Archaeelle Symbionten und Parasiten

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244 WISSENSCHAFT BIOspektrum | 03.12 | 18. Jahrgang Several species of Archaea are known to be involved in close associations with representatives of Eukarya, Bacteria, and other Archaea. These communities which seem to have an important, so far underestimated influence on ecological and environmental processes can often hardly be assigned to the “classical” concepts of mutualism, commensalism, or parasitism. DOI: 10.1007/s12268-012-0168-x © Springer-Verlag 2012 ó Die Reinkultur ist für Mikroorganismen eine künstliche Welt. Die Anpassung an das „Single“-Leben und der damit verbundene Verlust von Interaktionen mit dem natür- lichen Biotop erfordern vom kultivierten Mikroorganismus eine hohe Flexibilität und eine große Energieleistung: Es fallen alle Vor- teile einer (mikrobiellen) Gemeinschaft weg, z. B. der Austausch von Nährstoffen, die Besei- tigung von (schädlichen) Stoffwechselpro- dukten oder der Schutz vor negativen Umwelt- einflüssen. Viele Mikroorganismen haben sich offenbar so an diese Arbeitsteilung und ihre Wechselwirkungen mit dem Biotop ange- passt, dass es bisher nicht gelingt, mehr als ein bis zwei Prozent der Arten in Reinkultur im Labor zu züchten. Im Zusammenspiel der Mikroorganismen kann der Kontakt für einen oder mehrere Part- ner gewinnbringend sein. Das ursprüngliche Konzept der Symbiose umfasst Partnerschaf- ten zweier oder mehrerer Partner, die über einen längeren Zeitraum hinweg stabil sind. Dabei unterscheidet man mutualistische (bei- de Partner profitieren) und kommensale Beziehungen (nur ein Partner profitiert, der andere wird aber nicht geschädigt). Sobald ein Partner aber von Ressourcen eines ande- ren profitiert und diesem dadurch Schaden zufügt, spricht man von Parasitismus. Die Ausbildung solcher Interaktionen unter Mikroorganismen findet in diversen Formen statt – von loser Lebensgemeinschaft bis hin zu obligater Vergesellschaftung. Mikrobielle Biofilme, Matten oder Konsortien können beliebig komplex sein und sind in unter- schiedlichen, auch extremen Biotopen weit verbreitet [1]. Während Wechselwirkungen von Bakterien mit anderen Organismen einigermaßen gut erforscht und verstanden sind, gilt das nicht für die Archaeen. Inzwischen weiß man, dass Archaeen nicht nur extremophile Sonderlinge sind, sondern auch gemäßigte Biotope besie- deln. Sie stellen einen signifikanten, trei- benden Bestandteil vieler natürlicher und künstlicher Ökosysteme dar [2], greifen bedeutend in die Stoffkreisläufe der Erde ein und können bestimmte Biotope sogar domi- nieren. Dennoch sind, vermutlich auch auf- grund der schwierigen Kultivierung dieser nicht extremophilen Archaeen, nur Einzel- fälle von symbiotischen oder parasitären Beziehungen zu Eukaryoten, Bakterien oder anderen Archaeen bekannt [1]. Interaktionen und Symbiosen von Archaeen mit Eukaryoten Methanogene scheinen für eine symbiotische Beziehung zu anderen Organismen prädes- tiniert. Sie benötigen oxidierte, einfache Koh- lenstoffverbindungen, die meist als Stoff- wechselendprodukte anfallen (z. B. CO 2 , Ace- tat). In Verbindung mit der Bereitstellung von Wasserstoff (Interspezies-H 2 -Transfer) kann so giftiger bzw. hemmender Nährstoff- abfall entsorgt werden – sehr zum Nutzen des symbiotischen Partners. Methanogene in Vergesellschaftung mit Eukaryoten wer- den aufgrund ihrer effizienten Methanpro- duktion im Hinblick auf die fortschreitende Klimaerwärmung sehr problematisch gese- hen. Allein ein Rind produziert mithilfe sei- ner archaeellen Pansen- bzw. Darmbewoh- ner 200 Liter Methan pro Tag (ca. 100 Mil- lionen Tonnen Methan pro Jahr weltweit) – ein beträchtlicher Beitrag zur Methanbilanz der Erde. Zusammen mit der Aktivität in Symbiosen mit Reispflanzen (60 Millionen Tonnen Methan pro Jahr) und im Darm von Termiten (ca. 22 Millionen Tonnen pro Jahr; Abb. 1A) sind methanogene Archaeen von zunehmender (negativer) Umweltrele- vanz. Andererseits unterstützen sie effizient ihre Symbiosepartner, die ohne deren Akti- vität ihren Stoffwechsel vermutlich nicht oder Ungewöhnliche Lebensgemeinschaften Archaeelle Symbionten und Parasiten CHRISTINE MOISSL-EICHINGER, HARALD HUBER LEHRSTUHL FÜR MIKROBIOLOGIE UND ARCHAEENZENTRUM, UNIVERSITÄT REGENSBURG ˚ Abb. 1: Interaktionen und Symbiosen von Archaeen mit Eukaryoten. A, Methanogene auf Ter- miten-Darmwand; Autofluoreszenz Koenzym F 420 (Bild: A. Brune, MPI Marburg). B, Bakterien (blau) und ammoniumoxidierende Archaeen (rot) im Gewebe des Schwamms Geodia barretti (grün) (Bild: R. Radax, C. Schleper, Uni Wien [3]). Maßstab jeweils 5 μm.

