Basel Tattoo - Vom Morgestraich zum Zapfenstreich
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Transcript of Basel Tattoo - Vom Morgestraich zum Zapfenstreich
Christian Platz
BASEL TATTOOVom Morgestraich zum Zapfenstreich
CHRISTOPH MERIAN VERLAG
DAS ( T ) RAUMSCHIFF IST GELANDETDIE GRÖSSTE SHOW DES BASLER SOMMERS
TATTOO ? ‹ DO DEN TAP DOE ! ›
TRADITIONELLES REZEPTDIE ELEMENTE EINES TATTOO
TATTOO
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Wer an der Kaserne vorbeigefahren ist oder in einem der be-
nachbarten Restaurants weilte, konnte beobachten, wie es
stetig wächst. Zuschauerränge wurden errichtet, Elektronik
installiert, die Aussenverkleidungen angebracht. Das sieht
zunächst alles ganz schön technisch aus, wie eine ansehnli-
che militärische Übungsanlage. Doch hier geht es nicht um
eine Übung. Hier geht es um Träume, die Wirklichkeit werden
sollen, im Licht unzähliger Scheinwerfer. Um Träume, die lau-
fen gelernt haben, ja sogar marschieren können sie, den kom-
plexesten Choreografien folgend.
Hier wird nämlich die Arena für jene grösste Show des
Sommers am Rheinknie errichtet, für das Basel Tattoo.
Und dann plötzlich ist es so weit. Der Premiere abend ist
da. Nun hat die Arena keine technische Anmutung mehr. Es
ist, als würde sie von jetzt an permanent hier stehen, solide
wie eine stolze Burg. Es ist, als wäre eine Raumschiff gelandet.
Die Astronauten an Bord sind in friedlicher Absicht gekom-
men. Noch hat man sie nicht gesehen. Doch bald werden sie
im Rampenlicht stehen. Getragen von den Schwingungen der
Musik, befeuert von donnerndem Applaus.
Die Premiere rückt näher, die Lichter und Klänge locken. Viele von diesen Menschen waren schon oft hier.
Das Publikum strömt der Arena entgegen. Menschentrauben
zunächst, die dann zu einem regelrechten Strom anwachsen.
Die Premiere rückt näher, die Lichter und Klänge locken. Viele
von diesen Menschen waren schon oft hier. Auch diesmal
sind sie erwartungsfroh erschienen ...
JENES PHÄNOMEN, DAS MAN PUBLIKUM NENNT
Und diese Stimmung der Erwartung schwebt fast greifbar
über ihren Köpfen, während sie – an den Gardisten des Basel
Tattoo vorbei, betreut von kundigen Helferinnen und Helfern
– durch die Tore in die Arena schreiten. Jede und jeder von
ihnen hat ein Ticket dabei, das ihnen allen einen Sitz in der
grossen Arena verspricht, einen von über 7000. Viele von ih-
nen haben die Tickets schon vor Monaten erstanden, andere
wurden eingeladen ; einige sind Stammgäste, andere wollen
die grosse Show einfach auch einmal sehen. Die Erwartung
schweisst sie – sobald sie in der Arena Platz nehmen – zu je-
nem Phänomen zusammen, das man Publikum nennt.
Und für jede und jeden Einzelnen von ihnen, die da auf
ihren nummerierten Stühlen sitzen, wird die grösste Show
des Basler Sommers gemacht.
Hart gearbeitet wurde in den letzten Wochen auf dem Hof der altehrwürdigen Basler
Kaserne. Mit Metall und Holz, mit Energie und Leidenschaft, in der Sommerhitze.
DAS ( T ) RAUMSCHIFF IST GELANDETDIE GRÖSSTE SHOW DES BASLER SOMMERS
↘ Im Herzen von Basel steht die
alte Militärkaserne, sie bietet das
beste Ambiente für das Basel
Tattoo.
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↑ The Band of her Majesties
Coldstream Guards, England,
marschiert in die Arena.
Mitglieder dieser Einheit haben
einst in den napoleonischen
Kriegen gekämpft.
