht sogar eine Strafe, wird die Motivation, das Verhalten
zu zeigen, gering sein (Baumgart 2007, 159).
3.1.3 Arten von Verstärkern
Unterschieden werden drei Arten von Verstärkern, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass
ein erlerntes Verhalten gezeigt wird.
Bei der externen Verstärkung dient ein Reiz von außen als positiver Verstärker. Dies kann
in Form materieller Verstärkung beispielsweise in Form von Nahrungsmitteln, Geschenken,
Geld oder durch soziale Verstärkung in Form von Zuwendung oder Lob erfolgen. Die Externe
Verstärkung kann außerdem auch indirekt zum Beispiel durch Tokens (siehe 3.3.1) erfolgen,
die später in einen vorher in Aussicht gestellten Verstärker umgetauscht werden können
(Petermann und Petermann 2012, 86).
Bei der stellvertretenden Verstärkung wird ein von der Beobachterin / dem Beobachter
wahrgenommenes Verhalten eines Modells verstärkt. Dadurch wird ein Verstärker für das
entsprechende Verhalten in Aussicht gestellt, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dieses
Verhalten ebenfalls zu zeigen. Voraussetzung für die stellvertretende Verstärkung ist, dass
eine Identifizierung mit dem Modell erfolgt, was insbesondere der Fall ist, wenn die Beobach-
terin / der Beobachter das Modell subjektiv positiv wahrnimmt (ebd.).
Eine besondere Form der Verstärkung ist die Selbstverstärkung, da sie von innen erfolgt
und damit relativ unabhängig von äußeren Faktoren wirkt. Die / der Handelnde beobachtet
sich dabei selbst und setzt sich Ziele, anhand derer das eigene Verhalten bewertet wird. Bei
Erreichen der Ziele kann die / der Handelnde das erwünschte Verhalten durch ein Selbstlob
oder die Erfüllung eines materiellen Wunsches selbst bekräftigen. Dadurch tritt ein Erfolgsge-
fühl auf und die Person erlebt sich als selbstwirksam. Bei Nichterreichen eines selbst
gesteckten Ziels kann jedoch auch eine Selbstbestrafung erfolgen beispielsweise indem die
eigene Person getadelt wird oder ein Wunsch nicht erfüllt wird (ebd., 86).
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3.2 Das klassische Konditionieren
Beim klassischen Konditionieren handelt es sich um eine sehr elementare Lernform, die über
das gesamte Leben hinweg stattfindet (Pauen und Vonderlin 2009, 7-8).
Ausgangslage ist dabei ein Unkonditionierter Stimulus (UCS), der von Natur aus eine
Unkonditionierte Reaktion (UCR) auslöst (ebd., 7). Beispielsweise schreit die Mutter das Kind
an (UCS), wodurch beim Kind Unbehagen ausgelöst wird (UCR). Tritt der UCS mehrmals
räumlich und zeitlich gekoppelt mit einem neutralen Stimulus (NS) auf, der von Natur aus
keine Reaktion auslöst, wird dieser zum konditionierten Stimulus (CS) und löst nun eine
konditionierte Reaktion (CR) aus (ebd.). So löst das Erledigen der Hausaufgaben (NS) bei
dem Kind zunächst keine Reaktion aus. Nun schreit die Mutter das Kind aber einige Male an
(UCS), als sie Fehler in den Hausaufgaben entdeckt, wodurch das Kind jedes Mal erschrickt
(UCR). Nach einer gewissen Zeit löst nun allein das Erledigen der Hausaufgaben (CS) beim
Kind einen Zustand der körperlichen Anspannung aus (CR). Um diesen unangenehmen
Zustand zu vermeiden, schiebt das Kind fortan das Erledigen der Hausaufgaben auf.
Konditionierungsprozesse sind auch ohne Beteiligung höherer kognitiver Prozesse möglich.
In Tierversuchen wurde nachgewiesen, dass eine solche Konditionierung ohne höhere
kognitive Prozesse schneller als mit Beteiligung höherer kognitiver Prozesse erfolgt und die
konditionierte Reaktion dann durch ein sehr breites Reizspektrum ausgelöst werden kann.
Deutlich wird daraus, dass auch Säuglinge, deren kognitive Fähigkeiten noch nicht voll
ausgebildet sind, konditioniert werden, sich über diesen Lernprozess ihre Welt aneignen und
ein emotionales Gedächtnis bilden, das für die weitere Persönlichkeitsentwicklung prägend ist
(Wälte, Borg-Laufs und Brücke 2011, 20-21). So werden die zunächst bedeutungslosen
neutralen Stimuli zu konditionierten Stimuli und bekommen damit eine subjektiv erlebte
positive oder negative Bedeutung. Die konditionierten Stimuli dienen damit als Hinweise auf
später folgende Ereignisse, machen die Welt vorhersehbarer und lösen bestimmte Reaktio-
nen aus, mit denen ganz automatisch auf diese erwarteten Ereignisse reagiert wird (Pauen
und Vonderlin 2009, 8).
Die Besonderheit bei kleinen Kindern ist meiner Ansicht nach, dass diese keine oder kaum
Kontrolle über die Umweltreize haben, da sie Situationen nicht willkürlich herstellen oder
beenden können, diesen damit ausgeliefert sind und aufgrund der noch unzureichenden
kognitiven Fähigkeiten weder ihre eigene Wahrnehmung hinterfragen, noch ihre emotionalen
Zustände kognitiv einordnen und bewerten können. Dies verdeutlicht, dass den Eltern, die
zumindest teilweise darüber entscheiden können, welchen Umweltreizen das Kind ausgesetzt
ist, hier eine große Verantwortung zukommt und sie sich dieser Verantwortung bewusst sein
sollten, um eine Schädigung des Kindes zu verhindern und eine positive Entwicklung zu
ermöglichen.
14
3.3 Das operante Konditionieren
Das operante Konditionieren oder auch ‚Lernen durch Versuch und Irrtum‘ bezeichnet einen
Prozess, bei dem auf eine bestimmte spontan geäußerte Verhaltensweise eine Verhaltens-
konsequenz erfolgt und dadurch die Wahrscheinlichkeit für das Zeigen des Verhaltens erhöht
oder verringert wird (Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 105). Das Wort ‚operant‘ geht auf
Burrhus Frederic Skinner, einen bekannten Vertreter des Behaviorismus, zurück und
bedeutet, dass die / der Lernende durch das eigene Verhalten aktive auf ihre / seine Umwelt
einwirkt und nicht wie beim klassischen Konditionieren nur auf Umweltreize reagiert (Scher-
mer 2016, 53).
Beim operanten Konditionieren wird unterschieden in Verstärkung und Bestrafung. Eine
Verstärkung wird als angenehm empfunden und erhöht die Auftretenswahrscheinlichkeit für
ein Verhalten, während eine Bestrafung als unangenehm empfunden wird und die Auftre-
tenswahrscheinlichkeit für ein Verhalten verringert. Wie schnell sich ein Verhalten durch das
operante Konditionieren ändert, hängt unter anderem von der Lernfähigkeit des Menschen
und der Intensität des Verstärkers ab. Ein wichtiger Faktor ist außerdem die Kontingenz, das
heißt Lernprozesse finden schneller statt, wenn die Verhaltenskonsequenz in einem kurzen
Zeitabstand und möglichst zuverlässig auf das Verhalten erfolgt (Bodenmann, Perrez und
Schär 2011, 120). Um ein erwünschtes Verhalten des Kindes zu fördern, sollte das Kind also
möglichst zeitnah und regelmäßig gelobt werden. Grundlegend für die Wirksamkeit von
Verstärkung und Bestrafung ist zudem deren Konsistenz, die angewendeten Methoden
sollten als keine gegensätzlichen Wirkungen haben (ebd., 140).
So wird die Wirkung einer Bestrafung beispielsweise untergraben, wenn ein Elternteil
zugleich über das Verhalten des Kindes lacht und es somit ‚belohnt‘.
3.3.1 Verstärkung
Verstärkung bezeichnet einen Prozess, in dem ein bestimmter Reiz dargeboten oder entfernt
wird, in Folge dessen ein für das Individuum angenehmerer Zustand entsteht und dadurch die
Auftretenswahrscheinlichkeit für ein Verhalten steigt (Bodenmann, Perrez und Schär 2011,
111). Unterschieden wird in positive und negative Verstärkung.
Bei der positiven Verstärkung wird ein angenehmer Reiz (Verstärker) dargeboten, um die
Auftretenswahrscheinlichkeit eines bestimmten Verhaltens zu erhöhen. Es handelt sich dabei
um die effektivste Methode zum Aufbau neuer Verhaltensweisen (Esser 2008, 521). Verstär-
ker können primär, sekundär oder generalisiert sein.
Primäre Verstärker sind Reize, die nicht erlernt werden müssen, da sie an sich als angenehm
empfunden werden. Sie beziehen sich auf biologische Bedürfnisse oder den Wunsch nach
Aktivität oder Exploration (Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 112). Als Beispiel für eine
15
positive Verstärkung durch einen primären Verstärker ist es zu nennen, dass ein Kind mit
Süßigkeiten belohnt wird, nachdem es sein Zimmer aufgeräumt hat und es dies dadurch öfter
tut.
Sekundäre Verstärker sind erlernt und werden als angenehm empfunden, da sie mit einem
primären Verstärker gekoppelt sind (ebd.). Als Beispiel ist Lob zu nennen, das ein Kind häufig
in Zusammenhang mit einer materiellen Belohnung erlebt hat und das deshalb verstärkend
wirkt.
Außerdem gibt es generalisierte Verstärker, die mit mehreren primären Verstärkern gekoppelt
sind und dadurch generell als Verstärker empfunden werden, da sie gegen andere Verstärker
getauscht werden können (ebd., 112). Als Beispiel dafür ist Geld zu nennen.
Eine Verstärkung kann kontinuierlich oder intermittierend erfolgen. Wird ein Verhalten bei
jedem Auftreten verstärkt, liegt eine kontinuierliche Verstärkung vor (Petermann und Peter-
mann 2015, 35-36). Beispielsweise erhält das Kind jeden Abend für das Zähneputzen eine
Belohnung. Wird ein bestimmtes Verhalten nicht bei jedem Auftreten verstärkt, handelt es
sich um eine intermittierende Verstärkung (ebd.). Beispielsweise erhält das Kind nur bei
jedem dritten Zähneputzen eine Belohnung.
Folgend werden einige Methoden zum Aufbau wünschenswerter Verhaltensweisen darge-
stellt.
Prompting (Verhaltensunterstützung) eignet sich zum Aufbau wünschenswerter Verhaltens-
weisen, wenn die dafür benötigten Verhaltenskompetenzen kaum oder nicht vorhanden sind.
Eltern können dem Kind dann durch Vorführen des Verhaltens, durch verbale Instruktionen
oder durch Handführung eine Hilfestellung zum Zeigen des Verhaltens leisten, sodass dieses
Stück für Stück erlernt wird (Hungerige und Borg-Laufs 2006, 258). Beispielsweise kann ein
Kind sich noch nicht allein die Zähne putzen. Die Mutter erläutert ihm daher Schritt für Schritt
den Ablauf vom Öffnen der Zahnpastatube über die Bewegungen der Zahnbürste bis hin zum
Ausspülen des Mundes. Einzelne Bewegungen der Zahnbürste, die das Kind nicht allein
schafft, unterstützt sie durch Handführung.
Shaping (Verhaltensformung) kommt zum Einsatz, wenn die Kompetenzen für ein Verhalten
vorhanden sind und ein neues Verhalten erlernt werden soll. Zunächst werden Teilverhal-
tensweisen und dann immer komplexere Verhaltensweisen verstärkt, bis das gewünschte
Verhalten erlernt wurde (ebd.). Beispielsweise soll ein Kind Tischmanieren erlernen. Gelobt
wird daher zunächst, dass das Kind ruhig am Tisch sitzen bleibt, dann dass es einen Löffel
benutzt, später, dass Messer und Gabel verwendet werden.
Chaining (Verhaltensverkettung) kommt zum Einsatz, wenn bereits Teile des erwünschten
Verhaltens z.B. durch Shaping erlernt wurden und ein komplexeres Verhalten erlernt werden
soll. Dazu werden die bereits erlernten Teilverhaltensweisen stückweise verknüpft (ebd.).
Beispielsweise lernt ein Kind, sich beim Verlassen des Hauses eigenständig anzuziehen. Die
16
Eltern greifen dabei auf Verhaltensweisen zurück, die das Kind bereits beherrscht wie das
Anziehen der Schuhe, das Anziehen der Jacke und das Umlegen eines Schals und verketten
diese Stück für Stück.
Positive Verstärkung kann auch durch Token Economies erfolgen. Dabei wird ein erwünsch-
tes Verhalten mit Hilfe von Tokens (Münzen oder Punkten) verstärkt. Diese können angespart
werden und dann in einen vorher festgelegten primären oder sekundären Verstärker ge-
tauscht werden. Wichtig ist dabei, das erwünschte Verhalten klar zu definieren und kontinu-
ierlich zu verstärken und klar festzulegen, ab welcher Anzahl an Tokens ein Tausch in den
Verstärker erfolgt (Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 141). So wird dem Kind beispiels-
weise in Aussicht gestellt, für jedes Zähneputzen einen Sticker zu bekommen. Hat das Kind
eine gewisse Anzahl an Stickern gesammelt, kann es diese gegen eine gemeinsame
Unternehmung oder ein Spielzeug einlösen.
Fading (Ausblenden) erfolgt, wenn ein Verhalten erlernt wurde und sich verfestigt hat.
Sukzessive werden dann Unterstützungsformen entfernt oder Verstärkungen abgebaut,
sodass die Person Selbstkontrolle über ihr Verhalten erlangt (ebd., 259). So wird die Unter-
stützung beim Zähneputzen stückweise abgebaut, sobald das Kind dies eigenständig
beherrscht. Auch Belohnungen für das Zähneputzen bekommt das Kind nicht mehr, sobald
das Zähneputzen zur alltäglichen Routine geworden ist.
Bei der negativen Verstärkung wird ein unangenehmer Reiz entfernt und damit die Auftre-
tenswahrscheinlichkeit für ein Verhalten erhöht. Die Motivation zum Zeigen des Verhaltens
entsteht dabei durch den Wunsch, sich dem unangenehmen Reiz zu entziehen also bei-
spielsweise den unangenehmen körperlichen Zustand zu beenden, der unangenehmen
sozialen Situation zu entkommen oder das schlechte Gewissen zu beschwichtigen. Dies kann
durch Flucht oder Vermeidung geschehen.
Fluchtverhalten kann auftreten, wenn die Person unmittelbar einem aversiven Stimulus
ausgesetzt ist, dem sie entkommen kann, indem sie sich der Situation entzieht. Ob ein
Fluchtverhalten zustande kommt, hängt davon ab, wie intensiv der aversive Reiz erlebt wird.
Gleichzeitig ist von Bedeutung, als wie hoch die Person die Verringerung des aversiven
Reizes einschätzt und wie schnell dies voraussichtlich erfolgt (Schermer 2011, 133-134).
Beispielsweise wird ein Kind häufig getadelt, was es als sehr unangenehm empfindet. Dies
löst ein Fluchtverhalten aus und das Kind rennt in sein Zimmer.
Vermeidungsverhalten tritt auf, wenn eine Person bereits eine aversive Stimulierung in
einer Situation erlebt hat und ein erneutes Auftreten dieses unangenehmen Zustandes nun
zu vermeiden versucht. Dabei wird nach Hinweisreizen gesucht, um das Auftreten dieser
Situation vorhersagen und umgehen zu können (ebd., 135). Zum Beispiel wurde ein Kind für
eine schlechte Note geohrfeigt. Nun hat es erneut eine schlechte Note. Um die befürchtete
Bestrafung zu vermeiden bleibt es länger in der Schule.
17
3.3.2 Bestrafung
Eine gegensätzliche Wirkung zur Verstärkung hat die Bestrafung. Dabei folgt auf ein Verhal-
ten eine unangenehme Verhaltenskonsequenz, wodurch sich die Auftretenswahrscheinlich-
keit für ein Verhalten verringert. Eine Bestrafung ist durch einen aversiven Reiz oder durch
den Entzug eines positiven Verstärkers möglich (Baumgart 2007, 130).
Bestrafung durch einen aversiven Reiz
Bestrafung kann durch die Darbietung eines negativen Reizes (negativer Verstärker)
erfolgen. Die Effektivität der Bestrafung ist dabei abhängig von der Intensität des Reizes, der
Dauer, der Auftretenswahrscheinlichkeit und der Unmittelbarkeit (Schermer 2011, 137), das
heißt der negative Verstärker sollte unverzüglich und wenn möglich bereits während des
Verhaltens erfolgen. Wichtig ist außerdem die Kontinuität der Bestrafung, sie sollte also jedes
Mal erfolgen, wenn das Verhalten auftritt (Schermer 2016, 90). Eine Bestrafung kann durch
primäre negative Verstärker (z.B. unangenehme körperliche Zustände), durch sekundäre
negative Verstärker (z.B. Tadel) oder durch generalisierte negative Verstärker (z.B. Demüti-
gungen) erfolgen. Unterschieden wird außerdem in materielle, soziale und aktivitätsbezogene
negative Verstärker. So kann es sich um eine Bestrafung handeln, wenn dem Kind ein
geliebtes Spielzeug weggenommen wird (materiell), ein Elternteil die Stirn runzelt oder das
Kind ignoriert (sozial) oder dieses zu einer unangenehmen Tätigkeit zwingt (aktivitätsbezo-
gen) (ebd., 88).
Zu beachten ist, dass durch einen stärkeren negativen Reiz die Effektivität der Bestrafung
erhöht wird, aber zugleich die ethischen Bedenken steigen. Aus diesem Grund sollte der
negative Reiz nur so intensiv sein wie die Situation dies erfordert. Die Bestrafung sollte ruhig
und sachlich neutral erfolgen, ohne dass die bestrafende Person dabei Emotionen wie Wut
zeigt, die die bestrafte Person auf sich beziehen könnte. Zu vermeiden ist es außerdem, dass
durch die Bestrafung zugleich ein positiver Verstärker dargeboten wird, der die Wirksamkeit
der Bestrafung untergräbt. Um Verhaltensalternativen zu dem unerwünschten Verhalten zu
stärken, ist eine differentielle Verstärkung sinnvoll, bei der zusätzlich zu der Bestrafung des
unerwünschten Verhaltens ein positiver Verstärker für ein wünschenswertes Verhalten
dargeboten wird. Zu beachten ist außerdem, dass das zu bestrafende Verhalten, der negative
Verstärker und das wünschenswerte Verhalten zu benennen sind und für die zu bestrafende
Person transparent sein müssen (ebd., 90).
Wie in 4.3.2 unter Erziehungsfehlern näher erläutert wird, können Bestrafungen durch einen
aversiven Reiz in der Erziehung viele negative Nebeneffekte haben. Sie sind daher nicht als
Routinestrategie geeignet, sondern bedürfen einer besonderen Begründung und Legitimation.
Viele Autorinnen und Autoren sind sogar der Meinung, Bestrafungen durch einen aversiven
Reiz seien nur bei selbst- oder fremdgefährdenden Verhaltensweisen angebracht. Voraus-
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setzung für die Durchführung einer Bestrafung ist aber auf jeden Fall, dass keine alternative
weniger einschränkende Methode möglich ist. Erfolgt eine Bestrafung muss auf jeden Fall
das gesamte Vorgehen mit den konkreten Zielen und Fortschritten dokumentiert werden, um
eine missbräuchliche Anwendung zu verhindern. Weiter sollte die fachlich korrekte Durchfüh-
rung sichergestellt werden, indem alle Beteiligten von einer professionellen Fachkraft
eingewiesen werden (Schermer 2016, 91-92).
Bestrafung durch Verstärkerentzug
Eine weitere Form der Bestrafung kann durch Verstärkerentzug erfolgen. Auch diese Form
der Bestrafung wird als unangenehm empfunden und es können Frustration und Enttäu-
schung auftreten (Schermer 2011, 139-140). Schermer spricht jedoch davon, dass „Neben-
wirkungen und Legitimationsprobleme nur in eingeschränkter Form von Bedeutung“ sind, da
kein aversiver Reiz zum Einsatz kommt und diese Form der Bestrafung dadurch als weniger
belastend empfunden wird (2016, 92).
Ein Verstärkerentzug kann erfolgen durch ein langfristiges Ausbleiben eines Verstärkers, der
für das unerwünschte Verhalten aufrechterhaltend ist oder durch das langfristige Ausblei-
ben eines Verstärkers, der in keinem Zusammenhang mit dem zu bestrafenden Verhalten
steht (Schermer 2011, 139-140). Zur besseren Lesbarkeit werden diese Umschreibungen in
den folgenden Kapiteln durch die Begriffe des ‚funktionalen‘ oder ‚willkürlichen‘ Verstärker-
entzuges ersetzt.
