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  • Universitt ZrichInstitut fr PolitikwissenschaftAbteilung Internationale BeziehungenSeilergraben 498001 Zrich

    Handout zum KolloquiumGeographie des Politischen

    Zbigniew BrzezinskisDie einzige Weltmacht

    Amerikas Strategie der Vorherrschaft

    Zrich, 8. Februar 2006

    Can Gnes DenizRoth-Str. 588057 [email protected] 361 02 88

    Wintersemester 05/06Kolloquium

    Geographie des PolitischenMichael Herrmann

    Heiri Leuthold

    Hauptfach: Politikwissenschaft1. Nebenfach: Vlkerrecht

    2. Nebenfach: Allg. Staatsrecht

  • 1Wikipedia zur Person

    Zbigniew Brzezinski, geboren am 28. Mrz 1928, ist einpolnisch-amerikanischer Politikwissenschaftler und gilt nebenHenry Kissinger und Samuel P. Huntington als graueEminenz unter den US-amerikanischen Globalstrategen. Von1977 bis 1981 war er Sicherheitsberater von US-PrsidentJimmy Carter. Heute ist er Professor fr AmerikanischeAuenpolitik an der Johns-Hopkins-Universitt in Baltimore,Berater am "Zentrum frS t r a t e g i s c h e u n dInternat ionale Studien"(CSIS) in Washington D.C.und Verfasser von politischen

    Sachbchern. Daneben bettigt er sich als Beraterfr mehrere groe amerikanische und internationaleUnternehmen.1

    Ziel und Zweck des Buches

    Mit den Ausfhrungen in seinem Buch verfolgt Brzezinski das Ziel, fr die USA imHinblick auf Eurasien eine umfassende und in sich geschlossene Geostrategie zuentwerfen. (Brzezinski 2003:16)

    Der Zweck Brzezinskis Geostrategie ist die Schaffung eines kurz-, mittel- undlangfristigen Handlungsleitfadens zum Erhalt der US-amerikanischenVormachtstellung im Kampf um die globale Vorherrschaft und somit der ErhaltAmerikas Schiedsrichterrolle in einem globalen Gleichgewicht.

    Brzezinski entwirft eine Geostrategie, indem er die nach dem Ende des KaltenKrieges grundlegend vernderte Weltlage mit einem Fokus auf Eurasien beschreibt,die aus heutiger Sicht geostrategisch relevanten Regionen und Akteure ausmacht,um die Ambitionen letzterer in diesen Regionen zu erahnen und aus diesenangemessene Handlungsanweisungen fr die USA abzuleiten.

    Der Kontext, worin Brzezinskis Geostrategie Anwendung finden soll, ist der macht-und geopolitische Kampf um die globale Vorherrschaft zwischen den geostrategischaktiven Mchten, welche um die Ausdehnung ihrer Einflusssphren ringen.

    Amerikas Weg zur einzigen Weltmacht

    Der Bedarf fr eine neue amerikanische Geostrategie ergibt sich fr Brzezinski ausder grundlegend vernderten Weltlage, welche der Zerfall der Sowjetunion (imFolgenden SU) und das pltzliche brig bleiben der USA als einzige Weltmachtgeschaffen hat. Im Folgenden ein kurzer, historischer berblick durch die Brille desGeostrategen, ausgehend vom Ersten Weltkrieg, ber den Zweiten Weltkrieg hinzum Kalten Krieg und dessen Ende, um den Pfad aufzuzeigen, aus welchem dieseneue, unipolare Weltlage entsprang:

    1 Wikipedia die freie Enzyklopdie. Online in Internet:http://de.wikipedia.org/wiki/Zbigniew_Brzezinski. [Stand: 8.2.2006].

    Geopolitik (Duden):Wissenschaft von der Einwirkung

    geographischer Faktoren aufpolitische Vorgnge und Krfte

    Geostrategie (Brzezinski):Der strategische Umgang mit

    geopolitischen Interessen

  • 2Aufgrund des selbstzerstrerischen Charakters des Ersten Weltkrieges, und derUnfhigkeit der europischen Staaten, sich in diesem Krieg entscheidenddurchzusetzen, fhrten dazu, dass die europischen Staaten in ihrer bisher dieWeltpolitik gestaltenden Rolle geschwcht wurden, ohne jedoch gnzlich alsHauptakteure zu verschwinden. Die USA hingegen signalisierte mit ihrem Eintritt inden Ersten Weltkrieg, dass nun ein neuer Hauptakteur auf der internationalen Ebenemitspielte.

