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Alex Aßmann Pädagogik und Ironie

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Alex Aßmann

Pädagogik und Ironie

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Alex Aßmann

Pädagogikund Ironie

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.1. Auflage 2008

Alle Rechte vorbehalten© VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008

Lektorat: Katrin Emmerich / Bettina Endres

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Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, HeidelbergDruck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., MeppelGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in the Netherlands

ISBN 978-3-531-15972-0

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Siegelziffer D.30

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Inhaltsverzeichnis

1 Zur Einleitung ........................................................................................... 8 1.1 Vorwort und Dank ............................................................................. 8 1.2 Einleitung: Thematik und Aufbau der Arbeit .................................. 11

2 Der normativ-theoretische Vorbehalt gegen Ironie als Ausdruck pädagogischer Moralvorstellungen........................................................ 19

2.1 Zur gegenwärtigen Ingebrauchnahme des Ironiebegriffes im pädagogischen Diskurs: Erste Verweise auf fragwürdige, vorbehaltlich wirkende oder ideologisch anmutende Zusammenhänge.............................................................................. 19 2.1.1 Ironie im Allgemeinen und im besonderen Fall der Reflexion pädagogischer Problemkontexte: Eine Themenstrukturierung..... 21 2.1.2 Zur Unterteilung in „böse“ und „gute“ Ironie: Die „pädagogische Folklore“ und der postmoderne Essayismus als Medien der Reflexion pädagogischer Problemlagen gegenüber den Aspekten des kindlichen Ironieverstehens und des Anspruches pädagogischer Theorie.............................................. 30 2.2 Ironie als „unpädagogischer Überlegenheitsausdruck“: Theorie und Geschichte eines pädagogischen (Vor-) Urteils........................ 49 2.2.1 Herman Nohls Diktum und seine Implikationen: Ironie als das „Unpädagogische“, sowie als Takt- und Lieblosigkeit................. 50 2.2.2 Ansatzpunkte zur Rekonstruktion einer Gesinnungssache: Der pädagogische Takt und die pädagogische Liebe .......................... 58 2.2.3 Zur Rekonstruktion der ideengeschichtlichen und wissenschaftshistorischen Hintergründen des pädagogischen Ironievorbehaltes: Echtheit, Aufrichtigkeit und Natürlichkeit in ihrer Bedeutung für die pädagogische Denkfigur......................... 85 2.3 Nicht die Ironie ist das Thema, sondern die Moral: Pädagogik als „wertsetzende Disziplin“ und der Zynismus als „unpädagogische“ Haltung ............................................................ 101 2.3.1 Pädagogik als „Kontingenzunterbrecher“: Zum Topos der „wertsetzenden Disziplin“ unter wissenschaftstheoretischen und -geschichtlichen Gesichtspunkten ....................................... 102

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2.3.2 Literarischer Exkurs: Der pedantische Moralist Karl Kraus, der seinen Zynismus mit Ironie in Schach hielt ......................... 109 2.3.3 Ein Rückblick und ein Vorausblick: Zum Theorie-Praxis- Bezug der Thematik „Pädagogik und Ironie“............................. 112

3 Ironie in der pädagogischen Praxis: Eine empirische Studie zum Einsatz von Ironisierungen zum Zwecke der Realisierung pädagogischer Absichten ...................................................................... 114

3.1 Der widersprüchliche Sprachausdruck: Annäherungen an das Phänomen der Ironie in der Kommunikationsgemeinschaft, methodologische Folgerungen und untersuchungsleitende Hypothesen .................................................................................... 114 3.1.1 Handlungslogische Annäherungen an die Struktur von Ironie als sprachlichem Ausdruck: Die angezeigte erfüllungspragmatische Insuffizienz ironischer Sprachausdrücke.................................... 116 3.1.2 Eine pädagogische Begrenzung der allgemeinen ironietheoretischen Erörterungen: Unter welchen Bedingungen entspricht Ironie nicht mehr einer pädagogischen Absicht?....... 133 3.1.3 Hypothesen zum Fall von pädagogischer Ironie ........................ 139 3.2 Pädagogische Ironie: Drei Fallrekonstruktionen zum Gebrauch von Ironisierungen in der pädagogischen Praxis ........................... 141 3.2.1 Erste Fallrekonstruktion eines Fehlzünders: „Gleich jetzt also, nicht erst um halb zehn, sondern jetzt gleich!“ Extensive Sequenzanalyse einer Deutschstunde in der achten Klasse........ 142 3.2.2 Zweite Fallrekonstruktion eines Fehlzünders: „Herzlich willkommen, hier, in diesen unheiligen Hallen.“ Extensive Sequenzanalyse eines Gesprächs zwischen der Schulleiterin und dem SV-Vorstand................................................................ 183 3.2.3 Analyse eines Zünders: „Hierfür ist die Kamera.“ Extensive Sequenzanalyse einer Mathematikstunde in der achten Klasse.. 219 3.3 Rückblick und Vorausblick: Zur Ironie als Teil der pädagogischen Praxis und zu den Anforderungen an eine pädagogische Ironietheorie................................................................................... 262 3.3.1 Eine Zusammenfassung über die Ge- und Misslingensbedingungen von Ironisierungshandlungen............. 262 3.3.2 Eine Zusammenfassung über berufsrollentypische Aspekte pädagogischen Handelns im Zusammenhang mit unterschiedlichen Ironiestrategien.............................................. 264 3.3.3 Ausblick ..................................................................................... 266

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4 Pädagogik und Ironie – eine pädagogische Theorie der Ironie und Verhältnisbestimmung.......................................................................... 267

4.1 Wissenschaftstheoretische Vorverständigungen............................ 269 4.2 Theorie der pädagogischen Ironie.................................................. 272 4.2.1 Pädagogik und die Absicht, das Verhalten eines Menschen auf Dauer gestellt zu verändern.................................................. 272 4.2.2 Ironie als Reaktion auf eine Sinnkrise, die sich zugleich als eine Krise der Mittel zum zielgerichteten Handeln darstellt ...... 277 4.2.3 Pädagogische Ironie im Unterschied zur Alltagsironie und zur Ironie als ästhetischem Mittel: Zur paradoxen Zielgerichtetheit pädagogischer Absichten und zur Funktion des „Arbeitsbündnisses“ ................................................................... 283 4.3 Pädagogik und Ironie – eine Verhältnisbestimmung ..................... 289 4.3.1 Pädagogische Autorität, freiwilliger Gehorsam, Professionalität: Zur ernsten Besinnung auf den pädagogischen Auftrag, der zwischen Theorie und Praxis nicht ohne Ironie möglich scheint .......................................................................... 289 4.3.2 Ironie: Die Abweichung von den strukturellen Anforderungen an das pädagogische Handeln in Form der Improvisation als Element von Pädagogik............................................................. 297 4.3.3 Resümee und Ausblick............................................................... 299

Literaturverzeichnis.............................................................................. 302

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1 Zur Einleitung

„Das Erziehungssystem kann sich nicht selber erziehen, so wenig wie Feuer sich selber verbrennen kann.“

(Niklas Luhmann)

1.1 Vorwort und Dank

Dass die Ironie über eine „schillernde Gestalt“ (vgl. M. Hartung 2002, S. 9.) verfügt, ihre anarchischen Züge und ihre „subversive Kraft“ (vgl. W. Krieger 2006) für allerlei Faszination sorgen, ist weithin bekannt und wird in der Litera-tur auch stets betont. Gleichwohl beansprucht es diese Arbeit, den Fokus weniger auf diese ästhetischen Aspekte der Ironie zu richten, sondern eine Perspektive einzunehmen, in der eine ruhigere Betrachtung des Phänomens möglich ist. Die Themenstellung fordert sich dies ein, gerade weil die pädagogische Theorie dieser schillernden Gestalt bisweilen mit großen Unsicherheiten begegnet und weil in dieser Hinsicht auch unter sprechakt- und handlungstheoretischen Ge-sichtspunkten schnell die Grenzen von methodologischer Erfassbarkeit und theo-retischen Beschreibungsmöglichkeiten von der Ironie aufgezeigt werden.1 Diese genannten theoretischen Zugänge sind zunächst die nahe liegenden, um sich dem Phänomen der Ironie als Element der pädagogischen Kommunikation anzunä-hern; und gerade hier kommt es darauf an, jene methodologischen und begriffli-chen Schwierigkeiten mit dem Phänomen der Ironie nicht auf es selbst zu über-tragen.

Auf den ersten Blick stellt sich dies als Problem dar und führt forschungslo-gisch zu einigen Schwierigkeiten im Umgang mit der Ironie, will man nicht die normativ begründeten Vorbehalte ihr gegenüber in ihrer Erforschung fortsetzen, sondern das Phänomen zugleich pädagogisch und aus der entsprechenden Dis-tanz nachvollziehen.2 Dies ist eine Vorkehrung, um schließlich von einem weit-

1 Oliver Preukschat (2007) hat sich in seiner Dissertation diesem Problem ausführlich aus sprachphi-losophischer Perspektive gewidmet. 2 Wissenschaft erlaubt ja gemeinhin Distanz. Die Besonderheit der pädagogischen Wissenschaft dagegen besteht wohl in der Schwierigkeit der doppelten und paradoxen Orientierung an der Eigen-struktur der Erziehung einerseits (vgl. dazu H. Blankertz [1982]1992, S. 69 ff.), aus der – dem nor-mativen Anspruch moderner Pädagogik folgend – ausschließlich etwas Besonderes ergehen kann, nämlich nichts Geringeres als die (wie auch immer sich konkretisierende) Individuierung eines Menschen. Andererseits muss sich die Forschung gleichermaßen an den objektiven Strukturen orien-tieren, in denen Erziehung und Bildung stattfinden (vgl. dazu weiterhin W. Herzog 2005). Dem für die moderne Pädagogik konstitutiven professionellen Dilemma von Nähe und Distanz, wie es sich den Praktikern zeigt, korrespondiert – wenngleich in anderer Weise – demnach eine vergleichbare forschungslogische Problematik.

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gehend „vorbehaltsfrei“ und ideologiekritisch zustande gebrachten Ergebnis sprechen zu können. Von daher erklärt es sich, dass in dieser Arbeit auf der einen Seite die Explikation einer Hypothese darüber, was denn pädagogische Ironiesei, so lange wie möglich aufgeschoben wird, auf der anderen Seite auch ähnlich mit der Möglichkeit der vielleicht voreiligen Definition von Ironie überhaupt verfahren wird. Für mich war es bedeutsam, die Tatsache der theoretisch nur schwierig fassbaren Phänomenologie der Ironie zu akzeptieren, ohne dabei die Anforderungen der empirisch formulierten und verfolgten Forschungsanliegen aus dem Blick zu lassen – sondern ihnen und der Ironie im Gegenteil damit mög-lichst gerecht zu werden. Dem Leser wird dabei auffallen, dass der Begriff der Ironie zunächst in theoretischer Abgrenzung von den verwandten Begriffen grob und negativ skizziert wird, wobei der Fokus vielmehr auf die Frage nach der Abgrenzbarkeit, als auf die nach der „Eigenstruktur“ der Ironie eingestellt ist. In einer zweiten Ausdifferenzierung, die im dritten Kapitel der Arbeit unternommen wird, wird der theoretische Fokus anhand von (nicht zuletzt berufsethisch gefass-ten) Kriterien der pädagogischen Professionalität neu eingestellt. Hier wird zu differenzieren sein, welche der hypothetisch als Ironie in Frage kommenden Kommunikationsformen unter pädagogischen und kommunikationstheoretischen Gesichtspunkten nicht mehr als solche in Frage kommen. Damit soll die Be-zeichnung von Faktoren ermöglicht werden, unter denen empirisches Material als „Ironiekandidat“ gelten kann.

