Arbeitsaufenthalt Eritrea 26. Mai bis 3. Juni...
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Arbeitsaufenthalt Eritrea 26. Mai bis 3. Juni 2016
Jana Weingart Anästhesie
Jörg Berkholz HNO
Axel Pinkpank HNO (Fotos)
Markus Jungehülsing HNO (Protokoll)
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26.5.2016
Start um 10:30 im Klinikum Ernst von Bergmann; der Haustransport (Dank an Herrn Golub!) bringt
die Potsdamer Gruppe zum Flughafen Tegel, was besonders angenehm ist, da wir alle 40 kg Material
dabei haben; darunter große Mengen Trachealkanülen und 8 Inhalatoren von der Firma Fahl,
außerdem zwei kleine mobile Absauggeräte und 20 Ambubeutel, die, noch gut – im Klinik EvB
ausgesondert wurden. Außerdem ein Pulsoxymeter, den Ansgar Book besorgt hat. Mit Turkish
Airlines fliegen wir nach Istanbul und treffen dort auf unseren 4. Eritreareisenden Axel Pinkpank.
Unser Flieger heißt: „MUT“ !
Der Flug klappt prima, und Adem holt uns morgens um 3:00 vom Flughafen ab. Es sind noch die
Feiern des 25jährigen Staatsjubiläums, und alles ist festlich geschmückt:
Ein ungewöhnlicher Anblick für uns! Aber sehr hübsch!!
27.5.2016
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Pünktlich um 9:00 beginnt die Patientenvisite, wir sehen mit Alem, Simon, Amanuel und
Weldemichael etwa 50 Patienten, um den OP-Plan für die nächste Woche festzulegen. Wir haben nur
einen Patienten, dem wir nicht helfen können, mit einem riesigen Mittelgesichtstumor. Jörg
entnimmt eine Probe: wenn der Tumor infektiös ist (ZB Noma) oder ein malignes Lymphom, könnte
er noch medikamentös oder per Radiatio therapiert werden. Die Radiatio funktioniert allerdings in
Asmara noch nicht, das Gebäude ist aber fertig, sagt Alem. Es gäbe Probleme mit der Genehmigung
der Bestrahlungsgeräte.
Unsere Triage ist etwa gegen 16:00 beendet, mir kommt es wegen der kurzen Nachtruhe vor wie
22:00 Uhr .
Am Abend sind wir alle auf der 25-years-celebration der Kliniken Asmaras: wir treffen Dr. Habteab,
die Gesundheitsministerin Amina, den Chirurgen Dr. Yosef, und viele andere; es sind etwa 2000
Menschen beieinander, zunächst gibt es mehrere Reden von Honoratioren, und das zentrale, immer
wiederholte Wort ist heute Abend „resilience“. Später wird auch zu eritreischer Musik getanzt. Das
Fest findet statt im EXPO Gelände, das zu Haile Selassies Zeit zunächst für Ausstellungen genutzt
wurde, dann später von den Äthiopiern als Gefängnis. Seit 25 Jahren dient es aber wieder
öffentlichen Festen und Ausstellungen.
28.5.2016
Wir treffen uns um 9:00 morgens zur radiologischen Visite in der von den Chinesen fertig gestellten
Radiologie, das ist neu. Etwa 1/3 der Patienten hatte gestern CDs mit CT-Scans dabei, die wir nun
zusammen mit 2 Radiologen und unseren HNO-Fachärzten anschauen: echtes Teaching für alle. Der
chinesische Techniker kommt auch vorbei, sehr nett, er spricht ein bisschen Tigrinya, aber kein
Englisch. Wir schauen etwa 15 Patienten durch, und führen dann noch gemeinsam bei 4 Patienten
ein Ultraschall des Halses durch, an einem sehr guten Philips Ultraschallgerät.
Und nachmittags ist dann das Fest der HNO mit allen Mitarbeitern, essen und trinken, und tanzen zu
eritreischer Musik im traditional style. Simon und Habteab halten eine Rede, loben den
Zusammenhalt der Asmara HNO, die deutsche Unterstützung, und besonders Eberhard Stennert,
dem sie Dank und Respekt für seinen Einsatz zollen: das sei hier nun weitergegeben, passend an
seinem Geburtstag denken wir alle an Ihn und wünschen im von Herzen alles Gute!
