Birgit Heller Institut für Religionswissenschaft Religionswissenschaft I Vorlesung, WS 05/06.
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Birgit HellerInstitut für
Religionswissenschaft
Religionswissenschaft IVorlesung, WS 05/06
Der religiöse Mensch
H a n d lu n g e n :R ite nF e s te
W o r te /T e x te (H e ilig e S c h r if te n ) :M y th e n , G e b e te , H y m n e n ,
R itu a la n w e is u n g e n , e th is c h eu n d th e o lo g is c h e L ite ra tu r
B ild e r :S y m b o leM a le re i
A rc h ite k tu r
a ls F ra u u n d M a n n in v e r s c h ie d e n e n L e b e n s s ta d ie n u n d s o z ia le n S c h ic h te na ls In d iv id u u m u n d in G e m e in s c h a f te n
Max Müller (1823-1900)
1867: „science of religion“ „vergleichende
Religionswissenschaft“
Adolf von Harnack1901:
„Wer diese Religion nicht kennt, kennt keine, und
wer sie samt ihrer Geschichte kennt, kennt
alle!“
Lehrstühle für Religionswissenschaft im deutschsprachigen Raum
1873: theol. Fak. Genf
1877: theol. Fak. Leiden u. Amsterdam
1910: theol. Fak. Berlin, ab 1914 in phil. Fak.
1911: theol. Fak. Münster
1912: theol. Fak. Leipzig
1920: phil. Fak. Bonn
1920: theol. Fak. Marburg
Peter Antes1979:
Religionswissenschaft als humanwissenschaftliche
Disziplin
Clifford Geertz1965:
Religion als kulturelles System „mit dessen Hilfe die
Menschen ihr Wissen vom Leben und ihre Einstellungen zum Leben mitteilen, erhalten
und weiterentwickeln“
Selbstverständnis der Religionswissenschaft
Ein eigenständiges Fach?
Max Müller: „Wer eine Religion kennt, kennt keine“
Axel Michaels1997:
„Die Klammer für die Religionswissenschaft sind
Gemeinsamkeiten in den einzelnen Religionen. Diese im Vergleich
herauszuarbeiten ist das eigentliche Tätigkeitsfeld der
Religionswissenschaft.“
Zweige der Religionswissenschaft
Historische RW, Religionsgeschichte
Systematische Religionswissenschaft
Religionsgeschichte
Stichwort: Religion ist wirklich nur in Religionen
Akzent liegt auf dem historisch Besonderen
Systematische RW
Begriffsbildung Typisierung Theoriebildung wichtiges Instrument:
Religionsvergleich
Religionsvergleich
Kontextueller Vergleich
Nur Vergleichbares vergleichen
Problem: Wertung
Fachbezeichnung
IAHR: International Association of the History of Religions
DVRG: Deutsche Gesellschaft für Religionsgeschichte
ÖGRW: Österreichische Gesellschaft für Religions-wissenschaft
Disziplinen der RW
Religionssoziologie: Wechselbeziehungen zw. Religion und Gesellschaft
Religionspsychologie: erforscht religiöse Erfahrungs- und Verhaltensweisen
Religionspsychologie:Trends im 20. Jh.
Tiefenpsychologie Behaviourismus Humanistische Psychologie Transpersonale Psychologie
Disziplinen der RW
Religionsethnologie: ethnische/ indigene Religionen, heute ausgeweitet
Religionsgeographie: Wechselbeziehungen zwischen Religion und Umwelt
Disziplinen der RW
Religionökonomie: Wechselbeziehungen zwischen Religion und Wirtschaft
Religionsästhetik: Bereich des sinnlich Wahrnehmbaren in den Religionen
Religionsphilosophie: ohne Bezug zur Geschichte nicht Teil der RW
Hans-Jürgen Greschat1988:
„Theologen sind religiöse Spezialisten,
Religionswissenschaftler sind Spezialisten für Religiöses“
Religionswissenschaft ist
Keine theologische Disziplin empirische, nicht normative
Wissenschaft objektiv und wertfrei? Ergebnis einer Interaktion
zwischen den Forschenden und den Quellen
Religionswissenschaft und Objektivität
Subjektive und sozio-kulturelle Prägungen von
Fragestellungen, Methoden und Interpretationen der
Ergebnisse
Religionsbegriff
Allgemeinbegriff von Religion wird auf dem Hintergrund der eigenen Religion entwickelt
Eurozentrischer bzw. christo-zentrischer Religionsbegriff
religio
Rücksicht, Gewissenhaftigkeit hins. sittlicher und ritueller Verpflichtungen
insbes. gegenüber dem Göttlichen, dann Glaube sowie Verehrung, religiöse Handlung
Cicero (1.Jh.v.) De natura Deorum II, 72:
Ableitung von „relegere“: gewissenhafte Beachtung, Sorgfalt (all dessen, was zum Kult der Götter gehört)
Lactanz (3.Jh.n.)Divinae Institutiones
IV, 28,2: Ableitung von „religare“:
verbinden; Wiederverbindung des Menschen mit Gott
einflussreich: Übernahme durch Augustinus
Religion
MA: religiosi für Ordensstand und dessen Angehörige
Reformation: christl. Glaube, Bekenntnis