TATTOO
DAS ( T ) RAUMSCHIFF IST GELANDET DIE GRÖSSTE SHOW DES BASLER SOMMERS
Was ist es eigentlich genau, dieses Basel Tattoo, welches da
Sommer für Sommer die Massen anlockt, sie auf den Vorplatz
der altehrwürdigen Kaserne bringt, ihnen Applaus ohne Ende
entlockt ? Zunächst mal ist es seit geraumer Zeit das zweit-
grösste Tattoo der Welt, die zweitgrösste Show im ‹ Internatio-
nal Tattoo Circus ›, wie das Phänomen in Fachkreisen genannt
wird. Grösser ist nur noch das berühmte Edinburgh Military
Tattoo, das für die Macher vom Rheinknie natürlich einen
Quell der Inspiration darstellt und zu dem sie beste Kontakte
pflegen.
EINE ECHTE PIONIERGESCHICHTE
Und trotzdem ist die Basler Version des Genres eine ganz
andere. Sie ist mehr als eine pure Aufführung militärischer
Musik- und Exerzierkünste. Hier gibt es einen Spannungsbo-
gen, gibt es unterhaltende Elemente, gibt es Humor und Be-
sinnlichkeit.
Sie haben den Tattoo-Gedanken aufgefrischt und ein Unterhaltungsbouquet für die ganze Familie daraus gemacht.
Die Macher um Erik Julliard, den Produzenten des Basel Tat-
too, haben das Genre übernommen, um es dann geschickt zu
modernisieren. Ihm eine neue Tiefe, neue Dimensionen zu
verleihen, mittels Licht und Schatten, überraschenden Wen-
dungen, Momenten, die das Gemüt ansprechen. Sie haben
den Tattoo-Gedanken aufgefrischt, ein Unterhaltungsbouquet
für die ganze Familie daraus gemacht. Deshalb ist die Ent-
wicklung des Basel Tattoo eine echte Pioniergeschichte, die
sich innerhalb eines internationalen Genres abspielt.
↑ Aguiluchos Marching
Band & Compañia De Danza
Tenochtitlan bringt heisse,
farbenprächtige mexikanische
Spezialitäten nach Basel.
← Die menschliche Stimme, das
ursprüng lichste Instrument, auch
am Basel Tattoo : Die Sängerin
Nelly Patty dreht voll auf.
18 / 19 BASEL TATTOO
THE FINE ART OF EASY ENTERTAINMENT
Doch um dies alles brauchen sich die Menschen, die hier nun
alsbald zum Premierenpublikum zusammengeschweisst wer-
den, keine Gedanken zu machen. Sie können sich einfach zu-
rücklehnen, die Show geniessen, die Farben, die Pracht, die
Uniformen, die Musik. Ihnen wird hier nichts verkauft, über
das Ticket hinaus, nichts aufgedrängt, man will sie weder
überzeugen noch provozieren. Vielmehr wird ihnen ein sattes
Programm geboten, das unterhält, nicht fordert. Das genau so
lange dauert, bis die Zuschauer fast genug haben, aber bereits
dann aufhört, wenn sie noch ein bisschen mehr vertragen
könnten. Dergestalt ist das Kunsthandwerk der sogenannten
leichten Unterhaltung, des ‹ Easy Entertainment ›, wie es die
angelsächsische Welt nennt. Und Easy Entertainment zu schaf-
fen, ist enorm schwierig. Es verlangt den Machern viel Selbst-
kontrolle und Einfühlungsvermögen ab. Leichte Unterhaltung
ist eben Dienst am Publikum. Das Gegenteil von grenzenloser
Selbstverwirklichung halt. So unterhält man die ganze Familie !
↑ Die grosse Parade des Basel
Tattoo bringt Abertausend Leute
in die Innerstadt. Die marschie-
renden Einhei ten erhalten
oft spontanen Applaus.
→ Basler Morgenstraich, für einmal
im Sommer, als Bestandteil
des Basel-Tattoo-Programms.
Die Nummer war bei einigen
Leuten umstritten, dem Publikum
hat sie gefallen.
DAS ( T ) RAUMSCHIFF IST GELANDETDIE GRÖSSTE SHOW DES BASLER SOMMERS
Das Premierenpublikum hat sich gesetzt, es wird noch munter
geplaudert, Programmhefte werden durchgeblättert, Bekannte
winken sich gegenseitig zu. Alles wartet gespannt auf den
Auftritt der ersten Akteure, alles wartet darauf, dass es end-
lich losgeht. Und es wird losgehen. Pünktlich. Hier auf dem
Hof der altehrwürdigen Basler Kaserne, dem würdigen, dem
einzig möglichen Austragungsort des Basel Tattoo !
WARUM AUSGERECHNET BASEL ?