Wir hätten die Grüße auch gern telefonisch oder per Web übermittelt, aber das Internet ist wackelig
wie nie, und wir haben erst am Sonntag, also 3 Tage nach Ankunft, circa 15 Minuten, unsere
Angehörigen über gute Landung und wie immer herzliche Aufnahme zu informieren. Das Internet (im
Hotel Ebasoira) bleibt unzuverlässig.
Das neue Bettenhaus steht, ist schon bezogen, und sehr hübsch geworden. Die Vertreterin von
Abeba hütet das Schwesternleitungszimmer: alles ist aufgeräumt und hell und schön. es
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Der Innenhof ist
noch „wüst und
leer“, wird aber
sicher bald
genauso hübsch
wie die Gärten
vor der Klinik.
Alem möchte
mindestens 2
Palmen.
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Und die ersten Patienten von weit her haben bereits ein Zimmer bezogen:
29.5.2016
Der Tag ist zu unser freien Verfügung, wir machen einen Marathonspaziergang durch Asmara, mit
Puschkin-Denkmal, Fruit Market, Italienischem Pavillon (geschlossen und ganz heruntergekommen),
Die alte Bettenstation wird von den chinesischen
Bauarbeitern entkernt werden, sie haben wohl
gerade damit angefangen. Dort sollen ja die beiden
neuen OPs hinkommen. Der Bereich ist aber
abgeschlossen, so dass ich keine Bilder machen
kann.
Unsere Stationsleitung Abeba ist sehr stolz auf ihre
neue Station, hier bringt sie uns gerade das
traditionelle „Kitscha“
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deutscher Botschaft (wir sind zu spät dran und haben uns in Ermangelung Internets auch nicht
ankündigen können), einer Anlage für verletzte Soldaten und ihre Angehörigen (sehr ordentlich und
hübsch), sowie dem „Großen Militärfriedhof“. Abends sind wir in der dunklen Pizzeria:
hervorragende Pizza!!
30.5.2016
Frühstück um 7:00, Op-Beginn um 8:00, erster Patient ein kleiner Junge Mekunem, mit einer
Raumforderung linker Hals: er hat schon seit 3 eine Tuberkulose-3xKombination bekommen, ex
juvantibus.
Jana macht die Narkose mit
Isoforane, da nichts anderes da ist, klappt aber prima, auch die Ausleitung . Die Halsexploration
zeigt keine Raumforderung und keine Lymphadenitis, aber einen verdickten, sklerosierten,
indurierten M. sternocleidomastoideus: vielleicht Taenia crassiceps, meint Jörg. Wir hatten vor
einem Jahr einen ganz ähnlichen Fall in Potsdam. Eine TBC ist es ohne Lymphadenitis aber sicher
nicht, so dass wir die ohnehin etwas mutig indizierte Dreifachkombination absetzen.
Hier wird die Narkose von Mekunem
ausgeleitet. Alles klappt prima bei
dem 6 Monate alten, 6 kg schweren
(oder leichten) Jungen.
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Jana intubiert mit Petrus, „anesthesial nurse“, der ganz fit ist und eigentlich wirklich alles allein kann.
Jörg und Axel stellen erst die Fistel mit Gentiana Violett dar, dann zeigt sich, dass der Eintritt jugulär
rechts nur ein Blindgang ist, aber außerdem eine mediane Halszyste vorliegt: also Exzision mit
Zungenbein. Anschließend folgt noch die Adenotomie.
Die nächste Patientin, Nahir, ist 4 Jahre alt und hat
eine mediane Halszyste, außerdem eine Fazies
adenoides. Und nahezu ausschließlich
Mundatmung.
Von links nach
rechts:
Alem, Petrus,
Jörg, Yordanios,
Axel.
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:
Der nächste Patient ist 45 Jahre alt und heißt Solomun. Er hat bereits vor Jahren die Schilddrüse
entfernt bekommen, Histologie unbekannt, und jetzt im Bereich des oberen Halsdreiecks rechts eine
große Raumforderung entwickelt. Eine FNAC beschreibt ein papilläres Schilddrüsenkarzinom,
palpatorisch könnte es sich aber auch um ein Paragangliom handeln.