Beim funktionalen Verstärkerentzug wird die Ursache des Verhaltens beseitigt. Dadurch
verringert sich langfristig die Motivation zum Zeigen des Verhaltens und es wird eine Verrin-
gerung oder ein Ausbleiben des Verhaltens bewirkt. Dies bezeichnet man als Extinktion
(ebd.). Wichtig ist dabei zunächst, die das Verhalten aufrechterhaltenden Verstärker zu
identifizieren und sie anschließend kontingent, das heißt unter Einbezug aller Beteiligten und
in allen Situationen zu unterbinden. Außerdem sollte gleichzeitig zur Extinktion des uner-
wünschten Verhaltens eine Verstärkung eines erwünschten Alternativverhaltens erfolgen
(Miltenberger 2012, 268). Ist das Verhalten noch nicht gefestigt, werden meist innerhalb
kurzer Zeit Veränderungen bewirkt (Schermer 2011, 139-140). Ist das Verhalten dagegen
sehr stabil und eingefahren, ist mit Extinktionsausbrüchen zu rechnen, die in Schüben
auftreten und in denen das Verhalten sich in seiner Häufigkeit und Intensität zunächst sogar
steigert. Dies kann für alle Beteiligten eine große Belastung darstellen und erfordert seitens
der Eltern eine große Beherrschung (Como-Zipfel 2013, 56). Der Verstärkerentzug darf in
einem solchen Fall nur dann aufrechterhalten werden, wenn dadurch keine mittel- oder
langfristigen Schäden bei der oder dem Beteiligten zu befürchten sind (Schermer 2011, 140).
Weiter können aufgrund des Ärgers über den ausbleibenden Verstärker auch löschungsindu-
zierte aggressive Verhaltensweisen auftreten, die zur Spannungsabfuhr dienen und in der
19
Regel nicht darauf ausgerichtet sind, andere Menschen zu schädigen. Außerdem ist eine
Spontanerholung möglich, was ein erneutes Auftreten eines bereits seit längerer Zeit
abgelegten Verhaltens bedeutet. Wichtig ist es dabei, das Extinktionsverfahren weiterhin
beizubehalten (Schermer 2016, 94-95). Beispielsweise stört ein Kind häufig, während die
Eltern telefonieren, woraufhin die Eltern das Telefonat unterbrechen und sich dem Kind
zuwenden. Um das störende Verhalten des Kindes abzubauen, beschließen die Eltern,
diesem Verhalten keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken und entziehen damit den
funktionalen Verstärker für das Stören. Bei den folgenden Telefonaten steigert sich das
Verhalten des Kindes zunächst (Schreien und Weinen), da das Kind verschiedene Strategien
nutzt, um auf sich aufmerksam zu machen. Durch den konsequenten Verstärkerentzug lässt
dieses Verhalten aber Stück für Stück nach und verschwindet schließlich.
Als Methoden für einen willkürlichen Verstärkerentzug nennt Schermer Timeout und Respon-
se Cost (2016, 95).
Timeout ist ein Verfahren, bei dem einer Person für eine festgelegte Dauer Möglichkeiten
positiver Verstärkung entzogen werden, sobald ein bestimmtes Verhalten auftritt (ebd.).
Unterschieden wird in nicht ausschließendes und ausschließendes Timeout.
Beim nicht-ausschließenden Timeout darf das Kind im gleichen Raum bleiben. Vorausset-
zung ist, dass die Verstärker entzogen werden können und die anderen Personen im Raum
nicht durch das Kind gestört werden. Entweder das Kind muss sich etwas abseits setzen und
ruhig verhalten, das Kind wird gezielt nicht beachtet oder es wird ein Verstärker entzogen z.B.
durch Ausschalten des Fernsehers (Schermer 2016, 95-96).
Eine stärker restriktive Methode ist das ausschließende Timeout, bei der das Kind in einen
anderen sicheren aber reizarmen Raum gebracht wird (ebd.). Vor der Einführung des
Timeout als Methode sollte das genaue Vorgehen mit dem Kind besprochen werden. Zudem
sollte vor jedem Einsatz eines Timeout ein Warnreiz erfolgen, der mit dem Timeout gekoppelt
wird und langfristig bewirken soll, dass dieses weniger häufig oder nicht mehr angewendet
werden muss. Bezüglich der Dauer des Timeout sind 2-3 Minuten gegenüber längeren
Zeiträumen wirksamer (Schermer 2011, 141-142). Grundlegend ist bei der Anwendung des
Timeout, dass immer die am wenigsten restriktive Methode gewählt werden sollte, da das
Kind dadurch „in höherem Maße seine Selbststeuerungsfähigkeiten aktivieren muss“
(Hungerige und Borg-Laufs 2006, 523). Wichtig ist, dass zusätzlich zum Timeout auch eine
positive Verstärkung eines wünschenswerten Alternativverhaltens erfolgt (Schermer 2011,
141).
Da das Timeout eine umstrittene Methode ist und diese auch bei der Auseinandersetzung mit
Triple P (siehe 6.3) eine wichtige Rolle spielen wird, wird im folgenden Abschnitt diskutiert,
wie das Timeout einzuordnen und zu legitimieren ist.
20
Schermer definiert Timeout als eine Methode des Verstärkerentzuges, bei der „zwischen dem
entzogenen Verstärker und dem problematischen Verhalten ein beliebiger (willkürlicher) und
kein funktionaler Zusammenhang besteht“ (2016, 95). Damit beschreibt er Timeout meiner
Ansicht nach als Bestrafung durch einen willentlich hergestellten unangenehmen Zustand
aufgrund eines Verstärkerentzuges.
Bodenmann, Perrez und Schär beschreiben die Auszeit dagegen als Methode, die „dysfunk-
tionales Verhalten des Kindes oder Jugendlichen dadurch zu reduzieren versucht, dass
sämtliche potentiellen Verstärker des Verhaltens entfernt werden“ (2011, 143-144).
Auch Hungerige und Borg-Laufs stimmen dem zu, indem sie das Timeout ebenfalls als
funktionalen Verstärkerentzug einordnen (2006, 256).
Wie aus diesen verschiedenen Positionen deutlich wird, besteht beim Timeout ein sehr
schmaler Grat zwischen einem gezielten Verstärkerentzug, der darauf gerichtet ist, einem
bestimmten Verhalten die Grundlage zu entziehen und einer Methode, die als Bestrafung für
jedes beliebige Verhalten eingesetzt werden kann. Erstere Möglichkeit ist meiner Ansicht
nach leichter zu legitimieren, da sie eben funktional erfolgt und damit praktisch voraussetzt,
dass der das Verhalten aufrechterhaltende Verstärker möglichst gezielt, also mit einer
möglichst milden Form des Timeout unterbunden wird. Letztere Möglichkeit sehe ich deutlich
kritischer, denn es besteht kein direkter Zusammenhang zwischen dem Fehlverhalten und
der Art des Verstärkerentzuges, sodass beim Kind der Eindruck einer willkürlichen Bestrafung
entstehen könnte. Weiter halte ich dabei die Gefahr einer inflationären Anwendung des
Timeout für größer, da es auf jedes Verhalten angewendet werden kann. Zudem weisen
Hungerige und Borg-Laufs darauf hin, dass der Ort des Timeout für das Kind zu einem
aversiven Stimulus werden kann (2006, 256). Damit wäre es durchaus denkbar, dass das
Timeout den Charakter einer Bestrafung durch einen aversiven Reiz bekommt, die wie unter
4.3.2 ausgeführt viele negative Nebeneffekte haben kann.
Response Cost ist eine weitere Methode der Bestrafung durch Verstärkerentzug, sie wird
meist in Verbindung mit der Methode Token Economy eingesetzt. Tritt ein unerwünschtes
Verhalten auf, wird ein materieller Verstärker (meist in Form von Tokens) entzogen. Dabei ist
auf eine sachliche und nüchterne Durchführung zu achten. Davor erfolgt immer ein Warnreiz,
der auf das unerwünschte Verhalten hinweist und dazu führen soll, dass das Verhalten später
auch ohne Verstärkerentzug ausbleibt. Um dies festzulegen wird meist eine vertragliche
Regelung getroffen, sodass das Vorgehen für die bestrafte Person vorhersehbar und
kontrollierbar ist. Damit Response Cost wirksam ist, muss der zu entziehende Verstärker in
einem Überfluss vorhanden sein beziehungsweise nach Entzug wieder angespart werden
können. Voraussetzung für die Anwendung von Response Cost ist eine besondere Indikation
beispielsweise durch Eigen- oder Fremdgefährdung oder eine unzumutbare Belästigung
(Adameit et Al. 1983, 264-266).
21
Natürliche Folge und Logische Folge
Die Begriffe der natürlichen und logischen Folge / Konsequenz werden in der Fachliteratur
sehr unterschiedlich voneinander abgegrenzt oder sogar synonym verwendet. Eine solche
fehlende Operationalisierung zentraler Begriffe kann meiner Ansicht nach einer wissenschaft-
lichen Auseinandersetzung nicht zuträglich sein. Für die weitere Arbeit soll daher zunächst
eine klare Definition und Abgrenzung der Begriffe erfolgen. Anschließend wird geklärt, ob es
sich bei der natürlichen und logischen Folge um Formen der Bestrafung handelt.
Einige Autor/innen verwenden nur einen der oben genannten Begriffe und definieren diesen
sehr allgemein.
Petermann und Petermann verwenden den Begriff der natürlichen Folge. Sie sprechen
davon, dass eine angemessene Bestrafung „im Sinne einer natürlichen Folge zur Handlung
passen“ sollte (2012, 237) und dabei für das Kind ein sinnvoller Zusammenhang zwischen
seinem Verhalten und der Art und dem Ausmaß der Bestrafung erkennbar sein sollte (ebd.,
2012, 239).
Dirscherl et Al. sprechen von einer logischen Konsequenz, die sich dadurch kennzeichnet,
dass ein direkter Zusammenhang zu dem Fehlverhalten besteht, sodass das Kind die
Konsequenz auf das eigene Verhalten zurückführen kann (2011, 13).
Döpfner, Schürmann und Lehmkuhl verwenden den Begriff der natürlichen Konsequenz, die
sich möglichst direkt aus dem Problemverhalten ergeben sollte, durchführbar sein muss und
regelmäßig und sofort erfolgen soll (2000, 181).
Trotz der unterschiedlichen Bezeichnungen entsprechen die Definitionen sich in etwa, da sie
alle eine Folge / Konsequenz beschreiben, die in einem Zusammenhang mit dem Verhalten
steht und dies für das Kind erkennbar sein muss. Sie schließen dabei Folgen ein, die völlig
automatisch ohne Zutun der Eltern auftreten und Folgen, die von den Eltern arrangiert
werden.
Dreikurs und Soltz trennen die Begriffe der natürlichen und logischen Folge. Da Erziehungs-
methoden meiner Ansicht nach auf eine solche differenzierte Art besser untersucht werden
können, werden diese Definitionen im weiteren Verlauf der Arbeit verwendet.
Eine natürliche Folge ist die direkte Konsequenz eines Verhaltens, die ohne das Zutun der
Eltern zustande kommt. Anstatt die natürliche Folge abzufedern, sollen Eltern sich bedacht
zurückziehen und die natürliche Folge ihre Wirkung entfalten lassen. Dadurch werden für das
Kind wichtige Lernprozesse ermöglicht und das Kind lernt, für das eigene Verhalten verant-
wortlich zu sein (Dreikurs und Soltz 2018, 90-91, 94). Als Beispiel ist denkbar, dass das Kind
sein Vesper zuhause vergisst und nun der Hungerschmerz (Bestrafung durch aversiven Reiz)
als eine natürliche Folge eintritt. Anstatt dem Kind wiederholt das Vesper in die Schule zu
bringen (negative Verstärkung) und damit die natürliche Folge zu beseitigen, können die
22
Eltern diese zulassen und dem Kind dadurch ermöglichen, aus dem eigenen Fehler zu
lernen.
Eine logische Folge steht ebenfalls in einem direkten Zusammenhang mit dem Verhalten
des Kindes. Jedoch tritt diese nicht von selbst ein, sondern wird arrangiert (Dreikurs und Soltz
2018, 95). Bei der Anwendung der logischen Folge ist die Kreativität der Eltern gefragt, um
einen Bezug zum unerwünschten Verhalten des Kindes herzustellen. Denkbar sind dabei
folgende Möglichkeiten:
Die Eltern können dem Kind jegliche Aufmerksamkeit entziehen (funktionaler Verstärker-
entzug). Sobald das Kind wieder erwünschtes Verhalten zeigt, sollen die Eltern sich dem
Kind zuwenden und das Verhalten verstärken (Petermann und Petermann 2012, 237).
Das Kind kann für eine kurze Zeit aus der Situation ausgeschlossen werden, in der das
Fehlverhalten aufgetreten ist (Döpfner, Schürmann und Lehmkuhl 2009, 179). Dies ent-
spricht dem oben dargestellten Timeout. Als logische Folge angewendet ist das Timeout
(anders als oben dargestellt) als funktionaler Verstärkerentzug zu sehen, da gezielt eine
Situation beendet wird, die verstärkend auf das Verhalten wirkt. Voraussetzung für das
Vorliegen einer natürlichen Folge ist es meiner Ansicht nach jedoch, dass ganz gezielt ein
Verstärker entzogen wird, ohne das Kind dabei unnötig einzuschränken. Als logische
Folge einzuordnen ist es beispielsweise, dass ein streitendes Kind sich kurz abseits der
Spielsituation setzen muss, bis es sich beruhigt hat. Das Kind in der gleichen Situation
und ohne mildere Methoden ausprobiert zu haben, sofort in einen anderen Raum zu schi-
cken, wäre meiner Ansicht nach mehr ein willkürlicher Verstärkerentzug.
Dem Kind können Privilegien entzogen werden (funktionaler Verstärkerentzug), die mit
dem Fehlverhalten in Verbindung stehen (ebd., 180). Beispielsweise wird ein Spielzeug
entfernt, das vom Kind geworfen wird und dadurch die Möbel demoliert.
Das Kind bekommt die Möglichkeit einer Wiedergutmachung, indem es den durch sein
Fehlverhalten entstandenen Schaden beseitigen oder zu ersetzen kann (ebd., 179). Die
zugrunde liegende Motivation ist meiner Ansicht nach eine negative Verstärkung. Auf-
grund des verschuldeten Schadens ist das Kind einem negativen Verstärker ausgesetzt,
entweder durch ein schlechtes Gewissen oder dadurch, dass andere Personen sein
Fehlverhalten missbilligen. Durch das Angebot der Wiedergutmachung wird dem Kind in
Aussicht gestellt, diesen negativen Verstärker zu beseitigen. Das Besondere an dieser
Methode ist meiner Ansicht nach, dass das Kind Kontrolle über die Situation erlangt sich
damit als selbstwirksam erleben kann und gleichzeitig sein Gesicht wahrt.
Umstritten ist in der Fachwelt, ob es sich bei der natürlichen und logischen Folge um Formen
der Bestrafung handelt. Um dies zu diskutieren muss zunächst geklärt werden, welche
Definitionen von Bestrafung von den Autorinnen und Autoren verwendet werden.
23
Wie unter 3.2.2 dargestellt handelt es sich um eine Bestrafung, wenn durch eine Konsequenz
die Auftretenswahrscheinlichkeit für ein Verhalten verringert wird. Somit handelt es sich auch
bei der natürlichen Folge um eine Form der Bestrafung, auch wenn die negative Konsequenz
völlig ohne Zutun der Eltern erfolgt.
Aus den Ausführungen von Dreikurs und Soltz wird deutlich, dass sie den Begriff Bestrafung
für jede Form der aversiven Reizung durch die Erziehenden und des willkürlichen Verstärker-
entzuges verwenden und diese ablehnen. Lediglich die natürliche und logische Folge (und
damit auch den funktionellen Verstärkerentzug) sehen sie nicht als Bestrafung (2018, 99-
100). Ob diese abweichende Definition von Bestrafung nun durch Unwissenheit über die
Begrifflichkeiten zustande kam oder hier bewusst für Erziehungsmethoden das in der
Alltagssprache negativ behaftete Wort ‚Bestrafung‘ vermieden wird, darüber kann an dieser
Stelle nur spekuliert werden.
Petermann und Petermann schaffen hier Klarheit und, indem sie die natürliche und logische
Folge als Formen einer „angemessenen Bestrafung“ beschreiben, bei der für das Kind ein
Zusammenhang mit seinem Verhalten erkennbar ist (2012, 237).
3.4 Der kognitive Ansatz
Der kognitive Ansatz wurde zeitlich nach den Lerntheorien entwickelt. Er ergänzt diese, da er
davon ausgeht, dass Lernprozesse nicht nur durch Umweltreize zustande kommen, sondern
auch Kognitionen eine entscheidende Rolle zukommt. Diese beeinflussen nicht nur, wie ein
Mensch seine Umwelt wahrnimmt, sondern auch, wie neue Erfahrungen interpretiert und
bewertet werden (Auckenthaler 2012, 45). Kognitionen sind ein Überbegriff für das Wahr-
nehmen, Erkennen, Begreifen, Urteilen, Schlussfolgern und Denken (Benecke 2014, 157).
3.4.1 Ebenen von Kognitionen
Unterschieden wird in 3 Ebenen von Kognitionen:
Automatische Gedanken befinden sich auf einer leicht zugänglichen Ebene. Sie tauchen in
Form von Worten oder Vorstellungen in bestimmten Situationen auf. Mit Hilfe eines Gedan-
kenprotokolls können die automatischen Gedanken erfasst werden, um anschließend zu
analysieren, um welche Gedankenmuster es sich handelt und in welchen Situationen diese
auftreten (Parfy, Schuch und Lenz 2016, 116).
Bedingte Annahmen werden von jedem Menschen von klein auf entwickelt, um sich selbst,
die Umwelt und die Beziehung der eigenen Person zur Umwelt zu verstehen und Handlungs-
sicherheit zu gewinnen. Bedingte Annahmen wirken sich steuernd und lenkend auf das
Erleben und Verhalten des Menschen aus. Sie betreffen häufig eine normative Ebene (Parfy,
Schuch und Lenz 2016, 117) z. B. ‚Eine Mutter sollte ihre Kinder unter Kontrolle haben‘ oder
sie beinhalten Wenn-Dann-Beziehungen (ebd.) z. B. ‚Wenn eine Mutter ihre Kinder nicht
unter Kontrolle hat, wird sie von den anderen Erwachsenen nicht respektiert‘.
24
Grundannahmen basieren ebenfalls auf den bisherigen Erfahrungen des Menschen. Sie
befinden sich jedoch auf einer sehr tiefen Ebene, sind schwer zugänglich und gelten für die
Person situationsunabhängig, sodass sie für die absolute Wahrheit gehalten werden. Es
handelt sich dabei oft um absolute Aussagen wie z.B. ‚Ich bin eine schlechte Mutter‘ oder
dichotome Aussagen z.B. ‚Es gibt nur gute Eltern und solche die auf ganzer Linie versagen‘
(ebd.). Aufgrund ihrer tiefen Verankerung und der unbedingten Gültigkeit beeinflussen die
Grundannahmen nachhaltig, wie die eigene Person und die Umwelt wahrgenommen und wie
Erlebtes interpretiert und bewertet wird (Benecke 2014, 157). Die Grundannahmen wirken
sich außerdem auf die Bildung von bedingten Annahmen aus und spiegeln sich in den
automatischen Gedanken wider (Parfy, Schuch und Lenz 2016, 117).
Von Dysfunktionalen kognitiven Schemata ist die Rede, wenn die Annahmen unlogisch,
nicht zielführend sind oder den Menschen sogar schädigen (Benecke 2014, 157). Als
Beispiele sind zu nennen: Ein generell negatives Selbstbild, eine generell negative Wahr-
nehmung der Umwelt, unrealistische Erwartungen und Forderungen an die Mitmenschen und
die restliche Umwelt, häufig in Form von Muss-Gedanken und Katastrophendenken (ebd.,
158-160). Diese irrationalen Annahmen werden im inneren Dialog reproduziert, können sich
so langfristig verfestigen, prägen das Erleben und Verhalten und können für die Entstehung
und Aufrechterhaltung von psychischen Erkrankungen mitverantwortlich sein (ebd., 158). Mit
Hilfe kognitiver Therapieverfahren können dysfunktionale kognitive Schemata erkannt und
hinterfragt werden. Ziel ist es, die dysfunktionalen durch funktionale Strukturen zu ersetzen
und so langfristig eine Veränderung des Erlebens und Verhaltens zu bewirken (Parfy, Schuch
und Lenz 2016, 116).
3.4.2 Ebenen der kognitiven Therapie
Unterteilt wird die kognitive Therapie in die psychoedukative, die explorative Ebene und die
Interventionsebene.
Auf der edukativen Ebene wird der Person vermittelt, dass ihr psychisches Leid und ihre
emotionalen Probleme nicht ausschließlich auf äußere Umstände zurückzuführen sind,
sondern auch die kognitiven Bewertungs- und Interpretationsprozesse mit für das Leiden
verantwortlich sind. Allein das Erlangen dieser Erkenntnis kann den Leidensdruck der
Betroffenen verringern und stellt eine wichtige Grundlage für den weiteren therapeutischen
Prozess dar (Mühlig und Poldrack 2006, 481).
Im Anschluss geht es auf der explorativen Ebene darum, für die Person charakteristische
Denkmuster zu erkennen und zu analysieren. Dies kann mit Hilfe einer durch die
Therapeutin / den Therapeuten angeleitete Selbstbeobachtung oder durch ein Gedankenpro-
tokoll erfolgen. Meist wird dann ein Fallkonzept erstellt. Dieses umfasst biographische Daten,
25
charakteristische Denk- und Verhaltensmuster und die Situationen, in denen diese auftreten.
