CARAVAN - Theater Münster · Name: Andrij Palenko Alter: junger Mann Beruf: Bergmann in Dombass...
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CARAVAN nach dem Roman von Marina Lewycka
für alle ab 14 Jahren
Theaterpädagogische
MATERIALMAPPE
2015/16
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INHALTSVERZEICHNIS
I. Einleitung
II. Caravan
a. Inszenierungsfakten
b. Stückzusammenfassung
c. Die Etappen der Reise
III. Biografien
a. Autorin
b. Regisseurin
c. Dramaturgin
d. Bühnen und Kostümbildnerin
e. Musiker
IV. Figuren des Stücks
a. Steckbriefe der Hauptfiguren
b. Alle Beziehungen im Überblick
c. Die Orange Revolution / Irina-Andrij-Beziehung
V. Weitere Themen & Hintergrundinformationen
a. Ursachen für Migration in modernen Gesellschaften
b. Flüchtlingszuwanderungen in Deutschland
c. Flüchtlinge und ihre Situation in Münster
d. Gastarbeiter in Münster & Münsterland
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I. Einleitung
Liebe Pädagoginnen und Pädagogen,
am 12. Februar 2016 hatte unsere Produktion CARAVAN Premiere. Diese Inszenierung
ist eine Koproduktion mit dem Schauspiel Münster und richtet sich an alle ab 14
Jahren.
Die britische Autorin ukrainischer Abstammung Marina Lewycka schrieb den
gleichnamigen Roman 2007. Aus dieser Vorlage erstellte Regisseurin Lily Sykes eine
Stückfassung für das Theater Münster. Sieben Schauspieler und ein Musiker zeigen auf
der Bühne des Kleinen Hauses die Geschichte von jungen Arbeitsmigranten, die sich
eine bessere Zukunft in England versprechen, dort bei der Feldarbeit auf einer
Erdbeerplantage aufeinander treffen und gemeinsam im Caravan wohnen - immer in
der Hoffnung auf das versprochene Glück. Ihre Träume werden aber mehr und mehr
zerstört und schließlich ergreift die ganze Truppe in einem klapprigen Wohnwagen die
Flucht. Diese aktuelle Geschichte über Wirtschaftsflüchtlinge in Europa zeigt
Schreckliches, lässt die Zuschauer aber auch an erster Verliebtheit und vielen sehr
humorvollen Momenten teilhaben, die sich rund um das Caravan-Leben abspielen. Die
Inszenierung dauert ca. 100 Minuten und hat keine Pause.
Mit unseren Materialmappen möchten wir Ihnen und Ihren Schülern weiterhin den Weg
ins Theater schmackhaft machen oder auch den bereits erfolgten Theaterbesuch durch
Ideen in der Nachbereitung verlängern. Die Mappen erstellen wir, die
Theaterpädagoginnen des Theaters Münster, nach eigenen Ideen, in Absprache mit der
Dramaturgie oder der Regie einer Inszenierung und durch gezieltes Aussuchen
zusätzlicher Texte. Suchen Sie sich einzelne Punkte heraus, wandeln Sie diese ab oder
verwenden Sie das gesamte Material – ganz wie es für Ihre Zwecke passt.
Kontakt
TELEFON: 0251-5909158 EMAIL: [email protected]
POST: Junges Theater Münster BESUCHE: Junges Theater Münster
Neubrückenstraße 63 Am Bült 2 / 1. Etage
48143 Münster 48143 Münster
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II. Caravan
II.a Inszenierungsfakten
Caravan, nach Marina Lewycka, in einer Fassung von Lily Sykes
Koproduktion des Jungen Theaters Münster mit dem Schauspiel Münster
Premiere: Freitag, den 12. Februar 2016, 19:30 Uhr, Kleines Haus
Produktionsteam
Inszenierung Lily Sykes
Bühne & Kostüme Friederike Meisel
Komposition / Sound / Live-Musik David Schwarz
Dramaturgie Anne Verena Freybott
Regieassistenz & Abendspielleitung Christina Gegenbauer
Ausstattungsassistenz Melanie Walter
Inspizienz Marie Christine Molnar
Soufflage Monika van Weyck
Regiehospitanz Darja Schürmann
Theaterpädagogik Angelika Schlaghecken
Besetzung
Irina / Vorarbeiterin Lilly Gropper
Andrij / Kürbisbein Manuel Herwig
Jola / Mrs. Brown Johanna Marx
Tomasz / Mr. Brown / Irinas Mutter Ilja Harjes
Vulk / Leapish / Vitali / Vorarbeiter Daniel Rothaug
Marta / Lena / Andrijs Vater / Wendy / Toby Brown Linn Sanders
Emanuel / Ms. Tyldesley / Neil / Boris Bàlint Tòth
Hund David Schwarz
und Damen & Herren der Statisterie des Theaters Münster
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II.b. Stückzusammenfassung
Voller Optimismus sind die jungen Arbeitsmigranten nach England gekommen, wo man
schnell Geld verdienen und das Glück finden soll. Als Erdbeerpflücker werden ihre
rosigen Träume jedoch schnell zerstört. Irina, eine Tochter aus gutem ukrainischem
Hause, will ihr Englisch verbessern und die große, romantische Liebe finden. Andrij, der
Sohn eines ukrainischen Bergarbeiters, will nicht so enden wie sein Vater. Dann sind da
die Polen: der Bob-Dylan-Fan Tomasz mit seinen penetrant stinkenden Turnschuhen,
Jola, die erfahrene Pflückerin mit der üppigen Figur, und ihre religiöse Nichte Marta,
die so erstaunlich gut kochen kann. Dazu Emanuel, ein Teenager aus Malawi, der in
England eigentlich nur seine Schwester finden will. Außer dem Alltag im Erdbeerfeld
haben sie alle zunächst nicht viel gemeinsam. Doch das Leben zwischen
erpresserischen Arbeitgebern, regelwütigen Behörden und bewaffneten Gangstern
schweißt sie zusammen. Und schließlich ergreift die ganze Mannschaft in einem
klapprigen Wohnwagen die Flucht.
Marina Lewycka erzählt eine höchst aktuelle Geschichte über Wirtschaftsflüchtlinge in
Europa, die mit leichter Hand zwischen grandioser Komik, zarter Verliebtheit und
tiefem Schrecken wechselt.
II.c. Die Etappen der Reise
Die Reise der Gastarbeiter beginnt an einer Bushaltestelle in Kiew im Sommer 2005.
