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Bayerischer Bezirketag Ridlerstraße 75 80339 München T. 089/21 23 89-0 F. 089/29 67 06 [email protected] Bezirketag.info Ausgabe 1/ 2020 Aus dem Inhalt Auswirkungen der Corona-Pandemie im Bereich der Eingliederungshilfe Bayerischer Bezirketag informiert Leistungserbringer über Sofortmaßnahmen Beratungsangebote für psychisch kranke Menschen Notfallversorgung wird auch während der Ausgangsbeschränkung aufrechterhalten Ausgaben der Bezirke steigen 2020 an

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Bayerischer BezirketagRidlerstraße 7580339 MünchenT. 089/21 23 89-0F. 089/29 67 [email protected]

Bezirketag.infoAusgabe 1/ 2020

Aus dem Inhalt

Auswirkungen der Corona-Pandemie im Bereich der EingliederungshilfeBayerischer Bezirketag informiert Leistungserbringer über Sofortmaßnahmen

Beratungsangebote für psychisch kranke Menschen Notfallversorgung wird auch während der Ausgangsbeschränkung aufrechterhalten

Ausgaben der Bezirke steigen 2020 an

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Inhalt

Soziales

Auswirkungen der Corona-Pandemie im Bereich der Eingliederungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Gesundheit

Beratungsangebote für psychisch kranke Menschen . . . . . . 5

Finanzen

Ausgaben der Bezirke steigen 2020 an . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Kommunales

Runder Tisch zum strafrechtlichen Schutz für Kommunalpolitikerinnen und –politiker . . . . . . . . . . . . . . 7

Europa

Der europäische Grüne Deal –ein guter Deal für die Kommunen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Kultur

Resolution des Bayerischen Bezirketags zurfotografischen Dokumentation jüdischer Friedhöfe . . . . . . . 11

Personal

Kennen Sie den öffentlichen Dienst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Bayerischer Bezirketag

Hohe Wertschätzung für die Bezirke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Neuer Fachreferent beim Bayerischen Bezirketag . . . . . . . . . 14

Dieter Draf - Brückenbauer und Menschenfreund . . . . . . . . . 15

Bildungswerk Irsee

„Safety first“: Bezirkseinrichtung Kloster Irseebis Ende der Osterferien geschlossen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Am Limit: Ethische Spannungsfelder in der Psychiatrie . . . . . 17

Bayerisches EX-IN-Vernetzungstreffen in Kloster Irsee . . . . . 18

Psychiatrie-Erfahrene prägen Pflegetagungen . . . . . . . . . . . . 19

25 Jahre Fachtagung „Psychotherapie und Psychosomatik in der Pflege“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

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Impressum

Herausgeber:Bayerischer BezirketagRidlerstraße 7580339 München089 21 23 89 [email protected]

Verantwortlich für den Inhalt: Stefanie Krüger, Geschäftsführendes Präsidialmitglied

Redaktion: Michaela SpillerConstanze Hölzl

Erscheinungstermin: 26. März 2020

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1/ 2020 | 3Soziales

Der Verlauf der Corona-Pandemie zwingt auch imBereich der Eingliederungshilfe für Menschen mitBehinderungen zu einschneidenden Maßnahmen imBereich der Werkstätten für behinderte Menschen,Förderstätten sowie Berufsbildungs- undBerufsförderungswerken. Die Schließungen vonEinrichtungen zum Schutz der Menschen mitBehinderung, der dort Beschäftigten und um dieAusbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, stelltauch die Träger der Einrichtungen vor großeHerausforderungen.

Die bayerischen Bezirke und der Bayerische Bezirketagwollen das ihnen Mögliche dazu beitragen, um negativeFolgen der Pandemie, auch was die finanziellenAuswirkungen für die Leistungserbringer betrifft, zuminimieren. Hierzu haben sich der BayerischeBezirketag und die Bezirke auf die nachfolgendenSofortmaßnahmen verständigt. Die Regelungen zurFinanzierung sind zunächst bis zum 19. April 2020befristet. Daneben wird es zudem erforderlich sein,ergänzende individuelle und aufgrund vonBesonderheiten auch abweichende Lösungen zu finden,die mit dem jeweils zuständigen Bezirk zu klären seinwerden.

Werkstätten und Förderstätten

Die Bezirke werden nach der generellen Schließungdieser Einrichtungen bis 19. April 2020 die vollenEntgelte unter Aussetzung der Platzfreihaltegebührweiterzahlen. Öffentliche und private (Versicherungen)Ersatz-, Entschädigungs- oder Ausfallleistungen sind aufdie Zahlungen der Bezirke anzurechnen.

Soweit möglich, soll das freiwerdende Personal derWfbM im Wohnheim eingesetzt werden und hier dieTagesstruktur sicherstellen.

Fahrdienste

Die Bezirke leisten für die Kosten des FahrdienstesBeträge in bisheriger Höhe abzüglich der Ersparnis, die

dem Anbieter dadurch entsteht, dass Fahrten nichtdurchgeführt werden. Um die Finanzierung möglichstunbürokratisch zu gestalten, wird eine Vereinbarungüber eine pauschalierte Festsetzung der Einsparungenempfohlen. Hierbei gehen die Bezirke von einerErsparnis in Höhe von mindestens 15 Prozent aus.Öffentliche und private (Versicherungen) Ersatz-,Entschädigungs- oder Ausfallleistungen sind auf dieZahlungen der Bezirke anzurechnen.

Frühförderstellen

Eine generelle Schließung befürworten die Bezirke zumgegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Die Leistungen sind ineiner auf die Situation angepassten Form zu erbringen,z. B. telefonisch oder über digitale Medien. Wenn imEinzelfall eine Einrichtung wegen der Corona-Pandemieschließt oder geschlossen wird, wird empfohlen, vorder Schließung mit dem zuständigen Bezirk Kontaktaufzunehmen, um eine für den konkreten Fallgeeignete Lösung abzustimmen.

Heime für Kinder und Jugendliche/ Internate

Aufgrund der Schulschließungen müssen dieEinrichtungen jetzt auch Schulzeiten abdecken. Ziel istes, diese Zeiten durch gegebenenfalls freiwerdendePersonalressourcen anderer Angebote abzudecken.Es wird empfohlen, erforderliche Einzelfalllösungen mitdem zuständigen Bezirk abzustimmen.

Heilpädagogische Tagesstätten (HPT)

Bei Schließung erfolgt die Finanzierung in der Summeweiter wie bisher unter Anrechnung evtl. öffentlicherund privater (Versicherungen) Ersatz-, Entschädigungs-oder Ausfallleistungen.

Ambulant betreutes Wohnen und ambulante Wohn-gemeinschaften

Die Leistungen müssen weiter erbracht werden. Diebewilligten Leistungen werden - wie vereinbart -

Auswirkungen der Corona-Pandemie im Bereich der EingliederungshilfeBayerischer Bezirketag informiert Leistungserbringer über Sofortmaßnahmen

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1/ 2020 | 4Soziales

weiterbezahlt. Der Träger ist verpflichtet, dieBetreuung gegebenenfalls in einer auf die Situationangepassten Form, z. B. telefonisch oder über sozialeMedien, weiter sicherzustellen.

Schul- und Individualbegleitungen

Die Abrechnung erfolgt wie bisher (unter Aussetzungder Platzfreihalteregelung, bei den Bezirken, die nichtauf Rechnung nach Stunden abrechnen). Öffentlicheund private (Versicherungen) Ersatz-, Entschädigungs-oder Ausfallleistungen sind auf die Zahlungen derBezirke anzurechnen.