    Der Zweite Weltkrieg, welcher eigentlich der erste echte Weltkrieg auf dreiKontinenten und zwei Ozeanen war, besiegelte das Ende der europischenVorherrschaft vollends. Anstelle der alten, europischen Grossmchte traten nunzwei aussereuropische: Die US und die SU. Nun waren sie die unbestrittenenHauptakteure in der nunmehr bipolaren Weltordnung.

    Der Kalte Krieg war vom Wettstreit dieser beiden Pole, der USA mit der SU, um dieglobale Vormachtstellung bestimmt. Es stand sich die grsste Seemacht, die USA,den grssten Landmchten, der SU und der Volksrepublik China gegenber. Espokerte Nordamerika gegen Eurasien und im Jackpot lag die Welt. Dieisolationistische Aussenpolitik Amerikas wich nun endgltig der global angelegtenEindmmungspolitik gegen die SU. Von nun an galt es fr beide Seiten auf derganzen Welt fr die Vorteile ihrer Ideologien zu werben, um die eigeneEinflusssphre auszubauen. Dies durchaus nicht nur mit Propagandaprogrammen,sondern auch Stellvertreterkriegen. Der Absolutheitsanspruch beider Seiten, welchesich von der jeweiligen Gegenseite in ihrer Existenz bedroht fhlten, gab demideologischen Kampf eine Intensitt, welche an das Zeitalter der Glaubenskriegegemahnte. (Brzezinski 2003:21)

    Brzezinski nennt die folgenden Grnde, weshalb die SU scheitern musste undweshalb whrend dem Kalten Krieg die Zeit fr die USA spielte, solange keinatomarer Krieg ausbrach und die USA in ihrer Eindmmungspolitik bestndigblieben:

    - Der sowjetische Einmarsch in Afghanistan 1979 fhrte zu zehn zermrbendenKriegsjahren, welche der SU enorme personelle, materielle und ideologischeRessourcen kostete und letztendlich in deren Zusammenbruch mndete. Die USAdagegen untersttzten whrenddessen einerseits die afghanischen Mudjahedin unddie Taliban und steigerten andererseits ihre Militrprsenz im Persischen Golf.

    - Whrend die von den USA angefhrte Koalition ihre Geschlossenheit bewahrenkonnte, brach der chinesisch-sowjetische Block in weniger als zwei Jahrzehntenauseinander. (Brzezinski 2003:23) Als die USA in den Reihen ihrer allseitsgeschwchten Vasallen keine bedrohliche Auflehnung frchten musste, entferntensich von der SU in erster Linie das starke China, aber auch die Ukrainer, Georgier,Armenier und Aserbaidschaner ideologisch und politisch immer weiter und warennicht mehr bereit, sich als untergeordnete Macht behandeln zu lassen. (Brzezinski2003:23)

    - Zudem konnte die Planwirtschaft der SU mit dem aus der Mischung von Demokratieund Marktwirtschaft beflgeltem Wirtschaftswachstum und Militrtechnologie auflange Dauer nicht mehr mithalten und ihrem wirtschaftlichen Niedergang folgte dieideologische Demoralisierung und Delegitimierung.

  • 3Der absolute Charakter des Kalten Krieges musste am Ende einen absoluten Siegerhervorbringen, welcher in diesem Fall die USA waren. Der Zusammenbruch ihresRivalen versetzte die Vereinigten Staaten in eine aussergewhnliche Lage. Siewurden gleichzeitig die erste und die einzig wirkliche Weltmacht. (Brzezinski2003:26)

    Brzezinskis Geostrategie im Hinblick auf Eurasien

    Fr den Entwurf einer Geostrategie zur Verlngerung der US-amerikanischenVorherrschaft, bzw. zur Hinauszgerung deren Verlustes muss hierfr Eurasienvorerst statistisch erfasst, mssen die relevanten geostrategischen Akteureausgemacht und deren geostrategischen Fhigkeiten und Ambitionen erwogenwerden. Zudem mssen geopolitisch relevante Regionen und Lnder definiert unddie darin kollidierenden Interessen aufgedeckt werden:

    Das eurasische Schachbrett ist nach Brzezinski der Schlssel zur Vormachtstellungauf der Welt. Wer ber Eurasien herrscht, herrscht ber die Welt. Eurasien ist dergrsste Kontinent der Erde, beherbergt die meisten geostrategisch aktiven Staaten,75 Prozent der Weltbevlkerung und den grssten Teil des materiellen Reichtumsder Welt, stellt 60 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts und ca. drei Viertel derweltweit bekannten Energievorkommen. Alle potentiellen Herausforderer der USAsind eurasische. Zum Glck fr Amerika ist Eurasien zu gross, um eine politischeEinheit zu bilden. (Brzezinski 2003:57)

    Geopolitik und Geostrategie sind die Instrumente, anhand derer sich die USA denSchlssel zur Vorherrschaft aneignen sollen. Geopolitik, die Wissenschaft von derEinwirkung geographischer Faktoren auf politische Vorgnge und Krfte, gibt derGeostrategie, den strategischen Umgang mit nationalen geopolitischen Interessen,die Rahmenbedingungen vor.

    Geostrategische Akteure sind die geostrategisch dynamischen Staaten Eurasiens,die die internationale Krfteverteilung entscheidend zu verndern imstande sind.Namentlich sind eurasische geostrategische Akteure der flchenmssig grssteStaat Russland, der bevlkerungsreichste Staat China; das Land mit der grsstenDemokratie Indien; die wirtschaftlich starken Staaten Frankreich und Deutschland,welche dem militrisch strksten Staat, den USA, gegenber stehen.

    Geopolitische Dreh- und Angelpunkte sind Regionen oder Staaten in einer prekrengeographischen Lage, welche ihr Verhalten aufgrund ihrer potentiellenVerwundbarkeit bestimmen. Hierunter fallen gemss Brzezinski die Ukraine,Aserbaidschan, Sdkorea, die Trkei und der Iran.

    Unter Zuhilfenahme dieser Einzelteile erstellt Brzezinski nun seine umfassendeGeostrategie mit folgenden Handlungsanweisungen fr die USA:

    Weil Eurasien jener Kontinent ist, wo irgendwann ein potentieller HerausfordererAmerikas entstehen knnte, gilt es genau dies zu verhindern, indem die drei grossenImperative imperialer Geostrategie angewandt werden: Erstens Absprachenzwischen den Vasallen verhindern und ihre Abhngigkeit in Fragen der Sicherheitbewahren, [zweitens] die tributpflichtigen Staaten fgsam halten und schtzen und[drittens] dafr sorgen, dass die Barbarenvlker sich nicht zusammenschliessen.(Brzezinski 2003:65f)

  • 4In kurzfristiger Perspektive(ca. fnf Jahre) sollen dieUSA den Pluralismus aufder Landkarte Eurasienszementieren und frdern,damit kein Staat oder keineS t a a t e n g r u p p e d i eFhigkeit erlangt, diePrsenz und den Einflussder USA an denPeripherien Eurasiens(Westeuropa, NaherOsten, Japan, Sdkorea)zu stren oder derenSchiedsrichterrolle auf demganzen Kontinent zubeeintrchtigen.

    Mittelfristig (bis zu 20 Jahre) sollen echte Partnerschaften gefrdert werden, wobeider Fokus auf einem geeinteren und politisch klarer definierten Europa, einemregional beherrschenden China, einem Zentralasien mssigenden Indien und einembisher uneinschtzbarem Russland gerichtet sein msse.

    Langfristig (ber 20 Jahre) knne sich dann aus diesen Partnerschaften, bzw. diesestranseurasischen Sicherheitssystems ein globaler Kern echter gemeinsamerpolitischer Verantwortung herausbilden.

    Brzezinskis Annahmen

    Die obigen Ausfhrungen und Handlungsanweisungen grndet Brzezinski auffolgende Annahmen:

    Das pltzliche Hervortreten der ersten und einzigen Weltmacht hat eine Lagegeschaffen, in der ein abruptes Ende ihrer Vorherrschaft sei es, weil sich die USAaus der Weltpolitik zurckziehen, sei es, weil pltzlich ein erfolgreicher Gegnerauftaucht erhebliche internationale Instabilitt auslsen wrde. Die Folge wreweltweite Anarchie. (Brzezinski 2003:53)