Außerdem wird analysiert, welche automatischen Gedanken, bedingten Annahmen und
Grundannahmen den Denkmustern zugrunde liegen (Mühlig und Poldrack 2006, 481-482).
Auf der Interventionsebene werden dysfunktionale Denkmuster hinterfragt und an der
Realität überprüft. Ziel ist die Erkenntnis der Person, dass die Denkmuster hinderlich sind und
verändert werden sollten. Besteht diese Erkenntnis, werden gemeinsam neue Denkmuster
erarbeitet, die logisch sind, der Realität eher entsprechen und sich dieser laufend anpassen
können. Dabei erlernt die Person neue Lösungsmöglichkeiten, andere Bewertungen und die
Selbstwirksamkeit wird gestärkt. Die neuen Denkmuster werden anschließend zunächst im
Setting der Therapie und dann in alltäglichen Situationen eingeübt (ebd.).
4. Erziehungsfehler
Im folgenden Kapitel werden mögliche Erziehungsfehler aufgeführt, wobei der Begriff des
Erziehungsfehlers für alle beabsichtigten sowie unbeabsichtigten Erziehungshandlungen
verwendet wird, die sich entwicklungshemmend (siehe Kapitel 2.2) auf das Kind auswirken.
Um eine Verknüpfung zu den in Kapitel 3 erläuterten theoretischen Grundlagen herzustellen,
wird eine Einordnung in die Lerntheorien und den kognitiven Ansatz erfolgen.
Die Beispiele stammen aus der Fantasie des Verfassers oder sind zum Teil der Fachliteratur
entnommen.
4.1 Durch die Sozialkognitive Theorie erklärbare Erziehungsfehler
Um mögliche Erziehungsfehler ausfindig zu machen, wird auf die Aufmerksamkeits- und
Gedächtnisprozesse eingegangen.
Voraussetzung für das Erlernen neuer Verhaltensweisen nach der Sozialkognitiven Lerntheo-
rie sind Aufmerksamkeitsprozesse (siehe Kapitel 3.1.2). Zeigen sich Eltern sehr schwach,
sind für das Kind kaum verfügbar oder lassen sich nicht auf dessen Interessen ein, werden
sie dadurch für das Kind vermutlich als weniger attraktives Modell wahrgenommen. Die
Problematik kann dann darin bestehen, dass auch bezüglich wünschenswerter nachzuah-
mender Verhaltensweisen beim Kind keine Aufmerksamkeitsprozesse zustande kommen und
diese daher nicht erlernt werden.
Weiter ist es möglich, dass von den Eltern vorgezeigte wünschenswerte Verhaltensweisen für
das Kind keine persönliche Bedeutung haben oder uninteressant sind. So wird das Kind
weniger motiviert sein, beim Kochen zu helfen, wenn das zubereitete Gericht nicht nach
seinem Geschmack ist oder es wird weniger dazu motiviert sein, eine völlig abstrakte
Rechenaufgabe zu lösen, die in keinem Zusammenhang mit dem eigenen Leben steht.
Wenig effektiv ist es außerdem, wenn wünschenswerte Verhaltensweisen vorgezeigt werden,
26
wenn das Kind müde, traurig oder in ein Spiel vertieft ist und dem vorgezeigten Verhalten
daher keine selektive Aufmerksamkeit zukommt.
Beim Nachahmen von Verhaltensweisen wird das beobachtete Verhalten zunächst in
bildlicher oder sprachlicher Form kodiert (siehe Kapitel 3.1.2). Sind nachzuahmende Verhal-
tensweisen zu kompliziert oder werden nicht dem Entwicklungsstand des Kindes entspre-
chend in Teilschritte zerlegt, wird das Kind nicht in der Lage sein, das Gesehene zu erfassen
und detailliert im Gedächtnis abzuspeichern. Beispielsweise macht ein Elternteil dem Kind
das Zähneputzen vor. Aufgrund der Komplexität kann das Kind der Handlungsabfolge aber
nicht folgen und diese speichern.
Des Weiteren kann es hinderlich sein, wenn das Kind keine attraktiven Möglichkeiten
bekommt, ein beobachtetes und bereits erlerntes Verhalten zu wiederholen und damit zu
verfestigen. Beispielsweise wird ein Kind die erlernten Tischmanieren nicht verfestigen, wenn
das Mittagessen täglich auf dem Sofa eingenommen wird.
Beim Nachahmen erlernter Verhaltensweisen ist Feedback aus der Umwelt wichtig (siehe
Kapitel 3.1.2). Denkbar ist es, dass Eltern kein positives Feedback für ein nachgeahmtes
positives Verhalten des Kindes geben und das Kind dadurch keine Orientierung hat, ob das
Verhalten gelungen ist. Weiter ist es auch möglich, dass ein Kind für ein fehlerhaft ausgeführ-
tes Verhalten kein Feedback erhält und dadurch das Verhalten nicht korrigieren kann,
beispielsweise beim Zähneputzen. Ein typisches Beispiel für das Überfordern eines Kindes ist
es, wenn Eltern von einem kleinen Kind erwarten, ohne Anleitung ein ganzes Zimmer
aufzuräumen. Auch wenn dies für eine Erwachsene Person nicht unbedingt nachvollziehbar
sein mag, sollte diese Aufgabe dennoch in Teilschritte zerlegt werden.
Die Motivation für das Zeigen eines erlernten Verhaltens ist unter anderem von der Kompe-
tenzerwartung abhängig (siehe Kapitel 3.1.2). Beim Erlernen wünschenswerter Verhaltens-
weisen ist es daher wichtig, dass Eltern die Kompetenzerwartung des Kindes unterstützen.
Hemmend wirkt es sich dagegen aus, wenn Eltern das Kind tadeln, wenn es ein Verhalten
fehlerhaft ausführt. Dadurch kann sich eine negative Selbstwirksamkeitsüberzeugung
ausbilden, sodass das Kind sich andere Verhaltensweisen nicht zutraut
Eine wichtige Funktion in der Erziehung erfüllt meiner Ansicht nach die stellvertretende
Verstärkung, bei der eine vom Kind beobachtete Verhaltensweise eines Modells bekräftigt
wird (siehe Kapitel 3.1.3). Die positive Funktion dieses Lerneffektes wird nicht genutzt, wenn
Familienmitglieder, die dem Kind als Modell dienen, keinerlei Verstärkung für wünschenswer-
tes Verhalten bekommen. Beispielsweise sitzt ein Kind ruhig am Tisch, während alle anderen
Kinder der Familie sich nicht an die Tischregeln halten und das Kind wird dafür nicht gelobt
oder belohnt. In diesem Fall werden die anderen Kinder vermutlich keinen Grund sehen, das
27
wünschenswerte Verhalten des ruhig am Tisch sitzenden Kindes nachzuahmen.
Problematisch kann es sein, wenn negative Verhaltensweisen von Familienmitgliedern
verstärkt werden. Beispielsweise wird ein Geschwister oder Elternteil gewalttätig und erreicht
damit sein Ziel, wodurch das Verhalten stellvertretend verstärkt wird. Dies wird die Wahr-
scheinlichkeit erhöhen, dass auch das andere Kind das Fehlverhalten zeigen wird.
Zu beachten ist außerdem, dass Verstärkung und Bestrafung für Kinder oft eine subjektive
Bedeutung haben (Baumgart 2007, 159). Wenn ein Kind beispielsweise wenig Aufmerksam-
keit bekommt und beobachtet, dass ein Elternteil von dem anderen Elternteil angeschrien und
damit beachtet wird, sobald er aggressiv wird, kann dies ebenfalls stellvertretend verstärken.
Das Kind nimmt das Anschreien dann als eine Form der Aufmerksamkeit wahr, die es sich
selbst ebenfalls wünscht und daher das aggressive Verhalten des Elternteils nachahmt.
Baumgart führt an, dass dieser Effekt sogar soweit führen kann, dass ein Kind, dass sich
nach der Aufmerksamkeit der Eltern sehnt, es sogar als verstärkend empfinden kann, von
den Eltern geschlagen zu werden (ebd.). Infolgedessen ist es gut denkbar, dass das Kind
nach längerer Zeit kognitive Strukturen ausbildet, in denen es Zuwendung und Nähe mit
Gewalt verknüpft. Stellt nun eine anderen Person Nähe zu diesem Kind her, könnte dies als
diskriminativer Reiz (siehe Kapitel 3.3.1) dienen und einen Gewaltimpuls bei dem Kind
auslösen.
4.2 Durch klassische Konditionierung bedingte Erziehungsfehler
Folgend wird aufgeführt, welche meist unbeabsichtigten unerwünschten Effekte in der
Erziehung durch klassische Konditionierung auftreten können.
Problematisch ist es, wenn Eltern vom Kind zunächst als neutral empfundene Aufgaben und
Tätigkeiten mit negativen Reizen koppeln. Beispielsweise setzt ein Kind sich zunächst
relative gerne vor sein Hausaufgabenheft (NS) und erledigt seine Aufgaben. Nun erfährt die
Mutter, dass die Hausaufgaben unordentlich erledigt wurden und setzt sich daher zu dem
Kind. Macht das Kind bei den Hausaufgaben einen Fehler, schreit sie es an und reißt Seiten
aus dem Heft (UCS), wodurch das Kind Angst bekommt (UCR). Es findet dabei eine Koppe-
lung der Erledigung der Hausaufgaben mit der Bestrafung durch die Mutter statt. Als das Kind
beim nächsten Mal in der Schule während einer Freistunde das Hausaufgabenheft (CS)
aufschlägt, entsteht ein Stresszustand (CR), wodurch das Kind sich nicht mehr konzentrieren
kann und die schulischen Leistungen absinken.
Ein ähnlicher Effekt kann eintreten, wenn ein Kind zur Strafe früh ins Bett muss. Das als
normal empfundene ins Bett gehen wird dann mit der emotional aufgewühlten Konfliktsituati-
on gekoppelt. Die Folge kann sein, dass das Kind künftig nicht mehr ins Bett gehen will oder
Einschlafprobleme bekommt.
28
Sehr problematisch ist es außerdem, wenn Eltern ihr Kind sehr häufig strafen. Die Bestrafung
(UCS) löst dabei beim Kind Unbehagen (UCR) aus. Da sie durch den Elternteil (NS) erfolgt,
wird sie mit diesem gekoppelt und der Elternteil wird zum CS, sodass allein seine Anwesen-
heit beim Kind Unbehagen (CR) auslöst und so die Beziehungsebene nachhaltig geschädigt
wird.
Eine Konditionierung findet beispielsweise auch statt, wenn eine depressive Mutter oft einen
gestressten Gesichtsausdruck zeigt (UCS) und in der Interaktion mit dem Kind keine positi-
ven Emotionen austauscht. Diese Art der Kommunikation löst beim Kind eine negative
emotionale Reaktion aus (UCR). Der Blick in das Gesicht der Mutter wird also zu einem
negativen CS und löst Vermeidungsverhalten aus, wodurch das Kind den Blickkontakt mit der
Mutter zu vermeiden beginnt (CR).
4.3 Durch operante Konditionierung bedingte Erziehungsfehler
4.3.1 Fehler beim Aufbau erwünschter Verhaltensweisen
Mit Hilfe von positiver Verstärkung, Prompting, Shaping, Chaining und Token Economy
können neue wünschenswerte Verhaltensweisen beim Kind aufgebaut werden (siehe Kapitel
3.2.1). Deutlich wird, dass diese Methoden nur funktionieren, wenn sie zum Entwicklungs-
stand und den bereits vorhandenen Fähigkeiten des Kindes passen.
Als Fehler denkbar ist es beispielsweise, dass Eltern von ihrem Kind das Zeigen komplexer
Verhaltensweisen verlangen und dabei keine Hilfestellung leisten, die Verhaltensweisen nicht
in Teilschritte zerlegen oder diese Teilschritte nicht verstärken. So kann das Erlernen neuer
Verhaltensweisen allein aufgrund deren Komplexität für ein Kind unmöglich sein oder das
Kind wird aufgrund der Überforderung und der fehlenden Erfolgserlebnisse demotiviert und
resigniert. Beim Einsatz von Token Economy könnte das Kind sich aufgrund einer mangeln-
den Festlegung im Unklaren über die Art des verstärkten Verhaltens sein. Weiter könnte der
festgelegte Wert der Tokens zu gering sein, sodass der eintauschbare positive Verstärker
nicht in Sichtweite ist oder der eintauschbare Verstärker könnte für das Kind nicht attraktiv
sein, sodass keine Motivation für das Ansparen von Tokens entsteht.
Nach Erlernen eines erwünschten Verhaltens ist es außerdem wichtig, Verstärker und
Unterstützungen schrittweise auszublenden (siehe Kapitel 3.2.1). Verstärken die Eltern das
Verhalten des Kindes weiter, ist es denkbar, dass das Verhalten an die externale Verstärkung
gekoppelt bleibt und nicht mehr ausgeführt wird, sobald die Verstärkung ausbleibt. Bauen die
Eltern die Unterstützung bei der Ausführung des Verhaltens nicht ab, könnte dies das Kind
dauerhaft von der Unterstützung anderer abhängig machen und zudem Selbstwirksamkeits-
erfahrungen des Kindes behindern, da die Erfahrung, durch das eigene Können zum Erfolg
zu gelangen, ausbleibt.
29
4.3.2 Fehler beim Abbau unerwünschter Verhaltensweisen
Bestrafung kann durch funktionalen Verstärkerentzug erfolgen (siehe Kapitel 3.2.2), wobei
auch Erziehungsfehler denkbar sind. Beispielsweise bettelt ein Kind regelmäßig nach
Süßigkeiten. Indem das Kind fortan keine Süßigkeiten mehr auf sein Betteln erhält, wird der
positive Verstärker für das Betteln entzogen. Das Kind reagiert darauf mit Extinktionsausbrü-
chen und versucht, durch Schreien und Weinen sein Ziel zu erreichen. Problematisch ist es,
wenn Eltern nun aus Mitleid oder um sich in der Öffentlichkeit der als peinlich empfundenen
Situation zu entziehen, nachgeben und das Kind wieder Süßigkeiten erhält, wodurch das
unerwünschte Verhalten verstärkt wird. Da solche Situation, in denen die Eltern sich zum
Nachgeben hinreißen lassen, nur gelegentlich auftreten, wird das Kind aufgrund der intermit-
tierenden Verstärkung noch beharrlicher nach Süßigkeiten betteln.
Ein weiterer Fallstrick für Eltern könnte darin bestehen, löschungsinduzierte aggressive
Verhaltensweisen des Kindes als bösartig anstatt als eine Form der Spannungsabfuhr zu
interpretieren und mit Gegenaggression zu reagieren. Eine Trennung zwischen der Person
des Kindes und dem Fehlverhalten wäre damit nicht gegeben.
Denkbar wäre es auch, dass Eltern das Extinktionsverfahren nach einer gewissen Zeit
beenden, eine Spontanerholung als ‚Ausrutscher‘ des kindlichen Verhaltens sehen und
versehentlich das unerwünschte Verhalten erneut intermittierend verstärken, sodass sich die
Auftretenswahrscheinlichkeit wieder erhöht. Des Weiteren weißt Schermer darauf hin, dass
bei einem alleinigen Verstärkerentzug ohne eine Verstärkung alternativer Verhaltensweisen
die Gefahr eines Ausweichens auf andere unerwünschte Verhaltensweisen besteht (2011,
140).
Timeout wird als Methode beschrieben, bei der beim Auftreten eines bestimmten Verhaltens
soziale Verstärker für das Verhalten entzogen werden, was in letzter Instanz beinhalten kann,
dass ein Kind für kurze Zeit in einen anderen Raum gebracht wird (siehe Kapitel 3.2.2).
Welche große Bedeutung dem Ausschluss aus sozialen Situationen in der alltäglichen
Erziehung zukommt, macht eine repräsentative Studie der AOK deutlich, in der 20% der
Eltern angeben, ihr Kind als Strafe für längere Zeit aufs Zimmer zu schicken (2011, 12).
Erziehungsfehler, die sich dabei ergeben können, sind vielfältig. Trennen Eltern nicht
zwischen Person und Verhalten des Kindes, kann beim Kind das Gefühl ausgelöst werden,
nicht mehr gewollt zu werden und es kann sich ein negatives Selbstbild aufbauen. Besonders
bei längeren Zeiten des ‚Eingesperrtseins‘ kann der Eindruck einer willkürlichen Bestrafung
geschehen, wodurch Aggressionen ausgelöst werden können. Vermitteln die Eltern dem Kind
nicht das Gefühl, trotz des Timeout in der Nähe und verfügbar zu sein, können beim Kind
Ängste auftreten oder es kann sich in einem unsicheren Raum Verletzungen zuziehen.
30
Ist die Beziehung zu den Eltern sehr schlecht oder empfindet das Kind die soziale Situation
als unangenehm, ist die Wirksamkeit des Timeout nicht gegeben. In einem solchen Fall stellt
das Timeout eine negative Verstärkung dar, wobei das Kind gezielt mit negativen Verhal-
tensweisen provoziert, um bei der daraus folgenden Auszeit der unangenehmen sozialen
Situation zu entkommen. Einen ähnlichen Effekt kann es haben, wenn der Timeout-Raum
viele Ablenkungsmöglichkeiten bietet und dadurch als positiver Verstärker für das uner-
wünschte Verhalten dient.
Auch Response Cost kann als Methode zum Abbau unerwünschter Verhaltensweisen dienen
(siehe Kapitel 3.2.2). Als Fehler in der Erziehung ist denkbar, dass der zu entziehende
Verstärker nicht im Überfluss vorhanden ist z.B. dem Kind wird Geld weggenommen, das es
nicht wieder ansparen kann. Problematisch könnte es außerdem sein, dass Response Cost
ohne Indikation angewendet wird oder dadurch auch wünschenswerte Verhaltensweisen
behindert oder verhindert werden z.B. das Kind darf nicht ins Fußballtraining, was an sich ein
wünschenswertes Verhalten ist.
Eine Möglichkeit zum Abbau unerwünschter Verhaltensweisen stellt die Bestrafung durch
einen aversiven Reiz dar, die jedoch viele negative Nebeneffekte haben kann (Schermer
2011, 137-138). Diese werden von den Autorinnen und Autoren allgemein beschrieben, im
Folgenden werden sie konkret auf die Erziehung bezogen.
Durch häufiges Bestrafen mit einem aversiven Reiz können die Eltern zu einem negativen
Stimulus werden, sodass das Verhältnis zum Kind nachhaltig belastet wird. Durch die beim
Kind ausgelösten Ängste kann es zu einer Unfähigkeit kommen, die eigenen Bedürfnisse
auszudrücken, wobei als Folge mangelnde Sozialkompetenzen möglich sind. Durch den
hohen Erregungszustand aufgrund der Bestrafung kann es zu negativen emotionalen
Reaktionen kommen, woraus andere unerwünschte Verhaltensweisen resultieren können
(Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 127-128). Zusätzlich kann dabei die strafende Person
als Modell für aggressive Verhaltensweisen dienen (Schermer 2011, 137-138). Ohne eine
differentielle Verstärkung, bei der dem Kind auch wünschenswerte Verhaltensweisen
aufgezeigt werden, kann ein Gefühl der Hilflosigkeit entstehen und es können sich depressive
Verhaltensweisen ausprägen (Schermer 2016, 91). Des Weiteren ist aufgrund der aversiven
Reize von außen ein Rückzug des Kindes in die eigenen Phantasiewelt möglich und schließ-
lich können in Folge der Bestrafung chronische psychosomatische Erkrankungen ausgelöst
werden (Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 128).
Erziehungsprobleme können zudem auch durch eine ungleiche Rollenverteilung bei den
Eltern entstehen, bei der ein Elternteil inkonsequent ist und der andere dies mit übermäßiger
Strenge auszugleichen versucht (Petermann und Petermann 2012, 242). Während das Kind
von einem Elternteil bestraft wird, lässt der andere Elternteil das Verhalten durchgehen oder
31
verstärkt dieses sogar. Durch diese Inkonsistenz kann die Wirkung von Erziehungsmethoden
untergraben werden (siehe Kapitel 3.2). Petermann und Petermann beschreiben einen
Prozess, in dem das Kind lernt, sich bei den beiden Elternteilen unterschiedlich zu verhalten
und diese gegeneinander auszuspielen, sodass unerwünschte Verhaltensweisen aufrecht-
erhalten bleiben (2012, 242).
4.3.3 Eskalationsfallen
Als Fehler in der Erziehung ist es möglich, dass unerwünschte Verhaltensweisen des Kindes
und der Eltern sich gegenseitig verstärken und damit ein Teufelskreis entsteht, der zur
Eskalation führt und eine von Aggression und Gewalt geprägte Interaktion zwischen Eltern
und Kind begünstigt (Petermann und Petermann 2012, 272). Döpfner, Schürmann und
Lehmkuhl nennen dies eine Eskalationsfalle und beschreiben dabei vier Stufen (2009, 139).
1. Stufe: Zunächst fordern die Eltern das Kind dazu auf, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen
oder zu unterlassen.