Soweit möglich, sind die Mitarbeiterinnen undMitarbeiter im häuslichen oder stationären Bereicheinzusetzen, um die Leistungen im schulischen Kontextzu erbringen. Die nach der Situation im Einzelfallerforderlichen Leistungen sind mit den Eltern undLehrkräften abzustimmen.

Pauschal finanzierte Betreuungs- und Beratungs-angebote wie SPDI/GPDI, OBA, Tagesstätten fürpsychisch Kranke, psychosoziale und Suchtberatungs-stellen, Zuverdienstplätze

Sofern wegen Corona eine Schließung erfolgt, ist diesnicht förderschädlich. Soweit möglich, ist dasBeratungsangebot aufrecht zu erhalten bzw. auf

anderen Wegen (z. B. telefonisch oder über digitaleMedien) sicherzustellen.

Tagesstrukturierende Angebote für Erwachsene nachdem Erwerbsleben (T-ENE)

Wenn das Angebot nicht mehr wahrgenommen werdenkann, z. B. weil das Wohnheim unter Quarantänegestellt wurde, werden die Vergütungssätze wie bisherweiterhin gezahlt. Öffentliche und private(Versicherungen) Ersatz-, Entschädigungs- oderAusfallleistungen sind auf die Zahlungen der Bezirkeanzurechnen.

Soweit möglich, sollte das T-ENE-Personal imWohnheim eingesetzt werden und hier die Tages-struktur sicherstellen.

Die bayerischen Bezirke und der Bayerische Bezirketagwerden auch weiter bemüht sein, auf sich veränderndeoder neue Gegebenheiten abgestimmte undsachgerechte Lösungen zu finden und vertrauen dabeiauf die enge und bewährte Zusammenarbeit mit denLeistungserbringern.

Peter WirthReferent Bayerischer [email protected]

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1/ 2020 | 5Gesundheit

Die Corona-Krise stellt unsere Gesellschaft im Momentvor viele neue Herausforderungen. Gerade inkrisenhaften Zeiten, wie wir sie momentan erleben,drohen besonders psychisch labile Personen in eineseelische Notlage zu geraten. Deshalb ist es wichtig,dass die Beratungsangebote der Sozialpsychiatrischen(SpDi) und Gerontopsychiatrischen (GpDi) Dienste, diepsychosozialen Suchtberatungsstellen (PSB), aber auchdie Tagesstätten für psychisch kranke Menschen, undandere wichtige Unterstützungsangebote für dieBetroffenen und gegebenenfalls deren Angehörigeerreichbar bleiben.

Das Bayerische Sozialministerium teilt diese Auffassungaus fachlicher Sicht. In besonders dringenden Fällensollte auch weiterhin eine Einzelberatung beientsprechender Einhaltung von Hygienevorschriftenermöglicht werden, dazu gehört auch Abstand halten.Eine Idee, die uns berichtet wurde, ist, mit der Klientinbzw. dem Klienten während des Gesprächs im Freienspazieren zu gehen. Das Bayerische Sozialministeriumhat um maßvolles Handeln gebeten. Um dieInanspruchnahme der Leistungen auf dringenderforderliche Fälle zu beschränken, muss stets vor Orteine individuelle Abwägung getroffen werden. In allenFällen ist zunächst zu prüfen, ob eine Leistung auchtelefonisch oder online erbracht werden kann.

Gruppenangebote sollen auf das allernötigste Maßheruntergefahren oder − wenn möglich − ganz abge-sagt werden. Deswegen ist zum Beispiel bei Kontakt-und Begegnungsstätten und Tagesstätten jeweilssituativ in Abstimmung mit dem Bezirk undgegebenenfalls mit dem zuständigen Gesundheitsamtzu entscheiden, welche Angebote aufrechterhaltenwerden können und welche nicht. Dadurchfreiwerdende Personalressourcen können dann für dieindividuelle Beratung per Telefon oder E-Maileingesetzt werden.

Die Dienste sollten auch den Aufbau einesVideoangebots überlegen. Gerade für neue Klienten, zu

denen noch kein Vertrauensverhältnis aufgebautwerden konnte, kann es hilfreich sein, die beratendePerson zu sehen. Die Klienten benötigen lediglich einSmartphone. Auf Beraterseite ist ein EDV-Arbeitsplatzmit Kamera erforderlich. Gegenwärtig bieten vieleFirmen günstige Software für Videokonferenzen an.Auch in Krisenzeiten sollte beim Videoangebot derDatenschutz beachtet werden. Wir empfehlen, die fürden Bereich niedergelassener Ärztinnen und Ärztezertifizierten Angebote vorrangig in den Blick zunehmen. Als hilfreich haben sich die Informationen aufder Seite des health innovation hub desBundesministeriums für Gesundheit erwiesen. Diesesind unter www.hih-2025.de/corona abrufbar.

Die Beratungstätigkeit der SpDi und PSB, insbesonderefür die betreute Kernklientel, sowie Angebote zurKrisenversorgung müssen unbedingt aufrechterhaltenwerden - sie sind vielleicht im Moment sogar wichtigerdenn je. Wir freuen uns über jede kreative Lösung, diehier gefunden wird, und regen an, sich darüber in denregionalen Netzwerken auszutauschen.

Der Krisendienst Mittelfranken hat zwar seine direktenKontakte eingestellt, für Telefon- und Onlineangebotebestehen die bisherigen Öffnungs- und Angebotszeiten(täglich von 9 bis 24 Uhr) aber unverändert weiter. Dastürkisch- und russischsprachige Angebot konnte aufdiese Weise ebenfalls aufrecht erhalten werden.

Der Krisendienst Psychiatrie Oberbayern bietetweiterhin die Rund-um-die-Uhr erreichbaretelefonische Beratung und in besonders dringendenFällen auch die vor Ort aufsuchenden Dienste an. Hierwird aber versucht, die persönliche Beratung vor Ortentweder in den Räumen eines SozialpsychiatrischenDienstes durchzuführen, oder die Einsatzkräfte treffensich mit dem Betroffenen im Freien.

Celia Wenk-WolffReferentin Bayerischer [email protected]

Beratungsangebote für psychisch kranke Menschen Notfallversorgung wird auch während der Ausgangsbeschränkung aufrechterhalten

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1/ 2020 | 6Finanzen

Die finanziellen Rahmenbedingungen für die Bezirkewerden im Wesentlichen durch die Entwicklung derAusgaben der Bezirke im Bereich ihrer sozialen Auf-gaben und die Höhe der staatlichen Zuweisungen imFinanzausgleich gesetzt. Im Jahr 2020 erwarten dieBezirke einen Anstieg des Zuschussbedarfs im Bereichder sozialen Ausgaben um 390 Millionen Euro bzw.9,5 Prozent auf landesweit 4,5 Milliarden Euro. Dieseweit überdurchschnittliche Steigerung ist insbesondereauf das Bundesteilhabegesetz und das Angehörigenent-lastungsgesetz zurückzuführen. Beide bundesrecht-lichen Änderungen führen zu einer finanziellen Ent-lastung der Leistungsempfänger bzw. der Angehörigenund damit korrespondierend zu einem deutlichenRückgang bei den Einnahmen der Bezirke. Auch dieVerwaltungskosten sowohl der Bezirke als auch derLeistungserbringer steigen durch die Anforderungendes Bundesteilhabegesetzes.