Dieser Patient kann nur durch den Einsatz des Miller Spatels intubiert werden. Durch den Tumor war
der Larynx massiv nach links verdrängt.
Der Tumor, dann doch wahrscheinlich ein papilläres Schilddrüsenkarzinom – Rezidiv reicht nach
kranial bis unter den M. digastrikus, nach caudal bis in den oberen Venenwinkel links. Die Vena
jugularis ist infiltriert und muss auf ganzer Länge abgesetzt werden.
Jana stellt fest, dass die Narkosegase
heute alle in den Flur geleitet
werden. Bevor sich eine gewisse
Müdigkeit ausbreitet, verlängert sie
die Ableitung aus dem Fenster !
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Der M. scm und der obere Venenwinkel sind ebenfalls infiltriert. Letztlich werden erhalten der N.
hypoglossus, der N. vagus, der N. phrenicus, der M. scm, der N. fazialis.
Die Lymphknoten Regio 5 sind ebenfalls infiltriert. Der Haupttumor misst etwa 8x5x4 cm.
Nach 3,5 Stunden ist der Tumor entfernt. Wir legen einen Jackson Redon ein. Dieser Mann braucht
eine Radiojodtherapie! Wir werden versuchen, das im Ernst von Bergmann Klinikum einzurichten.
Postoperativ keine Fazialisparese, keine Rekurrenzparese, und, erstaunlich, keine Akzessoriusparese.
Zwischendurch sehe ich 5 Patienten, die teilweise Ulla Schröder und teilweise ich früher operiert
haben. Eine junge Frau, bei der Ulla eine Hemilaryngektomie wegen Rezidiv eines
Schilddrüsenkarzinoms durchgeführt hat, stellt sich mit Sprechkanüle vor: reizlose Verhältnisse, gute
tonale Stimme, endolaryngeal kein Hinweis auf Residuum oder Rezidiv. Sie kann ohne Stridor atmen,
wenn man das reizlose Tracheostoma verschließt. Alem plant sie für Ulla zum
Tracheostomaverschluss im Herbst.
Ein Patient mit Zn. Mucoepidermoidkarzinom der linken Parotis Februar 2014 hat jetzt eine
Lymphknotenmetastase im Jugulum: bioptisch Plattenepithelkarzinom, von Hartmut Lobeck per
Feinnadelbiopsie gesichert, vielleicht ein „Virchowscher Lymphknoten“. Hier muß weiter
diagnostiziert werden. Die Parotisregion ist frei, bisher kein Mukoepidermoidkarzinomrezidiv.
In der Zwischenzeit gibt es in der Küche der HNO dauernd neuen Tee und mittags werden aus der
Zentralküche Reis, Gemüse, Nudeln, Kitscha, und von Dr. Lainesh.
Die Mitarbeiter, die gerade Zeit haben, bekommen von Sambatu, unserer Küchenfrau, ständig die
schönen Sachen warmgemacht. Zwischendurch kocht Sambatu dann auch eritreanisch Kaffee!
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Links ist der Patient, den wir 2014 an
einem Mucoepidermoidkarzinom
der Parotis operiert hatten.
Lokoregionär finden sich
unauffällige Verhältnisse und eine
gute Fazialisfunktion. In der
Supraklavikulargrube hat er
allerding eine neue fixierte
Raumforderung. Hier hat Hartmut
Lobeck eine Feinnadelbiopsie
durchgeführt: eine
Plattenepithelkarzinommetastase,
vielleicht von einem Magen- oder
Lungenkarzinom („Virchow“?).
Zodi, Markus, Amanuel freuen sich auf die
Kaffepause
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Unser nächster Patient ist ein 16jähriger junger Mann namens Temesgen Gide mit einer stark
vernarbten medianen Halsfistel. Weldemichael führt die Operation unter Anleitung von Axel durch.
Natürlich wird das Zungenbein median mitreseziert.
Alles klappt prima, danach kommt der letzte Patient für heute an die Reihe:
Misgna, 48 Jahre, mit einer schluckverschieblichen Raumforderung auf dem Kehlkopf links.
Endolaryngeal findet sich keine Auffälligkeit. Die Raumforderung ist am Kehlkopf fixiert.