Der Fokus ist insofern sehr weit, aber hoffentlich auch weit genug gefasst, um Fallbeispiele unter dem Aspekt von Ironie untersuchen zu können, ohne dass dabei die empirische Erscheinung unter einer zu eng gefassten Ironietheorie vorschnell subsumiert wird. Zum andern soll er gerade so eng gefasst sein, dass die empirischen Fallbeispiele unter dem Aspekt der pädagogischen Ironie noch zu erfassen und wissenschaftlich fundiert diskutierbar sind. Damit läuft eine solche Arbeit freilich zugleich Gefahr, dass die weitgehende Zurückhaltung in Bezug auf die Definition bisweilen auch zu den entsprechenden sprachlichen „Bewältigungsformen“ führt, die nicht immer leserfreundlich wirken – aber ich hoffe, dass die dahinter stehende Absicht für Verständnis sorgen und das Ergeb-nis eine Entschädigung darstellen kann.

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um meine Dissertation, die ich im Oktober 2007 im Fachbereich 4 für Erziehungswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität zu Frankfurt/ M. vorgelegt habe.3 Die mündliche

3 Der hier in Buchform gedruckte Text ist weitgehend identisch mit dem am Fachbereich und unter dem Titel „Pädagogik und Ironie – eine Verhältnisbestimmung“ vorgelegten. Sie unterscheiden sich nur mit Blick auf die Korrektur von Druckfehlern, sowie hinsichtlich der hier angehängten Danksa-gung und einer geringfügigen Verlaufsabänderung im Schlusskapitel. Sprachliche Verfeinerungen

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Prüfung fand im Januar des Veröffentlichungsjahres statt. Ich habe mich an ers-ter Stelle bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Andreas Gruschka für die erstklassi-ge Betreuung meines Projektes zu bedanken, die lehrreichen Diskussionen und die Zeit, die er sich für meine zahlreichen Manuskripte und Fragen genommen hat. In seinem „Dienstagskolloquium“ wurde mir die Möglichkeit geboten, mei-ne Thesen vorzustellen und in der Gruppe empirisches Material zu analysieren. Neben der gesamten Teilnehmerschaft vom Wintersemester 2004/2005 bis zum Sommersemester 2007 habe ich mich besonders zu bedanken bei Dr. Marion Pollmanns, Dr. Jens Rosch und Dr. Michael Tiedtke, die mir auch über die Kol-loquiumstermine hinausgehend mündlich und manchmal sogar schriftliche Rückmeldung gaben. Prof. Dr. Wolfgang Krieger und Patrick Schupp von der Evangelicshen Fachhochschule in Ludwigshafen ermöglichten es mir ohne wei-tere Diskussionen, dass ich den gesamten August des Einreichungsjahres, der gerade mit einer anstrengend Phase in einem Forschungsprojekt zusammenfiel, von meinen Dienstverpflichtungen befreit die Arbeit ein großes Stück weiter-bringen konnte. Patrick Schupp habe ich zusätzlich zu danken für seine freundli-che Hilfe bei der Redigierung der Texte. Meiner Familie und Ivana ubeli dan-ke ich für ihre Mühe, die sie sich gaben, um mich so gut sie konnten wegen mei-ner doppelten Eingespanntheit (freiberufliche Tätigkeit einerseits, Promotion auf der anderen Seite) zu unterstützen. Nicht zu vergessen ist außerdem das Personal im Café Lavandou in Mannheim (vormals Toulonais), das es mir mit seinem freundlichen und zurückhaltenden Service auch noch bis spätabends erlaubte, Arbeit mit Nahrungsaufnahme zu verbinden.

Schließlich geht die Themenfindung aber weder auf den Autor, noch auf den Doktorvater selbst in direkter Weise zurück, sondern sie datiert in einem Ereignis: Meine Tochter Hannah und ich waren beim Fußballspielen in eine Auseinandersetzung über die Spielregeln und die Bedeutung von Regelverstößen gekommen. Sie – damals sechsjährig – meinte, dass sie mich und meine Argu-mente nicht ernst zu nehmen hätte, schließlich würde ich ein bestimmtes Konso-lenspiel nicht kennen. Ich „argumentierte“ dagegen, dass es auf meiner Seite auch nicht besser aussähe: Auch ich müsste sie jetzt argumentativ nicht ernst nehmen, schließlich hätte sie ja Adorno nicht gelesen. Sie entgegnete, dass man diesen „Typen“ wohl nicht kennen bräuchte, denn sonst hätte sie ja schon etwas von ihm gehört. Mir wollte daraufhin kein „Argument“ im allerweitesten Sinne mehr einfallen. Aus dieser nunmehr entstandenen Konfusion heraus ergab es sich aber, dass wir beide wieder lachen konnten und der Streit vergessen war. Heute bin ich mir unsicherer denn je, ob es nun auf Humor, Ironie oder etwas anderes, eventuell auch gar nicht damit verwandtes, zurückgeht. Nebenbei kam mir aber und begriffliche Präzisierungen wurden außerdem nachträglich noch vorgenommen. Ebenso habe ich das Inhaltsverzeichnis zugunsten einer besseren Übersichtlichkeit überarbeitet.

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damals intuitiv der Begriff der Ironie in den Sinn. Insofern führt die Themenfin-dung auf direktem Wege zu dieser Situation zurück, weshalb ich meiner lieben Hannah dieses Buch hiermit widmen möchte. Im Mai des Einreichungsjahres starb außerdem unsere Großmutter und Urgroßmutter Hedi Herbold nach schwe-rer Krankheit. Sie, die in Erziehungsfragen zwar keinen großen Sinn für Ironie zu beweisen pflegte, hätte sich dennoch über das Erscheinen dieses Buches sehr gefreut; es wäre für sie etwas Bedeutungsvolles gewesen, das sie aber nicht mehr erleben konnte. Deshalb sei mit einer Doppelwidmung an dieser Stelle an sie erinnert.

1.2 Einleitung: Thematik und Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit verfolgt wesentlich drei Fragen, deren dritte auf der Grundlage der ersten beiden beantwortet werden soll: Aus welchem Grund betreffen normativ-pädagogische Vorbehalte die Ironie (und nicht etwa den Hu-mor oder verwandte Sprachspiele und Kommunikationsweisen, die nicht Ironie sind)? Welche Bedeutung hat das Phänomen der Ironie in der pädagogischen Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern? Und was ist pädagogische Ironie im Unterschied zu anderen Formen der Ironie? Man erkennt rasch, dass die ersten beiden Fragen das Verhältnis von pädagogischer Theorie und Praxis unter dem Aspekt der Ironie thematisieren, die dritte hingegen nach der pädago-gischen Bedeutung der Ironie für Theorie und Praxis fragt. Diese Fragen lassen sich auf der Grundlage diverser Beobachtungen zur Pädagogik in Theorie und Praxis stellen, worauf ich im Folgenden eingehen und die methodologischen Konsequenzen erläutern will, die sich aus diesen Fragen ergeben. Aus erzie-hungswissenschaftlicher Perspektive begreift diese Arbeit ihren Gegenstand in der Ironie als einem Element der „Erziehungswirklichkeit“.4 Also müssen die Fragen nochmals anders formuliert werden: Wie stellt sich Ironie im Zusam-menhang pädagogischer Ideengebäude, mithin Objektivität beanspruchender und 4 Erst die Besinnung auf den Begriff der Erziehungswirklichkeit setzt zum einen den Rahmen, in dem diese im engeren Sinne ironietheoretische Arbeit zugleich als erziehungswissenschaftliche Arbeit ausgeführt und vorgelegt wird. Zum andern soll daran der (letztlich metatheoretische) Anspruch gegenüber dem Phänomen der Ironie plausibel und anhand der Dimensionen gewährleistet werden, in denen das Phänomen der Ironie behandelt wird (als Gegenstand pädagogischer Theorie und Praxis). Das begründet auch ihren Aufbau. Bei aller gebotenen Zurückhaltung und Vorsicht sei hier dennoch vorweg schon an Klaus Mollenhauers (1968) Klärung des Begriffes „Erziehungswirklichkeit“ erin-nert, dabei auch Reinhard Uhles Positionsbestimmung zitiert, in der er von der notwendigen „Kritik an einem Hermeneutikverständnis“ sprach, „das in der Überlieferung bereits verwirklichte normative Orientierungen sieht“ (R. Uhle 1976, S. 10). Dieser Ausgangspunkt scheint angesichts des offensicht-lichen Auseinanderklaffens von theoretischen Einforderungen in Sachen Ironie und einer Praxis, die von ihr durchdrungen ist, in theoretischer Hinsicht angezeigt zu sein.

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sich auf Selbstkritik berufender Theorien dar? Wie erscheint Ironie in der päda-gogischen Kommunikation, also als ein Phänomen auf empirisch-pragmatischer Ebene? Und wie lässt sich pädagogische Ironie hinreichend in diesen beiden Dimensionen theoretisch erfassen?

Der Grund für diese Fragen und das Anliegen, sie in einer Arbeit ausrei-chend zu verfolgen, besteht in der Beobachtung, dass sich die pädagogische Theorie und Praxis je verschieden dem Phänomen der Ironie stellen. Ich möchte das zunächst von seinen zwei Seiten – der empirischen und der allgemein ironie-theoretischen Seite her – ausgehend in einer übersichtlichen Schraffur überbli-cken: Jemand sagt etwas anders, als wie er es meint; und er gibt seinem Zuhörer außerdem zu verstehen, dass er eigentlich etwas anderes meint – das ist ein ganz gängiges Phänomen (nicht nur) in der pädagogischen Praxis. Das folgende Bei-spiel belegt dies: Ein Lehrer eröffnet eine Unterrichtsstunde in einer sechsten Klasse mit den Worten „Guten Morgen meine Damen und Herren.“ Dass er die Kinder tatsächlich als Damen und Herren, also respektverdienende Erwachseneansieht, ist unwahrscheinlich. Also muss er damit etwas anderes meinen, genau-so, wie die Kinder sich darüber im Klaren sind, dass das nicht wörtlich gemeint sein kann. Was meint er stattdessen? Und warum sagt er nicht wörtlich, was er meint? Unter zahlreichen Lesarten, die man über diesem Beispiel entfalten könn-te, scheinen zwei besonders nahe liegend, weil sie direkt auf die Absichten an-sprechen, die mit Erziehung und Bildung einhergehen: Der Lehrer drückt hier indirekt aus, dass die Schüler doch eigentlich jetzt schon den Respekt verdienen, den man ihnen als eben denjenigen Erwachsenen entgegenbringen würde, als die sie aus dem Bildungsgang entlassen werden. Oder der Lehrer betont mit dieser ironischen Anrede zum Stundenbeginn vorweg, dass er die Schüler eben noch nicht als Erwachsene und Erzogene ansieht, weshalb sie für ihn erziehungs- und disziplinierungsbedürftig wären. Diese Lesarten unterscheiden sich zunächst anhand der Kritikadressaten der Ironie: Einmal wird implizit – so kann man es begründet deuten – die Schule als ein Ort angesehen, der sich zwar normativ darauf beruft, aus unerzogenen Kindern respektverdienende Erwachsene zu ma-chen, ohne aber selbst den Kindern schon den Respekt entgegenzubringen, den sie eigentlich auch in diesem Lebensalter schon verdienen. In dieser Lesart be-handelt der Lehrer also die Kinder zum Scheine als Damen und Herren, um ih-nen seinen Respekt auszudrücken. Gänzlich anders verhält es sich im Falle der zweiten Lesart: Der Lehrer kritisiert die Kinder als Unerzogene, ja setzt sie sogar kategorisch mit ihrer Disziplinierungsbedürftigkeit gleich. Also behandelt er sie in diesem Fall zum Scheine wie Damen und Herren, um ihnen aber zu sagen, dass er sie als solche gerade nicht ansieht, sondern überzeugt davon ist, dass es solange ihrer Disziplinierung bedarf, bis sie tatsächlich erwachsen und er nicht mehr zuständig dafür ist. Warum sagt er aber nicht wörtlich, was er meint? Viel-