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Several species of Archaea are known to be involved in close associationswith representatives of Eukarya, Bacteria, and other Archaea. These communities which seem to have an important, so far underestimatedinfluence on ecological and environmental processes can often hardly beassigned to the “classical” concepts of mutualism, commensalism, or parasitism.

DOI: 10.1007/s12268-012-0168-x© Springer-Verlag 2012

ó Die Reinkultur ist für Mikroorganismeneine künstliche Welt. Die Anpassung an das„Single“-Leben und der damit verbundeneVerlust von Interaktionen mit dem natür-lichen Biotop erfordern vom kultiviertenMikroorganismus eine hohe Flexibilität undeine große Energieleistung: Es fallen alle Vor-teile einer (mikrobiellen) Gemeinschaft weg,z. B. der Austausch von Nährstoffen, die Besei-tigung von (schädlichen) Stoffwechselpro-dukten oder der Schutz vor negativen Umwelt-einflüssen. Viele Mikroorganismen habensich offenbar so an diese Arbeitsteilung undihre Wechselwirkungen mit dem Biotop ange-passt, dass es bisher nicht gelingt, mehr alsein bis zwei Prozent der Arten in Reinkulturim Labor zu züchten.

Im Zusammenspiel der Mikroorganismenkann der Kontakt für einen oder mehrere Part-

ner gewinnbringend sein. Das ursprünglicheKonzept der Symbiose umfasst Partnerschaf-ten zweier oder mehrerer Partner, die übereinen längeren Zeitraum hinweg stabil sind.Dabei unterscheidet man mutualistische (bei-de Partner profitieren) und kommensaleBeziehungen (nur ein Partner profitiert, derandere wird aber nicht geschädigt). Sobaldein Partner aber von Ressourcen eines ande-ren profitiert und diesem dadurch Schadenzufügt, spricht man von Parasitismus. DieAusbildung solcher Interaktionen unterMikroorganismen findet in diversen Formenstatt – von loser Lebensgemeinschaft bis hinzu obligater Vergesellschaftung. MikrobielleBiofilme, Matten oder Konsortien könnenbeliebig komplex sein und sind in unter-schiedlichen, auch extremen Biotopen weitverbreitet [1].

Während Wechselwirkungen von Bakterienmit anderen Organismen einigermaßen guterforscht und verstanden sind, gilt das nichtfür die Archaeen. Inzwischen weiß man, dassArchaeen nicht nur extremophile Sonder lingesind, sondern auch gemäßigte Biotope besie-deln. Sie stellen einen signifikanten, trei-benden Bestandteil vieler natürlicher undkünstlicher Ökosysteme dar [2], greifenbedeutend in die Stoffkreisläufe der Erde einund können bestimmte Biotope sogar domi-nieren. Dennoch sind, vermutlich auch auf-grund der schwierigen Kultivierung diesernicht extremophilen Archaeen, nur Einzel-fälle von symbiotischen oder parasitärenBeziehungen zu Eukaryoten, Bakterien oderanderen Archaeen bekannt [1].