Die als Erste auftretende Gastarbeiterin, Irina, verabschiedet sich dort von ihrer Mutter
und bricht in ihrer Heimatstadt nach England auf, um dort das ersehnte Abenteuer
erleben zu können. Mit der Fähre fährt sie dann von Calais nach Dover und trifft dort
am Hafen auf Vulk, dem zwielichten Arbeitsvermittler, dem sie ihre Papiere gibt, um
dann auf einer Erdbeerplantage in Kent arbeiten zu können. Dort trifft sie auf dem
Erdbeerfeld die anderen Gastarbeiter, Jola, Marta, Tomasz und Emanuel, die dort schon
länger sind. Es beginnt dort die ambivalente Liebesbeziehung zwischen den beiden
Hauptpersonen Irina und Tomasz, welche während der weiteren Reise dominant ist.
Jedoch kommt Vulk auf die Plantage und entführt Irina. Währenddessen hat Jola eine
Affäre mit dem Plantagenbesitzer Leapish. Seine Frau Wendy deckt die Liebschaft auf
und fährt aus Wut ihren Mann an und schiebt Andrij die Schuld für den Unfall in die
Schuhe. Aufgrund dessen flüchten alle von der Farm und gelangen wieder nach Dover.
Irina springt während ihrer Entführung aus Vulks Auto und versteckt sich zunächst im
Hafen von Dover. Die anderen Gastarbeiter treffen in Dover auf Vitali. Eigentlich
möchten sie zurück in ihre Heimat reisen, jedoch erklärt Vitali ihnen, dass dies nicht
möglich ist, weil sie erneut ein Ticket kaufen müssen. Den Arbeitern fehlt dazu jedoch
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das Geld. Daher bietet er ihnen an, auf einer Hühnerfarm in Kent zu sehr guten
Konditionen zu arbeiten. Sein Angebot wird, aufgrund der Not, dankend angenommen.
Auch Irina trifft in Dover auf Vitali und wird ebenfalls mit zur Hühnerfarm in Kent
mitgenommen. Einige der Arbeiter arbeiten hier im sog. Fangteam, andere in der
Verpackungsabteilung. Auch die angekündigten guten Arbeitsverhältnisse haben sich
nicht bestätigt, im Gegenteil: die Arbeit ist mindestens genauso erniedrigend wie auf
der Erdbeerplantage. Die Situation eskaliert, indem es zu einem Unfall kommt, bei dem
sich ein chinesischer Gastarbeiter verletzt, weshalb die anderen Arbeiter sich der Arbeit
widersetzen und einen Aufstand machen. Zusätzlich kommt ein Vertreter der
Gewerkschaft für Geflügelarbeiter vorbei. Während der Rebellion beschließen die sechs
Gastarbeiter wieder nach Dover zu fahren. Dort verabschieden sich Jola, Tomasz und
Marta von den anderen, um wieder nach Polen zurück zu reisen. Emanuel, Andrij und
Irina fahren jedoch nach Richmond, einem Stadtbezirk im südwestlichen London, um
dort Toby McKenzie zu treffen. Sie finden Mr. und Mrs. Brown vor, bei denen er wohnt
und dann später auch eintrifft. Später sieht Irina ein Stellenangebot in einem
Restaurant, stellt sich dort erfolgreich mit Andrij vor und beide beginnen dort zu
arbeiten. Erneut taucht Vulk dort auf und erschießt die Geschäftsführerin, woraufhin
beide weiter nach Sheffield reisen. Jedoch verfolgt Vulk das Liebespaar bis dorthin,
und versucht Irina zu entführen. Dies gelingt ihm nicht, da im entscheidenden Moment
der Hund von Andrij rettend eingreift und dabei stirbt. Somit kann das Liebespaar
seine Reise weiter fortsetzen.
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Wege, die auf der Reise zurückgelegt werden
Die grauen Pfeile stellen Wege dar, die die Figuren während der Geschichte gehen. Die roten Pfeile, in
Kombination mit den Fragezeichen, stellen den Zeitpunkt unserer Geschichte dar, an dem nicht klar ist,
wie die Reise weitergeht. Daher zeigen die Pfeile die in verschiedene Richtungen.
Wer kommt woher?
Maßstab
2cm = 500
km
1) Andrij – östlicher Teil der Ukraine, Region des Donezbeckens, auf Russisch „Donbass“
2) Irina – aus Kiew
3, 4, 5) Marta, Jola, Tomasz – aus Polen
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Und Emanuel aus Malawi in Südafrika.
Auf direktem Weg sind es von dort nach Dover knapp 7.000 km.
III. Biografien
III.a. Autorin
Marina Lewycka ist eine britische Schriftstellerin ukrainischer Abstammung.
Sie wurde unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg in einem Flüchtlingslager in Kiel
geboren. Ihr Vater Pedro Lewycka (1912-2008) war Ingenieur. Später siedelte sie nach
Großbritannien um und schloss ein Studium an der Keele University ab. Derzeit lebt sie
in Sheffield und arbeitet als Dozentin für Medienwissenschaften an der Sheffield
Hallam University.
Ihr literarisches Debüt hatte Lewycka 2005 mit ihrem Roman „A Short History of
Tractors in Ukrainan“, der als internationaler Bestseller gilt und in 33 Sprachen
übersetzt wurde. Daher gilt sie als eine der wichtigsten und populärsten Autorinnen
der Gegenwart.
Karten aus
www.omnia-
verlag.de
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III.b. Regisseurin
Lily Sykes, 1984 in London geboren, studierte Germanistik und Philosophie in Oxford
und Paris. 2005 zeigte sie ihre erste Regiearbeit, Bertolt Brechts „Der kaukasische
Kreidekreis“, im Oxford Playhouse. 2007 gründete sie mit Künstlern aus Japan,
Deutschland, Österreich, England, den USA und Italien das Internationale Theatre
Ensemble Aitherios, deren erste Produktion THE FISH IS OPEN in Berlin, London,
Cambridge und im Iran gezeigt wurde. Nach Assistenzen und eigenen Regiearbeiten am
Schauspiel Frankfurt arbeitet sie seit 2012 als freie Regisseurin u.a. für das Deutsche
Theater Berlin, das Schauspiel Frankfurt, das Schauspielhaus Zürich, das Theater
Osnabrück und das Theater Oberhausen.
III.c. Dramaturgin
Anne Verena Freybott wurde 1974 in Hamburg geboren und zog 1996 zum
Weiterstudieren nach Berlin. Nach Hospitanzen am Maxim Gorki Theater arbeitete sie
als Dramaturgin und Autorin in der freien Szene in Berlin und Thüringen. Sie war 2003
eine der Mitbegründerinnen des Theaterdiscounter, einer freien Spielstätte in Berlin
Mitte. Dort war sie bis 2008 Teil der künstlerischen Leitung und setzte eigene Projekte
als Dramaturgin und Autorin um, z.B. zuletzt in 2011/12 das bundesweite Gastspiel
SPIELPLAN DEUTSCHLAND. 2007 war sie Mitbegründerin des Heimathafen Neukölln, in
dem sie bis Januar 2011 Teil der künstlerischen Leitung war. Dort erarbeitete sie als
Regisseurin, Dramaturgin und Autorin mit Schauspielern, erwachsenen Laien und
Jugendlichen eigene Produktionen, z.B. in 2010 BERLIN HERMANNPLATZ und ICH GEB
DIR GLEICH HEILIG!.