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leicht im ersten Fall aus dem Grunde, weil er den Kindern mit seiner negativen Einschätzung der institutionalisierten Erziehungs- und Bildungspraxis der Päda-gogik nicht zu nahe treten will, weil er sie also nicht einschüchtern möchte; im Fall der zweiten Lesart vielleicht aus diesem Grunde, weil sein pädagogisches Ethos ihn daran erinnert, nicht restriktiv und in offener Dominanz aufzutreten. In beiden Fällen bedeutet Ironie demnach eine Form der Reaktion auf Problemkon-texte, die sich als typisch für die Praxis der pädagogischen Berufstätigkeit her-ausstellen dürften.

Ironie stellt also keine Ausnahme dar, denn sie ist den meisten Menschen geläufig, ob nun aktiv, passiv oder bloß als ein bekanntes Phänomen. Eben des-halb, also weil das „Andersreden“ (vgl. U. Japp [1983]1999; O. Preukschat 2007) als ein empirisches Phänomen in der pädagogischen Praxis sogar systema-tisch vorliegt – und dieser Eindruck vermittelt sich einem, sobald man sich Un-terrichtstranskripte näher betrachtet oder auch selbst pädagogisch tätigt ist –, kann man davon ausgehen, dass zumindest eine der vier klassischen Ironiedefini-tionen für die theoretische Deutung der pädagogischen Praxis relevant sein dürf-te: a.) etwas anderes sagen, als man meint; b.) das Gegenteil von dem sagen, was man meint; c.) Tadel durch Lob; d.) verdeckter Spott (vgl. O Preukschat 2007, S. 4).5 Genauer zeigt sich das in einer Vielfalt von Phänomenen: In spiele-rischer Weise werden Kontextvariationen vorgenommen, humoristische Ein-schübe zur Aufbrechung des wörtlichen gemeinten Sinns gemacht – mal in einer Weise, die einer ernsten Situation den Zahn zieht, mal in einer Weise, die als unschön oder taktlos empfunden werden kann. Zum Teil werden solche kommu-nikativen Manöver auch als „Versuche“ verständlich, deren Resultate ihnen allerdings keinen großen Erfolg bescheren6; zu anderen Teilen weisen sie sich als durchaus „erfolgreich“ aus, auch wenn ihr Erfolg darin besteht, dass jemand „aufs Korn“ genommen oder herabgesetzt wird.7 Hier treffen wir bereits auf den Zusammenhang der Eigenschaften von Sprechhandlungen (eine Differenz von Ausdruck und Bedeutung) mit der Möglichkeit ihrer unterschiedlichen ethischen Bewertung aus pädagogischer Perspektive (ob sie uns „legitim“ oder „nicht-legitim“ erscheinen). Außerdem stößt man auf den Sachverhalt, dass solche Handlungen, in denen der gemeinte Sinn mit inkongruenten Ausdrucksformen artikuliert wird, offenbar an bestimmte Bedingungen gebunden sind, unter denen sie „funktionieren“. Damit ist gemeint, dass ein Zusammenhang zwischen den

5 Dabei ist klar, dass diese Definitionen und Formeln, sofern sie auf entsprechende Theorien verwei-sen, gleichsam auf unterschiedliche Problemkontexte verweisen und außerdem nicht genuin vonein-ander abgegrenzt sind (etwas anderes zu sagen, als man meint, kann z.B. gleichbedeutend damit sein, das Gegenteil zu meinen). 6 Ein dahingehendes Beispiel findet sich bei A. Combe/ W. Helsper 1994, S. 12 ff. 7 Siehe dazu die eindringlichen Fälle bei A. Wernet 2003, S. 14 f.

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Bedingungen einer Sprechhandlung und den Möglichkeiten bestehen muss, eine Intention mit ihr erfolgreich verwirklichen zu können. Zugleich erscheint es verdächtig, all diese genannten Formen von Sprechhandlungen gleichrangig unter dem Aspekt der Ironie zusammenzufassen – sie scheinen nicht hinreichend unterschieden zu sein von Witz, Humor, Spott und Sarkasmus. Ignorieren wir aber vorab diese nicht unternommene Unterscheidung und gehen wir – gestützt von zumindest einer der klassischen Ironietheorien – weiterhin davon aus, dass bei einer angezeigten Differenz von Gesagtem und Gemeintem von Ironie die Rede sein kann, so lässt sich anhand des Kriteriums, dass eine Sprechhandlung „erfolgreich“8 verlaufen kann, aber nicht muss, folgendes unterscheiden: Man begegnet der Ironie im Sinne einzelner Sprechhandlungen, die eine Wendung in einen konkreten Sachverhalt einführen (Ironisierung) und man begegnet ihr auch im Sinne eines konsistenten Stils (Ironie).9 Darüber hinaus wird sie nicht nur von Pädagogen gebraucht, sondern auch von Kindern, die mit Humor und Ironie auf bestimmte Situationen reagieren, sich so in der Lehrer-Schüler-Kommunikation verhalten, aber auch miteinander und untereinander ironisch sind (vgl. H. Kotthoff 2003; M. Bönsch-Kauke 2003a+b). Wenn man sogar so weit geht und sagt, dass Ironie schon dann vorliegt, wenn jemand etwas anders ausdrückt, als wie er es meint – und wenn man außerdem nicht berücksichtigt, dass diese Diffe-renz zugleich noch angezeigt und die Aufmerksamkeit des Hörers auf sie gelenkt werden muss –, dann könnte man sogar so weit gehen und sagen, dass es eher eine Seltenheit ist, wenn das in einem Stundenprotokoll einmal nicht verzeichnet wäre. Sobald das Geschehen im Klassenraum pädagogisch kommentiert wird, kommt die Differenz von Ausdruck und Bedeutung auf den Plan.10 Kurzum

8 „Erfolgreich“ im Sinne von J. L. Austin (1955)2002. Zu Beginn des dritten Kapitels findet sich eine ausführliche Diskussion der forschungslogischen Bedeutung dieses Punkts, in der sprechakttheoreti-sche und hermeneutische Aspekte zur Disposition gestellt werden. 9 Thomas Gil unterscheidet beispielsweise zwischen einer „ironischen Haltung“ und den „Ironiesig-nalen“, durch die Ironie auf sprachlicher Ebene „eingeleitet und gehalten“ werde (T. Gil 2005, S. 69). Die elementare logische Implikatur besteht dabei darin, dass Ironie zwar sprachlich, oder genauer: kommunikativ eingeleitet werden muss, wobei das kommunikative Element hier auch die Betonung oder die Mimik sein kann, aber die über Ironiesignale vollzogenen Handlungen nicht notwendig auf eine ironische Haltung schließen lassen. Die von Gil eingeführte Unterscheidung ist von daher re-konstruktiv letztlich nur unter dem Aspekt der Sinnstruktur auch empirisch tragfähig. Relativ früh im Verlgleich mit zahlreichen anderen linguistischen Arbeiten zum Thema hat auf den Aspekt der Sinnstruktur – gleichsam im Sinne von ironischer Semantik – Dragan Stojanovi (1991, S. 70 ff.) aufmerksam gemacht. 10 Geht man hier nicht nur vom weiteren Sinne einer Ausdrucks-Bedeutungs-Differenz aus, sondern auch im engeren Sinne von ironischer Kommunikation in komischer, aber auch spöttischer Weise, so hat die hermeneutische Unterrichtsforschung aufzeigen können (ohne dies explizit mit dem Begriff der Ironie aufzugreifen), dass solche gebrochen artikulierten Mitteilungen zum Alltagsgeschehen gehören. Vgl. exemplarisch A. Combe/ W. Helsper 1994; A. Wernet 2003

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scheint Ironie empirisch weder in der Kommunikation von Kindern, noch in der von Erwachsenen etwas besonders Exotisches oder Außergewöhnliches zu sein.

Gerade das macht ein weithin geläufiges pädagogisches Urteil interessant, das auf theoretischen Postulaten gründet: Demnach wird Ironie als eine Entglei-sung verstanden, als ein Betrugsfall, als ein taktisches und pädagogisch nicht rechtfertigbares Hintergehen des Kindes, als Ausdruck des Missbrauchs der Pädagogenrolle zu nicht-pädagogischen Zwecken (vgl. D. Baacke 1985, S. 207). Es ist eine eindeutige pädagogische Antwort auf ein komplexes, differenzie-rungswürdiges und polymorphes Phänomen der menschlichen Kommunikation, das sich von der Grundfigur des Andersredens ableiten, bzw. sich genauer noch als die Einheit von Rede-Gegenrede bezeichnen lässt (vgl. U. Japp [1983]1999).Diese pädagogische Antwort auf Ironie, wie sie Baacke im Kontext seines Es-says gleichsam satirisch dargestellt hat, ist weit verbreitet, den meisten Pädago-gen und Pädagoginnen geläufig und wird von vielen auch intuitiv geteilt. Interes-santerweise lassen sich kaum Quellen finden, in denen dieses Urteil im Sinne einer pädagogischen Theorie der Ironie begründet ist. Nur vereinzelt wird in pädagogischen Essays darauf Bezug genommen, aber dennoch würden die meis-ten professionellen Pädagogen zustimmen: Ironie ist im Kontext der Pädagogik nicht richtig; Humor zwar schon, den brauche man sogar zum Erziehen, aber Ironie nicht.11 Nimmt man das nicht einfach als eine aus der Luft gegriffene Behauptung hin, sondern aufgrund seines argumentativen Aufbaus (es wird da-bei grundsätzlich von den beschränkten Möglichkeiten der Kinder, ambivalente oder indirekte Aussagen zu verstehen, wertend auf die Ironie geschlossen) als Teil der pädagogischen Theorie ernst, so ist zunächst festzustellen, dass diese pädagogische Theorie der Ironie empirisch und pragmatisch nicht aufzugehen scheint und sie durch die gegenwärtige Wirklichkeit des Unterrichtsgeschehens nicht bestätigt wird. Zumindest kann man konstatieren, dass Praxis und Theorie der Pädagogik sich hinsichtlich des Gegenstandes der Ironie uneinig sind – we-der bestätigt die Praxis die Theorie, noch lässt jene sich hinreichend durch diese erklären. Indem es offenbar unterschiedliche Zugänge und Haltungen zur Ironie auf praktischer Ebene und auf der Ebene normativ-theoretischer Postulate gibt, muss der Gegenstand der Ironie auch auf beiden Ebenen gesondert analysiert werden: Auf theoretischer Ebene ist dabei der moralische Vorbehalt gegen Ironie analysierenswert. Zugleich ist die Ironie selbst empirisch zu untersuchen, und zwar mit Blick darauf, welche Funktion sie praktisch erfüllt und wie sie wirkt.