Interaktionen und Symbiosen vonArchaeen mit EukaryotenMethanogene scheinen für eine symbiotischeBeziehung zu anderen Organismen prädes-tiniert. Sie benötigen oxidierte, einfache Koh-lenstoffverbindungen, die meist als Stoff-wechselendprodukte anfallen (z. B. CO2, Ace-tat). In Verbindung mit der Bereitstellungvon Wasserstoff (Interspezies-H2-Transfer)kann so giftiger bzw. hemmender Nährstoff -abfall entsorgt werden – sehr zum Nutzendes symbiotischen Partners. Methanogenein Vergesellschaftung mit Eukaryoten wer-den aufgrund ihrer effizienten Methanpro-duktion im Hinblick auf die fortschreitendeKlimaerwärmung sehr problematisch gese-hen. Allein ein Rind produziert mithilfe sei-ner archaeellen Pansen- bzw. Darmbewoh-ner 200 Liter Methan pro Tag (ca. 100 Mil -lionen Tonnen Methan pro Jahr weltweit) –ein beträchtlicher Beitrag zur Methanbilanzder Erde. Zusammen mit der Aktivität in Symbiosen mit Reispflanzen (60 MillionenTonnen Methan pro Jahr) und im Darmvon Termiten (ca. 22 Millionen Tonnen proJahr; Abb. 1A) sind methanogene Archaeenvon zunehmender (negativer) Umweltrele-vanz. Andererseits unterstützen sie effizientihre Symbiosepartner, die ohne deren Akti-vität ihren Stoffwechsel vermutlich nicht oder

Ungewöhnliche Lebensgemeinschaften

Archaeelle Symbionten und ParasitenCHRISTINE MOISSL-EICHINGER, HARALD HUBER

LEHRSTUHL FÜR MIKROBIOLOGIE UND ARCHAEENZENTRUM, UNIVERSITÄT REGENSBURG

˚ Abb. 1: Interaktionen und Symbiosen von Archaeen mit Eukaryoten. A, Methanogene auf Ter-miten-Darmwand; Autofluoreszenz Koenzym F420 (Bild: A. Brune, MPI Marburg). B, Bakterien (blau)und ammoniumoxidierende Archaeen (rot) im Gewebe des Schwamms Geodia barretti (grün) (Bild:R. Radax, C. Schleper, Uni Wien [3]). Maßstab jeweils 5 μm.

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nur unter Einschränkungen betreiben könn-ten.

Archaeelle Ammoniumoxidierer (Thaum-archaeota), darunter Cenarchaeum symbio-sum, können in aquatischen Ökosystemenplanktonisch, in vielen Fällen aber auch mitSchwämmen assoziiert auftreten. In derMatrix von Schwämmen führen sie den erstenSchritt der Nitrifikation durch (Ammonium-oxidation) und sind damit wesentlich amN-Umsatz beteiligt. Der eukaryotische Sym-biont (z. B. der Schwamm Geodia barretti; Abb.1B) [3] profitiert wahrscheinlich durch Entzugdes Ammoniums, die Archaeen durch Bereit-stellung eines geschützten Biotops und benö-tigter Stoffwechseledukte.

Interaktionen von Archaeen mitBakterienDas anaerobe Methanoxidierer-Konsortium istvermutlich die am besten charakterisierte,unkultivierte archaeell-bakterielle Lebensge-meinschaft. Eine faszinierende Wechselwir-kung von methanogenen Archaeen und sul-fatreduzierenden Bakterien ist in terrestri-schen und marinen aquatischen Systemen ver-antwortlich für den substanziellen Abbau vonfreiem Methan (ca. sieben bis 25 Prozent desbiotisch produzierten Methans). Methanogenebetreiben in solchen Gemeinschaften denumgekehrten Stoffwechsel der normalenMethanogenese: Sie oxidieren CH4 zu CO2 undstellen so das Ausgangsmaterial für autotrophePrimärproduzenten wieder zur Verfügung. Diebakteriellen Symbionten entziehen dem Sys-tem durch Sulfatreduktion Elektronen undermöglichen damit einen sehr kleinen, aberdennoch ausreichenden Energiegewinn für

das Konsortium. Sowohl anaerobe methano-trophe Archaeen (ANME) als auch die bakte-riellen Symbiosepartner sind phylogenetischdivers. Beide Partner sind in vielen Fällenräumlich vereint (Abb. 2A), allerdings wur-den mittlerweile auch frei lebende ANME-Ver-treter nachgewiesen (Übersicht siehe [4]).