Seit der Spielzeit 2012/13 arbeitet sie als Dramaturgin und Theaterpädagogin am
Jungen Theater Münster.
III.d. Bühnen –und Kostümbildnerin
Friederike Meisel wuchs in München auf. Nach der Schulzeit übernahm sie die
Ausstattung bei verschiedenen HFF-Kurzfilmen. Anschließend studierte sie
Innenarchitektur mit den Schwerpunkten Szenographie und Ausstellungsarchitektur in
Rosenheim. Nach dem Diplomabschluss arbeitete sie zunächst als freie
Innenarchitektin in München, bevor sie zur Spielzeit 2009/2010 als freie
Ausstattungsassistentin an das Volkstheater München ging. Von 2010 bis Anfang 2013
war sie Bühnenbildassistentin am Schauspiel Frankfurt. Seit 2013 ist sie freie Bühnen-
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und Kostümbildnerin. Es verbindet sie eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit der
Regisseurin Lily Sykes und dem Regisseur Robert Teufel u.a. am Schauspiel Frankfurt,
Nationaltheater Mannheim, Theater Osnabrück und am Stadttheater Bremerhaven.
III.e. Musiker
David Schwarz studierte Filmmusik an der Filmuniversität Potsdam-Babelsberg und
Jazz-Klavier bei Leonid Chizhik in München, Weimar und ebenfalls, gefördert durch ein
Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes, in Jerusalem.
Er lebt in Berlin und arbeitet als Multiinstrumentalist, Arrangeur und Komponist in
verschiedenen Projekten und Bands (Maren Montauk, Mr.Bugslow, Schwarz un
Schmitz).
Seine Filmmusiken u.a., »Reise zum Mars« von Sebastian Binder, wurden mehrfach
ausgezeichnet.
Als Theatermusiker, Schauspieler und Komponist wirkte er an div. Produktionen im
Schauspiel Frankfurt, Schauspielhaus Graz, Theater Oberhausen, Luzerner Theater, DNT
Weimar und Künstlerhaus Bethanien mit.
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IV. Figuren des Stücks
IV.a. Steckbriefe der Hauptfiguren
Name: Irina Blashko
Alter: 19
Beruf: möchte in ihrer Heimat später studieren
Heimatland: Ukraine, Kiew
Elternhaus: wohlhabend, Vater Professor; hat eine sehr fürsorgliche Mutter
Grund für die Gastarbeit: will ihr Englisch verbessern und die große romantische Liebe
finden, hat Sehnsucht nach dem Abenteuer
Beziehungen (zu anderen Personen): sie ist abgeneigt gegenüber Jola; findet Andrij
spannend, wobei in ihrer Beziehung eine Ambivalenz zwischen Zuneigung und
Abneigung aufgrund ihrer politischen Orientierung beständig ist
Sonstige Informationen: ihr Traum ist eine Schriftstellerkarriere; möchte einen
Abenteuerroman über die Reise nach Großbritannien schreiben; statt einem feinen
Gentleman, wie Mr. Brown aus ihrem Englischbuch „Let’s talk“, trifft sie auf den
Serbokroaten Vulk, einer äußerst zwielichtigen Gestalt; führt geistig Gespräche mit
ihrer Mutter und ihrer Lieblingslehrerin Miss Tyldesley; glaubt an englische Klischees;
hat auf ihrer Reise gelernt zu lügen; gegenüber Andrij behauptet sie in ihrer Heimat
einen Freund zu haben; sie ist von ihrem Elternhaus verwöhnt;
Name: Andrij Palenko
Alter: junger Mann
Beruf: Bergmann in Dombass
Heimatland: aus rückständischen östl. Teil der Ukraine, Donezk
Elternhaus: Sohn eines ukrainischen Bergarbeiters, der in einer Mine verstarb
Beziehungen (zu anderen Figuren): von Irina angezogen, aber ist ebenso verunsichert
durch ihre Intellektualität und Überheblichkeit gegenüber seiner politischen
Einstellung
Sonstige Informationen: Gegendemonstrant der „Orangen Revolution“; seine
Traumstadt ist Sheffield; eigene Frauenvorstellung, jedoch entspricht diese der Mrs.
Brown aus dem „Let’s talk“-Englischbuch, welches auch Irina liest; er möchte nicht
Bergmann bleiben; führt geistig Gespräche mit seinem verstorbenen Vater; gibt sich
die Schuld für den Tod seines Vaters; hatte eine ukrainische Freundin (Vagvaga
Riskegipd) und träumt noch von ihr; denkt, dass Irina Vorurteile gegenüber ihm hat;
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Name: Jola
Alter: 47
Beruf: in ihrer Heimat Lehrerin, dann Vorarbeiterin
Heimatland: Polen
Grund für die Gastarbeit: sie möchte zusätzlich Geld verdienen, um ihrem Sohn Mirek
einen besseren Lebensstandard ermöglichen zu können
Beziehungen (zu anderen Figuren): hat eine sexuelle Beziehung zu dem Besitzer der
Erdbeerplantage, Leapish, und betrügt dessen Frau Wendy mit ihm; hält nicht viel von
Irina, da sie in ihr nur die Attraktivität gegenüber Männern sieht; flirtet mit Tomasz
Sonstige Informationen: üppige Figur; zum siebten Mal in England und zum zweiten
Mal als Vorarbeiterin; merkt, dass sie zu alt für die Arbeit wird; versteht junge
Menschen nicht mehr; vulgärer Ausdruck; sehr selbstbewusst; kann nicht gut singen
Name: Marta
Alter: Mädchen
Heimatland: Polen
Grund für die Gastarbeit: verdient in Großbritannien mehr Geld und wurde von Jola
mitgenommen
Beziehungen (zu anderen Figuren): Nichte von Jola und mag ihre Tante
Sonstige Informationen: katholisch; kann gut kochen; spricht französisch; will
Vegetarierin werden
Name: Tomasz
Alter: 45
Beruf: Beamter und Dichter
Heimatland: Polen
Grund für die Gastarbeit: verdient in Großbritannien mehr Geld und wurde von Jola
mitgenommen
Beziehungen (zu anderen Figuren): in Jola verliebt
Sonstige Informationen: Bob-Dylan-Fan; spielt Gitarre; penetrant stinkende
Turnschuhe; hat sich selbst Englisch beigebracht; wird von Freunden Tomek genannt;
flirtet mit Jola; sexistisch
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Name: Emanuel Mwere
Alter: Teenager
Heimatland: Malawi
Elternhaus: wurde in einem Kloster groß gezogen; seine Eltern sind gestorben; sein
kleiner Bruder ist durch HIV gestorben
Grund für die Gastarbeit: will in Großbritannien seine Schwester finden
Beziehungen (zu anderen Figuren):
Sonstige Informationen: spricht nur Englisch; hat einen guten Freund, Toby McKenzie
in London; schreibt Briefe an seine Schwester; drückt sich gewählt aus und verwendet
bildhafte Sprache
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IV.b. Alle Beziehungen im Überblick
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Spielideen
- Nachdem die 6 Hauptfiguren des Stücks mit ihren Steckbriefen und
Beziehungen untereinander vorgestellt wurden, sollen die Schüler die
einzelnen Personen versuchen darzustellen. Am besten teilen Sie die Klasse in
6 Gruppen und jede übernimmt eine Figur. Sie sollen entwickeln und
gemeinsam entscheiden, wie diese Person geht, wie ihre Körperhaltung ist, ob
es weitere Besonderheiten gibt, sei es an der Körperhaltung oder soll sie
einen Tick haben oder beispielsweise immer Kaugummi kauen oder einen
Sprachfehler haben. Wie schaut die Figur? Ist sie beispielsweise sympathisch
oder wütend, genervt oder ängstlich? Zusätzlich soll die Gruppe sich einen
Satz für die Figur ausdenken, die sie sagen soll, es kann natürlich auch ein
Satz aus der folgenden Szene sein. Nacheinander stellen die einzelnen
Gruppen jetzt ihren Charakter vor, gehen gemeinsam als diese Person durch
den Raum, enden in einem freeze und ein Schüler sagt den Satz der Figur.
