Aktuelles zu Rückstellungen - Joachim Hennrichs · • Rückstellungen für die Aufbewahrung von...
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Aktuelles zu Rückstellungen
Prof. Dr. Joachim Hennrichs Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Bilanz- und Steuerrecht Universität zu Köln
Prof. Dr. Joachim Hennrichs
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Übersicht
• Angeschaffte Rückstellungen • Rückstellungsbewertung und Grundsatz der
Maßgeblichkeit • Rückstellungen für Passivprozesse
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Angeschaffte Rückstellungen
„Zoff“ zwischen BFH und BMF – handelsrechtliche GoB und mögliche Gesetzesänderung
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Ausgangsbeispiel: Fall 1 – Schuldübernahme (§§ 414, 415 BGB)
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Gläubiger
Zahlung eines Entgeltes für die Schuldübernahme (“Wegschaffungskosten“)
Schuldübernahme i.S. §§ 414, 415 BGB
Kausalgeschäft (etwa Asset Deal oder auch gezielter Einzelverkauf einer Verbindlichkeit)
Alt-Schuldner
Neu-Schuldner
Rückstellungsbegründende Verbindlichkeit (z.B. § 535 II
BGB aus nachteiligem Mietvertrag)
Zahlungsverbindlichkeit gem. § 535 II BGB
(Schuldverhältnis i.e.S.)
Abwandlung: Fall 2 – Vertragsübernahme
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Gläubiger
Kausalgeschäft (etwa Asset Deal oder auch gezielter Einzelverkauf einer Verbindlichkeit)
Alte Vertragspartei
Neue Vertragspartei
Rückstellungsbegründendes Schuldverhältnis i.w.S. (z.B.
nachteiliger Mietvertrag)
Vertragsübernahme (§ 311 I BGB)
Rückstellungsbegründendes Schuldverhältnis i.w.S. (z.B.
nachteiliger Mietvertrag)
Zahlung eines Entgeltes für die Vertragsübernahme (“Wegschaffungskosten“)
Abwandlung: Fall 3 – Schuldbeitritt
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Gläubiger
Zahlung eines Entgeltes für die Schuldfreistellung (“Wegschaffungskosten“)
Verpflichtung zur Freistellung
Kausalgeschäft (etwa Asset Deal oder auch gezielter Einzelverkauf einer Verbindlichkeit)
Schuldner
Beitretender
Schuldbeitritt (im Außenverhältnis Gesamtschuld)
Rückstellungsbegründende Verbindlichkeit (z.B. § 6a-
EStG-Verpflichtung)
Abwandlung: Fall 4 – Erfüllungsübernahme (§ 329 BGB)
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Gläubiger
Zahlung eines Entgeltes für die Erfüllungsübernahme (“Wegschaffungskosten“)
Kausalgeschäft (etwa Asset Deal oder auch gezielter Einzelverkauf einer Verbindlichkeit)
Schuldner
Beitretender
Rückstellungsbegründende Verbindlichkeit (z.B. § 6a-
EStG-Verpflichtung)
(allein) interne Verpflichtung zur Freistellung
Zivilrechtliche Unterschiede Schuld-übernahme
Vertrags-übernahme
(Freistellender) Schuld-beitritt
Erfüllungs-übernahme
Gegenstand Schuldverhält-nis i.e.S.
Schuldverhält-nis i.w.S.
Begründung einer neuen, zusätzlichen Schuld
Begründung einer neuen, zusätzlichen Schuld
Rechtsfolge Schuldner-wechsel
Wechsel der gesamten Vertragspartner-stellung
Gesamtschuld Bloß interne Schuldfrei-stellung
Ökonomische Wirkung
Bisheriger Schuldner wird entlastet, die Schuld wird (zumindest wirtschaftlich) vom Erwerber übernommen.
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Problemstellung und Interessenlage – Steuerbilanz
• Steuergesetzliche Ansatz- und Bewertungsvorbehalte (z.B. § 5 IVa 1, § 6a EStG) à stille Lasten in der Steuerbilanz
• Steuerwirksame „Realisation“ der stillen Last im Wege der Veräußerung?
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Problemstellung und Interessenlage – Handelsbilanz
• Beispiel: Die A-AG gliedert Pensionsverbindlichkeiten auf eine Rentner-KG aus und gewährt der KG dafür Deckungsvermögen. Der Buchwertansatz der Verbindlichkeiten gem. § 253 II HGB möge 95 GE betragen. Bei der Berechnung des Übernahmewerts der Verbindlichkeiten und des Deckungsvermögens legen die Beteiligten allerdings nicht den Bundesbankzins (§ 253 II 4 HGB) zugrunde, sondern einen vorsichtiger kalkulierten Zinssatz. Danach beträgt der Übernahmewert 100 GE.