Kommt das Kind der Aufforderung nach, bekommt es kein Lob und auch sonst keine
Aufmerksamkeit, da die Eltern sich wieder ihrer Tätigkeit zuwenden. Das wünschenswerte
Verhalten wird also nicht verstärkt.
Kommt das Kind der Aufforderung der Eltern nicht nach, wird die nächste Stufe aktiv (Döpf-
ner, Schürmann und Lehmkuhl 2009, 138,142).
2. Stufe: Die Eltern wiederholen die Aufforderung, das Verhalten zu zeigen oder zu unterlas-
sen, bis zu zehn Mal und werden dabei immer energischer.
Kommt das Kind der Aufforderung nach, wenden sich die Eltern wütend oder genervt ab und
das wünschenswerte Verhalten wird nicht verstärkt. Eine typische Aussage kann dabei sein:
„Wieso nicht gleich so?!“ (ebd., 139-140). Durch diese Aussage stellen die Eltern nicht das
aktuell wünschenswerte Verhalten in den Fokus, sondern richten den Vorwurf an das Kind,
der Aufforderung nicht früher nachgekommen zu sein. Hinzu kommt die negative emotionale
Reaktion, die vom Kind vermutlich ebenfalls als unangenehm erlebt wird.
Kommt das Kind der Aufforderung der Eltern nicht nach, geraten die Eltern in die nächste
Stufe der Eskalationsfalle (ebd.).
3. Stufe: Aufgrund ihres emotional aufgewühlten Zustandes drohen Eltern meist impulsiv und
unreflektiert Konsequenzen an, die übertrieben oder nicht realistisch durchführbar sind.
Kommt das Kind der Aufforderung nun nach, wenden sich die Eltern wie in der vorigen Stufe
wütend ab.
Kommt das Kind der Aufforderungen nicht nach, schaukelt sie die Situation in die nächste
Stufe (Döpfner, Schürmann und Lehmkuhl 2009, 139-140).
32
4. Stufe: Da das Kind weder durch die wiederholten Aufforderungen noch durch Drohungen
das erwünschte Verhalten zeigt oder das unerwünschte Verhalten beendet, sind die Eltern
ratlos. Die Eltern haben nun die Möglichkeit nachzugeben, indem sie das Fehlverhalten des
Kindes dulden oder die dem Kind zugedachte Aufgabe selbst erledigen. Typisch ist dabei die
Aussage der Eltern: ‚Mach doch was du willst, mir ist es egal!‘ (ebd., 141). Der hartnäckige
Widerstand gegenüber den Aufforderungen wird negativ verstärkt, da das als unangenehm
empfundene Schimpfen und Drohen der Eltern verstummt. War die Aufforderung an das
Kind, eine als unangenehm empfundene Aufgabe zu erledigten, findet zusätzlich eine
negative Verstärkung statt, da das Kind von diesem negativen Verstärker nun verschont
bleibt. War die Aufforderung an das Kind, ein als angenehm empfundenes Verhalten zu
beenden, wird das Kind positiv verstärkt, da das Kind durch das ‚Mach doch was du willst‘
nun freie Hand hat. Döpfner, Schürmann und Lehmkuhl führen weiter aus, dass das Kind
durch diesen Prozess lernt, dem Druck der Eltern nur lange genug standhalten zu müssen,
um sich schließlich durchsetzen zu können und die Auftretenswahrscheinlichkeit für solche
Verhaltensweisen daher steigt (2009, 141).
Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Eltern dem Kind gegenüber aggressiv oder gewalttätig
werden und damit zumindest vorübergehend das Zeigen des erwünschten Verhaltens oder
das Unterlassen des unerwünschten Verhaltens erzwingen (ebd.). Die Eltern können dem
Kind dabei jedoch als Modelle für bisher noch unbekannte aggressive und gewalttätige
Verhaltensweisen dienen oder durch den Erfolg ihrer Handlung bereits erlernte aggressive
und gewalttätige Verhaltensweisen stellvertretend verstärken (siehe Kapitel 4.1). Weiter
weisen Petermann und Petermann darauf hin, dass das Verhalten der Eltern dadurch
verstärkt wird, dass das Kind sich nach ihren Vorstellungen verhält und dadurch die „Wahr-
scheinlichkeit für solche erpresserischen und aggressiven Erziehungsmethoden steigt“ und
sich somit eine durch Aggression geprägte Interaktion sehr schnell hochschaukeln kann
(2012, 272).
4.4 Durch den kognitiven Ansatz erklärbare Erziehungsfehler
Wie unter 3.3.1 dargestellt werden Grundannahmen durch die Erfahrungen geprägt, die ein
Mensch von klein auf macht. Erfahrungen werden im besonderen Maß in der Erziehung
gemacht, da beispielsweise durch das Modelllernen neue Verhaltensweisen erlernt werden
(siehe Kapitel 3.1.2) und durch das operante Konditionieren die Auftretenswahrscheinlichkeit
für bestimmte Verhaltensweisen erhöht oder verringert wird (siehe Kapitel 3.2).
Einen erheblichen Einfluss auf die Bildung der Grundannahmen kann es daher meiner
Ansicht nach haben, wie das Kind die Erziehungsmethoden subjektiv erlebt. Erfährt das Kind
eine durch negative Konsequenzen geprägte Erziehung kann dies eine feindliche Wahrneh-
mung der Umwelt begünstigen. Ähnliches gilt, wenn die Konsequenzen für das Kind nicht
33
verständlich und vorhersehbar sind und daher als Willkür erlebt werden. Das Kind kann
dadurch beispielsweise zu der Grundannahme gelangen, der Umwelt hilflos ausgeliefert zu
sein.
Zu schlussfolgern ist daraus meiner Ansicht nach, dass Eltern mit dem Kind aufarbeiten
sollten, aus welchem Grund Konsequenzen erfolgen. Das Kind soll das Gefühl bekommen,
durch sein Verhalten das Zustandekommen oder Ausbleiben von Verhaltenskonsequenzen
steuern zu können. Weiter soll es auch in der Lage sein, etwaige negative Konsequenzen
durch das Zeigen erwünschter Verhaltensweisen wieder zu beenden und sich somit als
selbstwirksam erleben.
Wie unter 3.3.1 ausgeführt prägen Grundannahmen und bedingte Annahmen das menschli-
che Erleben und Verhalten und dies gilt natürlich auch für das Erziehungsverhalten der
Eltern. So bildeten auch die Eltern ihre Grundannahmen aufgrund von Erfahrungen in ihrer
Kindheit und verteidigen damit ihre Erziehungsmethoden (Petermann und Petermann 2012,
240).
Eine dysfunktionale Grundannahme liegt beispielsweise vor, wenn Eltern der Überzeugung
sind, eine Tracht Prügel könne dem Kind nicht schaden. Diese Grundannahme wurde anhand
der eigenen erlebten Gewalt gebildet oder von anderen Menschen übernommen. Unlogisch
ist die Grundannahme, da wie Petermann und Petermann ausführen Gewalt und übermäßige
Strenge in der Erziehung durchaus schädlich sein können (ebd., 242). Dysfunktional ist die
Annahme, da durch Gewalt in der Erziehung vom Kind auch unerwünschte Verhaltensweisen
erlernt werden können, die einer positiven Erziehung entgegenstehen (siehe Kapitel 4.1).
Solche dysfunktionalen Grundannahmen der Eltern können sich auch weiter auf die beding-
ten Annahmen auswirken beispielsweise indem Eltern der Ansicht sind: ‚Wenn ich meinem
Kind Konsequenzen setze, habe ich versagt.‘ oder ‚Wenn ich mir wegen meiner Erziehungs-
schwierigkeiten Hilfe hole, ist das ein Eingeständnis meines Versagens als Mutter / Vater.‘
Deutlich wird daraus, dass Erziehungsfehler in den Annahmen der Eltern fest verankert sein
können und daher für die Entstehung und Aufrechterhaltung fragwürdiger Erziehungsprakti-
ken mit verantwortlich sind.
Daher stellt sich die Frage, wie die dysfunktionalen Annahmen angepasst werden können.
Erstens ist dies durch einen therapeutischen Prozess möglich, der aber oft viel Zeit erfordert
(siehe Kapitel 3.3.2) und daher vermutlich für kurze Beratungen oder Elternprogramme zu
aufwändig ist. Zweitens entstehen Annahmen auch durch praktische Erfahrungen (siehe
Kapitel 3.3.2). Es bietet sich also an, Eltern zu neuen Erziehungserfahrungen anzuregen, die
als positiv erlebt werden und dadurch dysfunktionale Annahmen zu widerlegen. Beispielswei-
se ist ein Elternteil überzeugt, dass Körperstrafen für eine gelingende Erziehung unerlässlich
sind. Nun lässt sich dieser Elternteil aufgrund von Erziehungsschwierigkeiten auf die Hand-
lungsempfehlungen aus einem Elternprogramm ein und erlebt, dass Erziehung auch ohne
34
Körperstrafen möglich ist und dabei für alle Betroffenen weniger Leid entsteht. Die Annahme
über die Notwendigkeit von Strafen in der Erziehung muss der Elternteil nun hinterfragen und
kann sie im besten Fall durch eine funktionale Annahme ersetzen. Somit haben meiner
Ansicht nach auch praktische Handlungsanweisungen für Eltern ein großes Potential,
kognitive Veränderungen bei den Eltern zu bewirken und die Erziehung dadurch nachhaltig
zu verbessern.
Nachdem nun dargestellt wurde, welche Fehler in der Erziehung möglich sind, wird im
nächsten Kapitel am Beispiel von Triple P gezeigt, wie Eltern zu einer gelingenden Erziehung
unterstützt werden können.
5. Triple P
5.1 Die Geschichte von Triple P
Triple P ist ein präventives Elternprogramm, das Eltern beim Aufbau einer liebevollen
Beziehung zum Kind und bei der Kindererziehung unterstützt. „Dabei werden Wege aufge-
zeigt, Kinder auf konstruktive, nicht verletzende, gewaltfreie Weise zu erziehen, ihre gesunde
Entwicklung zu fördern sowie sie dabei zu unterstützen, die altersspezifischen Anforderungen
zu meistern“ (Dirscherl, Obermann und Hahlweg 2006, 51).
Triple P ist kognitiv-behavioral ausgerichtet, es werden Erziehungsfehler aufgedeckt und den
Eltern positive Erziehungskompetenzen vermittelt. Triple P ist wie jedes andere Elternpro-
gramm zeitlich begrenzt und in seinem Erfolg von der Mitarbeit der Eltern abhängig. Dabei
bietet Triple P ein sehr breites Angebotsspektrum, sodass Eltern wählen können, in welchem
Bereich sie Hilfe benötigen. In der Arbeit mit Triple P lernen sie ihre eigenen Verhaltenswei-
sen und die Verhaltensweisen des Kindes zu verstehen. Im Laufe des Programmes erfahren
sie außerdem, dass Veränderungen durch die eigenen Anstrengungen und die richtigen
Methoden bewirkt werden, „anstatt diese Veränderungen dem Zufall, Reifungsfaktoren oder
anderen nicht beeinflussbaren Faktoren zuzuschreiben“ (ebd., 53-54). Durch diese klare
Fokussierung ist Triple P sehr kostenwirksam und befähigt die Eltern außerdem dazu, auch
nach Beendigung des Elternprogrammes weiterhin Fortschritte zu machen.
Entwickelt wurde Triple P von Matthew Sanders und seinen Kolleginnen und Kollegen am
Parenting and Family Support Center der Universität Queensland in Australien (ebd., 52).
Ursprünglich richtete sich Triple P an Eltern mit stark verhaltensauffälligen Kindern. Von Kurt
Hahlweg wurde das Programm ins Deutsche adaptiert. In dieser Version wurde die Klientel
von Triple P erweitert und das Programm richtet sich nun an alle Eltern, die ihre Erziehungs-
kompetenzen verbessern möchten (Sonnenbaum 2008, 57). Seit dem Jahr 1999 wird das
Triple P Elternprogramm auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz angeboten
(Dirscherl et Al. 2011, 5).
35
Triple P wurde seit seiner Entstehung in verschiedenen Ländern laufend evaluiert und
weiterentwickelt (Dirscherl et Al. 2011, 5). In Deutschland geschieht dies an der Universität
Braunschweig unter der Leitung von Kurt Hahlweg. Insgesamt nahmen bisher weltweit mehr
als 300.000 und in Deutschland rund 30.000 Eltern an dem Triple P Elternprogramm teil
(Dirscherl, Obermann und Hahlweg 2006, 52).
5.2 Das Triple P Mehrebenen-Modell
Triple P arbeitet präventiv und richtet sich an den Individuellen Unterstützungsbedarfen der
Familien aus. Universell präventiv wendet sich Triple P an Eltern, die an allgemeinen
Informationen zu Erziehung und einer Erweiterung ihrer Erziehungskompetenzen interessiert
sind. Weiter wendet sich Triple P aber auch indiziert präventiv an Eltern, die Erziehungs-
schwierigkeiten haben oder bei deren Kindern Verhaltensauffälligkeiten sichtbar werden.
Triple P unterteilt sich in fünf Präventionsebenen mit einem steigenden Grad der Unterstüt-
zung, wobei auch eine Kombination von Angeboten unterschiedlicher Ebenen möglich ist
(Dirscherl et Al. 2011, 8-10).
In der Ebene 1 findet eine universelle Prävention statt. Indem allgemeine Informationen zu
Elternschaft, Erziehung und der Nutzung verschiedener Medien vermittelt werden, soll die
Grundlage für eine positive Erziehung geschaffen werden. Dabei werden die positiven Seiten
von Elternschaft in den Vordergrund gerückt, um den Familien eine ermutigende Stimmung
zu vermitteln. Gleichzeitig dient die Ebene 1 als ein niederschwelliger Zugang zum Hilfesys-
tem. Durch die Inanspruchnahme präventiver Angebote soll die gesellschaftliche Akzeptanz
für Elternbildung, Erziehungsberatung und Elternprogramme erhöht werden. Dies soll
bewirken, dass Familien bei Bedarf auch intensivere Unterstützungsangebote in Anspruch
nehmen (ebd., 8).
Ebene 2 umfasst ein Elterngespräch und eine Triple P Vortragsreihe. Häufig sind Leh-
rer/innen, Erzieher/innen, Ärzt/innen, Geburtshelfer/innen oder Kinderkrankenpfleger/innen
die Erstanlaufstelle für Familien. Diese Struktur nutzt Triple P, indem den Fachkräften
Fortbildungen von Triple P angeboten werden. Dadurch werden diese dazu qualifiziert,
Familien bei „umgrenzten Schwierigkeiten“ im Rahmen von Elterngesprächen zu unterstützen
und gemeinsam Lösungsmöglichkeiten für Problemstellungen zu entwickeln (ebd., 8). Basis
eines Elterngespräches sind häufig die Kleinen Helfer (ebd.). Bei einem Kleinen Helfer
handelt es sich um eine Broschüre, die Tipps dazu enthält, wie Eltern mit Entwicklungs- und
Verhaltensschwierigkeiten umgehen und diesen vorbeugen können. Insgesamt gibt es 56
Kleine Helfer, die in fünf Themensets zu den Altersstufen des Kindes (Säugling, Kleinkind,
Kindergartenkind, Grundschulkind und Teenager) unterteilt sind und sich mit häufig auftre-
36
tenden Problemstellungen beschäftigen (Triple P 2018a). Bei weiteren Unterstützungsbedar-
fen ist außerdem eine Vermittlung in externe Angebote möglich (Dirscherl et Al. 2011, 8).
Die Vortragsreihe besteht aus drei Vorträgen mit einer Länge von 60 Minuten mit jeweils
anschließender 30-minütiger Diskussion. Sie richtet sich an Eltern, die unverbindlich Informa-
tionen darüber erhalten möchten, wie sie eine positive Entwicklung ihres Kindes fördern
können. Vermittelt werden die fünf Grundprinzipien einer positiven Erziehung (siehe Kapitel
5.3.1) und es wird aufgezeigt, wie diese im familiären Alltag angewendet werden können
(ebd., 9).
In der Ebene 3 findet eine Kurzberatung im Rahmen von bis zu vier Gesprächsterminen statt.
Dabei werden mit den Eltern Schwierigkeiten besprochen und anschließend gemeinsam
passende Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. Eltern werden zur Problemsituation passende
Erziehungsfertigkeiten vermittelt und diese eingeübt. Auch mögliche Probleme bei der
Umsetzung werden thematisiert. So wird Hilfe zur Selbsthilfe geleistet (ebd.).
In Ebene 4 werden Elternprogramme angeboten. In diesen werden gemeinsam mit den Eltern
Erziehungsziele reflektiert, es werden mögliche Ursachen für kindliches Verhalten ergründet
und neue Erziehungskompetenzen vermittelt, die zuhause direkt angewendet werden
können. Möglich sind dabei Gruppentrainings, Einzeltrainings oder telefonisch / selbst
angeleitete Trainings auf Basis des Triple P Elternarbeitsbuches.
Ein Gruppentraining umfasst 4 Termine, in denen Erziehungsfertigkeiten auch in Rollenspie-
len eingeübt werden. Im Anschluss finden individuell vereinbarte Telefonkontakte statt, in
denen es möglich ist, Fortschritte festzuhalten, Fragen zu beantworten und Schwierigkeiten
zu besprechen. Dadurch sollen die neu erlernten Kompetenzen gefestigt werden.
Ein Einzeltraining ist eine sehr intensive Form der Betreuung und kann beispielsweise im
Rahmen einer Sozialpädagogischen Familienhilfe erfolgen. Es bietet sich dabei die Möglich-
keit, unter sehr realitätsnahen Bedingungen zu arbeiten und es können Beobachtungs- und
Coachingübungen gemacht werden. Außerdem kann auch das Kind miteinbezogen werden
(ebd.,).
Ebene 5 wird als Triple P Plus bezeichnet und richtet sich an Eltern, die nach der Inan-
spruchnahme der Interventionen aus Ebene 4 noch weitere Unterstützungsbedarfe haben.
Von Bedeutung können dabei emotionale Schwierigkeiten oder Stressbelastungen sein, die
sich negativ auf die Erziehung auswirken oder es wird aus anderen Gründen ein vertiefendes
Training der Erziehungsfähigkeiten gewünscht. Die Vermittlung von Kompetenzen findet auf
Basis von Modulen statt. Wichtig ist das Modul ‚Hausbesuche‘, in dem Eltern lernen, die
neuen Erziehungskompetenzen umzusetzen und dabei Hindernisse eigenständig zu bewälti-
gen. Sind bei den Eltern emotionale Schwierigkeiten oder Stressbelastungen vorhanden,
unterstützt das Modul ‚Stressbewältigung‘ mit der Vermittlung von Problemlösefertigkeiten
37
und Entspannungstechniken. Für Paare ist außerdem das Modul ‚Eltern-Teamwork‘ zu
nennen, in dem die Eltern eine gelungene Kommunikation und eine gegenseitige Unterstüt-
zung bei der Erziehung trainieren (Dirscherl et Al. 2011, 10).
5.3 Inhalte von Triple P
5.3.1 Grundregeln für eine positive Erziehung
Um die Voraussetzungen für eine positive Erziehung zu schaffen, beschreibt Triple P fünf
Grundregeln, die als Grundlage für die Vermittlung verschiedener Erziehungsstrategien und
Erziehungsmethoden dienen (Hahlweg et Al. 2001, 414):
1. Für eine sichere und interessante Umgebung sorgen
Eine häufige Ursache für Verletzungen von Kindern sind Unfälle im Haushalt. Daher ist es
wichtig, Gefahrenquellen in der Wohnung zu beseitigen. Außerdem sollten Kinder angemes-
sen beaufsichtigt werden, das heißt Eltern sollten wissen, wo sich das Kind aufhält und was
es tut. Diese Sicherheit ermöglicht es, dass Kinder ihre Umwelt eigenständig und ohne große
Gefahren explorieren können. Sie können eigene Erfahrungen sammeln und werden dadurch
in ihrer geistigen und sprachlichen Entwicklung gefördert (Dirscherl et Al. 2011, 10). Außer-
dem wird Problemverhalten verringert, denn „beschäftigte Kinder sind glückliche Kinder“
(Fuchs 2011, 27). Auch Eltern können durch die Schaffung einer sicheren Umgebung für ihre
Kinder entspannter sein, da sie sich weniger Sorgen darüber machen müssen, was den
Kindern zustoßen könnte (Dirscherl et Al. 2011, 10).
2. Eine positive und anregende Lernatmosphäre schaffen
In ihrer Entwicklung lernen Kinder, sich eigenständig zu beschäftigen. Eltern müssen in
dieser Zeit nicht immer direkt bei den Kindern sein. Es ist jedoch wichtig, dass sie verfügbar
sind und soweit dies möglich ist, Zeit für ihre Kinder aufbringen können (Fuchs 2011, 27).