Die im Jahr 2020 aufzubringende Bezirksumlage erhöhtsich um 296 Millionen Euro auf erstmals knapp vierMilliarden Euro. Da die Höhe der staatlichen Zu-weisungen im Finanzausgleich konstant bleibt, müssendie zusätzlichen Ausgaben ausschließlich durch dieLandkreise und kreisfreien Städte finanziert werden.Einer Umsteuerung bei der Bemessung der Höhe desFinanzausgleichs an die Bezirke durch eine quotaleAnbindung an die Steuereinnahmen des Landes(Steuerverbund) stehen nicht zuletzt die Verbände derUmlagezahler ablehnend gegenüber. Die Bezirkekönnen den Umlagesatz dennoch weitgehend stabilhalten, da zum einen die Umlagekraft in 2020 umsieben Prozent deutlich steigt und zum anderen in er-heblichem Umfang Mittel aus der allgemeinen Rücklagezur Stabilisierung des Hebesatzes eingesetzt wurden.Der landesdurchschnittliche Umlagesatz steigt gering-fügig um 0,2 Prozentpunkte auf 20,9 Prozent. DenUmlagesatz erhöhen mussten die Bezirke Oberpfalzund Unterfranken (0,6 Punkte bzw. 1,5 Punkte).

Ausgleichswirkung der Zuweisungen des kommunalenFinanzausgleichs an die Bezirke

Bei der Verteilung der Zuweisungen an die Bezirke im

kommunalen Finanzausgleich ergibt sich eine deutlicheVerschiebung im Vorjahresvergleich. Der Bezirk Ober-bayern erhält knapp 40 Millionen Euro weniger, dieübrigen Bezirke entsprechend höhere Zuweisungen.Das liegt insbesondere an der Entwicklung der Umlage-kraft, da im Bezirk Oberbayern die Umlagekraft mit10,8 Prozent deutlich stärker gestiegen ist als in denanderen Bezirken. Die staatlichen Zuweisungen dienendazu, diese Unterschiede zu einem erheblichen Teilauszugleichen. Nur der nach dem Ausgleich unter-durchschnittlicher Umlagekraft überschießende Teil derZuweisungen kommt allen Bezirken und damit auchanteilig dem Bezirk Oberbayern zugute.

Kommunale Steuereinnahmen im Jahr 2019 steigennur moderat – im Jahr 2021 droht deutlicher Anstiegder Umlagesätze

Nach den Zahlen des Landesamtes für Statistik zurEntwicklung der Steuereinnahmen der Kommunenergibt sich im Kalenderjahr 2019 ein Anstieg derkommunalen Steuereinnahmen um 487 Millionen Eurobzw. 2,4 Prozent. Der Zuwachs ist insbesondere auf dieEntwicklung der Gemeindeanteile an der Einkommen-steuer und Umsatzsteuer zurückzuführen, wohingegendie aufkommensmäßig sehr gewichtige Gewerbesteuer(brutto) um vier Prozent zurückgegangen ist. Durchden stärkeren Anstieg der kommunalen Ausgaben, dieum insgesamt 6,8 Prozent zulegten, ist der bisherigepositive Finanzierungssaldo der Kommunen von1,3 Milliarden Euro im Jahr 2018 weitgehend auf noch130 Millionen Euro abgeschmolzen. Im Hinblick auf diekrisenhafte Zuspitzung der Wirtschaftslage durch dasCorona-Virus dürfte sich der negative Trend auch beiden Kommunalfinanzen verstärken. Dies lässt für diekommenden Jahre größere finanzpolitischeHerausforderungen für alle kommunalen Ebenenerwarten.

Reinhard GrepmairReferent Bayerischer [email protected]

Ausgaben der Bezirke steigen 2020 anFinanzielle Entlastungen für Leistungsempfänger und Angehörige belasten die Bezirkshaushalte

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1/ 2020 | 7Kommunales

Angesichts der zunehmenden Bedrohungen und An-feindungen gegen Kommunalpolitikerinnen undKommunalpolitiker hatte das bayerische Justizmini-sterium Anfang Februar 2020 die Kommunalen Spitzen-verbände zu einem Runden Tisch eingeladen, um dieMöglichkeiten für einen verbesserten Schutzkommunaler Amts- und Mandatsträgerinnen und-träger zu erörtern. Vor diesem Hintergrund hat diebayerische Justiz ein mehrere Punkte umfassendesKonzept vorgestellt.

So wird die bayerische Justiz für Online-Straftraten (wieHate-Speech, Bedrohungen, Beleidigungen per E-Mail)einen Zugang zu einem vereinfachten Online-Verfahreneinrichten. Dadurch wird es Betroffenen ermöglicht,schnell und einfach Anzeigen und Prüfbitten online andie Justiz zu übermitteln. Die dort eingehendenMeldungen werden durch den neuen Hate-Speech-Beauftragten der bayerischen Justiz geprüft, der bei derBayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung vonExtremismus und Terrorismus (ZET) angesiedelt ist.

Als weitere Unterstützungsmaßnahme wird diebayerische Justiz für den Bereich der „herkömmlich“(analog) begangenen Straftaten bei jeder der 22bayerischen Staatsanwaltschaften Ansprechpartner fürdie Kommunalpolitikerinnen und -politiker benennen,an die sich Betroffene im Hinblick auf die straf-rechtliche Bewertung und auf eine möglichst zügigeSachverhaltsermittlung wenden können. Darüberhinaus setzt sich die bayerische Justiz für einenachdrückliche Verfolgung von Straftaten, die gegenKommunalpolitikerinnen und -politiker gerichtet sind,ein. Damit sollen Verweisungen auf den Privatklagewegin aller Regel nicht in Betracht kommen, sondern dieStaatsanwaltschaften werden bei solchen Straftaten dieStrafverfolgung selbst übernehmen.

Auch Verfahrenseinstellungen wegen Geringfügigkeitoder geringer Schuld sollen in Bayern auf den absolutenAusnahmefall beschränkt sein. Schließlich setzt sich dasbayerische Justizministerium auf Bundesebene füreinen verbesserten strafrechtlichen Schutz derKommunalpolitikerinnen und -politiker sowie für

verbesserte Ermittlungsbefugnisse in der digitalen Weltein.

Präsident Franz Löffler, der den Bayerischen Bezirketagbeim Runden Tisch vertreten hat, hat den Vorstoß desbayerischen Justizministers Georg Eisenreichausdrücklich begrüßt. Es könne nicht angehen, dasskommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträgerzunehmend verbalen Anfeindungen und tätlichenÜbergriffen ausgesetzt seien. Oft werde darübergeschwiegen, weil man die Täter nicht ausfindigmachen könne oder weil die Betroffenen meinten,diese Beleidigungen aushalten zu müssen. „Kommunal-politikerinnen und Kommunalpolitiker bringen sichtagtäglich für unser Gemeinwesen ein und dafürbrauchen sie die Rückendeckung von Politik, Justiz undPolizei. Hass und Gewalt dürften nicht zur Gewohnheitin der Kommunalpolitik werden“, so Präsident Löffler.Der Runde Tisch hat hierfür ein wichtiges Signal zumSchutz der Amts- und Mandatsträgerinnen und -trägerin der Kommunalpolitik gesetzt.