    Diese Annahme stimmt mit jener Huntingtons berein, welchen Brzezinski ebenfallszitiert: Ohne die Vorherrschaft der USA wird es auf der Welt mehr Gewalt undUnordnung und weniger Demokratie und wirtschaftliches Wachstum geben, als esunter dem berragenden Einfluss der Vereinigten Staaten auf die Gestaltung derinternationalen Politik der Fall ist. Die Fortdauer der amerikanischen Vorherrschaft istsowohl fr das Wohlergehen und die Sicherheit der Amerikaner als auch fr dieZukunft von Freiheit, Demokratie, freier Marktwirtschaft und internationaler Ordnungin der Welt von zentraler Bedeutung.2

    2 Samuel P. Huntington, Why International Primary Matters, International Security (Spring 1993): S.83.

  • 5Kritik

    Fr die aussenpolitischen Prioritten eines Nationalstaates ist nach wie vor diegeographische Lage bestimmend, und auch die Grsse des jeweiligen Territoriumsbleibt eines der Hauptkriterien von Status und Macht. (Brzezinski 2003:62)

    Diese Herangehensweise entlang den Paradigmen der realistischen Schule gibt dergeographischen Lage und Beschaffenheit, gegenber konomischer undtechnologischer Aspekte, die vorrangige Stellung. Hieraus wird ersichtlich, dassEntwicklungen wie jene der zunehmenden Verflechtung, Interdependenz,Globalisierung und der damit einhergehenden Entbettung und Entnationalisierung,wie sie die idealistische Schule beschreibt, nur eine zweitrangige Rolle einnehmen, janach deren erwhnen kaum mehr in seine Geostrategie einfliessen.

    Doch im Gegensatz hierzu grndet bzw. legitimiert Brzezinski sein durchausrealistisches Rezept zur globalen Vorherrschaft der USA anhand idealistischerAnnahmen. Sein realistisches Weltbild besteht aus homogenen Nationalstaaten alsdie Hauptakteure, welche unter Abwesenheit einer zentralen Weltregierung, also ineiner anarchischen Weltordnung bestehen mssen. Darin ist jeder Staat souvernund unberechenbar. Jeder Staat ringt mit seinen regionalen Konkurrenten um dieVorherrschaft in ihrer Region oder mit anderen Grossmchten um jene auf demganzen Globus. Alle Staaten sind rational und egoistisch. Doch die USA nimmtBrzezinski aus diesem egoistischen Bestreben heraus, indem er den USA einInteresse am Gemeinwohl unterstellt.

    Konkret rechtfertigt Brzezinski das Vorrecht der USA, die Welt nach seinem Sinn zugestalten, mit der Absicht der USA, eine bessere Welt zu schaffen. Er bezieht sichauf die These Huntingtons, welcher ohne die Vorherrschaft der USA ein Zurckfallender Welt in anarchistische Zustnde befrchtet, worin weder Demokratie, nochFreiheit, noch Wirtschaftswachstum gedeihen knnten.

    Entlang obiger Gedanken bemngelt auch die Kritische Geopolitik die KlassischeGeopolitik vor allem wegen ihres staats- und territorienzentrierten Zugangs und imHinblick auf berbetonte militrische Bedrohungen. Hierbei werden komplexegesellschaftliche Erklrungsbemhungen, wie sie die idealistische Schule betreibt,ausgeblendet, um die eigenen ideologischen Absichten zu untermauern oder zumNutzen dieser zu funktionalisieren3.

    Die Kritische Geopolitik sieht die Welt nicht aufgeteilt in eine feste Hierarchie vonStaaten, in Zentren und periphere Gebiete, Einfluss-Sphren, Schlaglichter,Pufferzonen und strategische Beziehungen, sondern bezieht zudem nationale undtransnationale Unternehmen, Institutionen und Organisationen mit ein, welche denglobalen Raum unter sich aufteilen und beeinflussen3.

    Diese einerseits zu realistische Vorgehensweise und andererseits zu normativeAnnahme einer amerikanischen Geostrategie ist nicht berzeugend. Ebenso wenigwie das kommunistische zu idealistische Versprechen, dass wenn sie einmal anihrem Ziel angekommen seien, jede Gesellschaft auf ihre Fahnen schreiben knne:"Jeder nach seinen Fhigkeiten, jedem nach seinen Bedrfnissen."

    3 Baumann, Wolfgang (2004). Geopolitik - ein zeitgemer Beitrag zum gesamtstaatlichen Fhrungsverfahren. In: Vielfalt in Uniform Band 1. Online in Internet: http://www.bmlv.gv.at/pdf_pool/publikationen/09_vu1_01_gbf.pdf. [Stand: 8.2.2006].