Dies ist beispielsweise von Bedeutung, wenn Kinder aktiv auf Eltern zugehen, Interesse an
etwas zeigen, Fragen stellen oder etwas erzählen möchten. Eine solche Situation eignet sich
sehr gut dafür, „Kindern auf positive Weise Dinge beizubringen, ihre sprachlichen Fähigkeiten
zu fördern und die Beziehung zum Kind durch Aufmerksamkeit, Lob oder körperliche
Zuneigung positiv zu gestalten“ (Hahlweg et Al. 2001, 414). Anstatt bei Fragen des Kindes
die Lösung zu nennen, kann es sinnvoll sein, das Kind selbst zum Nachdenken anzuregen
und ihm Hilfestellung zu geben, sodass es selbst zur Lösung gelangt. Kinder sollten dazu
angeregt werden, Dinge selbst auszuprobieren. Eltern können dies unterstützen, indem sie
dem Kind Aufmerksamkeit schenken und es ermutigen. Außerdem können die Eltern dem
Kind zeigen, dass es ihnen gefällt, was es tut, was in Form eines nonverbalen oder verbalen
Lobes geschehen kann. Dadurch wird die Auftretenswahrscheinlichkeit für das erwünschte
Verhalten erhöht und das Kind in seiner Entwicklung gestärkt (Fuchs 2011, 27-28).
38
3. Sich konsequent verhalten
Konsequenz bedeutet, dass Eltern auf bestimmte Verhaltensweisen des Kindes immer auf
dieselbe Weise reagieren. Das elterliche Verhalten wird dadurch für das Kind vorhersehbar
und es entsteht die Erkenntnis, für das eigene Verhalten Verantwortung tragen zu müssen.
Das Kind lernt dadurch, erwünschte und unerwünschte Verhaltensweisen zu unterscheiden
und die Bedürfnisse der Mitmenschen zu respektieren. Eltern sollten darauf achten, dass die
Konsequenzen für ein Verhalten keine Strafe sind, sondern logisch aus dem Verhalten des
Kindes hervorgehen, fair und nicht lang andauernd sind. Auch bei provozierendem Verhalten
des Kindes ist es wichtig, ruhig zu bleiben und das Kind nicht in seiner Persönlichkeit zu
verletzen, wie dies durch Schlagen, Drohen oder Schimpfen geschehen kann (Fuchs 2011,
28).
4. Realistische Erwartungen sich selbst und an das Kind aufbauen
Wenn Eltern an sich selbst oder an ihre Kinder zu hohe und unerfüllbare Erwartungen stellen,
kann dies zu Frustration, Schuldzuweisungen und Konflikten führen. Die Erwartungen an das
Kind sollten daher nicht nur am Alter, sondern an dem individuellen Entwicklungsstand des
Kindes ausgerichtet sein, um eine Überforderung des Kindes zu verhindern (ebd.).
Eltern sollten aber auch ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass sie selbst nicht alles perfekt
machen müssen und Fehler zur Normalität gehören. Ihre Aufmerksamkeit sollten sie mehr
darauf richten, was sie erreicht und bewältigt haben (Dirscherl et Al. 2011, 10-11).
5. Die eigenen elterlichen Bedürfnisse beachten
Die Betreuung und Erziehung kostet Eltern oft viel Energie und stellt sie vor Herausforderun-
gen. Um dieser Belastung gewachsen zu sein, ist es wichtig, dass Eltern nicht nur für ihre
Kinder leben, sondern auch ihre eigenen Bedürfnisse nach Intimität, Partnerschaft, Erholung
und Freizeit zu erfüllen. Dadurch können Eltern Energie schöpfen und dem Kind mit Ausge-
glichenheit, Geduld und Zugewandtheit begegnen (ebd., 11).
5.3.2 Stärkung der Beziehungs- und Erziehungskompetenzen
Im familiären Umfeld des Kindes sind Risiko- und Schutzfaktoren auszumachen, die sich auf
die kindliche Entwicklung auswirken. Vor allem elterliche Beziehungs- und Erziehungskompe-
tenzen zählen zu den Faktoren, auf die im Rahmen eines Elternprogrammes Einfluss
genommen werden kann, um bessere Voraussetzungen für eine gesunde Entwicklung des
Kindes zu schaffen. Triple P gibt Eltern daher Anregungen, wie die Beziehung zum Kind
positiv gestaltet werden kann. Außerdem werden wichtige Erziehungskompetenzen vermittelt,
mit deren Hilfe wünschenswerte Verhaltensweisen des Kindes unterstützt und neue Fertigkei-
ten und Verhaltensweisen vermittelt werden können (Dirscherl et Al. 2011, 11).
39
Stärkung der Beziehung zum Kind
Der positiven Beziehung zwischen Eltern und Kind kommt eine besondere Funktion zu.
Zunächst einmal wirkt sich diese durch eine gute Bindung generell positiv auf die kindliche
Entwicklung aus. Zusätzlich dient sie als Grundlage für die Förderung erwünschten Verhal-
tens und die Vermittlung neuer Verhaltensweisen und Fertigkeiten. Zuletzt ist eine positive
Beziehung auch ein „Gegengewicht“ zum Umgang mit unerwünschtem Verhalten. Wie auch
unter 3.3.2 erläutert, erhöht eine positive Beziehung nicht nur die Wirksamkeit von Konse-
quenzen, sondert verhindert auch eine psychische Schädigung des Kindes durch diese
(Fuchs 2011, 36).
Wertvolle Zeit mit dem Kind verbringen
„Eltern sollen darauf achten, dass die Zeit, die sie mit ihrem Kind verbringen, für ihr Kind
wertvoll, wichtig und bedeutsam ist“ (Dirscherl et Al. 2011, 11). Wertvolle Zeit kann mit dem
Kind dann verbracht werden, wenn dieses ein Frage hat, Hilfe benötigt oder den Elternteil in
eine Tätigkeit einbeziehen möchte. Daher ist es wichtig, dass Eltern für das Kind ansprechbar
sind. Wenn der Elternteil momentan beschäftigt ist, ist bei Möglichkeit zu empfehlen, die
Tätigkeit kurz zu unterbrechen, um dem Kind die volle Aufmerksamkeit zu schenken. Sollte
eine Unterbrechung der Tätigkeit nicht möglich sein, sollte möglichst bald ein wenig Zeit für
das Anliegen des Kindes reserviert werden (Fuchs 2011, 36-37).
Mit dem Kind sprechen
Durch Unterhaltungen mit den Eltern erwirbt das Kind wichtige Sprachkenntnisse, soziale
Fähigkeiten und Gesprächsregeln. Gefördert wird auch das Selbstwertgefühl des Kindes, da
ihm dadurch das Gefühl vermittelt wird, von den Eltern als Gesprächspartner ernst genom-
men und wertgeschätzt zu werden (Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 33).
Zuneigung zeigen
Zur Stärkung der Eltern-Kind-Beziehung ist es wichtig, dass die Eltern dem Kind ihr Interesse
und ihre Liebe zeigen. Dies kann in Form von körperlichem Kontakt durch Streicheln,
Schmusen, Umarmen, Küssen, Massieren, Kitzeln oder Toben geschehen, wobei natürlich
immer sensibel auf die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben des Kindes zu achten ist.
Insbesondere in den ersten Lebensjahren dient dieser enge Kontakt zu den Eltern dem
Aufbau einer sicheren Bindung. Auch später in der Entwicklung profitiert das Kind von einem
liebevollen Umgang, da es so lernt, Zuwendung anzunehmen und auch anderen Zuneigung
zu zeigen (Dirscherl et Al. 2011, 11).
Förderung von wünschenswertem Verhalten
Triple P geht von der Tatsache aus, dass durch die Verstärkung von Verhaltensweisen die
Wahrscheinlichkeit dafür erhöht wird, diese häufiger zu zeigen. Es liegt daher an den Eltern,
40
zur Förderung von wünschenswerten Verhaltensweisen positiv auf das Kind einzuwirken,
wobei folgenden Handlungsempfehlungen gegeben werden (Dirscherl et Al. 2011, 9).
Das Kind loben
Die meisten Menschen empfinden es als sehr angenehm, gelobt zu werden. Mit Lob kann
das Einverständnis in bestimmte Verhaltensweisen gegeben werden, es kann ausgedrückt
werden, dass bestimmte Verhaltensweisen erwünscht sind und gern erneut gezeigt werden
dürfen. Eltern sollten ihr Kind daher loben, wenn es sich sozial erwünscht verhält.
Ein erwünschtes Verhalten kann besonders effektiv durch „beschreibendes, begeistertes und
ernst gemeintes Lob“ bestärkt werden (ebd.). Durch eine präzische Nennung lobenswerten
Verhaltens wird dem Kind unmissverständlich mitgeteilt, worauf sich der soziale Verstärker
Lob bezieht, außerdem wird zwischen der Person des Kindes und seinem Verhalten differen-
ziert. Die ‚Begeisterung‘ kann als Substanz des Lobes gesehen werden, die dem Kind die
Freude der Eltern über das erwünschte Verhalten offenbart. Ernst gemeint sein sollte ein Lob,
da ein nicht ernst gemeintes Lob sich vermutlich durch nonverbale Signale der oder des
Lobenden verrät, die vom Kind wahrgenommen werden und zu Irritationen führen können
(Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 34).
Dem Kind Aufmerksamkeit schenken
Es kann auch bereits als Verstärker für ein Verhalten dienen, wenn Eltern dem Kind Auf-
merksamkeit schenken, was beispielsweise durch Zusehen, Lächeln, Winken oder Berührun-
gen erfolgen kann (Dirscherl et Al. 2011, 9). Aufmerksamkeit kann auch dann zur Verstär-
kung eines Verhaltens geeignet sein, wenn Lob unangemessen wäre, weil es das Kind
beispielsweise vor anderen Kindern in eine peinliche Situation bringen würde (Fuchs 2011,
38).
Interessante, altersangemessene Beschäftigungen ermöglichen
Sowohl drinnen als auch draußen sollten interessante Beschäftigungsmöglichkeiten vorhan-
den sein, sodass das Kind sich selbstständig beschäftigen und seine Umwelt erkunden kann.
Das Kind wird dadurch in seiner körperlichen und geistigen Entwicklung gefordert. Langewei-
le und daraus resultierende Verhaltensschwierigkeiten werden vermieden. Triple P betont,
dass die Beschäftigungsmöglichkeiten nicht teuer sein müssen (Markie-Dadds, Sanders und
Turner 2013, 35).
Beibringen neuer Fertigkeiten und Verhaltensweisen
Viele Verhaltensweisen erwerben Kinder durch Erwachsene oder mit Hilfe von diesen. Triple
P zeigt daher Möglichkeiten auf, wie Eltern ihren Kindern im Alltag gezielt Wissen, Kompe-
tenzen und Verhaltensmöglichkeiten vermitteln können.
41
Ein gutes Vorbild sein
Verhaltensweisen der Eltern können vom Kind durch Zusehen und Nachahmung erworben
werden. Um dies zu erleichtern können Eltern dem Kind beschreiben, was sie tun, während
dieses zusieht und anschließend das Verhalten imitiert. Bei Bedarf können die Eltern dem
Kind Hilfestellung bei der Ausführung des Verhaltens geben und im Anschluss dazu ermuti-
gen, das Verhalten noch einmal ohne Hilfestellung zu erproben. Sowohl die gelungene
Nachahmung des Verhaltens als auch jeder Versuch sollten gelobt werden.
Wichtig ist, dass Eltern sich selbst ebenfalls an die Verhaltenserwartungen halten, die sie an
das Kind stellen, um ein gutes Vorbild zu sein. Nicht erwartet werden kann vom Kind, dass es
sich an Regeln hält, die nicht für alle in der Familie gelten (Markie-Dadds, Sanders und
Turner 2013, 35).
Beiläufiges Lernen
Ein sehr wirksamer Moment für das Erlernen neuer Verhaltensweisen tritt auf, wenn Kinder
sich an Eltern wenden, um Fragen zu stellen, Hilfe zu erhalten oder Aufmerksamkeit zu
bekommen. In solchen Situationen sind Kinder sehr aufgeschlossen und motiviert, wodurch
sehr effektiv neue Lernerfahrungen angestoßen werden können. Anstatt dem Kind die
Lösung oder Antwort zu präsentieren kann es sinnvoll sein, dem Kind Hilfestellung zu geben,
sodass es die Frage oder das Problem selbst lösen kann (Dirscherl et Al. 2011, 11).
Fragen-Sagen-Tun
Besonders beim Erlernen komplexer Handlungsabläufe wie beim Zähneputzen oder dem
Umgang mit Freunden in Konfliktsituationen haben Kinder manchmal Schwierigkeiten.
Nützlich ist es dabei, den zu erlernenden Handlungsablauf in Teilschritte zu zerlegen.
Dazu fragt der Elternteil das Kind zunächst nach dem ersten Schritt (ebd., 12) z.B. „Was ist
das Erste, was du tun kannst, wenn du deine Zähne putzen willst?“
Weiß das Kind die Antwort nicht, bekommt es diese vorgegeben. Anschließend wird es zur
Ausführung der Handlung angeleitet und erhält bei Bedarf eine Hilfestellung. Wichtig ist bei
diesem Vorgehen, dass das Kind nur so weit dies nötig ist Unterstützung erhält und für jeden
Handlungsschritt gelobt wird (Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 36).
Anwendung von Punktekarten
Für manche Verhaltensweisen oder Aufgaben sind Kinder nur schwer zu motivieren. In
solchen Fällen kann eine Punktekarte zum Einsatz kommen. Zunächst hält der Elternteil das
erwünschte Verhalten in einer positiven Formulierung fest und bespricht dieses mit dem Kind.
Anschließend wird eine Punktekarte erstellt, auf der das Kind jedes Mal einen Smiley oder
Ähnliches erhält, wenn es das erwünschte Verhalten zeigt. Mit dem Kind wird außerdem
vereinbart, dass es sich durch das Ansammeln einer gewissen Menge an Smileys eine
42
Belohnung verdienen kann. Bei der Belohnung kann es sich um eine gemeinsame Aktivität,
Spielzeug oder Süßigkeiten handeln. Wichtig ist, dass die Belohnung für das Kind einen
Anreiz darstellt. Auch bei Nichteinhalten des erwünschten Verhaltens werden keine Smileys
von der Punktekarte entfernt oder gar traurige Smiley geklebt (Markie-Dadds, Sanders und
Turner 2013, 40-41).
Umgang mit Problemverhalten
Kindliches Problemverhalten ist ein häufiger Grund für die Teilnahme von Eltern an Triple P.
In dem Programm werden daher 7 Methoden erläutert, mit denen unerwünschtem Verhalten
des Kindes entgegengewirkt werden kann (Fuchs 2011, 42). Die Methoden sind an den
Entwicklungsstand des Kindes angepasst und ihre jeweilige Anwendung daher oft auf eine
bestimmte Altersspanne zugeschnitten.
Familienregeln aufstellen (3 - 12 Jahre)
Im Umgang mit Problemverhalten gilt es als grundlegend, klare Familienregeln zu formulie-
ren. Dem Kind wird dadurch klar, was von ihm erwartet wird, es lernt, die zu akzeptieren und
bei Regelverstößen mit Konsequenzen rechnen zu müssen (Dirscherl et Al. 2011, 13).
Familienregeln sollten gerecht und für das Kind nachvollziehbar sein. Bei der Beschreibung
ist auf eine positive Formulierung zu achten, also ‚Wir bleiben während des Essens am Tisch
sitzen‘ anstatt ‚Wir stehen während des Essens nicht auf‘. Es sollten außerdem nur wenige
Regeln sein, die leicht zu befolgen sind. Das Aufstellen der Familienregeln kann im Rahmen
einer Familiensitzung erfolgen, bei der auch das Kind in die Entscheidungen miteinbezogen
wird (Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 48).
Unerwünschtes Verhalten direkt ansprechen (3 - 12 Jahre)
Wenn das Kind eine Familienregel vergisst oder diese bewusst missachtet, ist es sinnvoll,
dies sofort anzusprechen. Wichtig ist es dabei, die Aufmerksamkeit des Kindes zu erlangen
und diesem anschließend zu erklären, welches seiner Verhaltensweisen als unerwünscht
gesehen wird und wieso dies der Fall ist. Anschließend soll der Elternteil das Kind bitten, die
Regel zu wiederholen. Hat das Kind die Regel vergessen, soll diese dem Kind erneut
mitgeteilt werden und es wird im Anschluss gebeten, das erwünschte Verhalten zu üben.
Kommt das Kind dieser Bitte nach, wird es für sein Verhalten gelobt. Weigert es sich, die
Regel zu befolgen, wird eine Stille Zeit angewendet (ebd., 49).
Leichtes Problemverhalten bewusst ignorieren (1 - 7 Jahre)
Kinder zeigen manchmal Fehlverhalten, weil sie sich dadurch die Aufmerksamkeit der Eltern
erhoffen. Geringfügiges Fehlverhalten wie Quengeln, oder Grimassenschneiden sollte daher
nicht beachtet werden. Wichtig es dabei, das Kind nicht anzuschauen oder mit ihm zu
sprechen und dabei eine ruhige Körpersprache zu behalten. Es ist möglich, dass das Kind
43
daraufhin sein Verhalten intensiviert, um sein Ziel, die Aufmerksamkeit der Eltern zu bekom-
men, zu erreichen. Das Verhalten des Kindes sollte daher weiter ignoriert werden, wobei der
Elternteil sich bei Bedarf auch umdrehen und weggehen kann. Beendet das Kind das
Fehlverhalten, sollte dies gelobt werden. Nicht geeignet ist diese Methode jedoch bei
schwerwiegendem Fehlverhalten, bei dem andere Personen geschädigt oder Gegenstände
zerstört werden. Hier ist ein sofortiges und entschiedenes Einschreiten der Eltern angebracht
(Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 49).
Klare, ruhige Anweisungen geben (2 - 12 Jahre)
Wichtig ist bei Anweisungen, dass diese ins Bewusstsein des Kindes gelangen und von dem
Kind als solche Verstanden werden. Schwierigkeiten können beispielsweise auftreten, wenn
Anweisungen aus großer Entfernung gegeben werden. Eltern sollten daher zunächst eine
Verbindung zum Kind herstellen. Dafür kann es sinnvoll sein, die eigene Tätigkeit zu unter-
brechen, das Kind mit Namen anzusprechen und nah an das Kind, möglichst auf Augenhöhe,
heranzugehen. Nachdem das Kind nun aufmerksam ist, formuliert der Elternteil konkret, was
vom Kind erwartet wird (Fuchs 2011, 45). Soll das Kind mit einem Verhalten aufhören ist es
sinnvoll, dem Kind zu sagen, was es stattdessen tun soll. Kommt das Kind der Aufforderung
nicht nach, sollte der Elternteil eine Konsequenz folgen lassen (Markie-Dadds, Sanders und
Turner 2013, 49-50).
Logische Konsequenzen (2 - 12 Jahre)
Logische Konsequenzen sind bei leichtem, nur gelegentlich auftretendem Fehlverhalten
sinnvoll. Im Gegensatz zur Strafe steht die Konsequenz in einem direkten Zusammenhang
mit dem Fehlverhalten, sodass das Kind die Konsequenz auf das eigene Verhalten zurück-
führen kann (Dirscherl et Al. 2011, 13). Als Beispiele für logische Konsequenzen werden das
Entfernen von Gegenständen oder das Beenden von Aktivitäten genannt, die Auslöser für
das Fehlverhalten sind (Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 53). So kann ein Spielzeug
weggenommen werden oder ein Spiel beendet werden, wenn dabei unerwünschtes Verhalten
auftritt (Fuchs 2011, 46).
Beim Anwenden einer logischen Konsequenz sollte der Elternteil seine Tätigkeit unterbre-
chen, dem Kind ruhig aber bestimmt erklären, wieso der Gegenstand entfernt oder die
Aktivität beendet wird und sich nicht auf Diskussionen einlassen. Dem Kind sollte mitgeteilt
werden, für welchen Zeitraum die Konsequenz aufrechterhalten wird, wobei eine Dauer von
5-30 Minuten am effektivsten ist. Nach der vereinbarten Zeit sollte die Konsequenz beendet
werden, sodass das Kind die Chance erhält, unter den gleichen Bedingungen ein angemes-
senes Verhalten zu erlernen. Bei erneutem Auftreten des Fehlverhaltens innerhalb einer
Stunde kann die logische Konsequenz für einen längeren Zeitraum aufrechterhalten oder
eine Stille Zeit oder Auszeit angewendet werden (Dirscherl et Al. 2011, 13)
44
Stille Zeit (18 Monate - 10 Jahre)
Die Stille Zeit ist eine Verhaltenskonsequenz, bei der das Kind seine Aktivität, in der das
Fehlverhalten auftritt, unterbrechen und sich an einem vorher festgelegten Ort für eine
bestimmte Zeitspanne ruhig verhalten muss, bevor es mit seiner Aktivität fortfahren darf
(Dirscherl et Al. 2011, 13). Sinnvoll ist die Stille Zeit, wenn das Kind der Aufforderung, ein
Fehlverhalten zu unterlassen und ein anderes Verhalten zu zeigen, nicht nachkommt oder
wenn ein Fehlverhalten nach einer logischen Konsequenz zeitnah erneut auftritt (Fuchs 2011,
47).
Das genaue Vorgehen der Stillen Zeit sollte in einer ‚ruhigen‘ Minute mit dem Kind detailliert
besprochen werden. Dabei wird ein Ort besprochen z.B. ein Stuhl im gleichen Raum oder ein
Laufstall für ein kleineres Kind, es wird erklärt, wozu die Stille Zeit dient und welche Regeln
dabei zum Tragen kommen. Außerdem wird eine Dauer für die Stille Zeit festgelegt (ebd.).