11 Freilich gibt es diesbezüglich auch andere und durchaus zeitgenössische Meinungen, die besagen, dass Witze und Späße nichts in der pädagogischen Kommunikation verloren hätten (vgl. B. Rißland 2002, S. 35 ff.). Aber hier ist erstens fraglich, ob man Humor als Haltung schon empirisch in witzi-gen und spaßigen Redeformen ausgedrückt sehen mag, als man zweitens ohnehin sagen kann, dass das noch seltener vorkommt, als eine positive Haltung zur Ironie.

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Der normativ-theoretische Vorbehalt, den wir als solchen ernst nehmen, sofern gesagt wird: „Ironie darf nicht sein – und das aus Gründen, die im Sachverhalt der Erziehung und in den Bedingungen der kindlichen Entwicklung selbst zu sehen sind“, stellt dabei seinerseits eine ideologische Rahmung dar, in der der Gegenstand der Ironie erscheint. Der Sachverhalt des pragmatischen Gebrauchs von Ironie steht demgegenüber in einem empirischen Rahmen, der Ironie erst als einen pädagogischen Ausdruck qualifiziert. Bereits aus dieser in einfachen Zü-gen geführten Skizze wird ersichtlich, dass eine Theorie der pädagogischen Ironie die Auslegung der Erziehungswirklichkeit unter dem Aspekt der Ironie im Blick hat und damit beidem gerecht werden will: Theorie und Praxis.

Konzeptuell legen sich dabei unterschiedliche Vermutungen nahe: Handelt es sich dabei um einen theoretisch-praktischen Widerspruch, so würde sich das gleichsam als ein Widerspruch zwischen normativen Postulaten und dem heraus-stellen, was praktisch tatsächlich in pädagogischer Absicht verfolgt wird – dass also die Praxis die Theorie verfehlt.12 Umgekehrt kann der Sachverhalt einer unterschiedlichen Bewertung der Ironie in Theorie und Praxis auch so gedeutet werden, dass die Praxis nicht ausreichend von der Theorie begriffen wird – die normativen Zumutungen an sie mögen nicht mehr zeitgemäß oder von vornher-ein nicht stichhaltig genug angesetzt gewesen sein. Drittens ist schließlich denk-bar, dass Ironie in der pädagogischen Kommunikation ambivalent ist und ihre erziehungsmoralische Bewertung vom Einzelfall abhängt. Aber viertens steht auch die folgende Option zur Debatte: Womöglich geht es in der normativen Theorie der Pädagogik um etwas anderes, als es mit dem Gebrauch von Ironie als erzieherischem Mittel oder als kommunikativem Verhalten thematisch ist. Ist die Referenz normativer Theoriebildung etwa die Moral, nicht aber die Ironie? Und muss dagegen Ironie in praxi immer etwas mit Moral zu tun haben? Kann es nicht auch sein, dass jemand ironisch wird, ohne dabei etwas besonders Gutes oder sogar Bösartiges zu beabsichtigen? Das hätte zur Folge, dass unter dem Aspekt der Ironie aufzuzeigen wären, dass pädagogische Theorie und Praxis eben gerade nicht zwingend miteinander zusammenhängen müssen, sie sich auf der Basis unterschiedlicher Strukturen konstituieren und verschiedene Diskurse bilden.

Würden wir nun von einem theoretisch-praktischen Widerspruch per se schon ausgehen, so wäre von der Erforschung der Ironie im pädagogischen Kon-

12 Im Verlauf des nachfolgenden Kapitels soll deutlich werden, dass man in diesem Falle durchaus von einer Gleichrangigkeit von „normativem Postulat“ und „pädagogischer Theorie“ ausgehen kann. Dies ist zwar auf den verschiedenen Ebenen unterschiedlich komplexer Theorien (von pädagogischen Alltagsdeutungen bis hin zur Objektivität beanspruchenden, systematischen pädagogischen Theorie) zu verfolgen. Beides ist aber im Rahmen eines etablierten pädagogischen Urteils aufzugreifen, das – so lässt sich begründet vermuten – seine Geschichte, seine Logik und seine Bedeutung hat.

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text kaum mehr zu erwarten, als die Bestätigung von bereits Postuliertem – denn alternativ zur pädagogischen Gewissheit, dass Ironie nicht wünschenswert sei, gibt es auch gegenteilige Haltungen (vgl. D. Baacke 1985; W. Krieger/ J. Mikul-la 1994, S. 137 f.; W. Krieger 2006; A. Aßmann 2006). Stattdessen erscheint es nahe liegender, von einem problematischen Zusammenhang auszugehen, der sich in Bezug auf die Ironie ausmachen lässt – Theorie und Praxis verhalten sich kontrovers gegenüber dem Gegenstand der Ironie, aber die Kontroverse selbst bezieht sich auf den Zusammenhang pädagogischen Handelns als einem Prob-lemkontext. Damit ist zugleich die vierte oben benannte Möglichkeit nicht aus-geschlossen, dass Theorie und Praxis der Pädagogik nicht notwendig aufeinander bezogen zu begreifen sind. Indem somit einerseits und auf theoretisch-rekonstruktiver Ebene der Gegenstand in einem normativ-theoretischen Vorbe-halt gegen Ironie gesehen wird, wird die Rekonstruktion der pädagogischen Debatten um die Ironie einerseits zeigen, ob es in der Debatte vorrangig um Moral, oder vorrangig um Ironie geht. Andererseits wird sich so herausstellen, unter welchen Aspekten genau Ironie als Element der pädagogischen Praxis zu untersuchen sein wird, womit zugleich der Gegenstand des nachfolgenden Kapi-tels bezeichnet ist. Ob und inwiefern sich der Gebrauch von Ironie als einem kommunikativen, womöglich auch erzieherischen Mittel zur pädagogischen Theorie verhält, ist dadurch bedingt, ob die Theorie überhaupt die Praxis im Blick hat. In jedem Fall aber muss hier um die Rekonstruktion von Ironie als Teil der pädagogischen Kommunikation gehen. Nur sie kann Antworten auf die Fra-gen geben, aus welchen Gründen von nicht-ironischer Kommunikation auf ironi-sche Kommunikation umgestiegen wird, und auf welche strukturellen Aspekte der pädagogischen Praxis damit reagiert wird.

Entscheidend ist aber, dass wir in diesem Aspekt demzufolge auf bloße Meinungen verwiesen bleiben, was zugleich das Desiderat bezeichnet, auf das die vorliegende Arbeit reagiert: Unsere Möglichkeiten, die Sache der Ironie wissenschaftlich auf eine Weise zu beurteilen, die nicht soziologisch, philoso-phisch, oder im Sinne der Rezeptionsästhetik zu deuten ist, sondern eben päda-gogisch, sind unter theoretischen Gesichtspunkten auf objektiv nicht hinreichend begründbare Wahrnehmungen beschränkt. Das Problem ist dieses, dass wir nicht sagen können, was pädagogische Ironie ist und was nicht. Aus diesen Beobach-tungen und den daraus abgeleiteten Annahmen ergibt es sich, Ironie als einen pädagogischen Gegenstand zunächst in zweifacher Weise aufzugreifen, zu ana-lysieren und zu interpretieren (Kapitel 2 und 3): als das Thema von normativ-theoretischen und moralischen Vorbehalten und als Element der pädagogischen Praxis.

Als ein Gegenstand in der normativen Theoriebildung und als Objekt mora-lischer Diskussionen verweist Ironie gleichermaßen auf theoretisches Engage-

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ment, wie auf ethisch motivierte Unsicherheiten, aber auch auf wesentliche Züge der Geschichte moderner pädagogischer Theoriebildung, die eine besondere Ausrichtung an Wertsetzungen wie Echtheit, Natürlichkeit, Empathie und Ver-stehen aufweisen. In diesen Dimensionen ist das Phänomen Ironie zum Anlass zu nehmen, um die (vorrangig normative) pädagogische Theorie auf ihre An-sprüche, Ideologien und ihre zuweilen vereinseitigten Postulate hin zu untersu-chen. Ironie als Element der pädagogischen Praxis fordert es sich ein, sie nicht nur als einen Gegenstand in pädagogischen Ideologien ernst zu nehmen, sondern auch, und zunächst allgemein, als einen Typus menschlichen Handelns – und als Typus pädagogischen Handelns insbesondere. Hernach greifen wir also die Iro-nie im dritten Kapitel als einen Gegenstand auf, der in der pädagogischen Praxis seinen festen Ort hat. Das verspricht Aufklärung über die objektive Struktur pädagogischen Handelns, wie sie im besonderen Falle eines ironischen Typus referiert wird und sich gegebenenfalls von anderen Typen pädagogischen Han-delns unterscheiden lässt. Von der moralisch eingestimmten normativ-theoretischen Kritik der Ironie ausgehend, die Ironie in jedem Fall möglichst aus der Pädagogik verwiesen haben will, stellen sich beide Fälle als erforschenswert heraus: Ist die Ironie tatsächlich ein Normalitätsausdruck der objektiven Sinn-struktur pädagogischen Handelns, so führt ihre normativ-theoretische Zurück-weisung schlichtweg an dem vorbei, was als Erziehungswirklichkeit gelten kann. Stellt sie stattdessen eine besondere und – bemessen an dem, was in ihr ausge-drückt wird, das aber in anderen Formen nicht ausgedrückt werden kann – un-vergleichliche Kommunikationsform dar, so ist deren Besonderheit gegenüber der Normalität pädagogischen Handelns zu bestimmen und es wird zu erfragen sein, welche Anteile der pädagogischen Normalität in ihr im Besonderen referiert werden. Zur Disposition steht dann, wie die Praxis unter diesem Gesichtspunkt zu bewerten ist.

Es deutet sich schon an, dass die Fragen über die Möglichkeit einer bloßen Für- oder Widersprache zur Ironie als pädagogisches Mittel genauso hinauswei-sen, wie über eine bloße Für- oder Widerrede zum normativ-theoretischen Tradi-tionalismus. Das Verhältnis von beidem muss in einer grundlegenden theoreti-schen Verhältnisbestimmung geklärt werden (Kap. 4). Dieser dritte Schritt kann demnach unternommen werden, indem

1. das Verhältnis von Pädagogik und Ironie auf theoretischer und empirischer Ebene bestimmt wird,

2. mit dem Ziel der Erarbeitung einer Theorie der Ironie als Typus pädagogi-schen Handelns, die der pädagogischen und ironischen Eigenstruktur glei-chermaßen und in Abgrenzung zu philosophischen, soziologischen, rezepti-onsästhetischen oder linguistischen Diskursen gerecht wird.