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Ausgangspunkt
• Maßgebend für Bilanzierung beim Erwerber ist der Sachverhalt, der bei ihm gegeben ist (zutr. BFH, I R 28/11, Tz. 41; BFH, I R 69/11, Tz. 27)
• Beispiele: – Im Fall 1: E folgt nicht in den schwebenden Vertrag
nach, sondern nur in das Schuldverhältnis i.e.S. è bei E kein Fall des § 249 I 1, 2. Alt. HGB, § 5 IVa EStG!
– In den Fällen 3 und 4 liegt aus Sicht des E keine Pensionsrückstellung vor, so dass § 6a EStG bei ihm bereits tatbestandlich nicht einschlägig ist
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Schuldübernahme, Schuldbeitritt und Erfüllungsübernahme (1)
Schuld-übernahme
Schuldbeitritt Erfüllungs-übernahme Sicherung Freistellend
Zivilrecht Echter Schuldnerwechsel
Außenverhältnis: Gesamtschuld; Innenverhältnis: Sicherung bezweckt
Außenverhältnis: Gesamtschuld; Innenverhältnis: Freistellung
Allein interne Freistellung
Bilanz Veräußerer
Ausbuchung Unverändert Passivierung der Schuld; etwaige Avalprovision ist aufwandswirksam.
Wenn infolge Freistellung bei V die (relevante) Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme zu verneinen ist: Dann Ausbuchung der Rückstellung (und des Deckungsvermögens); ein etwaiges Delta ist aufwandswirksam („Per Rückstellung und Aufwand an Deckungsvermögen“; BFH, IV R 43/09; str.).
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Schuldübernahme, Schuldbeitritt und Erfüllungsübernahme (2)
Schuld-übernahme
Schuldbeitritt Erfüllungs-übernahme Sicherung Freistellend
Bilanz Erwerber
Einbuchung § 251 HGB oder § 249 HGB (je nach Wahrscheinlichkeit der Inanspruch-nahme)
Passivierung der gesamtschuldnerischen Verpflichtung zur Freistellung gegen das übernommene Deckungsvermögen (erfolgsneutrale Anschaffung). Bei E kein Fall des § 6a EStG; kein Fall des § 5 IVa EStG!
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Nochmals: Fall 4
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Gläubiger
Zahlung eines Entgeltes für die Erfüllungsübernahme (“Wegschaffungskosten“)
Kausalgeschäft (etwa Asset Deal oder auch gezielter Einzelverkauf einer Verbindlichkeit)
Schuldner
Beitretender
Rückstellungsbegründende Verbindlichkeit (z.B. § 6a-
EStG-Verpflichtung)
(allein) interne Verpflichtung zur Freistellung Annahmen:
• Buchwert der Rückstellung in der StB gem. § 6a EStG: 70
• Zeitwert: 100 • Deckungsvermögen: 100 • Buchwert HB gem. § 253 II
HGB: 95
Meinungsstand – BMF (BStBl. I 2011, 627) (1)
• Bei Schuldübernahme: Zwar erfolgsneutrale Einbuchung bei der Zugangsbewertung („Deckungsvermögen an Rückstellung 100“); aber erfolgswirksame Abstockung der übernommenen Rückstellung in der ersten Schlussbilanz („Rückstellung an Ertrag“ (BMF, a.a.O., Tz. 3 f.; zust. Siegel, FR 2012, 388 ff.; ders., FR 2011, 781,
786) è phasenverschobener Erwerbsgewinn!
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Meinungsstand – BMF (BStBl. I 2011, 627) (2)
• Bei Freistellung (Schuldbeitritt und Erfüllungsübernahme, Fall 4): Passivierung der Freistellungsverpflichtung als neue Schuld (BMF, a.a.O., Tz. 6, 8). Bewertung nach den allgemeinen Regeln, d.h. insbes. Abzinsung (wodurch sich wiederum ein Erwerbsgewinn ergeben kann).
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Meinungsstand – BFH
• BFH (I R 102/08; I R 72/10; jüngst: BFH, I R 69/11 und I R 28/11): Sowohl bei Freistellung (Fälle 3+4) als auch bei Schuld- und Vertragsübernahme (Fälle 1+2) erfolgsneutrale Behandlung bei Zugangs- und Folgebewertung. Kein fiktiver „one day gain“.