Angemessen sind „eine Minute bei zweijährigen Kindern, zwei Minuten bei drei- bis fünfjähri-
gen und fünf Minuten bei fünf- bis zehnjährigen Kindern“ (Markie-Dadds, Sanders und Turner
2013, 55). Um dem Kind das Vorgehen zu demonstrieren können Eltern sich auch selbst
einmal an den für die Stille Zeit vereinbarten Ort setzen (Fuchs 2011, 47).
Bei der Anwendung der Stillen Zeit erklärt der Elternteil dem Kind ruhig und bestimmt, worin
das Fehlverhalten lag und dass es dafür für eine gewisse Zeit in die Stille Zeit muss. Weigert
sich das Kind, wird es vom Elternteil an den vereinbarten Ort getragen. Dabei lässt der
Elternteil sich auf keine Diskussion ein und geht nicht auf das Quengeln des Kindes ein. Dem
Kind wird nun erneut erklärt, dass es sich in der Stillen Zeit über einen gewissen Zeitraum
ruhig verhalten muss. Verhält das Kind sich nicht ruhig, kommt es in die Auszeit. Während
der Stillen Zeit lassen die Eltern dem Kind keinerlei Aufmerksamkeit zukommen (Markie-
Dadds, Sanders und Turner 2013, 55). Durch die Stille Zeit kann das Kind „Selbstkontrolle
und einen angemessenen Ausdruck negativer Emotionen wie z.B. Enttäuschung oder Wut“
erlernen (Dirscherl et Al. 2011, 13). Nach der Stillen Zeit wird nicht weiter über den Vorfall
gesprochen und das Kind darf wieder seiner Aktivität nachgehen. Zeigt es nun das erwünsch-
te Verhalten, wird es gelobt. Tritt das Fehlverhalten erneut auf, wird die Stille Zeit wiederholt
(Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 56).
Auszeit (2 - 12 Jahre)
Die Auszeit entspricht in ihrem Ablauf der Stillen Zeit, jedoch mit dem Unterschied, dass das
Kind bei der Auszeit in einen anderen Raum gebracht wird. Dieser sollte möglichst uninteres-
sant sein, damit das Kind die Auszeit nicht als Belohnung empfindet. Der Raum sollte jedoch
hell, gut belüftet und sicher sein, damit das Kind keine Angst bekommt oder sich verletzt.
Sinnvoll ist die Auszeit, wenn das Kind schwerwiegendes Fehlverhalten wie beispielsweise
45
Wutanfälle oder Gewalt zeigt oder das Fehlverhalten durch die Anwendung der Stillen Zeit
nicht gestoppt werden kann (Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 55-56).
Durch die Auszeit wird das Kind aus der Problemsituation herausgenommen, durch das
Alleinsein und die reizarme Umgebung kann es sich beruhigen und lernen, seine Emotionen
zu regulieren. Gleichzeitig wird dem Elternteil eine kurze Trennung vom Kind ermöglicht, in
der auch der Elternteil sich beruhigen kann, sodass eine Eskalation durch verbale oder
physische Gewalt vermieden wird (ebd.).
Wie bei der Stillen Zeit wird auch das Vorgehen bei der Auszeit in einer ruhigen Minute mit
dem Kind besprochen. Dadurch wird dem Kind klar gemacht, dass die Auszeit keine willkürli-
che Handlung der Eltern ist, sondern es selbst durch sein Verhalten dafür verantwortlich dafür
ist, ob eine Auszeit nötig wird und durch das sich beruhigen Einfluss darauf hat, wie lange die
Auszeit dauert (Dirscherl et Al. 2011, 15).
Die Türe sollte in der Regel während der Auszeit geöffnet bleiben, wobei jegliches Quengeln
des Kindes ignoriert werden sollte, um dieses nicht zu belohnen. Verlässt das Kind vor Ende
der Auszeit den Raum, sollte der Elternteil das Kind zurück in den Raum bringen. Tritt dies
öfter auf, kann die Tür auch verschlossen werden, um so weitere Konflikte zwischen Kind und
Elternteil zu vermeiden (ebd., 14). Wichtig ist bei der Auszeit, die Person und das Verhalten
des Kindes zu trennen. Die Auszeit ist eine Folge des Verhaltens des Kindes. Nach der
Auszeit sollten Eltern das Kind nicht weiter mit Gesprächen über das Problemthema belasten,
sondern möglichst schnell wieder eine positive Interaktion herstellen und dem Kind so das
Gefühl vermitteln, als Person unabhängig vom Verhalten, geliebt zu werden (ebd., 15).
Eltern sollten Buch darüber führen, wie häufig die Auszeit angewendet wird und wie lange
das Kind benötigt, um sich zu beruhigen. Sollte zwei Wochen nach Einführung der Auszeit
keine Besserung des Verhaltens eingetreten sein, rät Triple P den Eltern dazu, professionelle
Hilfe in Anspruch zu nehmen (Fuchs 2011, 49).
Nach dieser ausführlichen Darstellung der Inhalte von Triple P stellt sich nun die Frage, wie
diese in die Praxis umgesetzt werden. Das nächste Kapitel wird sich daher mit der Ausbil-
dung zum Triple P-Anbieter und der Finanzierung der Angebote beschäftigen.
5.4 Ausbildung zum Triple P-Anbieter und Finanzierung der Angebote
In Deutschland gibt es ca. 1650 Triple P-Anbieterinnen und Anbieter. Diese arbeiten in
verschiedenen Einrichtungen oder bieten in selbstständiger Tätigkeit Triple P Beratungen
oder Kurse an (Fuchs 2011, 128). Nur Fachkräfte wie beispielsweise Erzieher/innen, Kinder-
ärzt/innen, Lehrer/innen, Psycholog/innen und Sozialpädagog/innen können sich zur Triple P-
Anbieterin / zum Triple P-Anbieter ausbilden lassen (Dirscherl, Obermann und Hahlweg 2006,
57). Zusätzlich müssen sie eine Akkreditierung nach internationalen Standards durchlaufen.
46
Dies dient zur Gewährleistung einer hohen Qualität des Programms und zur korrekten
Umsetzung in die Praxis. Weiter sorgt es dafür, dass Triple P ein klares Profil behält und stellt
sicher, dass die „Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Anbietern im
Erziehungs- und Gesundheitswesen optimal verläuft“ (Triple P 2018b).
Um die Akkreditierung zu erhalten müssen die Teilnehmerinnen / Teilnehmer einen dreiein-
halb-tägigen Kurs z.B. ‚Triple P-Gruppentraining‘ oder ‚Triple P-Einzeltraining‘ durchlaufen
und einen theoretischen sowie einen praktischen Teil bestehen. Der theoretische Teil
beinhaltet Multiple-Choice-Fragen und wird bereits vor dem Kurs absolviert. Der praktische
Teil findet ca. 6-8 Wochen nach dem Seminar in Kleingruppen statt. Jede Teilnehmerin /
jeder Teilnehmer zeigt dabei einen Ausschnitt des von ihr / ihm erlernten Triple P-Angebotes
und erhält Feedback. Dies bietet die Möglichkeit, Erlerntes umzusetzen und unter fachlicher
Anleitung ein Feintuning vorzunehmen (Triple P 2018b). Nach Erhalt der Akkreditierung
können die Triple P-Anbieterinnen / Anbieter mit ihren neu erworbenen Kenntnissen und
Methoden eigenständig Beratungen oder Kurse anbieten. Bei der Ausgestaltung des
Angebotes sind sie jedoch inhaltlich an das Triple P-Programm gebunden (Fuchs 2011, 128).
Die Kosten für die Ausbildung zur Triple P Anbieterin / zum Triple P-Anbieter sind der Triple P
Webseite zu entnehmen. Sie belaufen sich beispielsweise für das Triple P-Gruppentraining
oder -Einzeltraining auf 1065€. In dem Kurs erhalten die neuen Triple P-Anbieterinnen und
Anbieter Materialien zur Anwendung in der praktischen Arbeit wie beispielsweise ein Trai-
nermanual, eine CD-ROM mit Elternkursfolien und ein Triple P-Gruppenarbeitsbuch (Triple P
2018c).
Eine Akkreditierung ist immer für fünf Jahre gültig und muss dann aufgefrischt werden, was
durch die Teilnahme an einem Tagesseminar für 199€ oder durch ein „Update-Telefonat mit
individueller Absprache“ für 99€ erfolgen kann (Triple P 2018b).
Wie teuer ein Triple P-Kurs für Eltern ist, hängt davon ab, ob die Kursleiterin / der Kursleiter
den Kurs selbstständig, in Kooperation mit anderen Trägern oder in Festanstellung bei einer
Einrichtung erbringt, dementsprechend entstehen den Eltern Kosten in Höhe von 0-200€. In
manchen Fällen werden die Kurskosten von Jugendämtern oder Krankenkassen übernom-
men, was jedoch nicht der Regelfall ist (Fuchs 2011, 128).
6. Kritische Auseinandersetzung mit Triple P
Triple P hat zweifellos große Erfolge zu verbuchen, was auf die in Kapitel 5.3.1 dargestellte
Ausrichtung an wissenschaftlichen Methoden, die klare Strukturierung des Programmes und
die klaren Handlungsanweisungen an Eltern zurückzuführen sein könnte. Doch eben diese
Ausrichtung hat in akademischen Kreisen, auf Internetseiten und in Internetforen für Kritik
gesorgt, wobei das Menschenbild sowie einige Methoden hinterfragt wurden.
47
Im folgenden Kapitel werden Kritikpunkte bezüglich des Triple P-Programmes aufgegriffen.
Als Basis dafür wird die ‚Kritische Stellungnahme zum Triple P‘ von Günther Deegener und
Klaus Hurrelmann verwendet. Aber auch die Argumente der Befürworter von Triple P werden
dargelegt. Dies wird auf Basis der ‚Erwiderung zur kritischen Stellungnahme zu Triple P‘ von
Kurt Hahlweg und Yvonne Miller und der Fachliteratur erfolgen.
6.1 Kritikpunkt: Problematisierung von altersangemessenem Verhalten
In den Triple P-Materialien werden bestimmte Verhaltensweisen als ‚Probleme‘ bezeichnet.
Dies ist beispielsweise in dem Kleinen Helfer für Kinder unter 5 Jahre zum Thema Schlaf-
probleme der Fall, in dem „Trödeln, nicht ins Bett wollen, im Bett weinen, mitten in der Nacht
aufwachen, aus dem Bett klettern (und) bei den Eltern schlafen wollen“ als Probleme
aufgeführt wurden (Deegener und Hurrelmann 2002, 16). Deegener und Hurrelmann stören
sich an einer solchen Bezeichnung. Sie sind der Ansicht, dass die aufgezählten Verhaltens-
weisen besonders bei kleineren Kindern „der Reife und Entwicklung […] entsprechen und
somit nicht generell als ‚Probleme‘ bezeichnet werden sollten“ (ebd., 21). Wenn Eltern
Verhaltensweisen bereits bei sehr kleinen Kindern als Probleme bewerteten, werde vermut-
lich kein gelassener Umgang mit Verhaltensweisen der Kinder in späteren Altersstufen
ermöglicht. Eltern sollten daher bei kleineren Kindern weniger streng sein und sich auf
Kompromisse einlassen z. B. dass das Kind doch noch länger aufbleiben oder nachts auch
mal in das Bett der Eltern kommen darf (ebd., 22-23, 27).
Der Gedankengang von Deegener und Hurrelmann ist meiner Ansicht nach durchaus
interessant, denn die Einstufung eines Verhaltens als ‚Problem‘ im Sinne einer Verhaltensauf-
fälligkeit benennt die normative Abweichung eines Verhaltens von einem Soll-Zustand
(Metzinger 2005, 15) und impliziert damit eine dem Verhalten angemessene Intervention.
Eine missbräuchliche Etikettierung ‚normaler‘ Verhaltensweisen als Problem könnte daher
dazu dienen, für die tatsächliche Situation unpassende Interventionen zu legitimieren.
Mit diesem Thema beschäftigt sich auch Schermer (2011, 143). Er betont, dass die normative
Sicht, auf der die Einstufung des Verhaltens als ‚auffällig‘ erfolgt, offengelegt werden muss,
um Missbrauch zu verhindern. Dabei nennt er drei Legitimationsquellen für die Einordnung
eines Verhaltens als problematisch:
1. Die Sichtweise des Subjekts, das sein Verhalten als problematisch definiert
2. Die soziale Sicht, bei der ein Verhalten aufgrund sozialer oder gesellschaftlicher Normen
oder Konventionen als problematisch definiert wird
3. Die statistische Sicht, „bei der ein Verhalten infolge der sehr niedrigen Auftretenswahr-
scheinlichkeit in einer Population als abweichend gesehen wird“ (ebd.)
48
Um den Vorwurf einer ‚Problematisierung‘ kindlichen Verhaltens und die Gegenargumente
besser zu verstehen, sollen diese anhand dieser drei Kategorien näher untersucht werden.
Deegener und Hurrelmann führen aus: „Wenn, wie behauptet, ein Drittel aller Kinder unter
fünf Jahren Probleme beim Schlafen und Schlafengehen haben, so ist zu diskutieren, in
wieweit die genannten Verhaltensweisen wie Trödeln, nicht ins Bett gehen wollen, […] aus
dem Bett klettern und bei den Eltern schlafen wollen noch als ‚normal‘ für diese Altersstufe
angesehen werden können oder aber bereits als Probleme bezeichnet/etikettiert werden
müssen“ (2002, 21). Sie argumentieren dabei aus der statistischen Sicht, in dem sie aus der
hohen Auftretenswahrscheinlichkeit der genannten Verhaltensweisen schließen, dass es sich
nicht generell um Probleme handeln könne.
Hahlweg und Miller betonen dagegen mehr die Sichtweise des Subjekts, in diesem Fall also
der Eltern. Sie stellen zunächst klar, dass es sich bei den in dem Kleinen Helfer genannten
Verhaltensweisen um die häufigsten Schwierigkeiten handelt, „die Eltern für die jeweilige
Altersstufe berichten“ (2002, 14). Triple richte sich an diese Eltern, für die kindliche Schlafge-
wohnheiten eine psychische und physische Belastung darstellten und die das Recht auf
Veränderung hätten. Und natürlich bleibe es Eltern, die die genannten Verhaltensweisen
nicht als belastend empfinden, überlassen, diese beizubehalten (ebd.).
Weiter erläutern Hahlweg und Miller das Prinzip der Selbstregulation, das als Grundprinzip
des verhaltenstherapeutischen Ansatzes zählt und damit auch Basis für Triple P ist. Nach
diesem sollten Eltern dazu befähigt werden, „ihre Erziehungsziele aus eigener Kraft zu
erreichen und mögliche Schwierigkeiten ohne fremde Hilfe bewältigen zu können“ (ebd., 13).
Dies bedeute, dass Eltern selbst entscheiden, was sie als Problem definieren, was ihre
Erziehungsziele sind und es ihnen überlassen bleibe, ob sie dabei die Unterstützung von
Triple P in Anspruch nehmen (ebd., 13).
Deutlich wird zunächst, dass die Kritiker und Befürworter von Triple P auf verschiedenen
Ebenen argumentieren. Zu hinterfragen ist dabei meiner Ansicht nach, inwieweit die von
Deegener und Hurrelmann angeführte statistische Auftretenshäufigkeit tatsächlich dazu
geeignet ist, eine von Familien möglicherweise als belastend empfundene Situation als
‚normal‘ einzuordnen. Schließlich ist es auch denkbar, dass eine für Familien belastende
Situation durch tradierte fehlerhafte Erziehungspraktiken entsteht, aufrechterhalten und
verfestigt wird. Denkt man die Argumentation von Deegener und Hurrelmann zu Ende,
dürften die daraus resultierenden Belastungen aufgrund ihres häufigen Auftretens nicht als
‚problematisch‘ aufgeführt werden. Deshalb ist die Argumentation von Deegener und
Hurrelmann meiner Ansicht nach sehr einseitig und es sollten auch andere Aspekte miteinbe-
zogen werden. Für schlüssiger halte ich daher die Argumentation von Hahlweg und Miller, da
49
sie wie oben ausgeführt gezielt auf die subjektive Bewertung der Situation durch die Eltern
eingehen.
Bezogen auf das von Deegener und Hurrelmann kritisierte Wort ‚Problem‘ ist außerdem
anzumerken, dass Triple P, vermutlich um einer solchen Kritik den Wind aus dem Segeln zu
nehmen, den genannten kleinen Helfer ‚Schlafprobleme‘ überarbeitet hat und nun von
„Schwierigkeiten beim Zubettgehen‘ die Rede ist (Triple P a, 1). Meiner Ansicht nach ist der
Begriff „Schwierigkeit“ weniger normativ zu interpretieren, sondern betont mehr das subjekti-
ve Empfinden der Eltern und schafft somit mehr Klarheit.
Entgegen den freiwilligen Handlungsvorschlägen von Triple werden in den weiteren Ausfüh-
rungen von Deegener und Hurrelmann meiner Ansicht nach auch normative Aussagen
bezüglich des Elternverhaltens gemacht, ohne dabei die mögliche Belastungssituation der
Eltern angemessen einzubeziehen. So warnen Deegener und Hurrelmann beispielsweise
davor, dass Eltern „sich zu früh und zu zeitlich ausgedehnt und zu konsequent ‚Ruhe‘
verschaffen“ könnten (2002, 23). Außerdem wird den Eltern in dem von Deegener und
Hurrelmann zitierten Elternbrief Nr. 20 geraten, kein Drama „aus den nächtlichen Besuchen,
wie aus allen anderen Schlafproblemen“, zu machen. Anstatt dessen sollten die Eltern das
Kind, das trotz guten Zuredens nachts aus dem Bett aufsteht, eine Weile in ihrem Bett liegen
lassen und es dann wieder in sein Bett zurückschicken (ebd., 27). Anstatt wie Triple P die
Nöte der Eltern ernst zu nehmen, werden diese hier nur bagatellisiert (kein Drama machen)
und anstatt konkret wirksame Lösungsmöglichkeiten anzubieten, wird den Eltern klar
gemacht, dass sie das kindliche Verhalten eben über sich ergehen lassen sollen. Ein solches
Vorgehen, das den Eltern kaum Handlungsspielraum lässt und deren Bedürfnisse übergeht,
halte ich für höchst fragwürdig und es provoziert meiner Ansicht nach auch, dass verzweifelte
Eltern die Nerven verlieren und zu fragwürdigen Erziehungspraktiken greifen.
6.2 Kritikpunkt: Beziehungslose, dressurmäßige Erziehungshaltung
Bereits bei den zu Beginn des Triple P-Programmes erläuterten ‚Anregungen zur Stärkung
der Beziehung zum Kind‘ ist für Deegener und Hurrelmann eine „Gefahr erkennbar, dass
grundsätzlich begrüßenswerte Inhalte leicht in das Gegenteil umkippen können und dann
rigide, beziehungslose, dressurmäßige Erziehungshaltungen begünstigen können“ (2002,
10). Inhalte des Kapitels sind beispielsweise „Zuneigung zeigen, Loben, ein gutes Vorbild
sein, Fragen-Sagen-Tun, Punktekarten“ (siehe Kapitel 5.3.2). Näher darauf eingegangen
oder untermauert wird die Kritik von Deegener und Hurrelmann nicht, was eine Gegendarstel-
lung erschwert. Vielmehr entsteht das Bild, dass Deegener und Hurrelmann hier auf Basis
eines persönlichen Eindruckes mit einem Satz ein vernichtendes Urteil über diesen Teil des
50
Triple P-Programmes fällen, ohne durch eine Konkretisierung der Kritik die Basis für eine
konstruktive Diskussion zu schaffen.
Konkretisiert wird die Kritik einer „rigiden, dressurmäßigen, kochbuchhaften Erziehung“ von
Deegener und Hurrelmann jedoch an anderer Stelle, an der Anleitung von Triple P zu einem
konsequenten Erziehungsverhalten. Außerdem werden selektiv einige Passagen wörtlich zu
‚Familienregeln‘ ‚logischen Konsequenzen‘ und dem ‚stillen Stuhl‘ zitiert (2002, 7). Auch wenn
die Zitate wörtlich entnommen sind, könnte beim Leser der Eindruck entstehen, dass Triple P
sich in der Erziehung in erster Linie auf unumstößliche Regeln, ein kompromissloses
Vorgehen und eine stupide Anwendung von Verhaltenskonsequenzen stützt.
In ihrer ‚Erwiderung zur kritischen Stellungnahme‘ greifen Hahlweg und Miller diese Zitate
erneut auf und ergänzen Vorbemerkungen sowie weitere Erläuterungen zu den Zitaten aus
der zitierten Broschüre ‚Positive Erziehung‘ (2002, 18-20). Anders als von Deegener und
Hurrelmann dargestellt, rücken bei dieser vollständigen Darstellung der Erziehungsempfeh-
lungen auch andere Aspekte in den Vordergrund. Beispielsweise wird zusätzlich erläutert,
unter welchen Umständen Verhaltenskonsequenzen überhaupt angemessen sind. Es wird
Eltern geraten, in schwierigen Situationen ruhig zu bleiben, um eine Eskalation zu vermeiden,
Verhaltensregeln nach einer Verhaltenskonsequenz noch einmal mit dem Kind zu bespre-
chen und das Kind nach einer Verhaltenskonsequenz für angemessenes Verhalten zu loben.