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2 Der normativ-theoretische Vorbehalt gegen Ironie als Ausdruck pädagogischer Moralvorstellungen

2.1 Zur gegenwärtigen Ingebrauchnahme des Ironiebegriffes im pädagogischen Diskurs: Erste Verweise auf fragwürdige, vorbehaltlich wirkende oder ideologisch anmutende Zusammenhänge

Wie überall, so herrschen auch in der Pädagogik geteilte Meinungen zur Ironie vor, womit sich die Frage stellt, in welcher Weise man im Unterschied etwa zur Philosophie, Soziologie, Rezeptionsästhetik, Psychologie usw. in der Pädagogik geteilter Meinung ist.13 Diese Frage nach der Besonderheit des pädagogischen Diskurses der Ironie kann nur hinreichend verfolgt werden, indem man sich die Argumentationen vor Augen führt, die auf ein Für oder Wider zur Ironie hinaus-laufen und man versucht, ihnen zu entnehmen, aus welchem Grund eigentlich die Ironie für sich schon ein pädagogisch diskussionswürdiger Gegenstand sein soll. Zwar gibt es vergleichbare Diskussionen um den Humor, bei dem man nicht nur in pädagogischer Hinsicht die längste Zeit geteilter Meinung war (vgl. B. Riß-land 2002, S. 34 ff.) und die auch in der Philosophiegeschichte geführt wurden (vgl. J. Räwel 2005, S. 11 ff.). Doch beim Spott und dem Sarkasmus ist man sich dahingehend zumindest einig: Sie haben im Geschäft der professionellen Erzie-hung nichts verloren. Während in der Philosophiegeschichte oftmals der Humor-begriff in verwechselbarer Weise mit dem der Ironie aufgefasst worden ist (vgl. A. Hügli/ P. Lübcke [1983]2000, S. 296 und 327), und so der Humor über die Satire ebenfalls dem Spott zuzuordnen war, da kennt man in der Pädagogik die klare Scheidung des Humors als „unangemessene Unernsthaftigkeit“ von der Ironie als „Spott“. Insofern könnte man hier also experimentell von einer Skala reden, die die negative Bewertung von Humor und Ironie widerspiegelt. Positiv gewendet wurde beides pädagogisch auch gelobt: sowohl der Humor als ein mentales Vermögen, auch unter widrigen Bedingungen und sich angesichts einer problematischen Praxis nicht entmutigen zu lassen, wie auch die Ironie als die Fähigkeit, Selbstdistanziertheit zu zeigen und auch das Widersprüchliche in

13 Wie sich noch herausstellen wird, ist der augenscheinlichste Unterschied dieser, dass die Pädago-gik dahingehend einen besonderen Bezug zur Ironie hat, als man hier die Ironie entweder „gut“ oder „schlecht“ findet – aus jeweils nicht hinreichend reflektierten Gründen. Geteilter Meinung ist man also hinsichtlich der moralischen Bewertung der Ironie. In der Philosophie, Soziologie usw. ist man dagegen außerdem geteilter Meinung über die Verständlichkeit der Ironie, das heißt darüber, was ironisch kommuniziert wird und ob es nicht nicht-ironisch besser kommunizierbar wäre usw. Im Falle einer geteilten moralischen Auffassung, zu erinnern sei z.B. an Kierkegaard und Hegel, geht doch das moralische Urteil wenigstens seinen Weg über eine ausführliche Auseinadersetzung mit dem Phänomen der Ironie. Darauf stößt man in der Pädagogik nirgends.

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entschärfender Weise zu kommunizieren.14 Diese dichotomen Sichtweisen, in denen Humor und Ironie gegeneinander verortet werden, sind hingegen sehr viel bekannter als solche, in denen beide eine Positivbewertung erfahren. Schließlich ist historisch noch eine Sichtweise bekannt, in der sowohl dem Humor, als auch der Ironie eine pädagogische Negativbewertung entgegengebracht wurde: Wo man den Erzieher und den Zögling noch vornehmlich als Funktionen begriff und man glaubte, dass Wissen auch gegen Widerstände eingetrichtert werden könnte, da erschienen die humoristische Auflockerung und die subtile Ironie kurzum didaktisch und pädagogisch unsinnig und eher als Irritation des Vollzuges; also – insofern in diesen Grenzen davon die Rede hat sein können – als „unprofessio-nell“, um diesen an sich modernen Begriff vorweg zu nehmen.15 Gehen wird also von der weiten Verbreitung einer „dichotomen Skala“ aus, so können wir auch von der weiten Verbreitung des Bildes ausgehen, in dem der humorvolle Päda-goge als ein ruhiger, innerlich Abstand haltender und ausgeglichener Mensch in Erscheinung tritt, aber der ironische Pädagoge als jemand, der die „Lage des Kindes“ in „unpädagogischer“ Weise ausnutze (Herman Nohl).16 In einer umge-kehrten Belegung der Pole besagt eine andere Auffassung, dass nur noch die Ironie helfen könne, mit den Wirkungen der inneren normativ verordneten Hu-morlosigkeit der pädagogischen Theorie unter gegebenen („postmodernen“) Bedingungen zurande zu kommen (vgl. D. Baacke 1985).17 Das ist sicherlich eine relativ komplexe Reflexion, mithin spricht daraus sogar eine recht zynische Abrechnung mit dem pädagogischen Status quo und vielleicht geht es auch dar-auf zurück, dass dieser Auffassung im Vergleich zur anderen Dichotomie „Hu-mor ist gut, aber Ironie schlecht“ eine recht magere Rezeption zuteil wurde. Erfahrungsgemäß bestätigt sich aber, dass Menschen, die professionell in päda-gogischen Berufen tätig sind, eher zu dieser, als zur umgekehrten Auffassung neigen: „Ironie soll man Kindern gegenüber nicht gebrauchen.“

14 Da all diese Aspekte in vertiefenden Diskussionen aufgegriffen werden, begnüge ich mich mit späteren Nachweisen. Selbiges gilt für die nachfolgenden Ausführungen, die im einleitenden Sinne gedacht sind. 15 Zur modernen Ansässigkeit des Professionalitätsbegriffes, vgl. R. Stichweh 1996; dagegen zur christlich antiken und mittelalterlichen Erziehungsauffassung vgl. J. Oelkers 2004, S. 317 f. 16 Im Verlauf dieses Kapitels widmen wir uns der Nohl’schen Perspektive ausführlich; die entspre-chenden Nachweise finden sich dort. 17 Eine äußerst elegante Alternative bietet Roland Reichenbach, der, die Zunft verteidigend, meint, dass die „übertriebene Ernsthaftigkeit der Pädagogen, insbesondere in deutschen Landen“ nur ein Gerücht, die Ironie hingegen das beste Mittel zur Selbstkritik und Aufklärung von „Verkitschungs-tendenzen“ sei (vgl. R. Reichenbach 2003).

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2.1.1 Ironie im Allgemeinen und im besonderen Fall der Reflexion pädagogischer Problemkontexte: Eine Themenstrukturierung

Jenseits der Pädagogik stößt man dagegen auf eine Vielzahl von historischen Beschreibungsformen von Ironie und Humor, denen diverse Fragestellungen schematisch korrespondieren: Zu welcher Zeit wurden Humor und Ironie in welcher Weise bewertet? Zu welchem Zweck wurden und werden sie ästhetisch in Gebrauch genommen? Wie und aus welchen Gründen wird gesellschaftliches Wissen im ironischen Sprechen und im Humor reflektiert? Inwiefern kann ihr Sinn verständlich sein? Übergreifend kann man leicht feststellen, dass eine da-hingehende Sicherheit, was Ironie genau sei, wann sie also beginne und wann sie auch aufhöre, genauso selten und im Grunde exotisch ist, wie die Sicherheit darüber, wie Ironie moralisch zu bewerten sei. Des Weiteren zeigt sich, dass das stärkste Abgrenzungsproblem der Ironie gegenüber dem Humor und dem Spott besteht. Philosophische und soziolinguistische Versuche, dieses zu lösen oder auch zu umgehen, gibt es in Fülle und sie fallen sehr unterschiedlich aus, woran bereits eine Eigensinnigkeit des pädagogischen Diskurses deutlich wird: Die pädagogische Auffassung der Ironie bezieht eine weithin eindeutige Position; in ihr ist Ironie mit Spott gleichzusetzen und demnach nicht wünschenswert; der Humor hingegen soll nicht als Spott wirksam werden und ist, so lange er das nicht tut, pädagogisch nicht nur wünschenswert, sondern geradezu notwendig. Dieses Verhältnis von Vielfältigkeit und Eindeutigkeit der Positionen wirft frei-lich zwei Fragen auf: Sind in der pädagogischen Perspektive auf das Phänomen der Ironie Voreingenommenheiten im Spiel? Oder gibt es eine Grundlage, durch die eine solche Perspektive zwar pädagogisch begründet ist, die aber philoso-phisch oder soziologisch nicht zwingend aufgegriffen werden muss?

Schaut man sich dagegen einmal vergleichend an, wie in der Philosophie, Soziologie und ästhetischen Theorie jeweils Humor und Ironie begriffen worden sind, so stellt man eine bis heute ähnliche Begriffsauffassung fest. Das wird auch in Jörg Räwels Monographie zum Kommunikationsmedium Humor deutlich, wo der Autor die traditionellen Theorien sehr anschaulich zusammenfasst, die im Gros der relevanten Literatur referiert werden. Er bezeichnet dabei einerseits Superiority-Theories, womit er solche meint, die das Lachen als Ausdruck des spöttischen Gefühls von Überlegenheit begreifen: als „eine mit Ignoranz einher-gehende Form der Selbstüberhebung [...]“ (J. Räwel 2005, S. 11). Vor allem Platon und Aristoteles werden mit dieser Haltung in Verbindung gebracht. Die Negativbewertung des Ausdrucks von Heiterkeit hat also eine bis in die griechi-sche Antike zurückreichende Tradition. Unter Relief-Theories versteht Räwel solche, für die die Erfahrung den Ausgangspunkt bildet, „dass subjektiv das Lachen mit dem Gefühl der Befreiung, Erleichterung verbunden ist“ (ebd., S.