Auf die Entstehungsgeschichte des Basel Tattoo werden wir
im nächsten Kapitel eingehen. Doch eine Frage wollen wir
hier vorwegnehmen : Weshalb gibt ausgerechnet Basel, die
alte Stadt am Rheinknie, einen derart fruchtbaren Nährboden
für diese Grossveranstaltung ab, die Jahr für Jahr Zehntausen-
Es gibt keine Stadt auf der Welt, in der so viele Menschen das Piccolospiel oder das Trommeln beherrschen.
de von Fans und Zuschauern mobilisiert ? Es mag dafür meh-
rere Gründe geben, doch einer ist ganz zentral. Im Herzen der
alten Stadt schlägt eine Trommel. Die weltberühmte und ein-
zigartige Basler Fasnacht und ihre Musik haben ja auch starke
militärische Elemente und Bezüge, sie ist schliesslich eine Mi-
schung, die buntes Narrentreiben und militärische Klänge
nahtlos miteinander verschmilzt.
Es gibt keine Stadt auf der Welt, in der so viele Menschen
das Piccolospiel oder das Trommeln beherrschen. Immerhin
beides Instrumente, auf denen man eine gute Zeit fleissig
üben muss, bis man sich damit auf die Strasse getrauen kann.
Und in Basel tun dies Tausende von Menschen, sie bauen das
Üben während des ganzen Jahres in ihren Alltag ein, um dann
drei Tage lang auf der Strasse spielen zu können, mit der
grössten Lust, die man sich nur vorstellen kann. Das ist der
Faktor X, der im Basler Boden enthalten ist. In keiner anderen
Stadt der Welt machen so viele Zivilistinnen und Zivilisten –
sagen wir es offen – Militärmusik.
20 / 21 BASEL TATTOO
DA HAUT MAN GEMEINSAM AUF DIE PAUKE
Und natürlich gibt es, wenn Tausende von Menschen das
Gleiche tun, eben doch Unterschiede. Die einen tun es nur für
die drei schönsten Tage im Basler Kalender. Andere steigen
tiefer in diese Musikwelten ein, sind ambitionierter, treiben
ihr Spiel weiter voran, interessieren sich plötzlich auch für an-
dere ähnliche Traditionen.
Schon seit Jahrzehnten gibt es freundschaftliche Kontak-
te zwischen Basler Pfeifern und Trommlern und schottischen,
britischen, US-amerikanischen Gruppierungen, die verwand-
te Musik spielen. Da befruchtet man sich gegenseitig, haut
auch mal gemeinsam auf die Pauke, metaphorisch gespro-
chen, da freut man sich aneinander und über die ähnlich ge-
lagerten Interessen. Natürlich ist das Basel Tattoo aus solchen
Kreisen hervorgegangen. Womit wir bei seiner Geschichte wä-
ren, einer erstaunlichen Geschichte ; fürwahr.
→ Akkurat wie das Uhrwerk des Big
Ben – und die Schatten der
Weltgeschichte sind immer dabei :
The Band of HM Royal Marines,
Grossbritannien.
TATTOO
DAS ( T ) RAUMSCHIFF IST GELANDETDIE GRÖSSTE SHOW DES BASLER SOMMERS
DAS ( T ) RAUMSCHIFF IST GELANDET DIE GRÖSSTE SHOW DES BASLER SOMMERS
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DENN, JAWOHL, DIE HEISSEN BEIDE SO.
Doch wenn das Wort Tattoo eine Aufführung bezeichnet, bei
der militärische Musik- und Exerzierkünste die Hauptrolle
spielen, hat es eine ganz andere Wurzel. Diese Wurzel liegt in
einem Satz, einem kurzen Befehl : ‹ Do den tap doe ! ›
Dieser Befehl stammt aus dem niederländischen Raum –
auf Deutsch heisst er schlicht und einfach : ‹ Macht den Zapf-
hahn › zu. Eine klare Ansage an Wirte, die Kneipen rund um
Kasernen betreiben. Das feierabendliche Trinken ist beendet,
die Soldaten müssen in ihre Quartiere zurück. Zu diesem Zap-
fenstreich gehören schon seit alter Zeit musikalische Signale
und Trommelrufe. Die Briten formten aus dem holländischen
Satz – wie sie es eben zu tun pflegen – einen einfachen engli-
schen Begriff, im Zeichen der Lautmalerei : Tattoo.
Und in dieser Wortschöpfung liegt der Grund für den Na-
men eines ganzen weltweiten Genres, zu dem natürlich auch
das Basel Tattoo gehört.