Für Hahlweg und Miller entsteht somit der Eindruck, dass Deegener und Hurrelmann gezielt
Aussagen zitierten, „welche teilweise durch den fehlenden Zusammenhang und die fehlenden
Erklärungen technisch wirken“ und so die Ansicht der Autoren bestätigen sollen (ebd.).
Durch verschiedene Erziehungsempfehlungen in den Kleinen Helfern entsteht für Deegener
und Hurrelmann der Eindruck, dass Regeln in erster Linie von den Eltern aufgestellt, dem
Kind mitgeteilt werden und dieses die Regeln dann wissen und umsetzen muss, wodurch die
Beziehung sehr auf Anpassung und Gehorsam ausgerichtet sei (2002, 37-38). Vernachlässigt
werde dagegen die „demokratische und humane Dimension in der Erziehung“, die sich ihrer
Meinung nach mehr durch eine verständnisvolle Beziehung und einer Möglichkeit des Kindes
zur Mitgestaltung und zum Aushandeln“ kennzeichne (ebd.). Ihrer Meinung nach vernachläs-
sige Triple P in seinen Erziehungsempfehlungen situative Gegebenheiten, psychische
Prozesse bei Kind und Eltern und die Beziehungsebene zwischen Eltern und Kind (ebd., 25).
Triple P gehe beispielsweise nicht darauf ein, dass Eltern beim Zubettgehen dem Kind ihre
„Bitten, Forderungen und Konsequenzen“ altersentsprechend begründen oder beim Weinen
des Kindes den Grund erfragen und das Kind trösten sollen. Thematisiert werde auch nicht,
dass besonders kleinere Kinder unter Verlassenheits-, Verlust- und Trennungsängsten leiden
können, wenn sie von den Eltern getrennt sind. Auch gehe Triple P nicht darauf ein, wie
51
Eltern vorgehen sollen, wenn ein Kind aufgrund psychosozialer Belastungen nachts nicht
durchschläft und häufig zu den Eltern kommt (Deegener und Hurrelmann 2002, 21-22).
Hahlweg und Miller verteidigen die konkreten Handlungsempfehlungen für Eltern in den Triple
P-Unterlagen und erläutern, dass diese eine Grundlage des verhaltenstherapeutischen
Ansatzes sind, der davon ausgeht, dass sich über eine Veränderung des Verhaltens von
Eltern auch deren Einstellungen und Erziehungshaltungen verändern lassen. Ausgangspunkt
seien damit alltägliche Schwierigkeiten und Probleme, die die Familien belasten. Triple P
biete in Form von Erziehungsempfehlungen, die möglichst konkret formuliert sein sollten,
praktische Lösungsvorschläge an und ermutige sie dadurch zu Veränderungen. So könnten
die Familien entlastet werden und es stelle sich innerhalb kurzer Zeit ein Erfolgserlebnis ein,
das die Bereitschaft für weitere Veränderungen bewirken könne. Die konkreten Handlungs-
empfehlungen sollten den Eltern als eine klare Orientierung dienen und ihnen Möglichkeiten
aufzeigen, wie sie Erziehungsschwierigkeiten bewältigen und ihre Kinder in ihrer Entwicklung
fördern können. Jedoch handele es sich dabei nicht um Anweisungen, sondern den Eltern
bleibe selbst überlassen, ob sie die Erziehungsempfehlungen umsetzen, sie nach ihren
Vorstellungen abwandeln oder andere Verhaltensweisen für geeignet halten (2002, 12-13).
Für fragwürdig halten es Deegener und Hurrelmann außerdem, dass Triple P Eltern in
verschiedenen Situationen dazu rät, ruhig zu bleiben und mit fester Stimme mit dem Kind zu
sprechen, also keine Emotionen zu zeigen. Sie stimmen Triple P zwar zu, dass Eltern vor
ihren Kindern nicht die Beherrschung verlieren sollten. Jedoch sind sie der Meinung, dass
Eltern dem Kind ihre Gefühle durchaus eindrücklich mitteilen könnten, wobei sie jedoch Ich-
Botschaften verwenden sollten. Durch diese emotionalen Mitteilungen lernten Kinder ihrer
Meinung nach, mit Konflikten und Spannungen umzugehen (2002, 38).
Eine Entgegnung auf diese Kritik liefern Hahlweg und Miller nicht. Es sind jedoch aus meiner
Sicht zweierlei Gründe dafür denkbar, in schwierigen Situationen als Elternteil ruhig zu
bleiben. Erstens erfolgt keine unabsichtliche Verstärkung eines aufmerksamkeitssuchenden
Verhaltens des Kindes (siehe Kapitel 4.3.2). Denn auch die von Deegener und Hurrelmann
vorgeschlagene Ich-Botschaft „Das macht mich verrückt“ enthält die implizite Botschaft, dass
das Kind durch sein Fehlverhalten die Aufmerksamkeit der Eltern erlangen und eine emotio-
nale Reaktion auslösen kann, was die Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens erhöhen
könnte. Zweitens könnte sich das Kind an die emotionalen Reaktionen der Eltern gewöhnen
und dadurch weniger auf ruhige Anweisungen reagieren. Dies würde meiner Ansicht nach die
Gefahr bergen, dass Eltern ihren Anweisungen durch emotionale Äußerungen zunehmend
Nachdruck verleihen, was sich hochschaukeln und in eine Eskalationsfalle (siehe Kapitel
4.3.3) münden könnte. Weiter ist meiner Ansicht nach bei dieser Diskussion zu bedenken,
dass die Triple P Handlungsbeispiele vermutlich eher in ohnehin angespannten Erziehungssi-
52
tuationen, in denen Eltern zu emotionalen Ausbrüchen neigen, Anwendung finden. Insofern
könnte es durchaus sinnvoll sein, Eltern eher zur Ruhe und Besonnenheit aufzufordern.
6.3 Kritikpunkt: Fragwürdige und schädliche Erziehungsmethoden
Deegener und Hurrelmann sprechen davon, dass bezüglich der Erziehungsmethoden von
Triple P „ein extrem hoher Konsens der Ablehnung“ bestehe (2002, 43).
Schwierig ist diese Aussage, da die Autoren nicht weiter ausführen, unter welcher Personen-
gruppe dieser Konsens bestehen soll, wie sie zu der Ansicht gelangen, es würde ein Konsens
bestehen und auch nicht definieren, auf welche Erziehungsmethoden von Triple P sich die
Ablehnung genau bezieht.
Hahlweg und Miller versuchen dennoch, die Aussage zu widerlegen. Dazu führen sie
zunächst an, dass es viele Ähnlichkeiten zwischen Triple P und anderen Elternprogrammen
gibt, auf die im Folgenden nicht näher eingegangen wird. Außerdem verweisen sie auf die
hohe Nachfrage nach Triple P bei Berater/innen und Therapeut/innen und auf Studien, die
eine hohe Zufriedenheit der Eltern mit dem Triple P-Programm belegen und zeigen damit,
dass keine konsensuale Ablehnung von Triple P besteht (2002, 10).
Weiter sehen Deegener und Hurrelmann durch die Erziehungsempfehlungen von Triple P die
Gefahr einer „Verstörung, Beunruhigung, Verängstigung des Kindes sowie der starken
Belastung der Beziehung zu den Eltern“ (2002, 24). Dies sei insbesondere bei dem von Triple
P empfohlen Vorgehen bei Problemen beim Zubettgehen der Fall. Hier werde nicht berück-
sichtigt, dass besonders kleinere Kinder unter Verlassenheits-, Verlust- und Trennungsängs-
ten leiden können. Es bestehe daher die Gefahr, dass sie einen Schaden erleiden, wenn
Eltern sie, wie von Triple P empfohlen, nach dem Zubettgehen mehrere Stunden weinen
lassen, ohne Zuwendung von den Eltern zu erhalten. Das Weinen des Kindes, wie von Triple
P beschrieben, beim Zubettgehen zu ignorieren, außer wenn das Kind Schmerzen hat oder
krank ist, lehnen sie daher entschieden ab (ebd.).
Durch ihre Darstellung unternehmen Deegener und Hurrelmann aus der Sicht von Hahlweg
und Miller den Versuch, Triple P Methoden als „ethisch bedenklich“ darzustellen (2002, 11).
Dem sei jedoch entgegenzusetzen, dass sich verschiedene Studien mit kognitiv-behavioralen
Elternprogrammen und auch konkret mit Triple P beschäftigt haben. Die angewendeten
Methoden wurden dabei von den zuständigen Kommissionen als „ethisch völlig unbedenklich
eingeschätzt“, was zeige, dass der Vorwurf nicht berechtigt ist (ebd.).
Als sehr problematisch sehen Deegener und Hurrelmann es auch, dass von Triple P empfoh-
len wird, die Tür mit einem Schlüssel oder einem untergeschobenen Besenstil von außen zu
verschließen, wenn das Kind nach dem Zubettgehen mehrmals das Zimmer verlässt oder
53
nicht ruhig ist und diese erst wieder geöffnet wird, wenn das Kind 2 Minuten ruhig war und
das Kind dadurch lernt, ruhig zu sein. Diese Methode sehen sie als zur schwarzen Pädagogik
zugehörig und lehnen sie ab. Sie unterstellen Triple P dabei, die Angst des Kindes vor der
verschlossenen Tür zu nutzen, um angepasstes Verhalten zu erzwingen (2002, 24-25).
Konkret zu der verschlossenen Tür und dem untergeschobenen Besenstil äußern sich
Hahlweg und Miller in ihrer Erwiderung nicht. Dies finde ich schade, da meiner Ansicht nach
diesbezüglich eine klare Positionierung wichtig gewesen wäre. Mittlerweile sind diese
Empfehlungen in dem kleinen Helfer ‚Schwierigkeiten beim Zubettgehen‘ nicht mehr zu finden
(Markie-Dadds, Turner und Sanders 2007, 3), was ein Indiz dafür sein könnte, dass Triple P
diese selbst als nicht mehr zeitgemäß angesehen und daher entfernt hat. Anstatt dessen rät
Triple P Eltern heute, ein Kind, das nach dem Zubettgehen mehrmals sein Zimmer verlässt,
immer wieder zurück ins Bett zu bringen. Zusätzlich wird Eltern, die Schwierigkeiten damit
haben, dies immer wieder ruhig zu tun, die Möglichkeit eröffnet, nach Absprache mit dem
Kind die Tür für 2 Minuten zuzumachen (ohne abschließen), bis das Kind sich beruhigt hat
und dann wieder zu öffnen (ebd.). Dieses Vorgehen entspricht einem funktionalen Verstärke-
rentzug (siehe Kapitel 3.3.2) und ist daher meiner Ansicht nach als unproblematisch zu
sehen.
Weitere Kritikpunkte an Triple P sind für Deegener und Hurrelmann die Erziehungsmethoden
Stiller Stuhl und Auszeit. Sie stimmen zwar zu, dass Kindern Grenzen gesetzt werden
müssen. Den Stillen Stuhl und die Auszeit sehen sie jedoch als Methoden, die „eher bei
ausgeprägten Verhaltensstörungen angewendet werden“ (2002, 30-31). Als Antwort auf
alltägliche Verhaltensweisen, die dem Reifegrad des Kindes entsprechen, sehen sie diese
„sehr einschneidenden Methoden“ aber nicht als angemessen (ebd.).
Um dem zu entgegnen verweisen Hahlweg und Miller auf eine Befragung von Braunschwei-
ger Eltern, die zu dem Ergebnis kommt, „dass insgesamt 92% der Eltern Maßnahmen wie
aufs Zimmer Schicken oder Stubenarrest anwenden. 25% der befragten Eltern tun dies
weniger als 1 Mal im Monat und 67% 2-3 Mal im Monat bis täglich und auch Kindergärten
wenden die Auszeit als letzte Verhaltenskonsequenz bei schwerwiegendem Problemverhal-
ten an (2002, 15). Miller und Hahlweg zeigen damit, dass die Methode Timeout (siehe Kapitel
3.3.2) in der alltäglichen Erziehung und sogar im professionellen Setting von Kindergärten
Anwendung findet. Als Aufgabe von Triple P sehen es Miller und Hahlweg, Eltern zu zeigen,
wie sie diese Methode durch den Stillen Stuhl und die Auszeit möglichst effektiv und ohne
dem Kind zu schaden, anwenden können (2002, 15).
54
Da Triple P den Stillen Stuhl und die Auszeit als Ratschlag für den „normalen Erziehungsall-
tag“ gibt, sehen Deegener und Hurrelmann die Gefahr, dass Eltern diese Methoden viel zu
häufig anwenden könnten (2002, 30-31).
Um der Frage auf den Grund zu gehen, wie häufig die Auszeit tatsächlich empfohlen wird,
analysieren Hahlweg und Miller die Kleinen Helfer und kommen zu dem Ergebnis, dass in ca.
einem Drittel der schwierigen Erziehungssituationen die Auszeit als eine mögliche Interventi-
on genannt wird. Sie fügen dem aber hinzu, dass der Umgang mit Problemverhalten laut
Triple P auf einem Kontinuum erfolgen soll. Dazu werden zunächst Familienregeln vereinbart,
bei deren Nichtbefolgen das Kind direkt angesprochen wird. Der nächste Schritt ist, dem Kind
mit ruhiger Stimme mitzuteilen, womit es aufhören soll und welches alternative Verhalten
erwünscht ist. Kommt das Kind dieser Anweisung nicht nach, erfolgt eine logische Konse-
quenz und erst wenn das Verhalten kurz danach erneut auftritt oder das Kind in Folge der
logischen Konsequenz einen Wutanfall bekommt, wird der stille Stuhl empfohlen. Verhält das
Kind sich auf dem stillen Stuhl nicht ruhig, wird eine Auszeit angewendet (2002, 15-16).
Deutlich wird an diesem Kontinuum, dass Stiller Stuhl und Auszeit nicht für eine inflationäre
Anwendung gedacht sind, sondern nur zur Anwendung kommen sollen, wenn andere
Methoden, bei denen klar und deutlich mit dem Kind kommuniziert wurde, nicht erfolgreich
waren. Weiter erläutern Hahlweg und Miller sehr ausführlich die Verhaltensanweisungen zur
Durchführung des Stillen Stuhls und der Auszeit. Sie betonen, wie bereits in den Triple P
Materialien ausgeführt, dass Stiller Stuhl und Auszeit ohne eine positive Eltern-Kind-
Beziehung durchaus schädlich sein können. Außerdem führen sie aus, dass zwischen
Verhalten und Person des Kindes differenziert werden sollte und zu vermeiden ist, dass das
Kind bei der Auszeit Angst bekommt oder das Gefühl bekommt, Willkür ausgesetzt zu sein
oder die Situation durch sein Verhalten nicht kontrollieren zu können (2002, 16-17). Dadurch
grenzen sie den Stillen Stuhl und die Auszeit meiner Ansicht nach deutlich von bestrafenden
Erziehungsmethoden der ‚schwarzen Pädagogik‘ ab.
6.4 Kritikpunkt: Keine wirkliche Verbesserung der Erziehungskompeten-
zen
Hilfreich können die Erziehungsempfehlungen von Triple P nach Deegener und Hurrelmann
im Umgang mit Kindern mit Verhaltensstörungen oder bei sehr unsicheren Eltern sein, da
sehr konkrete Tipps für bestimmte Situationen gegeben werden. Für sie entsteht jedoch auch
der Eindruck, dass Triple P durch die sehr klaren Handlungsempfehlungen Eltern den ‚einzig
wahren Weg‘ aufzeigen wolle. Sie vermuten, dass manche Eltern dies als bevormundend
erleben und daher mit Widerstand reagieren könnten (2002, 40).
Miller und Hahlweg entgegnen diesem Vorwurf, indem sie auf die Freiwilligkeit der Inan-
spruchnahme von Triple P hinweisen. Sie stellen heraus, dass Triple keinen Anspruch erhebt,
55
das einzig wirksame Programm zu sein und es den Eltern überlassen bleibt, für welches der
Elternprogramme sie sich entscheiden (2002, 11).
Dennoch ist die Argumentation von Deegener und Hurrelmann meiner Ansicht nach verständ-
lich, wenn man sich Eltern vorstellt, die die Handlungsbeispiele von Triple P übernehmen,
ohne dabei auf die individuellen Besonderheiten und Bedürfnisse des Kindes Rücksicht zu
nehmen. Dies könnte nach den fünf Säulen der Erziehung als eine Form der Missachtung
gesehen werden (siehe Kapitel 2.2).
Anzumerken ist diesbezüglich jedoch, dass die Kleinen Helfer mittlerweile nicht mehr frei
verkäuflich sind, sondern nur noch an Triple P Anbieter/innen herausgegeben werden. In
einem Telefonat mit einer Triple P-Mitarbeiterin wird dazu erklärt, es solle dadurch gewähr-
leistet werden, dass die Erziehungsempfehlungen den Eltern von der Fachkraft erläutert und
an die konkreten Bedürfnisse der Familie angepasst werden (Riekenberg 2018). Besonders
aufgrund der Tatsache, dass die Kleinen Helfer in der Schweiz noch frei verkäuflich sind
(Triple P 2018e), könnte diese Anpassung von Triple P in Deutschland als Reaktion auf die
Kritik aus der Fachwelt gesehen werden.
Die verbesserten Erziehungskompetenzen der Eltern nach einem Triple P-Training stellen
Deegener und Hurrelmann in Frage. Sie erklären dies damit, dass durch die von Triple P
vermittelten „fragwürdigen Erziehungsmethoden“ durchaus Verhaltensänderungen beim Kind
bewirkt werden könnten, die die Eltern dann fälschlicherweise als Erfolge für ihre Erziehung
verbuchen, diese Veränderungen aber in Wirklichkeit auf permissive Erziehungsmethoden
zurückzuführen seien (2002, 43).
Darauf, dass die Erziehungsmethoden von Triple P ethisch völlig unbedenklich sind, wurde
unter 6.3 bereits eingegangen. Um die Erfolge, die Eltern durch die Anwendungen von Triple
P Empfehlungen erleben, in Frage zu stellen, wäre es wünschenswert, auch negative Folgen
aufzuzeigen, wofür Deegener und Hurrelmann jedoch keine Belege liefern. Stattdessen
stellen sie tatsächliche Erziehungserfolge in Frage, nur weil sie auf ihrer Meinung nach
fragwürdigen Erziehungsmethoden basieren. Erwidert wird daher von Hahlweg und Miller,
dass es der freien Entscheidung der Eltern obliegt, welche Unterstützungsangebote sie in
Anspruch nehmen und welchen Erziehungsstil sie wählen. Von den Eltern erreichte Erzie-
hungserfolge als fragwürdig zu bezeichnen, widerspreche daher der persönlichen Freiheit der
Eltern (Hahlweg und Miller 2002, 11).
6.5 Zwischenfazit bezüglich der Kritik
Um die Ergebnisse der Diskussion um Triple P zu resümieren, wird nun ein Zwischenfazit
gezogen.
Dem Vorwurf der Problematisierung von kindlichen Verhaltensweisen ist zu entgegnen, dass
Triple P nicht die Absicht hat, von den Familien als akzeptabel empfundene kindliche
Verhaltensweisen anzuprangern. Stattdessen sprechen die Triple P Materialien häufig erlebte
56
Nöte von Familien an und bieten dafür konkrete Handlungsbeispiele. Durch die Thematisie-
rung und Bearbeitung von Erziehungsschwierigkeiten können Lösungen gefunden werden
und damit vermutlich auch fragwürdige Erziehungspraktiken vermieden werden (siehe Kapitel
3.1).
Der Vorwurf der beziehungslosen und dressurmäßigen Erziehungshaltung ist wissenschaft-
lich nicht fundiert und es entsteht der Eindruck, als würden die Kritiker Triple P sehr einseitig
darstellen (siehe Kapitel 3.2).
Auch bezüglich des Vorwurfs der fragwürdigen und schädlichen Erziehungsmethoden wurde
in keiner Weise ein Beleg für eine Schädigung von Kindern durch Triple P Methoden ange-
führt. Deutlich wird, dass der Stille Stuhl und die Auszeit in den Triple P Materialien sehr
häufig beschrieben werden, jedoch nur zum Einsatz kommen sollen, wenn andere zuvor
angewendete Methoden erfolglos waren. Außerdem muss dabei für das Kind ein direkter
Zusammenhang zu seinem Verhalten erkennbar sein und Stiller Stuhl und Auszeit werden
nur zeitlich begrenzt angewendet (siehe Kapitel 3.3).
Auch der unter 3.4 diskutierte Vorwurf, Triple P vermittle fragwürdige Erziehungspraktiken,
die zu Verhaltensänderungen beim Kind führten und somit keine wirkliche Verbesserung der
Erziehungskompetenz der Eltern bewirken würden, ist in keiner Weise belegt und basiert
daher lediglich auf der persönlichen Meinung von Deegener und Hurrelmann über die
Methoden von Triple P.