• Problem: Sonderregime für angeschaffte Rückstellungen? Gelten für angeschaffte Rückstellung nicht mehr die allgemeinen Regeln? Teleologische Reduktion der besonderen Bewertungsvorschriften?
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Exkurs: Relevanz der Rechtsprechung des BFH für die Handelsbilanz
• BFH legt in den fraglichen Fällen handelsrechtliche GoB aus (Beisse, BB 1980, 637 ff.; Schulze-Osterloh, ZGR 2000, 594, 598; ders., ZGR 2001, 497, 513; Wüstemann/Wüstemann, ZfB 79 (2009), 31, 35)
• Art. 95 III GG i.V.m. RsprEinhG • IDW PS 201 Tz. 8, 13: HB auf der Grundlage
einer BFH-Rechtsprechung führt nicht zu Beanstandungen des Abschlussprüfers
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IDW RS HFA 30
• Tz. 104: „Der Freistellungsanspruch des übertragenden Rechtsträgers und die Freistellungsverpflichtung des übernehmenden Rechtsträgers sind nach allgemeinen Grundsätzen zu bewerten. Auch wenn siech die Bewertung an der auszugleichenden Verpflichtung orientieren wird, sind damit Abweichungen vom Wert der beim übertragenden Unternehmen bilanzierten Verpflichtung nicht ausgeschlossen.“ (Hervorhebung nicht im Original)
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IDW RS HFA 42
• Tz. 56: „Rückstellungen sind mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag (§ 253 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 HGB) anzusetzen.“ (Zur Verteilung der Anschaffungskosten auf die einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden beim übernehmenden Rechtsträger im Falle einer Verschmelzung)
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Realisationsprinzip und Neutralität von Anschaffungsvorgängen
• „Aus dem Realisationsprinzip folgt, dass Anschaffungsvorgänge erfolgsneutral zu behandeln sind.“ (so zutr. BFH, a.a.O., und ganz h.L.; a.A. Siegel, FR 2012, 388 ff.)
• Hier: Anschaffung von Deckungsvermögen; Verbindlichkeiten sind Teil des Entgelts
• Verbuchung eines „Erwerbsgewinns“ bei E würde gegen das Realisationsprinzip verstoßen
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Exkurs: Beurteilung im Konzernabschluss
• § 301 I 3 HGB: „Rückstellungen sind nach § 253 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 [...] zu bewerten.“
• Ratio legis: Vereinfachung der Kapitalkonsolidierung, Vermeidung sonst notwendiger Anpassungsbuchungen (!) (BT-Drucks. 16/12407, S. 90; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem BilMoG, 2000, Abschn. Q Rn. 207)
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Alternative Lösungsmöglichkeit
• Bewertung der angeschafften Rückstellungen (bei Zugangs- und Folgebewertung) nach den allgemeinen Regeln è HB: nach § 253 II HGB
• Gewährleistung des Realisationsprinzips durch Passivierung eines Ausgleichspostens (Korrekturposten des Fremdkapitals)
Vgl. Ley, DStR 2007, 589, 591 f.; im Ergebnis ebenfalls für Erfolgsneutralität, technisch aber über eine Gegenbuchung unter „erhaltene Anzahlungen“: Bareis, FR 2012, 385 ff.; wieder anders in der Technik Hoffmann/Lüdenbach, StuB 2012, 3 (pRAP).
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pRAP als Alternative?
• Merkmal „bestimmte“ Zeit? à h.L.: imparitätische Auslegung; Bestimmbarkeit durch Anwendung mathematischer Verfahren genügt (str.).
• Zeitraumbezogenheit der Leistung? (-), Anschaffungsgeschäft ist mit Übernahme der Freistellungsverpflichtung abgeschlossen (vgl. BFH, I R 72/10 [Tz. 15 f.]; auch BFH, I R 28/11, [Tz. 38]; aus der Lit. namentlich Schlotter, BB 2012, 951, 953)
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Passiver Ausgleichsposten
• § 265 V 2 HGB lässt zusätzliche Posten zu. • Notwendig zur Gewährleistung des
Realisationsprinzips • Rechtsgedanke des § 301 I 3 HGB • In vergleichbaren Fällen zur Vermeidung eines
sachwidrigen „Anschaffungsgewinns“ anerkannt (s. BFH, I R 49, 50/04, Tz. 30 ff. [zum „Badwill“ beim Unternehmenserwerb])
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Folgerungen (1)
• Bilanzierung in der HB im Beispiel (Folie 15): – Zugangsbewertung: „Deckungsvermögen 100 an
Rückstellung 95 an passiven Ausgleichsposten 5“! – Folgebewertung der Rückstellung nach den
allgemeinen Regeln; sukzessive Auflösung des Ausgleichsposten gegen die Zuführung der Rückstellung
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Folgerungen (2)
• Bilanzierung in der Steuerbilanz im Beispiel: – Zugang: „Deckungsvermögen 100 an
Rückstellung 70 an passiven Ausgleichsposten 30“ (bei Anwendung des § 6a EStG auf die angeschaffte Pensionsrückstellung).