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Er wird von Jörg Berkholz und Amanuel operiert. Im weiteren Verlauf stellt sich die Raumforderung
dann als Tumor aus dem obersten Anteil des linken Schilddrüsenlappens heraus. Es folgt eine
Hemithyreoidektomie links.
Wahrscheinlich ist der N. laryngeus superior links postoperativ zumindest funktionseingeschränkt, da
er sehr nah am Tumor gelegen war.
Leider noch nicht Schluss: eine Notfallnasenfraktur (kein Airbag) kommt als letzter Patient zum
Redressing. Schluss um 21:30, wir rasen los, um noch eine Pizza zu bekommen….
31.5.2016
Wir haben noch Pizza bekommen, und dann gut geschlafen, allerdings: Mücken. Hatten wir sonst
noch nie. Jörg hat Tropenerfahrung und versichert uns, dass es Malaria nicht über 600 m Höhe gibt,
und wir sind hier in Asmara ja auf 2400 Meter über dem Meeresspiegel. Also nur lästig.
Wir starten um 8:00 mit einem kleinen Mädchen mit einem medianen Fistelgang. Jörg und
Weldemichael nehmen sich des Mädchens an.
Die erste kleine Patientin heute heißt Hosana, ist 5 Jahre alt und hat eine laterale Halsfistel links.
Amanuel und Wendemichael haben leider doch noch „outpatients“, so dass wir mit Alem operieren.
Axel führt inzwischen Visite mit Weldemichael auf
der wunderschönen neuen, hellen, kühlen
Bettenstation durch: den Patienten von gestern geht
es bisher allen gut. Links die kleine Nahir mit der
Halszyste, unten der Junge mit den vermuteten
Taenia.
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Danach kommt eine junge Frau (Amina M., 35 Jahre)aus der oberen Sahelregion, die seit 4 Jahren
einen langsam wachsenden Tumor der Ohrspeicheldrüse rechts hat. Er ist enorm, aber die
Fazialisfunktion ist in Ordnung, deswegen entschließen wir uns, sie zu operieren.
Es handelt sich um eine typische
laterale Halsfistel, die sich schön
über zwei kleine Zugänge bis an den
unteren linken Tonsillenpol
präparieren lässt. Nach Resektion
der Fistel folgt noch die einseitige
Tonsillektomie.
Petrus, Zekarias, Zodi, Amanuel,
Jörg, Alem, Jana
Wdasse und Janas bei einer
kurzen Teepause
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Intraoperativ zeigt sich ein sehr großer, gekapselter Tumor, der aber vom äußeren Anteil der Drüse
ausgeht. Nach Präparation der Haut periphere Fazialispräparation und Erhalt des Gesichtsnervs. Ein
Zygomaticusast muss abgesetzt werden, wird aber reanostomosiert. Wie durch ein Wunder (oder
einfach durch die gute Parotsichirurgieschule von Eberhard Stennert) gelingt die Entfernung des
Tumors bei Erhalt des Fazialis bei wenig eingeschränkter postoperativer Funktion. Leider finden sich
im Bereich der Halsweichteile noch reichlich Metastasen, die zwar alle entfernt werden, aber
bezüglich der Prognose nichts Gutes hoffen lassen.
In der Zwischenzeit bis zur nächsten OP sehen Axel und Ich einen circa 50jährigen Mann mit einem
Kehlkopftumor rechts, T3. Ulla Schröder hat vor 3 Monaten versucht, ihn von einer konventionellen
Chordektomie zu überzeugen. Der Tumor ist deutlich größer jetzt, wir schlagen ihm eine
Laryngofissur und Kehlkopfteilreseketion mit ggf. Erweiterung zur Laryngektomie vor. Ulla hatte wohl
3 Tage lang versucht, ihn zu überzeugen. Auch heute willigt er nicht ein, sondern will sich lieber im
Oben der Tumor, unten
die Lymphknoten. Der
Skalpell-Griff ist 12 cm
lang.
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Sudan behandeln lassen. Ich schätze, dass er spätestens in 4 Wochen eine Tracheostomie benötigt.
Das beeindruckt ihn auch nicht weiter.