- Es bietet sich an, die erste Begegnung der sechs Hauptpersonen auf der
Erdbeerplantage von den Schülern darstellen zu lassen. Hier treffen alle
Charaktere aufeinander. Teilen Sie die Klasse in 5er Gruppen und lassen Sie
die Schüler diese Szene erarbeiten. Die Figuren wurden ja vorher bereits
gezeigt. Die Jugendlichen können die Figurenerarbeitung der anderen
übernehmen, aber auch gern noch erweitern. Wer ist zuerst auf der Szene, wie
stehen die Spieler zueinander, wer mag sich, wer nicht, wer lernt sich jetzt
erst kennen, wer ist dem anderen gegenüber schüchtern oder arrogant und
aus welchem Grund? Diese und weitere Fragen können Sie den Gruppen dabei
mit in die Probenarbeit reingeben. Im Anschluss präsentieren die Gruppen ihre
erarbeiteten Szenen. Wie unterscheiden sich die Szenen trotz gleichen Textes?
Was ist vielleicht auch bei allen gleich? Und was könnte man verbessern,
damit Inhalte der Szene noch deutlicher werden?
SZENE 3. EIN ERDBEERFELD IN KENT, ENGLAND.
JOLA, MARTA, TOMASZ, EMANUEL, IRINA
IRINA
Guten Tag. Ich heiße Irina Blashko.
JOLA
Eine Rote-Beete Esserin?
IRINA
Ich komme aus Kiew, wenn Sie das meinen.
JOLA
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Der Höhepunkt der ukrainischen Zivilisation war die kurze Zeit unter polnischer
Herrschaft.
Ich bin Jola, aus Polen. Lehrerin. Und hier – Vorarbeiterin.
TOMASZ schüttelt ihr die Hand.
TOMASZ
Tomasz, auch aus Polen. Beamter und Dichter.
IRINA rümpft die Nase.
IRINA
Was ist dieser - ?
JOLA
Tomasz, deine Schuhe stinken sogar draußen.
TOMASZ
Ja, schöne Jola.
JOLA
Das ist Marta aus Polen. Meine Nichte. Sie spricht ein bisschen Französisch und ist
katholisch. Und kocht ganz gut.
MARTA
Hallo.
Und Emanuel aus Malawi. Er ist auch neu. HE – IS – NEW. Flüstert: Er spricht leider nur
Englisch. So ist es oft bei den.... du weißt schon
EMANUEL
Ich grüße Sie herzlich, schönes Fräulein!
TOMASZ, EMANUEL gucken zu wie JOLA und MARTA IRINA den Frauenwohnwagen zeigen.
MARTA
Ta-da. Caravan
IRINA
Mhm.
MARTA
Du schläfst da.
IRINA
Auf dem Boden? Und wo ist das Badezimmer? Ich bin, nach meiner ausgesprochen
langen und schwierigen Reise, nass geschwitzt.
JOLA
Das Badezimmer? Direkt neben dem Dienstbotenhaus natürlich
MARTA
Da. Abends ist das Wasser fast warm. Andrij hat für uns sogar einen Sichtschutz aus
Birkenästen und Plastiksäcken gebaut.
Und pass auf mit deiner Unterwäsche. Neulich ist unter mysteriösen Umständen eine
Unterhose von Jola verschwunden. Einfach so. Wie von Zauberhand
JOLA
Zauberhand, so so…
IRINA
Andrij? Wer ist denn Andrij?
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IV.c. Die Orange Revolution / Irina-Andrij-Beziehung
Die „Orange Revolution“ fand im Jahr 2004 während der Präsidentschaftswahlen in der
Ukraine statt. Bei diesen Wahlen standen sich im Wesentlichen zwei Kandidaten
gegenüber: Wiktor Andrijowytsch Juschtschenko und Wiktor Janukowytsch.
Juschtschenko war von Dezember 1999 bis Mai 2001 Ministerpräsident und später von
Januar 2005 bis Februar 2010 Präsident der Ukraine. Jedoch wurde er erst nach
wiederholter Wahl, 2005 Ministerpräsident, aufgrund von Fälschungen der
Wahlergebnisse auf beiden Seiten der Kandidaten. Juschtschenko galt bei der Wahl
eher als westlich orientiert, da er ebenfalls Vertreter des Blocks „Unsere Ukraine“,
einem konservativ orientierten Parteienbündnisses, war. Janukowytsch, als östlich
orientierter Wahlkampfkandidat, wurde zunehmend von der russischen Seite
unterstützt, und strebte im damaligen Wahlkampf die Anschließung der Ukraine an
Russland an.