Das feierabendliche Trinken ist beendet, die Soldaten müssen in ihre Quartiere zurück.
→ Ein Tattoo präsentiert in erster
Linie militärische Musik-
und Marschierkünste. Moderne
Tattoos engagieren jedoch
durchaus auch folkloristische
Showtruppen auf hohem
Qualitätsniveau. Basel ist
diesbezüglich ganz vorne mit
dabei.
Oft kommt es zum grossen Rätselraten, wenn der Begriff Tattoo fällt. Sind etwa jene
permanenten Bilder auf menschlicher Haut gemeint ? Oder geht es um die Flaggen
militärischer Einheiten ?
TATTOO ?‹ DO DEN TAP DOE ! ›
24 / 25 BASEL TATTOO
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Pipes and Drums marschieren gravitätisch in die Arena auf
dem Basler Kasernenhof. Ein archaischer Moment,
der so mancher Zuschauerin, so manchem Zuschauer tüchtig
Gänsehaut über den Rücken jagt.
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1. DER EINSAME DUDELSACKSPIELER
Ein Tattoo-Programm ist von Tönen erfüllt. Dabei kommen
alle Dynamikstufen ins Spiel. Von Fortissimo bis Piano. Der
ruhigste, besinnlichste, ja melancholischste Moment ist dabei
der Auftritt des Lone Piper. Wenn der einsame Mann mit sei-
nem Dudelsack – hoch über den Köpfen des Publikums – zu
spielen beginnt, ist Gänsehaut à discretion vorprogrammiert.
Natürlich wirkt dies in der Basler Kaserne – oder im Castle
von Edinburgh – besonders grandios. Türme und Burgzinnen
sind ideale Auftrittsorte für einen Lone Piper.
Die Lichter in der Arena erlöschen, der Piper allein rückt
in den Fokus, dramatisch, in seiner prächtigen schottischen
Uniform. Dann dringen diese urwüchsigen Klänge aus seinem
Dudelsack. Naturtöne, Vergangenheit und Gegenwart schei-
nen zu verschmelzen, wenn der Lone Piper seine klingende
Botschaft in die Nacht sendet. Der Auftritt eines Lone Piper ist
für jedes Tattoo unerlässlich.
Das grosse Tor öffnet sich und die Pipe Bands drängen ins Rampenlicht;Hunderte von Musikerinnen und Musikern mit ihren Instrumenten.
2. MASSED PIPES AND DRUMS
Es ist, als würde ein steifer Wind aus dem schottischen Hoch-
land durch die Arena fegen. Das grosse Tor öffnet sich und die
Pipe Bands drängen ins Rampenlicht ; Hunderte von Musike-
rinnen und Musikern, mit Dudelsäcken, Snare Drums, Tenor
Drums, Bass Drums, in perfekt sitzenden Uniformen. Die stol-
zen Pipe Majors marschieren voraus.
Bei den Pipe Bands handelt es sich bekanntlich um eine
schottische Tradition. Doch das traditionsreiche Metier wird
auf der ganzen Welt gepflegt. So kommt es, dass Bands aus
aller Herren Ländern bei Auftritten von Massed Pipes and
Drums auftreten. Diese Auftritte sind ein traditioneller Be-
standteil jedes Tattoo-Programms.
Ein Tattoo ist im Grunde ein militärischer Zapfen streich, der sich mit der Zeit zu
einer abendfüllenden Show weiterentwickelt hat. Klar ist also, dass Militärmusik
dazu gehört. Doch es gibt noch weitere unver-zichtbare Elemente, die ein echtes Tattoo
ausmachen. In Basel und beim berühmten Edin-burgh Military Tattoo werden diese Elemente
beispielhaft gepflegt.
TRADITIONELLES REZEPTSECHS ELEMENTE EINES TATTOO
→ Lone Piper auf dem Kasernen-
turm. Ein besinnlicher ruhiger
Moment im Programm.
↓ Die Massed Pipes and Drums
strömen durch das grosse Tor,
dem effektvollen Showlicht
entgegen. Jedes Tattoo, das
diesen Namen verdient, präsen-
tiert eine solche Nummer.
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3. MILITÄRMUSIK
Selbstverständlich steht Militärmusik im Zentrum jedes Tat-
too-Programms. Und Militärmusik ist ein weites Genre, sie
umfasst Tradition und Moderne, zieht ihre Einflüsse aus allen
nur denkbaren musikalischen Stilrichtungen.