Das in kalten sulfidischen Quellen behei-matete, bislang ebenfalls unkultivierte SM1-Euryarchaeon dominiert in Sauerstoff-freientiefen Bereichen die von ihm gebildeten Bio-film-Verbände (95 Prozent SM1, fünf Prozentsulfatreduzierende Bakterien) – eine außer-gewöhnliche Eigenschaft eines Archaeons [5].Sobald diese Biofilme an die Oberflächegespült werden und damit Kontakt zu Sauer-stoff besteht, formen sich „Perlenketten-Gemeinschaften“ (string-of-pearls communi-ties; Abb. 2B): Bakterielle Filamentbildner(Thiothrix oder Sulfuricurvum) umschließendie SM1-Mikrokolonie, bilden eine stabile,scheinbar gleichberechtigte Gemeinschaftund ermöglichen so gemeinsames Wachstumund Persistenz im Oberflächengewässer. Mitraffinierten Oberflächenanhängseln (Hami,Abb. 2B, rechts) nimmt das SM1-Euryar-chaeon leicht untereinander und zu Bakte-rien Kontakt auf [6]. Die Symbiose mit Thioth-rix/Sulfuricurvum scheint existenziell zu sein– wobei noch unklar ist, ob sie auf Synthro-phie, einer Schutzfunktion durch die Sulfi-doxidierer (Sauerstoffentzug) oder anderenbislang ungeklärten Mechanismen basiert.Eine Beteiligung des SM1-Euryarchaeons amSchwefelumsatz scheint aber unwahrschein-lich (Alexander Probst et al., Lehrstuhl fürMikrobiologie und Archaeenzentrum, Uni-versität Regensburg, unpubliziert). Zellmate-

rial dieses Archaeons kann mittels einerin situ-Anreicherungsmethode gewonnen wer-den [5], aktuell zur Sequenzierung desGenoms, um Einblicke in den Stoffwechselund die ökologische Signifikanz diesesArchaeons zu erhalten.

Interaktionen von Archaeen mitArchaeenEiner der wenigen Berichte von Interaktio-nen zweier Archaeenarten bezieht sich aufdie erfolgreiche in vitro-Etablierung einer sta-bilen Ko-Kultur durch Pyrococcus furiosus undMethanopyrus kandleri [7]. Letzterer ist dabeiverantwortlich für die Initialisierung des Bi-Spezies-Biofilms auf verschiedenen Oberflä-chen (Abb. 3A). Die Basis für die stabile Sym-biose scheint ein H2-Transfer zu sein, die Pyro-coccus zu höheren Zellzahlen als in Reinkul-tur heranwachsen lässt.

Ein nach heutigem Kenntnisstand parasi-täres System zweier Archaeen repräsentie-ren Nanoarchaeum equitans und Ignicoccushospitalis [8]. Während Ignicoccus auch ohnedie auf seiner Zelloberfläche aufsitzendenPartner in Reinkultur gut wachsen kann, istN. equitans obligat auf die Interaktion an -gewiesen. Diese starke Verbindung bestäti-gen elektronenmikroskopische Untersu-chungen sowie Fluoreszenzmarkierungen mitBacLight™ (Abb. 3B), bei denen anhaftendeN. equitans-Zellen immer den gleichen physio-logischen Zustand aufweisen wie ihre Wirts-zellen [9].

Die Analyse des Genoms von N. equitansbewies das Fehlen wichtiger Gene für dieLipid-, Kofaktor-, Aminosäure- oder Nukleo-tidbiosynthese; dieses Archaeon scheint einechter Schmarotzer zu sein. Da er seinen Wirtnicht hinreichend aktiv schädigt, wird diesals „innige Lebensgemeinschaft“ (intimateassociation) bezeichnet [9]. Das Nanoarchae-um/Ignicoccus-System ist die derzeit einzigeim Labor kultivierte natürliche Gemeinschaftzweier Archaeen.