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13). Das ist ein Humorverständnis, das zum einen erst in der Moderne Gegens-tand der Theoriebildung Freuds und Spencers wird und dabei zum andern die seelischen Vorgänge desjenigen im Blick hat, der lacht. So wie für Platon und Aristoteles dies noch als Ausdruck einer positiven Bewertung von Herabsetzung galt, so gilt es für Freud und Spencer nun als eine Reaktion auf eine befreiende Handlung und ist somit letztlich im Kontext einer Unterdrückungserfahrung zu verstehen. Anderes haben Incongruenty-Theories im Blick, die sich für den Ge-genstand interessieren, der zum Lachen anregt. In ihnen geht es also mehr um die Widersprüchlichkeit und die Inkongruenz von Phänomenen. Hier ist bereits Kant davon ausgegangen, dass die „Widersinnigkeit“ die „Quelle des Lachens“ (ebd., S. 15) sei. Weniger geht es also um die Bewertung der Affekte desjenigen, der lacht, als vielmehr darum, dass überhaupt Affekte der Erheiterung durch wahr-genommene Inkongruenzen ausgelöst werden. Schließlich würden sich aber zu Teilen eben Superiority-Theories mit Incongruenty-Theories überschneiden, was letztlich daran evident werde, dass „offensichtlich nicht jede Inkongruenz La-chen verursacht“ (ebd., S. 16), sondern sie in einem spezifischen Kontext dem-nach wahrnehmbar sein muss, in dem Lachen zugleich im weiteren Sinne als eine moralische Stellungnahme zum Kontext zu deuten ist.18 Wo die Satire dem-nach als eine antike Form des Humors gelten kann, da folgert Jörg Räwel, dass diese zwar nicht verschwunden, aber in einer gänzlich gewandelten Funktion des Humors zu deuten sei. Die Bedeutung der Moral habe sich gewandelt. Es gehe im Humor nicht mehr vordergründig darum, „Missachtung zuzuweisen“, weil der Humor insgesamt eine „weniger fremd- als vielmehr selbstreferentiell[e]“ Stoßrichtung eingenommen habe: „Variierte, restabilisierte (Ausgangs-)Formen werden wiederum variiert (‚spielerisch’ – um der Varianz willen) und erzeugen neue, unkonventionelle Bedeutungsebenen“ (ebd., S. 226).19 Damit kommt ihm in gewisser Weise seine Bedeutung als eines Mediums zu, in dem nicht nur seine psychische Wirkung genutzt oder von seiner sozialen und moralischen Funktion der Degradierung Gebrauch gemacht wird, sondern es scheint dem Umstand der abnehmenden moralischen Aufladung des Humors selbst geschuldet zu sein

18 Der Schluss, dass es sich dabei um eine Vermischung von Inkongruenty- und Superiority-Theories handele, scheint kritikwürdig, weil einerseits dahingehend auch die Relief-Theories prinzipiell mit einbezogen werden könnten und das in der „Vermischung“ beschriebene Lachen prinzipiell keine negative Haltung ausdrücken muss. Gerade Kant, auf den Räwel sich bezieht, hatte mit Blick auf Affekte und unwillkürliche Körperregungen ein starkes Interesse am Versagen des Rationalisie-rungsvermögens, also der Verstandeskraft des Subjektes gegenüber dem Ding, und damit zugleich ein moralisches Interesse am Verstandesgebrauch, wie auch an den Verstandesstrukturen, die der Wahrnehmung von Inkongruenz vorhergehen müssen. Exemplarisch zeigt das Winfried Menning-haus am Gegenstand des Ekels (vgl. W. Menninghaus. 2002, S. 160 ff.). 19 Ein Hinweis zur Zitation: Runde Klammern im Zitat finden sich so auch im Original wieder; eigene Einfügungen werden mit Eckklammern kenntlich gemacht.

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(eine letztlich gesellschaftlich vollzogene Umcodierung), dass er immer mehr zum Gestaltungsinstrument wird. Den Dingen des Lebens können neue Bedeu-tungen gegeben und entnommen werden; auf die Bedeutungsebenen wird kom-munikativ sinnstrukturierend zugegriffen.

All das erleichtert es nicht, den Humor funktional von der Ironie zu unter-scheiden, sondern erschwert es gerade, weil sich auch hier die Ironietheorien schon wieder mit den Humortheorien überschneiden. Sowohl die Herabsetzung eines Menschen oder Gegenstandes durch Ironie20, als auch die Befreiung von „Gebundenheiten und Zwängen“ (T. Gil 2005, S. 66) durch Ironie, sowie auch die Betonung des Möglichen gegenüber dem Realen (vgl. U. Japp [1983]1999, S. 26 f.) sind der Ironietheorie vertraut. Man ist an dieser Stelle geneigt, Ironie unter dem Aspekt der Bildung, wie es mit der sokratischen Ironie eingeführt worden ist, vom Humor zu unterscheiden – aber auch hier erfüllt der „talmudi-sche Humor“ (vgl. T. Gil 2005, S. 73 ff.) eine hinsichtlich des Ziels der Wissens-vermehrung ähnliche Funktion. Substanzieller erscheint demnach zunächst eine Unterscheidung auf der Grundlage des Lachens, denn sie bezieht unweigerlich einen Adressaten und eine Funktion mit ein. Außerdem kann nicht für Humor und Ironie gleichermaßen gelten, dass Lachen das Ziel einer entsprechenden sozialen, bzw. einer Sprechhandlung ist. In den meisten Fällen ist der Adressat des Humors derjenige, der lacht – und er ist als solcher in der Sprechhandlung schon vorgesehen: ob es sich darum um ein Überlegenheits- oder ein Erleichte-rungsgefühl handelt, macht nur moralisch einen Unterschied. Mit dem Lachen als Ausdruck von Humor wird einmal angezeigt, dass die Degradierung vonstat-ten gegangen ist (so im Sarkasmus, der Satire, also dem antiken Humorverständ-nis) und im anderen Fall zeigt etwas dem humorvollen Menschen an, dass er nun lachen darf. Doch weder bei der sokratischen Ironie geht es um das Lachen, noch geht es im talmudischen Humor so recht darum. Bei der Ironie scheint es im Allgemeinen darum überhaupt nicht zu gehen, was womöglich auch zu einer dahingehenden Unterscheidung geführt hat, dass der Ironie das Kalte und Bittere zugewiesen wurde, „während das ‚Heitere’, ‚Fröhliche’ beim Humor bleiben würde, das anders als die Ironie nicht herabsetzen bzw. keine kalte Distanz schaffen würde“ (ebd., S. 68). Das schließt an das antike Humorverständnis an, in dem die Heiterkeit Ausdruck der hergestellten Distanz und ihrer sozialen Käl-te ist. Und daran schließt auch Uwe Japp an, wenn er feststellt, dass auch in der Philosophie zwar durchaus ein Ironieverständnis vorrangig bekannt sei, demnach „die Ironie besonders zur Heiterkeit zu gehören scheine“, was die Funktion des

20 Adorno ist ein prominenter Vertreter der Auffassung, dass Ironie in modernen Zeiten vor allem in der Form der Satire erscheine. Dies bedeutet aber nicht schon eine moralische Absage an das Spiele-rische und Freie der Ironie, sondern ist primär als Kritik der kulturellen und gesellschaftlichen Be-dingungen zu verstehen, in denen sie Verwendung findet (vgl. Th. W. Adorno 1951, Aph. 134).

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Scherzes für die Ironie zwar generell betont, es aber auch zugleich ermögliche, „daß auch der Zorn und die Verachtung sich ihrer manchmal bedienen [...]“ (U. Japp [1983]1999, S. 174). Japp will aber auf etwas anderes, nämlich die Vielfäl-tigkeit der Deutungen hinaus. Denn er betont, dass es sich dabei eben nur um eine Rezeptionsform der Ironie handelt – andere Rezeptionsformen würden vor-rangig wiederum das versöhnliche Moment in ihr betonen. In der Gegenwart sieht Japp allerdings die Ironie vorrangig als Ausdruck eines Vorbehalts (vgl. ebd., S. 239 ff.) gegeben. Das schließe aber dennoch ein Verständnis der Ironie prinzipiell nicht aus, demnach sie – und das scheint sich als wesentliches Unter-scheidungskriterium herauszustellen – zugleich als Führung einer Gegen-Redezu deuten sei: „als Gegenrede zum status quo einer unbefriedigenden Gegenwart und einer ebenso unbefriedigenden Rede [...]“ (ebd., S. 281). Er betont also nicht vorrangig das zerstörerische und anarchistische Moment der Ironie oder ihre „Kälte“, sondern ihren kritischen Gehalt, der in Gestalt einer gleichsam imma-nent widersinnig gehaltenen Gegenrede zum Ausdruck gebracht wird – als Vor-behalt gegenüber dem Gegebenen und in der Absicht, dass es besser werden möge. In den klassischen Humortheorien erscheinen solche Ambitionen gar nicht, oder nur als Marginalien.

Die Frage nach der Differenzierbarkeit der Ironie ist damit aber nicht hin-reichend gelöst und sie muss auf anderer Ebene verfolgt werden als auf dieser, wo die moralische Bewertung von Ironie und Humor das Kriterium der Theorie-bildung ist. Damit ist zunächst eine Theorieebene angesprochen, die sich für den Zweck interessiert, in dem jeweils unterschiedliche Sprachspiele fungieren. Es muss dabei um die wechselseitige Abgrenzbarkeit von Ironie, Sarkasmus und Humor gehen. Dass hier dennoch die Lösung des Problems nicht leicht fallen kann, erscheint einleuchtend, denn schließlich verweisen die Sprachspiele auf dieser Ebene gleichermaßen auf zugrunde gelegte und in Gebrauch genommene positive Wertsetzungen, wie auf der Ebene des historischen Vergleichs der Iro-nie- und Humortheorien. Wenn sowohl mit der Ironie, als auch mit dem Humor Spott assoziiert wurde und wird, so unterscheiden zunächst den Humor und die Ironie ihre Funktionen: Räwel zufolge besteht die Funktion des Humors in der Erzeugung von Varietät. Dahingehend betont die Ironie in Japps Sinne stärker die Differenz, indem sie den Unterschied zwischen „Erscheinung und Wirklich-keit, Position und Negation, Sagen und Meinen, wörtliche[m] Sinn und figürli-che[m] Sinn“ (ebd., S. 29) bezeichnet. Somit gehen dieser Unterscheidung fol-gend sowohl der Ironiker, als auch der Humorist in gewisser Weise zu etwas in Distanz – der Humorist zunächst nur zu den Bedingungen seiner Praxis, was für Heiterkeit und Befreiung sorgt, der Ironiker bisweilen auch zu seinen Erwartun-gen an die Praxis, was nicht unbedingt für Heiterkeit sorgt, aber Handlungsfä-higkeit erlaubt. Der Sarkast allerdings bekennt sich demgegenüber gebrochen zu

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der Negativattribution, die er faktisch ausdrückt und baut zugleich darauf, dass dieser nicht widersprochen werden kann. Er affirmiert demnach das von ihm Vorausgesetzte in seinem Handeln. Darin besteht der Bezug von Spott und Sar-kasmus – in der verdeckten Verspottung des Objektes, die erst die Überhöhung des Spötters erlaubt, weil er sich darin unangreifbar meint. Demnach sind die Ironie und der Humor insofern vom Sarkasmus abgrenzbar, als ihr Ziel nicht in der Herabsetzung, sondern der Vervielfältigung von Bedeutungsebenen auf nor-mativer Ebene besteht – sie haben darin eine Funktion, ohne zunächst zwingend auf eine moralische Ebene zu verweisen. Nichtnormativ unterscheidet sie das Lachen: Der Ironiker hat keinen primären Anlass dazu, bzw. mit dem Lachen geht nicht die Andeutung von Ironie einher, wohingegen der Humorist im La-chen den Ausdruck eines seelischen Befreiungsempfindens findet. Das unter-scheidbare Ziel des Sarkasten besteht hingegen in der Herabsetzung des Objektes und es findet seinen Ausdruck im Lachen – das Lachen ist das Bekenntnis des Spötters zu seiner Moral; es ist das Bekenntnis des Humoristen zu seiner Metho-de; und es hat keine primäre Bedeutung für den Ironiker.