Irmgard GihlReferentin Bayerischer [email protected]

Runder Tisch zum strafrechtlichen Schutz für Kommunalpolitikerinnen und -politikerJustizminister stellt Schutzkonzept der bayerischen Justiz vor

Vertreterinnen und Vertreter der Kommunalen Spitzen-verbände in Bayern mit Justizminister Georg Eisenreich (4. v. l.), Foto: StmJ

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1/ 2020 | 8Europa

Bei der Ankündigung und Vorstellung der Mitteilungder EU-Kommission „Der europäische Grüne Deal“ imDezember 2019 überschlagen sich die Superlative: soist bereits von „Europas-Mann-auf-dem-Mond-Moment“ die Rede. Um die Netto-Emissionsneutralitätder EU bei Treibhausgasen bis 2050 zu erreichen, hatsich die Kommission nicht weniger vorgenommen alsden EU-weit großflächigen Umbau von Gesellschaft undWirtschaft – bei gleichzeitiger Abkopplung desWirtschaftswachstums von der Ressourcennutzung,ohne Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, mit mehrBeschäftigung und wachsender Wirtschaftsleistung.

Null-Treibhausgasemissionen bis 2050

Ab spätestens 2050 will die EU klimaneutral sein, alsonetto keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäreausstoßen. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste bisdahin ein Großteil der derzeitigen Emissionen ver-mieden und der notwendige Rest ausgeglichen werden(z. B. durch Aufforstung oder CO2-Einlagerung). Dieneue Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von derLeyen, plant dieses Null-Emissionsziel per Gesetz, unteranderem im ersten europäischen „Klimagesetz“,festzuschreiben. Bereits im Jahr 2030 soll hierbei einZwischenziel erreicht sein: Im Vergleich zum Jahr 1990soll der CO2-Ausstoß um mindestens 50 Prozent sinken.Bis zum Sommer 2020 möchte die Kommission hierzueinen Plan vorlegen und die Vorgabe gegebenenfallsum weitere fünf Prozentpunkte verschärfen. Bislang

hatte die EU bis 2030 eine Reduzierung um 40 Prozentangepeilt, wobei bereits dieses Ziel aktuell wohl nichterreicht wird.

Was plant die Kommission – was kommt auf dieKommunen zu?

Auch wenn sich die konkreten Details des Grünen Dealsnoch sehr in Grenzen halten, zeichnet sich beieinzelnen Themen bereits ab, dass die Pläne derKommission nicht ohne gegebenenfalls erheblicheBetroffenheit der Kommunen durchgeführt werden

können. Besonders kommunalrelevant erscheinenhierbei die Bereiche Energieeffizienz, Vergabewesen,Luft-, Boden- und Wasserqualität, Mobilität,Biodiversität sowie Kreislaufwirtschaft.

Verdoppelung der EU-weiten Renovierungsquote vonGebäuden

EU und Mitgliedstaaten sollen sich an einerumfassenden „Renovierungswelle“ für öffentliche undprivate Gebäude beteiligen. Ein Schwerpunkt sollhierbei auf Sozialwohnungen, Schulen undKrankenhäusern liegen. Die im Rahmen der Richtlinieüber die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden2010/31/EU zu erstellenden langfristigen nationalenRenovierungsstrategien würden von der Kommissionüberprüft, geltende Vorgaben rigoros durchgesetzt.

Der europäische Grüne Deal – ein guter Deal für die Kommunen?

Knapp zwei Wochen nach Amtsantritt hat dieEuropäische Kommission unter Präsidentin Ursula vonder Leyen den sogenannten europäischen Grünen Dealauf den Weg gebracht. Dieser zielt darauf, Europa bis2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machenund soll einen Fahrplan bieten, der die Wirtschaft in derEU nachhaltiger machen soll. Im nachfolgenden Artikeldes Leiters des Europabüros der bayerischenKommunen wird der Frage nachgegangen, was dereuropäische Grüne Deal für die Kommunen voraus-sichtlich bedeuten wird. Von den dort genanntenAspekten wird für die Bezirke mit ihren Einrichtungen

und Kommunalunternehmen in erster Linie diegeplante „Renovierungswelle“ für öffentliche Gebäudemit dem Schwerpunkt u. a. von Schulen undKrankenhäusern relevant werden. Als öffentlicheAuftraggeber werden die Bezirke auch von neuenRegelungen für ein umweltgerechtes öffentlichesBeschaffungswesen betroffen sein.

Irmgard GihlReferentin Bayerischer [email protected]

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1/ 2020 | 9Europa

Grüne Vergabe und grüne Standards

Im Übrigen sollen Behörden nach Ansicht derKommission mit gutem Beispiel vorangehen undsicherstellen, dass das eigene Beschaffungswesenumweltfreundlich ausgestaltet ist. Hierzu möchte dieKommission weitere Rechtsvorschriften und Leitlinienfür ein umweltgerechtes öffentliches Beschaffungs-wesen vorschlagen.

Verschärfung der Luft-, Boden- undWasserschutzstandards

Für 2021 ist ein Null-Schadstoff-Aktionsplan für Luft,Wasser und Boden angekündigt, der mit Maßnahmenetwa zur Bekämpfung der Verschmutzung durchstädtischen Regenabfluss bzw. besonders schädlicheVerschmutzungsquellen (beispielsweise Mikroplastik,Chemikalien, Arzneimittel) einhergeht. Zudem will dieKommission eine Verschärfung der Bestimmungen fürdie Überwachung und Modellierung vonLuftqualitätsplänen vorschlagen und die geltendenLuftqualitätsnormen (Richtlinie 2008/50/EG) an dieteils strikteren Empfehlungen der WHO anpassen.

Intelligente, nachhaltige Mobilität

Um eine raschere Umstellung im Bereich Mobilität zuerreichen, sieht die Kommission unter anderemstrengere Grenzwerte für Emissionen von Fahrzeugenmit Verbrennungsmotor vor. Auch die Anwendung desEmissionshandels auf den Straßenverkehr wirddiskutiert, ebenso Überlegungen zu wirksamenStraßenbenutzungsgebühren. EU-Finanzierungsinstru-mente, wie die Fazilität „Connecting Europe“, sollen fürdie Entwicklung intelligenter Systeme für das Verkehrs-management und Lösungen für Konzepte im Bereich„Mobilität als Dienstleistung“ genutzt werden. Eine EU-Förderung wird auch für die Einrichtung öffentlicherLadestationen und Tankstellen angedacht, unteranderem in weniger dicht besiedelten Gebieten.

Biodiversität, auch in urbanen Räumen

Im März 2020 will die Kommission eine neueBiodiversitätsstrategie bis 2030 vorlegen. In Betrachtgezogen wird zudem die Ausweitung der Flächebiodiversitätsreicher Schutzgebiete auf der Grundlage

des Natura-2000-Netzes. Außerdem sollen Vorschlägefür Maßnahmen enthalten sein, wie Städte umwelt-freundlicher gestaltet und die Biodiversität in urbanenGebieten gesteigert werden können.

Kreislaufwirtschaft

Im März 2020 möchte die Kommission einen neuenAktionsplan für die Kreislaufwirtschaft annehmen, dersich auch mit Geschäftsmodellen befasst, die auf derAnmietung und gemeinsamen Nutzung von Waren undDienstleistungen basieren (z. B. Car-Sharing, E-Tret-roller). Geplant sind ferner ein EU-Modell für diegetrennte Abfallsammlung und die Überprüfung derVorschriften über die Verbringung von Abfällen.

Finanzierung – und wer zahlt?

