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  • I N S T I T U T F R D E M O S K O P I E A L L E N S B A C H

    Christentum und Politik

    Eine Dokumentation des Beitrags

    von Dr. Thomas Petersen

    in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

    Nr. 225 vom 26. September 2012

  • I N H A L T

    - Tabellenbersicht

    - Originalmanuskript

    - Anhangtabellen

    - Schaubilder

    - Verffentlichung in der Frankfurter AllgemeinenZeitung Nr. 225 vom 26. September 2012, S. 8,

    unter dem Titel:

    "Christentum und Politik. Die Zahl der Kirchen-besucher nimmt ab, die Religiositt geht zurck. Dennoch spielt das Christentum in Gesellschaft und Politik weiter eine bemerkenswert groe Rolle."

  • T A B E L L E N B E R S I C H T

    Tabelle A 1 1952: Christliche Programmatik war fr die Mehrheit der Bevlkerung bei einer Partei wichtig - unabhngig von der Nhe zur CDU

    A 2 Gottesdienstbesuch in West und OstA 3 Das Tischgebet: Christentum im AlltagA 4 Glaube an die Dreifaltigkeit: Selbst bei den Katholiken glaubt

    nur eine Minderheit daranA 5 Mehrheit sieht Deutschland und Europa vom Christentum

    geprgtA 6 Das Christentum sollte eine bevorzugte Stellung in

    Deutschland habenA 7 Ein muslimischer Feiertag kommt fr die meisten nicht in

    FrageA 8 Mehrheit lehnt Regelung wie in Hamburg abA 9 Christliche Grundstze sollten auch fr Parteien heute

    wichtig sein

    B 1 Zweitstimmen-Wahlabsicht (Sonntagsfrage)

    Schaubild 1 Die Abkehr von der Kirche2 Woran die Bevlkerung glaubt - 1986 und 2012 im Vergleich3 Christliche und konservative Politik

  • O r i g i n a l m a n u s k r i p t

  • Dr. Thomas PetersenInstitut fr Demoskopie Allensbach

    Christentum und Politik

    Es ist noch gar nicht so lange her, dass dasChristentum und demokratische, freiheitlicheGrundstze als untrennbar zusammengehrigempfunden wurden. Konrad Adenauer schriebin seinen Erinnerungen an die Grnderjahreder Bundesrepublik: Der aus christlichemIdeengut erwachsene Grundsatz, dass dieWrde der Person, die Freiheit und die sichdaraus ergebenden Folgerungen ber allemstehen mssen, konnte allein uns helfen, einneues politisches Ziel dem deutschen Volk zuweisen, ein neues politisches Leben in ihm zuerwecken.

    Bereits im 19. Jahrhundert war es fr den eng-lischen liberalen Oberhausabgeordneten JohnDalberg-Acton selbstverstndlich, dass politi-sche Freiheit nur auf einem festen christlichenFundament gedeihen knnte. Heute drfte die-ser Gedanke vielen Menschen ungewohnt er-scheinen, doch in den ersten Jahren der Bun-desrepublik war von einer solchen Haltungnoch einiges zu spren. Im Februar 1952 stell-te das Institut fr Demoskopie Allensbach ei-nem reprsentativen Bevlkerungsquerschnittdie Frage Wie muss das Programm einer Par-tei sein, damit sie fr Deutschland Guteswirkt: Muss es christlich sein? 56 Prozent der

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  • Befragten beantworteten die Frage mit Ja.Das waren wesentlich mehr, als die Unions-parteien, die sich ausdrcklich auf christlicheTraditionen beriefen, damals Anhnger hatten.Auf die Frage Welche Partei steht Ihren An-sichten am nchsten? nannten gleichzeitignur 30 Prozent der Westdeutschen die CDUoder CSU.