Die Kritik von Deegener und Hurrelmann ist sehr hilfreich für eine kritische Reflexion der
Inhalte von Triple P, wobei die angeführten Kritikpunkte aus Sicht des Verfassers jedoch
argumentativ entkräftet werden konnten. Dennoch hat Triple P Modifikationen vorgenommen
(siehe Kapitel 6.3 und 6.4), die nicht zwingend im Zusammenhang mit der Kritik stehen
müssen, jedoch dahingehend interpretiert werden könnten. Der Vollständigkeit halber ist
anzumerken, dass Hurrelmann seine Äußerungen bezüglich Triple P in einer persönlichen
Mitteilung revidiert hat. Er spricht davon, einen detaillierteren Eindruck von Triple P bekom-
men zu haben und lobt Triple P nun als ein „sehr ausgereiftes Programm, das sich in
Hunderten von Fällen inzwischen sehr gut bewährt“ habe (Hurrelmann 2004 zit. in Dirschel et
Al. 2006, 63).
7. Empirische Untersuchungen zur Wirksamkeit von Triple P
Seit Beginn der 1980er Jahre wird Triple P laufend evaluiert und weiterentwickelt. (Cina et Al.
2006, 73). Insgesamt wurden dazu über 280 Studien durchgeführt (Triple P 2018d), die über
verschiedene Kulturen und Familienformen hinweg konsistent die Wirksamkeit von Triple P
belegen. Nachgewiesen wurden unter anderem eine hohe Zufriedenheit der Eltern mit Triple
P, verbesserte elterliche Erziehungskompetenzen und ein Rückgang kindlichen Problemver-
haltens (Dirscherl et Al. 2006, 62).
57
Die 1997 veröffentlichte und bisher größte Evaluationsstudie wurde in Australien durchgeführt
(Cina et Al. 2006, 73). Sie umfasste insgesamt 718 Familien in der Experimental- und 806
Familien in der Kontrollgruppe. Nach Teilnahme der Eltern an einem Triple P-Elternkurs
konnte eine Reduktion elterlicher aversiver Erziehungsmethoden und eine Reduktion
kindlicher Verhaltensprobleme beobachtet werden. Übertragen auf die Population der
Gesamtbevölkerung des Landes würde dies bedeuten, dass durch präventive Elternpro-
gramme Verhaltensprobleme von Kindern um bis zu 37% reduziert werden könnten (Dirscherl
et Al. 2006, 62).
Auch im deutschsprachigen Raum wurden Studien zur Wirksamkeit von Triple vorgenommen,
von denen folgend zwei vorgestellt werden.
7.1 Studie Naumann et Al.
„Förderung der Elternkompetenz durch Triple P-Elterntrainings“
Studiendesign
Ziel der Studie war die Untersuchung der Auswirkungen einer Teilnahme von Eltern an einem
Triple P-Elternprogramm auf deren Erziehungskompetenz. Dazu wurden 280 Familien aus
verschiedenen sozialen Schichten mit einem Kind zwischen 2,6 und 6 Jahren ausgewählt und
zufällig in eine Experimentalgruppe (EG) und eine Kontrollgruppe (KG) eingeteilt (Naumann
et al. 2007, 676-680).
Die Eltern der EG nahmen an einem Triple P Elterntraining der Ebene 4 (siehe Kapitel 5.2)
mit zwei Gruppensitzungen und der Möglichkeit zu wöchentlichen 20-minütigen Telefonsit-
zungen mit der Triple P-Anbieterin / dem Triple P-Anbieter teil. Dabei bekamen die Eltern
Hausaufgaben, die in den darauffolgenden Sitzungen besprochen wurden (ebd., 682).
Messinstrumente
Vor dem Triple P-Elterntraining wurde eine Eingangsdiagnostik (Prae) durchgeführt und 6
Monate später (direkt nach dem Elterntraining) eine Post-Messung vorgenommen. Zusätzlich
erfolgte eine Follow-Up-Messung (FU1) 1 Jahr und eine Follow-Up-Messung (FU2) 4 Jahre
nach der Prae-Messung (ebd., 679-680).
Die Elternkompetenz wurde mit Hilfe von 4 Messinstrumenten ermittelt. In einem Fragebogen
für positives Erziehungsverhalten in den letzten 2 Monaten hatten Eltern bei 13 vorgegebe-
nen Verhaltensweisen auf einer Skala von 0 (nie) bis 3 (sehr oft) anzukreuzen (Naumann et
Al. 2007, 681). Außerdem hatten sie in einem Fragebogen für dysfunktionale Erziehungsme-
thoden in den letzten 2 Monaten ihr Verhalten in 35 vorgegebenen Items auf einer siebenstu-
figen Skala (Weitschweifigkeit - Nachsichtigkeit - Überreagieren) einzuordnen. Aus den
Skalen wurde dann ein Wert für die Neigung zu dysfunktionalen Erziehungsmethoden
58
errechnet. In weiteren zwei Fragebögen wurden die Eltern zur Einschätzung ihrer Erzie-
hungskompetenz und zu ihren Selbstwirksamkeitsüberzeugungen befragt (ebd., 682).
Ergebnisse
Das positive Erziehungsverhalten nimmt über den Messzeitraum in der KG leicht zu. In der
EG ist ein deutlicherer Anstieg zu verzeichnen, jedoch nimmt das positive Erziehungsverhal-
ten bis zur letzten Messung auch wieder leicht ab. Dysfunktionales Erziehungsverhalten der
Mütter nimmt in der KG leicht ab. In der EG nimmt es sehr deutlich ab und steigt dann wieder
leicht an. Bei den Vätern sind diesbezüglich nur geringere Effekte messbar (ebd., 685). Dies
könnte jedoch darauf zurückzuführen sein, dass Väter nur sehr selten an den Kursen
teilnahmen (ebd., 677). Kompetenzüberzeugungen nehmen bei KG und EG über den
gesamten Messzeitraum leicht zu. Selbstwirksamkeitsüberzeugungen steigen in beiden
Gruppen besonders zwischen Prä- und Postmessung leicht an. (Naumann et al. 2007, 684).
Festzuhalten ist damit, dass Eltern, die an dem Triple P-Programm teilnehmen, von einer
Zunahme positiver Erziehungsmethoden und einer deutlichen Abnahme dysfunktionaler
Erziehungsmethoden berichten und dies die Wirksamkeit von Triple P belegt.
7.1 Studie Eichelberger et Al.
„Effekte universeller Prävention mit dem Gruppenformat des Elterntrainings Triple P auf das
kindliche Problemverhalten, das elterliche Erziehungsverhalten und die psychische Belastung
der Eltern“
Studiendesign
Ziel der Studie war es, die Wirksamkeit des Triple P-Gruppentrainings in Bezug auf das
Erziehungsverhalten der Eltern und das Problemverhalten der Kinder zu untersuchen. Dazu
gaben die Eltern und die Erzieherinnen und Erzieher der Kita ihre Einschätzungen ab.
Außerdem war es Ziel der Studie, mögliche Auswirkungen des Gruppentrainings auf die
partnerschaftliche Zufriedenheit und psychischen Belastungen der Eltern festzuhalten
(Eichelberger et Al. 2010, 24-32). Der Kontakt zu den Familien wurde über städtische
Kindertageseinrichtungen in Köln vermittelt, die sich, was den Jugendhilfebedarf und die
sozialen Belastungen betrifft, in niedrig-, mittel- und hochbelasteten Gebieten befanden. Per
Losverfahren wurden insgesamt 93 Familien mit Kindern zwischen 3 und 6 Jahren in eine
Experimentalgruppe und eine Kontrollgruppe eingeteilt. Mindestens ein Elternteil der Experi-
mentalgruppe nahm an einem Triple P Gruppentraining der Ebene 4 teil, das vier zweistündi-
ge Gruppensitzungen in wöchentlichen Abständen umfasste. Zusätzlich wurden den Eltern
vier 20-minütige Telefonsitzungen in wöchentlichen Abständen angeboten. Für die Teilnahme
an den Befragungen erhielten die Eltern eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 50€
(Eichelberger et Al. 2010, 24-32).
59
Messinstrumente
Es wurden Messungen an drei verschiedenen Zeitpunkten vorgenommen. Die Prä-Messung
erfolgte drei Monate vor dem Triple P-Gruppentraining und mit je 6-monatigen Zeitabständen
erfolgten die Post- und die Follow-Up-Messung. Bei der Prä- und Follow-Up-Messung
besuchten zwei Projektmitarbeiterinnen / Projektmitarbeiter die Familien für zwei bis drei
Stunden, führten eine Leistungsdiagnostik mit dem Kind und ein halbstrukturiertes Interview
mit den Eltern durch und es erfolgte eine videogestützte Verhaltensbeobachtung in einer
standardisierten Spiel- und Aufgabensituation. Zusätzlich wurden die Eltern zu allen drei
Messzeitpunkten mit Hilfe eines Fragebogens zu ihrer Einschätzung bezüglich vorhandener
Verhaltensprobleme ihrer Kinder, der eigenen Erziehungskompetenzen, der eigenen
Persönlichkeit, ihrer Lebenszufriedenheit und ihrer Partnerschaft befragt. Außerdem wurden
bei Einwilligungen der Eltern die Erzieherinnen und Erzieher zu Verhaltensproblemen des
Kindes befragt (ebd.).
Ergebnisse
Den Angaben der Mütter der Experimentalgruppe ist zu entnehmen, dass diese im Vergleich
mit den Müttern der Kontrollgruppe über den Messungszeitraum bei sich selbst einen
größeren Rückgang dysfunktionaler Erziehungspraktiken beobachteten. Dieser Effekt trat bei
den Vätern nicht auf, was jedoch daran liegen könnte, dass nur Mütter an dem Gruppentrai-
ning teilnahmen (ebd.). Aus Sicht beider Eltern der Experimentalgruppe war ein Rückgang
des kindlichen Problemverhaltens zu verzeichnen. In den Kindertageseinrichtungen konnte
jedoch kein Rückgang kindlichen Problemverhaltens beobachtet werden. Mütter der Experi-
mentalgruppe gaben vermehrt an, eine Verbesserung der partnerschaftlichen Zufriedenheit
zu erleben. Dieser Effekt wurde wider Erwarten auch von den Vätern berichtet. Eine Verände-
rung der psychischen Belastung der Eltern konnte durch das Triple P-Gruppentraining nicht
festgestellt werden (ebd.). Wie in der Studie von Naumann et Al. ist auch bei dieser Studie
festzuhalten, dass sich das Triple P-Gruppenprogramm aus Sicht der Mütter als wirksame
Intervention für positives Erziehungsverhalten und einen Rückgang kindlichen Problemverhal-
tens erweist.
8. Schlussteil
8.1 Bezugnahme auf die Forschungsfrage
Im folgenden Abschnitt wird Bezug auf die Hauptforschungsfrage genommen. Um diese unter
verschiedenen Aspekten zu betrachten, werden zunächst die Teilforschungsfragen bearbei-
tet, um im Anschluss eine abschließende Antwort auf die Hauptforschungsfrage geben zu
können.
60
Teilforschungsfrage 1: Gelingt mit Hilfe des kognitiv-behavioralen Ansatzes ein
Verständnis über die Entstehung und Aufrechterhaltung destruktiver Interaktionsmus-
ter in der Erziehung?
Wie in Kapitel 4 deutlich wird, ermöglicht es der kognitiv-behaviorale Ansatz, Erziehungsfeh-
ler ausfindig zu machen und diese zu verstehen. Die Kapitel 4.1 bis 4.3 verdeutlichen dies,
indem sie mit Hilfe der Lerntheorien erklären, wie das Kind durch Erziehungsfehler der Eltern
unerwünschte Verhaltensweisen erlernt und aufrecht erhält, wie fragwürdiges Erziehungsver-
halten der Eltern verfestigt wird, wie sich destruktive Verhaltensweisen von Eltern und Kind in
Eskalationsfallen hochschaukeln und die Eltern-Kind-Beziehung durch Erziehungsfehler
nachhaltig belastet werden kann. Zusätzlich führt Kapitel 4.4 aus, wie fragwürdige Erzie-
hungshaltungen der Eltern überhaupt erst entstehen und wie sich diese auswirken. Mit Hilfe
des kognitiv-behavioralen Ansatzes gelingt also ein Verständnis über die Entstehung und
Aufrechterhaltung destruktiver Interaktionsmuster in der Erziehung.
Teilforschungsfrage 2: Sind Elemente des kognitiv-behavioralen Ansatz in der Unter-
stützung von Familien mit Erziehungsschwierigkeiten umsetzbar und wie gelingt dies
am Beispiel von Triple P?
Der kognitiv-behaviorale Ansatz dient nicht nur dazu, destruktive Interaktionsmuster in der
Erziehung zu erkennen und zu verstehen, sondern bietet auch eine Vielzahl an Interventio-
nen zur Unterstützung von Familien mit Erziehungsschwierigkeiten an, die darauf abzielen,
dass Eltern ihre Erziehungshaltungen hinterfragen, eine positive Eltern-Kind-Beziehung
herstellen und auf eine entwicklungsfördernde Weise Einfluss auf das Verhaltens des Kindes
nehmen (siehe Kapitel 3). Triple P gelingt es, Elemente des kognitiv-behavioralen Ansatzes
in die Praxis eines präventiven Elternprogrammes umzusetzen. Trotz des oft sehr straffen
Zeitrahmens eines Elternprogramms können Veränderungen bewirkt werden, indem Eltern
mit sehr direkten Handlungsbeispielen dabei unterstützt werden, eine positive Beziehung zum
Kind herzustellen, eine für das Kind entwicklungsfördernde Umgebung zu schaffen, er-
wünschte Verhaltensweisen des Kindes zu fördern und unerwünschte Verhaltensweisen des
Kindes abzubauen (siehe Kapitel 5 und 7). Dies zeigt am Beispiel von Triple P, dass Elemen-
te des kognitiv-behavioralen Ansatzes in der Erziehung umsetzbar sind.
Teilforschungsfrage 3: Wie ist der Einsatz von Methoden des kognitiv-behavioralen
Ansatzes in der Sozialen Arbeit am Beispiel von Triple P im Hinblick auf die Kritik aus
der Fachwelt und die empirische Befundlage zu bewerten?
In Kapitel 6 erfolgte eine intensive Auseinandersetzung mit der Kritik an Triple P, an die hier
verwiesen werden soll. Festzuhalten ist, dass die Vorwürfe an Triple P auf einem persönli-
chen Eindruck der Kritiker von den Triple P-Materialien basieren und die Kritiker in ihrer
Argumentation bestimmte Elemente des Triple P-Programmes einseitig in den Vordergrund
61
stellen und zum Teil auf einen wissenschaftlichen Beleg ihrer Behauptungen verzichten.
Durch Bezugnahme auf das Triple P-Programm und die Fachliteratur werden aus Sicht des
Verfassers in Kapitel 7 die Vorwürfe an Triple P argumentativ entkräftet. Dennoch hat Triple P
seit der Kritik kleine Veränderungen an dem Programm vorgenommen. So wird es nicht mehr
als Handlungsempfehlung genannt, bei einem Kind, das nicht zu Bett gehen will und häufig
das Zimmer verlässt, die Kinderzimmertüre von außen zu verschließen, bis das Kind sich für
2 Minuten lang ruhig verhalten hat (siehe Kapitel 6.3). Außerdem werden die Kleinen Helfer
nur noch an Triple P-Anbieterinnen und Triple P-Anbieter herausgegeben, die die Familien
bei der Umsetzung der Handlungsbeispiele unterstützen und diese an die individuelle
Situation der Familie anpassen (siehe Kapitel 6.4). Möglicherweise könnten diese Modifikati-
onen als Reaktion auf die Kritik an Triple P interpretiert werden. Bezüglich der aktuellen
Forschungslage ist Triple P als sehr positiv zu bewerten, da Studien bei der Teilnahme von
Eltern an einem Triple P-Programm eine hohe Zufriedenheit der Eltern, verbesserte elterliche
Erziehungskompetenzen und ein Rückgang kindlichen Problemverhaltens belegen (siehe
Kapitel 7).
Hauptforschungsfrage: Welche Bedeutung kommt dem kognitiv-behavioralen Ansatz
bei der Unterstützung von Familien mit Erziehungsschwierigkeiten zu?
Wie in den Teilforschungsfragen ausgeführt wurde, ermöglicht der kognitiv-behaviorale
Ansatz ein Verständnis über die Entstehung und Aufrechterhaltung destruktiver Interaktions-
muster in der Erziehung und bietet ein umfassendes Methodenrepertoire zur Unterstützung
von Familien mit Erziehungsschwierigkeiten. Triple P zeigt, wie diese Methoden in die Praxis
umgesetzt werden können und erbringt durch die laufende Evaluation zugleich einen
Nachweis über die Wirksamkeit. Aufgrund des großen Erfolges, den Triple P als ein kognitiv-
behavioral ausgerichtetes Elternprogramm zu verzeichnen hat, gelangt der Verfasser zu der
Ansicht, dass der kognitiv-behaviorale Ansatz bei der Unterstützung von Familien mit
Erziehungsschwierigkeiten ein hohes Potential hat, was auf seine große Bedeutung für
diesen Arbeitsbereich hinweist.
8.2 Persönliches Fazit
Die Auseinandersetzung mit dem kognitiv-behavioralen Ansatz erwies sich als bereichernd
und zum Nachdenken anregend. Besonders interessant war die Übertragung der theoreti-
schen Grundlagen des kognitiv-behavioralen Ansatzes auf die Arbeit mit Familien mit
Erziehungsschwierigkeiten, da sie ein Verständnis über destruktive Interaktionsmuster in der
Erziehung ermöglichen und zugleich eine Vielfalt an Methoden zur Unterstützung von Eltern
zu einer gelingenden Erziehung eröffnen.
62
Triple P ist ein Beispiel für die gelungene Umsetzung des kognitiv-behavioralen Ansatzes in
die Sozialen Arbeit. Wünschenswert wäre meines Erachtens nach ein weiterer Ausbau
präventiver Angebote, um Eltern Orientierung zu geben und sie in ihrer Elternrolle zu
unterstützen, wie dies nach § 16 SGB VIII die Verpflichtung der Jugendhilfe ist. Kritisch sehe
ich es daher, dass die Kosten für Triple P Angebote nicht grundsätzlich von den Jugendäm-
tern übernommen werden (Fuchs 2011, 128). Bedauerlich finde ich es außerdem, dass die
Kleinen Helfer von Triple P nur noch an Triple P-Anbieterinnen und Triple P-Anbieter
ausgegeben werden und nicht mehr frei verkäuflich sind. Meiner Ansicht nach wäre es
vorzuziehen, Eltern, die eine fachliche Unterstützung ablehnen, dennoch zu ermöglichen,
sich durch den Erwerb der Kleinen Helfer Handlungstipps zu holen, anstatt ihnen diese
vermutlich aus Angst vor einer falschen Umsetzung vorzuenthalten (siehe Kapitel 6.4).
Richtungsweisend kann Triple P auch für eine weitere Professionalisierung der Sozialen
Arbeit sein, da es die Methoden auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbaut und praktische
Erfolge empirisch belegt. Fraglich ist jedoch, wieso Triple P mit seiner kognitiv-behavioralen
Ausrichtung einer solch harten Kritik ausgesetzt war. Como-Zipfel konstatiert diesbezüglich,
die Aversion gegenüber der Integration kognitiv-behavioraler Methoden habe ihren Ursprung
in den 1970er Jahren, in denen empirisch-rationale Ansätze in der Sozialen Arbeit großer
Kritik ausgesetzt waren (2013, 25) und Bartmann merkt an, dass diese sich auch heute in
den Vorurteilen von Fachkräften und auch Lehrenden gegenüber dem kognitiv-behavioralen
Ansatz niederschlage (2013, 9).
Wie am Beispiel von Triple P aufgezeigt, ermöglicht der kognitiv-behaviorale Ansatz Sozial-
arbeitenden ein Verständnis über menschliche Verhaltensmuster und bietet die Möglichkeit
zur Erweiterung des Methodenrepertoires. Für mich stellt sich daher auch bezüglich meines
bisherigen Hochschulstudiums die Frage, wieso dieser nur sehr oberflächlich behandelt
wurde, während andere Themen, die zur konkreten Unterstützung von Klientinnen und
Klienten kaum etwas beitragen, weit mehr Raum in Anspruch nahmen. Insofern wünsche ich
mir für die Weiterentwicklung der Sozialen Arbeit, dass eine unvoreingenommene Auseinan-
dersetzung mit unkonventionellen Theorien und Handlungsansätzen erfolgt und die empiri-
sche Faktenlage ausschlaggebend für die inhaltliche Aufstellung des Studiums ist. In diesem
Sinne ist es vorstellbar, dass der Sozialen Arbeit, wie Bartmann ausführt, durch eine Fokus-
sierung auf empirisch belegt wirksame Methoden in der Zukunft mehr gesellschaftliche
Anerkennung zukommt (2013, 10).
63
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II Abbildungsverzeichnis
Deckblatt. Prawny. 08.11.2018.
https://pixabay.com/de/gl%C3%BCcklich-familie-cartoon-kinder-1082921/
III Eigenständigkeitserklärung
Hiermit versichere ich, dass ich diese Prüfungsleistung gemäß § 28 der Studien- und
Prüfungsordnung selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und
Hilfsmittel benutzt habe.
Esslingen, den ________________ ________________________
(Datum) (Unterschrift)