Als nächsten Patienten operiert Axel einen jungen Mann mit einer abgerutschten Stapesprothese.
Semien S. hat eine Otosklerose beidseits. Er ist schon voroperiert. Trotzdem 20 dB abg, Axel finet
eine nicht perforierte Fußplatte, oder eine wieder obliterierte. Dabei zeigt sich, das
Microobturatoren ab 0,4 mm nicht mehr auffindbar sind. Axel quält sich mit einem Microdrill
hindurch, der Bohrer hierfür ist wohl auch defekt. Also macht Axel es händisch. Letztlich schafft er es
mit den kleinen 90° Häkchen.
In der Zwischenzeit gehe ich mit Weldemichael in die Radiologie, um zwei Patienten zu schallen. Dort
sitzen nachmittags noch etwa 50 Patienten und warten auf einen Ultraschall. Wir werden
vorgelassen. Wir kommen dabei an der modernen Radiotherapie vorbei, das Gebäude ist
fertiggestellt.
Von links nach
rechts: Zodi,
Axel, Alem,
Petrus, Zacharias
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Tee in der Küche mit Sembetu, Tsega, Soliana, Weldemichael
Der 26 jährige Daniel hat ein Lymphangiom oder Hämangiom hinter dem rechten Ohr, ist bisher noch
nicht voroperiert.
Es handelt sich wirklich um ein ausgedehntes Hämangiom. Die Resektion ist nicht grad blutarm. Der
Patient hat überall Hämangiome, auch am rechten Gesäß und linken Oberschenkel.
Hereditär?Druckverband und GG-Tamponade.
Während ich Blutungen stille, prämediziert Jana schon für morgen…
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So, es ist jetzt 20:20, Axel operiert einen Pansinus bei einem jungen Mann (Daniel), danach haben wir
noch eine Pyozele der Stirnhöhle links bei einer 37 jährigen Frau (Tsegereda).
Die Pyozele kann ich von endonasal entlasten und einen weiten Zugang schaffen. Es zeigt sich, dass
sie wahrscheinlich durch den 7er Molaren im linken Oberkiefer entstanden ist, hier finden sich nur
noch ruinöse Zahnreste. Sinus maxillaris und Sinus ethmoidalis sind voll mit entzündlichen Polypen.
Die Patientin wird dann bei Lainesh vorgestellt werden zur Restzahnsanierung.
Das wird nichts mehr mit der Pizza, aber wir sind hier hervorragend versorgt worden .
In der Zwischenzeit machen wir noch eine schöne Entdeckung: das Ultraschallgerät von Ansgar Book
funktioniert und hat eine gute Bildqualität. Niemand wusste, wie es funktioniert, bis Jörg es sich
vorhin angeschaut hat. So gibt es noch eine Stunde Ultrasound teaching, während die NNH operiert
wird. Das machen wir morgen weiter.
Ende des Arbeits - Tages um 22:30
1.6.2016
Wie jeden Morgen erwartet uns eine große Menge an Patienten vor der HNO, ambulante Patienten,
die zur Untersuchung, Nachkontrolle, Audiologie etc. kommen. Auf dem Plakat steht übrigens:
„Ein Viertel-Jahrhundert Resilenz und Entwicklung“
Um 8:00 treffen wir Dr. Lainesh in der HNO, sie bringt Bananen und Orangen. Ich spreche mit ihr und
Dr. Alem über einen möglichen Einsatz der MKG-Kollegen hier im HNO-OP. Dr. Alem und Dr. Lainesh
finden das im Prinzip gut, und Alem ist auch gern bereit, einen OP zur Verfügung zu stellen, wenn
beide neuen Ops betrieben werden. Sie glaubt, das größte Problem sei der „Staff“, also die vielen
helfenden Hände. Die müsste Lainesh dann organisieren. Wir sollen einfach rechtzeitig Bescheid
sagen, wann das erste Mal MKG-Kollegen, also zB. Thomas Teltzrow, mitkommen.
Die Visite erbringt, dass es allen Patienten überwiegend gut geht. Der Patient mit der Stapes-Revision
hat allerdings ein bisschen Schwindel. Die Patientin mit dem großen Parotistumor hat heute
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erfreulicherweise eine gute Fazialisfunktion, nur wenig Einschränkungen im Bereich der Oberlippe
rechts. Dem kleinen Mädchen mit der medianen Halszyste geht es auch prima, sie wird heute
entlassen.