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Ausblick: „Nichtanwendungsgesetz“?
• BMF-Vorschlag einer „Missbrauchsvermeidung“ – § 5 Abs. 7 EStG-E: „(7) Übernommene Verpflichtungen, die beim ursprünglich
Verpflichteten Ansatzverboten, -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, sind zu den auf die Übernahme folgenden Abschlussstichtagen bei dem Übernehmer oder dessen Rechtsnachfolger so zu bilanzieren, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren wären. Dies gilt in Fällen der Erfüllungsübernahme nach § 329 BGB und des Schuldbeitritts mit Schuldfreistellung im Innenverhältnis für die sich aus diesem Rechtsgeschäft ergebenden Verpflichtungen sinngemäß.“
– § 4f EStG-E (Konzernklausel): „Gehören in den Fällen des § 5 VII der ursprünglich Verpflichtete und der aus diesen Rechtsgeschäften Verpflichtete zu demselben Konzern im Sinne des § 4h III 5 und 6, ist die hieraus resultierende Gewinnminderung beim ursprünglich Verpflichteten oder dessen Rechtsnachfolger nicht zu berücksichtigen. In diesen Fällen bleibt die aus der Anwendung des § 5 Absatz 7 resultierende Gewinnerhöhung außer Ansatz.“
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Kritik
• Kein Missbrauch, vielmehr im Gegenteil „systematisch richtige[n] Anknüpfung an handels- und steuerbilanzielle Grundsätze“ (BFH, I R 69/11, Tz. 27)
• Fiktion eines Erwerbsgewinns verstößt gegen das Realisationsprinzip
• Realisationsprinzip als „Eckpfeiler“ auch des Steuerbilanzrechts
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Rückstellungsbewertung und Grundsatz der Maßgeblichkeit
BilMoG als „fiskalische Wundertüte“?
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Unterschiede HB vs. StB (1)
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Handelsrechtliche Bewertung der Rückstellung
Steuerrechtliche Bewertung der Rückstellung
§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB: in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrags.
§ 253 Abs. 2 Satz 1 HGB: mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre abzuzinsen.
§ 6 Abs. 1 Nr. 3a lit. f EStG: Striktes Stichtagsprinzip.
§ 6 Abs. 1 Nr. 3a lit. e Satz 2 EStG: Für die Abzinsung von Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen ist der Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung maßgebend.
Unterschiede HB vs. StB (2)
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Abzinsungszeitraum Abzinsungsbetrag Zinssatz
HGB: bis zum Ende der Erfüllung (IDW ERS HFA 34 Tz. 39; IDW RH HFA 1.009 Tz. 9).
EStG: bis zum Zeitpunkt des Beginns der Erfüllung (§ 6 Abs. 1 Nr.3a lit. e Satz 2 EStG).
HGB: durchschnittlicher Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre (§ 253 Abs. 2 Satz 1 HGB).
EStG: typisierend 5,5 % (§ 6 Abs.1 Nr. 3a lit. e Satz 1 EStG).
HGB: Berücksichtigung künftiger Preis- und Kostenänderungen (IDW ERS HFA 34 Tz. 24f.).
EStG: keine Berücksichtigung künftiger Preis- und Kostensteigerungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a lit. f EStG).
OFD Rheinland und OFD Münster
• 2-Stufen-Modell: – 1. Stufe: Bewertung nach Maßgabe § 6 I Nr. 3a EStG – 2. Stufe: Vergleich mit dem handelsrechtlichen Wertansatz.