↑ Aufmarsch der Swiss Army
Central Band. Diese sympathische
Einheit pflegt das gute Image
der Schweizer Armee im In- und
Ausland.
→ Highland Dancers sind artistisch,
präzise und wunderbar anzu-
schauen. Dieses Genre ist
in der gesamten angelsächsi-
schen Welt von grosser
Bedeutung.
TATTOO
TRADITIONELLES REZEPT SECHS ELEMENTE EINES TATTOO
4. HIGHLAND DANCERS
Überall in der angelsächsisch geprägten Welt findet man die
Highland Dancers. Der moderne Highland Dance mischt Ele-
mente aus Folklore, Unterhaltungsmusik und Pop, aus Volks-
tanz, moderner Choreografie und sportlich-artistischen Leis-
tungen nahtlos.
Es gibt in mehreren Ländern renommierte Schulen für
Highland Dancers, in Wettbewerben treten die Besten des
Genres gegeneinander an. Zur Tattoo-Tradition gehört ein
Auftritt von Highland Dancers auf jeden Fall.
30 / 31 TATTOO
5. MILITÄRISCHE UND HISTORISCHE NUMMERN
Drill Teams, die Exerzierkünste auf hohem Niveau zeigen, Auf-
fahrten von motorisierten Truppen oder gar Panzern, Über-
flüge von militärischen Fliegerstaffeln. Auch solche Elemente
stehen jedem Tattoo gut an. Das Basel Tattoo hat sich über-
dies auf historische Nummern spezialisiert, die dem Publi-
kum geschichtliche Ereignisse oder folkloristisches Brauchtum
näherbringen.
6. FINALE GRANDE
Das grosse Finale, dramatisch aufgebaut, an dessen Ende alle
Mitwirkenden noch einmal vor dem Publikum stehen, ein
überwältigender Aufmarsch : Dies erleben die Zuschauerin-
nen und Zuschauer eines Tattoo, bevor sie die Arena verlas-
sen. Das Basel Tattoo ist bekannt dafür, besonders ausgetüf-
telte Schlussnummern zu präsentieren.
In diesem Buch finden Sie viele Informationen zu den
Genres, die hier kurz angeschnitten wurden, aus deren Ge-
schichte und Gegenwart.
TRADITIONELLES REZEPT SECHS ELEMENTE EINES TATTOO
BASEL TATTOO
DAS ( T ) RAUMSCHIFF IST GELANDETDIE GRÖSSTE SHOW DES BASLER SOMMERS
Das Finale grande des Basel Tattoo 2011. Alle Mitwirkenden
präsentieren sich noch einmal vor dem Publikum, bevor es heisst :
« Goodbye, adieu – auf Wiedersehen ! »
MILITÄRMUSIKMILITÄR UND MUSIK
VOM SIGNAL ZUR AUSGEFEILTEN KOMPOSITION
MILITÄRMUSIK IN DER SCHWEIZNATIONAL UND INTERNATIONAL
IM EINSATZ
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Bereits in der Antike wurden Musik-instrumente zu militärischen Übungen und
auf Schlachtfelder mitgenommen. Diese Instrumente mussten vor allemlaut sein. Denn sie dienten dazu,
die Kämpfer anzustacheln und ihnen Signale zu geben.
Das heutige Genre der Militärmusik umfasst hingegen unzäh-
lige stilistische Formen, Takt- und Tonarten. Es baut auf her-
vorragend geschulte oder gar professionelle Instrumentalis-
tinnen und Instrumentalisten.
Am Anfang waren es vor allem Hörner und Trommeln,
die das Arsenal der Militärmusik dominierten. Sie kamen im
Feld zum Einsatz. Um den Kämpfern Signale zu geben, die aus
grösseren Distanzen hörbar sein, die den Schlachtlärm über-
tönen mussten : Angriff, Rückzug, Einhalten. Die Klänge müs-
sen damals sehr krud und einfach gewesen sein ; mit Militär-
musik im heutigen Sinne hatten sie wohl noch recht wenig zu
tun. Spätestens im alten Griechenland hat sich dies geändert.
Der Grund dafür war, dass Musik nun auch bei der Wehr-
ertüchtigung eine Rolle spielte.