Wir starten mit dem kleinen Jungen (3 Jahre , Finhas) mit einer lateralen Halsfistel, den Jana gestern
schon prämediziert hat. Die Fistel entpuppt sich als blind endender, 2cm langer Fistelgang nach
caudal.
In der Zwischenzeit zwischen den
Operationen führen wir eine endonasale
Polypenentfernung in Lokalanästhesie durch,
außerdem entnehmen wir diesem Herrn
Biopsien aus einem Tumorkrater lateral der
Nase. Er hat außerdem ganz merkwürdige
Schleimhautveränderungen am Hartgaumen,
aus denen wir auch Biopsien entnehmen.
Die nächste Patientin Saron (12)
hat eine rechtsseitige
Choanalatresie. Wir werden sie
transpalatinal aufbohren und
einen Obturator einlegen.
Nach der Ausleitung schläft Saron
noch ein bisschen. Der Obturator
soll 6 Wochen in situ bleiben, er
ist am Septum festgenäht, und
Alem wird ihn dann entfernen.
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Der 41jährige Nuguse hat einen obliterierenden Nasenrachentumor. Diesen entfernen wir subtotal
transnasal, ein juveniles Nasenrachenfibrom ist es nicht, dafür ist der Tumor zu weich und nicht stark
genug durchblutet. Wir nehmen Biopsien mit.
Als nächstes kommt Samuel dran, er ist 14 Jahre alt und wurde uns von den Kolleginnen von Arche
Med geschickt. Er hat eine sehr große mediane Halszyste.
Jörg fertigt im OP noch einen Ultraschall mit dem neuen Gerät an: da sieht die Raumforderung eher
solide aus. Wir sind also gespannt auf das OP-Ergebnis.
Es ist ein solider, teils zystisch veränderter Lobus pyramidalis mit reichlich Schilddrüsengewebe, mit
fester Verbindung zum Zungenbein. Im Zungenkörper findet sich ein zweiter zystischer Tumor hinter
dem Zungenbein. Histologie für Lars Morawietz in Potsdam.
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Zwischendurch stattet uns der Administrator der Klinik (Verwaltungschef) Mikele mit seinen Kindern
einen Besuch ab. Sein Junge (12 Jahre) hat eine Nasenatmungsbehinderung links, die sich als
linksseitige knöcherne Choanalatresie entpuppt. Wir schaffen die OP aber jetzt nicht mehr. Er wird
also beim nächsten Arbeitsaufenthalt operiert werden. Woher kommen die vielen Choanalatresien in
Eritrea? Wir haben hier schon mindestens 10 operiert.
Dann sehe ich noch den den meisten bereits bekannten Patienten, der vor 4 Jahren eine Kehlkopf-
Schussverletzung erlitten hat, und schon einige Male hier war: Ulla hat dort wohl eine externe
Titanspange am Kehlkopf implantiert und ihn auf ein Tracheosafe Tubus um versorgt. Diesen kann er
selbst entfernen, reinigen, und wieder einsetzen. Subglottisch finden sich reichlich Granulationen,
wahrscheinlich, weil der junge Mann sich den Tracheosafe mit dem langen Flansch nach kranial
einsetzt: er sei so dichter. Wir besprechen, dass er ihn trotzdem andersherum tragen muss, und er
wird sich wieder im November bei Ulla vorstellen. Insgesamt reizlose Wundverhältnisse, reizloses
Tracheostoma.
Margis ist 46 und hatte vor 10 Jahren eine totale Thyreoidektomie. Seitdem hat sie eine
Stimmlippenparese beidseits in Paramedianstellung. Rechts findet sich eine minimale
Restbeweglichkeit. Sie hat sich an diesen Zustand maximal adaptiert mit einem HB von 21 (normal
hier 16-18 wegen der 2400 m, Jana erkennt die Menschen aus der Tiefebene an ihrem HB) bei einer
durchschnittlichen Sauerstoffsättigung von 80 %. Sie bewegt sich ganz langsam, vermeidet alle
Anstrengungen, hat aber in der letzten Zeit zunehmend Probleme mit Bronchitiden.