Fest steht der grobe Finanzbedarf: Die Kommissionschätzt, dass zur Erreichung der derzeitigen Klima- undEnergieziele bereits bis 2030 jährlich zusätzliche In-vestitionen in Höhe von rund 260 Milliarden Euro er-forderlich sein werden. Woher diese Summe kommensoll, führt die Kommission teilweise im „Investitionsplanfür den europäischen Grünen Deal“ aus, der aufeuropäischer Ebene bis 2030 rund eine Billion Euromobilisieren soll. Insgesamt sieht die Kommission vor,dass 25 Prozent der Ausgaben aller EU-Programme zurVerwirklichung der Klimaziele beitragen. Addiert mandiese Beträge überschlägig (soweit bekannt), bleibteine erhebliche Finanzierungslücke. Der Theorie nachsoll diese durch private Investitionen und insbesonderestaatliche Nicht-EU-Mittel gefüllt werden, wobeiöffentliche Stellen insbesondere dort als Investorengefragt seien, wo keine private Rendite zu erwartenoder das Risiko zu hoch sei.

Globale Dimension

Da das europäische Klima sich nicht von der weltweitenEntwicklung abkoppeln lässt, möchte die Kommissionunter anderem die EU-Handelspolitik und dieEntwicklungszusammenarbeit nutzen, um denKlimaschutz und europäische Standards in die Welt zutragen. Ob dies, angesichts der Politik internationalerSchwergewichte im Bereich Wirtschaft und Emissionen,wie z. B. den USA oder China, ausreichen wird, wird sichzeigen.

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1/ 2020 | 10Europa

Ausblick und weitere Schritte

Bis zur Umsetzung des Grünen Deals ist es ein langerWeg: das Konzept muss zunächst in Legislativakte undInitiativen übersetzt werden und anschließend müssendie europäischen Gremien den Vorschlägen auchzustimmen. Zu Letzterem gehört als Allererstes dienach wie vor ausstehende Einigung über denmehrjährigen Finanzrahmen der EU für die Jahre 2021bis 2027.

Ein guter Deal für die Kommunen?

Aus kommunaler Sicht ist der ganzheitliche Ansatz desGrünen Deals grundsätzlich begrüßenswert. Allerdings

sind die vorgeschlagenen finanz- und personal-intensiven Maßnahmen und Initiativen, wie dieRenovierungsinitiative und politische Überlagerungenim Vergaberecht, nur unzureichend hinterlegt. Soll diekommunale Ebene ihren Teil zur Bekämpfung desKlimawandels beitragen, muss sie hierzu –insbesondere durch ausreichende finanzielle Unter-stützung und Erleichterungen bei der Umsetzung,beispielsweise im Vergabe- und Beihilferecht – auchbefähigt werden.

Thomas Fritz,Leiter des Europabüros der bayerischen [email protected]

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1/ 2020 | 11Kultur

Die bayerischen Bezirke beobachten seit mehrerenJahren mit großer Sorge, dass sehr viele jüdischeGrabmäler zunehmend verfallen und damit kultur-historisch bedeutsame Denkmäler unwiederbringlichverloren gehen. Ende Februar verabschiedete derHauptausschuss des Bayerischen Bezirketags dazueinstimmig eine Resolution, die wir nachfolgend imWortlaut veröffentlichen. Verbandspräsident FranzLöffler hat diese Resolution den Staatsministern AlbertFüracker und Bernd Sibler sowie dem Antisemitismus-Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung, Dr.Ludwig Spaenle, zur weiteren Veranlassungübermittelt.

Resolution des Bayerischen Bezirketags zur fotograf-ischen Dokumentation jüdischer Friedhöfe in Bayern

In Bayern gibt es 128 jüdische Friedhöfe mit insgesamtüber 80.000 Gräbern. Diese Friedhöfe sind einzigartigeOrte des Erinnerns und Gedenkens, und sie sindvielfach die letzten sichtbaren Zeugnisse des einstblühenden jüdischen Lebens in Bayern. Es ist deshalb zubegrüßen, dass der Freistaat Bayern die Pflege dieserFriedhöfe unterstützt.

Von besonderer Bedeutung sind die Grabsteine. Diesebieten mit ihren ausführlichen Inschriften vielfältigeInformationen zu Jüdinnen und Juden, die seit demMittelalter in Bayern lebten. Jüdische Friedhöfe sindsteinerne Geschichtsarchive, denen insbesondere inZeiten eines um sich greifenden Antisemitismus einebesondere Bedeutung zukommt.

Die Grabsteine sind in ihrem Bestand mittlerweile akutgefährdet. Die Lesbarkeit der Inschriften ist schwierig,oftmals schon unmöglich geworden. Die schnell fort-schreitende Verwitterung der Steine macht das Ent-ziffern immer schwerer. Wichtige religiöse und kultur-geschichtliche Informationen gehen damit unwieder-bringlich verloren.

Da es unmöglich ist, den Verfall der Grabsteine aufzu-halten, ist es das Gebot der Stunde, diese unverzüglich

fotografisch zu dokumentieren. Die Inventarisierung isteine gesetzliche Aufgabe des Bayerischen Landesamtesfür Denkmalpflege. Diese Dokumentation, die inanderen Bundesländern wie Baden-Württemberg undHessen schon vor Jahrzehnten realisiert wurde, hatPriorität. Die wissenschaftliche Bearbeitung derInschriften muss folgen.

Der Hauptausschuss des Bayerischen Bezirketagsbegrüßt es sehr, dass beim Bayerischen Landesamt fürDenkmalpflege zu Beginn des Jahres 2020 eine Stelleeingerichtet wurde, um die Dokumentation jüdischerFriedhöfe in Bayern zu organisieren und zukoordinieren. Er befürchtet aber nach den bislang vor-liegenden Informationen, dass dabei die Dimension desProjektes, der finanzielle Rahmen und der große Zeit-druck nicht ausreichend Berücksichtigung gefundenhaben.

Aus der Sicht des Bayerischen Bezirketags sollte dieDokumentation zeitgleich auf mehreren Friedhöfendurchgeführt werden. Sie kann nur durch professio-nelle und auf diesem Gebiet erfahrene Fotografinnenund Fotografen erfolgen, deren Einsatz vom FreistaatBayern vollumfänglich zu finanzieren ist. EhrenamtlicheKräfte können dabei wertvolle Zuarbeit leisten. Diebayerischen Bezirke unterstützen das Vorhabeninhaltlich gerne mit ihrer Fachkompetenz.

Der Bayerische Bezirketag fordert den Freistaat Bayernnachdrücklich auf, sämtliche Inschriften auf den Grab-mälern der 128 jüdischen Friedhöfe auf professionellerBasis zeitnah fotografisch dokumentieren zu lassen.Nur so können wichtige kulturgeschichtliche Informa-tionen, die ansonsten unwiederbringlich verlorengingen, für die Zukunft erhalten werden. Das Projektzeigt die Wertschätzung jüdischer Kultur und jüdischenLebens in Bayern und ist damit auch ein Beitrag gegenAntisemitismus.

Werner KrausReferent Bayerischer [email protected]

Resolution des Bayerischen Bezirketags zur fotografischen Dokumentation jüdischer Friedhöfe in Bayern

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1/ 2020 | 12Personal

„Kennen Sie den öffentlichen Dienst?“ Dieser Fragewidmet sich die Road Show der BayerischenVerwaltungsschule (BVS), die anlässlich ihres100. Jubiläums mit einem eigenen LKW durch ganzBayern tourt. In Kooperation mit den Kommunen vorOrt, darunter auch die Bezirke, informiert der BVS-Trucküber das Angebot der Verwaltungsschule, aber auchallgemein über die Tätigkeit im öffentlichen Dienst.Denn auch dort herrscht Fachkräftemangel. Die Aktionsoll zeigen, dass vom Azubi bis zum Quereinsteiger unterden vielfältigen Aufgaben der öffentlichen Verwaltungfür jeden und jede das Richtige dabei.