Eben diese Wahlbetrüge, die während Richtwahl für eine West- oder Ostorientierung
der Ukraine stattfanden, führten zu der „Orangen Revolution“. Im ersten Wahlgang am
31.10.2004 bekam kein Kandidat, der 24 Angetretenen, die absolute Mehrheit, wobei
Juschtschenko 39,87% und Janukowytsch 39,32% erreichten. Bereits dieses Ergebnis
wurde von Bürgern und Wahlbeobachtern als unglaubwürdig betrachtet. Die Proteste
begannen nach der zweiten Wahlrunde, einer Stichwahl zwischen Juschtschenko und
Janukowytsch. Dabei unterschieden sich die offiziell geschätzten Wahlergebnisse
deutlich von den Nachwahlbefragungen. Sogenannte Exit Polls (Bezeichnung für das
Befragen der Wähler am Wahltag beim Verlassen des Stimmlokals nach ihrer
Stimmabgabe) und Vorwahlumfragen rechneten Juschtschenko einen elfprozentigen
Vorsprung zu. Gleichzeitig wurde Janukowytsch seitens der Amtsresultate ein
dreiprozentiger Vorsprung zugerechnet. In Janukowytsch Wahlkreisen beriefen sich die
Beteiligten auf die ihrerseits günstigeren Wahlergebnisse. Die Anhänger
Juschtschenkos und Beobachter der OSZE meldeten den Wahlbetrug. Andere
Beobachter, z.B. Anhänger der EMO und BHHRG, stellten Wahlverstöße fest, welche
jedoch nicht das Wahlergebnis ernsthaft beeinträchtigten, da sie von beiden Seiten
ausgingen.
Am 22. November demonstrierten mehr als 100.000 Menschen auf dem Maidan. Einen
Tag später folgten massive Proteste und Demonstrationen in westlichen Städten der
Ukraine, vor allem auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew und vor dem ukrainischen
Parlament. Zunächst wurde jedoch Janukowytsch offiziell als Wahlsieger bestätigt
woraufhin Juschtschenko beschloss dessen Regierung mit Generalstreiks, Blockaden
und Sitzblockaden zu behindern.
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Das Oberste Gericht der Ukraine befasste sich mit den vorgetragenen Vorwürfen der
Wahlfälschungen und erklärte am dritten Dezember die Stichwahl, also den zweiten
Wahltag für ungültig, weshalb eine zweite Stichwahl am 26.12.2004 stattfand. Aus
dieser ging dann letztendlich Juschtschenko als Wahlsieger hervor und blieb dann bis
Februar 2010 Präsident der Ukraine. Somit konnte sie zumindest für diesen Zeitraum
ihre westliche Orientierung, entgegen einer möglichen Anschließung an Russland,
durch den östlich orientierten Vertreter Janukowytsch, bewahren.
Bezug zum Stück:
Andrij und Irina fühlen sich einander sehr stark angezogen. Jedoch vertreten sie zu
großen Teilen während ihrer Dialoge verschiedene Meinungen. Direkt zu Beginn des
Stückes stellt sich heraus, dass beide in Kiew auf dem Maidan-Platz an den
Freiheitsdemonstrationen teilgenommen. Irina stand dabei auf der westlich
orientierten Seite und kämpfte für die Freiheit der Ukraine von der russischen
Vorherrschaft. Andrij vertrat jedoch die Gegenseite und verlor dementsprechend die
Demonstration.
Ausschnitte aus dem Stück zu diesem Thema
SZENE 5. DRAUSSEN VOR DEM CARAVAN.
Draußen vor dem Wohnwagen.. Andrij wartet vor der Toilette. Irina kommt heraus.
ANDRIJ
Hallo. Pause. Sie schaut auf den Boden. Ukrainka?
IRINA
Natürlich.
ANDRIJ
Ich auch.
IRINA
Das sehe ich.
ANDRIJ
Wie heißt du?
IRINA
Irina.
Pause
ANDRIJ
Andrij.
Pause
ANDRIJ
Aus Kiew?
IRINA
Natürlich.
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ANDRIJ
Donezk.
IRINA
Ah, Donezk. Bergbau.
ANDRIJ(kurz irritiert)
Warst du mal in Donezk?
IRINA
Nein.
ANDRIJ
Ich bin in Kiew gewesen.
IRINA
Wirklich?
ANDRIJ
Als die ganzen Demonstrationen waren.
IRINA
Bist du wegen der Demonstrationen gekommen?
ANDRIJ
Ja ich war wegen der Demonstrationen da.
IRINA
Ah. Natürlich.
ANDRIJ
Vielleicht habe ich dich gesehen. Warst du da?
IRINA
Natürlich. Auf dem Maidan-Platz.
ANDRIJ
Bei der Demonstration?
IRINA
Natürlich. Es war unsere Freiheitsrevolution. Der Kampf für die Freiheit von der
russischen Vorherrschaft.
ANDRIJ
Ich war auf der anderen Seite. Die russische Seite.
IRINA
Die Verlierer. Halt. Viel Spaß.
Irina geht weg, Andrij zur Toilette.
SZENE 22. IM WOHNWAGEN
IRINA
Woran denkst du?
ANDRIJ
Weißt du, Irina. Die Revolution. Das war auch wegen Gier. Wenige Geschäftsleute haben
ganzes Volksvermögen in Hände gekriegt. Jetzt wollen sie an Westen verkaufen.
IRINA
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Andrij, du redest vollkommenen Quatsch!
ANDRIJ
Das ist kein Quatsch, Irina. Du weißt nichts vom Leben bei uns im Osten.
IRINA
Ich weiß sehr wohl, was gut für die Ukraine ist, Andrij, und die russische Vorherrschaft
gehört nicht dazu.
ANDRIJ
Es geht nicht um Beherrschung, sondern um wirtschaftliche Integration, Irina. Die
ukrainische und die russische Wirtschaft sind eins gewesen. Ohne Russland bricht die
ukrainische Industrie zusammen.
IRINA
Andrij, Russland hat die Ukraine unter den Zaren ausgeraubt, dann während des
Kommunismus und jetzt unter dem Mäntelchen der wirtschaftlichen Integration. Es ist
nur ein anderer Name für die gleiche Sache.
ANDRIJ
Irina, die Leute, die die Ukraine ausgeraubt haben, waren hauptsächlich unsere eigenen
Landsleute.
Wusstest du das, als sie die Minen im Donbass geschlossen haben, kamen Hilfsgelder
aus Europa für die Bergleute, um neue Industrien anstelle der alten aufzubauen. Und
was ist passiert? Das ganze Geld ist in die Taschen der Beamten geflossen. Vor lauter
Verzweiflung sind die Bergleute auf eigene Faust in die Gruben runter und haben die
Kohle mit der Hand abgebaut. Kannst du dir die Zustände vorstellen? Kannst du dir das
auch nur einen Moment lang vorstellen?