    Wie ist es heute um das Verhltnis zwischendem Christentum und der Politik bestellt? Gel-ten christliche Prinzipien noch immer alsselbstverstndliche Grundlage politischenHandelns, oder haben sich Christentum undPolitik in den letzten Jahrzehnten voneinanderentfernt? Die jngsten Umfrageergebnisse desInstituts fr Demoskopie Allensbach im Auf-trag dieser Zeitung zeigen ein uneinheitlichesBild. Der Glaube hat fr die Bevlkerung anBedeutung verloren, doch die christliche Kul-turtradition wird auch von denen verteidigt,die sich nicht mehr als Christen empfinden.

    Kaum eine andere gesellschaftliche Entwick-lung der letzten Jahrzehnte vollzog sich sokontinuierlich, grndlich und - wie man an-nehmen muss - dauerhaft wie die Abwendungder Bevlkerung von der Kirche. Nach denDaten des statistischen Bundesamts gehrenheute noch 72 Prozent der Deutschen einerReligionsgemeinschaft an, 59 Prozent der

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    Tabelle A 1

  • evangelischen oder katholischen Kirche.

    In vielen Grostdten sind heute die Angeh-rigen der traditionellen groen christlichenGlaubensgemeinschaften in der Minderheit, inden neuen Bundeslndern sogar stark: Hiersind fast drei Viertel der Bevlkerung konfes-sionslos.

    Doch auch in Westdeutschland ist die Erosiondes Glaubens erheblich. Seit Mitte der 1950erJahre sinkt kontinuierlich der Anteil derjeni-gen in der Bevlkerung, die bei AllensbacherUmfragen angeben, wenigstens ab und zu indie Kirche zu gehen. In Westdeutschland liegter heute noch bei 36 Prozent. Fast zwei Drit-tel, 63 Prozent, gehen selten oder nie in dieKirche. In den neuen Bundeslndern sind es80 Prozent.

    Wie sehr die Religion aus dem Alltag ver-drngt wird, lsst sich am Beispiel des Tisch-gebets illustrieren. Im Jahr 1965 stellte das In-stitut fr Demoskopie Allensbach zum erstenMal die Frage Es gibt ja manches, was in denFamilien blich ist und in anderen Familiennicht blich ist. Zum Beispiel: Wenn Sie anIhre Kindheit zurckdenken - wurde da voroder nach der Mahlzeit ein Tischgebet gespro-chen? 62 Prozent der Westdeutschen sagtendamals, das dies in ihren Familien blich ge-wesen sei. Auf die Nachfrage, ob sie es denn

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    Schaubild 1

    Tabelle A 2

    Tabelle A 3

  • auch zum Zeitpunk des Interviews, also 1965,in ihrer Familie so hielten, antworteten nur 29Prozent mit Ja. Heute sagen noch 43 Pro-zent der Westdeutschen, in ihrer Kindheit sei-en in der Familie Tischgebete gesprochenworden. Ganze 9 Prozent halten auch jetztnoch an dieser Sitte fest.

    Der Rckgang der Religiositt ist noch gravie-render, als es der Blick auf die Zahl der Kir-chenbesucher vermuten lsst, denn auch unterden bekennenden Christen schwindet derGlaube an wesentliche Elemente der Lehre.Im Jahr 1986 sagten noch 56 Prozent der be-fragten Westdeutschen, sie glaubten, dass Je-sus Christus der Sohn Gottes ist, heute sind esnoch 46 Prozent. Der Glaube daran, dass Gottdie Welt geschaffen hat, ist in der gleichenZeit von 47 auf 35 Prozent zurckgegangen,der an die Auferstehung der Toten von 38 auf30 Prozent. An die Dreifaltigkeit glaubten voreinem Vierteljahrhundert 39 Prozent, heutesind es noch 32 Prozent. Selbst unter den Ka-tholiken bekennt sich nur noch eine Minder-heit von 47 Prozent zu diesem Glaubenssatz.