Damit lässt sich die Ironie abermals (nun jedoch pragmatisch) vom Humor und dem Spott unterscheiden – diesmal aber mit Bezug auf Ironiesignale. Wenn mit dem gemeinsamen Lachen die Erleichterung über die Erweiterung des Hand-lungsspielraums durch gesteigerte Varietät ausgedrückt wird, wohingegen das einseitige Lachen des Spötters dessen Immunität in seiner überheblichen Haltung anzeigt und der Ironiker nicht auf das Lachen setzt, dann scheint die Ironie auf andere Zeichen setzen, um verständlich werden zu können – denn auf Verständ-lichkeit zielt auch sie in bestimmter Weise ab. Elementar ist dabei der Charakter der Ironie als eine Verstellung. Pragmatisch unterscheidet sie sich aber nur dann von anderen Mitteilungsmodi, wenn diese Verstellung eben auch erkannt wird. Damit lassen sich zwei Erfüllungsbedingungen der Ironie postulieren, anhand derer sie vom Humor, dem Sarkasmus, aber auch vor allem von der Lüge zu unterscheiden ist: Erstens muss der Ironiker die Ironie anzeigen, also die Mög-lichkeit schaffen, dass seine Äußerung auch als Ironie deutbar wird; zweitens kann man davon ausgehend ein prinzipielles Interesse an Verständlichkeit inten-tional voraussetzen, denn das Wirksamwerden der Ironie ist an die Bedingung des Verstehens gebunden.21 Aber auf die Ironie trifft im Besonderen zu, dass sie dabei auch zugleich als prinzipiell unverständlich vorausgesetzt werden muss, um als Ironie Geltung finden zu können. Der Adressat soll demzufolge zweierlei verstehen: dass etwas anderes gemeint war, als gesagt wurde, und dass er erst herausfinden soll, was eigentlich gemeint war. Schematisch unterscheidet sie sich dahingehend von der Lüge, die weder im Allgemeinen noch im Besonderen 21 Und das ganz im Unterschied z.B. zur Lüge, deren Wirkungsmöglichkeit ja gerade an ihre Un-durchschaubarkeit gebunden ist.

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verständlich, das heißt: durchschaubar sein darf; aber auch vom Witz, der all-gemein inkongruent, das heißt: nicht logisch verständlich sein darf, aber im Be-sonderen gerade dadurch seinen Sinn gewinnt; und sie lässt sich so auch vom Spott unterscheiden, der in gewisser Weise unverständlich bleiben muss, um als Spott wirksam werden zu können – schließlich kommt es dem Spötter darauf an, dass der Verspottete dem Spott über ihn nichts entgegensetzen kann, ihm der Spott also undurchdringlich bleibt.

Bleiben wir zunächst beim Unterschied von Lüge und Ironie, um daran zu verdeutlichen, dass die Ironie sich nicht nur hinsichtlich der Voraussetzungen, sondern auch hinsichtlich ihrer Folgen von den anderen verwandten Modi unter-scheiden lässt. In allen Fällen handelt es sich um Verstellung, aber die Funkti-ons- und Wirkungsweise ist gänzlich verschieden. Denn im Unterschied zum Ironiker verbirgt der Lügner erstens hinter seiner Aussage keinen eigentlich gemeinten Sinn und zeigt diese Differenz an, sondern er verbirgt ein Wissen über etwas und zeigt die Differenz zwischen sprachlich ausgedrücktem und faktisch gewusstem Wissen nicht an. Am präzisesten hat es Japp formuliert: „Aber der Lügner sagt nicht das Gegenteil von dem, was er meint – denn er meint ja die Lüge –, sondern das Gegenteil von dem, was er weiß. Der Lügner verbirgt also die Wahrheit, und es kommt ihm darauf an, daß dies Verbergen der Wahrheit selbst verborgen bleibt“ (U. Japp [1983]1999, S. 38). Der Sinn der Lüge besteht folglich darin, Wissen zu verdecken, wohingegen der Sinn der Ironie darin nicht besteht: Er mag darin bestehen, im Gegenteil Wissen zu vermitteln oder zu schaffen, aber in der Verdeckung desselben besteht er nicht. Hier zeigt schon die moralphilosophische Auseinandersetzung mit dem Unterschied von Lüge und Ironie dahingehende Unsicherheiten an – auch wenn das Ziel nicht schon gleich in der Diskreditierung der Ironie bestand. Moralisch machte Jankélévitch die Zäsur an der Liebe zur Wahrheit aus und schloss darauf zugleich auf die Funkti-onsweise von Lüge und Ironie: „Denn während die Ironie ihr Publikum vorüber-gehend und nur deshalb an der Nase herumführt, um ihm die Wahrheit besser einflüstern zu können, leitet die Lüge das ihre endgültig fehl [...]. Als gute Füh-rerin geleitet uns die Ironie den Geist zurück zum Innenleben, während die Lüge ihn außerhalb festhält und sich selbst hinter Worten verbirgt – denn die Worte sind nicht mehr Orte des Übergangs, sondern Projektionsflächen. [...] Daher ist in der Lüge keine Gemeinschaft möglich. Der Ironiker wendet sich an seines-gleichen, ich meine an Gesinnungen, die seiner würdig sind, fähig ihn ohne viel Worte zu verstehen und den Weg, den er gegangen ist, in entgegengesetzter Richtung noch einmal zurückzulegen“ (V. Jankélévitch 1940, S. 97-99).

Moralisch ist die Unterscheidung von Lüge und Ironie in diesem Fall nicht primär nur unter der Prämisse von Liebe zur Wahrheit zu betrachten, sondern unter dem Aspekt, dass ihr die Liebe als Prinzip der sozialen Attraktion und

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sprachlichen Vergemeinschaftung korrespondiert.22 Pragmatisch ist diese Unter-scheidung auf der ethischen Grundlage der Wahrheitsliebe nur insofern von Bedeutung, als derjenige, der in eine ironische Kommunikation verwickelt wird, darin auf die moralische Haltung des Ironikers zwar schließen mag und diese demnach auch die Bedeutung der Kommunikation mit einprägt; dies aber freilich nur in dem Falle, wo die Ironie auch als Ironie, und nicht etwa als Lüge wirksam wurde. Das heißt: Die Ironie muss eingeleitet werden, indem der Ironiker die Differenz von Gesagtem und Gemeintem anzeigt (ohne dabei aber anzuzeigen, was er eigentlich meint); und er muss dabei grundsätzlich unterstellen, dass die angezeigte Differenz von Ausdruck und Bedeutung, bzw. sprachlicher Oberflä-chen- und Tiefenstruktur, auch vom Adressaten prinzipiell wahrgenommen wer-den kann. Der Ironiker mutet seinem Gegenüber dabei drei Operationen zu:

1. dass er die sprachliche Oberflächen- von der Tiefenstruktur unterscheidet, er also weiß, dass die Bedeutung nicht identisch mit dem Ausdruck ist;

2. außerdem mutet der Ironiker dem Ironisierten zu, dass er eine dahingehende Differenz von Ausdruck und Bedeutung voraussetzt und er sich daran auch orientiert; zudem muss er hierfür auf der Ausdrucksebene eine Inkongruenz zwischen Mitteilung und Kontext wahrnehmen;

3. weiterhin ist es an ihm, dem Adressaten, eigenständig die Tiefenstruktur der Bedeutung zu erschließen.23

Der Lügner hingegen muss all dies vermeiden: Er muss eine Rede führen, in der zugleich verschleiert wird, dass er überhaupt etwas anderes weiß, als er sagt und das er verschleiern könnte. Also muss er darauf bauen, dass der Adressat die Differenz zwischen Gewusstem und Gesagten nicht wahrnimmt – andernfalls fliegt die Lüge auf.24 Der Spötter hingegen legt dem Adressaten eine Falle:Wenn der Adressat die Differenz zwischen Gesagtem und Gemeintem realisiert, dann ist es schon zu spät – damit bestätigt er seine Unterlegenheit gegenüber dem Spötter. Das wiederum hängt mit den pragmatischen Erfüllungsbedingun-gen des Spottes zusammen und begründet den Unterschied zu denen der Ironie –

22 Hier kann man also die „Aufrichtigkeit“ als ethische Analogie zum moralischen Prinzip der Wahr-heitsliebe deuten. Linguistisch eröffnet Edgar Lapp hier die Alternative, Ironie als „simulierte Unauf-richtigkeit“, also als „Unaufrichtigkeit zweiter Ordnung“ zu deuten (vgl. E. Lapp 1993, S. 140 ff.). 23 Gerade daran setzt ja die psychologische Kritik der Ironie als sprachlicher Modus im Umgang von Kindern und Erwachsenen an: dass Kinder nicht zwischen Oberflächen- und Tiefenstruktur unter-scheiden könnten. Bönsch-Kaukes, Kotthoffs und Vespers Studien (siehe oben) stellen eben dies in Frage.24 Anders gesagt: Der Lügner muss stets authentisch wirken, um einen Verdacht an der Wahrheits-treue seiner Rede zu vermeiden; der Ironiker hingegen muss unauthentisch wirken, um überhaupt auf die Ironie hinweisen zu können.

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auf narrativer Ebene kann der Spott als Kommunikationsform dahingehend von der Ironie unterschieden werden, dass ein kommunikatives Anschließen an die spöttische Rede sich als Reagieren auf den Versuch, in eine Falle gelockt zu werden, praktisch erfüllen muss. Der Humorist hingegen führt mit dem Witz oder einer humorvollen Wendung eine alternative Deutung des Realen ein, so-dass es inkongruent erscheint und zum Lachen anregt. Dabei muss er zweierlei voraussetzen: Dass der Gegenstand, von dem er im Witz eine Variation erzeugt, dem Adressaten auch prinzipiell vertraut und nachvollziehbar ist (sonst könnte die Differenz, die die Variation macht, nicht verständlich werden). Außerdem muss er es dem Adressaten zutrauen, dass er imstande sein wird, die Abstraktheit des Witzes konkret nachzuvollziehen.

Pragmatisch unterscheiden sich die referierten Typen auch hinsichtlich der Folgen ihres Scheiterns: War eine Lüge schlecht konstruiert oder wenig durch-dacht, so fliegt der Lügner mit ihr auf – es gerät zu seinem eigenen Nachteil. Ist ein Witz schlecht erzählt worden oder einfach nicht witzig, so führt er in einer neutralen Variante eben nicht zur Erheiterung, sondern sorgt wahrscheinlich eher für Ratlosigkeit und verfehlt sein Ziel ganz einfach. Oder er führt zur Erheite-rung über den vermeintlichen Humoristen und über die Differenz zwischen sei-ner guten Absicht und der schlechten Ausführung. Ist die sarkastische Aus-drucksform des Spötters schlecht konstruiert, so kann der „Schuss nach hinten losgehen“ – er beweist gerade nicht seine Überlegenheit, sondern im Gegenteil seine Unterlegenheit. Stellt sich die sarkastische Konstruktion einer Spotthand-lung als insuffizient heraus, so ermöglicht dies dem Adressaten, den Sarkasmus zu durchschauen (und damit die Konstruktionselemente einer Falle) und in einer Weise darauf zu reagieren, die seine Wirkung umleitet. Insuffizienter Sarkasmus schafft dem Adressaten die Möglichkeit, den Spieß umzudrehen und sabotiert damit die Bedingung des Spötters, sich selbst zu überhöhen.