IRINA
Du brauchst nicht so zu schreien.
ANDRIJ
In einer dieser Minen ist mein Vater gestorben!
IRINA
Oh, Andrij! Oh, warum hast du mir das nicht früher erzählt? Pause Es tut mir so leid. Es
tut mir schrecklich leid.
ANDRIJ
Es ist ja nicht deine Schuld, Irina. Bitte, wein doch nicht. Du hast ihn ja nicht
umgebracht. Pause
IRINA
Erzähl mir von Sheffield.
ANDRIJ
Schließ die Augen.
IRINA
Ok....
ANDRIJ flüstert IRINA zu. Auftritt MARTA/TOMASZ/JOLA. Sie singen über Hoffnung.
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SZENE 26. DER FRIEDENSGARTEN.
ANDRIJ
Wohin gehen wir?
IRINA
Ich weiß nicht. Wo möchtest du hin?
ANDRIJ
Ich weiß nicht
Pause
IRINA
Andrij? Denkst du an Hund? ANDRIJ nickt. Sei nicht traurig. Jetzt hast du mich.
Komm, Andrij! Sei nicht traurig! Auch wenn er wirklich ein toller Kerl war, er war
trotzdem nur ein Hund.
ANDRIJ
Mein Vater ist gestorben....
IRINA
Aber du lebst, Andrij. Daran solltest du denken.
ANDRIJ
Das tue ich auch. Und dann frage ich mich, warum ich überlebt habe und er sterben
musste.
IRINA
Du bist nicht schuld an seinem Tod, Andrij. Glaubst du, er würde wollen, dass du immer
traurig bist, dass du immer über der Vergangenheit brütest? Die Zukunft wird anders.
ANDRIJ schüttelt den Kopf.
IRINA
Andrij…
ANDRIJ
Was?
IRINA
Deine Cappi geht wirklich gar nicht.
ANDRIJ
Und wenn schon. Du hältst dich immer mit oberflächlichen Dingen auf.
IRINA
Und du redest wie ein Bergmann aus dem Donbass. Heiliger Bimbam! Heiliger
Strohsack!
ANDRIJ
Und wenn schon. Muss ich mich deswegen schämen? Jetzt klingst du wie ein
bürgerliches Schulmädchen.
IRINA
Und wenn schon.
ANDRIJ
In diesem Fall, muss ich dich wohl umerziehen.
IRINA
Niemals!
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ANDRIJ
Ich fange gleich an. Du Schulmädchen.
IRINA
Bergmann! Du und deine Sowjet-Propaganda.
ANDRIJ
EU - revoluzzerin.
IRINA
Ich begann über die Geschichte nachzudenken, die ich schreiben würde, wenn ich
wieder in Kiew war. Es sollte eine Liebesgeschichte werden, ein großer Roman, nichts
Albernes, Belangloses. Das Ganze würde vor dem Hintergrund der Orangen Revolution
spielen. Die Heldin wäre eine schneidige Freiheitsaktivistin, und der Held käme von der
anderen Seite aus dem sowjetischen Osten. Aber die Liebe zur schönen Heldin würde
ihm die Augen öffnen, und er würde endlich die wahre Bestimmung seines Landes
erkennen. Er wäre sehr leidenschaftlich und schön, mit braungebrannten muskulösen
Armen; ja, er wäre Andrij ziemlich ähnlich. Vielleicht hätte er einen Hund.
Spielideen
- Besonders die erste Szene, in der Andrij und Irina sich kennenlernen eignet
sich, um sie von den Schülern darstellen zu lassen. Die Figuren wurden ja
weiter oben bereits näher vorgestellt. Lassen Sie die Schüler mit diesem
Wissen (oder wenn Sie unsere Inszenierung schon gesehen haben, kennen die
Schüler ja bereits die Figuren) jeweils zu zweit diese Szene erarbeiten. Wie
verhalten sich die Figuren bei ihrer ersten Begegnung, wie distanziert oder wie
freundlich sind Sie dem anderen gegenüber? Anschließend lassen Sie die
Gruppen die Szenen präsentieren.
- In welchen Aussagen finden sich die politischen Standpunkte der beiden
Charaktere besonders deutlich wieder? Sammeln Sie diese und versuchen Sie
dann diese politischen Aussagen mit Emotionen zu unterlegen. Lassen Sie die
Schüler in Gruppen unterschiedliche Emotionen dazu ausprobieren - inwiefern
verstärkt, verharmlost oder verändert in anderer Weise eine Emotion die
Aussagen?
- Wenn Sie bereits unsere Vorstellung gesehen haben: Wie stellen wir die beiden
Figuren dar? Wie ist ihre Körperhaltung, wie bewegen sie sich, wie sprechen
sie miteinander, wie sind sie auf der Bühnen positioniert? Und wie werden die
politischen Stellungen von Irina und Andrij gezeigt, welche Merkmale, Gesten
und weitere Effekte unterstützen ihre Ansichten? Sammeln Sie die Antworten
darauf und erarbeiten Sie, wie unterschiedlich oder wie ähnlich die Schüler auf
das Gezeigte reagieren und die Darstellung empfinden.
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V. Weitere Themen & Hintergrundinformationen
V.a. Ursachen für Migration in modernen Gesellschaften
Als Gründe für die Migration in modernen Gesellschaften können auf beiden Seiten,
sprich im Herkunfts- und im Migrationsland, Faktoren wirken. Es wird zwischen den
push-Faktoren und pull-Faktoren unterschieden. Daher wird diese Theorie als das Push-
und Pull-Modell bezeichnet. Push-Faktoren sind die der Vertreibung und lassen sich im
Herkunftsland wiederfinden. Pull-Faktoren wiederum stellen Anziehungsfaktoren auf
der Seite des Migrationslandes dar. Wichtige push- und pull-Faktoren finden sich auf
dem Arbeitsmarkt wieder. Dort werden die Beschäftigungssituation (z.B.
Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung im Herkunftsland) und die
Einkommenssituation (höhere Löhne in der Zielregion) auf beiden Seiten betrachtet.
Zentral hierbei wirken die Arbeitsmarktungleichgewichte, die zum Aufbruch in eine
neue Gesellschaft führen. Das Modell wird zudem um die Informationshypothese
erweitert. Neben den ökonomischen Faktoren spielen persönliche Gründe eine noch
wichtigere Rolle. Beziehungen zu Verwandten und Bekannten, die bereits
ausgewandert sind und Informationen über die Zielregion, also sogenannte
Informationskanäle, wirken umso stärker und sind somit ausschlaggebend. Häufig sind
die Informationen zur Zielregion nicht realistisch, weshalb eine Art Mythos entsteht,
der die Menschen verführt und auch beinhalten kann, dass die Auswanderer zwar
andere Verhältnisse in der neuen Region vorfinden, aber stets keine besseren.