Rund 50 Orte in fünf Monaten steuert der BVS-Truck an.Eingebettet in Stadtfeste und Messen, als Partner derBR-Radltour oder ganz einfach auf dem schönsten Platzder Stadt stellen die BVS und ihre örtlichen Partner die

breite Palette des öffentlichen Dienstes vor. NähereInformationen zu den Standorten und Terminen findenSie unter www.100jahre-bvs.de. (Michaela Spiller)

Kennen Sie den öffentlichen Dienst? Road Show der Bayerischen Verwaltungsschule tourt durch Bayern

BVS-Truck, Foto: Bayerische Verwaltungsschule

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1/ 2020 | 13Bayerischer Bezirketag

Gerade einmal zwei Wochen nach ihrer Ernennung zurneuen Staatsministerin für Familie, Arbeit und Sozialesin Bayern stattete Carolina Trautner den Delegierten desHauptausschusses im schwäbischen Allmannshofeneinen Besuch ab. Für Franz Löffler, Präsident desBayerischen Bezirketags, zeigt dies eine hoheWertschätzung gegenüber den Bezirken. Auch Trautnerbetonte, dass ihr eine gute und vertrauensvolleZusammenarbeit mit den Bezirken wichtig sei, gebe esdoch große und vielfältige Berührungspunkte. „DieLeistungen der bayerischen Bezirke gerade für dieMenschen mit Behinderung sind von unschätzbaremWert. Mit meiner politischen Leitlinie `hinschauen,zuhören, kümmern´ will ich mich hier einbringen unddabei auch die Barrierefreiheit und das inklusive Bayernin den Fokus nehmen“, so Trautner.

Im Fokus des Gesprächs mit der Staatsministerinstanden das Bundesteilhabegesetz sowie dasAngehörigenentlastungsgesetz. In beiden Fällenerwarten die Bezirke höhere Kosten, die bisher wedervom Freistaat noch vom Bund ausgeglichen werdensollen. Allein für die Umsetzung des Bundesteilhabe-gesetzes (BTHG) haben die bayerischen Bezirke bereitsüber 300 neue Stellen geschaffen und rund 90 MillionenEuro jährlich an Mehrkosten eingeplant, wobei dietatsächlichen finanziellen Auswirkungen aktuell nochnicht verlässlich abzusehen sind. „Wenn sich unsereKostenschätzungen bestätigen, sehen wir alsBayerischer Bezirketag den Freistaat in der Pflicht, dieMehrkosten für die Umsetzung des BTHG zu tragen. DenAustausch mit Staatsministerin Trautner sehen wirdaher als Signal in Richtung eines konstruktiven Dialogsmit der Staatsregierung zu diesem Thema“, fasst Löfflerzusammen.

Sozialministerin Trautner konnte noch keine konkretenZusagen bezüglich der Kostenerstattungen machen. Umeine aussagekräftige Gesprächsgrundlage zu haben,wurde aber vereinbart, dass bereits nach zwei statt wieursprünglich angedacht vier Jahren eine Evaluierung derMehrkosten vorgenommen wird. Dann müsse man noch

einmal, so Trautner, genauer hinschauen und darübersprechen.

Auch beim Angehörigenentlastungsgesetz rechnen dieBezirke mit Einnahmeverlusten. Das Gesetz entlastetKinder und Eltern Pflegebedürftiger im Rahmen derSozialhilfe. Bisher wurden diese an denUnterbringungskosten beteiligt. Künftig müssen Ange-hörige jedoch erst ab einem Jahreseinkommen von100.000 Euro für die Pflegekosten mitaufkommen. DieSozialministerin betonte, dass sie die Warnung desBayerischen Bezirketags vor einer Entsolidarisierung derGesellschaft zur Kenntnis genommen habe. Auch hiermüsse zunächst eine Kostenevaluierung vorgenommenwerden, bevor man den Bund in die Pflicht nehme.

Franz Löffler sieht in dem gefundenen Kompromiss,zunächst die Mehrkosten zu erfassen, eine pragmatischeLösung. Denn, und darin waren sich Ministerin Trautnerund die Delegierten des Hauptausschusses einig, esbrauche eine verlässliche Basis, um über den finanziellenAusgleich zu sprechen.

Michaela SpillerPressereferentin Bayerischer [email protected]

Hohe Wertschätzung für die BezirkeBayerns neue Sozialministerin Carolina Trautner zu Gast beim Hauptausschuss des Bayerischen Bezirketags

Bayerns Sozialministerin Carolina Trautner und Franz Löffler, Präsident des Bayerischen Bezirketags

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1/ 2020 | 14Bayerischer Bezirketag

Immer schnellere Innovationszyklen, eine bisher nichtgekannte Komplexität und eine umwälzende Ver-änderung in der Gesellschaft sowie in der Arbeitsweltstellen auch die Bezirke vor neue Herausforderungen.Digitalisierung und digitale Prozesse sind längst auchThemen, die die öffentliche Verwaltung beschäftigen.Das Onlinezugangsgesetz (OZG), die Umstellung vonPapier auf die elektronische Akte (e-Akte) und weitereprozessorientierte Fachverfahren sind hier nur einigeBeispiele, die das Arbeiten in den bezirklichenVerwaltungen und Einrichtungen grundlegendverändern werden. Aber auch der Fachkräftemangel inder Verwaltung stellt die Bezirke vor neue Heraus-forderungen. Um diese auch künftig bewältigen zukönnen, wurde auf Verbandsebene eine zusätzlicheReferentenstelle geschaffen.

Thomas Pfister hat Anfang Februar diese neue Aufgabeübernommen. Er wird künftig als neuer Fachreferent fürDigitalisierung im Referat 3 des Bayerischen Bezirketagsdie Bezirksverwaltungen in organisatorischen und tech-nischen Fragen der Digitalisierung, der Datensicherheitund der Organisation unterstützen, beraten und ver-netzen. Pfister war über 25 Jahre beim Bezirk Mittel-franken - zuletzt als Referatsleiter für IT - tätig. SeineThemenschwerpunkte waren IT-Technik, IT-Sicherheit,Verwaltungsorganisation und Projektmanagement. Bis2005 war er zudem auch für die IT-Betreuung derBezirkskliniken Mittelfranken zuständig.

Thomas Pfister kennt die Bezirke, die Verwaltungensowie die Herausforderungen, die die Digitalisierung mit

sich bringt. Dadurch ist er bestens gewappnet für seineneuen Aufgaben, denen er nun gespannt entgegensieht:„Ich möchte die digitale Transformation unter Einbe-ziehung der Belange verschiedenster Interessengruppensowie unter Berücksichtigung der Entwicklung recht-licher Vorgaben und Rahmenbedingungen bei denbayerischen Bezirken noch mehr etablieren. Ich sehemich als Strategieentwickler wie auch als Impulsgeberund freue mich auf die enge und kooperativeZusammenarbeit mit den Bezirken.“

Michaela SpillerPressereferentin Bayerischer [email protected]

Neuer Fachreferent beim Bayerischen BezirketagThomas Pfister unterstützt künftig den Verband bei den Herausforderungen der Digitalisierung

Thomas Pfister, neuer Fachreferent für Digitalisierung des Bayerischen Bezirketags

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1/ 2020 | 15Bayerischer Bezirketag

Dieter Draf war von 1990 bis 2007 dasGeschäftsführende Präsidialmitglied des Verbandes derbayerischen Bezirke, des heutigen BayerischenBezirketags. Er verstarb am 17. Januar 2020 im Alter von77 Jahren.