Wenn allerdings die Ironie „daneben geht“, also an ihrem Ziel vorbeiführt, dann sind demgegenüber vielfältige Wirkungen denkbar: Sie kann ungewollt wie eine Lüge wirken, aber auch witzig sein; sie kann zur Verspottung des Adressa-ten ausfallen (wenn er wörtlich nimmt, was nicht wörtlich gemeint war); sie kann aber auch für Konfusion sorgen, oder sie geradezu vertiefen, wo der Ironiker eigentlich Klarheit schaffen wollte. Insofern kann man davon ausgehen, dass im Vergleich mit dem Humor und dem Sarkasmus, aber auch der Lüge, die Ironie über eine höhere Entgrenzungswahrscheinlichkeit verfügt, die sich durch ihre Offenheit für Transformationen des sprachlich erzeugten Sinns ergibt. Die Lüge ist nicht in Ironie zu überführen; ein Witz ist im Grundsatz schon gelogen, was aber durch ihn selbst angezeigt werden muss; der Spott kann nicht primär schon für Erheiterung sorgen, wenn er sich sekundär erst durch die gelogene Suggesti-

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on vermittelt, dass das Gegenüber achtlos in die Kommunikation einsteigen könne.

Es bestätigt sich hier zumindest: Die Ironie ist weder eindeutig normativ, noch eindeutig sprachpragmatisch mit Blick auf ihre Funktionsweise und in einer Weise zu beschreiben, die ihrem Wesen gerecht würde. Ihre Erfüllungsbedin-gungen sind dagegen relativ klar zu unterscheiden von Witzen, Sarkasmen und Lügen. Damit wird gleichsam fraglich, in welcher Art dieses „unpädagogische Wesen“ der Ironie mit dem „Wesen der Erziehung“ zusammenhängt – ein Zu-sammenhang der Negation, den Nohl25 stark gemacht hat. Ihre „mangelnde Fass-barkeit“ (W. Schmid 1998, S. 375)26, die zugleich natürlich die vergleichsweise begrenzten Möglichkeiten begründet, sie zu steuern, mag von daher eine Erklä-rung dafür sein, dass man der Ironie von je her insbesondere in solchen Situatio-nen skeptisch begegnete, in denen man den Humor eindeutig gut oder schlecht bewerten konnte, die Lüge sowieso und auch den Spott. Gemeint können damit nur solche Situationen und soziale Sachverhalte sein, in denen Aufrichtigkeit eine besondere Bedeutung beigemessen wurde.

Nun ist es nahe liegend davon auszugehen, dass die Ironie – wenn man sie denn mit ihren nahen Verwandten, also dem Humor, der Satire und dem Spott vergleicht – in der pädagogischen Auffassung besonders problematisch er-scheint. Andererseits aber auch nicht zwingend, schließlich ist doch die Ironie klar vom Spott zu unterscheiden und sie bringt gewisse Vorzüge mit sich, die nicht unbedingt „unpädagogisch“ sind. An welcher Stelle forciert sich aber im Unterschied zur Philosophie oder Soziologie der pädagogische Problemzusam-menhang? Wo verständlicherweise die moderne Philosophie vorrangig kulturkri-tisch und moralisch motiviert ihre Probleme mit der Ironie haben dürfte, die Soziologie und Linguistik sich mit dem Problem der Verständlichkeit und kate-gorialen Differenzierbarkeit der Ironie befassen, da stellt sich der Umgang mit Ironie als ein professionelles Problem für die Pädagogen dar. Es ist damit ein Problem, das unmittelbar etwas zu tun haben muss mit dem zwischenmenschli-chen Umgang, der Ethik und der praktischen Angewiesenheit auf Kommunikati-on, Verständigung und Beziehung. Das ist ein Problemkontext, der nicht im Bereich der Soziologie und der modernen Philosophie liegen kann, also nicht in Bereichen, in denen der Grad der Professionalität gerade nicht auf einen empa-

25 Dem wird weiter unten ein eigener Absatz gewidmet, weshalb ich hier auf dezidiertere Verweise verzichte. 26 Der Autor betont allerdings zugleich die praktische Bedeutung der Ironie für das Subjekt, um in zerreibenden Widersprüchen handlungsfähig zu bleiben. So auch T. Gil 2005, S. 65 ff.; A. Aßmann 2006, S. 92

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thischen Bezug zur „Sache“ in vergleichbarer Weise zurückgehen kann.27 So-wohl in der Psychotherapie, insbesondere der tiefenpsychologischen, als auch im „pädagogischen Bezug“ ist der Grad der Professionalität stattdessen an das Ver-mögen gebunden, zwischen Nähe und Distanz regulierend zu operieren, jedoch stets unter normativer Besinnung auf Empathie und Nachvollzug der Situation des Klienten. Diese Gegenüberstellung von Wissenschaft und Profession stellt auf der einen Seite einen Ansatz dar, der es verständlich machen könnte, dass die soziologische, linguistische und philosophische Distanziertheit zum Gegenstand der Kommunikation auch die Abgrenzungsprobleme hinsichtlich der Ironie und ihrer nahen Verwandten begründet. Umgekehrt aber wird gerade daran sinnfäl-lig, dass der Sachverhalt professionellen Handelns eine klar wertende Unter-scheidbarkeit noch nicht nahe legt. Oder anders gesagt: Dass Philosophen und Soziologen den Humor und die Ironie bisweilen in gleicher Bedeutung aufgrei-fen können, begründet noch nicht, dass Pädagogen und Psychotherapeuten sie klar voneinander zu trennen wissen. Neben der Tatsache, dass Ironie ein weit verbreitetes Phänomen in der pädagogischen Praxis ist, regt also auch der Sach-verhalt zur Auseinandersetzung mit der pädagogischen Haltung gegenüber der Ironie an, dass hier im Kontext einer Professionalitätsauffassung moralische Unterscheidungen thematisch sind, während dort der praktische Sinn von Humor und Ironie bisweilen die Differenzierbarkeit erschwert.

2.1.2 Zur Unterteilung in „böse“ und „gute“ Ironie: Die „pädagogische Folklore“ und der postmoderne Essayismus als Medien der Reflexion pädagogischer Problemlagen gegenüber den Aspekten des kindlichen Ironieverstehens und des Anspruches pädagogischer Theorie

Bei genauerer Betrachtung können wir gegenwärtig zwei Diskurse unterscheiden (und nicht etwa mehrere), in denen komplementäre Auffassungen zur Ironie von pädagogischer Seite her vertreten werden. Genauer gesagt zerfällt das Stim-mungsbild in ein Für oder Wider. Ein etwaiges Sowohl-als-auch, also ein Um-gang mit der Ironie, der auf abwägender Diskussion aufbaut, ist nicht auffindbar. Einmal trifft man auf eine „pädagogische Folklore“, die von der genuinen Päda-gogikfeindlichkeit der Ironie ausgeht, ein andermal auf eine engagierte Essaykul-tur, die auf anderer Ebene den Anschluss zu einer positiven Ironiedeutung sucht (unter anderem auch dadurch, dass sie von einer Ironiefeindlichkeit der Pädago-gen ausgeht): Ironie helfe, mit den oftmals belastenden Widersprüchlichkeiten 27 In der antiken Philosophie sah das noch anders aus, wie Peter Sloterdijk jüngst wieder sehr an-schaulich dargestellt hat, als er die enge Verbundenheit von Psychologie und Gemeinwesen in Pla-tons Politeia hervorhob. Vgl. P. Sloterdijk 2006, S. 41 f.

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der pädagogischen Tätigkeit zurande zu kommen. Wir beschäftigen uns hier zuerst mit dem, was ich als eine „pädagogische Folklore“ bezeichnen will, nach-folgend mit dem, was ich als engagierten Essayismus bezeichnet habe.

Dieter Baacke hatte nicht unrecht, als er – gleichwohl polemisch zugespitzt und ebenfalls mit einem sarkastischen Unterton versehen – schrieb, dass bei Ironie die Pädagogen „zurückschrecken“ würden, weil es sich um „uneigentli-ches Sprechen“ handele, sie die Kinder „verwirre“, sie sogar letztlich als „böse“ gelte (D. Baacke 1985, S. 207). Man wird wohl unterstellen können, dass der Autor das nicht frei erfunden hat. Im weiteren Sinne einer „pädagogischen Folk-lore“ trifft man ja auch häufig auf ähnlich klingende Vorbehalte, deren Struktur diese ist, dass – von einem vermeintlichen Nichtverstehen der Kinder kommend, über deren Verwirrung durch Ironie argumentierend – schließlich normativ abge-leitet wird, man solle Ironie im pädagogischen Umgang mit Kindern vermeiden. Es ist deshalb nicht abwegig, hier von einer Folklore zu sprechen, weil ein be-achtliches Missverhältnis zwischen recherchierbaren Quellen und einer doch sehr weit verbreiteten Auffassung vorherrscht. Dieses Missverhältnis ist auch deshalb beachtlich, weil jene Argumentation moralische Integrität und objektive Fundie-rung beansprucht, letztlich ein Beitrag zur pädagogischen Professionalität ist, bzw. als deren Ausdruck verstanden sein will. Auch Baackes zitierter Essay enthält keine Quellenangaben und der Autor begnügt sich damit, auf ein pädago-gisches Allgemeinwissen zu verweisen: „Man weiß ja …“ (vgl. ebd.).28 Sucht man nach Quellen, die dieses Bild der Ironie belegen könnten, so wird man am besten noch in der sog. „Ratgeberliteratur“ fündig, wobei sich hier die Quellen-lage i. a. R. auf psychologische Studien und teilweise auch auf Interviews mit Kinderpsychologen beschränkt.29 Damit liegt eine nicht uninteressante Unver-mitteltheit zwischen einer etablierten pädagogischen Erzählung über die Ironie und kaum auffindbaren schriftlichen Quellen hierzu vor. Das gibt der Frage, woher diese pädagogisch doch umso eigentümlichere Auffassung zur Ironie eigentlich kommt, eine besondere Bedeutung, wenn es sich dabei erstens nicht

28 Mit dem Duktus der Selbstverständlichkeit pädagogischer Ironie-, sogar auch Humorlosigkeit schreiben – wenngleich sie dies jeweils sachlich auch unterschiedlich bewerten – ebenfalls K. Rutschky 1985 und R. Reichenbach 2003. Weitere Hinweise finden sich bei B. Rißland 2002 und M. Rieger-Ladich 2002. Das untermauert nachträglich die Annahme, dass Baacke seine Formulierungen nicht aus der Luft gegriffen hat, sondern dass wohl viel eher von einem Anschluss an eine gängige pädagogische Meinung die Rede ist. 29 Jüngst wieder bei A. Bischhoff 2005, S. 190/191. Hier ist interessant, dass der Ironie gleich zwei Einträge gewidmet werden – in einem geht es der Autorin darum, mit dem Gerücht aufzuräumen, dass Ironie im Umgang mit Kindern etwas Unschönes und für Kinder Unverständliches sei. Im anderen geht es ihr darum, zu zeigen, dass unter bestimmten Bedingungen Ironie auch nicht schlecht sein muss.