    Zugenommen hat dagegen der Glaube daran,dass es irgendeine berirdische Macht gibt(53 gegenber 49 Prozent). An Schutzengelglaubten im Jahr 1986 46 Prozent der Deut-schen, heute sind es 54 Prozent. Der Glaubean Wunder hat von 33 auf 51 Prozent, der an

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    Tabelle A 3

    Schaubild 2

    Tabelle A 4

  • die Seelenwanderung von 7 auf 20 Prozent zu-genommen. Das Christentum wird gleichsamvon innen ausgehhlt. Die Kernbotschaft fin-det immer weniger Glauben. Erhalten bleibendagegen Randaspekte, kulturell geprgte u-erlichkeiten und eine vage Mystik. Etwas zu-gespitzt knnte man auch von einer schlei-chenden Rckkehr der Naturreligionen spre-chen. Schon heute meinen immerhin 10 Pro-zent der Deutschen, es gebe verschiedene Gt-ter, die alle ihre eigenen Bereiche htten. ImJahr 1986 gaben nur 4 Prozent diese Antwort.

    Welche Rolle kann unter solchen Umstndendas Christentum in Gesellschaft und Politikspielen? Aus Sicht der Bevlkerung eine be-merkenswert groe, denn die Umfragen desAllensbacher Instituts zeigen auch, dass vieleDeutsche, die sich nicht zum christlichenGlauben bekennen, sich durchaus mit derchristlichen Tradition des Landes identifizie-ren. Auf die Frage Was wrden Sie sagen,wie sehr ist Deutschland durch das Christen-tum und christliche Werte geprgt? antwortetimmerhin eine relative Mehrheit von 48 Pro-zent, ihrer Ansicht nach sei Deutschland sehrstark oder stark durch das Christentum ge-prgt. Noch deutlicher fallen die Antwortenaus, wenn gefragt wird, wie sehr Europa durchdas Christentum geprgt sei. In diesem Fallsprechen mehr als zwei Drittel, 68 Prozent,von einer starken oder sehr starken Prgung.Hier ist noch immer die Vorstellung von Eu-ropa als dem christlichen Abendland im Kon-

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    Schaubild 2

    Tabelle A 5

  • trast zum Morgenland sprbar.

    Die kulturelle Bindung der Bevlkerung andas Christentum zeigt sich an den Ergebnissenzweier Fragen. Eine lautet: Wenn jemandsagt: Das Christentum sollte in Deutschlandeine bevorzugte Stellung haben, weil das Chri-stentum zum Kern unserer Kultur gehrt. Se-hen Sie das auch so, oder sollten alle Religio-nen in Deutschland gleichberechtigt sein?Eine deutliche relative Mehrheit von 48 Pro-zent spricht sich bei dieser Frage fr eine be-vorzugte Stellung des Christentums aus. 34Prozent sagen, alle Religionen sollten gleich-berechtigt sein.

    Noch deutlicher fallen die Antworten auf diezweite Frage aus, bei der der Gedanke an dieGleichberechtigung der Religionen an einemkonkreten Beispiel vorgefhrt wird. Sie lautet:Krzlich ist vorgeschlagen worden, inDeutschland einen christlichen Feiertag zustreichen und dafr einen islamischen Feiertageinzufhren, der als gesetzlicher Feiertag inganz Deutschland gilt. Halten Sie das fr ei-nen guten oder keinen guten Vorschlag? Ei-gentlich msste der Gedanke jemandem, dersich fr die Gleichberechtigung aller Religio-nen ausspricht, sympathisch sein. Angesichtsdes Umstandes, dass es heute - je nach Bun-desland - sechs bis zehn christlich begrndeteFeiertage im Jahr gibt, wre es im Sinne der

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    Tabelle A 6

  • Gleichbehandlung nur konsequent, auf einendavon zugunsten des Islam zu verzichten.Doch hier reagiert die Bevlkerung fast ein-hellig ablehnend: eine berwltigende Mehr-heit von 78 Prozent antwortet, sie halte denVorschlag nicht fr eine gute Idee - und gibtdamit indirekt zu Protokoll, dass sie letztlichdoch eine Bevorzugung des Christentums vordem Islam befrwortet. In den neu