Dass es die bayerischen Bezirke heute in dieser Formgibt, ist eines der wesentlichen Verdienste von DieterDraf. 2001 stand deren Abschaffung im Raum. Dochnach der Anhörung im Bayerischen Landtag zur Zukunftder Bezirke blieben sie nicht nur erhalten, sonderngingen gestärkt hervor. Soziale Leistungen wurden inseiner Amtszeit ausgebaut und auch die Psychiatriewurde grundlegend reformiert. Die Kulturarbeit und derUmweltschutz erhielten einen neuen Stellenwert. AlsDieter Draf in den Ruhestand ging, waren die Bezirkewieder als unverzichtbare Partner im Freistaat Bayernanerkannt. Erreicht hatte Dieter Draf all dies mit seinemimmensen juristischen Wissen, mit seiner großenVerwaltungserfahrung, die er beim Aufbau des erstenbayerischen Umweltministeriums, in der Regierung vonOberbayern und als Leiter der Hauptverwaltung desBezirks Oberbayern gewinnen konnte, und auch mitseinem untrüglichen Gespür für das politisch Machbare.

Wer mit ihm zu tun hatte, der weiß, dass die Erfolge, dieer in Fülle verzeichnen konnte, noch in etwas anderembegründet waren: Sie lagen in seiner Person, in seinermenschlichen Größe, in der Bereitschaft, auf jede undjeden mit Herzlichkeit und Wärme zuzugehen. DieterDraf setzte stets auf die leisen Töne, die damit umsowirkungsvoller waren. Nicht plakative Reden warenseine Sache, sondern die vertrauensvollen Gesprächehinter den Kulissen, mit einer Wertschätzung desGegenübers, mit dem Verständnis für dessen Anliegen.Einfühlungsvermögen und Diplomatie zeichneten DieterDraf aus. Brücken zu bauen, auch über tiefe Gräben,Menschen wieder zueinander zu bringen und für eingemeinsames Ziel zu begeistern, das waren immer seineAnliegen. Sein Wirken war geprägt von seinergewinnenden Freundlichkeit, seiner Hilfsbereitschaft

und auch von seiner Abneigung gegen jede Form derÜberheblichkeit und des Sich-zu-wichtig-Nehmens.

Jeder, der den Verstorbenen kannte, weiß, dass er dieKunst und vor allem die Musik aus vollem Herzen liebte.Seine größte Leidenschaft war die Oper. Kaumvorstellbar, dass es ein Werk gibt, das er nicht kannte,kaum ein Konzert des von ihm so verehrtenSymphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, daser nicht besuchte. Zu würdigen haben wir deshalb nichtnur den versierten Verwaltungsjuristen Dieter Draf,sondern vor allem den großen Menschen. DerBayerische Bezirketag verneigt sich vor seinemLebenswerk und wird ihm stets ein ehrendes Andenkenbewahren.

Werner KrausReferent Bayerischer [email protected]

Dieter Draf - Brückenbauer und MenschenfreundGeschäftsführendes Präsidialmitglied a. D. verstarb am 17. Januar 2020 im Alter von 77 Jahren

Dieter Draf, Foto: Bayerischer Bezirketag

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1/ 2020 | 16Bildungswerk Irsee

Bis einschließlich Sonntag, 19. April 2020, bleibt KlosterIrsee als Tagungs-, Bildungs- und Kulturzentrum desBezirks Schwaben sowie des Bayerischen Bezirketagsfür die Öffentlichkeit geschlossen. Auch sämtlicheSeminare und Kursangebote des Bildungswerks und derSchwabenakademie werden in diesem Zeitraumabgesagt.

Um die Ausbreitung des Corona-Virus einzuschränkenund Ansteckungsketten zu unterbrechen, hat der BezirkSchwaben nicht nur alle öffentlichen Kulturveran-staltungen abgesagt, sondern auch sein Tagungs-,Bildungs- und Kulturzentrum in Irsee geschlossen. „Dasist eine präventive Maßnahme, um das Risiko, dass dieKrankheit sich weiter ausbreitet, im Bereich unsererMöglichkeiten zu minimieren“, betont Bezirkstags-präsident Martin Sailer. Der Bezirk Schwaben schließtsich damit der Entscheidung der bayerischenStaatsregierung an, die angeordnet hat, vom 16. Märzbis Ende der Osterferien alle Schulen, Kindergärten undKrippen im Freistaat zu schließen.

„Für uns in Kloster Irsee ist es natürlich ausgesprochenschade, dass wir die gerade aufgebaute Ausstellung„Mensch & Musik. Peter Zeiler zum Neunzigsten“derzeit nicht zeigen können, und auch viele attraktiveSeminarangebote der Schwabenakademie sowieberufliche Fort- und Weiterbildungen desBildungswerks des Bayerischen Bezirketags nichtstattfinden werden. Aber: Safety first! Sicherheit gehtvor“, meint Dr. Stefan Raueiser, Werkleiter desbezirklichen Eigenbetriebs in Irsee.

Kloster Irsee soll nach den Osterferien wieder für denTagungs- und Seminarbetrieb geöffnet werden,schließlich errichtet das Haus gerade seinen„Erweiterungsbau Küferei“, der mit einem zusätzlichen„Gartensaal“ für bis zu 200 Personen Raum bieten wirdund 19 attraktive Gästezimmer mit Blick auf dieKlosteranlage bzw. den Klosterweiher beherbergen soll.

Dr. Stefan RaueiserLeiter Bildungswerk Irsee undSchwäbisches [email protected]

„Safety first“: Bezirkseinrichtung Kloster Irseebis Ende der Osterferien geschlossen

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1/ 2020 | 17Bildungswerk Irsee

Der diesjährige Gesundheitspolitische Kongress derbayerischen Bezirke nahm sich einem Thema an, dasAkteuren in der psychiatrischen Versorgung sowiepolitischen Entscheidungsträgerinnen und -trägernimmer wieder begegnet: Welche Haltungen,Herausforderungen und Grenzen begegnen uns in denethischen Spannungsfeldern im Kontext Psychiatrie?Eine Fragestellung, die sowohl die damitzusammenhängenden Dilemmata in den Blick nahm alsauch Lösungsansätze aufzeigte.

Zahlreiche Teilnehmende aus Politik, Medizin, Therapieund Pflege folgten im Februar der Einladung insBildungswerk des Bayerischen Bezirketags nach Irsee,um sich dort durch Fachreferentinnen und -referentenüber diese komplexe Thematik zu informieren und sichdazu auszutauschen. „Das heutige Thema ist keineinfaches. Meine Erwartung an diese Tagung wäreerfüllt, wenn ich einige Anstöße mitnehmen kann, diemeine Haltung zu den Spannungsfeldern entwederbestärken, oder mich zum Nachdenken bringen“,formulierte Barbara Holzmann, Erste Vizepräsidentindes Bayerischen Bezirketags, ihre Hoffnung an dendiesjährigen Gesundheitspolitischen Kongress.

Das Spannungsfeld von Selbstbestimmung undFürsorge war die Überschrift des ersten Blocks derTagung. Eine Fragestellung, die dabei besondersnachklang, lautete: Hat Psychiatrie nicht die Aufgabe,Menschen dabei zu helfen, nach ihren eigenenVorstellungen zu leben? Das damit ebenfallsverbundene ‚Recht auf Krankheit‘ war dann auch derBogen, der zum zweiten Feld führte – demSpannungsfeld von Individuum und Gesellschaft. Darinbeschäftigte sich die Tagung mit den Grenzen dessen,was die Gesellschaft zulässt oder erträgt. Es wurden

Konflikte aufgezeigt, bei denen Berufsethos mitmoralischer Verpflichtung konkurriert.