Ist dieser niedriger als das steuerrechtliche „Zwischenergebnis“ der ersten Stufe, ist der Handelsbilanzansatz maßgebend
• Begründung (s. auch Meurer BB 2012, 2807 f.): – „Höchstens“ im Einleitungssatz des § 6 I Nr. 3a EStG – Entstehungsgeschichte zum StEntlG 1999/2000/2002
• So nun wohl auch BFH, I R 66/11, Tz. 14 (handelsrechtlicher Wertansatz als „Höchstwert“)
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Praktische Relevanz der Problematik
• Rückstellungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen
• Rückstellungen für bergrechtliche Verpflichtungen im Tagebau
• Möglicherweise künftig allgemein, wenn Marktzinsen über 5,5 % steigen sollten
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Kritik
• Wortlautargument nicht zwingend • Entstehungsgeschichte:
– StEntlG 1999/2000/2002 spricht für OFD-Auffassung – Aber: (jüngeres) BilMoG wollte Steuerneutralität
• Bewertungsvorbehalt (§ 5 VI EStG): Steuerlich ein detailreiches, eigenes Abzinsungskonzept
• „Meistbegünstigungsmaßgeblichkeit pro fisco“ ist nicht leistungsfähigkeitsgerecht
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EStÄR 2012 (BStBl. I 2013, 276 ff.)
• Nach R 6.11 Abs. 2 wird folgender Abs. 3 angefügt: „Mit Ausnahme der Pensionsrückstellungen darf die Höhe der Rückstellung in der Steuerbilanz den zulässigen Ansatz in der Handelsbilanz nicht überschreiten. Für den Gewinn, der sich aus der erstmaligen Anwendung des BilMoG durch die Auflösung von Rückstellungen ergibt, die bereits in dem vor dem 1.1.2010 endenden Wirtschaftsjahr passiviert wurden, kann jeweils in Höhe von vierzehn Fünfzehntel eine gewinnmindernde Rücklage passiviert werden, die in den folgenden vierzehn Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens einem Fünfzehntel gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum). [...]“
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Rückstellungen für Passivprozesse
FG Schleswig-Holstein, 3 K 77/11 (Rev. beim BFH unter VIII R 45/12)
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BZ v. 21.3.2013, S. 3: „Rechtsstreite holen die Deutsche Bank ein“
• Deutsche Bank muss wegen rechtlicher Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der US-Hypothekenkrise die Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten um rund 600 Mio. EUR auf 2,4 Mrd. EUR aufstocken
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Ausgangspunkt
• Wahrscheinlichkeit des Bestehens einer Verbindlichkeit (Prognose)
• „51%-Rechtsprechung“ des BFH: „mehr Gründe für als gegen das Bestehen“
• Bei Überschreiten der Wahrscheinlichkeits-schwelle für den Ansatz: Bewertung zu 100% des notwendigen Erfüllungsbetrags
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Parameter für die Prognose nach IAS 37 / US-GAAP
• Stand des Verfahrens • Auffassung der Anwälte • Erfahrungen der Unternehmen aus vergleichbaren
Fällen • Beabsichtigte Reaktion der Gesellschaft (energisches
Bestreiten oder Vergleich) • “Bring together the chief accountant and the lawyer
and at the end of the day you have a number.” (IASB)
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FG Schleswig-Holstein, 3 K 77/11
1. Wird gegen den Steuerpflichtigen gerichtlich ein Anspruch geltend gemacht, hat der Steuerpflichtige eine Rückstellung zu bilden. Auf die Erfolgsaussichten der Klage kommt es nicht an, es sei denn die Klage ist dem Grunde und/oder der Höhe nach offensichtlich willkürlich oder erkennbar nur zum Schein erhoben worden. 2. Die Rückstellung ist grundsätzlich mit dem eingeklagten Betrag zu bewerten.
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Auflösung von Rückstellungen
• BFH, IV R 95/96: eine Rückstellung wegen eines gerichtlich verfolgten Ersatzanspruches ist erst aufzulösen, wenn über diesen Anspruch rechtskräftig entschieden ist (s. außerdem BFH, I R 68/00; BGH, II ZR 172/88)
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Anmerkungen
• Die Praxis verfährt so streng bei der (ersten) Passivierung bislang wohl nicht
• Klage belegt zwar Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme, aber für sich genommen nicht Wahrscheinlichkeit des Bestehens der Verbindlichkeit
• Sorgfältige Würdigung der Klageaussichten nach Maßgabe der o.g. Parameter sachgerecht
• Praktisch vielfältige Spielräume; immanente Grenze der Bilanzkontrolle
Prof. Dr. Joachim Hennrichs
Kontakt
Prof. Dr. Joachim Hennrichs Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Bilanz- und Steuerrecht Universität zu Köln Albertus-Magnus-Platz 50923 Köln
Telefon: 0221 / 470-5694 [email protected] http://www.bilanzrecht.uni-koeln.de/
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