Archaeen und der MenschBei fast jedem zweiten Menschen sind Metha-nogene im Darm nachweisbar; Methanobre-vibacter smithii kann bis zu zehn Prozent allerdort vorhandenen Anaerobier ausmachen.Methanosphaera stadtmanae, ebenfalls eintypischer Darmbewohner, wurde als ersterarchaeller Kommensale des Menschensequenziert. Dessen Metabolismus ist im Ver-gleich zu anderen Methanogenen einge-schränkt – ein Hinweis auf seine Anpassungan das Milieu des menschlichen Darms.

˚ Abb. 2: Interaktionen und Symbiosen von Archaeen mit Bakterien. A, Konsortium: ANME-2c(rot) und Sulfatreduzierer (grün); mikrobielle Matte aus dem Schwarzen Meer. Maßstab: 10 μm(Bild: K. Knittel, A. Boetius, MPI Bremen). B, SM1-Euryarchaeon. Links: Perlenkettengemeinschaf-ten im Biotop (Durchmesser der Perle: 3 mm). Mitte: DAPI-Färbung einer Perle; SM1-Euryarchae-on: Kokken, Thiothrix: filamentös. Rechts: Anheftungsstruktur des SM1-Euryarchaeons: Hami mit„Enterhaken“ (Durchmesser des Hakens: 60 nm). Weitere Erklärungen siehe Text.

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Methanogene sind auch in diesem Biotop,neben sulfatreduzierenden und acetogenenBakterien, zuständig für den Entzug des Fer-mentationsproduktes Wasserstoff.

Methanobrevibacter-Vertreter finden sichauch bei Menschen mit entzündetem Zahn-fleisch: Bis zu 73 Prozent dieser Patientensind Träger von Methanobrevibacter oralis,der im gesunden Gewebe bislang nicht nach-weisbar ist. Neue Studien liefern Hinweiseauf die Existenz weiterer Archaeen in derMundhöhle des Menschen und von Metha-nogenen sogar in Wurzelkanälen von Zähnen(Abb. 3C, [10]). Inwieweit diese ursächlichmit den Erkrankungen in Verbindung stehen,bleibt noch zu klären. Während derzeit mehrals 900 bakterielle und eukaryotische Human-pathogene bekannt sind, fehlen Archaeen bis-her in diesen Reihen. Möglicherweise ist diesaber nur eine Folge eines ausstehenden expe-rimentellen Nachweises. Vieles spricht schonjetzt für eine indirekte Unterstützung bakte-rieller Krankheitserreger durch Archaeen,z. B. durch Wasserstoffentzug.

Neue Formen des ZusammenlebensArchaeen sind in der Lage, ihre Wirte, Partnerund die gesamte Umgebung zu beeinflussen.Vielfach scheinen die Wechselwirkungen vonArchaeen mit anderen Organismen auf einerrein syntrophischen Grundlage (meist Inter-spezies-H2-Transfer) zu basieren – aber ist eswirklich so einfach? Oder spielen andere,komplexere Prinzipien eine Rolle, wie aktuel-le Publikationen vermuten lassen [11]? InZukunft werden neue Ideen, alternative Ana-lysenmethoden und ein großer Forschungs-einsatz dazu beitragen können, die Rolle derArchaeen in ihren Beziehungen – die sich oft-mals bestehenden, starren Definitionen ent-ziehen – als aktiv interagierende Organismenzu verstehen.