Nachts hat sie einen Stridor, der die ganze Familie wachhält.
Deswegen führen wir heute eine MLS und eine 2/3Chordektomie links mit kalten Instrumenten
durch. Den Prozessus vocalis kann ich mit kalten Instrumenten nicht teilresezieren.
Nach Ausleitung hat sie keinen Stridor mehr und immerhin eine Sauerstoffsättigung um 86%.
Der letzte Patient heute ist ein älterer Herr mit einer Raumforderung am Hals. Die Intubation ist
schwierig bei sehr anteflektiertem Kehlkopf. Es findet sich ein intraparotidealer Lymphknoten, der
von Größe und Form so eindeutig ein Lymphknoten ist, dass wir ihn nur teilresezieren
Heute ist schon um 18:oo Schluss, und das ist gut so .
2.6.2016
Wir hatten eine unruhige Nacht, weil ein kanadischer Eritreer im Garten ein Fest gegeben hat. Erst
um 1:30 Uhr war Schluss, bis dahin laute Musik und laute Gespräche. Es war das 4. Fest diese
Woche. Ein Wort zum Hotel Embasoira. (das heißt übrigens „Berg Soira“, das ist einer der höchsten
Berge Eritreas). Das Hotel ist unter staatlicher Führung, kostet derzeit etwa 35 € pro Nacht. Das sind
bei einem Kurs von 1 Euro : 16 Nakfa = 590 Nakfa. Ein eritreischer Arzt verdient am Orotta zwischen
800 und 2400 Nakfa. Das Hotel nimmt also von uns reichen Europäern einen drittel bis halben
Monatslohn pro Nacht. Für uns ist das nicht viel, aber hier ist das sehr viel. Das Hotel ist sauber und
ordentlich, die Mitarbeiter sehr nett, aber: es gibt nur selten warmes Wasser, das Internet
funktioniert nur noch rudimentär, und eine Renovierung steht seit 30 Jahren an und müsste bei der
Anzahl an ausländischen Gästen auch einmal „drin“ sein.
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Start um 7:45, ich führe mit Alem und Abeba eine Visite durch. Allen Patienten geht es gut, der junge
Mann mit dem Hämangiom ist noch recht verschwollen, wahrscheinlich durch den festen Verband.
Die Kinder können wir fast alle entlassen.
Die erste OP heute ist eine Zyste im medianen Augenwinkel bei einem anderthalbjährigen Jungen
ohne Epiphora. Jörg und Axel können sie schön heraus präparieren.
Das ist der Patient mit dem
sehr großen
Schilddrüsenkarzinom, der so
schwer intubierbar war. Es
geht ihm gut, keine
Nervenparesen.
Hier müssen wir einmal
überlegen, ob er irgendwie
eine Radiojodtherapie
bekommen kann. Natürlich
abhängig von der definitiven
Histologie.
Das ist der 2. Patient mit
Tumor im linken
Schilddrüsenlappen.
Erfreulicherweise hat er doch
keine Schluckstörung,
irgendwie muss also der N.
Laryngeus superior links doch
intakt geblieben sein.
Entsprechend der Histologie
müsste man auch hier über
eine Radiojodtherapie
nachdenken.
Medcare for Eritrea e.V. 26. Mai bis 3. Juni 2016 Seite 22
Die Raumforderung entpuppt sich als Atherom:
Derweil sortieren wir nicht mehr funktionsfähige Optiken aus:
Das Atherom eröffnet sich zwar
während der Operation, Axel gelingt
es aber, es mit der gesamten Matrix
unter dem OP-Mikroskop zu
entfernen.
Medcare for Eritrea e.V. 26. Mai bis 3. Juni 2016 Seite 23
Es ist klar, dass bei den täglich untersuchten 40-60 Patienten die Optiken irgendwann einmal kaputt
gehen. Ich werde sie mit nach Deutschland nehmen und bei Storz nachfragen, ob „man da was
machen kann“: Storz war ja schon einmal mit einer gigantischen Instrumenten- und Optikenspende
an Medcare for Eritrea ungeheuer großzügig.