Zur weiteren Erläuterung der Gründe für Migration in modernen Gesellschaften gibt es
vier Hauptbereiche in denen Frustrationen und Unzufriedenheit Anlass zur
Auswanderung geben können:
1. Die physische Existenz des Wanderers und seiner Familie ist nicht mehr
gesichert.
2. Die institutionelle Struktur kann die materiellen, insbesondere ökonomischen
Ziele nicht mehr gewährleisten.
3. Der politisch-ideologische Bereich (mangelnde Identifikation und Solidarität mit
den Werten bzw. Mitgliedern der Gesellschaft; Flüchtlinge und Emigranten)
4. Lebensvorstellungen können nicht verwirklicht werden.
Dabei ist wichtig zu beachten, dass ein solcher Wanderungsprozess immer beide
Gesellschaften betrifft und die Wandernden auch beide Gesellschaften in gewisser
Weise widerspiegeln. Arbeitsmigration kann letztendlich als Ergebnis sozialer
Vergleichssituationen verstanden werden.
Quelle: Annette Treibel „Migration in modernen Gesellschaften – Soziale Folgen von Einwanderung,
Gastarbeit und Flucht“, Juventa Verlag Weinheim und München, völlig neubearbeitete und erweiterte
Auflage 1999
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Fragen an die Schüler zu diesem Thema:
- Betrachtet nun erneut die Figuren im Stück. Bei wem findet ihr, auf welchen
Ebenen, die Frustrationen? Bei wem werden die Push- und Pull-Faktoren
besonders deutlich?
- Was müsste passieren, damit ihr, wie die Personen in dem Stück, alles hinter
euch lasst und unter derartigen Arbeitsverhältnissen leben würdet? Welche
Gründe erscheinen euch am wichtigsten/sinnvollsten?
- Generell: In welches Land würdet ihr auswandern und warum? Was verbindet ihr
mit bestimmten Ländern und treffen diese Merkmale eines Landes zu? Versucht
über Internetrecherche dies herauszufinden. Ihr könnt auch in Gruppen ein
Werbespot für euer Lieblings-Auswandererland erstellen, beispielsweise für die
USA oder für Neuseeland oder Kanada (die sind bei Deutschen sehr beliebt).
Übertreibt gern dabei, wie toll euer Land ist, probt euren Spot und stellt ihn
dann den anderen vor. Einige kennen bestimmt die TV-DokuSoap ‚Goodbye
Deutschland – Die Auswanderer‘ oder haben Bekannte, die ausgewandert sind.
Hier haben die Menschen bestimmte Erwartungen an ein Land, die oft nicht
erfüllt werden können. Wie kommen diese hohen Erwartungen zustande und
warum versprechen sich diese Menschen im Ausland ein besseres Leben?
-
V.b. Flüchtlingszuwanderungen in Deutschland
Quelle: Wikipedia
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Offene Fragen an die Schüler zu dem Thema:
- Kennt ihr andere Branchen, als die im Stück dargestellten, in denen Gastarbeiter
eingesetzt werden? Wenn ja, welche?
- Gibt es für bestimmte Länder typische Produktionsbereiche, für die die
Menschen arbeiten?
- Kennt ihr bereits Schicksale wie die von den Personen Dargestellten im Stück?
- Was bekommt ihr von den Zuwanderungen des letzten Jahres mit? Kennt ihr
Personen, die nach Deutschland eingewandert sind oder habt bereits
Erfahrungen mit Asylbewerbern gemacht?
- Wenn ihr Asylbewerber kennen gelernt habt; sind ihre Schicksale vergleichbar
mit denen aus „Caravan“?
Sammelt die Ergebnisse eurer Erfahrungen und eurer Gefühlen zu der momentanen
Flüchtlingssituation in Deutschland und diskutiert über sie. Im folgenden Text wird die
Situation in Münster dargestellt. Auch hierrüber sollen die Schüler diskutieren und
reflektieren, um dann gemeinsam zu entscheiden, wie sie vielleicht damit umgehen
können bzw. speziell den Asylbewerbern in Münster helfen können. Auch hierzu folgt
ein Text mit Beispielen.
V.c. Flüchtlinge und ihre Situation in Münster
Auch in Münster ist das Thema der Flüchtlinge momentan sehr zentral! Auch hier
müssen die ankommenden „Massen“ an Migranten bewältigt werden. Dazu gibt es
beispielsweise in der Oxford-Kaserne im Stadtteil Gievenbeck eine
Erstaufnahmeeinrichtung. Dort finden bis zu 300 Flüchtlinge Raum, um ihre ersten
Wochen in Münster verbringen zu können. Weitere Kapazitäten bieten die
Wartburgschule mit 310 und die ehemalige York-Kaserne am Albersloher Weg mit
1.000 Plätzen. Es wird ihnen dort die Möglichkeit geboten, sich zu orientieren, um dann
später in Flüchtlingsunterkünfte innerhalb der einzelnen Stadtteile Münsters
einzuziehen. Eine neue, recht zentrale Einrichtung ist das ehemalige Finanzamt in der
Münzstraße, in welchem bis zu 150 Personen unterkommen sollen. Insgesamt gibt es
bereits fünf Unterkünfte, es ist jedoch eine Erweiterung auf bis zu 19 geplant, die unter
folgendem Link eingesehen werden kann:
http://www.stadt-muenster.de/zuwanderung/konzepte-in-der-
fluechtlingsarbeit/fluechtlingsunterkuenfte.html
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Diese und weitere Notunterkünfte werden mit großem Engagement durch vier große
Hilfsorganisationen unterstützt:
- der Arbeitersamariterbund
- das DRK
- die Malteser und
- die Johanniter
Insgesamt müssen laut letztem Stand von Dezember 2015 allein in Münster etwa 4.700
Flüchtlinge versorgt werden. Im Jahr 2014 waren es gerade einmal 1.500.
Deutschlandweit gab es im Jahr 2013 127.023 Asylanträge, fast 50.000 mehr als im
Vorjahr. 2014 stieg die Zahl auf 202.645; dies stellte 32,4% der in der EU gestellten
Asylanträge dar. 2015 dramatisierte sich die Situation: es gab 1.091.894 neue
Asylanträge laut des EASY (Erstverteilung der Asylbegehrenden). Beachtet werden
muss hierbei, dass durch den enormen Zuwachs und die somit gegebene
Unübersichtlichkeit, es in Einzelfällen zu Fehl- bzw. Doppelerfassungen gekommen sein
kann. Laut Frank-Jürgen Weise gab es in demselben Jahr 290.000 nicht registrierte
Flüchtlinge und Migranten in Deutschland. Das sind mehr Personen, als insgesamt im
Jahr 2014 Asylanträge gestellt haben. Für dieses Jahr gibt es nur vage Prognosen, was
die Anzahl an Asylanträgen angeht. Es wird sich auf einen Bereich zwischen einer und
drei Millionen Flüchtlingen geeinigt. (Quelle Wikipedia)
Doch wie kann man mit dieser rasant steigenden Zahl umgehen? Welche
Möglichkeiten gibt es zu helfen? Wie könnt ihr in Münster vor Ort helfen??