DanksagungWir danken der DFG (HU703/2-1 undMO1977/3-1) für die finanzielle Förderungund Michael Thomm und Reinhard Wirth fürdie Unterstützung bei der Durchführung der

Arbeiten sowie unseren Kollegen für dieBereitstellung von Bildmaterial. ó

Literatur[1] Moissl-Eichinger C, Huber H (2011) Archaeal symbiontsand parasites. Curr Opin Microbiol 14:364–370[2] Moissl-Eichinger C (2011) Archaea in artificial environ-ments: their presence in global spacecraft clean rooms andimpact on planetary protection. ISME J 5:209–219[3] Radax R, Hoffmann F, Rapp HT et al. (2012) Ammonia-oxi-dizing archaea as main drivers of nitrification in cold-watersponges. Environ Microbiol, doi:10.1111/j.1462-2920.2011.02661.x[4] Knittel K, Boetius A (2009) Anaerobic oxidation of metha-ne: progress with an unknown process. Annu Rev Microbiol63:311–334[5] Henneberger R, Moissl C, Amann T et al. (2006) Newinsights into the lifestyle of the cold-loving SM1 euryarchae-on: natural growth as a monospecies biofilm in the subsurfa-ce. Appl Environ Microbiol 72:192–199[6] Moissl C, Rachel R, Briegel A et al. (2005) The uniquestructure of archaeal ‘hami’, highly complex cell appendageswith nano-grappling hooks. Mol Microbiol 56:361–370[7] Schopf S, Wanner G, Rachel R et al. (2008) An archaeal bi-species biofilm formed by Pyrococcus furiosus andMethanopyrus kandleri. Arch Microbiol 190:371–377

[8] Huber H, Hohn MJ, Rachel R et al. (2002) A new phylumof Archaea represented by a nanosized hyperthermophilicsymbiont. Nature 417:63–67[9] Jahn U, Gallenberger M, Paper W et al. (2008)Nanoarchaeum equitans and Ignicoccus hospitalis: newinsights into a unique, intimate association of two Archaea. JBacteriol 190:1743–1750[10] Horz HP, Conrads G (2011) Methanogenic Archaea andoral infections – ways to unravel the black box. J OralMicrobiol 3, doi:10.3402/jom.v3i0.5940[11] Zhang G, Zhang F, Ding G et al. (2012) Acyl homoserinelactone-based quorum sensing in a methanogenic archaeon.ISME J, doi:10.1038/ismej.2011.203

Korrespondenzadresse:Dr. Christine Moissl-EichingerLehrstuhl für Mikrobiologie und ArchaeenzentrumUniversität RegensburgUniversitätsstraße 31D-93053 RegensburgTel.: 0941-943-4534Fax: 0941-943-2403christine.moissl-eichinger@biologie. uni-regensburg.de

˚ Abb. 3: Interaktionen und Symbiosen von Archaeen mit Archaeen (A, B) und Menschen (C).A, Ko-Kultur von Pyrococcus furiosus und Methanopyrus kandleri; Antikörperfärbung: P. furiosus:rot; M. kandleri: grün (Bild: S. Schopf, R. Wirth, Uni Regensburg). B, Nanoarchaeum equitans –Ignicoccus hospitalis. Großes Bild: Epifluoreszenzaufnahme der Ko-Kultur. Beginn der stationärenWachstumsphase; BacLight™-Färbung: Tote Zellen sind rot, lebende grün gefärbt (aus [9]). KleinesBild: TEM-Aufnahme eines Ultradünnschnitts von I. hospitalis (I.ho) mit N. equitans (N.eq). Maß-stab: 0,5 μm. C, Röntgenaufnahme eines infizierten menschlichen Zahns. 1: Wurzelkanal mitnekrotischem Pulpagewebe (positiver Nachweis von Archaeen). 2: Periapikale Knochenläsion(Bild: H.-P. Horz, RWTH Aachen).

AUTORENChristine Moissl-EichingerJahrgang 1976. Biologiestudium in Regensburg. 2005 Promotion bei Prof.Dr. R. Huber. 2005–2006 Postdoc am California Institute of Technology/ NASA Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, CA, USA. Seit 2007 Projekt-und Nachwuchsgruppenleiterin am Lehrstuhl für Mikrobiologie und Archaeenzentrum der Universität Regensburg. Seit 2011 Habilitandin.

Harald HuberJahrgang 1957. 1977–1982 Biologiestudiuman den Universitäten München und Regens-burg, 1987 Promotion bei Prof. Dr. K. Stet-ter. Seit 1988 Arbeitsgruppenleiter am Lehr-stuhl für Mikrobiologie und Archaeenzen-trum der Universität Regensburg.