Zwischendurch entfernt Simon einen Fremdkörper aus dem rechten Ohr bei einem kleinen Jungen, 2
Jahre: es handelt sich um eine Kaffeebohne.
Der nächste Junge Abdu ist 7 Jahre alt und schreit als bisher einziges Kind ganz furchtbar bei der
Einleitung. Vielleicht sollten wird das nächste Mal Emla Pflaster mitbringen. Er hat eine rechtsseitige
Epiphora.
Nach Erweiterung der Tränenpünktchen mit dem Dilatator lässt sich die Oggelsonde erst unten, dann
auch oben gut einführen. Mit dem Blakesly entferne ich etwa die Hälfte der medialen Begrenzung
des Saccus lacrimalis und verknote die Sonde in der Nase. Soll 6 Monate belassen bleiben.
Danach kommt Amar zur Nachresektion bei erneutem Rezidiv eines low grade
Mucoepidermoidkarzinoms an die Reihe. Das ist eine eher traurige Geschichte: wir haben das damals
10jährige Mädchen erstmal vor 4 Jahren an einem sehr großen Parotistumor operiert, der sich dann
histologisch als maligne herausstellte. 2013 habe ich ein kleines Rezidiv nachoperiert und eine
supraomohyoidale ND durchgeführt. Jetzt hat sie wieder ein Rezidiv. Das ist allerding relativ
begrenzt. Vielleicht klappt es ja diesmal.
Medcare for Eritrea e.V. 26. Mai bis 3. Juni 2016 Seite 24
Ibrahim (31) hat angeblich eine linksseitige Kieferhöhlenverschattung. Die entpuppt sich aber dann
als Keilbeinhöhlenpolyp. Lässt sich gut via Sphenoidektomie entfernen.
Askalu (73) hat wahrscheinlich ein Aspergillom in einer Concha bullosa und eine vollkommen
verschlossene Nase links.
Abends gehen wir zurück zum Hotel, wo wir dann gegen 1:00 von Adem abgeholt werden.
Postoperativ ist Aram noch ein
bisschen müde, wichtig ist, dass der
N. fazialis intakt ist.
Medcare for Eritrea e.V. 26. Mai bis 3. Juni 2016 Seite 25
Fazit
Wieder eine zu kurze, und ziemlich volle Woche mit 27 Operationen, davon 24 in Intubationsnarkose.
In Zukunft müssen wir Alem ein bisschen überzeugen, Amanuel und Weldemichael mehr operieren
zu lassen. Theoretisch sind sie gut aufgestellt, praktisch operieren sie aber nur AT, TE,
Paukendrainage. Sonographie ist jetzt integriert, leider funktioniert der Drucker irgendwie nicht.
Die Zeit ist verflogen, wir sind unendlich gut behandelt worden, konnten viel Neues zeigen, und
fühlten uns im ENT Ward wie in einer großen Familie.
Was fehlt im Moment:
Kugeltupfer klein und mittel
Parotisfolie klein und groß zum Abkleben
Deschamps
Nasenspray
Feine Sonden
Süßstoff für Simon
Mikroperforatoren Stapes
(es gibt nur einen Größe 4)
Fingerlinge
4/0 Prolene, 4/0 Vicryl
Privin
Privin Salbe
Ultraschallbuch auf englisch
Op_Kittel und Hauben
Anästhesie: Normal- und
Spiraltuben Größe 3.0 bis 7.0
Emla-Pflaster
Tränenpünktchen –Dilatatoren
Instrumente zur Gehörgangsreinigung
Ultrasound paper thermo
Tigrinya für wenig Sprachbegabte in Lautschrift
Je chänn je lei danke (ch wie in Dach)
Känn säp ki bitteschön (Mann)
Känn säp ka bitteschön (Frau)
So bo gut
Ha däl ka guten Morgen ( Frau)
Ha däl ki guten Morgen (Mann)
Kamir ouelka guten Tag ( Frau )
Kamir ouelki guten Tag (Mann)
Burr má aldi hab` einen schönen Tag
Ciao auf Wiedersehen
Bruk ma addit guten Appetit
Tu um lecker
N kok ou kok ein Ei
Ait hadde lei Entschuldigung
Herrai ok, prima, fertig
Back`a back`a! Schluss damit, aufhören!