Auch andere Schüler haben sich Gedanken zu diesem Thema gemacht und die
Jugendorganisation „Youth of Integration“ gegründet. Sie ist für Flüchtlinge bestimmt
und arbeitet mit ihnen zusammen. Ihren Ursprung findet die Organisation in
Altenberge im Münsterland. Die Schüler erreichen durch ihre Treffen Folgendes:
- Berührungsängste verlieren
- Freundschaften schließen, neue Leute kennenlernen
- Angebot von Sprachkursen
- gemeinsames Kochen
- gemeinsames Spielen (z.B. Fußball)
Jeder kann sich an diesem Projekt beteiligen und die Organisation ist sehr einfach über
die sozialen Netzwerke zu finden. Zudem nehmen sie gerne Spenden an. Ihre Gründer
bzw. Hauptmitwirkenden Lennart Nieweler, Sönke Ziviv und Sven Tetzlaff haben es mit
ihrem Projekt geschafft mehrere Preise zu gewinnen.
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Und wenn man sich keiner Organisation zuwenden möchte, so kann man auch als
Einzelperson Flüchtlingen in Münster helfen! Jeder kann helfen, indem er Kleidung,
Spielsachen und andere Dinge, die er nicht mehr braucht, spendet. Auch ganz banale,
alltägliche Dinge, wie Zahnbürsten werden gebraucht, denn auch mit solch kleinen
Spenden, kann Großes bewirkt werden. Ebenfalls ist es möglich, einfach auf die Leute
zuzugehen und beispielsweise etwas mit ihnen zu unternehmen. Neben „Youth of
Integration“ gibt es noch andere Organisationen, die man unterstützen kann, vielleicht
eben diese vier, die auch die Notunterkünfte versorgen. Oder auch die „Flüchtlingshilfe
Münster Ost“ betreibt mehrere Flüchtlingsunterkünfte. Wer in seiner Freizeit mehr Zeit
mit Flüchtlingen verbringen möchte, kann ihnen auch Nachhilfe geben, damit sie
schneller fähig sind, Deutsch zu sprechen. Elementarunterricht wird auch in anderen
Fächern wie Mathematik oder Englisch benötigt. Grundsätzlich gibt es sehr, sehr viele
Möglichkeiten zu helfen und wenn man nicht weiß, wo man anfangen soll, so kann
man sich bei der Stadt oder bei den Hilfsorganisationen informieren, welche Form der
Hilfe gerade am Nötigsten ist.
Quelle: http://www.stadt-muenster.de/sozialamt/fluechtlinge/landeseinrichtungen.html
V.d. Gastarbeiter in Münster & Münsterland
Wir haben recherchiert, ob es in Münster bzw. im Münsterland Arbeitgeber gibt, die wie
im Roman sowie in unserem Theaterstück Gastarbeiter beschäftigen und dabei gegen
Arbeitnehmerrechte verstoßen. Wir sind fündig geworden!
Die in Caravan dargestellten Arbeitsverhältnisse tauchen ganz in der Nähe, ja sogar in
Münster, auf. Für die Westfleisch e.G. (die sämtliche Supermarktketten mit
Fleischprodukten beliefert und mehrere Subunternehmen besitzt) werden in Münster
die Mitarbeiter unter anderem an der Brüningheide im Stadtteil Kinderhaus
untergebracht. Ebenfalls lässt sich an der Kleimannbrücke eine illegale Bleibe
vorfinden. Von außen kann man nicht erahnen, wer in diesen Häusern lebt, da es keine
Briefkästen gibt, an den Klingelschildern keine Namen eingetragen sind und auf ein
Klingeln die Tür nicht geöffnet wird. Aufmerksam geworden auf die illegale
Unterbringung sind die Behörden nur dadurch, dass die besagten Wohnungen
öffentlich gefördert werden, weshalb sie gar nicht an Leiharbeitsfirmen vermietet
werden dürfen. Fakt ist, dass das Anmieten dieser Wohnmöglichkeiten dazu dient, die
Arbeiter aus Osteuropa, die für, in diesem Fall, die Westfleisch e.G. arbeiten,
unterbringen zu können. Laut Amt für Wohnungswesen dient eine 3-Zimmer-Wohnung
dort für bis zu 10 Personen als Wohnstätte. Die Bewohner kommen vorrangig aus
Polen und Rumänien. Westfleischs Reaktion zu diesen Erkenntnissen der Münsterschen
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Zeitung fiel folgendermaßen aus: „Im Vordergrund scheint hier möglicherweise eine
nicht verordnungsgemäße Nutzung von Räumlichkeiten zu stehen. Diese ist zwischen
Vermieter und Kommune zu klären“. Jedoch wird vom Gesetzgeber nicht eindeutig
dargelegt, wie die Stadt gegen dieses Unterfangen vorgehen kann, weshalb
mindestens 20 Sozialwohnungen in Münster noch an Leiharbeitsfirmen vermietet
werden.
Quelle: Münsterland Zeitung vom 02.08.2013
Offene Fragen an die Schüler zu dem Thema:
- Wusstet ihr von solchen Beispielen?
- Wisst ihr, wen die Westfleisch e.G. beliefert? Habt ihr überhaupt bereits von
diesem Betrieb gehört?
Arbeitsaufträge für die Schüler:
- Informiert euch über die Westfleisch e.G.
- Kennt ihr andere Unternehmen? Wenn ja, untersucht auch diese. Oder sucht
welche heraus, von denen vielleicht bereits bekannt ist, dass sie Gastarbeiter
beschäftigen.
Wenn Sie/ihr sich/euch noch weiter für das Thema interessieren sind hier noch ein
paar weitere Links zu Artikeln, die über den Raum Münster hinausgehen:
Zum Thema konventionelle Schlachtung:
http://www.tierschutz.cc/dachverband/docs/aussendungen/aus114.html
Eine Dokumentation über Gastarbeiter im oldenburgischen Münsterland von der ARD
produziert heißt: „Lohnsklaven in Deutschland "Miese Jobs für billiges Fleisch" Die
Story“
Über chinesische Gastarbeiter in England:
http://www.zeit.de/2004/15/Sklavenwirtschaft