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Apps und Chips: Zum (Un)Wohl der Arbeitnehmenden?
Law & Robots Workshop, 6.6.2019: Alles App – healthy, happy, haltbar? Chancen, Risiken, Nebenwirkungen von Mobile Health aus Sicht des RechtsVortrag Prof. Dr. Kurt Pärli
Übersicht
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I) Ausgangslage: Warum Gesundheits-Apps?
II) Apps für alle Fälle
III) Arbeits- und datenschutzrechtliche Würdigung
IV) Fazit
2Universität Basel, Juristische FakultätApps und Chips: Zum (Un)Wohl der Arbeitnehmenden? – Vortrag Kurt Pärli
I) Ausgangslage
Veränderungen in der Arbeitswelt (u.a.):
- Arbeitsorganisation - Neue Geschäftsmodelle - Erosion traditioneller arbeitsrechtlicher Konzepte
- Arbeitsinhalt, Ort und Zeit - Anforderungen- Intensität - Soziale Bezüge
Gefordert sind:
- Mobilität - Flexibilität - Agilität
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Chancen: - Interessantere Arbeit- Autonomie- Chancen für viele, auch Nichtetablierte
Risiken: - Bestimmte Qualifikationen sind nicht mehr erforderlich - Überforderung - Zwang
Mögliche Konsequenzen: - Stress, Burnout u.Ä. - Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Invalidität
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Folgen für die Beschäftigten
Kranke/arbeitsunfähige Arbeitnehmende: - Organisationsaufwand - Druck auf die (noch) gesunden Arbeitnehmenden - Produktivitätsverluste - Kosten (Lohnfortzahlung, steigende Versicherungsprämien) - Verlagerung von Kosten auf Sozialversicherungen
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Folgen für die Unternehmen
Reaktion: - Absenzenanalyse- Kontrolle, Sanktion- Anreize (Bonus/Malus u.Ä.) - Kündigung - Kosten verlagern (IV)
Prävention: - Gezielte Personalselektion - Betriebliche Gesundheitsförderung (Verhaltens- und/oder
Verhältnispräventionsansätze)
Optimierung:- Anreizsysteme (Lohn, Boni, andere Formen) - Bildung/Weiterbildung - Unternehmergeist der Arbeitnehmenden stärken
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Handlungsmöglichkeiten für die Unternehmen
Ansätze: - Anreizsysteme (Lohn, Boni, andere Formen) - Bildung/Weiterbildung - Management der Arbeitsprozesse- Unternehmergeist der Arbeitnehmenden stärken - (Humanisierung und Demokratisierung der Arbeit bzw. des Betriebes oder …
gar der Wirtschaft)
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Existenziell notwendig: Erhöhung der Produktivität
Übersicht
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I) Warum Gesundheits-Apps? – Die Ausgangslage
II) Apps für alle Fälle
III) Arbeits- und datenschutzrechtliche Würdigung
IV) Fazit
8Universität Basel, Juristische FakultätApps und Chips: Zum (Un)Wohl der Arbeitnehmenden? – Vortrag Kurt Pärli
II) Apps für alle Fälle
Absenzenmanagement: - Zahlreiche Angebote, z.B. https://www.unit4.com/de/produkte/hr/absence-manager
(Film)
Prävention: - z.B. https://wefitter.com/ (Film) - Kelaa, soma analytics (Big Brother Award 2018) - Jiff – health benefits (Film)
Optimierung:- Precire (digital becomes human) https://precire.com/ (Film)- People analytic, siehe
https://www.visier.com/why-visier/predictive-analytics/- Die Vermessung der Belegschaft (Auswertung der Datenspuren)
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Übersicht
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I) Warum Gesundheits-Apps? – Die Ausgangslage
II) Apps für alle Fälle
III) Arbeits- und datenschutzrechtliche Würdigung
IV) Fazit
10Universität Basel, Juristische FakultätApps und Chips: Zum (Un)Wohl der Arbeitnehmenden? – Vortrag Kurt Pärli
III) Arbeits- und datenschutzrechtliche Würdigung
Ausgangslage:
Vertragsfreiheit
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Arbeitgeber/in Arbeitnehmer/in
Arbeitsvertrag:
- Arbeit gegen Lohn - Unterordnung- Treuepflicht - Fürsorgepflicht
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Unterordnung und ihre Schranken
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Arbeitnehmer/inAbwehrrechte
Zwingende Ansprüche
Arbeitgeber/in Weisungsrecht Wirtschaftliche Macht
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Interessenlage und Spannungsfelder
OR 328 Abs. 1 + 2 ArG 6 / ARV 3