Gesundheitsökonomische Problematiken wurden imdritten Abschnitt beleuchtet. Das Spannungsfeld vonwirtschaftlichen Überlegungen und Bedarfsgerecht-igkeit ist in Zeiten knapper Personalressourcen auch einThema der Verteilungsgerechtigkeit. Dies führtmitunter zu ethischen Dilemmata und politischschwierigen Priorisierungen. Den Abschluss desGesundheitspolitischen Kongresses bildete schließlichdas Spannungsfeld der Psychiatrie als solcher. Dort zieltzwar die Behandlung auf das Wohl von psychischkranken Menschen ab, birgt jedoch immer auch dasRisiko unerwünschter Handlungen. Diese „Doppel-gesichtigkeit“ kommt beispielsweise darin zumAusdruck, dass Nutzen und Risiken vom Arzt häufiganders beurteilt werden, als es der Patient selbst erlebtund einschätzt.

„Diese grundsätzliche Fragen sind es unbedingt wert,dass wir uns immer wieder die Zeit für sie nehmen unddiese vor allem gemeinsam reflektieren. Denn wennüberhaupt, können wir nur gemeinsam dieHerausforderungen stemmen, die die Spannungsfelderzwangsläufig mit sich bringen“, so Stefanie Krüger,Geschäftsführendes Präsidialmitglied des BayerischenBezirketags. Am Ende der Tagung zogen dieTeilnehmenden das positive Fazit, dass sie vieleDenkanstöße vom Gesundheitspolitischen Kongress mitin den Berufsalltag nehmen können.

Constanze HölzlPressereferentin Bayerischer [email protected]

Am Limit: Ethische Spannungsfelder in der PsychiatrieGesundheitspolitischer Kongress der bayerischen Bezirke widmet sich den Grundsatzfragen

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1/ 2020 | 18Bildungswerk Irsee

Die Einbeziehung von „Experten aus Erfahrung“(EXperienced-INvolvement) in die psychiatrischeVersorgung ist mittlerweile in allen bayerischenBezirken angekommen - sei es durch Bildungs- undBeschäftigungsangebote, sei es durch die Anstellungqualifizierter Psychiatrie-Erfahrener als„Genesungsbegleiter/in“. Barbara Holzmann,Vizepräsidentin des Bezirkstags von Schwaben sowiedes Bayerischen Bezirketags, hob zum Auftakt desdiesjährigen bayernweiten Vernetzungstreffens imBildungswerk Irsee hervor, wie wichtig es ist, „dasPotential der eigenen Erfahrung als Ressource für sichselbst und für andere zu erkennen undsozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze fürPsychiatrieerfahrene zu schaffen“.

Klaus Nuißl, kommissarischer Landessprecher von EX-IN-Deutschland, erläuterte den besonderen Charakterdes Tagungskonzepts: „Durch zwei World-Cafés undfünf Workshops konnte die EX-IN Methodik, die starkauf den Erfahrungsaustausch setzt, auch auf dasNetzwerktreffen in Irsee mit über 70 Mitwirkenden undTeilnehmenden aus dem gesamten Freistaat erfolgreichangewendet werden. Durch die gemeinsamenMahlzeiten und viele inhaltliche Impulse konntenspannende Diskussionen angestoßen werden. Dabei

wurden viele Themen, die in der täglichen Arbeit alsSpannungsfelder erlebt werden, angesprochen, wiezum Beispiel: Nähe und Distanz, Anpassung im Teamund Bewahrung des EX-IN-Eigenen sowie passendeFortbildungen, ohne die besondere Wirkung desGesprächs mit EX-IN Genesungsbegleitern ohne eigenstherapeutisch geschulte Technik aufzugeben“.

Prof. Dr. Thomas Becker, Leitender Ärztlicher Direktordes Bezirkskrankenhauses Günzburg, berichtete vonvielversprechenden Forschungsergebnissen, die dieWirksamkeit des Einsatzes von Genesungsbegleitung inpsychosozialen Therapien bei schweren psychischenErkrankungen belegen.

Das Bildungswerk des Bayerischen Bezirketags, das1991 die Gründungsveranstaltung des Bundesver-bandes Psychiatrie-Erfahrener ausrichtete und 2001 dieFormierung des bayerischen LandesverbandesBürgerhilfe in der Psychiatrie begleitete, unterstützt dasZiel, einen EX-IN-Landesverband Bayern zu etablieren.

Dr. Stefan RaueiserLeiter Bildungswerk Irsee undSchwäbisches [email protected]

Anmeldung und weitere Informationen unter www.bildungswerk-irsee.de.

Bayerisches EX-IN-Vernetzungstreffen in Kloster IrseePsychische Krisenerfahrungen als professionelle Kompetenz erkennen und neue berufliche Perspektiven für Psychiatrie-Erfahrene schaffen

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1/ 2020 | 19Bildungswerk Irsee

Psychiatrie-Erfahrene prägen PflegetagungenDie beiden ersten Pflegetagungen des Bildungswerksim Jahr 2020 konnten ein wesentliches Projekt derPflege in Bayern ausbauen und konsolidieren: DieSelbstverständlichkeit der aktiven MitwirkungBetroffener im Tagungsverlauf.

So war bei der Fachtagung „Allgemeinpsychiatrie“ eineVertreterin des BayPE (Bayerischer LandesverbandPsychiatrie-Erfahrener e.V.) mit dem Eröffnungsvortragein wirksamer Anreiz für die Tagungsteilnehmerinnenund -teilnehmer, die eigene Rolle in der klinischenArbeit zu überdenken. Zu wissen, wie man von denBetroffenen gesehen wird und wie deren Meinung zu

den Selbstverständlichkeiten der „Profis“ aussehenkönnen, ist immer wieder aufs Neue ein Gewinn.Ähnliche Erfahrungen machten die Teilnehmer derFachtagung „Pflege suchtkranker Menschen“, derenTagung von zwei Vorträgen ehemals Suchtkrankereröffnet wurde, die mit jeweils unterschiedlichenPositionen und Lebenswegen aufwarteten.

Jürgen HollickBildungsreferent Pflege und therapeutische Dienste im Bildungswerk [email protected]

25 Jahre Fachtagung „Psychotherapie und Psychosomatik in der Pflege“

Zum 25. Mal findet in diesem Jahr die internationaleFachtagung für Psychotherapie und Psychosomatik inder Pflege statt. Die Tagung war nicht nur die ersteregelmäßige Großtagung, die im Programm desBildungswerks des Bayerischen Bezirketags Platz fand,sondern sie konnte auch das Verständnis von Pflege alszwischenmenschliche Beziehungsarbeit deutlichprägen.

Gleichzeitig war diese Tagung die erste, die sich mitwissenschaftlichen Grundlagen der Pflegeauseinandersetzte, und so zahlreiche bedeutende

Berufsvertreterinnen und -vertreter ins Kloster Irseelockte. Unter dem Motto „Blick zurück nach vorn“ wirddie Tagung vom 17. bis 20. Mai 2020 Bekanntes undBewährtes wieder in Erinnerung rufen, gleichzeitig aberauch innovative Ansätze, die heute von der Pflegeinitiiert werden, einer breiten Teilnehmerschaftpräsentieren.

Jürgen HollickBildungsreferent Pflege und therapeutische Dienste im Bildungswerk [email protected]