GANZ BESTIMMTE TONARTEN FÜR SOLDATEN
Der grosse Philosoph Platon ( geboren um 427 v. Chr., gestor-
ben um 348 v. Chr. ) beschrieb Musik in seinem Werk ‹ Der
Staat › ( Politeia ) als Element der Erziehung. Dabei erlegte er
den Klängen enge Grenzen auf, er empfahl ganz bestimmte
Tonarten für Schulen, andere für das Training von Soldaten.
Für ihn war Musik ein Kunsthandwerk, keine Kunst, er sah sie
als Durchgangsstation auf dem Weg zur Erkenntnis des Seien-
den. Die permanente Musikberieselung unserer Gegenwart
hätte er wohl scharf kritisiert.
ZWEI KLASSEN DER MILITÄRMUSIK
Bereits im Frühmittelalter hielt die Musik der Schlachtfelder
und der militärischen Übungen dann Einzug in die Schlösser
und Paläste. Dort wurde sie zu einem Bestandteil höfischer,
staatlicher und politischer Zeremonien, deren Gewicht durch
die musizierenden Soldaten unterstrichen wurde.
Ab dem 15. Jahrhundert wurden die Militärmusiker in
Europa in zwei Klassen eingeteilt, die in groben Zügen noch
heute existieren. Trommler und Fanfaren- oder Flötenspieler
– man nannte sie ‹ Das Spil › – begleiteten die Infanterie, die
marschierenden Soldaten, teilten deren Mühsal und deren
blutiges Schicksal. Trompeter und Pauker hingegen wurden
der vornehmeren Kavallerie zugerechnet. Sie waren hoch an-
gesehen und waren fortan erste Wahl, wenn es um Musik für
höfische Zeremonien ging.
MILITÄR UND MUSIKVOM SIGNAL ZUR AUSGEFEILTEN KOMPOSITION
MILITÄR UND MUSIKVOM SIGNAL ZUR AUSGEFEILTEN KOMPOSITION
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Trompeter und Pauker waren hoch angesehen und waren fortan erste Wahl, wenn es um Musik für höfische Zeremonien ging.
EINFLÜSSE AUS DEM ORIENT
Im 16. und 17. Jahrhundert erweiterte sich das Instrumentari-
um der Militärmusik beträchtlich. Dies geschah auch dadurch,
dass man sich von Feinden inspirieren liess. So brachten etwa
die osmanischen Truppen, die Ende des 17. Jahrhunderts Wien
belagerten, ihre Janitscharen-Musik und die dazugehörigen
Instrumente mit nach Europa. Und damit vor allem auch neue
Rhythmusinstrumente, wie etwa Triangel, Becken oder den
Schellenbaum.
Die Militärmusiker aus dem Orient pflegten schneller zu
spielen als ihre europäischen Berufsgenossen, ihre Rhythmen
und ihre militärischen Signale waren zudem um einiges kom-
plexer. Wie so oft in der Militärgeschichte wurden kulturelle
Elemente, von Feinden mitgebracht, zur Inspiration : Die eu-
ropäische Militärmusik wurde von den neuen Klängen aus
dem Osten jedenfalls nachhaltig beeinflusst.
Der Dreissigjährige Krieg ( 1618 – 1648 ) führte ebenfalls
zu einer Ausdifferenzierung der Militärmusik, einzelne Musik-
stücke wurden zu tönenden Erkennungsmerkmalen für ein-
zelne Einheiten und Verbände, aber auch für spezielle takti-
sche Manöver sowie für den Waffendrill. Damals wurden die
Märsche und Streiche geboren, wie wir sie heute noch kennen.
NEUES INSTRUMENTARIUM UND NAPOLEON
Ab dem 17. Jahrhundert beeinflussten natürlich auch der hand-
werkliche und der technische Fortschritt das Instrumentarium
– und damit auch das Repertoire – der Musik im Allgemeinen
sowie der Militärmusik beträchtlich. Neue Instrumente wur-
den erfunden, alte verbessert. Die Instrumentenbauer modifi-
↗ The Band of the Life Guards aus
Grossbritannien reitet stolz in die
Arena – Auftritte mit Pferden
sind beim Publikum des Tattoo
besonders beliebt. Für das Tattoo
Office stellen sie immer eine
logistische Herausforderung dar.
→ ( rechts ) The Band of the Royal
Swedish Army: Haarscharfe
Präzisionsarbeit aus dem euro-
päischen Norden.
MILITÄR UND MUSIKVOM SIGNAL ZUR AUSGEFEILTEN KOMPOSITION