Aufklärung: natürliche Religion, Spannung zwischen Ideal-gestalt der Religion und konkreten Religionen
Religionsbegriffe
Islam: din, arab. Sitte, Recht Hinduismus: dharma, Sanskrit
Ordnung, Norm (bezogen auf Kult, Recht, Ethik)
Buddhismus: dhamma, Pali Lehre Buddhas
Wesensdefinitionen/substantialistische
Definitionen Wesen und Merkmale der Religion
erfassen Zentralen Inhalt feststellen:
Angabe des Bezugsgegenstandes Zugleich Unterschied zum nicht-
religiösen Bereich bestimmen
Edward Burnett Tylor 1871:
Religion is belief in spiritual beings
Gerardus van der Leeuw1933:
Religion ist Erleben von überlegener
Macht
Gustav Mensching 1959:
Religion ist erlebnishafte Begegnung mit dem
Heiligen und antwortendes Handeln des vom Heiligen
bestimmten Menschen
Funktionale Definitionen
Frage: Was leistet Religion? Religion wird nicht aus sich selbst
heraus bestimmt Problem: Abgrenzung von religiösen
und nichtreligiösen kulturellen Phänomenen, daher häufig Ergänzungen durch substantielle Bestimmungen
Emile Durkheim1912:
Eine Religion ist ein solidarisches System von Überzeugungen und
Praktiken, die sich auf heilige Dinge be-ziehen, die in einer und der-selben moralischen Gemein-
schaft alle vereinen, die ihr angehören
Fritz Stolz1988:
Religion ist ein grundlegendes
Sinngebungssystem, das dem Menschen eine
umfassende Orientierung vermittelt
Probleme der Definitionen
Definitionsversuche fallen in der Regel zu weit
oder zu eng aus daraus folgt: sie werden
unspezifisch oder klammern viele religiöse
Phänomene aus
Verzicht auf den Religionsbegriff?
Bemühen um Definition aufgeben Arbeitsbegriff Nutzen der Suche nach einem
Allgemeinbegriff: Begriff nicht unkontrolliert verwenden u. Gegenstands- bereich der RW identifizieren
Jacques Waardenburg1986:
Religionen sind eine Art Orientierungssysteme, mit deren Hilfe sich der denkende Mensch im Leben und in der Welt orientiert
Jacques Waardenburg
spezifische Elemente: Bezug auf ein Heiliges außerhalb des empirisch Gegebenen, bes. Erfahrungen und für absolut gültig gehaltene Normen
Offener Religionsbegriff
Bestimmungen funktionaler und substantieller Art
erfassen zusammengehörige Elemente und Ausdrucksformen (wie intellektuelle, rituelle, soziale, ethische, ästhetische und Erfahrungsdimensionen)
Aufgaben und Ziele der Religionswissenschaft
RW beschreibt, analysiert und interpretiert
stellt Informationen zum wechselseitigen Verständnis in einer globalen Welt bereit
Brückenfach für die Theologie hat eine ideologiekritische Funktion
Günter Lanczkowski1983:
Religionen in der Umwelt des Alten Testaments
Religionen in der Umwelt des Neuen Testaments
vorchristliche Religionen Europas Religiöser Pluralismus der
Gegenwart (ohne Christentum)
Religionen vergangener Kulturen
Religionen der Ur- und Frühgeschichte
minoische Rel. etruskische Rel.
germanische u. keltische Rel.
aztekische Rel.
altorientalische Religionen
griechische u. römische Rel.
antike Mysterienrell.
Manichäismus
Religionen der Gegenwart
Ethnische Rell. Shintoismus Daoismus Konfuzianismus Zoroastrismus Hindu-Religionen Jinismus Buddhismus
Judentum Christentum Islam Neue Rell. u.
neurel. Bewegungen
alternative Formen des Religiösen
Einteilung der Religionen
Naturreligionen (Primitive Rell.) und Hochreligionen
östliche und westliche Rell. mystische u. prophetische Rell. Schriftreligionen abrahamitische Religionen Volksreligionen und
Universalreligionen
Kriterien für eine Weltreligion(Lanczkowski)
Charakter der Hochreligion geographische Weite des
Verbreitungsgebietes Zahl der Bekenner universaler Wahrheitsanspruch
Ursprungstheorien- und Entwicklungsmodelle
Totemismus-Theorie Opfer-Theorie Animismus-Theorie (E.B. Tylor) Magie-Theorie (J. Frazer) Dynamismus-Theorie (R.R. Marett) Dekadenztheorien Urmonotheismus-Theorie
Faktoren religiösen Wandels
Endogene/ interne Faktoren (innerhalb des jeweiligen kulturellen Kontextes: religiöse Faktoren im engeren Sinn und Auswirkungen nichtreligiöser Bedingungen auf eine Religion)
exogame/ externe Faktoren
Entwicklungsphasen
Entstehung (Stiftung) und Entfaltung: Dynamik, Vielfalt, weithin ohne Regeln
Stabilisierung: Abgrenzung, Kontrolle, Kanonisierung, Regeln
Untergang: keine Formel, aber Faktor ist Umgang mit relig. Wandel
Umgang mit bestehender rel. Tradition/ rel. Pluralismus
Abwehr Übernahme: immer
verbunden mit Um- bzw. Neubewertung
Modifikation