• Pflicht der Arbeitgeberin, Gesundheit und Persönlichkeit der Arbeitnehmenden zu schützen
OR 19/20, ZGB 27 / OR 328
• Schranken der vertraglichen Bindung und Schranken des Weisungsrechts
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OR 324a / 336c • Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin • Taggeldleistungen • (IV-Leistungen)• Kündigungsschutz bei Krankheit
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Schutz der Privatsphäre und Arbeitnehmergesundheitsdaten
Grundnorm: Art. 28 Zivilgesetzbuch (ZGB), Schutz vor widerrechtlicher Persönlichkeitsverletzung
Art. 328 OR: Pflicht des Arbeitgebers zur Achtung und Schutz der Persönlichkeit
Konkretisierung in Art. 328b OR für den Schutz vor Persönlichkeitsverletzung durch missbräuchliche Datenbearbeitung
Siehe auch Art. 26 Verordnung 3 zum ArG (Schutz vor Überwachung)
Art. 8 EMRK / Art. 13 BV
Strafrechtliche Bestimmungen
Datenschutzgesetz (DSG), allgemeine Bestimmungen und Bestimmungen für Private, v.a. Datenschutzgrundsätze
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Art. 328b OR und DSG
Anwendungsbereich: − Bereits im Bewerbungsverfahren (Eignungsabklärung), erforderliche Daten zur Durchführung
des Arbeitsverhältnisses = nach Vertragsabschluss Zweck und Verhältnis zum DSG: − Verweis auf DSG lediglich deklaratorisch (das DSG gilt ohnehin)− Beschränkung der Zulässigkeit der Bearbeitung von Personendaten des ArbeitnehmersBearbeitungsprinzipien des DSG: − Rechtmässigkeit, Transparenz, Zweckbindung, Verhältnismässigkeit, Datenrichtigkeit und
Datensicherheit − Aktive Mitteilungspflicht bei Persönlichkeitsprofilen und besonders schützenswerten
Personendaten, bei der Bekanntgabe besonders schützenswerter Personendaten ist eine ausdrückliche Einwilligung erforderlich, Art. 12 Abs. 2 lit. c DSG
− Einwilligung (Einwilligung nur in den Schranken von Art. 328b OR)
Der Arbeitgeber darf Daten über den Arbeitnehmer nur bearbeiten, soweit sie dessen Eignungfür das Arbeitsverhältnis betreffen oder zur Durchführung des Arbeitsvertrages erforderlichsind. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über denDatenschutz.
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Art. 26 ArGV3
1 Überwachungs- und Kontrollsysteme, die das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz überwachen sollen, dürfen nicht eingesetzt werden.
2 Sind Überwachungs- oder Kontrollsysteme aus andern Gründen erforderlich, sind sie insbesondere so zu gestalten und anzuordnen, dass die Gesundheit und die Bewegungsfreiheit der Arbeitnehmer dadurch nicht beeinträchtigt werden.
Annahme des Verordnungsgebers: Überwachung gefährdet die Gesundheit
Zu beachten: - Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ist Mitwirkungsthema (Art. 10 lit. a
Mitwirkungsgesetz und Art. 48 Arbeitsgesetz)
Das bedeutet: Überwachungsregime (inkl. E-Mail- und Internetüberwachung sowie Gesundheits-Apps) sind Mitwirkungsthema!
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Zulässigkeit von Gesundheits-Apps
− Zum Zwecke des Absenzenmanagements: • Legitimer Zweck (Übersicht Lohnfortzahlung / Durchführung des
Arbeitsverhältnisses, Eignung ArN) • Einhaltung der DSG-Grundsätze
− Als Unterstützung der Prävention / betriebliche Gesundheitsförderung: • Legitimer Zweck (Vermeidung von Kosten, Erhaltung Produktivität,
Durchführung Arbeitsv. und Eignung ArN) • Schranken: DSG-Grundsätze OR 328, ZGB 27/OR 19/20 ArG 6 und VO 3 MitwG (Gesundheitsthemen = Mitwirkungsthema)
− Zur Optimierung von Arbeitsabläufen bzw. Output-Steigerung: • Zulässigkeit m.E. fraglich
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IV) Zusammenfassendes Fazit
- Digitalisierung erfordert• Mobilität, Flexibilität & Agilität
- Chancen & Risiken • Autonomie, Arbeitszufriedenheit • Verlust der Privatsphäre • Gefährdungen der Gesundheit
- Zulässigkeit von Gesundheits-Apps • Bedeutung des Kontexts (Abhängigkeit, Unterordnung) • Interessenlage und Interessenabwägung erforderlich • Nicht alles, was technisch machbar ist, soll auch erlaubt sein
- Gefordert:• Gesetzgeber• Gerichte • Sozialpartner • Individuen
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Vielen Dankfür Ihre Aufmerksamkeit